Zypern war im gesamten Mittelalter europäisch. Bis zu seiner Unabhängigkeit im Jahre 1960 gehörte Zypern auch politisch zu Europa, während der gesamten christlichen Epoche war es eine kaiserliche Provinz mit Herrschern in Rom, dem byzantinischen Konstantinopel, Venedig und schließlich London. Die größte Ausnahme stellt eine lange Zeit der Unabhängigkeit dar, die auch als Frankenherrschaft bekannt ist. Dennoch bestätigt diese Ausnahme die Regel und es gilt als Tatsache, dass das fränkische Zypern durch die Blutsbande, die Sprache, die Religion, die Kultur, die soziale Struktur, die Wirtschaft und die Kunst in diesen drei Jahrhunderten ein unabhängiges europäisches Königreich war. Das wird durch die Geschichtsschreibung über das fränkische Zypern belegt. Die primären Quellen wurden zu dieser Zeit in Zypern selbst geschrieben, und zwar nicht nur in einer Sprache, sondern vorwiegend in vier: Französisch, Griechisch, Italienisch und Latein, wobei kleinere Texte auch in anderen europäischen Sprachen verfasst wurden. Seit der osmanischen Eroberung im Jahre 1571 haben die bedeutendsten Gelehrten, die sich mit diesem Thema befassten, ihre Texte auf Englisch, Französisch, Griechisch und Italienisch geschrieben. Somit sind sowohl der Forschungsgegenstand als auch der Forschungsbereich europäisch. Im Mai 1191 wurde Zypern von König Richard I. von England erobert, dem ruhmreichen Löwenherz, der sich im dritten Kreuzzug auf seinem Weg nach Jerusalem befand, um es zu befreien. Irgendwann im Sommer 1192 ließ sich die Lusignan-Dynastie auf der Insel nieder. Die Herrschaft der Lusignans begann, als der entthronte König von Jerusalem, Guy de Lusignan, aus Poitou in Westfrankreich den Kauf Zyperns von Richard veranlasste, nachdem die Insel eine kurze Zeit lang, d.h. weniger als ein Jahr, von den Rittern des Templerordens regiert worden war. Zypern sollte nie wieder Teil des Byzantinischen Kaiserreichs werden, während das Königreich der Lusignans die Staaten der Kreuzritter in Syrien und Palästina weit überlebte und zum letzten Vorposten des westlichen Christentums im östlichen Mittelmeer gegen die vorrückenden Araber und Osmanen wurde. Guy wurde von seinem Bruder Amalrich (1196 – 1205) abgelöst, der 1196-1197 die Krone vom Kaiser Heinrich VI. von Hohenstaufen in Deutschland erhielt und dadurch Zypern zum Königreich erhob. Almarich legitimierte seine Position auch, indem er die Etablierung der Westkirche auf der Insel durch Papst Celestino III. im Jahre 1196 durchsetzte. Ein Bistum mit dem Erzbischof in Nikosia und Bischöfen in Limassol, Famagusta und Pafos entstand. Die Präsenz einer institutionalisierten lateinischen Kirche repräsentierte den Ausdruck der kulturellen und geistigen Identität des fränkischen Regimes und war notwendig für die Legalisierung seiner weltlichen Macht. Guys Nachfahren regierten, bis sie gegen 1470 ausgestorben waren, 1489 die Monarchie offiziell abgeschafft war und die Insel in den Besitz der Republik Venedig gelangte. Die Lusignans waren sich sehr wohl der wirtschaftlichen und politischen Bedeutung Zyperns für die Gründung der Kreuzritterstaaten in Syrien und Palästina wie auch für den Erfolg der Kreuzritterbewegung bewusst. Dadurch entstanden besonders enge politische Beziehungen und kulturelle Verbindungen zwischen dem Königreich Zypern und Frankreich, denn letzteres stand traditionell im Fokus der Bemühungen der lateinischen Siedler im Osten, einen neuen Kreuzzug zu organisieren. Daher erlaubten die Lusignans oft, dass der materielle Reichtum und die militärischen Fähigkeiten der Insel den Zwecken der Kreuzritter zur Verfügung standen und zyprische Ritter an Feldzügen der Ritter aus dem Westen teilnahmen. Die strategische Rolle Zyperns für die Kreuzzüge im 13. und 14.Jahrhundert wurde weithin anerkannt. Die Insel entwickelte sich zu einem bedeutenden Versorgungszentrum mit landwirtschaftlichen und anderen Produkten für die Kreuzritter aus dem Westen und zu einem praktischen Versammlungs- oder Rückzugsort für die Truppen und Flotten der Kreuzritter aus Europa generell und insbesondere aus Frankreich. Kaiser Friedrich II. von Deutschland machte 1228 in Limassol Rast, König Louis IX. von Frankreich von 1248-1249 und Lord Edward, später König Edward I. von England, im Jahre 1271. Darüber hinaus wurde Zypern im Zuge der aufeinander folgenden Rückzüge der Kreuzritter aus der Levante, insbesondere nach der Katstrophe von 1291, die zum Verlust von Acra führte, zum natürlichen Zufluchtsort für lateinische und christlich-syrische Flüchtlingswellen vom Festland. Zypern nutzte seine neue Lage an der Grenze zwischen Islam und Christentum. Der konstante Reichtum der Insel bis gegen Ende des 14.Jahrhunderts war eng mit seiner Bedeutung als letzte christliche Station auf den Seestraßen der Händler und Pilger dieser Zeit verbunden. Als Anlaufhafen bot die Insel berühmten Pilgern und Reisenden aus dem Westen Unterkunft. Im Jahre 1334 bildeten Venedig, die Johanniter aus Rhodos, Frankreich, der Papst, Byzanz und Zypern unter Hugo IV. eine christliche Seestreitkraft mit dem Ziel, die türkische Piraterie und den Expansionismus in der Ägäis zu kontrollieren. Eine neue Liga wurde 1344 gebildet und der Hafen von Smyrna wurde erobert. Die Liga wurde in den 1350er Jahren erneuert. Die Dynastien-Hochzeiten zwischen dem Haus der Lusignans und Mitgliedern der französischen und aragonischen Monarchie im 14.Jahrundert zeugen von der politischen Bedeutung der Insel. Die romantische Persönlichkeit Peter I. von Lusignan (1359-1369) markierte diese Epoche in der Geschichte der Insel. Peter bereiste zweimal Westeuropa, um für die Ausrufung eines neuen Kreuzzuges zu werben. Von seinen Erfolgen in Alexandria im Jahre 1365 gegen das Sultanat der Mameluken von Ägypten und seinem erfolgreichen Krieg gegen die Türken im südlichen Anatolien berichteten so große Dichter wie Guillaum de Machaut, Francesco Petrarca und Geoffrey Chaucer. In den folgenden Jahren sollte Zypern meistens in den westlichen Plänen zur Befreiung des Heiligen Landes eine Rolle spielen, die jedoch niemals umgesetzt wurden. Die genuesische Invasion und die Einnahme von Famagusta in den Jahren 1373-1374 bedeuteten das Ende des Einflusses der Lusignans auf internationaler Ebene und der goldenen Ära der Insel. Die orthodoxen Griechen machten den Großteil der Bevölkerung Zyperns aus. Das Zusammenleben von Griechen und Franken auf der Insel war friedlich und oft konstruktiv für beide ethnischen Gruppen. Offensichtlich beschäftigte die Lusignans die demografische Überlegenheit der Griechen, weshalb die lateinischen Siedler sehr willkommen waren. Auch wenn sich die Zahl der fränkischen Bevölkerung nur schwer bestimmen lässt, so lässt sich doch sagen, dass sie nie ein Fünftel oder ein Viertel der Gesamtbevölkerung überschritten hat. Es ist allgemein anerkannt, dass die Griechen in den ländlichen Regionen in der Überzahl waren, während die Mehrheit der lateinischen Bevölkerung, wozu auch die italienischen Händler zählten, in den Städten lebte und die meisten fränkischen Ritter in Nikosia. Die meisten westlichen Siedler auf Zypern waren enteignete Ritter und Bürger, überwiegend französischer Herkunft, die ihr Land und ihre Einkünfte in den lateinischen Staaten Syrien und Palästina verloren hatten. Andere waren Neuankömmlinge im Osten aus Westeuropa oder Poitou, der Heimat von Guy de Lusignan. Alle nutzten die Chance, eine neue Lebensgrundlage auf der Insel zu schaffen. Die Politik von Guy und seinen Nachfolgern war eine Taktik des demografischen Gleichgewichts unter der einheimischen Bevölkerung. Das bedurfte einer großzügigen Landzuteilung, denn in erster Linie wurden die neuen Siedler durch soziale Privilegien angezogen. Berechnungen auf der Grundlage überlieferter Zahlen von den Lehen, die verteilt wurden (300 an Ritter und 200 an Turkopolen), belegen eine Bevölkerung von ca. 2000 höheren und niederen Adligen zur Zeit der lateinischen Besiedelung. Die Ritter scheinen die ursprüngliche Zahl von 300 nie überschritten zu haben. Dennoch ist es unmöglich, die unbestimmte Zahl der niederen Klassen zur Zeit der Besiedelung und danach festzulegen. Als sicher gilt, dass der Zustrom von Flüchtlingen vom Festland im letzten Viertel des 13.Jahrhunderts zum Wachstum der lateinischen Bevölkerung auf der Insel beigetragen haben muss. Bis ins dritte Viertel des 14.Jahrhunderts waren die fränkisch-adeligen Grundbesitzer eine außerordentlich homogene Gruppe. Belege für Mischehen mit griechischen Familien gibt es nicht und Hauptmerkmal von Eheschließungen war die Klassen-Endogamie. Dennoch stellten die hohe Kindersterblichkeit und die niedrige Lebenserwartung in Verbindung mit dem wirtschaftlichen Wohlergehen der Bürger nach 1291 allmählich eine Bedrohung für das soziale Gleichgewicht dar, wodurch Klassen-Mischehen mit niederen Adligen, wohlhabenden Bürgern oder Italienern möglich wurden. Zudem wurde die traditionelle fränkische Aristokratie durch den Bürgerkrieg von 1306-1310, die Politik von Peter I. de Lusignan (1359-1369), Fremden, die in seinem Dienst standen, Lehen zu schenken, sowie die genuesische Invasion der Mameluken von 1426 und einen weiteren Bürgerkrieg um die Thronfolge in den Jahren 1460-1464 stark geschwächt. Im fünfzehnten Jahrhundert wurden Dynastien-Ehen mit den Herrscherhäusern von Byzanz und verschiedenen italienischen Städten arrangiert – ein weiterer Hinweis auf den steigenden griechischen Einfluss und den italienischen Durchbruch. Bis zum Ende des Bürgerkriegs waren viele Familien, die von fränkischen Rittern abstammten, verschwunden und viele Mitglieder der alteingesessenen Familien, die Königin Charlotta unterstützt hatten, folgten ihr ins Exil nach Italien. Gleichzeit war Jean II. de Lusignan (1464-1473) in seinem Kampf um den Thron gezwungen, sich auf Fremdenlegionäre zu stützen, die er mit zyprischem Land und Titeln entlohnte. Nach seiner Eheschließung mit Caterina Cornaro begann sich die venezianische Präsenz auf der Insel zu verstärken. Folglich gehörten bis Ende des 15.Jahrhunderts Griechen, die wirtschaftlich und sozial aufgestiegen waren, Italiener und Spanier zur zyprischen Aristokratie. Während der Herrschaft der Lusignans erlangten die westlichen Handelsgemeinschaften weitläufige Rechte: verringerte Zölle, Rechtszuständigkeit für ihre eigenen Staatsbürger, Eigentumsrechte und Rechte auf eigene Wohnviertel, sowie Sicherheits- und Schutzgarantien der Herrscher. Den Genuesen gewährten sie 1218 und 1232 Privilegien, den Provencialen (Marseille, Montpellier und andere Städte der Provence) im Jahre 1236 und den Pisanern und Aragonern 1291. Die Venezianer erlangten trotz wiederholter Anträge erst 1306 Privilegien, außer wenn die Lusignans frühere Privilegien respektierten, die Konstantinopel eingeräumt hatte. Im 13.Jahrhundert waren die lateinischen Händler zahlenmäßig unbedeutend im Vergleich zu ihrem Zuwachs nach 1291 und die Kolonien der größten italienischen Handelsstädte befanden sich in der Rechtszuständigkeit ihrer Konsuln in Syrien. In den 70er und 80er Jahren des 13.Jahrhunderts und infolge des lateinischen Rückzugs aus Syrien war ein allmählicher Anstieg der Handelstätigkeiten zu bemerken, während die Bedeutung der anwesenden Händler aus Genua, Pisa und der Provence wuchs. Famagusta entwickelte sich im 14.Jahrhundet zu einem internationalen Umschlaghafen und stark frequentierten Handelszentrum für Produkte aus und nach Westen oder Osten und seit Ende des 13.Jahrhunderts verlegten zahlreiche Bürger verschiedener italienischer, provenzalischer und aragonischer Städte ihre Geschäfte nach Zypern. Überlieferten Quellen zufolge bildeten die Genuesen und die Ligurer die größte Handelsgemeinschaft in Famagusta, gefolgt von den Venezianern, Pisanern, Anconesen, Florentinern und Bürgern anderer italienischer Städte sowie den Provencalen und Katalanen. Auf der Insel gab es Konsulate von Genua, Venedig, Pisa, Marseille, Montpellier, Narbonne und Barcelona. Außerdem wurden Handelsfirmen in Zypern durch ihre Repräsentanten vertreten, wie das Bankhaus Bardi aus Florenz, dessen Vertreter Francisco Balducci sich in den 1330er Jahren auf Zypern befand. Generell hatte die Lusignan-Dynastie bessere Beziehungen zu den Venezianern als zu irgendeiner anderen großen Handelsgemeinschaft. Mit der Etablierung der Frankenherrschaft auf Zypern im Jahre 1192 brauchte man ein neues komplexes Gesellschaftssystem, das die Beziehungen zwischen den beiden Gemeinschaften regeln sollte. Die eingeführten Institutionen waren feudaler Art und fränkischer Herkunft. Die fränkischen Siedler brachten ihre Bräuche in Bezug auf die Lehen, ihre militärischen Verpflichtungen und Lehenserbschaft mit. Dennoch war das etablierte Gesellschaftssystem nicht nur durch Modernisierung gekennzeichnet, sondern auch durch Kontinuität. Es trug ebenfalls Merkmale aus der byzantinischen Vergangenheit der Insel und zielte auf die Schaffung von Bedingungen eines friedlichen Miteinanders ab, sowie auf die Sicherung höchster wirtschaftlicher und sozialer Privilegien für die Aristokratie und auf Wohlergehen für die Volksschichten. Damit die Dauerhaftigkeit des eingeführten Elements möglich wurde, war die Etablierung eines Systems notwendig, das nicht die koloniale Ausbeutung von außen, sondern die Führung von innen zum Ziel hatte, also eine Regierung, die auf der Zusammenarbeit mit der vorhandenen Bevölkerung basierte. Die Lusignan-Dynastie führte auch das Rechtssystem des lateinischen Königreichs von Jerusalem auf Zypern ein, wie es in den Assisen beschrieben wird, einer inoffiziellen Sammlung von Verträgen auf Altfranzösisch, welche erklärten, wie ein Fall vor Gericht präsentiert werden sollte oder wie die Gesetzte zu interpretieren waren. Die Assisen basierten auf dem Prozess zu den Urteilen des Hohen Gerichtshofs und des Bürgergerichts (les Assises et les bons usages et bones costumes dou reaume de Jerusalem, les queles l’on doit tenir ou reaume de Chipre – die Asissen und die weisen Praktiken und die weisen Bräuche des Königreichs von Jerusalem, die im Königreich Zypern einzuhalten sind). In den fähigen Händen der Rechtsgelehrten des 13.Jahrhunderts, der noblen und bürgerlichen Männern des Rechts und der Wissenschaften, war es die Umgangssprache, das Französische, und nicht die lateinische Sprache, die in den renommierten Bereichen Rhetorik und der Rechtswissenschaft Verwendung fand. Bereits in den ersten Jahren setzte ein langwieriger gesellschaftlicher Diskurs zwischen den beiden Volksgruppen ein. Die Lusignans versuchten, den demografischen Unterschied auszugleichen und durch die Auferlegung eines streng geschichteten Gesellschaftssystems die gesellschaftlichen und ethnischen Grenzen zu wahren, während es den Griechen allmählich gelang, dank ihres wirtschaftlichen und beruflichen Aufstiegs die gesellschaftlichen Grenzen zu überwinden. Selbst die kulturelle Wechselwirkung in den Bereichen Sprache und Religion sowie das Phänomen der Mischehen, die seit Beginn der lateinischen Niederlassung auftraten und im 15.Jahrhundert ihren Höhepunkt erreichten, sollten zur Assimilation der fränkischen Gesellschaft an die griechische führen. Gegen Mitte des 14.Jahrhunderts beschwerte sich der Papst über die große Anzahl nobler Damen und Bürgerlicher, die die griechischen Kirchen besuchten. Im 15.Jahrhundert war der Papst gezwungen, die Mischehen zwischen Griechen und Lateinern sowie die Eheschließung und Bestattung der lateinischen Bevölkerung nach dem griechischen Dogma anzuerkennen. Gleichzeitig wuchs die wirtschaftliche und politische Kontrolle der Genuesen und Venezianer auf der Insel zulasten der fränkischen Gemeinschaft. Entgegen den universalistischen Zielen des Pontifikats für einen lateinischen christlichen Osten erhielten die griechischen Zyprer ihre traditionelle religiöse Unabhängigkeit aufrecht. Bis in die 1260er Jahre war das Verhältnis zwischen dem griechischen und dem lateinischen Klerus oft angespannt und zuweilen gewaltsam. Gewöhnlich versuchte der Staat den Frieden zugunsten der Sicherheit und des Wohlergehens zu wahren. Dennoch kehrte mit dem Kompromiss, bekannt als Bulle Cypria, im Jahre 1260 allgemeine Ruhe ein. Im Rahmen dieses Klimas religiöser Toleranz erlebte die Epoche der Lusignans eine Blütezeit des griechischen und lateinischen Mönchtums und anderer Formen der Religiosität. Demografische und literarische Zeugnisse belegen, dass die fränkischen Siedler die langue d’oïl sprachen. Im Zuge der Politik der sprachlichen Toleranz der Lusignans, eine Politik, die weder die eine noch die andere Sprache aus einem Bereich der Sprachverwendung verbannte, bemerkten sowohl die Griechen als auch die Franken gegenseitige Vorteile in der Erhaltung der jeweiligen Sprache. Die sozialen und wirtschaftlichen Vorteile, die sich aus dem Erlernen von Sprachen ergaben, motivierten die Griechen, Französisch und/oder Latein zu lernen, während es die neue soziale und demografische Realität der Franken erforderlich machte, den griechischen Landesdialekt als Verständigungsmittel mit der einheimischen Bevölkerung zu erlernen. Ethnischen Antagonismus im Sinne der Ablehnung der einen oder anderen Sprache hat es nie gegeben. Im Gegenteil, die Zweisprachigkeit in der Form des Austauschs des Sprachenkodex je nach Bereich oder sozialem Kontext verbaler Interaktion wurde von einigen Personengruppen übernommen. Die Zweisprachigkeit fand sowohl in den Bereichen Verwaltung und Rechtswesen als auch im Alltag und im sozialen Austausch Verwendung. Die Zweiförmigkeit als bewusstes Unterscheidungsmerkmal zwischen “höheren” und “niederen” Formen derselben Sprache bedeutete andererseits, dass die Umgangssprache aus dem kirchlichen Bereich gewöhnlich ausgeschlossen wurde. Somit unterschieden die Sprecher praktisch und theoretisch zwischen dem Griechischen (Dialekt und Koine), dem Französischen und Latein, wenngleich der Bevölkerungsanteil und die sozialen Schichten, die an diesem Prozess beteiligt waren, schwer einzuschätzen sind. Selbst wenn die Sprache, wie auch die Religion, eines der wichtigsten Identifizierungselemente einer ethnischen Gruppe war, so diente die Loyalität einer Sprache gegenüber nicht als ausreichend starke Verbindung, auf die sich ethnische Gruppen stützten und so waren sprachliche Wechselwirkungen schon früh zu beobachten. Daher galt der griechisch-zyprische Dialekt als Lingua franca, als gemeinsame Sprache für die gesamte Bevölkerung. Der Dialekt veränderte sich durch den zersetzenden französischen Einfluss, insbesondere in den Bereichen des Verwaltungswortschatzes und der Phonetik. Nur wenige Möglichkeiten gab es für eine richtige byzantinische Ausbildung auf der Insel. Die griechische Elementarbildung erfolgte in den griechischen Klöstern oder städtischen Schulen, die von Klerikern geleitet wurden. Auf dieselbe Weise wurde eine ausreichende lateinische Bildung in den Klosterschulen der Bettelmönche und den Kathedralschulen gelehrt und später in Schulen, die der Staat in Nikosia gründete. Die Zyprer suchten oft eine höhere Bildung in den Zentren der byzantinischen Welt oder an den großen Universitäten Westeuropas. Mit der Eroberung Konstantinopels und der wachsenden Präsenz der Venezianer auf der Insel wurden die italienischen Universitäten zu Hauptzentren für zyprische Studenten im Ausland. Die literarische Produktion muss während der Frankenherrschaft im Zusammenhang mit dem multinationalen und multikulturellen Charakter der zyprischen Gesellschaft in dieser Epoche interpretiert und als kulturelles Produkt der fruchtbaren Begegnung zwischen Griechen und Lateinern untersucht werden. Die wissenschaftlichen Klassifizierungen, die auf der Grundlage der Sprache zwischen griechischer und fränkischer Literaturproduktion unterschieden, haben nur für das 13.Jahrhundert gewisses Gewicht, verlieren jedoch ihre Bedeutung, wenn man sie im Rahmen einer Gesellschaft betrachtet, die von einem dreihundertjährigen Prozess kulturellen Austauschs und Zusammenspiels profitierte. Die bedeutendsten Gelehrten nutzten alle sprachlichen Möglichkeiten, die ihnen zur Verfügung standen. Die Veränderung der literarischen Sprachen, welche die zyprischen Dichter verwendeten (Griechisch und Altfranzösisch vom 13. bis Mitte des 14.Jahrhunderts, griechisch-zyprischer Dialekt und Italienisch im 16.Jahrhundert), reflektieren die kulturellen Beziehungen und die Sprachentwicklung im Königreich der Lusignans. Die zyprischen Gelehrten schöpften sowohl aus der byzantinischen und westlichen Literaturtradition als auch aus der östlichen Tradition (geistliche griechische und lateinische Kreuzrittertradition). Im 13.Jahrhundert wurden die literarischen und kulturellen Bande der Franken mit dem Westen durch die Kontakte zu Frankreich und generell Westeuropa gestärkt. Gleichermaßen war die orthodoxe Kirche der wichtigste Versorgungskanal mit Literatur für die Griechen. Dennoch lassen sich einige speziell zyprische Merkmale in der Literaturform und im Inhalt ausmachen, die zur Schaffung einer Tradition mittelalterlicher zyprischer Literatur beitrugen, welche die sprachlichen und ethnischen Grenzen sprengte - thematisch ein lebhaftes Interesse an der rechtswissenschaftlichen und historischen Literatur und stilistisch die Verwendung von Prosa und Umgangssprache (Altfranzösisch statt Latein und griechisch-zyprischer Dialekt statt der byzantinischen Koine). Mit der Verwendung dieser stilistischen und sprachlichen Mittel verfassten die zyprischen Chronisten des Mittelalters die Geschichten der Königshäuser von Jerusalem und Zypern und es ist kein Zufall, dass alle in den Kreisen der Rechtsgelehrten und gebildeten Bürokraten verkehrten. Nach dem Tod von Hugo IV. de Lusignan im Jahre 1359, der mit dem ersten Ausbruch der als “schwarzer Tod” bekannten Epidemie und der anschließenden demografischen und sozialen Veränderung zusammenfiel, reflektierte die französische weltliche Literatur die Interessen einer ritterlichen Feudalgesellschaft und war ein direkter Abkömmling der ritterlichen Literaturtradition des lateinischen Ostens. Zudem entstand mit dem Charme, den das Recht auf diese Gesellschaft ausübte, was zur Entwicklung einer bedeutenden Rechtstradition führte, auch eine historiographische Tradition, die im Rahmen der historiographischen Literatur der Kreuzritterstaaten Syrien und Palästina einzuordnen ist. Somit war die gesamte Literatur dieser Epoche, abgesehen von einigen lyrischen Werken (vereinzelt Liebeslieder von Raul de Soisson, epische Lieder, ein allegorisches Gedicht namens La Dîme de Pénitance, geschrieben im Jahre 1288 von Jean de Journy in Nikosia, sowie einige ‘Poems de circonstance‘ in den Werken Philips von Novara und Gerards de Monréal) auf Altfranzösisch (mit gewissen lokalen Besonderheiten) und in Prosa verfasst und hatte nur historische und moralische Themen zum Inhalt. Die überlieferte historische Literatur ist Zeugnis einer bewundernswerten Fortführung und Vielfalt und beinhaltet chronologisch den gesamten Zeitraum. Sie enthält Chroniken (die Continuations de Guillaume de Tyr und die als Chronique d’ Ernoul et de Bernard le Trésorier bekannte Chronik), die Memoiren von Philipp von Novara zum Bürgerkrieg von 1229-1233 (Estoire de la querre qui fu entre l’empereor Frederic et Johan d’ Ibelin), die Sammlung von Gerard de Monréal Les Gestes de Chiprois vom Beginn des 14.Jahrhunderts (darunter auch die Chronique de Terre Sainte, die Memoiren von Philip von Novara und die Chronique du Templier de Tyr), und genealogische Literatur (Les Lignages d’ Outremer). Die bedeutende Persönlichkeit Philips von Novara war zu dieser Zeit vorherrschend. Philip, ein Italiener aus Novara in der Lombardei, entschied sich für ein Leben als levantinischer Franke im Osten. Philip war Soldat, Politiker und Jurist und hinterließ ein bedeutendes literarisches Werk, von dem nur ein Teil erhalten ist. Neben seinen Memoiren verfasste er lyrische Werke, die nicht erhalten sind, eine moralische Abhandlung (Les Quatre âges d l’homme) und eine juristische Abhandlung (Le Livre de forme de plaît). Die französische Literatur Zyperns folgte überwiegend westlichen Vorbildern. Die Anwesenheit von so namhaften Gelehrten wie Raymond Lull und Peter de Palude, sowie von Dichtern wie Pierre de Paris, Robert de Boron, Martino Sanudo Torsello auf der Insel ist repräsentativ für die literarischen und kulturellen Bande der Franken zum Westen. Ein Gelehrter, dessen Leben und Werk ein Bindeglied zwischen der ersten und zweiten fränkischen Epoche auf der Insel ist, war der Grieche Jorgos Lapithis. Lapithis lebte in der ersten Hälfte des 14.Jahrhunderts und war Mitglied eines kleinen Kreises griechisch-zyprischer Intelektueller, die entweder zur alten griechischen Aristokratie oder zur neuen Klasse gebildeter griechischer Bürokraten gehörten und die am literarischen Leben der fränkischen Aristokratie teilhatten. Er ist in die Geschichte als Freund von Hugo IV. de Lusignan (1324-1359) sowie von Philosophen und Stochastikern griechischer, französischer und arabischer Herkunft eingegangen. Er sprach Französisch, Latein und anatolische Sprachen und war als Übersetzer tätig. Seine Kenntnisse der französischen und lateinischen Sprache waren für seine literarischen, theologischen und wissenschaftlichen Studien erforderlich und seinem gesellschaftlichen Aufstieg und seinen Kontakten zum Königshof von Hugo IV. dienlich. Die sozialen, wirtschaftlichen, politischen und demographischen Veränderungen, welche die Mitte des 14.Jahrhunderts prägten, hatten einschneidende Folgen für die literarische Schöpfung. Der “schwarze Tod“ schwächte die fränkische Bevölkerung und eine demographische Erneuerung war unmöglich. Der soziale und wirtschaftliche Aufstieg einer Klasse gut gebildeter griechischer Bürger, die in der königlichen Verwaltung tätig waren, führte zur Schwächung der Gemeinde der fränkischen Aristokratie und zur Verwischung der sozialen und kulturellen Grenzen. Die Ermordung des Lusignan-Königs Peter I. im Jahre 1369 und die anschließende Genua-Invasion im Jahre 1373 zogen tiefgreifende Veränderungen in den traditionellen Werten der feudalen Rittergesellschaft der Franken nach sich. Auch wenn es Anzeichen für politische Bande nach Frankreich während der Herrschaft Hugos IV. (1324 – 1359) und Peter I. (1359-1369) gab (wie die Anwesenheit Philips de Mézières auf der Insel und die Entstehung eines großen epischen Gedichts durch Guillaume de Machaut, der durch die Kreuzzüge Peters inspiriert wurde, belegen), so wurden diese Bande seit dem 15.Jahrhundert allmählich schwächer. Daher ist dieser Zeitraum durch den Aufstieg der griechischen Sprache und Kultur zulasten der französischen Sprache und der fränkischen Kultur der Kreuzritter und durch die Konzentration der literarischen Produktion auf die Historiographie in Prosa gekennzeichnet. Eine verloren gegangene Chronik, die im 14.Jahrhundert von Jean de Mimar auf Französisch verfasst worden war, stellt das Bindeglied zwischen der französischen Sammlung vom Beginn des 14.Jahrhunderts Les Gestes des Chiprois und der griechischen Chronik von Leontios Machairas vom Beginn des 15.Jahrhunderts dar und belegt die bemerkenswerte Fortsetzung der zyprischen Historiographie. Mit der Chronik von Leontios Machairas und Georgios Voustronios, die im 15.Jahrhundert im griechisch-zyprischen Dialekt geschrieben wurde, erreichte die zyprische Historiographie ihre volle Ausprägung. Beide Dichter gehörten zur Klasse jener griechisch-zyprischen Würdenträger der feudalen und königlichen Verwaltung, die an beiden Kulturen teilhatten und die Verbindungsgruppe zwischen beiden Gesellschaften bildeten. Beide schrieben in Prosa und in der zyprischen Volkssprache, der Sprache, die sowohl die Griechen als auch die Franken Zyperns sprachen, und mit ihren Chroniken, dynastischen Geschichten über Ruhm und Fall des zyprischen Königshauses, brachten sie ihre Loyalität dem Lusignan-Regime gegenüber zum Ausdruck. Ihre Chroniken können daher insofern als Nationalgeschichten bezeichnet werden, als sie angesichts der muslemischen Bedrohung eine einheitliche zyprische nationale Identität für Griechen und Franken beschrieben. Ihr Werk muss also einer historiographischen Tradition zugeordnet werden, die sowohl Elemente der westlichen als auch der byzantinischen Tradition enthält, sich jedoch durch einen speziell zyprischen Charakter auszeichnet. Das ist der stärkste Hinweis auf die kulturelle Osmose zwischen Griechen und Franken des mittelalterlichen Zyperns und auf die Bedeutung der Insel als Treffpunkt westlicher und östlicher europäischer Kulturen im Mittelalter. Die gotische Architektur: Die Franken errichteten monumentale lateinische Kirchen und Klöster im gotischen Stil, eindrucksvolle Burgen und Festungen sowie großartige königliche und feudale Schlösser, von denen ein Großteil heute noch erhalten ist. Die künstlerischen Zeugnisse offenbaren auch französische Einflüsse auf die griechisch-sakrale Kunst und Architektur. Die Kathedrale der Panagia Hodegetria in Nikosia, bekannt als Agios Nikolaos (Bedestan), wurde neben der lateinischen Kathedrale Agia Sofia errichtet, und in Famagusta die griechische Kathedrale Agios Georgios nicht weit von der lateinischen Kathedrale Agios Nikolaos. Die griechischen Kathedralen im gotischen Stil wurden nicht erbaut, um mit den lateinischen in Wettbewerb zu treten, sondern um in Einklang mit ihnen zu existieren. Wie die Fotografien verraten, sind die gotischen architektonischen Ruinen das sichtbarste und dauerhafteste Zeugnis für die französische Präsenz auf der Insel.