diff --git "a/data/en-de/tst2021/IWSLT.TED.tst2021.en-de.de2.xml" "b/data/en-de/tst2021/IWSLT.TED.tst2021.en-de.de2.xml" new file mode 100644--- /dev/null +++ "b/data/en-de/tst2021/IWSLT.TED.tst2021.en-de.de2.xml" @@ -0,0 +1,2093 @@ + + + + +37225 +Der Rückgang von Bestäubern stellt in der modernen Welt ein großes Problem dar. +Von den mehr als 200.000 Arten von Bestäubern, wissen wir über die Honigbienen am meisten; dies ist teilweise unserer langen gemeinsam Geschichte geschuldet, die 8000 Jahre zurückreicht, bis zu den Höhlenmalereien im heutigen Spanien. +Und wir wissen bereits, dass diese Indikatorart ausstirbt. +Allein letztes Jahr haben wir in den USA 40 Prozent aller Bienenstöcke verloren. +In Gegenden mit sehr kalten Wintern liegt diese Zahl noch höher. Dies ist z. B. hier in Massachusetts der Fall, wo wir allein in einem einzigen Jahr 47 Prozent der Bienenstöcke verloren haben. +Könnt Ihr Euch im Vergleich dazu vorstellen, wie es gewesen wäre, wenn wir letztes Jahr die Hälfte unserer Bevölkerung verloren hätten? Und wie es uns jetzt ginge, wenn gerade die Menschen ausgestorben wären, die unsere Lebensmittel herstellen? Das liegt jenseits unserer Vorstellungskraft. Ich sage voraus, dass unsere Bienen in zehn Jahren ausgestorben sein werden. +Wenn unsere Imker diese toten Bienenstöcke nicht so fleißig austauschen würden, hätten wir folgende Lebensmittel, die für uns so selbstverständlich sind, nicht mehr zur Verfügung, als da wären: Obst, Gemüse, Mandeln, Nüsse, Äpfel für unsere Kuchen, Zitronen. +Auch von den Futtermitteln für unser Vieh wäre nichts mehr übrig, kein Heu mehr und auch kein Alfalfa. Alles einfach weg! Es käme zu weltweiten Hungersnöten, einem Zusammenbruch der Wirtschaft und einer moralischen Krise, die die gesamte Weltbevölkerung erfasst. +Nachdem ich meinen Doktortitel im Fachbereich Bienengesundheit gemacht habe, habe ich hier in Cape Cod mit der Bienenzucht angefangen. +Stellt Euch vor Ihr erlangt einen solchen Titel bei einer guten Wirtschaftslage -- und wir schrieben das Jahr 2009, da war die große Rezession in Gange. +Und ich hatte ein Ziel vor Augen. +Ich wusste, dass es mir möglich war, herauszufinden, wie man zu einer besseren Gesundheit der Bienen beitragen kann. +Die Leute in Cape Cod, hier in Provincetown, waren bereit, als Wissenschaftler „aus dem Volk“ tätig zu sein, die Menschen suchten nach Wegen, um mitzumachen und uns zu unterstützen. +Wir haben uns also in Coffee Shops mit den Menschen getroffen. +Eine ganz wunderbare Dame namens Natalie hat hinter ihrem Haus in Truro acht Bienenstöcke. Sie hat uns ihrer Freundin Valerie vorgestellt, die auf einem verwaisten Tennisplatz auf ihrem Grundstück ganze 60 Bienenstöcke aufgestellt hat. +Wir haben also angefangen, Impfstoffe für Bienen zu testen. Zunächst haben wir uns Probiotika angeschaut. +Wir haben die Probiotika „Bienenjoghurt“ genannt, ein Mittel, mit dem man zu einer besseren Gesundheit der Bienen beitragen kann. +Unser Projekt mit den wissenschaftlichen Mitarbeitern aus der Mitte der Bevölkerung nahm Fahrt auf. +Ich war unterdessen in meiner Wohnung und ein bisschen nervös, was mein Vermieter sagen würde. +Ich kam zu dem Schluss, dass es das beste sei, ihm von unserem Projekt zu erzählen. +Ich hatte richtiggehend Angst, ich dachte tatsächlich, dass wir einen Räumungsbefehl erhalten könnten. Das war wirklich das letzte, was wir gebrauchten konnten. +Ich habe den Vermieter offenbar an einem guten Tag erwischt. Als ich ihm von unserem Projekt erzählte und wie wir unser gemeinnütziges urbanes Bienen-Labor eingerichtet haben, sagte er, dass er es absolut großartig fände. +Lasst uns im Hinterhof einen Bienenstock aufstellen. Ich war geschockt. Ich war einfach so überrascht. +Ich meine, anstatt eines Räumungsbefehls haben wir einen weiteren Standort für unser Projekt dazubekommen. +Im Hinterhof auf diesem Bild sehen Sie hier den versteckten Bienenstock -- dieser Bienenstock hat in dem ersten Jahr mehr Honig abgeworfen als wir jemals erlebt haben. Bei keinem unserer Bienenstöcke hatten wir bislang eine solche Ausbeute. +Das hat unsere Forschungsperspektive für immer verändert. +Die zentrale Frage lautete nun nicht mehr „Wie können wir das Bienensterben verhindern?“ sondern „Wie kann man die Bienen zu Höchstleistungen anspornen?“. Wir konnten Karten erstellen, auf denen alle Bienenstöcke verzeichnet waren, die im Rahmen unseres gemeinsamen Bürgerprojekts aufgestellt wurden. Die Leute haben Bienenstöcke auf ihren Terrassen, in ihren Gärten und sogar auf den Dächern von Geschäftsgebäuden aufgestellt. +Wir begannen, die Öffentlichkeit miteinzubeziehen, und je mehr Leute diese kleinen Datenpunkte hatten, desto besser wurden unsere Karten. +Wenn Ihr also dasitzt und darüber nachdenkt, wie auch Ihr einen Beitrag leisten könnt, denkt einfach an die Geschichte meines Freundes Fred, seines Zeichens kommerzieller Immobilienentwickler. Er dachte genauso. +Er war gerade in einer Besprechung, und dachte darüber nach , was er im großen Stil für die Mieterbeziehungen und die Nachhaltigkeit tun könnte. +Während einer Teepause süßte er seinen Tee mit Honig und bemerkte, dass auf dem Glas eine Nachricht zum Thema Nachhaltigkeit in Unternehmen geschrieben stand. Diese kam von dem Unternehmen, das die Besprechung abhielt. +Das brachte ihn auf eine zündende Idee. +Er ging zurück in sein Büro +und eine E-Mail und einen Anruf später war es so weit! Boom! +Gemeinsam brachten wir das Projekt auf die Landesebene. +Überall im Land stellten wir Bienenstöcke auf den Dächern der Bürogebäude der besagten Firma auf. +Neun Jahre später -- +Neun Jahr später haben wir über eine Million Dollar für die Bienenforschung gesammelt. +Wir haben im ganzen Land verteilt tausend Bienenstöcke, denen kleine Datenpunkte zugeordnet sind, in 18 Teilnehmerstaaten. Wir haben dort für Bienenzüchter vor Ort bezahlte Jobs geschaffen, genau 65 an der Zahl, die in ihren jeweiligen Gemeinden die Bienenstöcke managen und sich so mit den Leuten verbinden, einfachen Leuten von der Straße, die jetzt über Datenpunkte miteinander verbunden sind und zusammen etwas in Bewegung setzen. +Bevor ich Euch jetzt einen Vortrag darüber halte, wodurch die Bienen gerettet werden können und wo sie am besten gedeihen, möchte ich Euch zunächst sagen, wodurch genau das Bienensterben ausgelöst wurde. +Die Top 3 der Bienenkiller sind in der Landwirtschaft eingesetzte Chemikalien, wir Pestizide, Unkrautvernichter, Fungizide sowie Bienenkrankheiten, von denen es wirklich viele gibt und der Verlust des Lebensraumes. +Wir haben uns unsere Karten angeschaut und Gebiete ausgemacht, wo die Bienen am besten gedeihen. +Wir haben festgestellt, dass es den Bienen in der Stadt besonders gut geht. +Den Daten können wir entnehmen, dass Bienenstöcke in der Stadt mehr Honig produzieren als auf dem Land oder in den Vorstädten. +Bienenstöcke in der Stadt haben eine längere Lebensdauer als Bienenstöcke auf dem Land oder in der Vorstadt, und die Bienen in der Stadt weisen eine höhere Biodiversität auf, in der Stadt gibt es mehr Bienenarten als auf dem Land. +Also, warum ist das so, wie kommt es dazu? Genau diese Frage haben wir uns gestellt. +Wir haben mit den bereits genannten drei Bienenkillern angefangen und die Sache einfach umgedreht: Welche der Bienenkiller sind in der Stadt anders als auf dem Land? +Fangen wir mit dem ersten an, mit den Pestiziden. Wir haben uns mit der Harvard School of Public Health zusammengetan. Wir haben den Wissenschaftlern unsere Daten zukommen lassen. +Wir haben Proben von unseren Bienenstöcken genommen, die von den Bürgern auf deren privaten Grundstücken unterhalten werden sowie von den Bienenstöcken auf den Dächern der Bürogebäude. Wir haben die Pestizidbelastung unter die Lupe genommen. +Wir sind davon ausgegangen, dass die Pestizidbelastung in den Gebieten, wo die Bienen besser gedeihen, niedriger ist. +Das ist nicht der Fall. +Wir haben im Rahmen unserer Studie herausgefunden, die orangen Balken stehen für Boston, und wir dachten, dass diese Balken die niedrigsten seien, dass es dort die geringste Pestizidbelastung gibt. +Tatsächlich ist die Pestizidbelastung in den Städten höher als auf dem Land. +Unsere Hypothese, dass eine geringere Pestizidbelastung in den Städten die Bienen rettet, ging nicht auf. +Das ist für meine Arbeit als Wissenschaftler ganz typisch. +Immer wenn ich eine Hypothese aufgestellt habe, wird diese nicht nur nicht unterstützt, nein, es kommt noch besser: Das Gegenteil stellt sich als wahr heraus. +Auch das an sich ist schon ein interessantes Ergebnis, findet Ihr nicht? +Wir machten weiter, und zwar mit der Hypothese der Bienenkrankheiten. Wir haben die Krankheiten in all unseren Bienenstöcken näher untersucht. +Wir haben in einer ähnlichen Studie wie der in North Carolina herausgefunden, dass es keine Unterschiede bei den Krankheiten bei Bienen in der Stadt, in den Vorstädten und auf dem Land gibt. +Die Krankheiten breiten sich überall aus und die Bienen werden auch überall krank und sterben. +Tatsächlich kam es bei den in der Stadt lebenden Bienen häufiger zu Krankheiten. +Diese Ergebnisse stammen aus Raleigh in North Carolina. +Abermals wurde meine Hypothese nicht untermauert und schon wieder traf das genaue Gegenteil zu. Gehen wir also zur nächsten Hypothese über, +zu der in Sachen Lebensraum. Diese besagt, dass Bienen besser gedeihen, wenn sie einen besseren Lebensraum haben, also mehr Blumen. +Wir wussten allerdings nicht, wie wir das testen sollen. +Ich hatte ein wirklich interessantes Treffen zu diesem Thema. +Meine Freundin und Kollegin Anne Madden, auch Sprecherin auf der TED-Konferenz, hatte eine zündende Idee. +Habt Ihr das schon einmal ausprobiert? +Ihr spuckt in ein Röhrchen und erfahrt. „Aha, ich bin also Deutscher!“ +Wir haben diese Methode also auf den Honig umgemünzt. +Wir haben also eine Honigprobe und schauen uns die Pflanzen-DNA an und erfahren, „Aha, du bist also eine Sumach-Pflanze“ +Und genau das haben wir hier in Provincetown herausgefunden. +Zu allerersten Mal kann ich Euch berichten, welche Art von Honig direkt aus unserer Gemeinde stammt. +Die Honig-DNA, ein Genomtest. +Der Frühlingshonig in Provincetown stammt vom Liguster. Was sind Liguster-Pflanzen? Beim Liguster handelt es sich um eine Heckenart. Welchen Schluss können wir daraus ziehen? +Wenn Ihr die Bienen retten möchtet, Hände weg vom Heckenschneiden. +Ich weiß, dass wir jetzt ziemlich viel verlangen und dieses Thema recht umstritten ist, also wenden wir uns dem Sommerhonig zu, bevor Ihr noch anfangt, mit Tomaten zu werfen. Der Sommerhonig kommt von der Wasserlilie. +Wenn Ihr den Sommerhonig aus Provincetown kostet, esst Ihr nichts anderes als den Saft der Wasserlilie. Im Herbst kommt das Honig von der Sumach-Pflanze. +Zum ersten Mal erfahren wir etwas über die Herkunft der Lebensmittel. +Solltet Ihr in der Stadtplanung arbeiten, können wir Euch nun behilflich dabei sein, die Städte bienenfreundlich zu gestalten: Welche Pflanzen sind optimal? +Wie könnt Ihr Euren Garten so gestalten, dass die Bienen gern zu Euch kommen? +Zum ersten Mal überhaupt können wir in Bezug auf eine Gemeinde eine Antwort darauf geben. +Für uns liegen die interessantesten Aspekte noch tiefer in den Daten verborgen. +Wenn Ihr also aus der Karibik kommt und mehr über Eure Herkunft wissen möchtet: Der Honig von den Bahamas kommt von der Familie der Lorbeerbäume und hat ein Zimt- und Avocado-Aroma. +Aber noch interessanter ist, dass sich auf einem einzigen Löffel Honig 85 verschiedene Pflanzenarten finden. +An genau diese Informationen wollen wir ran, an die Big Data. +Indischer Honig ist Eichenhonig. +Jede Probe, die wir aus Indien getestet haben, stammte von Eichenbäumen, in einer Kostprobe des indischen Honigs sind 172 verschiedene Aromen enthalten. +Der Honig aus Provincetown hat im Frühling 116 Aromen von verschiedenen Pflanzen und im Sommer mehr als 200 verschiedene Aromen. +Das sind genau die Zahlen, die wir uns im Rahmen der Lebensraum-Hypothese anschauen müssen. +In einem anderen Citizen-Science-Ansatz erfahrt Ihr etwas über Eure Lebensmittel und wir erhalten interessante Daten. +Wir finden gerade heraus, dass sich in ländlichen Gebieten in einer Honigprobe durchschnittlich 150 Pflanzen finden lassen. Soweit also die Werte für den Honig vom Land. Was denkt Ihr, wie es in den Vorstädten aussieht? +Gibt es in den Vorstädten weniger oder mehr Pflanzen? Dort gibt es die gemähten Rasenflächen, die für Ihre Besitzer hübsch anzusehen sind, aber sind sie für Bestäuber nicht schädlich? +In den Vororten gibt es keine große Pflanzenvielfalt. Wenn Ihr einen schönen Rasen Euer eigen nennt, ist das zwar schön für Euch, aber Ihr könntet durchaus mehr tun. +Einen Teil Eures Rasens könnt Ihr als Wildblumenwiese anlegen, um den Lebensraum zu diversifizieren und die Gesundheit der Bestäuber zu verbessern. +Wirklich jeder kann das machen. +Der beste Lebensraum findet sich in den Städten. Dort gibt es ein Angebot von über 200 verschiedenen Pflanzen. +Zum allerersten Mal haben wir einen Beweis für die Lebensraum-Hypothese. +Wir wissen jetzt auch, wie wir mit den Städten zusammenarbeiten können. +Der Lebensraum im Boston ist achtmal besser als der Lebensraum in den nahegelegenen Vororten. +Wenn wir mit Regierungen zusammenarbeiten, können wir das im ganz großen Stil aufziehen. +Ihr denkt bestimmt, auf meinem Grabstein könnte einmal folgender Spruch stehen: „Hier liegt Noah begraben. +Pflanzen Sie eine Blume.“ So sieht es doch aus, oder? Ich meine -- das hier ist doch alles ganz schön anstrengend. +Aber wenn wir die Sache gemeinsam ganz groß anlegen, gehen wir zu den Regierungen und den Stadtplanern, wie beispielsweise hier in Boston, wo wir vornehmlich Lindenblütenhonig haben, und wir sagen: „Wenn Ihr einen toten Baum ersetzen möchtet, greift bitte zu einer Linde.“ Wenn wir uns mit diesen Informationen an Regierungen wenden, können wir großartige Dinge vollbringen. +Das ist das Dach eines Bürogebäudes von Freds Firma. +Wir können weltweit diese Pflanzen auf den Dächern von Bürogebäuden pflanzen und so den Lebensraum wiederherstellen und unsere Nahrungsmittelversorgung sichern. +Wir haben mit der Weltbank und der präsidentiellen Delegation von Haiti zusammengearbeitet. +Des Weiteren haben wir mit ganz wunderbaren Absolventen der Yale University und dem Land Äthiopien kooperiert. +In diesen Ländern können wir dem Honig einen Mehrwert verleihen, indem wir seine genaue DNA herausfinden und die Bevölkerung informieren, welche Pflanzen sie anbauen sollten, um den Lebensraum der Bienen wiederherzustellen und so die Nahrungsmittelversorgung zu gewährleisten. +Ich halte es allerdings für noch wichtiger, an mögliche Naturkatastrophen zu denken. +Wir haben nun zum ersten Mal Kenntnis darüber, wie wir einen Lebensraum messen können, bevor er möglicherweise zerstört wird. +Denkt an Eure Heimatstadt. +Welche Umweltrisiken bestehen dort? +Auf diese Weise können wir Puerto Rico nach dem Hurrikan Maria retten. +Wir haben jetzt eine grundlegende Messung des Honigs, nämlich der Honig-DNA vor und nach dem Sturm. +Begonnen haben wir damit in Humacao. +Genau dort ist der Hurrikan Maria auf Land getroffen. +Durch das Triangulieren der Honig-DNA-Proben wissen wir, welche Pflanzen zu ersetzen sind und in welchem Umfang. +Vielleicht denkt Ihr auch genau an dieser Stelle an das schöne Land, das uns verbunden hat, das uns auf unsere Aufgabe vorbereitet hat, an die ganze Bürgerwissenschaft, die Erosion, die Winterstürme, die jedes Jahr heftiger werden. +Was können wir dagegen tun, um unser geliebtes Land zu bewahren? +Nun, wenn wir uns die Honig-DNA anschauen, können wir sehen, welche Tiefwurzler gut für die Bestäuber sind, womit das Land gesichert werden kann. Ihr alle könnt mitmachen! +Die Lösung des Problems passt auf einen einzigen Teelöffel. +Wenn Eure Heimatstadt Gefahr läuft, weggeschwemmt oder durch eine Naturkatastrophe zerstört zu werden, haben wir jetzt eine jederzeit verfügbare Anleitung dafür, wie man sie auf der Erde oder vielleicht sogar in einem Gewächshaus auf dem Mars wiederherstellen kann. +Es mag jetzt ein wenig verrückt klingen, aber denkt einmal über folgendes Szenario nach: ein neues Provincetown, eine neue Heimatstadt, ein vertrauter Ort, der auch für Bestäuber optimal ist, für eine stabile Nahrungsversorgung in der Zukunft. +Wir wissen nun, wodurch wir die Bienen retten können. Wir müssen einfach für einen Lebensraum mit einer vielfältigen Pflanzenwelt sorgen. +Wir wissen auch, wie die Bienen uns retten können. Sie sind ein Barometer für eine gesunde Umwelt, sie sind kleine Blaupausen, Informationsquellen, kleine Datenfabriken, die jederzeit verfügbar sind. +Ich danke Euch herzlich für Eure Aufmerksamkeit. + + +37861 +Ich möchte Euch eine Geschichte über Geschichten erzählen. +Außerdem möchte ich Euch diese Geschichte erzählen, weil ich der Ansicht bin, dass wir uns daran erinnern sollten, dass die Geschichten, die wir uns erzählen, manchmal mehr sind als nur Märchen oder Erzählungen und auch nicht nur der reinen Unterhaltung dienen. +Mit Geschichten inspirieren wir Menschen, über die Zeit und alle gesellschaftlichen Grenzen hinweg. +In der Geschichte, die ich Euch erzählen möchte, geht es um eine der modernsten technischen Errungenschaften und wie diese ihren Ursprung in mehreren Geschichten hat und wie einige der wichtigsten technischen Übergänge der Zukunft auch ihren Ursprung in einer Geschichte haben könnten. +Die Geschichte beginnt vor mehr als 300 Jahren, als Galileo Galilei von einer neuen niederländischen Erfindung hörte. Hierbei ging es um zwei Stückchen geformtes Glas, die genommen und in eine lange Röhre gesteckt wurden. Die Menschen konnten nun weiter sehen als jemals zuvor. +Als Galileo sein neues Teleskop nahm und es gen Himmel, insbesondere in Richtung Mond richtete, entdeckte er etwas ganz Unglaubliches. +Das sind Seiten aus Galileos Buch mit dem Titel „Sidereus Nuncius“, das im Jahr 1610 veröffentlicht wurde. +Auf diesen Seiten teilt er der Welt seine Entdeckung mit. +Er hatte entdeckt, dass der Mond nicht nur ein Himmelsobjekt ist, das durch den Nachthimmel wandert. Vielmehr ist der Planet eine eigene Welt, eine Welt mit hohen sonnenbeschienenen Bergen und dunklen „mare“, das lateinische Wort für Seen. +Unmittelbar nachdem diese neue Welt und der Mond entdeckt worden waren, dachten die Menschen darüber nach, wie man wohl an diesen Ort reisen kann. +Genauso bedeutsam war es aber auch, dass sie begannen, Geschichten darüber zu schreiben, wie man diesen Traum realisieren könnte und wie die Mondreisen in Zukunft aussehen würden. +Einer der ersten Menschen, die sich dem widmeten, war der Bischof von Hereford, ein Mann namens Francis Godwin. +Godwin schrieb eine Geschichte über einen spanischen Entdecker namens Domingo Gonsales, der auf der Insel St. Helena inmitten des Atlantik strandete und dort eine Maschine baute, die ihn wieder nach Hause bringen würde. Die Aussicht auf die Heimfahrt spornte ihn an. Er machte eine Erfindung, die sich der Kraft der heimischen Wildgänse bediente und ihm das Fliegen ermöglichte -- und ihn vielleicht sogar auf den Mond fliegen ließ. +Godwins Buch "The Man in the Moone, or a Discourse of a Voyage Thither," wurde erst posthum und anonym im Jahr 1638 veröffentlicht. Dies war vermutlich der Tatsache geschuldet, dass das Buch etliche kontrovers diskutierte Ideen enthielt, unter anderem die Befürwortung der kopernikanischen Sicht des Universums, die die Sonne in den Mittelpunkt des Sonnensystems stellte, sowie ein vor-newtonsches Konzept der Schwerkraft, das die Vorstellung propagierte, dass das Gewicht eines Objekts mit zunehmender Entfernung von der Erde abnimmt. +Ganz zu schweigen von seiner Idee, mit einer „Gänsemaschine“ zum Mond fliegen zu können. +Heutzutage mag uns die Idee von der Mondreise mit der Gänsemaschine nicht sonderlich originell oder technisch einfallsreich erscheinen, es ist jedoch wichtig, zu bemerken, dass Godwin im Gegensatz zu Johannes Kepler die Reise zum Mond nicht durch einen Traum oder Magie realisieren wollte, sondern durch menschlichen Erfindergeist. +Es war dann auch genau diese Idee, dass wir in der Lage sind, Maschinen zu bauen, mit denen wir gen Himmel fliegen können, die sich in unseren Köpfen über alle Generationen hinweg festgesetzt hat. +Als nächstes nahm sein Zeitgenosse John Wilkins diese Idee wieder auf. Damals war Wilkins Student in Oxford, später war er einer der Mitbegründer der Royal Society. +John Wilkins nahm die Idee der Weltraumfahrt in Godwins Text sehr ernst und hat nicht nur irgendeine andere Geschichte geschrieben, sondern eine fachliche philosophische Abhandlung mit dem Titel "Discovery of the New World in the Moon, or, a Discourse Tending to Prove that 'tis Probable There May Be Another Habitable World in that Planet." (Entdeckung einer neuen Welt auf dem Mond oder eine Abhandlung, die beweisen möchte, dass es möglicherweise auf dem Mond bewohnbaren Raum gibt). Das Wort „bewohnbar“ ist hier zu beachten. Diese Idee allein wäre ein großer Anreiz für die Menschen gewesen, über die Konstruktion von Maschinen nachzudenken, mit denen sie dorthin gelangen könnten. +Wilkins hat in seinen Büchern tatsächlich eine Reihe technischer Methoden für die Raumfahrt in Erwägung gezogen und seine Werke sind bis heute der früheste Beleg für die Idee der Raumfahrt. +Schon bald sollten weitere Erzählungen zu diesem Thema folgen, hier ist besonders Cyrano de Bergerac mit seinen „Lunar Tales“ zu erwähnen. Mitte des 17. Jahrhunderts erlangte die Idee, dass Menschen Maschinen bauen und mit diesen zum Mond fliegen könnten an Komplexität und technischer Untermauerung. +Im späten 17. Jahrhundert kam dieser intellektuelle Fortschritt allerdings praktisch zum Erliegen. +Die Menschen erzählten immer noch Geschichten darüber, wie man zum Mond fahren könnte, bezogen sich dabei aber auf die althergebrachten Vorstellungen oder eben auch wieder auf Träume und Magie. Warum war das so? Nun, dazu kam es aufgrund der Entdeckung der Schwerkraft durch Newton und die Erfindung der Vakuumpumpe durch Robert Hooke und Robert Boyle. Die Menschen verstanden nun, dass zwischen den Planeten ein Vakuum herrscht, also auch zwischen Erde und Mond. +Und sie hatten keine Möglichkeit, dieses Vakuum zu überwinden und keine Möglichkeit, darüber nachzudenken, dies zu überwinden. +So kam es, dass die Idee von der Mondfahrt für über ein Jahrhundert lang keinen intellektuellen Fortschritt machte, bis zur Entstehung der industriellen Revolution und der Entwicklung der Dampfmaschine und von Heizkesseln und, am wichtigsten, den Druckkesseln. +Dadurch hatten die Menschen nun Werkzeuge an der Hand, mit denen sie über den Bau einer Kapsel nachdenken konnten, die dem Vakuum des Weltraums widersteht. +In diesem Zusammenhang wurde 1835 von Edgar Allen Poe die nächste großartige Geschichte zum Thema Raumfahrt geschrieben. +Heutzutage denken wir bei dem Namen Poe an seine Unheimlichen und Phantastischen Geschichten und verräterische Herzen und Raben. +Er selbst betrachtete sich jedoch als technischen Vordenker. +Er ist in Baltimore aufgewachsen, der ersten amerikanischen Stadt mir einer Gasstraßenbeleuchtung. Er war fasziniert von der technische Revolution, die sich um ihn herum abspielte. +Er sah allerdings nicht seine Unheimlichen und Phantastischen Geschichten als sein Hauptwerk an, sondern eher sein Prosagedicht „Eureka“, in dem er seine ganz eigene Ansicht der kosmologischen Natur des Universums darlegt. +In seinen Geschichten beschreibt er fantastische Maschinen und Apparate bis ins technische Detail, und mit nichts hat er größeren Einfluss ausgeübt als mit seiner Kurzgeschichte „Das unvergleichliche Abenteuer eines gewissen Hans Pfaall“. +Hierbei handelt es sich um eine Geschichte über einen arbeitslosen Faltenbalg-Hersteller in Rotterdam, der deprimiert und lebensmüde ist, wie auch Poe selbst. Er ist tief verschuldet und beschließt einen hermetisch abgeschlossenen, ballongetragenen Wagen zu bauen, der mit Dynamit in den Himmel geschossen wird und von da aus durch das Weltraumvakuum schwebt, bis er schließlich auf der Mondoberfläche landet. +An dieser Stelle ist auch wichtig zu erwähnen, dass er die Geschichte nicht allein entwickelt hat. Im Anhang seiner Geschichte weist er darauf hin, dass Godwins „Mann auf dem Mond“, das Buch, das 200 Jahre zuvor entstanden war, sein Werk beeinflusst hat. Er nannte Godwins Abhandlung „ein einzigartiges und irgendwie geniales Buch“. Obwohl diese Geschichte von einer Reise auf den Mond mit einem Ballon technisch nicht ausgereifter erscheint als die Gänsemaschine, hat Poe tatsächlich alles bis ins kleinste Details beschrieben, wie so eine Maschine konstruiert sein muss, und auch wie die Kreisbahnen bei der Reise aussehen würden, so dass die Reise in der allerersten Raumfahrt-Enzyklopädie in den 1920er Jahren als Mission dargestellt werden konnte. +Und es war diese Liebe zum Detail, oder die „Wahrhaftigkeit“, wie er es nannte, die wiederum die nächste großartiges Geschichte beeinflusst haben: Jules Vernes Roman „Von der Erde zum Mond“ aus dem Jahr 1865. +Diese Geschichte bildet ein bemerkenswertes Vermächtnis und hat eine frappierende Ähnlichkeit zu den echten Mondreisen, die mehr als ein Jahrhundert später stattfinden sollten. +In der besagten Geschichte startet die erste Reise zum Mond in Florida, mit drei Astronauten an Bord, zu einer dreitägigen Reise -- diese Eckdaten stimmen genau mit denen der späteren Apollo-Mission überein. +In einer ausdrücklichen Hommage an Poes Einfluss auf seine eigenen Werke, verortet Verne die Gruppe, die für diese Leistung verantwortlich ist, im Buch in Baltimore, besser gesagt im Baltimore Gun Club, wo alle Mitglieder „Ein Hoch auf Edgar Poe!“ rufen, als sie beginnen, ihre Pläne für die Eroberung des Mondes auszubreiten. +Und genauso wie Verne von Poe beeinflusst wurde, würde Vernes eigene Geschichte die erste Generation an Raumfahrtingenieuren prägen und inspirieren. +Die beiden großen Pioniere der Flüssigbrennstofftechnologie in Russland und Deutschland, Konstantin Tsiolkovsky und Hermann Oberth, gaben an, dass ihre Begeisterung für die Raumfahrt auf das Lesen des Buches „Von der Erde zum Mond“ als Teenager zurückzuführen sei. Im Anschluss an die Lektüre machten sie sich daran, diese Geschichte Realität werden zu lassen. +Vernes Geschichte war nicht die einzige Geschichte im 19. Jahrhundert mit einem weitreichenden Einfluss. +Auf der anderen Seite des Atlantik inspirierte „Der Krieg der Weilten“ von H.G. Wells einen jungen Mann in Massachusetts: Robert Goddard. +Nach der Lektüre von „Der Krieg der Welten“ hat Goddard einen Eintrag in sein Tagebuch gemacht, als er in den späten 1890er Jahren Pause machte, während er einen Kirschbaum auf der Farm seiner Eltern beschnitt. Er hatte die Vision von einem Weltraumfahrzeug, das unten im Tal abhebt und in den Himmel aufsteigt. +Er entschloss sich, dass er sich für den Rest seines Lebens der Entwicklung dieses Weltraumfahrzeugs widmen würde, das er vor seinem inneren Auge gesehen hatte, +Und genau dieses Vorhaben setzte er in die Tat um. +Während seiner gesamten beruflichen Laufbahn feierte er diesen Tag als seinen Jahrestag, seinen Kirschbaumtag, und er las die Werke von Verne und Wells immer und immer wieder, um seine Inspiration daraus zu ziehen und sein Engagement zu bestärken, das für die jahrzehntelange Arbeit zur Realisierung des ersten Teils seines Traums notwendig sein würde: der Flug einer Flüssigtreibstoffrakete. Dieses Ziel erreichte er im Jahr 1926. +Die ersten Raumfahrtpioniere wurden von diesen beiden Büchern dazu getrieben, ihr Leben der Raumfahrt zu verschreiben: „Von der Erde zum Mond“ und „Der Krieg der Welten!“ +Es waren ihre Abhandlungen und ihre Werke, die die ersten technischen Gemeinschaften und die ersten Raumfahrtprojekte angeregt haben. So entstand eine direkte Einflusskette, die von Godwin zu Poe zu Verne zum Apollo-Programm und dann zu den heutigen Weltraumgemeinschaften führt. +Warum habe ich euch das alles erzählt? +Habe ich das getan, weil ich es für „cool“ halte oder weil ich irgendwie auf eine merkwürdige Weise von den Science-Fiction-Geschichten des 17. und 19. Jahrhunderts fasziniert bin? +Ich gebe zu, dies trifft teilweise tatsächlich zu. +Ich bin aber auch der Ansicht, dass diese Geschichten uns an die kulturellen Prozesse erinnern, die auf einer etwas weiter gefassten Ebene die Raumfahrt und sogar die technischen Innovationen angetrieben haben. +Als Wirtschaftswissenschaftler, der bei der NASA arbeitet, verbringe ich Zeit damit, mir Gedanken über die wirtschaftlichen Ursprünge unserer Reise in das Universum zu machen. +Blicken wir einmal in die Zeit zurück, als noch eine Tech-Milliardäre in die Raumfahrt investierten und noch nicht das Rennen um die Führungsposition in der Weltraumfahrt im Kalten Krieg im Gange war und auch noch bevor das Militär in die Entwicklung von Flüssigbrennstoffraketen investiert hat. Die wirtschaftlichen Ursprünge der Raumfahrt liegen in den Geschichten und Ideen. +In diesen Geschichten wurden die ersten Konzepte für den Weltraumflug dargelegt. +Es waren diese Geschichten, die dazu führten, dass sich die Idee von der Zukunft der Menschheit im Weltraum von Geist zu Geist zu verbreiten begann und schließlich eine generationenübergreifende intellektuelle Gemeinschaft schuf, die die Ideen für die Raumfahrt immer und immer wiederholte, bis schließlich Raumfahrzeuge gebaut werden konnten. +Dieser Prozess setzt sich nun seit 300 Jahren fort, das Ergebnis ist eine Raumfahrtkultur. +Diese Kultur umfasse tausende Menschen über einen Zeitraum von hunderten Jahren hinweg. +Weil seit hunderten von Jahren immer wieder einige von uns zu den Sternen aufgeschaut haben und dort hingelangen wollten. +Und weil seit hunderten von Jahren einige von uns ihre ganzen Anstrengungen auf die Entwicklung der Konzepte und Systeme konzentriert haben, durch die diese Reisen ermöglicht werden. +Ich wollte Euch auch über Godwin, Poe und Verne berichten, da ich ganz fest daran glaube, dass ihre Geschichten uns auch davon erzählen, wie wichtig es ist, dass wir uns Geschichten über die Zukunft im Allgemeinen erzählen. +Diese Geschichten vermitteln nicht nur Informationen oder Ideen. +Sie können auch Leidenschaften entfachen, Leidenschaften, die uns dazu bringen, unser ganzes Leben der Realisierung wichtiger Projekte zu widmen. +Das bedeutet, dass diese Geschichten die Macht haben, soziale und technologische Vorgänge Jahrhunderte in die Zukunft hinein beeinflussen zu können und dies auch tun. +Ich denke, wir müssen das erkennen und es uns beim Geschichtenerzählen ins Gedächtnis rufen. +Wir müssen uns sehr bemühen, Geschichten zu schreiben, die uns nicht nur die möglichen dystopischen Wege aufzeigen, die wir einschlagen könnten, denn je mehr dystopische Geschichten wir uns erzählen, desto mehr legen wir den Grundstein für eine mögliche dystopische Zukunft. +Stattdessen müssen wir uns Geschichten erzählen, die die Saat, wenn auch nicht unbedingt für Utopien, dann doch zumindest für große und wichtige Projekte der technologischen, gesellschaftlichen und institutionellen Transformation, legen. +Wenn wir meinen, dass die Idee, mit Geschichten die Welt und die Zukunft verändern zu können irgendwie verrückt oder unmöglich erscheint, sollten wir meiner Ansicht nach an unser Beispiel dafür, die Reise zum Mond denken; eine Idee aus dem 17. Jahrhundert, die sich kulturell über mehr als 300 Jahre verbreitet hat, bis sie endlich realisiert werden konnte. +Wir müssen also neue Geschichten schreiben, Geschichten, auf die die Menschen 300 Jahre in der Zukunft zurückblicken können und erkennen, wie sie uns zu neuen Höhenflügen inspiriert haben, Geschichten, die uns zu neuen Ufern haben aufbrechen lassen. Die Menschen müssen erkennen, wie uns diese Geschichten neue Wege und Möglichkeiten aufgezeigt haben und wie sie unsere Welt besser gemacht haben. +Ich danke Euch herzlich für Eure Aufmerksamkeit. + + +39689 +Das größte Geschenk, das deine Eltern dir je gemacht haben, sind die zwei Sätze von drei Milliarden Buchstaben der DNA, aus denen dein Genom besteht. +Aber wie alles, das drei Milliarden Komponenten umfasst, ist auch dieses Geschenk zerbrechlich. +Dein Genom ändert sich ständig, sei es durch Sonneinstrahlung, Rauchen, ungesundes Essen oder spontane Fehler deiner Zellen. +Die häufigste Veränderung in der DNA ist der einfache Austausch eines Buchstabens bzw. einer Base, zum Beispiel C, durch einen anderen Buchstaben, zum Beispiel T, G oder A. Jeden Tag häufen sich in deinen Körperzellen Milliarden dieser Einzelbuchstaben-Tauschaktionen, die auch als „Punktmutationen“ bezeichnet werden. +Die meisten dieser Punktmutationen sind harmlos. +Aber ab und zu stört eine Punktmutation eine wichtige Funktion in einer Zelle oder führt dazu, dass eine Zelle ein schädliches Fehlverhalten zeigt. +Wenn du diese Mutation von deinen Eltern geerbt hast oder sie früh genug in deiner Entwicklung auftraten, würden im Ergebnis viele oder gar all deine Zellen diese schädliche Mutation enthalten. +Dann wärest du einer von Abermillionen Menschen mit einer genetisch bedingten Krankheit wie Sichelzellenanämie, Progerie (vorzeitige Alterung), Muskeldystrophie oder Tay-Sachs-Syndrom. +Ernste genetisch bedingte Krankheiten, die durch Punktmutationen verursacht werden, sind besonders frustrierend, weil wir oft den genauen Basentausch kennen, der die Krankheit verursacht, und die Krankheit somit theoretisch heilen könnten. +Millionen leider unter Sichelzellenanämie, weil sie in beiden Kopien ihres Hämoglobin-Gens eine einzelne A-T-Punktmutation aufweisen. +Und Kinder mit Progerie werden mit einem T an einer einzelnen Position in ihrem Genom geboren, an der du ein C hast – mit der katastrophalen Konsequenz, dass diese wunderbaren, intelligenten Kinder sehr schnell altern und mit etwa 14 Jahren sterben. +Bisher haben wir in der Geschichte der Medizin noch keinen Weg gefunden, Punktmutationen in lebenden Systemen effizient zu korrigieren, also das krank machende T in ein C zurückzutauschen. Vielleicht bis jetzt. +Denn mein Labor hat kürzlich erfolgreich eine solche Funktion entwickelt, die wir „Base Editing“ nennen. +Die Geschichte davon, wie wir das Base Editing entwickelt haben, beginnt im Grunde schon vor drei Milliarden Jahren. +Wir halten Bakterien für die Ursache von Infektionen, aber Bakterien selbst können ebenfalls infiziert werden, insbesondere durch Viren. +Also entwickelten Bakterien vor etwa drei Milliarden Jahren einen Verteidigungsmechanismus, um sich gegen Virusinfektionen zu wehren. +Dieser Verteidigungsmechanismus ist heute besser bekannt als CRISPR. +Der Sprengkopf von CRISPR ist ein violettes Protein, das wie eine molekulare Schere zum Zerschneiden der DNA agiert und die Doppelhelix in zwei Teile schneidet. +Wenn CRISPR nicht zwischen bakterieller und Virus-DNA unterscheiden könnte, wäre es kein sehr nützliches Verteidigungssystem. +Aber die fantastischste Eigenschaft von CRISPR ist, dass diese Schere darauf programmiert werden kann, eine ganz bestimmte DNA-Sequenz zu suchen, sich an sie zu binden und sie zu zerschneiden. +Wenn also ein Bakterium das erste Mal auf ein Virus trifft, kann es einen kleinen Abschnitt der DNA dieses Virus speichern, um ihn als Programm dafür zu verwenden, bei einer künftigen Infektion die CRISPR-Schere so zu steuern, dass sie diese Sequenz der Virus-DNA zerschneidet. +Das Zerschneiden der Virus-DNA bringt die Funktion des zerschnittenen Virus-Gens durcheinander und unterbricht so den Lebenszyklus des Virus. +Bemerkenswerte Forscher wie Emmanuelle Charpentier, George Church, Jennifer Doudna und Feng Zhang zeigten vor sechs Jahren, wie die CRISPR-Schere darauf programmiert werden kann, DNA-Sequenzen unserer Wahl zu zerschneiden, einschließlich der Sequenzen in deinem Genom, statt dass die Virus-DNA-Sequenzen von Bakterien ausgewählt werden. +Aber die Ergebnisse ähneln sich im Grunde. +Zerschneidet man eine DNA-Sequenz deines Genoms, wird normalerweise auch die Funktion des zerschnittenen Gens gestört, indem an der Schnittstelle zufällige Kombinationen von DNA-Buchstaben eingefügt und entfernt werden. +Nun kann das Stören von Genfunktionen für manche Einsatzzwecke sehr nützlich sein. +Doch bei den meisten Punktmutationen, die genetisch bedingte Krankheiten verursachen, hilft das Zerschneiden des bereits mutierten Gens den Patienten nicht, denn die Funktion des mutierten Gens muss wiederhergestellt und nicht noch weiter gestört werden. +Das Zerschneiden das bereits mutierten Hämoglobin-Gens, das die Sichelzellenanämie verursacht, stellt also nicht die Fähigkeit der Patienten wieder her, gesunde rote Blutkörperchen zu produzieren. +Und obwohl wir manchmal neue DNA-Sequenzen in Zellen einschleusen können, um die DNA-Sequenzen um eine Schnittstelle herum zu ersetzen, funktioniert dieser Prozess leider in den meisten Zelltypen nicht, sodass die Auswirkungen einer gestörten Genfunktion bestehen bleiben. +Wie viele Wissenschaftler habe auch ich von einer Zukunft geträumt, in der wir genetisch bedingte Krankheiten der Menschen behandeln oder vielleicht sogar heilen können. +Aber ich sah es als großes Hindernis an, dass wir keinen Weg fanden, Punktmutationen zu korrigieren, die die meisten genetisch bedingten Krankheiten verursachen. +Da ich Chemiker bin, begann ich, mit meinen Studenten Wege zu entwickeln, einzelne DNA-Basen unmittelbar chemisch zu behandeln, um die Mutationen, die genetisch bedingte Krankheiten verursachten, wirklich zu korrigieren, statt ihre Funktion zu stören. +Das Ergebnis unserer Bemühungen sind molekulare Apparate, die wir „Basen-Editoren“ nennen. Basen-Editoren nutzen den programmierbaren Suchmechanismus der CRISPR-Schere, aber statt die DNA zu zerschneiden, wandeln sie unmittelbar eine Base in eine andere um, ohne die Funktion des restlichen Gens zu stören. +Wenn du dir also natürlich vorkommende CRISPR-Proteine als molekulare Schere vorstellst, kannst du dir Basen-Editoren als Bleistifte vorstellen, die einen DNA-Buchstaben unmittelbar in einen anderen umschreiben können, indem sie die Atome einer DNA-Base so umordnen, dass eine andere DNA-Base entsteht. +Nun existieren Basen-Editoren nicht in der Natur. +Tatsächlich konstruierten wir den ersten Basen-Editor, der hier abgebildet ist, aus drei einzelnen Proteinen, die noch nicht einmal aus demselben Organismus stammen. +Wir begannen damit, die Fähigkeit der CRISPR-Schere, DNA zu zerschneiden, zu deaktivieren, während wir zugleich ihre Fähigkeit, durch eine bestimmte Programmierung eine Ziel-DNA-Sequenz zu suchen und sich an sie zu binden, erhielten. +Mit dieser deaktivierten CRISPR-Schere, hier in Blau, verbanden wir ein zweites Protein, hier in Rot, das an der DNA-Base C chemisch reagiert und sie dabei in eine Base umwandelt, die sich wie T verhält. Drittens mussten wir die ersten beiden Proteine mit dem Protein verbinden, das hier violett dargestellt ist und die editierte Base davor schützt, von der Zelle entfernt zu werden. +Das Endergebnis ist ein konstruiertes dreiteiliges Protein, das uns zum ersten Mal ermöglicht, an bestimmten Stellen im Genom Cs in Ts umzuwandeln. +Doch auch an diesem Punkt war unsere Arbeit erst halb getan. +Denn die beiden Stränge einer DNA-Doppelhelix müssen Basenpaare bilden, um in den Zellen stabil zu bleiben. +Und weil C nur mit G ein Paar bildet und T nur mit A, entsteht durch den Austausch von C gegen T eine Fehlpaarung auf einem DNA-Strang, eine Nicht-Übereinstimmung zwischen den beiden DNA-Strängen, die die Zelle lösen muss, indem sie entscheidet, welchen Strang sie ersetzt. +Wir erkannten, dass wir dieses dreiteilige Protein weiter manipulieren konnten, sodass es den nicht editierten Strang als den zu ersetzenden markierte, indem es diesen Strang einkerbte. +Dieser kleine Trick mit dem Einkerben führt dazu, dass die Zelle das nicht editierte G mit einem A ersetzt, während sie den eingekerbten Strang repariert, und dadurch vervollständigt sie die Umwandlung des ehemaligen C-G-Basenpaares zu einem stabilen T-A-Basenpaar. +Nach mehreren Jahren harter Arbeit, die von einem ehemaligen promovierten Doktoranden des Labors, nämlich Alexis Komor, geleitet wurde, gelang es uns, diese erste Kategorie von Basen-Editoren zu entwickeln, die an von uns ausgewählten Zielpositionen Cs in Ts und Gs in As umwandelt. +Unter den mehr als 35.000 bekannten, mit Krankheiten verknüpften Punktmutationen machen die beiden Mutationsarten, die dieser erste Basen-Editor umwandeln kann, zusammen ca. 14 Prozent der pathogenen Punktmutationen aus, was etwa 5.000 entspricht. +Um aber die größte Gruppe krankheitsverursachender Punktmutationen zu korrigieren, müsste man eine zweite Kategorie von Basen-Editoren entwickeln, die As in Gs oder Ts in Cs umwandeln kann. +Unter der Leitung von Nicole Gaudelli, einer ehemaligen promovierten Doktorandin des Labors, begannen wir diese zweite Kategorie von Basen-Editoren zu entwickeln, die theoretisch fast die Hälfte der pathogenen Punktmutationen würde korrigieren können, einschließlich der Mutation, die die vorzeitige Alterung, Progerie, verursacht. +Wir erkannten, dass wir uns wiederum des Zielbestimmungsmechanismus der CRISPR-Schere bedienen konnten, um den neuen Basen-Editor an die richtige Stelle in einem Genom zu bringen. +Doch stießen wir schnell auf ein gewaltiges Problem, nämlich dass es kein Protein gibt, das in der DNA bekanntermaßen A in G oder T in C umwandelt. +Angesichts eines so ernsten Stolpersteins hätten sich die meisten Studenten wahrscheinlich nach einem anderen Projekt umgesehen, wenn nicht sogar nach einem anderen Forschungsbetreuer. Doch Nicole stimmte einem Plan zu, der damals überaus ehrgeizig erschien. +In Ermangelung eines natürlich vorkommenden Proteins, das die nötige chemische Reaktion zeigte, beschlossen wir, unser eigenes Protein im Labor zu entwickeln, das A in eine Base umwandeln sollte, die sich wie G verhält. Wir begannen mit einem Protein, das eine ganz ähnliche chemische Reaktion in der RNA zeigt. +Wir richteten ein Auswahlsystem im Sinne von Darwins Philosophie vom Überleben des Stärkeren ein, das Millionen von Proteinvarianten durchsuchte und nur jene seltenen Varianten beibehielt, die die nötige chemische Reaktion zeigen konnten. +Am Ende hatten wir ein Protein, das hier abgebildet ist, das erste, das ein A in der DNA in eine Base umwandeln kann, die G ähnelt. Als wir dieses Protein mit der deaktivierten CRISPR-Schere – hier in Blau –, verbanden, produzierten wir den zweiten Basen-Editor, der As in Gs umwandelt und dann dieselbe Einkerbetechnik auf den DNA-Strang anwendet, die wir bei dem ersten Basen-Editor anwendeten, um die Zelle dazu zu bringen, dass sie das nicht editierte T durch ein C ersetzt, wenn sie den eingekerbten Strang repariert, wobei sie die Umwandlung eines A-T-Basenpaars in ein G-C-Basenpaar vollendet. +Danke schön. +Als akademischer Wissenschaftler in den USA bin ich es nicht gewohnt, von Applaus unterbrochen zu werden. +Wir entwickelten die ersten beiden Kategorien von Basen-Editoren erst vor drei bzw. eineinhalb Jahren. +Doch sogar in dieser kurzen Zeit wurden Basen-Editoren bereits weithin von der biomedizinischen Forschungsgemeinschaft genutzt. +Basen-Editoren wurden mehr als 6.000 Mal auf Anforderung von über 1.000 Forschern weltweit versandt. +Hundert wissenschaftliche Forschungsarbeiten wurden bereits veröffentlicht, in den Basen-Editoren in Organismen von Bakterien über Pflanzen und Mäuse bis hin zu Primaten verwendet wurden. +Zwar sind Basen-Editoren noch zu neu, um schon in klinischen Versuchen an Menschen erprobt zu werden, aber Wissenschaftler haben einen wichtigen Meilenstein in Richtung dieses Ziels erreicht, indem sie Basen-Editoren bei Tieren einsetzten, um Punktmutationen zu korrigieren, die genetisch bedingte Krankheiten des Menschen verursachen. +Zum Beispiel verwendete ein Arbeitsteam von Wissenschaftlern unter der Leitung von Luke Koblan und Jon Levy, zwei weiteren Studenten meines Labors, kürzlich ein Virus, um jenen zweiten Basen-Editor in den Körper einer Maus mit Progerie einzuschleusen, wo er das krankheitsverursachende T in ein C zurücktauschte und die Folgen des ursprünglichen Basentauschs auf der DNA-, RNA- und Proteinebene umkehrte. +Basen-Editoren wurden auch bei Tieren eingesetzt, um die Folgen von Tyrosinanämie, Beta-Thalassämie, Muskeldystrophie, Phenylketonurie, angeborener Gehörlosigkeit und einer Art von Herzkreislauf-Erkrankung umzukehren … in jedem dieser Fälle durch unmittelbare Korrektur einer Punktmutation, die die Krankheit verursacht oder dazu beiträgt. +In Pflanzen wurden Basen-Editoren dazu genutzt, einzelne DNA-Buchstaben auszutauschen, was zu besseren Ernten führen könnte. +Und Biologen haben Basen-Editoren genutzt, um die Rolle einzelner Buchstaben in Genen zu untersuchen, die mit Krankheiten wie zum Beispiel Krebs verknüpft sind. +Zwei Unternehmen, die ich mitgegründet habe, nämlich Beam Therapeutics und Pairwise Plants, nutzen Basen-Editoren, um genetisch bedingte Krankheiten des Menschen zu behandeln und die landwirtschaftliche Produktion zu verbessern. +Basen-Editoren werden seit noch nicht einmal drei Jahren für all diese Zwecke eingesetzt: in der gesamten Zeitgeschichte der Wissenschaft ist das lediglich ein Augenblick. +Es gibt noch viel zu tun, bevor das volle Potenzial von Basen-Editoren ausgeschöpft und dafür eingesetzt werden kann, das Leben von Patienten mit genetisch bedingten Krankheiten zu verbessern. +Zwar glaubt man, dass viele dieser Krankheiten heilbar sind, indem man die zugrunde liegende Mutation korrigiert, und sei es nur in einem kleinen Teil der Zellen eines Organs, doch kann es sehr schwierig sein, molekulare Apparate wie die Basen-Editoren in die Zellen eines Menschen einzuschleusen. +Natürlich vorkommende Viren dazu zu bringen, dass sie Basen-Editoren produzieren statt Moleküle, die eine Erkältung hervorrufen, ist eine von mehreren hoffnungsvollen Strategien zum Einschleusen, die erfolgreich eingesetzt wurden. +Es ist sehr wichtig, dass wir weiterhin neue molekulare Apparate entwickeln, die einerseits alle verbleibenden Wege nutzen, ein Basenpaar in ein anderes Basenpaar umzuwandeln, und die andererseits das unerwünschte Editieren an willkürlichen Stellen in den Zellen auf ein Minimum reduzieren. +Des Weiteren ist es unsere absolute Pflicht, mit anderen Wissenschaftlern sowie mit Ärzten, Ethikern und Regierungen zusammenzuarbeiten, um dafür zu sorgen, dass Basen-Editoren mit größtmöglicher Wahrscheinlichkeit umsichtig sowie auf sichere und ethisch vertretbare Weise eingesetzt werden. +Ungeachtet dieser Herausforderungen hätte ich dich gefragt, „Welchen Science-Fiction-Roman liest du denn gerade?“, wenn du mir sogar noch vor fünf Jahren erzählt hättest, dass Wissenschaftler auf der ganzen Welt im Labor entwickelte molekulare Apparate nutzen, um an einer bestimmten Stelle im menschlichen Genom ein einzelnes Basenpaar unmittelbar in ein anderes Basenpaar umzuwandeln, und zwar auf effiziente Weise und mit einem Minimum an Folgewirkungen. Dank einer zutiefst engagierten Gruppe von Studenten, die kreativ genug waren, das zu konstruieren, was wir selbst designen konnten, und mutig genug, das zu entwickeln, was wir nicht selbst designen konnten, hat mithilfe der Basen-Editoren ein hohes Ziel, das tatsächlich wie Science-Fiction anmutet, begonnen, zur aufregend neuen Wirklichkeit zu werden – zu einer Wirklichkeit, in der das bedeutendste Geschenk, das wir unseren Kindern machen können, vielleicht nicht nur drei Milliarden DNA-Buchstaben sind, sondern auch die Mittel, diese zu schützen und zu reparieren. +Danke schön. +Danke schön. + + +40930 +Wir haben ja alle mal schlechte Phasen im Leben. +Ich hatte eine davon 2013. +Meine Ehe war gerade zu Ende und ich fühlte mich gedemütigt angesichts dieser gescheiterten Selbstverpflichtung. +Meine Kinder waren inzwischen ausgeflogen und auf dem College oder gerade dabei, ihr Zuhause zu verlassen. +Ich wuchs vornehmlich in der konservativen Bewegung auf, aber der Konservativismus hatte sich verändert, sodass ich viele meiner dortigen Freunde ebenfalls verlor. +Was ich also tat, war, allein in einer Wohnung zu leben und einfach nur zu arbeiten. +Wenn man die Küchenschubladen öffnete, die eigentlich Küchenutensilien hätten enthalten sollen, fand man dort Post-its. +Wenn man die anderen Schubladen öffnete, die eigentlich Teller hätten enthalten sollen, hatte ich dort Umschläge. +Ich hatte Freunde bei der Arbeit, Freunde für Wochentage, aber ich hatte keine Freunde fürs Wochenende. +Also waren meine Wochenenden ein einziges lautes Schweigen. Und ich war einsam. +Und die Einsamkeit überfiel mich unerwarteterweise in Form von … sie fühlte sich wie Angst an, wie ein Brennen im Magen. +Und sie fühlte sich ein bisschen wie Trunkenheit an, ich traf einfach schlechte Entscheidungen, alles floss einfach, keine Festigkeit mehr. +Und der schmerzhafte Teil dieses Augenblicks war das Bewusstsein darüber, dass die Leere in meiner Wohnung lediglich die Leere in meinem Inneren widerspiegelte, und dass ich auf die Lügen hereingefallen war, die unsere Kultur uns erzählt. +Die erste Lüge ist, dass beruflicher Erfolg erfüllend ist. +Ich war beruflich ziemlich erfolgreich und habe festgestellt, dass mir das zwar hilft, die Scham zu vermeiden, die ich empfunden hätte, wenn ich mich selbst als Versagerin gesehen hätte, aber es hat mir nichts wirklich Positives und Gutes gebracht. +Die zweite Lüge ist, dass ich glücklich werde, wenn ich nur noch diesen einen Sieg erringe, 6 Kilo abnehme, etwas mehr Yoga mache. +Und das ist die Lüge der Selbstgenügsamkeit. +Doch wie jeder Mensch euch auf seinem Sterbebett erzählen wird – was Menschen wirklich glücklich macht, sind die tiefen Beziehungen im Leben, also gerade der Verlust der Selbstgenügsamkeit. +Die dritte Lüge ist die Lüge der Leistungsgesellschaft. Die Botschaft der Leistungsgesellschaft lautet, dass man ist, was man erreicht. +Der Mythos der Leistungsgesellschaft ist, dass man Würde erlangt, indem man sich mit prestigeträchtigen Marken umgibt. +Die Emotion der Leistungsgesellschaft ist die bedingte Liebe. Man kann sich Liebe „verdienen“. +Die Anthropologie der Leistungsgesellschaft ist, dass man keine zu läuternde Seele ist, sondern ein Bündel an Fähigkeiten, die voll ausgeschöpft werden müssen. +Und das Gemeine an der Leistungsgesellschaft ist, dass Menschen, die etwas mehr als andere erreicht haben, auch etwas mehr wert sind als andere. +Und so ist der Lohn der Sünde stets wieder Sünde. +Und meine Sünden waren die Sünden der Unterlassung … ich bin nicht in Kontakt gegangen, habe nicht zu meinen Freunden gestanden, bin ausgewichen, habe Konflikte vermieden. +Und das Merkwürdige war, als ich in das Tal stürzte – es war das Tal der Verbindungslosigkeit – geschah anderen Menschen genau dasselbe. +Und das ist irgendwie auch das Geheimnis meiner beruflichen Laufbahn: Viele Dinge, die mir passieren, passieren auch ganz vielen anderen Menschen. +Ich bin ein Durchschnittsmensch mit überdurchschnittlichen Kommunikationsfähigkeiten. +Und ich war so abgetrennt von allem. Und gleichzeitig waren so viele andere Menschen auch abgetrennt von allem und voneinander und isoliert und vereinzelt. +Fünfunddreißig Prozent aller Amerikaner über 45 sind chronisch einsam. +Nur acht Prozent aller Amerikaner berichten, dass sie bedeutungsvolle Gespräche mit ihren Nachbarn führen. +Nur 32 Prozent aller Amerikaner und nur 18 Prozent der Millennials sagen, dass sie ihren Nachbarn trauen. +Die am schnellsten wachsende religiöse Bewegung ist die der Konfessionslosen. +Der Prozentsatz depressiver Menschen steigt und mentale Probleme nehmen zu. +Die Selbstmordrate ist seit 1999 um 30 Prozent gestiegen. Bei den Selbstmorden von Teenagern ist der Prozentsatz in den letzten paar Jahren um 70 Prozent gestiegen. +45.000 Amerikaner nehmen sich jedes Jahr das Leben; 72.000 sterben an Drogensucht; die Lebenserwartung steigt nicht, sie sinkt. +Was ich euch damit sagen will, ist: Ich bin mit dem Flugzeug hierher gekommen, um euch mitzuteilen, dass wir eine Wirtschaftskrise, eine Umweltkrise und eine politische Krise haben. +Wir haben außerdem eine soziale Krise und eine Krise im Hinblick auf unsere Beziehungen; wir gehen gerade durch ein Tal. Wir sind nicht in Verbindung miteinander, wir bekommen jede Menge Lügen aus Washington zu hören ... Wir gehen gerade durch ein Tal. +Und so habe ich die letzten fünf Jahre mit der Frage verbracht: Wie kommt man wieder aus einem Tal heraus? +Die Griechen sagten früher: „Der Weg zur Weisheit ist mit Leid gepflastert.“ Und aus der dunklen Phase, mit der ich begonnen habe, habe ich ein paar Erkenntnisse mitgenommen. +Die erste davon ist: Freiheit ist Mist. +Wirtschaftliche Freiheit ist in Ordnung, politische Freiheit ist großartig, soziale Freiheit ist Mist. +Der nicht verwurzelte Mensch treibt ab. +An den nicht verwurzelten Menschen erinnert sich niemand, denn er bleibt allem gegenüber unverbindlich. +Freiheit ist kein Ozean, in dem man schwimmen möchte, sie ist ein Fluss, den man überqueren möchte, sodass man sich am anderen Ufer verbindlich engagieren und sich auf etwas wirklich einlassen kann. +Das zweite, was ich gelernt habe, ist, dass man von den schlimmen Momenten im Leben entweder gebrochen oder aufgebrochen wird. +Und wir alle kennen gebrochene Menschen. +Sie haben ihr Maß an Schmerz oder Kummer erlebt und werden kleiner, wütender, sie grollen, sie schlagen um sich. +Wie man so schön sagt: „Schmerz, der nicht transformiert wird, wird übertragen.“ Doch andere Menschen werden aufgebrochen. +Die große Kraft des Leidens ist, dass es eine Unterbrechung des Lebens darstellt. +Es erinnert einen daran, dass man nicht der Mensch ist, der man zu sein glaubte. +Der Theologe Paul Tillich sagte, das Leiden gräbt den Boden am Grunde unserer Seele auf und gräbt weiter, bis darunter ein Hohlraum zutage tritt, und es gräbt noch weiter, bis darunter ein weiterer Hohlraum zutage tritt. +Man erkennt, dass es Tiefen in einem selbst gibt, von denen man nie etwas ahnte, und nur Spiritualität und Beziehungen können diese Tiefe in nahrhafter Weise füllen. +Und wenn man sich in diese Tiefe hinunterbegibt, kommt man aus dem Kopf, dem Sitz des Egos, heraus und hinein in das Herz, in das sehnende Herz. +Das, wonach wir uns wirklich sehnen, ist Sehnsucht nacheinander und Liebe füreinander, genau das, was Louis de Bernières in seinem Buch „Corellis Mandoline“ beschreibt. Darin lässt er einen alten Mann mit seiner Tochter über die Beziehung zu seiner verstorbenen Frau sprechen, und der alte Mann sagt: „Liebe ist das, was übrigbleibt, wenn die Verliebtheit sich erschöpft hat. +Und das ist sowohl eine Kunst als auch ein glücklicher Zufall. +Deine Mutter und ich haben es erlebt. +Wir hatten Wurzeln, die unter der Erde einander entgegenwuchsen, und als all die hübschen Blüten von unseren Zweigen abgefallen waren, entdeckten wir, dass wir ein Baum waren und nicht zwei Bäume.“ Das ist es, wonach das Herz sich sehnt. +Das zweite, was man entdeckt, ist die eigene Seele. +Nun bitte ich euch nicht, an Gott zu glauben oder nicht an ihn zu glauben, aber ich bitte euch, daran zu glauben, dass es einen Teil in euch gibt, der keine Form, Größe, Farbe oder Gewicht hat, aber der euch unbegrenzte Würde und unbegrenzten Wert verleiht. +Reiche und erfolgreiche Menschen haben nicht mehr davon als weniger erfolgreiche Menschen. +Sklaverei ist falsch, weil sie die Auslöschung einer anderen Seele bedeutet. +Vergewaltigung ist nicht nur ein Angriff auf eine Ansammlung physischer Moleküle, sie stellt den Versuch dar, die Seele eines anderen Menschen zu verletzen. +Und die Seele sehnt sich nach Rechtschaffenheit. Das Herz sehnt sich nach der Verschmelzung mit einem anderen Herzen, die Seele sehnt sich nach Rechtschaffenheit. +Und das führte zu meiner dritten Erkenntnis, die ich von Einstein geborgt habe: „Dein Problem wird sich nicht auf der Bewusstseinsebene lösen lassen, auf der es entstanden ist. +Du musst auf eine andere Bewusstseinsebene gelangen.“ +Was also tun? Nun, als erstes wendet ihr euch an eure Freunde und habt tiefsinnigere Gespräche als je zuvor. +Aber als nächstes geht ihr allein hinaus in die Wildnis. +Ihr geht an den Ort, an dem es niemanden gibt, dem ihr etwas vormachen müsst, und das Ego hat nichts zu tun und fällt in sich zusammen, und erst dann seid ihr in der Lage, euch lieben zu lassen. +Ich habe eine Freundin, die mir sagte, als ihre Tochter geboren wurde, wurde ihr bewusst, dass sie diese mehr liebte, als es von der Evolution her nötig war. +Das hat mir schon immer gefallen. +Denn es sagt etwas über den Frieden in unserem tiefsten Inneren aus, über unsere unerklärliche Zuneigung zueinander. +Und wenn ihr mit diesem Teil in euch selbst Berührung habt, dann seid ihr bereit, gerettet zu werden. +Das Schlimme daran, wenn ihr euch im Tal befindet, ist, dass ihr nicht allein herauskommt; jemand muss euch die Hand reichen und euch herausziehen. +Das ist mir passiert. +Ich wurde glücklicherweise von Kathy und David, einem Paar, in deren Haus eingeladen und sie waren … Sie hatten einen Jungen, er hieß Santi, der in die staatliche Schule im Bezirk Columbia ging. +Santi hatte einen Freund, der eine Bleibe suchte, weil seine Mutter gesundheitliche Probleme hatte. +Und dieser Freund hatte auch einen Freund und jener Freund hatte wiederum einen Freund. Als ich vor sechs Jahren durch die Tür jenes Hauses trat, saßen dort 25 Kinder rund um den Küchentisch und ein ganzer Haufen schlief unten im Keller. +Ich streckte einem Jungen meine Hand entgegen, um mich vorzustellen, und er sagte zu mir: „Wir geben uns hier nicht die Hand. +Wir umarmen uns hier einfach. „Und ich bin sicher nicht der umarmungsfreudigste Mensch auf der Welt, aber ich gehe jeden Donnerstagabend wieder in jenes Haus, wenn ich in der Stadt bin, und umarme einfach all diese Kinder. Sie fordern Innigkeit. Sie fordern, dass du dich so verhältst, dass du dich vollständig und mit allem zeigst. +Und sie lehren dich eine neue Art zu leben, die alle Krankheiten unserer Kultur heilt, und zwar auf direkte Weise … wirklich Beziehungen an erste Stelle zu setzen, nicht nur als Lippenbekenntnis, sondern ganz real. +Und das Schöne ist, diese Gemeinschaften gibt es überall. +Ich fing am Aspen-Institut mit etwas an, das sich „Weave: The Social Fabric“ (dt. Weben: Der soziale Stoff) nennt. Das hier ist unser Logo. Und wir kommen irgendwo an und finden einfach überall Weber. +Wir finden Menschen wie Asiaha Butler, die aufwuchs in … die in Chicago lebte, in Englewood, in einer rauen Nachbarschaft. +Und sie war kurz davor umzuziehen, weil es dort so gefährlich war, und sie schaute auf die andere Seite der Straße und sah zwei kleine Mädchen, die auf einem leeren Parkplatz mit zwei zerbrochenen Flaschen spielten, und sie drehte sich zu ihrem Mann um und sagte: „Wir gehen nicht weg. +Wir werden nicht zu den Familien gehören, die dem hier den Rücken kehren. Und sie googelte „Ehrenamt in Englewood“ und jetzt betreibt sie R.A.G.E, die große Gemeindeorganisation dort. +Einige dieser Leute waren durch richtig schwierige Täler gegangen. +Ich traf eine Frau namens Sarah in Ohio, die von einer Suche nach Antiquitäten nach Hause kam und feststellen musste, dass ihr Mann sich und ihre beiden Kinder umgebracht hatte. +Sie betreibt heute eine unabhängige Apotheke, arbeitet ehrenamtlich in der Gemeinde mit, hilft Frauen beim Umgang mit Gewalt und unterrichtet. +Sie sagte zu mir: „Ich bin an dieser Erfahrung gewachsen, weil ich wütend war. +Ich wollte mich gegen das wehren, was er mir anzutun versuchte, indem ich meinen Beitrag zur Veränderung in der Welt leistete. +Verstehst du, er hat mich nicht umgebracht. +Meine Antwort ihm gegenüber ist: „Was auch immer du mir antun wolltest, du kannst mich mal, du wirst es nicht tun.“ +Diese Weber leben kein individualistisches Leben, sie Leben ein Leben in Beziehung, sie haben andere Werte. +Sie sind moralisch motiviert. +Sie sind sich ihrer Berufung sicher, sie haben sich auf etwas wirklich eingelassen. +Ich traf einen Typ in Youngstown, Ohio, der einfach ein Schild mit der Aufschrift „Verteidigt Youngstown“ auf dem zentralen Platz des Ortes hochhielt. Sie leben radikale Gemeinsamkeit und sind Genies in Sachen Beziehung. +Es gibt da eine Frau namens Mary Gordon, die etwas betreibt, was sich „Roots of Empathy“ (Wurzeln der Empathie) nennt. +Um Empathie zu unterrichten, nehmen die einen Haufen Kinder, eine achte Klasse, setzen da eine Mutter und ein Kleinkind rein, und dann müssen die Schüler raten, was das Kleinkind denkt. +Da war ein Junge in einer Klasse, der größer war als die anderen, weil er sitzengeblieben war, schon in mehreren Pflegefamilien war, gesehen hatte, wie seine Mutter getötet wurde. +Und er wollte das Baby halten. +Und die Mutter war nervös, weil er groß und furchterregend aussah. +Aber sie ließ diesen Jungen, Darren, das Baby halten. +Er hielt es und ging großartig mit ihm um. +Er gab das Baby zurück und fing an, Fragen über das Elternsein zu stellen. +Und seine letzte Frage war: „Wenn einen niemals jemand geliebt hat, glauben Sie, man kann dann ein guter Vater sein?“ Und das also tut „Roots of Empathy“: Sie reichen Menschen die Hand und holen sie aus dem Tal heraus. +Und das tun auch die Weber. +Einige von ihnen wechseln den Beruf. Einige von ihnen bleiben in ihrem Beruf. +Aber eines kann man sagen: Sie haben etwas Intensives an sich. +Ich da was gelesen … E. O. Wilson schrieb ein großartiges Buch namens „Naturalist“ über seine Kindheit. +Als er sieben war, ließen seine Eltern sich scheiden. +Und sie schickten ihn nach Paradise Beach in Nord-Florida. +Und er hatte nie zuvor das Meer gesehen. Und er hatte nie zuvor eine Qualle gesehen. +Er schrieb: „Diese Kreatur war erstaunlich. Sie existierte jenseits meiner Vorstellungskraft.“ Er saß eines Tages am Dock und sah einen Stachelrochen unter seinen Füßen durch das Wasser gleiten. +Und in diesem Moment wurde aus dem Staunen und Bewundern heraus ein Naturalist geboren. +Und er stellte Folgendes fest: Wenn man ein Kind ist, nimmt man Tiere zweimal so groß wahr wie als Erwachsener. Und das hat mich immer beeindruckt, denn was wir als Kinder wollen, ist diese moralische Intensität, uns selbst voll und ganz einer Sache hinzugeben und unsere Berufung zu finden. Und diese Weber, sie nehmen andere Menschen zweimal so groß wahr, wie Menschen das gewöhnlich tun. +Sie blicken tiefer in sie hinein. Und was sie sehen, ist Freude. +Auf dem ersten Gipfel unseres Lebens, wenn wir unsere berufliche Laufbahn beginnen, da streben wir persönliches Glück an. +Und Glück ist gut, es ist die Erweiterung unseres Selbst. +Ihr erringt einen Sieg, ihr werdet befördert, euer Team gewinnt den Super Bowl, ihr seid glücklich. +Freude ist nicht die Erweiterung des Selbst, sie ist die Auflösung des Selbst. +Es ist der Moment, wenn die Hautgrenze zwischen Mutter und Kind verschwindet, es ist der Moment, wenn sich ein Naturalist in der Natur einfach frei fühlt. +Es ist der Moment, wenn ihr so in eurer Arbeit oder in einer Sache aufgeht, dass ihr euch selbst total vergesst. +Und es ist besser, nach Freude zu streben als nach Glück. +Ich sammle Momente vergänglicher Freude, von Menschen, wenn sie die Kontrolle verlieren. +Einer meiner Lieblingsmomente gehört zu Zadie Smith. +1999 war sie in einem Londoner Nachtclub, suchte nach ihren Freunden und fragte sich, wo ihre Handtasche war. +Und plötzlich, wie sie schreibt „… griff ein spindeldürrer Mann mit riesigen Augen über ein Meer von Körpern hinweg nach meiner Hand. +Er fragte mich immer und immer wieder „Kannst du es fühlen?“ Meine absurd hohen Hacken brachten mich fast um, ich hatte Angst, zu sterben, und dennoch fühlte ich mich gleichzeitig überwältigt aus Freude darüber, dass "Can I Kick It?" zufällig genau zu diesem Zeitpunkt der Weltgeschichte auf der Soundanlage lief und nun in "Teen Spirit" überging. „I took the man's hand, the top of my head blew away, we danced, we danced, we gave ourselves up to joy.“ +Was ich hier zu beschreiben versuche, sind zwei verschiedene Lebenseinstellungen. +Die erste Denkweise, bei der es um persönliches Glück und Erfolg im Beruf geht. +Das ist eine gute Haltung, gegen die ich absolut nichts einzuwenden habe. +Aber wir befinden uns in einer nationalen Talsohle, weil wir nicht die andere Geisteshaltung haben, um das auszugleichen. +Wir, in unserer Eigenschaft als Volk, fühlen uns nicht mehr gut, wir haben unseren festen Glauben an die Zukunft verloren, wir sehen nicht mehr hinter die Fassade des anderen, wir behandeln uns gegenseitig nicht mehr anständig. +Und wir brauchen Veränderungen, eine ganze Menge Veränderungen. Wir brauchen einen wirtschaftlichen Umschwung und Veränderungen in Sachen Umwelt. Aber wir brauchen auch eine kulturelle Revolution und eine grundlegende Änderung unserer Beziehungen. +Wir müssen die Sprache einer Gesellschaft sprechen, die wieder zu Kräften gekommen ist. +Für mich haben die Weber diese Sprache bereits gefunden. +Meine Theorie zum gesellschaftlichen Wandel lautet, dass sich eine Gesellschaft dann verändert, wenn eine kleine Gruppe von Leuten eine bessere Art zu leben entdeckt hat und der Rest von uns diese Lebensweise nachahmt. +Und die Weber haben eine bessere Art zu leben gefunden. +Darüber müssen wir nicht theoretisieren. +Sie sind überall im Land unterwegs und rufen Gemeinschaften ins Leben. +Wir müssen unser Leben nur ein wenig verändern, damit auch wir sagen können „Ich bin ein Weber, wir sind Weber“. Wenn wir das tun, füllt sich die Leere in unserem Inneren, und was noch wichtiger ist, die gesamte soziale Gemeinschaft wird wiederhergestellt. +Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit. + + +41105 +Ich danke Euch ganz herzlich. Nun, ich möchte mit den Hoden beginnen. +Männer, die pro Nacht nur fünf Stunden schlafen haben wesentlich kleinere Hoden als Männer, die sieben Stunden oder mehr schlafen. +Darüber hinaus verfügen Männer, die routinemäßig nur vier bis fünf Stunden pro Nacht schlafen, über einen Testosteronspiegel, der dem von um 10 Jahre älteren Geschlechtsgenossen entspricht. +Schlafmangel lässt einen Mann also in Bezug auf diesen entscheidenden Wohlfühlfaktor um ein Jahrzehnt altern. +Auch bei Frauen leidet die Fruchtbarkeit unter einem Schlafmangel. +Das sind die besten Nachrichten, die ich heute für Euch habe. +Ab jetzt geht es nur noch bergab. +Ich werde Euch nicht nur von den wundervollen Dingen berichten, die passieren, wenn Ihr ausreichend schlaft, sondern auch von den negativen Aspekten, die Euch bei einem routinemäßigen Schlafmangel entstehen, und zwar für Körper und Geist. +Lasst mich mit dem Gehirn und der Lern- und Gedächtnisfunktion beginnen. Wir haben im Laufe der letzten zehn Jahre oder so herausgefunden, dass man nach dem Lernen eine Mütze Schlaf benötigt um den „Speicher“-Knopf für die neuen Lerninhalte zu drücken, die nicht mehr vergessen werden sollen. +Kürzlich haben wir allerdings entdeckt, dass man auch vor dem Lernen Schlaf benötigt, um das Gehirn vorzubereiten, ungefähr so wie einen trockenen Schwamm, der dazu bereit ist, zunächst neue Informationen aufzusaugen. +Ohne ausreichend Schlaf werden die Gedächtnisschaltkreise des Gehirns praktisch aufgeweicht, und man kann keine neuen Erinnerungen mehr aufnehmen. +Ich werde Euch jetzt die Daten präsentieren. +In unserer Studie hier haben wir uns dazu entschlossen, die Hypothese, dass es eine gute Idee ist, sich die Nacht um die Ohren zu schlagen, auf den Prüfstand zu stellen. +Wir haben eine Personengruppe genommen und jede der Personen einer experimentellen Gruppe zugewiesen, einer „Schlaf-Gruppe“ und einer „Schlafmangel-Gruppe“. +Die Mitglieder der Schlafgruppe bekamen volle acht Stunden Schlaf, aber die Gruppe, die auf Schlafentzug gesetzt wurde, wurde von uns unter Rundumüberwachung im Schlaflabor wach gehalten. +Es gab weder ein Schläfchen zwischendurch, noch Koffein, also war die Situation für die Beteiligten sehr unangenehm. +Am nächsten Tag haben wir diese Teilnehmer einem MRT-Scanner-Test unterzogen. Sie sollten versuchen, eine ganze Liste neuer Inhalte zu lernen und wir haben währenddessen Aufnahmen von der Hirnaktivität gemacht. +Anschließend haben wir getestet, um zu sehen, wie effizient das Lernen war. +Das Ergebnis könnt Ihr hier auf der vertikalen Achse sehen. +Wenn man diese beiden Gruppen nebeneinanderstellt, ist ganz klar ein Unterschied von 40 % bei der Fähigkeit des Gehirns, neue Inhalte ohne Schlaf zu memorieren, zu erkennen. +Ich denke, das ist besorgniserregend, wenn wir bedenken, was wir darüber wissen, was gerade mit dem Schlaf in unserer Bildungsgemeinschaft passiert. +Wenn wir dies in den schulischen Zusammenhang setzen, würde dies den Unterschied ausmachen, ob Schüler eine Prüfung mit Bravour meistern oder mit Pauken und Trompeten durchfallen -- ganze 40 Prozent. +Wir haben weitergemacht, um herauszufinden, was im Gehirn falsch läuft, in dem Moment, wo es solche Lernschwierigkeiten bedingt. +Auf der rechten und linken Seite des Gehirns sitzt eine Struktur namens Hippocampus. +Stellt Euch den Hippocampus ganz einfach als eine Art Inbox für eingehende Informationen in Eurem Gehirn vor. +Er ist sehr gut darin, neue Speicherdateien zu empfangen und sie anschließend zu behalten. +Als wir uns diese Struktur bei den Personen angesehen haben, die die ganze Nacht lang geschlafen haben, haben wir eine Menge gesunde Aktivitäten in Beug auf das Lernen feststellen können. +Bei den Personen, die unter Schlafentzug standen, konnten wir keine nennenswerten Hirnsignale feststellen. +Es ist also ungefähr so, als würde der Schlafentzug die Speicher-Inbox stilllegen und alle neuen hereinkommenden Dateien würden einfach abgelehnt. +Man kann also letztlich dem Gedächtnis keine neuen Informationen zukommen lassen. +Das ist also die negative Seite des Schlafentzugs, aber lasst mich noch einmal zu der Kontrollgruppe zurückkommen, um einen zweiten negativen Aspekt zu beleuchten. +Erinnert Ihr Euch an die Personen, die volle acht Stunden geschlafen haben? +Nun, wir können noch eine weitere Frage stellen: Was hat es mit der physiologischen Qualität des Schlafes auf sich, sofern Ihr ihn bekommt, wodurch das Gedächtnis und die Lernfähigkeit jeden Tag wiederherstellt und verbessert werden? +Wir haben überall am Kopf der Probanden Elektroden angebracht und festgestellt, dass in den Tiefschlafphasen große leistungsstarke Hirnströme zu verzeichnen sind, die am Scheitel diese wahnsinnigen Ausbrüche von neuronaler Aktivität aufweisen, auch unter dem Begriff Schlafspindel bekannt. +Es ist genau diese kombinierte Qualität aus diesen Hirnströmen im Tiefschlaf, die nachts wie ein Dateiübertragungsmechanismus funktionieren und Erinnerungen aus dem verletzlichen Kurzzeitgedächtnis in einen langfristigen Langzeitspeicher im Gehirn verschieben, und die Informationen auf diese Weise schützen. +Es ist wichtig, dass wir verstehen, was während des Schlafes tatsächlich diese Gedächtnisleistungen bewirkt, denn diese haben reale medizinische und gesellschaftliche Auswirkungen. +Ich werde Euch ein Gebiet vorstellen, in das wir unsere Arbeit auf klinischem Gebiet transferiert haben: Es geht um den Zusammenhang mit Alterung und Demenz. +Es ist mit Sicherheit kein Geheimnis, dass, wenn wir älter werden, unsere Lern- und Gedächtnisfähigkeiten nachlassen. +Wir haben aber auch herausgefunden, dass die physiologische Dimension des Alterns ein Nachlassen der Schlafqualität mit sich bringt, insbesondere die hohe Qualität des Schlafes, über die wir gerade diskutiert haben, lässt nach. +Erst letztes Jahr haben wir Beweise veröffentlicht, die belegen, dass diese beiden Dinge nicht nur gemeinsam auftreten, sondern auch noch stark miteinander zusammenhängen. +Die Forschungsergebnisse suggerieren, dass die Unterbrechung des Tiefschlafs ein unterschätzter Faktor beim Abbau der kognitiven Fähigkeiten und der nachlassenden Merkfähigkeit im Alter ist und, wie wir neulich herausgefunden haben, auch bei der Alzheimer-Krankheit. +Ich weiß, dass dies ziemlich deprimierende Neuigkeiten sind. +Das wird auf Euch alle zukommen. +Aber es ist ein Silberstreif am Horizont zu erkennen. +Im Gegensatz zu vielen anderen Faktoren, von denen wir wissen, dass sie unmittelbar mit dem Altern zu tun haben, zum Beispiel Veränderungen in der physischen Struktur des Gehirns, ist das unheimlich schwer zu behandeln. +Aber dass der Schlaf das fehlende Puzzleteil bei der Erklärung der Alterung und der Alzheimer-Krankheit ist, ist spannend, da wir hier möglicherweise etwas unternehmen können. +Wir gehen dieses Problem in meinem Schlaflabor übrigens nicht mit Schlaftabletten an. +Das sind ganz ordinäre Mittel, die nicht für einen natürlichen Schlaf sorgen. +Stattdessen entwickeln wir gerade eine darauf basierende Methode. +Sie nennt sich Gleichstrom-Hirnstimulation. Dabei wird ein Stromstoß von geringer Stärke an das Hirn angelegt. Der Strom ist so schwach, dass man ihn normalerweise nicht fühlt, aber er hat eine messbare Wirkung. +Wenn man diese Simulation nun bei jungen gesunden Menschen anwendet, während sie schlafen, so als ob man den Takt der Hirnströme im Tiefschlaf nachahmt, kann man nicht nur die Amplitude der Tiefschlaf-Hirnströme verändern, sondern auch gleichzeitig noch die Gedächtnisleistung, die sich aus dem Schlaf ergibt, verdoppeln. +Die Frage lautet nun, ob wir die selbe preisgünstige, möglicherweise übertragbare Technik auf ältere Menschen und Menschen mit Demenz übertragen können. +Sind wir in der Lage, eine gesunde Schlafqualität wiederherzustellen, und gelingt es uns, dabei einige Teile der Lern- und Gedächtnisfunktion zu retten? +Ich setze jetzt all meine Hoffnung in dieses Vorhaben. +Das ist eines unserer Ziele in weiter Ferne. +Das ist ein Beispiel für die Auswirkungen des Schlafs auf unser Gehirn, aber der Schlaf ist genauso wichtig für unseren Körper. +Wir haben bereits den Schlafmangel in Zusammenhang mit unserer Fortpflanzungsfähigkeit angesprochen. +Oder ich könnte Euch auch etwas über den Zusammenhang von Schlafmangel und dem Herz-Kreislauf-System erzählen, und das Ganze ist durch nur eine einzige Stunde bedingt. +Zweimal pro Jahr findet ein weltweites Experiment statt, an dem 1,6 Milliarden Menschen in 70 Ländern beteiligt sind. Das Projekt nennt sich Sommerzeit bzw. Winterzeit. +Jetzt, im Frühjahr, wo wir eine Stunde Schlaf verlieren, kommt es am Tag nach der Zeitumstellung zu einer Zunahme bei Herzinfarkten um 24 Prozent. +Im Herbst, wenn wir eine Stunde Schlaf dazugewinnen, kommt es zu 21 Prozent weniger Herzinfarkten. +Ist das nicht ganz unglaublich? +Bei Autounfällen, Verkehrsunfällen und sogar Selbstmordraten ist das gleiche Phänomen zu beobachten. +Aber wir wollen etwas tiefer gehen und ich möchte mich auf folgendes Thema konzentrieren: Schlafmangel und das Immunsystem. +An dieser Stelle möchte ich diese kleinen hübschen blauen Elemente auf dem Bild in Spiel bringen. +Sie werden als natürliche Killerzellen bezeichnet. Ihr könnt Euch diese natürlichen Killerzellen als die Geheimagenten Eures Immunsystems vorstellen. +Sie sind sehr gut darin, gefährliche, unerwünschte Objekte zu identifizieren und diese zu eliminieren. +Hier zerstören sie gerade krebsartige Tumorzellen. +Ihr möchtet also jederzeit eine leistungsstarke Truppe dieser Immunschützer am Start haben. Tragischerweise ist es aber so, dass dies nicht der Fall ist, wenn Ihr nicht ausreichend schlaft. +Hier in unserem Experiment kommt es nicht zum Schlafentzug für eine Nacht, der Schlaf wird lediglich für eine Nacht auf vier Stunden verkürzt, danach sehen wir uns an, um wieviel Prozent schlechter die Immunzellen arbeiten. +Es handelt sich hier nicht um einen geringen Wert -- nicht um 10 oder 20 Prozent. +Die Aktivität der natürlichen Killerzellen sank um ganze 70 Prozent. +Das ist eine bedenkliche Abwehrschwäche, und Ihr könnt vielleicht verstehen, warum wir derzeit bedeutsame Verbindungen zwischen der Schlafdauer und der Entwicklung diverser Krebsformen finden. +Momentan zählen zu den Krebsarten Darmkrebs, Prostatakrebs und Brustkrebs. +Tatsächlich ist der Zusammenhang zwischen Schlafmangel und Krebserkrankungen so stark, dass die Weltgesundheitsorganisation jede Form der Nachtschichtarbeit als möglicherweise krebsfördernd eingestuft hat; dies ist der Unterbrechung des Schlaf-Wachrhythmus geschuldet. +Vielleicht habt Ihr auch schon den Spruch gehört, dass man ja noch genug schlafen kann, wenn man tot ist. +Ich meine das, was ich Euch jetzt zu sagen habe, sehr ernst -- dieser Ratschlag ist überhaupt nicht weise und zudem tödlich. +Das haben wir anhand von epidemiologischen Studien mit Millionen von Probanden herausgefunden. +Es gibt eine ganz simple Wahrheit: je weniger du schläfst, desto eher stirbst du. +Ein kurzer Schlaf sagt die Gesamtsterblichkeit vorher. +Falls eine erhöhte Krebswahrscheinlichkeit oder die Entwicklung von Alzheimer noch nicht beunruhigend genug sind, setze ich noch einen drauf. Wir haben seitdem herausgefunden, dass Schlafmangel auch den Stoff des biologischen Daseins, nämlich den DNA-Code auslöscht. +In dieser Studie wurde eine Gruppe gesunder Erwachsener genommen, deren Schlaf für eine Woche lang auf sechs Stunden verkürzt wurde. Danach haben wir die Veränderung im genetischen Profil gemessen, und zwar im Vergleich zu dem Zustand der DNA, als die Probanden acht Stunden pro Nacht geschlafen haben. +Wir haben zwei entscheidende Dinge herausgefunden. +Erstens waren durch den Schlafmangel 711 Gene signifikant in ihrer Aktivität gestört. +Das zweite Ergebnis lautete, dass bei der Hälfte dieser Gene die Aktivität zugenommen hat. +Bei der anderen Hälfte hatte die Aktivität abgenommen. +Die Gene, die durch den Schlafmangel förmlich abgeschaltet worden waren, hatten mit dem Immunsystem zu tun, auch hier können wir wieder eine Immunschwäche feststellen. +Die Gene hingegen, deren Aktivität durch Schlafmangel außer Kontrolle geriet oder zunahm, waren Gene, die mit dem Wachstum von Tumoren in Verbindung standen, Gene, die mit langwierigen Entzündungen im Körper zu tun hatten sowie Stressgene, und als Folge davon, Herz-Kreislauf-Erkrankungen. +Was das körperliche Wohlbefinden angeht, gibt es einfach nichts, was sich durch Schlafmangel nicht zum Negativen hin verändert. Bei Schlafmangel kommt niemand ungeschoren davon. +Das ist ungefähr wie ein gebrochenes Wasserrohr bei Euch zu Hause. +Der Schlafmangel dringt auch noch in den entlegensten Winkel deines Körpers vor und manipuliert zu allem Überfluss noch das DNA-Alphabet, das mit seinen Buchstaben deinen täglichen Gesundheitszustand beschreibt. +An diesem Punkt werdet Ihr Euch sicher denken: Himmel, wie komme ich nur zu einem besseren Schlaf? +Was sind deine Tipps für einen guten Schlaf? Nun, wenn man einmal über den schädlichen Einfluss von Alkohol und Koffein auf den Schlaf hinausdenkt und wenn du nachts nicht richtig schlafen kannst, und kurze Schläfchen tagsüber meidest, habe ich zwei gute Ratschläge für dich. +Der erste Ratschlag lautet Regelmäßigkeit. Geh immer zur selben Zeit schlafen und wache zur selben Zeit auf, ganz egal ob an Wochentagen oder am Wochenende. +Regelmäßigkeit ist der Schlüssel zum Erfolg, sie wird für einen guten Schlaf sorgen und sowohl Quantität als auch Qualität des Schlafs verbessern. +Der zweite Ratschlag lautet: Immer in kühlen Räumen schlafen. +Der Körper muss seine Temperatur um etwa zwei bis drei Grad senken, um Euch in den Schlaf zu bringen und den Schlaf aufrecht zu erhalten. Daher ist es immer leichter, in einem gut gekühlten Raum einzuschlafen als in einem zu aufgeheizten Raum. +Die Raumtemperatur im Schlafzimmer sollte so bei 18 °C liegen. +Diese Temperatur ist für die meisten Menschen die ideale Schlaftemperatur. +Und nun, wenn wir noch einmal zurückblicken, was ist hier die absolut entscheidende Kernaussage? +Nun, ich denke, die Aussage könnte lauten: Leider ist Schlaf kein optionaler Lifestyle-Luxus. +Schlaf ist eine biologische Notwendigkeit, Punkt. Darüber lässt sich nicht verhandeln. +Der Schlaf erhält unsere lebenswichtigen Funktionen aufrecht und ist die größte Anstrengung von Mutter Natur, uns unsterblich zu machen. +Der Trend in den Industrienationen, dass immer weniger geschlafen wird, hat katastrophale Auswirkungen auf unsere Gesundheit, auf unser Wohlbefinden und die Bildung unserer Kinder. +Der Schlafmangel ist eine stille Epidemie, und wird zu einer der größten Herausforderungen für die allgemeine Gesundheit im 21. Jahrhundert. +Meiner Ansicht nach ist es an der Zeit, unser Recht auf eine durchschlafene Nacht geltend zu machen, ohne dass es uns peinlich sein muss oder wir uns als Faulenzer stigmatisieren lassen müssen. +Somit können wir mit dem mächtigsten Lebenselixier, sozusagen dem Schweizer Taschenmesser der Gesundheit, wieder Freundschaft schließen. +Nach diesem Wort zum Sonntag sage ich einfach zum Abschied gute Nacht, viel Glück und vor allem... hoffe ich, dass Ihr gut schlafen werdet. +Wirklich, vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit. +Herzlichen Dank, dass Ihr mir zugehört habt. +Wirklich vielen Dank. +Haltet für eine Sekunde inne. +Toll, dass Ihr noch hier seid. Das bedeutet mir wirklich viel. Das war furchteinflößend. +Matt Walker. Aber gern. +DB: Ja, wirklich vielen Dank. +Da wir Schlaf nicht nachholen können, was sollen wir tun? +Was machen wir, wenn wir uns spät nachts im Bett herumwälzen, Schichtarbeit verrichten oder sonst irgendwas in der Art machen? +MW: Da liegst du vollkommen richtig. Wir können Schlaf nicht nachholen. +Der Schlaf ist nicht mit einer Bank gleichzusetzen. +Du kannst nicht Schulden machen und darauf hoffen, diese zu einem späteren Zeitpunkt zurückzahlen zu können. +An dieser Stelle sollte ich auch anmerken, dass der Grund, warum wir gesundheitlich so schnell abbauen, darin besteht, dass wir die einzigen Lebewesen sind, die sich freiwillig um den Schlaf bringen und es keinen vernünftigen Grund dafür gibt. +DB: Bestimmt, weil wir so intelligent sind. +MW: Und ich spreche das an, weil es bedeutet, dass Mutter Natur während der gesamten Evolution nie dazu gezwungen war, sich der Herausforderung eines Schlafmangels zu stellen. +Also hat die Natur dafür kein Auffangnetz entwickelt. Darum bauen unser Körper und unser Geist so rapide ab, wenn es zu einem Schlafmangel kommt. +Wir müssen also Prioritäten setzen. +DB: Aber was mache ich, wenn ich mich schlaflos im Bett herumwälze? +MW: Wenn du im Bett liegst und zu lange wach bist, solltest du aus dem Bett steigen, dich in einen anderen Raum begeben und etwas anderes tun. +Der Grund dafür besteht darin, dass das Gehirn das Schlafzimmer sehr schnell mit den Wachheitszustand assoziiert und diese Verbindung aufgelöst werden muss. +Man sollte nur wieder ins Bett gehen, wenn man wirklich schläfrig ist. Auf diese Weise lernt man erneut, dass das Bett der eigentliche Ort zum Schlafen ist. +Um in diesem Zusammenhang eine Analogie anzuführen: Wir setzen uns nicht an den Esstisch, um hungrig zu werden, warum sollten wir also im Bett liegen, um müde zu werden? +DB: Vielen Dank für diesen Weckruf. +Großartig, Matt. +MW: Sehr, sehr gern. Ich danke Euch ganz herzlich. + + +41353 +Wenn Ihr an ein Kind, einen engen Freund, einen Geliebten denkt, fällt Euch wahrscheinlich das Wort „Liebe“ ein, und damit gehen auch gleich weitere Emotionen einher, wie Freude und Hoffnung, Erregung, Vertrauen und Sicherheit und ja, manchmal auch Traurigkeit und Enttäuschung. +Im Wörterbuch lässt sich kein anderes Wort finden, dem wir ähnlich zugetan sind, wie dem Wort „Liebe“. +Dieses Wort nimmt einen so wichtigen Platz in unserem Leben ein, da ist es doch wundersam, dass uns nie richtig beigebracht wird, wie man liebt. +Wir bauen Freundschaften auf, gehen schon früh Liebesbeziehungen ein, heiraten und bringen die Babys aus dem Krankenhaus nach Hause, in der Hoffnung, dass wir es schon herausfinden werden. +In Wahrheit ist es aber so, dass wir die Menschen, die wir lieben, oft verletzen und respektlos behandeln. +Das können ganz subtile Dinge sein, wie einen Freund dazu zu bringen, Zeit mit dir zu verbringen, heimlich die SMS des Partners zu lesen oder ein Kind wegen mangelnder Schulleistungen bloßzustellen. +Wir alle leiden unter ungesunden Beziehungen und wir alle tun auch Dinge, die nicht gut für andere sind. +Das gehört zum Menschsein dazu. +Im schlimmsten Fall kommt der Schmerz, den wir unseren Lieben zufügen, in Form von Missbrauch und Gewalt daher und eine von drei Frauen und einer von vier Männern werden im Laufe ihres Lebens Opfer von Missbrauch und Gewalt. +Nun ist es aber so, dass wir, wenn wir diese Statistiken lesen, sofort sagen: „Nein, oh nein, mit kann das nicht passieren“. Wir distanzieren uns ganz instinktiv von den Wörtern „Missbrauch“ und „Gewalt“. Das wird bestimmt irgendwem irgendwo passieren, aber nicht uns. +Die Wahrheit sieht allerdings so aus, dass ungesunde Beziehungen und Missbrauch überall um uns herum geschehen. +Wir geben diesen Geschehnissen nur einen anderen Namen und missachten die Verbindung. +Missbrauch nähert sich uns, getarnt als ungesunde Beziehung. +Ich bin für eine Organisation namens One Love tätig, die von einer Familie gegründet wurde, deren Tochter Yeardley von ihrem Ex-Freund getötet wurde. +Das war eine Tragödie, die niemand hat kommen sehen, aber als die Familie einen Blick in die Vergangenheit warf, hat sie erkannt, dass es durchaus Warnzeichen gab. Nur niemand konnte diese Anzeichen interpretieren. +Das Verhalten wurde als verrückt, Drama oder Trunkenheit betitelt, und keiner hat gesehen, was es wirklich war, nämlich ein echtes Anzeichen für eine drohende Gefahr. +Ihre Familie hat erkannt, dass der Tod hätte verhindert werden können, wenn irgendjemand gelernt hätte, wie diese Zeichen zu lesen sind. +Heute ist es unsere Mission, zu gewährleisten, dass andere die Informationen zur Verfügung haben, die Yeardley und ihre Familie nicht hatten. +Wir verfolgen drei wichtige Ziele: wir wollen eine Sprache haben, mit der wir über ein Thema sprechen können, das eher peinlich und unangenehm ist, wir wollen eine ganze Armee von Menschen aufstellen, hier sind Freunde gemeint, die helfen können und wir wollen dabei unsere eigene Liebesfähigkeit weiterentwickeln. +Damit wir dies erreichen, ist es wichtig, zunächst die Anzeichen für ungesundes Verhalten hervorzuheben, die uns regelmäßig entgehen. Unsere Arbeit konzentriert sich wirklich darauf, Inhalte zu erstellen, um uns mit jungen Leuten über dieses Thema zu unterhalten. +Angesichts dieses Themas erwartet Ihr, dass unsere Inhalte eher schwermütig und ernst sind, aber heute möchte ich die eher unbeschwerten Themen vorstellen, „Die Satzpaare“, um Anzeichen für ungesunde Beziehungen hervorzuheben. +Das erste lautet Intensität. +Blau: Ich habe dich seit ein paar Tagen nicht gesehen. +Orange: Ich habe dich auch vermisst. (# thatslove) (# dasistliebe) +Blau: Ich habe dich schon seit fünf Minuten nicht mehr gesehen. +Es fühlt sich wie ein ganzes Leben an. +Was hast du die ganzen fünf Minuten lang ohne mich getan? +Orange: Es waren drei Minuten. (# thatsnotlove) (# dasistkeineliebe) +Katie Hood: Erkennt jemand diese Situation wieder? Ich weiß nicht. Ja, ich. Missbräuchliche Beziehungen fangen nicht missbräuchlich an. +Am Anfang ist alles spannend und aufregend. +Wir haben ganz große Gefühle und sind der Person sehr zugetan, wir in einem Rausch. +Das fühlt sich richtig gut an. +Man ist so glücklich, als hätte man den Lotto-Jackpot geknackt. +Im Fall von ungesunden Liebesbeziehungen wird die positive Spannung im Laufe der Zeit erdrückend und schnürt einem auch ein bisschen die Luft ab. +Es ist so ein merkwürdiges Bauchgefühl. +Vielleicht fühlst du dich so, wenn dein neuer Freund oder deine Freundin zu schnell ein „Ich liebe dich“ sagt oder überall auftaucht und permanent anruft oder Textnachrichten schreibt. +Vielleicht wird die Person ungeduldig, wenn du nicht schnell genug antwortest, obwohl sie weiß, dass du an dem Tag beschäftigt bist. +Es ist ganz wichtig, im Gedächtnis zu behalten, dass es nicht darauf ankommt, wie eine Beziehung beginnt, sondern wie sie sich im Laufe der Zeit entwickelt. +Man sollte am Anfang einer Beziehung darauf achten, wie man sich fühlt. +Geht es dir gut damit, wie schnell es zu Intimitäten kommt? +Hast du genug Freiraum und Luft zum Atmen? +Es ist auch sehr wichtig, dass du damit anfängst und übst, wie du deine eigene Stimme benutzt, um über deine eigenen Bedürfnisse zu sprechen. +Werden deine Bedürfnisse respektiert? +Ein zweites Anzeichen ist Isolation. +Orange 2: Wollen wir ausgehen? +Orange 1: Für meinen Freund und mich ist Montag immer unser Vergnügungstag. +Orange 2: Wollen wir ausgehen? +Orange 1: Für meinen Freund und mich ist Montag immer unser Vergnügungstag. +Orange 2: Wie sieht es morgen aus? Orange 1: Morgen ist Dienstag, unser Tag zum Faulenzen. +KH: Wenn Ihr mich fragt, ist Isolierung eines der meist verkannten und fehlinterpretierten Anzeichen ungesunder Beziehungen. Warum ist das so? Weil jede neue Beziehung mit dem intensiven Bedürfnis beginnt, Zeit miteinander zu verbringen. Man verpasst schon einmal ganz schnell den Zeitpunkt, an dem sich die Dinge ändern. +Die Isolation schleicht sich langsam ein, wenn dein neuer Freund oder deine Freundin beginnt, dich von Freunden und Familie, deinen Unterstützern, fernzuhalten, und dich immer mehr an sich bindet. +Sie könnten Dinge sagen wie „Warum verbringst du Zeit mit denen?“ +Sie sind solche Verlierer“ über deine besten Freunde, oder „Sie wollen uns nur auseinanderbringen. +Sie sind total gegen uns“ über deine Familie. +Bei Isolation geht es darum, Zweifel über jede Person in deinem Leben vor der Beziehung zu säen. +Gesunde Liebe umfasst Unabhängigkeit, zwei Menschen, die gerne Zeit miteinander verbringen, die jedoch auch mit Menschen und Aktivitäten verbunden bleiben, die ihnen bereits früher wichtig waren. +Während ihr zu Beginn vielleicht noch jede freie Minute zusammen verbringen möchtet, wird dir die Wahrung deiner Unabhängigkeit mit der Zeit immer wichtiger. +Das erreichst du, indem du mit deinen Freunden Pläne schmiedest, dich an sie hältst und deinen Partner dazu ermutigst, dasselbe zu tun. +Ein drittes Merkmal einer ungesunden Liebe ist extreme Eifersucht. +Blau 2: Worüber freust du dich so? +Blau 1: Sie folgt mir nun auf Instagram! +Blau 2: Was macht dich so nervös? +Blau 1: Sie, sie folgt mir nun überall hin, einfach überall. +(# thatsnotlove) KH: Sobald die erste Phase des Verliebtseins beginnt nachzulassen, kann sich eine extreme Eifersucht einschleichen. +Dein Partner kann fordernder werden, und will wissen, wo du bist und mit wem du dich die ganze Zeit triffst, oder er folgt dir ab jetzt überall hin, online und offline. +Extreme Eifersucht führt zudem zu einem besitzergreifenden Verlangen und Misstrauen, häufig auch zu Anschuldigungen, dass mit anderen Menschen geflirtet wird oder man fremdgeht, aber auch die Weigerung, dir zuzuhören, wenn du ihnen sagst, dass sie sich keine Sorgen machen müssen und nur sie lieben. +Eifersucht ist Teil einer jeden zwischenmenschlichen Beziehung, aber extreme Eifersucht ist anders. +Sie ist hat einen bedrohlichen, verzweifelnden und wütenden Charakter. +Liebe sollte sich nie so anfühlen. +Ein viertes Merkmal ist die Demütigung. +Blau: Möchtest du abhängen? Orange: Ich muss lernen. +Blau: Du bekommst sowieso eine eins, eins wie exzellent. (# thatslove) +Blau: Möchtest du abhängen? +Orange: Ich muss lernen. +Blau: Du bekommst sowieso eine sechs, sechs wie, eine sechs wie ... dämlich. (# thatsnotlove) +KH: Genau, hmm. +In einer ungesunden Liebe werden Wörter zu Waffen. +Unterhaltungen, die eigentlich Spaß machen und fröhlich sein sollten, werden plötzlich gemein und unangenehm. +Vielleicht macht sich dein Partner über dich lustig, sodass es wehtut , oder er erzählt Geschichten und macht Witze auf deine Kosten. +Und wenn du dann versuchst, ihm zu erklären, dass er deine Gefühle verletzt hat, unterbricht er dich und beschuldigt dich, überreagiert zu haben. „Warum bist du denn so empfindlich?“ +Was ist dein Problem? +Also ich bitte dich! „Du wurdest von diesen Worten zum Schweigen gebracht. +Es scheint ganz offensichtlich zu sein, aber dein Partner sollte dir den Rücken stärken. +Seine Worte sollten dich aufbauen, und dich nicht brechen. +Er sollte deine Geheimnisse bewahren und loyal sein. +Er sollte dein Selbstvertrauen stärken, und es nicht schwächen. +Und schließlich das fünfte Merkmal: Instabilität. +Orange 1: Ich wäre traurig, wenn wir uns trennen würden. +Orange 2: Ich wäre auch traurig. (# thatslove) +Orange 1: Ich wäre so deprimiert, wenn wir und jemals trennen würden. +KH: Häufige Trennungen und Versöhnungen, Höhen und Tiefen: Mit erhöhten Spannungen erhöht sich auch die Instabilität +Tränenreiche, frustrierende Wortgefechte, gefolgt von emotionalen Versöhnungen, hasserfüllte und schmerzhafte Kommentare wie „Du bist wertlos, ich weiß nicht einmal, warum ich überhaupt mit dir zusammen bin!“, schnell gefolgt von Entschuldigungen und den Versprechen, dass dies nie wieder passiert. +Bis zu diesem Punkt bist du so sehr an das Auf und Ab in der Beziehung gewöhnt, dass du vielleicht gar nicht mehr realisierst, wie ungesund und womöglich sogar gefährlich deine Beziehung geworden ist. +Es kann wirklich hart sein, mitanzusehen, wenn eine ungesunde Liebe sich in Richtung Missbrauch entwickelt. Aber man muss zugeben, dass, je mehr solche Merkmale deine Beziehung aufweist, desto ungesünder und vielleicht auch gefährlicher könnte deine Beziehung sein. +Und wenn dein Instinkt dir dazu rät, dich zu trennen und deinen Partner zu verlassen, was ein Ratschlag ist, den viele ihren Freunden geben, wenn diese sich in einer ungesunden Beziehung befinden, dann ist dies nicht immer der beste Ratschlag. +Der Zeitpunkt der Trennung kann wahre Gewaltkonflikte auslösen. +Wenn du fürchtest, dass du geradewegs auf einen Missbrauch zusteuerst, solltest du dich Experten anvertrauen und dich von ihnen beraten lassen, wie du dich gefahrlos trennen kannst. +Aber es geht nicht immer nur um romantische Beziehungen und auch nicht immer nur um Gewalt. +Die Anzeichen einer ungesunden Liebe können dir dabei helfen, fast jede Beziehung in deinem Leben zu prüfen und zu verstehen. +Zum ersten Mal verstehst du vielleicht, warum du in einer Freundschaft enttäuscht bist, oder warum jede Interaktion mit einem bestimmten Familienmitglied dich entmutigt und ängstlich zurücklässt. +Du beginnst vielleicht sogar zu erkennen, wie deine eigene Stärke und Eifersucht Probleme mit Kollegen bei der Arbeit verursacht. +Verstehen ist der erste Schritt der Besserung, und obwohl man nicht jede ungesunde Beziehung zu einer gesunden ändern kann – einige muss man einfach hinter sich lassen –, kannst du jeden Tag deinen Teil dazu beitragen, dass Beziehungen besser werden. +Und hier ist nun die aufregende Neuigkeit: es ist eigentlich keine Raketenwissenschaft. +Offene Kommunikation, gegenseitiger Respekt, Freundlichkeit, Geduld – wir können diese Dinge jeden Tag üben. +Und auch wenn dich Übung auf jeden Fall besser machen wird, muss ich dir sagen, dass es dich nicht perfekt macht. +Ich mache das beruflich und denke und spreche jeden Tag über gesunde Beziehungen, und trotzdem mache ich ungesunde Dinge. +Erst neulich, als ich versucht habe, meine vier Kinder inmitten von Streit, Zankerei und Beschwerden über das Frühstück aus der Tür zu bekommen, bin ich komplett ausgerastet. +Mit einer absichtlich wütenden Schärfe schrie ich: „Alle halten jetzt den Mund und tun, was ich sage! +Ihr seid die Schlimmsten von allen! +Ich werde euch die Bildschirmzeit reduzieren, es wird keine Desserts mehr geben und nehme euch auch alles andere weg, was euch Spaß macht!“ +War jemand bereits dort? +Instabilität, Demütigung. Mein ältester Sohn drehte sich um, schaute mir in die Augen und sagte: „Mama, das ist nicht Liebe.“ +Für einen Moment wollte ich ihn wirklich dafür umbringen, dass er mich herausgefordert hat. Das kannst du mir glauben. Aber dann habe ich mich zusammengerissen, und ich dachte, weißt du was, ich bin eigentlich ganz stolz. +Ich bin stolz darauf, dass er die entsprechenden Worte findet, die mich innehalten lassen. +Ich möchte, dass alle meine Kinder verstehen, wo die Grenze liegen sollte, wie sie behandelt werden, und dass sie eine Sprache und auch eine Stimme haben, die sie nutzen können, wenn diese Grenze nicht eingehalten wurde, anstatt es einfach zu akzeptieren. +Wir haben Beziehungen schon viel zu lange als ein lockeres Thema behandelt, obwohl Beziehungsfähigkeiten zu den wichtigsten und schwer zu erarbeitenden Dingen im Leben gehören. +Das Verstehen ungesunder Anzeichen hilft dir nicht nur das Kaninchenloch, das zu einer ungesunden Liebe führt, zu vermeiden, doch das Verstehen und das Praktizieren der Kunst des Gesundseins kann fast jeden Aspekt in deinem Leben verbessern. +Ich bin vollkommen davon überzeugt, dass, obwohl Liebe ein Instinkt und eine Emotion ist, die Fähigkeit zu lieben, vielmehr eine Fähigkeit ist, die wir erlernen und mit der Zeit auch verbessern können. +Vielen Dank! + + +41917 +Ich möchte, dass ihr euch nun vorstellt, dass ein Freund euch eine Nachricht schickt, mit folgendem Inhalt: „Du wirst NICHT glauben, was gerade passiert ist. +Ich bin gerade SO WÜTEND!“ Also gehst du deinen Pflichten als Freund nach und fragst nach mehr Details. +Und man erzählt dir, was im Fitnessstudio oder bei der Arbeit oder beim letzten Date vergangene Nacht passiert ist. +Und du hörst zu und versuchst zu verstehen, warum dieser Freund so wütend ist. +In deinem Kopf hast du vielleicht sogar bereits ein Urteil darüber gefällt, ob er nun wirklich wütend sein sollte. +Und vielleicht gibst du sogar ein paar Ratschläge. +Und in genau diesem Moment machst du im Grunde das, was auch ich jeden Tag tue, denn ich bin ein Aggressionsforscher. Und als solcher gehe ich einen großen Teil meines beruflichen Lebens – ach, wen will ich hier zum Narren halten, meines privaten Lebens – der Frage nach, wieso Menschen wütend werden. +Ich untersuche ihre Denkweisen und sogar ihre Handlungen, wenn sie wütend werden, egal, ob es in verbale Auseinandersetzungen mündet, Dinge dabei kaputt gehen oder sogar Menschen im Internet in Großbuchstaben angeschrien werden. +Und wie du dir sicherlich vorstellen kannst, wollen sie, sobald sie wissen, dass ich ein Aggressionsforscher bin, über ihre Wut mit mir sprechen, oder ihre Aggressionsgeschichten mit mir teilen. +Und es liegt nicht einfach daran, dass sie einen Therapeuten brauchen, obwohl selbst dies manchmal vorkommt. Nein, es ist tatsächlich so, dass Wut universell ist. +Es ist etwas, dass wir alle spüren, und es ist etwas, dass sie verstehen. +Wir spüren sie, seit dem ersten Moment in unserem Leben, wenn wir mit unseren Protestschreien nicht das bekommen, was wir wollen, Dinge wie „Was meinst du damit, du wirst diese Rassel nicht aufheben, Papa, ich will sie!“ +Wir spüren sie während unserer gesamten Teenagerzeit, wie meine Mutter bei mir sicherlich bestätigen kann. Entschuldige, Mama. Wir spüren sie bis zum Schluss. +In Wahrheit hat uns die Wut bei einigen der schlimmsten Momente unseres Lebens begleitet. +Sie ist ein natürlicher und erwarteter Teil unserer Trauer. +Aber sie gehört auch zu einigen der schönsten Momente unseres Lebens, zu den ganz besonderen Anlässen wie Heirat und Urlaub, die oft von diese alltäglichen Enttäuschungen – schlechtes Wetter, Verspätungen auf Reisen – getrübt werden, die in diesem Moment sehr schrecklich sein können, aber schließlich wieder vergessen sind, sobald alles in Ordnung ist. +Ich habe mit vielen Menschen über ihre Wut gesprochen. Und durch diese Gespräche habe ich gelernt, dass viele Menschen, und ich wette, in diesem Raum befinden sich auch einige darunter, Wut als Problem sehen. +Du erkennst also die Art und Weise, wie Wut dein Leben beeinträchtigt, die Art und Weise, wie sie Beziehungen zerstört, vielleicht sogar, wie sie dir Angst macht. +Da ich all das verstehe, sehe ich Wut ein wenig anders. Und heute möchte ich dir etwas wirklich wichtiges über deine Wut sagen: Wut ist eine mächtige und gesunde Kraft in deinem Leben. +Es ist gut, dass du sie spürst. +Das musst du sogar. +Aber um all das zu verstehen, müssen wir eigentlich einen Schritt zurückgehen und über den Grund sprechen, warum wir überhaupt wütend werden. +Vieles davon ist auf die Arbeit eines Aggressionsforschers zurückzuführen, Dr. Jerry Deffenbacher, der 1996 in einem Buchkapitel den Umgang mit der Wutproblematik thematisierte. +Nun ist es für die meisten von uns, und ich wette, dass es für die meistens so ist, eigentlich ganz einfach: Ich werde wütend, wenn ich provoziert werde. +Sie sagen Dinge wie: „Es macht mich so wütend, wenn Menschen so langsam fahren,“ oder „Ich wurde wütend, weil sie die Milch wieder draußen stehen gelassen hat.“ Oder mein Favorit: „Ich habe kein Aggressionsproblem – die Leute sollen sich einfach nicht mit mir anlegen.“ +Um diese Arten der Provokation nun besser zu verstehen, frage ich viele Menschen, auch meine Freunde und Kollegen und sogar meine Familie, „Was sind die Dinge, die dir wirklich zu schaffen machen? +Was macht dich wütend?“ Jetzt ist übrigens genau der richtig Zeitpunkt einen der Vorteile hervorzuheben, ein Aggressionsforscher zu sein: Ich habe mehr als zehn Jahre damit verbracht, eine umfassende Liste aller Dinge zu erstellen, die meine Kollegen wirklich ärgern. +Nur für den Fall, dass ich sie mal brauche. +Aber ihre Antworten waren faszinierend, weil sie Dinge sagen wie „wenn meine Sportmannschaft verliert“, „Menschen, die zu laut kauen“. Das ist übrigens überraschend häufig der Fall. „Menschen, die zu langsam gehen“, dieser hier ist von mir. +Und natürlich „Kreisverkehre“. Kreisverkehre – +Ich sage euch ganz ehrlich, es gibt keine Wut, die so ist, wie die Wut bei einem Kreisverkehr. +Manchmal sind ihre Antworten auch überhaupt nicht unerheblich. +Manchmal sprechen sie über Rassismus und Sexismus und Mobbing und Umweltzerstörung – große, globale Probleme, mit denen wir alle konfrontiert sind. +Aber manchmal sind ihre Antworten auch sehr spezifisch, vielleicht sogar ungewöhnlich spezifisch. „Dieser feuchte Streifen, den du quer über dein Hemd bekommst, wenn du dich in einer öffentlichen Toilette aus Versehen gegen das Waschbecken lehnst.“ +Richtig ekelhaft, oder? +Oder „USB-Sticks: es gibt nur zwei Wege sie hineinzustecken, wieso brauche ich also immer drei Versuche?“ +Egal ob es sich nun um kleinere oder größere Dinge handelt, allgemeine oder spezifische, wir können diese Beispiele betrachten und wir können einige der häufigen Motive daraus herausziehen. +Wir werden in Situationen wütend, die wir als unangenehm oder ungerecht empfinden, in denen uns der Weg zu einem Ziel versperrt wird, oder die vermeidbar wären, und das lässt uns machtlos erscheinen. +Dies ist das Rezept für Wut. +Aber es lässt sich auch sagen, dass Wut wahrscheinlich nicht das Einzige ist, was wir in solchen Situationen spüren. +Wut findet in keinem Vakuum statt. +Wir können Wut und gleichzeitig Angst oder Trauer spüren, oder viele weitere Emotionen. +Doch die Sache ist die: diese Provokationen – sie machen uns nicht wütend. Zumindest nicht nur sie alleine, und das wissen wir, denn, wenn es so wäre, würden wir alle über dieselben Dinge wütend sein, aber das sind wir nicht. +Die Gründe, aus denen ich wütend werde, unterscheiden sich von den Gründen, aus denen du wütend wirst. Es muss sich also noch etwas anderes abspielen. +Was ist diese andere? Wir wissen, was wir tun und fühlen, wenn wir Provokationen ausgesetzt sind. +Wir bezeichnen dies als Stadium der Vorstufe der Wut – bist du hungrig, bist du müde, bist du über etwas anderes beunruhigt, bist du für etwas zu spät dran? +Wenn du diese Dinge fühlst, fühlen sich derartige Provokationen noch viel schlimmer an. +Doch nicht die Provokation ist es, die am meisten zählt, es ist nicht das Stadium der Vorstufe der Wut, es ist Folgendes: es ist, wie wir diese Provokation interpretieren, es ist, wie wir in unserem Leben daraus einen Sinn machen. +Wenn uns etwas zustößt, entscheiden wir zunächst, ob es gut oder schlecht ist. +Ist es fair oder unfair, ist es verwerflich, ist es zu vergelten? +Das ist die erste Einschätzung, die du vornimmst, wenn du das Ereignis selbst bewertest. +Wir entscheiden, was es im Zusammenhang mit unserem Leben bedeutet. Und sobald wir das getan haben, entscheiden wir, ob es schlecht ist. +Das ist die zweite Einschätzung. +Wir sagen: „Ist dies das Schlimmste, was jemals passiert ist, oder kann ich damit umgehen? +Um dies nun zu veranschaulichen, möchte ich, dass du dir vorstellst, dass du irgendwo mit dem Auto unterwegs bist. +Doch bevor ich weitermache, sollte ich dir sagen, dass, wenn ich ein böses Genie wäre und ich eine Situation erstellen würde, die dich wütend macht, diese Situation einer Autofahrt entsprechen würde. +Das ist wahr. Du bist erklärtermaßen irgendwo mit dem Auto unterwegs. Alles, was passiert – Verkehr, andere Autofahrer, Baustellen – hindert dich an der Erreichung deiner Ziele. +Es gibt alle diese geschriebenen und ungeschriebenen Straßenverkehrsregeln, und diese Regeln werden laufend und genau vor deiner Nase verletzt, üblicherweise ohne Konsequenzen. +Und wer verletzt diese Regeln? +Anonyme Personen, Menschen, die du niemals wiedersehen wirst – ein leichtes Ziel für deine Rache. +Du fährst also irgendwohin, darauf vorbereitet, wütend zu sein, und die Person vor dir fährt ein gutes Stück langsamer, als die vorgeschriebene Mindestgeschwindigkeit. +Und es ist ärgerlich, weil du nicht wirklich den Grund dafür erkennen kannst. +Das ist die erste Einschätzung. +Du hast es dir angesehen und gesagt, dass es schlecht und verwerflich ist. +Doch vielleicht entscheidest du dich auch dazu, dass es eigentlich keine große Sache ist. +Du bist nicht in Eile, es ist also egal. +Das ist die zweite Einschätzung – du wirst nicht wütend. +Doch stell dir nun vor, dass du auf dem Weg zu einem Bewerbungsgespräch bist. +Die Situation ist dieselbe. Die Person fährt unterhalb der Mindestgeschwindigkeit. +Die erste Einschätzung hat sich nicht verändert; immer noch schlecht und verwerflich. +Aber deine Fähigkeit, mit der Situation umzugehen, hat sich verändert. +Denn du kommst zu diesem Bewerbungsgespräch plötzlich zu spät. +Und ganz plötzlich bekommst du nicht mehr deinen Traumjob, der Job, der dir haufenweise Geld versprach. +Jemand anderes wird diesen Job bekommen und du wirst pleite sein. +Du wirst bettelarm sein. +Du könntest jetzt einfach anhalten, umdrehen und zu deinen Eltern ziehen. +Warum? „Wegen der Person vor mir. Das ist keine Person, das ist ein Monster.“ +Und dieses Monster ist nur deswegen hier, um mein Leben zu ruinieren. +Dieser Gedankenprozess wird als Katastrophisierung bezeichnet, bei dem wir das Schlimmste aus den Dingen machen. +Und dies ist eine der ersten Denkweisen, von denen wir wissen, dass sie mit chronischer Wut in Verbindung stehen. +Aber es gibt noch einige andere. Fehlende Kausalzuordnung. Wütende Menschen neigen dazu, die Schuld dorthin zu richten, wo sie eigentlich nicht hingehört. +Nicht nur auf Menschen, sondern tatsächlich auch auf leblose Gegenstände. +Und wenn du denkst, dass sich das lächerlich anhört, dann denke an das letzte Mal zurück, als du deine Autoschlüssel nicht finden konntest und sagtest: „Wo sind bloß diese Autoschlüssel hin?“ Weil du weißt, dass sie ganz von selbst weggerannt sind. +Sie neigen zur starken Übertreibung und verwenden Worte wie „ständig“, „niemals“, „immer“, „das passiert immer nur mir“, „ich bekomme nie das, was ich will“ oder „ich bin heute über jede Ampel gefahren“. Fordernd: Sie stellen ihre eigenen Bedürfnisse über die der anderen: „Ich weiß nicht, wieso diese Person so langsam fährt, sie soll schneller fahren oder sich auf die andere Straßenseite begeben, sodass ich zu diesem Bewerbungsgespräch komme.“ Und schließlich aufhetzerische Kennzeichnung +Sie bezeichnen Menschen als Trottel, Idioten, Monster oder eine ganze Reihe an Begriffen, die ich in diesem TED Talk nicht nennen darf. +Daher haben Psychologen diese lange Zeit als kognitive Verzerrungen oder sogar irrationale Überzeugungen bezeichnet. +Und ja, manchmal sind sie auch irrational. Vielleicht sogar immer. Doch diese Gedanken sind manchmal völlig rational. +Es gibt Ungerechtigkeiten auf der Welt. +Es gibt grausame, selbstsüchtige Menschen, und es ist nicht nur in Ordnung, wütend zu sein, wenn wir schlecht behandelt werden, es ist richtig, wütend zu sein, wenn wir schlecht behandelt werden. +Wenn es eine Sache gibt, die ihr euch von meiner heutigen Rede merken solltet, dann ist es dies: Deine Wut existiert in dir als eine Emotion, weil sie deinen Vorfahren, sowohl menschlichen als auch nicht-menschlichen, einen evolutionären Vorteil gab. +So wie dich Angst vor Gefahren warnt, so warnt dich Wut vor Ungerechtigkeit. +Das ist eine der Möglichkeiten, die dein Gehirn dir mitteilt, wenn du genug hast. +Darüber hinaus gibt sie dir die Energie, dich dieser Ungerechtigkeit zu stellen. +Denke an das letzte Mal, als du wütend wurdest. Deine Herzfrequenz stieg an. +Deine Atmung beschleunigte sich, du begannst zu schwitzen. +Das ist dein sympathisches Nervensystem, auch bekannt als Kampf-oder-Flucht-System, das dir die nötige Energie zur Reaktion gibt. +Und das sind nur die Dinge, die dir aufgefallen sind. +Dein Verdauungssystem arbeitete gleichzeitig langsamer, sodass du Energie sparen konntest. +Deshalb trocknete dein Mund aus. +Und deine Blutgefäße erweiterten sich, um Blut in die Extremitäten zu pumpen. +Deshalb wurde dein Gesicht rot. +All dies ist Teil dieser komplexen Form physiologischer Erfahrungen, die heute existiert, weil sie deinen Vorfahren dabei geholfen hat, mit grausamen und unversöhnliche Naturgewalten umzugehen. +Und das Problem ist, dass das, was noch deine Vorfahren beim Umgang mit ihrer Wut taten, eine physische Konfrontation, heute nicht länger als vernünftig oder angemessen angesehen wird. +Du kannst und solltest auch nicht jedes Mal mit dem Knüppel zuschlagen, sobald du provoziert wirst. +Aber hier nun die gute Nachricht. +Du bist zu etwas fähig, zu was deine nicht-menschlichen Vorfahren nicht fähig waren. +Und das ist die Fähigkeit, deine Emotionen zu steuern. +Selbst wenn du handgreiflich werden willst, kannst du dich noch selbst stoppen und diese Wut in etwas Produktiveres kanalisieren. +Wenn wir über Wut sprechen, dann sprechen wir häufig darüber, wie wir es gar nicht erst soweit kommen lassen, wütend zu werden. +Wir sagen den Menschen, dass sie sich beruhigen oder entspannen sollen. Wir sagen ihnen sogar, es einfach sein zu lassen. +Und all das lässt vermuten, dass Wut schlecht ist und sie sich falsch anfühlt. +Doch ich möchte stattdessen daran glauben, dass Wut ein Motivator ist. +Auf dieselbe Weise, wie dein Durst dich dazu bewegt, Wasser zu trinken, oder dein Hunger dich dazu bewegt, etwas zu essen, so motiviert dich deine Wut dazu, auf Ungerechtigkeit zu reagieren. +Denn wir müssen uns nicht so sehr bemühen, Dinge zu finden, über die wir wütend sein sollten. +Wenn wir auf den Anfang zurückblicken, sind einige dieser Dinge lächerlich und gar nicht erst wert, sich darüber zu ärgern. +Aber Rassismus, Sexismus, Mobbing, Umweltzerstörung, diese Dinge sind real, diese Dinge sind schrecklich, und der einzige Weg, sie zu reparieren, ist zunächst wütend zu werden und dann diese Wut zu kanalisieren und zurückzuschlagen. +Und du musst nicht mit Aggression, Feindseligkeit oder Gewalt antworten. +Es gibt unendlich viele Wege, wie du deiner Wut Ausdruck verleihen kannst. +Du kannst protestieren, du kannst dem Verfasser Briefe schreiben, du kannst spenden und dich ehrenamtlich engagieren, du kannst dich künstlerisch betätigen, du kannst ein literarisches Werk verfassen, du kannst ein Gedicht und ein Lied schreiben, du kannst eine Gemeinschaft erschaffen, die sich um die Belange der Anderen kümmert und diese Grausamkeiten nicht zulässt. +Wenn du also das nächste Mal wütend wirst, hoffe ich, dass du zuhörst, was diese Wut dir mitteilen möchte, anstatt zu versuchen, sie abzustellen. +Und dann hoffe ich, dass du sie in etwas Positivem und Produktivem kanalisierst. +Vielen Dank! + + +44339 +Um Hilfe zu bitten, ist im Grunde das Schlimmste, oder? +Ich habe dies eigentlich nie auf einer dieser Top-10-Listen von Dingen gesehen, die Menschen fürchten wie das Sprechen in der Öffentlichkeit und der Tod. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass dies eigentlich dazu gehört. +Selbst wenn es für uns in vielerlei Hinsicht idiotisch sein mag, zuzugeben, dass wir Hilfe benötigen, wenn wir Angst haben, sei es von einem geliebten Menschen, einem Freund, einem Mitarbeiter oder sogar von einem Fremden, es fühlt sich immer ein wenig unangenehm und beschämend an, tatsächlich um Hilfe zu bitten, was natürlich der Grund dafür ist, weshalb die meisten von uns versuchen, wann immer es uns möglich ist, nicht erst in die Verlegenheit zu kommen, um Hilfe zu bitten. +Mein Vater gehörte zu diesen zahllosen Vätern, die, und das kann ich beschwören, durch einen Sumpf voller Alligatoren fahren würden, als tatsächlich jemanden nach der Straße zu fragen. +Als ich ein Kind war, haben wir einen Familienurlaub gemacht. +Wir fuhren von unserem Zuhause in South Jersey nach Colonial Williamsburg. +Und ich erinnere mich, dass wir uns so richtig verfahren hatten. +Meine Mutter und ich hatten ihn regelrecht angefleht, an die Seite zu fahren und jemanden nach dem Weg zurück zum Highway zu fragen. Doch er weigerte sich komplett und versicherte uns sogar, dass wir uns nicht verfahren hätten, und er schon immer mal wissen wollte, was sich hier befand. +Wenn wir also nach Hilfe fragen – und das müssen wir, wir alle, fast jeden Tag –, ist der einzige Weg, wie wir uns damit anfreunden können, gut darin zu werden, um überhaupt die Chancen zu steigern, dass jemand auch zustimmt, wenn wir ihn um Hilfe bitten. +Doch nicht nur das. Für die Person ist es sogar befriedigend und lohnenswert, dir zu helfen, weil sie auf diese Weise weiterhin motiviert sind, dir auch in Zukunft zu helfen. +Meine Forschungsarbeit und die einiger meiner Kollegen haben also Aufschluss darüber gegeben, warum manche Menschen manchmal ja und manchmal nein zu unseren Hilfeersuchen sagen. +Lasst mich zu Beginn eines sagen: Wenn ihr Hilfe braucht, werdet ihr darum bitten müssen. Ihr müsst es laut aussprechen. Ok? Wir alle leiden bis zu einem gewissen Grad unter etwas, das Psychologen als „Illusion der Transparenz bezeichnen“. Also im Grunde die fälschliche Annahme, dass unsere Gedanken, Gefühle und unsere Bedürfnisse für andere Leute offensichtlich sind. +Das stimmt nicht, aber wir glauben es. +Also stehen wir meistens einfach herum und warten darauf, dass jemand unsere Bedürfnisse erkennt und uns spontan Hilfe anbietet. +Das ist eine wirklich, wirklich schlechte Voraussetzung. +Tatsächlich ist es nicht nur sehr schwierig zu erkennen, was eure Bedürfnisse sind, sondern sogar die Menschen die euch nahe stehen, wissen oft nicht wirklich, wie sie euch unterstützen können. +Mein Partner musste sich tatsächlich angewöhnen, mich mehrmals am Tag zu fragen: „Alles ok bei dir? +Brauchst du irgendwas?“, weil ich einfach so dermaßen schlecht darin bin, zu zeigen, dass ich Hilfe brauche. +Er ist viel geduldiger als ich es verdiene und auch viel proaktiver und hilfsbereiter, als irgendjemand von uns es von anderen Menschen erwarten dürfte. +Wenn ihr also Hilfe braucht, werdet ihr darum bitten müssen. +Und übrigens, selbst wenn jemand erkennen kann, dass ihr Hilfe braucht, woher soll derjenige wissen, ob ihr diese auch wollt? +Habt ihr schon mal jemandem unaufgefordert eure Hilfe angeboten, der, wie sich herausstellte, eure Hilfe niemals wollte? +Sie werden ziemlich schnell pampig, oder? +Neulich hat sich meine Tochter im Teenager-Alter für die Schule fertig gemacht und ich hatte beschlossen ihr unaufgefordert Ratschläge zu erteilen. +Ich finde, dass sie in kräftigeren Farben großartig aussieht. +Sie bevorzugt aber für gewöhnlich eher dunklere, neutralere Farbtöne. +Also sagte ich ganz hilfsbereit, dass sie eventuell wieder nach oben gehen und etwas weniger Düsteres aussuchen sollte. +Wenn Blicke töten könnten, wäre ich jetzt nicht mehr hier. +Wir können also anderen Leuten wirklich keinen Vorwurf machen, wenn sie uns nicht spontan ihre Hilfe anbieten, ohne zu wissen, ob diese überhaupt erwünscht ist. +Tatsächlich zeigen Studien, dass bei 90 Prozent der gegenseitigen Unterstützung von Kollegen am Arbeitsplatz dieser ein ausdrücklicher Wunsch nach Hilfe vorausgeht. +Ihr müsst also die Worte „Ich brauche deine Hilfe“ aussprechen. Oder? Da führt nichts drum herum. +Aber um dabei erfolgreich zu sein, um sicher zu stellen, dass Leute euch auch tatsächlich helfen, wenn ihr sie darum bittet, ist es hilfreich, ein paar Dinge im Hinterkopf zu behalten. +Das Wichtigste ist, sagt, wenn ihr um Hilfe bittet, sehr genau, womit und warum ihr Hilfe möchtet. +Vage, irgendwie indirekte Bitten um Hilfe sind für den Helfenden nicht sehr hilfreich, oder? +Wir wissen tatsächlich nicht, was ihr von uns wollt und, genauso wichtig, wir wissen auch nicht, ob wir euch wirklich behilflich sein können. +Niemand will schlechte Ratschläge geben. +Vielleicht bekommt ihr genau wie ich solche Anfragen von freundlichen Unbekannten auf LinkedIn, die „sich bei einem Kaffee zusammen setzen“ oder „etwas von euch lernen“ wollen. Ich ignoriere diese Anfragen praktisch immer. +Und das liegt nicht daran, dass ich kein netter Mensch wäre. +Es ist einfach so, dass ich kein Interesse habe, wenn ich nicht weiß, was Sie von mir wollen, z.B. welche Hilfe Sie sich von mir erhoffen. Niemand hat das. Ich hätte viel mehr Interesse, wenn Sie einfach klar gesagt hätten, was sie sich von mir erhoffen. Ich bin mir nämlich ziemlich sicher, dass sie auf etwas Bestimmtes aus waren. +Geht also hin und sagt so etwas wie „Ich würde gerne mit Ihnen über Arbeitsmöglichkeiten in Ihrem Unternehmen sprechen“ oder „Ich möchte Ihnen gerne ein gemeinsames Forschungsprojekt in einem Bereich vorschlagen, der Sie interessiert“ oder „Ich möchte Ihren Rat dazu, wie man auf die medizinische Hochschule kommt“. Bei Letzterem kann ich euch zwar fachlich nicht weiterhelfen, da ich kein Arzt bin, aber ich könnte euch an jemanden verweisen, der es kann. +Ok, zweiter Tipp. Das ist wirklich wichtig: Bitte vermeidet Beschwichtigungen, Entschuldigungen und Bestechungen. +Wirklich, wirklich wichtig. +Kommt euch irgendwas davon bekannt vor? +(Räuspert sich) +„Es tut mir so leid, dass ich Sie darum bitten muss“. „Ich belästige Sie wirklich nur ungern damit.“ „Wenn ich das irgendwie ohne Ihre Hilfe hinbekäme, würde ich das tun.“ +Manchmal hat man den Eindruck, das Leute, wenn sie um Hilfe bitten, so gerne beweisen wollen, dass sie nicht schwach und gierig sind, dass sie dabei völlig übersehen, wie unangenehm das für den Angesprochenen ist. +Und außerdem – wie soll ich es bitte erfreulich finden euch zu helfen, wenn ihr es hasst, mich um Hilfe bitten zu müssen? +Und während es vollkommen akzeptabel ist, Fremde für Dinge, die sie für euch erledigen zu bezahlen, müsst ihr wirklich vorsichtig sein, wenn es darum geht, Anreize für Ihre Freunde und Kollegen zu schaffen. +Wenn ihr eine Beziehung mit jemandem habt, ist einander zu helfen an sich ein natürlicher Bestandteil dieser Beziehung. +So zeigen wir einander, dass wir füreinander da sind. +Wenn ihr Anreize oder Bezahlungen einführt, kann es passieren, dass sich das Ganze weniger nach Beziehung, sondern mehr nach Geschäft anfühlt. +Und das wirkt distanzierend, was ironischerweise die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Leute euch helfen, verringert. +Ein spontanes Geschenk nachdem euch jemand geholfen hat, um demjenigen eure Wertschätzung und Dankbarkeit zu zeigen – vollkommen in Ordnung. +Ein Angebot an euren besten Freund, ihn für die Hilfe beim Umzug in eure neue Wohnung zu bezahlen ist es jedoch nicht. +Ok, dritte Regel; und mit dieser ist es mir wirklich ernst: Bittet wirklich nicht über E-Mail oder Textnachricht um Hilfe. +Ganz ehrlich, macht das nicht. +E-Mails und Textnachrichten sind unpersönlich. +Mir ist klar, dass es manchmal keine Alternative gibt, aber meistens bitten wir einfach lieber über E-Mail oder Textnachricht um Hilfe, weil es uns weniger unangenehm ist. +Wisst was über E-Mail oder Textnachricht ebenfalls weniger unangenehm ist? Eine Absage zu erteilen. Tatsächlich gibt es Studien, die das belegen. +Bei persönlichen Bitten ist die Wahrscheinlichkeit für ein Ja 30-mal höher als bei einer Bitte über E-Mail. +Wenn euch etwas also wirklich wichtig ist und ihr wirklich Hilfe von jemandem benötigt, fragt persönlich oder verwendet euer Handy mal als Telefon, +um um die Hilfe zu bitten, die ihr braucht. +OK. Zuletzt, und das ist wirklich wichtig und wird wahrscheinlich wenn man um Hilfe bittet am Häufigsten übersehen: Wenn ihr jemanden um Hilfe bittet und derjenige zustimmt, gebt demjenigen später eine Rückmeldung. +Es ist ein weitverbreitetes Missverständnis, dass allein das Helfen an sich schon Belohnung genug ist. +Das stimmt nicht. +Was beim Helfen tatsächlich als lohnend wahrgenommen wird, ist zu wissen, dass eure Hilfe angenommen wurde, dass sie etwas bewirkt hat, dass ihr erfolgreich wart. +Wenn ich keine Ahnung habe, wie meine Hilfe bei euch angekommen ist, wie soll es mir damit schon gehen? +Ich war viele Jahre lang Universitätsprofessor und habe tonnenweise Empfehlungsschreiben für Leute geschrieben, die sich auf eine Stelle beworben haben oder auf die Graduiertenschule wollten. +Und bei ungefähr 95 Prozent von ihnen hab ich keine Ahnung davon, wie es für sie weiterging. +Also wie geht es mir damit, dass ich Zeit und Mühe da reingesteckt habe und anschließend nicht einmal weiß, ob ich euch geholfen habe, ob ich euch überhaupt dabei geholfen habe, euer Ziel zu erreichen? +Tatsächlich ist dieses Gefühl, einen Unterschied machen zu können teilweise dafür verantwortlich, warum bestimmte Spendenaufrufe so überzeugend sind. Weil sie euch erlauben, euch lebhaft auszumalen, welche Auswirkungen eure Hilfe in Zukunft haben wird. +Nehmen wir zum Beispiel eine Organisation wie DonorsChoose. Ihr geht ins Internet und könnt genau den namentlich genannten Lehrer auswählen, dessen Klasse ihr unterstützen wollt, indem ihr genau die Sachen kauft, um die gebeten wurde, wie etwas Mikroskope, Laptops oder verstellbare Stühle. +Ein Aufruf wie dieser macht es mir so einfach, mir auszumalen, welche positiven Auswirkungen mein Geld haben wird, dass ich beim Spenden sofort einflussreich fühle. +Aber wisst ihr, was sie noch machen? Sie halten euch auf dem Laufenden. Spender bekommen Briefe von den Kindern in der Klasse. Sie bekommen Bilder. Sie erfahren, dass sie etwas bewirken konnten. +Und das ist etwas, das wir alle in unserem Alltag umsetzen müssen. Ganz besonders dann, wenn wir wollen, dass uns Menschen langfristig helfen. +Nehmt euch die Zeit, eurem Kollegen zu erzählen, dass ihr dank seiner Hilfe ein gutes Geschäft abgeschlossen habt oder zu dem Gespräch eingeladen wurdet, auf das ihr wirklich gehofft habt. +Nehmt euch die Zeit, eurem Partner zu sagen, dass ihr es dank seiner Hilfe durch eine schwere Zeit geschafft habt. +Nehmt euch die Zeit, eurem Katzensitter zu sagen, dass ihr sich sehr gefreut haben, weil die Katzen aus irgendeinem Grund während eurer Abwesenheit nichts kaputt gemacht haben und er das somit sehr gut gemacht hat. +Fazit ist: Ich weiß – glaubt mir, ich weiß – dass es nicht einfach ist, um Hilfe zu bitten. +Wir haben alle ein wenig Angst davor. +Dadurch fühlen wir uns verletzlich. +Aber moderne Arbeits- und Lebensrealität sieht so aus, dass es niemand allein schafft. +Niemand ist in einem Vakuum erfolgreich. +Wir müssen uns mehr als jemals zuvor auf andere Menschen, ihre Unterstützung und Zusammenarbeit, verlassen, um erfolgreich zu sein. +Wenn ihr also Hilfe braucht, sprecht es laut aus. +Und wenn ihr das macht, macht es so, dass eure Chancen auf Hilfe besser stehen und sich die andere Person gut dabei fühlt, euch zu helfen. Denn ihr verdient es beide. +Danke. + + +48103 +Ich schlug mich wirklich lange Zeit mit zwei Rätseln herum. +Ich verstand sie nicht und ehrlich gesagt, hatte ich ziemliche Angst davor, mich mit ihnen zu beschäftigen. +Das erste Rätsel war, Ich bin 40 Jahre alt und während meiner gesamten Lebenszeit, Jahr für Jahr, stiegen in den USA, in Großbritannien und überall in der westlichen Welt die Fälle von schweren Depressionen und Angstzuständen. +Und ich wollte verstehen warum. +Warum geschieht das mit uns? +Warum fällt es von Jahr zu Jahr immer mehr von uns schwerer, durch den Tag zu kommen? +Und all das wollte ich aufgrund eines persönlicheren Rätsels verstehen. +Ich erinnere ich daran, dass ich als Teenager bei meinem Arzt war und ihm erklärte, dass ich so ein Gefühl hätte, als ob Schmerz durch mich durchsickerte. +Ich konnte es nicht kontrollieren, ich konnte nicht verstehen, warum es passiert, ich schämte mich ziemlich dafür. +Und mein Arzt erzählte mir eine Geschichte die, wie mir jetzt klar wird, zwar gut gemeint, aber doch zu sehr vereinfacht war. Nicht komplett falsch. Mein Arzt sagte: „Wir wissen, warum Menschen so werden. +Bei manchen Menschen entsteht im Kopf von Natur aus ein chemisches Ungleichgewicht und du gehörst ganz klar zu diesen. +Wir müssen dir nur ein paar Medikamente verabreichen und das normale chemische Gleichgewicht wird wiederhergestellt.“ +Also habe ich damit angefangen, ein Medikament namens Paroxetin oder Seroxat zu nehmen. Es ist das Gleiche, hat aber in verschiedenen Ländern unterschiedliche Namen. +Und ich fühlte mich viel besser, ich hatte einen richtigen Energieschub. +Aber recht kurze Zeit darauf kam dieses Schmerzgefühl zurück. +Also erhielt ich immer höhere Dosen bis ich, 13 Jahre lang, die gesetzlich erlaubte Höchstdosis einnahm. +Und für einen Großteil dieser 13 Jahre und gegen Ende fast die ganze Zeit über, hatte ich immer noch große Schmerzen. +Und ich begann mich zu fragen: „Was ist hier los?“ +Du machst doch alles, was du gemäß der Geschichte, die unsere Kultur dominiert, machen sollst – Warum fühlst du dich immer noch so?“ +Um also diesen beiden Rätseln auf den Grund zu gehen, für ein Buch das ich geschrieben habe, verschlug es mich auf eine große Reise rund um die Welt; ich bin über 40 000 Meilen gereist. +Ich wollte mich weltweit mit führenden Experten zusammensetzen und darüber sprechen, was Depressionen und Angstzustände auslöst und vor allem, was sie heilt und über Menschen, die Depressionen und Angstzustände durchgemacht haben und auf alle möglichen Arten aus diesen herausgekommen sind. +Und ich habe von den großartigen Menschen, die ich entlang dieses Wegs getroffen habe, eine ganze Menge gelernt. +Aber der Kern dessen, was ich gelernt habe, ist, dass wir bisher wissenschaftliche Beweise für neun verschiedene Ursachen für Depressionen und Angstzustände haben. +Zwei davon liegen tatsächlich in unserer Biologie. +Eure Gene machen euch zwar eventuell anfälliger für diese Probleme, aber sie entscheiden nicht über euer Schicksal. +Und wenn ihr depressiv seid setzen Veränderungen im Gehirn ein, die es euch erschweren können, aus der Depression herauszukommen. +Aber die meisten der Faktoren, die erwiesenermaßen Depressionen und Angstzustände auslösen können, liegen nicht in unserer Biologie begründet. +Es sind Faktoren unserer Lebensumstände. +Und sobald man diese versteht, eröffnen sich ganz andere Lösungen, die den Menschen neben der Option von chemischen Antidepressiva angeboten werden sollten. +Es ist beispielsweise wahrscheinlicher, dass man depressiv wird, wenn man einsam ist. +Falls man, wenn man zur Arbeit geht, keinerlei Kontrolle über seine Arbeit hat, sondern einfach nur tun muss, was man gesagt kriegt, ist es wahrscheinlicher, dass man depressiv wird. +Wenn man kaum raus in die freie Natur kommt, ist es wahrscheinlicher, dass man depressiv wird. +Und eines eint viele der Ursachen für Depressionen und Angstzustände, von denen ich erfahren habe. +Nicht alle, aber viele davon. +Euch allen hier ist klar, dass ihr natürliche körperliche Bedürfnisse habt, oder? Offensichtlich. Ihr braucht Nahrung, ihr braucht Wasser, ihr braucht eine Unterkunft, ihr braucht saubere Luft. +Wenn ich euch diese Dinge wegnehmen würde, wärt ihr sehr schnell in echten Schwierigkeiten. +Aber gleichzeitig hat jedes menschliche Wesen natürliche psychische Bedürfnisse. +Man muss spüren, dass man dazugehört. +Man muss spüren, dass das Leben Sinn und Zweck hat. +Man muss spüren, dass andere Menschen einen wahrnehmen und schätzen. +Man muss spüren, dass man eine sinnvolle Zukunft vor sich hat. +Und die Kultur, die wir geschaffen haben, kann vieles. +Und vieles ist besser als früher – Ich freue mich, heute zu leben. +Aber es fällt uns zunehmend schwerer, diese tiefen, grundlegenden psychischen Bedürfnisse zu erfüllen. +Das ist nicht der einzige Punkt, aber ich glaube, es ist die Hauptursache dafür, dass diese Krise weiterhin wächst und wächst. +Und das fand ich wirklich schwierig zu verdauen. +Es fiel mir wirklich schwer, von dem Gedanken, dass meine Depression einfach ein Problem in meinem Gehirn ist wegzukommen und sie eher als ein Problem mit vielen Ursachen, von denen viele mit unserer Lebensweise zusammenhängen, zu sehen. +Und es begann erst dann wirklich Sinn zu ergeben, als ich eines Tages ein Interview mit einem südafrikanischen Psychiater namens Dr. Derek Summerfield führte. +Er ist ein toller Typ. +Und Dr. Summerfield war zufällig 2001 in Kambodscha, als dort zum ersten Mal chemische Antidepressiva als Behandlungsmethode eingeführt wurden. +Und die ansässigen Ärzte, die Kambodschaner, hatten noch nie etwas von diesen Medikamenten gehört und fragten: „Was ist das?“ Er erklärte es. Und sie sagten zu ihm: „Wir brauchen sie nicht, wir haben schon Antidepressiva“. Und er fragte: „Wie meinen Sie das?“ Er dachte, sie würden ihm von einem pflanzlichen Arzneimittel erzählen, wie Johanniskraut, Ginkgo biloba oder sowas. +Stattdessen erzählten sie ihm eine Geschichte. +Es gab einen Bauern in ihrer Gemeinschaft, der in den Reisfeldern arbeitete. +Eines Tages trat er auf eine Landmine, die aus dem Krieg mit den USA übrig geblieben war und ihm wurde das Bein weggesprengt. +Sie besorgten ihm eine Beinprothese und nach einer Weile kehrte er zur Arbeit in den Reisfeldern zurück. +Aber offenbar ist es sehr schmerzhaft mit einer Prothese unter Wasser zu arbeiten und ich denke, es war vermutlich auch ziemlich traumatisch zurück zu kommen und in dem Feld zu arbeiten, in dem er den Unfall hatte. +Der Bauer fing an, den ganzen Tag zu weinen, er weigerte sich, aus dem Bett zu kommen, er entwickelte alle Symptome einer klassischen Depression. +Der kambodschanische Arzt sagte: „Da gaben wir ihm ein Antidepressivum.“ Und Dr. Summerfield sagte: „Was war es?“ Sie erklärten, dass sie zu ihm gingen und sich mit ihm hinsetzten. +Sie haben ihm zugehört. +Sie erkannten, dass sein Schmerz Sinn ergibt. Während seiner starken depressiven Schübe fiel es ihm schwer, das zu erkennen, aber tatsächlich gab es in seinem Leben komplett nachvollziehbare Ursachen für seinen Schmerz. +Einer der Ärzte unterhielt sich mit den Leuten in der Gemeinschaft und kam auf eine Idee. „Wisst ihr, wenn wir ihm eine Kuh kaufen würden, dann könnte er Milchwirtschaft betreiben und wäre nicht mehr in dieser Lage, die ihm so dermaßen zu schaffen macht. Er müsste dann nicht mehr in den Reisfeldern arbeiten.“ Also kauften sie ihm eine Kuh. +Innerhalb von ein paar Wochen hörte er auf zu weinen, innerhalb eines Monats war seine Depression verschwunden. +Sie sagten zu Doktor Summerfield: „Also diese Kuh, die war ein Antidepressivum. Das meinen Sie doch, oder?“ +Wenn ihr mit so einem Bild von Depressionen aufgewachsen wärt wie ich und wie die meisten Leute hier, klingt das wie ein schlechter Scherz, oder? „Ich bin zu meiner Ärztin, damit sie mir ein Antidepressivum verschreibt, und sie hat mir eine Kuh gegeben.“ Aber was den kambodschanischen Ärzten auf Grundlage dieser einzelnen, unwissenschaftlichen Anekdote, intuitiv klar war, ist genau das, was uns die weltweit führende Gesundheitsbehörde, die World Health Organization, auf Grundlage wissenschaftlicher Beweise, schon seit Jahren zu vermitteln versucht. +Wenn man depressiv ist, wenn man Angstzustände hat, ist man nicht schwach. Man ist nicht verrückt, man ist nicht, im Wesentlichen, eine defekte Maschine. +Man ist ein menschliches Wesen mit unerfüllten Bedürfnissen. +Und hierbei ist es genauso wichtig auch darüber nachzudenken, was diese kambodschanischen Ärzte und die World Health Organization nicht sagen. +Sie haben nicht Folgendes zu dem Bauern gesagt: „Hör mal, du musst dich zusammenreißen. +Es ist deine Aufgabe, dieses Problem zu erkennen und selbst zu lösen.“ Im Gegenteil, sie haben gesagt: „Wir als Gruppe können das zusammen mit dir rumreißen, zusammen können wir das Problem erkennen und lösen.“ Das ist es, was jede depressive Person braucht und das ist es, was jede depressive Person verdient. +Das ist der Grund, warum einer der führenden Ärzte bei den Vereinten Nationen vor ein paar Jahren, 2017, im offiziellen Statement zum Weltgesundheitstag feststellte, dass wir weniger über chemische Unausgeglichenheiten, sondern mehr über die Unausgeglichenheiten in unserem Lebensstil sprechen müssen. +Medikamente sind für manche Menschen eine echte Befreiung – mir haben sie für eine Weile geholfen – aber gerade weil dieses Problem weit über die Biologie hinaus geht, müssen auch die Lösungen darüber hinausgehen. +Aber ich erinnere mich daran, dass ich, als ich das zum ersten Mal hörte, dachte: „Ok, ich konnte all die wissenschaftlichen Nachweise nachvollziehen, ich habe eine Menge Studien gelesen, ich habe mit sehr vielen Experten gesprochen, die das dargelegt haben.“ Aber ich kam nicht umhin mich immer noch zu fragen: „Wie sollen wir das bloß machen?“ Meistens sind die Ursachen für unsere Depressionen komplexer als die Situation dieses kambodschanischen Bauern. +Wo sollen wir mit dieser Erkenntnis überhaupt ansetzen? +Aber dann habe ich, während meiner langen Reise für das Buch, auf der ganzen Welt, von Sydney über San Francisco, bis nach São Paulo, Menschen getroffen, die genau das machen. +Ich habe immer wieder Leute getroffen, die die tiefergehenden Ursachen von Depressionen und Angstzuständen verstanden und diese, als Gruppe, lösten. +Natürlich kann ich euch nicht von all den großartigen Menschen erzählen, die ich kennen gelernt und über die ich geschrieben habe, oder euch alle neun Ursachen von Depressionen und Angstzuständen darlegen, die ich in Erfahrung gebracht habe, weil sie mich hier keinen 10-stündigen TED Talk halten lassen – Ihr könnt euch bei denen darüber beschweren. +Ich möchte mich aber, wenn das in Ordnung ist, auf zwei der Ursachen und zwei der Lösungen konzentrieren, die sich aus diesen ergeben. +Hier ist die erste. +Wir sind die einsamste Gesellschaft der Menschheitsgeschichte. +Es gab kürzlich eine Studie, in der Amerikaner gefragt wurden. „Haben Sie das Gefühl, dass Sie niemandem mehr so wirklich nahe stehen?“ Und 39 Prozent der Menschen sagte, dass das auf sie zutrifft. „Niemandem mehr so wirklich nahe.“ Und falls sich hier jemand überlegen fühlt: Im internationalen Einsamkeitsvergleich kommen Großbritannien und Europa gleich hinter den USA. +Ich habe viel Zeit damit verbracht, dieses Thema mit dem weltweit führenden Einsamkeitsexperten, einem unglaublichen Mann namens Professor John Cacioppo, der sich in Chicago aufhielt, zu besprechen und ich habe viel über die eine Frage nachgedacht, die uns seine Arbeit stellt. +Professor Cacioppo fragte: „Warum existieren wir? +Warum sind wir hier? Warum leben wir?“ „Einer der Hauptgründe dafür ist, dass unsere Vorfahren in der Savanne Afrikas eines besonders gut konnten. +Meistens waren sie nicht größer als die Tiere, die sie erlegten, meistens waren sie auch nicht schneller als die Tiere, die sie erlegten, aber sie waren viel besser darin, sich in Gruppen zusammen zu tun und zusammen zu arbeiten. +Als Spezies war das unsere Superkraft – Wir tun uns zusammen. Genau wie sich Bienen zum Zusammenleben in einem Stock hinentwickelt haben, haben wir uns zum Zusammenleben in einem Stamm hinentwickelt. +Und wir sind die ersten Menschen in der Geschichte, die ihre Stämme auflösen. +Und dadurch fühlen wir uns furchtbar. +Aber so muss es nicht sein. +Einer der Helden in meinem Buch, und tatsächlich auch in meinem Leben, ist ein Arzt namens Sam Everington. +Er ist Allgemeinarzt in einem armen Teil von East London, in dem ich viele Jahre lang gelebt habe. +Und Sam fühlte sich wirklich nicht gut, denn er hatte viele Patienten, die mit schrecklichen Depressionen und Angstzuständen zu ihm kamen. +Und wie auch ich, ist er nicht gegen chemische Antidepressiva. Er glaubt, dass sie für manche Leute eine Erleichterung sein können. +Aber er konnte zwei Dinge erkennen. +Erstens hatte seine Patienten oft aus völlig nachvollziehbaren Gründen Depressionen und Angstzustände, etwa aus Einsamkeit. +Und zweitens lösten die Medikamente, auch wenn sie für manche Leute eine Erleichterung darstellen, das Problem bei vielen nicht. Das zugrunde liegende Problem. Eines Tages entschloss sich Sam dazu, einen anderen Ansatz zu wagen. +Eine Frau namens Lisa Cunningham besuchte sein Gesundheitszentrum. +Ich habe Lisa später kennen gelernt. +Und Lisa lebte seit sieben Jahren mit lähmenden Depressionen und Angstzuständen zu Hause abgekapselt. +Als sie zu Sams Zentrum kam, wurde ihr gesagt: „Keine Sorge, wir werden Ihnen weiterhin diese Medikamente geben, aber Ihnen zusätzlich noch etwas anderes verschreiben. +Wir verschreiben Ihnen, zweimal die Woche dieses Zentrum aufzusuchen, um sich hier mit einer Gruppe anderer Leute mit Depressionen und Angstzuständen zu treffen. Und zwar nicht, um darüber zu sprechen, wie schlecht es Ihnen geht, sondern um sich etwas Sinnvolles zu überlegen, das sie zusammen unternehmen können, um sich nicht mehr einsam zu fühlen und nicht mehr das Gefühl zu haben, dass Ihr Leben sinnlos ist.“ Als sich die Gruppe das erste Mal traf, waren Lisas Angstzustände so schlimm, dass sie sich übergeben musste. Es hat sie einfach überfordert. +Aber die anderen unterstützten Sie und die Gruppe begann zu diskutieren, sie fragten sich: „Was könnten wir machen?“ Das sind richtige Städter aus East London, wie ich, sie wussten überhaupt nichts über Gartenarbeit. +Sie überlegten sich: „Warum lernen wir nicht zu gärtnern?“ Es gab da einen Bereich hinter den Arztpraxen, der nur Buschland war. „Warum machen wir da keinen Garten draus?“ Sie begannen damit, sich Bücher aus der Bücherei zu holen und YouTube-Clips anzuschauen. +Sie begannen damit, die Hände in die Erde zu graben. +Sie begannen damit, den Rhythmus der Jahreszeiten kennen zu lernen. +Es gibt viele Nachweise dafür, dass der Aufenthalt in der Natur ein wirklich starkes Antidepressivum ist. +Aber Sie begannen auch damit, etwas noch viel Wichtigeres zu tun. +Sie begannen damit, einen Stamm zu bilden. +Sie begannen damit, eine Gruppe zu bilden. +Sie begannen damit, sich umeinander zu kümmern. +Wenn einer von ihnen mal nicht auftauchte, fragten die anderen bei demjenigen nach – „Bei dir alles in Ordnung?“ Sie halfen demjenigen dabei sich damit auseinanderzusetzen, was ihn an diesem Tag bedrückt. +Wie Lisa es ausdrückte: „Als der Garten begann zu erblühen, begannen auch wir zu erblühen.“ Dieser Ansatz wird als „Social Prescribing“, also soziale Verschreibung, bezeichnet und verbreitet sich in ganz Europa. +Es liegen zur Zeit noch wenige, aber zunehmend mehr Beweise dafür vor, dass Depressionen und Angstzustände hierdurch merklich zurückgehen können. +Ich erinnere mich daran, dass ich eines Tages in dem Garten stand, den Lisa und ihre ehemals depressiven Freunde angelegt hatten – es ist ein wirklich schöner Garten – und mir dieser Gedanke kam, der sehr von einem Typen namens Professor Hugh Mackay in Australien inspiriert ist. +Ich dachte darüber nach, was wir in dieser Kultur zu Menschen sagen, die sich Schlecht fühlen, und ich bin mir sicher, dass jeder hier das schon mal gesagt hat, wir sagen: „Du musst einfach nur du selbst sein.“ Und mir ist klar geworden, dass wir den Leuten eigentlich Folgendes sagen sollten: „Sei nicht du. +Sei nicht du selbst. Sei uns, sei wir. Seit Teil einer Gruppe.“ +Die Lösung dieses Problems liegt nicht darin, als isolierter Einzelner die eigenen Ressourcen mehr und mehr aufzubrauchen – Das ist ein Teil davon, was uns in diese Krise geführt hat. +Sie liegt darin, sich wieder mit etwas zu verbinden, das größer ist als man selbst. +Und das führt wiederum zu einer der anderen Ursachen für Depressionen und Angstzustände, über die ich mit Ihnen sprechen wollte. +Jeder weiß, dass unsere Ernährungsweise durch Junk-Food ersetzt wurde und uns körperlich krank gemacht hat. +Ich sage das ganz ohne Überlegenheitsgefühl, ich war wortwörtlich direkt vor diesem Gespräch bei McDonald's. +Ich habe gesehen, wie ihr alle dieses gesunde TED-Frühstück gegessen habt und dachte mir: „Ohne mich.“ +Aber genau wie ungesundes Junk-Food unsere Ernährungsweise verändert und uns körperlich krank gemacht hat, haben ungesunde Werte unsere Denkweise verändert und uns psychisch krank gemacht. +Seit tausenden von Jahren sagen Philosophen: „Wenn Sie denken, dass sich das Leben um Geld, Status und Angeberei dreht, werden Sie sich miserabel fühlen. +Das ist kein wortwörtliches Zitat von Schopenhauer, aber das ist seine Kernaussage. +Verrückterweise hat dies kaum jemand wissenschaftlich untersucht. Bis ich diese wirklich außerordentliche Person kennenlernte: Tim Kasser, der am Knox College in Illinois lernt und zu diesem Thema bereits seit ca. 30 Jahren forscht. +Und seine Forschung legt mehrere sehr wichtige Dinge nahe. +Erstens: Je mehr man glaubt, man könnte sich aus der Traurigkeit herauskaufen und darüber hinweg stellen und zu einem guten Leben übergehen, desto wahrscheinlich wird man depressiv und ängstlich. +Und zweitens werden wir als Gesellschaft inzwischen deutlich mehr von diesen Überzeugungen angetrieben. +Das Gewicht der Werbung und von Instagram und ähnlichem lastet bereits das gesamte Leben auf mir. +Und als ich so darüber nachgedacht habe, habe ich erkannt, dass wir bereits seit unserer Geburt darauf getrimmt werden. Das ist eine Art Fast Food für die Seele. +Wir sind darauf trainiert worden, an den falschen Orten nach Glück zu suchen. Und genau wie Fast Food deckt dies nicht den Nährstoffbedarf und hinterlässt tatsächlich ein ungutes Gefühl. Die schlechten Werte erfüllen die psychologischen Bedürfnisse nicht und bringen uns weg von einem guten Leben. +Als ich mich begann mit Professor Kasser zu unterhalten und all dies erfuhr, empfand ich eine wirklich verrückte Mischung von Gefühlen. +Einerseits fand ich dies sehr herausfordernd. +Ich konnte sehen, wie oft ich in meinem eigenen Leben bei Tiefpunkten versuchte, diese mit einer protzigen, großen von außen kommenden Lösung zu lindern. +Und ich konnte verstehen, warum dies nicht gut für mich funktioniert hatte. +Ich dachte auch: Ist das nicht absolut offensichtlich? +Ist das nicht fast banal? +Wenn ich allen sagte, dass keiner von ihnen auf dem Sterbebett liegen würde und an all die Schuhe denken würde, die er oder sie gekauft hat und wie viele Retweets man bekommen hatte, sondern dass man sich an die Momente von Liebe, Bedeutung und Verbindung im Leben erinnern würde. +Dann schien mir das fast ein Klischee zu sein. +Aber ich sprach weiter mit Professor Kasser und fragte: Warum fühle ich diese seltsame Doppeldeutigkeit? Und er antwortete: Es gibt eine Ebene, auf der wir all diese Dinge wissen. +Aber in dieser Kultur leben wir nicht danach. Wir haben sie so verinnerlicht, dass sie zu Klischees geworden sind, aber wir leben nicht danach. +Ich fragt wiederholt, warum, warum wissen wir etwas so Tiefgründiges, aber leben nicht danach? +Und nach einer Weile sagte Professor Kasser zu mir: Weil wir in einer Maschine leben, die uns dazu bringt, Wichtiges in unserem Leben zu vernachlässigen. Darüber musste ich wirklich nachdenken. Weil wir in einer Maschine leben, die uns dazu bringt, Wichtiges in unserem Leben zu vernachlässigen. +Und Professor Kasser wollte herausfinden, wie wir diese Maschine stören können. +Er hat dazu ausführlich geforscht. Ich nennen Ihnen ein Beispiel und empfehle Ihnen dringend, dies mit Ihren Freunden und Ihrer Familie auszuprobieren. +Zusammen mit Nathan Dungan stellte er eine Gruppe von Teenagern und Erwachsenen zusammen, die sich über einen bestimmten Zeitraum mehrfach treffen sollten. +Und ein Grund für die Gruppe war es, die Menschen dazu zu bekommen, über einen Moment in ihrem Leben nachzudenken, an dem sie wirklich Bedeutung und Sinnhaftigkeit gefunden hatten. +Bei den verschiedenen Personen waren das unterschiedliche Dinge. +Bei einigen war es musizieren, schreiben, jemandem helfen - ich bin mir sicher, dass sich hier jeder etwas vorstellen kann, oder? +Und ein Grund für die Gruppe war es, die Personen dazu zu bekommen, zu fragen: Ok, wie könnte ich mehr Lebenszeit dafür einsetzen, diese Momente von Bedeutung und Sinnhaftigkeit zu verfolgen und weniger, zum Beispiel Müll zu kaufen, den ich nicht brauche, diesen in den sozialen Medien einzustellen und die Reaktion von anderen hervorzurufen: Oh mein Gott, ich bin so neidisch! +Sie haben dann herausgefunden, dass sich allein diese Treffen wie eine Art Anonyme Alkoholiker für Konsumverhalten anfühlte. +Diesen Personen die Möglichkeit für Treffen zu geben, ihre Werte zu formulieren, danach zu handeln und sich gegenseitig zu überprüfen, führte zu einer deutlichen Werteverschiebung dieser Personen. +Sie bewegten sich weg von diesem Strudel an deprimierenden Botschaften, die uns darauf trimmen, unser Glück an den falschen Stellen zu suchen, hin zu mehr bedeutsamen und nährenden Werten, die uns aus der Depression herausführen. +Aber bei all den Lösungen, die ich kenne und über die ich geschrieben habe, und über die ich hier nicht alle sprechen kann, denke ich darüber nach: Warum habe ich so lange gebraucht, zu diesen Erkenntnissen zu kommen? +Denn wenn man diese anderen erklärt, wobei einige Erkenntnisse komplizierter als andere sind, wenn man diese also anderen erklärt, ist es am Ende keine höhere Mathematik. +An irgendeinem Punkt wissen wir diese Dinge bereits. +Warum fällt es uns so schwer, dies zu verstehen? +Ich denke, dafür gibt es mehrere Gründe. +Ein Grund ist aber meiner Meinung nach, dass wir unser Verständnis darüber ändern müssen, was Depressionen und Angstzustände tatsächlich sind. +Es gibt sehr reale biologische Faktoren, die zu Depressionen und Angstzuständen beitragen. +Wenn wir aber zulassen, dass die Biologie nur die alleinige Rolle spielt, wie ich es selber lange Zeit gedacht habe, und wie es meiner Meinung nach in unserer Kultur in den letzten Jahrzehnten überwiegend gehandhabt wurde, sagen wir indirekt zu den Menschen, und zwar ganz unbeabsichtigt, aber wir sagen indirekt zu ihnen: Eure Schmerzen bedeuten gar nichts. +Das ist einfach eine Fehlfunktion. +Das ist wie eine Funktionsstörung in einem Computerprogramm. Nur ein Verkabelungsfehler in eurem Kopf. Aber ich war erst in der Lage, mein Leben zu ändern, als ich begriff, dass Depressionen keine Fehlfunktion sind. Sie sind ein Signal. +Depressionen sind ein Signal. Sie möchten einem etwas sagen. +Wir haben dieses Gefühl aus verschiedenen Gründen, die in der Agonie der Depression schwer zu erkennen sein können. Ich kann das sehr gut aus eigener Erfahrung nachvollziehen. +Aber mit der richtigen Unterstützung können wir diese Probleme verstehen und diese Probleme gemeinsam lösen. +Aber um das zu tun, dürfen wir diese Signale als ersten Schritt nicht mehr mit Füßen treten, indem wir sagen, dass sie Anzeichen von Schwäche oder Verrücktheit oder rein biologisch sind, außer für eine sehr geringe Anzahl von Personen. +Wir müssen diesen Signalen zuhören, weil sie uns etwas sagen, was wir wirklich hören müssen. +Erst, wenn wir diesen Signalen wirklich zuhören und diese Signale anerkennen und respektieren, werden wir beginnen, die befreienden, nährenden, tiefergehenden Lösungen zu erkennen. +Die Kühe, die hier alle um uns herum warten. +Danke. + + +48498 +Oh, davon gibt es jede Menge. Das sind Algen. Sie wirken ziemlich unscheinbar. +Aber sie haben einige bemerkenswerte Eigenschaften. +Zum einen wachsen sie wirklich schnell. +Der Kohlenstoff, der Teil dieser Algen ist, gelangte vor ein paar Wochen als atmosphärisches CO2 in die Atmosphäre, und trug damit zu allen negativen Folgen des Klimawandels bei. +Momentan ist dieser sicher in den Algen gespeichert, aber wenn der Verrottungsprozess beginnt, und dem Geruch nach zu urteilen, dauert das nicht mehr allzu lange, wird dieses CO2 wieder in die Atmosphäre freigesetzt. +Wäre es nicht fantastisch, wenn wir einen Weg finden würden, dieses CO2 langfristig zu speichern und somit entscheidend zur Lösung des Klimaproblems beitragen könnten? +Was ich hier meine, ist der Drawdown, die Umkehrung des Klimawandels. +Inzwischen ist dieses Konzept zur zweiten Hälfte der klimapolitischen Herausforderung geworden. +Und das liegt daran, dass wir zulange gezögert haben, bei der Bekämpfung des Klimawandels. Nun müsse wir zwei sehr große und sehr schwierige Dinge gleichzeitig bewältigen. +Wir müssen unsere Emissionen senken und unsere Energieversorgung nachhaltiger gestalten. Gleichzeitig müssen wir erhebliche Mengen an Kohlendioxid aus der Atmosphäre ziehen. +Wenn wir das nicht machen, bleiben etwa 25 Prozent des CO2, das wir in die Luft ausgestoßen haben, nach menschlichem Maßstäben für immer dort. +Daher müssen wir handeln. +Das ist wirklich eine neue Phase bei der Bekämpfung der Klimakrise und sie erfordert ein neues Denken. +Ideen wie der Kohlenstoff-Ausgleich ergeben in der jetzigen Zeit keinen Sinn. Wenn man etwas ausgleicht, sagt man: Ich erlaube mir selbst, Treibhausgase in die Atmosphäre auszustoßen, aber danach werde ich dies durch Umkehrmaßnahmen ausgleichen. Wenn man sowohl die Emissionen senken als auch CO2 binden muss, ist diese Denkweise aber nicht mehr logisch. +Und wenn wir über Umkehrmaßnahmen reden, sprechen wir von der Entfernung großer Mengen an Treibhausgasen, insbesondere von CO2. +Und um das tun zu können, brauchen wir einen Kohlenstoffpreis. +Wir brauchen einen signifikanten Preis, den wir für diese Dienstleistung zahlen, von der wir alle profitieren werden. +Bei dieser zweiten Hälfte des Klimaschutzproblems haben wir fast noch gar keinen Fortschritt gemacht. +Die meisten Menschen haben das noch nicht im Blick. +Und leider höre ich manchmal Menschen sagen: Ich habe die Hoffnung verloren, dass wir bei dieser Klimakrise noch etwas tun können. Und ich hatte auch meine schlaflosen Nächte, so viel steht fest. +Dennoch stehe ich heute hier als Botschafter für diese unscheinbaren Pflanzen, für Algen. +Sie haben meiner Meinung nach das Potenzial, den Klimawandel entscheidend zu bekämpfen und sind gleichzeitig ein wichtiger Bestandteil unserer Zukunft. +Die Wissenschaftler sagen uns nun, dass wir in den nächsten 80 Jahren bis zum Ende dieses Jahrhunderts die Treibhausgasemissionen um drei Prozent pro Jahr reduzieren und jedes Jahr drei Gigatonnen CO2 aus der Atmosphäre entfernen müssen. +Diese Zahlen sind so groß, dass sie uns erschlagen. +Aber was die Wissenschaftler sagen, müssen wir tun. +Ich zeige dieses Diagramm absolut ungern, aber ich muss es tun. Tut mir leid. +Es zeigt sehr galant die Geschichte meines persönlichen Versagens bei meinem Engagement gegen den Klimawandel und tatsächlich unser gemeinschaftliches Versagen bei der Bekämpfung des Klimawandels. +Hier zu sehen ist unsere Kurve zur Erderwärmung und den Treibhausgas-Konzentrationen. +Hier sind alle großen wissenschaftlichen Ankündigungen sichtbar, bei denen wir gesagt haben, wie viel Gefahr beim Klimawandel droht. +Das sind die politischen Treffen. +Nichts davon hat die Kurve verändert. +Und daher brauchen wir eine neue Denkweise, einen neuen Ansatz. +Wie stehen wir also zur Entfernung von Treibhausgasen in großem Umfang? +Es gibt dafür eigentlich nur zwei Möglichkeiten und ich habe mich sehr intensiv mit dem Drawdown beschäftigt. +Und ich greife hier vorweg -- Und ich würde sagen, am Ende riecht dieses Zeug wie Rosen. +Ja, wirklich. Das ist eine der besten Optionen, aber es gibt viele, viele Möglichkeiten. +Es gibt chemische Wege und biologische Wege. +Also zwei Möglichkeiten, hier die Arbeit zu erledigen. +Die biologischen Wege sind fantastisch, weil die Energiequelle für den Antrieb, die Sonne, kostenlos ist. +Wir nutzen die Sonne, um die Photosynthese in den Pflanzen anzustoßen, das CO2 aufzubrechen und den Kohlenstoff zu binden. +Es gibt auch chemische Wege. +Sie klingen ominös, sind aber tatsächlich überhaupt nicht schlecht. +Die Schwierigkeit, die damit verbunden ist, ist, dass wir für die Energie bezahlen müssen, die für den Vorgang oder zur Bereitstellung dieser Energie erforderlich ist. +Das direkte Binden in der Luft ist ein tolles Beispiel eines chemischen Weges. Und dieser wird derzeit eingesetzt, um das CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen und Biokraftstoffe oder Kunststoffe herzustellen. +Hier sind enorme Fortschritte erzielt worden. Es wird aber noch viele Jahrzehnte dauern, bis mit diesem chemischen Ansatz eine Gigatonne CO2 pro Jahr entfernt werden kann. +Die biologischen Ansätze bieten uns hier kurzfristig deutlich mehr Hoffnung, wie ich finde. Sie haben wahrscheinlich von Wiederaufforstung, dem Pflanzen von Bäumen, als eine Lösung für das Klimaproblem gehört. +Und die Frage muss erlaubt sein: Können wir uns aus diesem Problem durch das Pflanzen von Bäumen herausstehlen? +Ich bin dabei aus mehreren Gründen skeptisch. +Ein Grund ist der Umfang des Problems. +Alle Bäume beginnen als Samen, kleine Minidinge, und es dauert viele Jahrzehnte, bis sie ihr vollständiges Potenzial der Kohlenstoffbindung erreicht haben. +Und zweites, wenn man sich die Landfläche anschaut, sieht man, dass diese stark genutzt wird. +Wir bekommen unsere Nahrung davon, wir entnehmen Forstprodukte, führen Biodiversitäts- und Wasserschutzmaßnahmen und alles andere damit durch. +Zu erwarten, dass wir genug Platz finden werden, um dieses Problem zu lösen, wird meiner Meinung nach ziemlich problematisch. +Wenn wir aber Offshore blicken, sehen wir eine Lösung, bei der bereits eine Industrie vorhanden ist. Und das ist ein deutlicherer Weg nach vorn. +Die Ozeane bedecken etwa 70 Prozent unseres Planeten. +Sie spielen wirklich eine wichtige Rolle bei der Regulierung unseres Klimas. Und wenn wir das Algenwachstum darin erhöhen können, können wir diese nutzen, um eine klimaverändernde Pflanze zu entwickeln. +Es gibt sehr viele unterschiedliche Arten von Algen. Es gibt eine unglaubliche genetische Vielfalt an Algen und sie sind sehr alt: Sie gehören zu den ersten mehrzelligen Organismen, die sich jemals entwickelt haben. +Derzeit werden verschiedene Algenarten für unterschiedliche Zwecke verwendet, z. B. zur Entwicklung qualitativ hochwertiger pharmazeutischer Produkte. +Man kann Algen aber auch dazu verwenden, ein Algenbad zu nehmen, das soll sehr gut für die Haut sein. Ich habe das noch nicht getestet, aber das könnte man machen. +Skalierbarkeit ist ein großes Thema beim Algenanbau. +Wenn wir neun Prozent der Weltmeere mit Algenfarmen bedecken könnten, könnten wir das Äquivalent aller Treibhausgase entfernen, die wir in einem Jahr ausstoßen: mehr als 50 Gigatonnen. +Als ich das zuerst las, kam mir das fantastisch vor. Aber ich wollte dennoch nachrechnen, wie groß neun Prozent der Weltmeere ist. +Es kam heraus, dass dies ungefähr viereinhalb Mal Australien ist, der Ort, an dem ich lebe. +Und wie nah kommen wir da derzeit ran? +Wie viele Algenfarmen im Ozean haben wir tatsächlich zur Zeit? Null. Aber wir haben einige Prototypen und darin liegt etwas Hoffnung. +Die kleinen Mengen, die hier mit einer Algenfarm entfernt werden, die gerade angelegt wird, sagen etwas sehr Interessantes über Algen aus. +Man kann Algenwachstum an diesem Gestell beobachten, 25 Meter tief im Ozean. +Das weicht deutlich von dem ab, was man von Land kennt. +Der Grund ist, dass Algen nicht wie Bäume sind. Sie haben keine unproduktiven Teile wie Wurzeln, Stämme, Zweige und Rinde. +Im Prinzip ist die gesamte Pflanze photosynthetisch. Sie wächst also schnell. +Algen können einen Meter pro Tag wachsen. +Und wie können wir den Kohlenstoff binden? +Auch das unterscheidet sich wieder von Land. +Man muss einfach die Alge abschneiden und sie sinkt zum Meeresboden ab. Nach einem Kilometer ist der Kohlenstoff in dieser Alge für Jahrhunderte oder Jahrtausende effektiv aus dem atmosphärischen System entfernt worden. +Wenn man dagegen einen Wald pflanzt, muss man sich Gedanken über Waldbrände, Schädlinge usw. machen, die den Kohlenstoff wieder freisetzen. +Der Schlüssel dieser Farm ist aber dieses kleine Rohr, das in die Tiefe führt. +Mitten auf dem Meer gibt es praktisch eine riesige, biologische Wüste. +Es gibt dort keine Nährstoffe, die vor langer Zeit aufgebraucht wurden. +Aber nur 500 m tiefer gibt es kaltes, sehr nährstoffreiches Wasser. +Und mit ganz wenig sauberer, erneuerbarer Energie kann man dieses Wasser nach oben pumpen und die Nährstoffe nutzen, um die Algenpflanzen zu bewässern. +Ich sehe da wirklich sehr viele Vorteile. +Die biologische Wüste, mitten im Ozean, wird zu einer produktiven, vielleicht sogar lebensrettenden Lösung für unseren Planeten. +Was könnte schief gehen? +Nun, alles worüber wir auf dieser Stufe sprechen, umfasst einen Eingriff in den Planeten. +Und wir müssen sehr vorsichtig sein. +Ich denke, dass Berge von stinkenden Algen wahrscheinlich unser geringstes Problem sein werden. +Es wird andere unvorhergesehene Dinge geben, die passieren werden. +Eines der Dinge, die mir wirklich Sorgen bereiten, wenn ich darüber nachdenke, sind die Auswirkungen auf die Biodiversität in der Tiefsee. +Wenn wir Gigatonnen an Algen in der Tiefsee ansiedeln, beeinträchtigen wir das Leben dort unten. +Die gute Nachricht ist, dass wir wissen, dass eine große Menge Algen bereits in die Tiefsee gelangt ist, nach Stürmen oder durch unterseeische Schluchten. +Das ist also kein neuartiger Prozess. Wir sprechen hier über die Verbesserung eines natürlichen Vorgangs. +Und wir lernen immer wieder dazu. +Also es könnte sein, dass diese Algenfarmen in den Ozeanen mobil sein müssen, um die Algen großflächig über die Ozeane zu verteilen, anstatt einen großen, stinkenden Haufen an einem Ort zu bilden. +Es könnte sein, dass wir die Algen anbrennen müssen, um eine Art inaktiver, mineralischer Biokohle zu erzeugen, bevor wir sie in die Tiefe ablassen. +Das werden wir erst wissen, wenn wir den Prozess gestartet haben und wir werden dabei effektiv dazulernen. +Ich möchte Sie kurz mitnehmen zu einem modernen Algenanbau. +Das ist ein großes Geschäft - ein sechs-Milliarden-Dollar-Geschäft pro Jahr. +Diese Algenfarmen liegen vor Südkorea. Man kann sie aus dem Weltall sehen. Sie sind gewaltig. Und es gibt inzwischen noch mehr als nur Algenfarmen. +Die Menschen machen dort eine sogenannte Ozean-Permakultur. +Und in dieser Ozean-Permakultur züchtet man Fische, Schalentiere und Algen zusammen. +Der Grund, warum das so gut funktioniert, liegt darin, dass die Algen das Meerwasser weniger sauer machen. +Es entsteht eine ideale Umgebung für den Anbau von Meeresprotein. +Wenn wir neun Prozent der Weltmeere mit Ozean-Permakultur bedecken würden, würden wir ausreichend Protein in Form von Fisch und Schalentieren produzieren, sodass jede Person einer Weltbevölkerung von 10 Milliarden Menschen 200 Kilogramm qualitativ hochwertiges Protein pro Jahr erhalten würde. +Wir haben hier also eine Mehrfachlösung. +Wir können den Klimawandel bewältigen, den Welthunger bekämpfen, die Ozeane entsäuern. +Die Wirtschaftswissenschaft dahinter wird jedoch eine Herausforderung darstellen. +Wir werden sehr, sehr viele Milliarden Dollar in diese Lösungen investieren und es wird Jahrzehnte dauern, bis der Gigatonnen-Bereich erreicht sein wird. +Der Grund, warum ich davon überzeugt bin, dass dies passieren wird, ist folgender: Wenn wir das Gas nicht aus unserer Luft bekommen, wird dies zu negativen Folgen führen. +Es wird zu Überschwemmungen der Städte kommen, uns wird die Nahrungsgrundlage entzogen, es werden verschiedene Bürgerunruhen hervorgerufen werden. +Jeder mit einer Lösung für dieses Problem verfügt daher über ein wertvolles Gut. +Und während ich gerade spreche, ist die Ozean-Permakultur bereits auf gutem Weg, wirtschaftlich nachhaltig zu werden. +In den nächsten 30 Jahren müssen wir von einer kohlenstoffemittierenden Wirtschaft zu einer kohlenstoffabsorbierenden Wirtschaft übergehen. +Und das klingt gar nicht mal sehr lang. +Aber die Hälfte der Treibhausgase, die wir in die Atmosphäre freigesetzt haben, haben wir in den letzten 30 Jahren freigesetzt. +Mein Argument lautet: Wenn wir das Gas innerhalb von 30 Jahren freisetzen können, können wir es auch innerhalb von 30 Jahren herausnehmen. +Und wenn ihr Zweifel habt, wie viel innerhalb von 30 Jahren geschafft werden kann, geht gedanklich einfach ein Jahrhundert zurück und vergleicht das Jahr 1919 mit dem Jahr 1950. +Hier in Edinburgh sind 1919 vielleicht noch Doppeldecker aus Leinen und Holz zu sehen gewesen. +Dreißig Jahre später gibt es bereits Düsenflugzeuge. +1919 wurde der Transport auf der Straße mit Pferden vorgenommen. +1950 gab es dafür motorisierte Fahrzeuge. +1919 gab es Schwarzpulver. 1950 die Atomkraft. +Innerhalb kurzer Zeit können wir viel schaffen. +Aber es hängt davon ab, ob wir daran glauben, dass wir eine Lösung finden können. +Ich würde nun gern all die Menschen zusammenbringen, die in diesem Gebiet Experten sind. +Die Ingenieure, die wissen, wie man Konstruktionen offshore baut. Die Algenfarmer, die Geldgeber, die Regierungsregulierer, die Menschen, die verstehen, wie Dinge gemacht werden. +Und blicken wir nach vorn. Folgendes angenommen: Wie kommen wir von den vorhandenen sechs Milliarden Dollar pro Jahr der Inshore-Algenindustrie zu dieser neuen Branche, die so viel Potenzial hat, aber hohe Investitionsbeträge erfordern wird? +Wetten ist nichts für mich. +Aber hätte ich eines, dann würde ich mein Geld darauf setzen, ich würde es auf die Algen setzen. +Algen sind meine Helden. +Danke. + + +49002 +Löffel. +Pappkartons. +Elektrische Züge für Kleinkinder. +Feiertagsschmuck. +Hüpfburgen. +Decken. +Körbe. +Teppiche. +Tabletttische. +Smartphones. +Klaviere. +Roben. +Fotos. +Was haben all diese Dinge gemeinsam? Außer der Tatsache, dass ich diese Fotos alle in den letzten drei Monaten aufgenommen habe und daher das Urheberrecht daran besitze. +Das sind alles Erfindungen, die wir der Sprache zu verdanken haben. +Keine dieser Dinge würde es ohne Sprache geben. +Stellt euch vor, ihr würdet eines dieser Dinge erfinden oder ein gesamtes Gebäude wie dieses hier bauen, ohne dabei Sprache zu verwenden oder das Wissen zu nutzen, das durch die Verwendung von Sprachen entstanden ist. +Grundsätzlich ist Sprache die wichtigste Sache auf der gesamten Welt. +All unsere Zivilisationen bauen darauf auf. +Und all jene, die sich beruflich mit Sprache beschäftigen - damit wie Sprache entstanden ist, wie sich menschliche Sprachen unterscheiden, wie sie sich von tierischen Kommunikationssystemen unterscheiden - sind Linguisten. +Die formale Linguistik ist mehr oder weniger ein relativ neues Feld. +Und dabei werden enorm wichtige Aspekte erforscht. +Zum Beispiel wie menschliche Kommunikationssysteme sich maßgeblich von tierischen Kommunikationssystemen unterscheiden, dass alle Sprachen gleichermaßen expressiv sind, selbst wenn dies auf unterschiedliche Art und Weise erfolgt. +Und dennoch gibt es viele Leute, die es lieben, einfach so über Sprache los zu plappern, als ob sie ein gleichwertiges Verständnis davon hätten wie ein Linguist. Denn Sie sprechen ja schließlich eine Sprache. +Und wenn man eine Sprache spricht, hat man wie jeder andere das Recht, über ihre Funktion zu sprechen: +Stellt euch mal vor, Ihr würdet mit einem Chirurgen sprechen und zu ihm sagen: „Hör mal, +ich hab schon seit ungefähr 40 Jahren ein Herz. +Ich glaub, ich weiß ein bisschen was über Herzklappenersatz. +Ich denke, meine Meinung ist so viel Wert wie deine, „Und trotzdem passiert genau das. +Wie zum Beispiel Neil deGrasse Tyson darüber, dass er im Film „Arrival“ statt einer Linguistin einen Kryptographen engagiert hätte, um mit den Außerirdischen zu kommunizieren. Also jemanden, der eine Nachricht in einer Sprache, die er bereits kennt, entziffern kann. Denn was würde ein Linguist – wie würde das dabei helfen, mit jemandem zu sprechen, der eine Sprache spricht, die wir noch nicht einmal kennen? +Der Film „Arrival“ ist aber natürlich noch nicht aus dem Schneider. +Ich meine, echt jetzt...hör mal, Film. Außerirdische besuchen unseren Planeten mit ihren gigantischen Schiffen und sie wollen nichts, außer mit uns zu kommunizieren und ihr engagiert eine einzige Linguistin? +Ist die US-Regierung knapp bei Kasse oder was? +Viele dieser Dinge können Missverständnissen zugeschrieben werden, sowohl dazu, was Sprache ist und dazu, was die formale Untersuchung von Sprache, nämlich die Linguistik, beinhaltet. +Und ich denke, es gibt etwas, das vielen dieser Missverständnisse zugrunde liegt. Etwas, dass mit diesem entzückenden Artikel dazu, warum High School Schüler keine Fremdsprachen lernen sollten, aus der „Forbes“ zusammengefasst werden kann. +Ich werde ein paar Zitate daraus nennen und möchte, dass Ihr versucht herauszufinden, was manchen dieser Meinungen und Ideen zugrunde liegt. „Amerikaner lesen kaum die Klassiker, noch nicht mal in der Übersetzung.“ Also in anderen Worten, warum sollte man sich mit Fremdsprachen herumplagen, wenn sie die Klassiker dann sowieso nicht im Original lesen? +Was soll das? „Fremdsprachenlernen in der Schule ist, verglichen mit anderen Dingen, die man stattdessen in der Schule behandeln könnte, Zeitverschwendung.“ „In Europa sind viele Sprachgruppen auf relativ engem Raum zusammengedrängt.“ Also warum sollten Amerikaner eine andere Sprache lernen? +Das Ergebnis ist die Mühe nicht wirklich wert. +Das ist mein Lieblingszitat. „Ein Schüler aus Birmingham müsste ungefähr tausend Meilen bis zur mexikanischen Grenze reisen und selbst dann gäbe es dort genug Leute, die Englisch sprechen, um dort zurecht zu kommen.“ In anderen Worten, wenn man einfach mit Händen und Füßen sprechen kann und so ans Ziel kommt, ist es sowieso nutzlos, eine andere Sprache zu lernen. +Vielen dieser Einstellungen liegt die konzeptuelle Metapher zugrunde, dass es sich bei der Sprache um ein Werkzeug handelt. +Und diese Metapher enthält ein Körnchen Wahrheit. +Die Sprache ist insofern ein Werkzeug, als dass man mit Kenntnissen der Landessprache mehr erreichen kann als ohne. +Aber die Folgerung besteht darin, dass Sprache nur ein Werkzeug ist; und das ist komplett falsch. +Wäre Sprache ein Werkzeug, wäre sie ehrlich gesagt ein ziemlich schlechtes. +Und wir hätten sie schon lange zugunsten von etwas Besserem aufgegeben. +Nehmt irgendeinen Satz. +Hier ist ein Satz, den ich mit Sicherheit schon mal so gesagt habe: „Gestern habe ich Kyn getroffen.“ Ich hab einen Freund namens Kyn. +Und wenn ich jetzt diesen Satz „Gestern habe ich Kyn getroffen.“ sage, glaubt Ihr, dass wirklich alles, was mir dabei durch den Kopf geht, mithilfe dieses Satzes an euch übermittelt wird? +Wohl kaum, denn es ist einiges los. +Wenn ich zum Beispiel „gestern“ sage, denke ich vielleicht daran, wie das Wetter gestern war, da ich ja vor Ort war. +Und wenn ich mich so erinnere, fällt mir vielleicht ein, dass ich vergessen habe, etwas zu mailen. +Den Witz hab ich mir vorher ausgedacht, aber ich hab tatsächlich vergessen, etwas zu mailen. +Das heißt, dass ich das am Montag erledigen muss, weil ich dann wieder zu Hause bin. +Und wenn ich an Montag denke, dann denke ich natürlich an „Manic Monday“ von den Bangles. Das ist ein guter Song. Und wenn ich das Wort „getroffen“ sagen, denke ich an den Spruch: „Zwei Jäger treffen sich im Wald. Beide tot.“ Das geht mir immer so. +Ich denke immer daran, wenn ich das Wort „treffen“ höre oder sage, weil mein Großvater das immer gesagt hat und somit denke ich auch an meinen Großvater. +Und aus irgendeinem Grund sind wir wieder bei „Manic Monday“ +Und bei Kyn ist es so, wenn ich sowas sage wie „Gestern habe ich Kyn getroffen“, dann denke ich an die Umstände unter denen ich ihn getroffen habe. +Und das war zufällig dieser Tag. +Das ist er mit meiner Katze. +Und wenn ich an Kyn denke, denke ich natürlich daran, dass er gerade auf die California State University geht und dann erinnere ich mich daran, dass mein guter Freund John und meine Mutter beide auf der California State University ihren Abschluss gemacht haben, Meine Cousine Katie geht gerade auf die California State University. +Und wieder „Manic Monday“. +Aber das ist nur ein Teil dessen, was jedes Mal, wenn Sie sprechen, in Ihrem Kopf vorgeht. +Und alles, was wir haben, um das Chaos in unseren Köpfen auszudrücken, ist das. +Ich meine, das ist alles, was wir haben. +Wundert es da irgendjemanden, dass unser System so schlecht ist? +Stellt euch also vor, um eine Analogie zu geben, stellt euch vor, ihr wolltet wissen, wie es ist, Kuchen zu essen. Aber anstatt einfach Kuchen zu essen, müsstet ihr erst die Zutaten für einen Kuchen einzeln verdauen, zusammen mit dem Rezept dazu, wie diese Zutaten zu einem Kuchen kombiniert werden können. +Ihr müsstet auch das Rezept essen. +Wenn wir Kuchen auf diese Weise erfahren müssten, würden wir niemals Kuchen essen. +Und dennoch ist Sprache das einzige Mittel – das einzige Mittel, mit dem wir herausfinden können, was in unseren Köpfen vorgeht. +Das ist unser Seelenleben, das, was uns Menschen ausmacht und uns von anderen Lebewesen unterscheidet. All das steckt irgendwo in uns und unsere eigenen Sprachen sind alles, was wir haben, um dem Ausdruck zu verleihen. +Eine Sprache ist unser bestes Mittel um darzulegen, was in unserem Kopf vorgeht. +Stellt euch vor, ihr wollet eine große Frage, wie folgende, stellen: „Worin besteht das Wesen des menschlichen Denkens und Fühlens?“ Ihr würdet so viele verschiedene Sprachen wie nur möglich untersuchen wollen. +Eine reicht dafür einfach nicht. +Um ein Beispiel zu geben: Hier ist ein Foto von Klein-Roman, das ich mit einer 12-Megapixel-Kamera aufgenommen habe. +Hier haben wir das gleiche Bild mit viel weniger Pixeln. +Offensichtlich ist keines dieser Bilder eine echte Katze. +Aber das Eine gibt Ihnen eine viel bessere Vorstellung davon, was eine Katze ist, als das Andere, +Sprache ist nicht einfach nur ein Werkzeug. +Sie ist unser Erbe, unsere Art, unserer Menschlichkeit Ausdruck zu verleihen. +Und mit „unserem“ Erbe meine ich natürlich die gesamte Menschheit. +Und wenn nur eine Sprache verloren geht, wird das Bild schon viel undeutlicher. +Seit 10 Jahren erfinde ich beruflich und auch als Hobby, nur zum Spaß, Sprachen. +Diese bezeichnet man als „konstruierte Sprachen“ oder auch „Kunstsprachen“. Wenn man jetzt diese Fakten gegenüberstellt, dass wir auf unserem Planeten einerseits Sprachen verlieren und dass ich andererseits brandneue Sprachen erfinde, könnten Sie vielleicht denken, dass es zwischen diesen beiden eine tiefere Verbindung gibt. +Tatsächlich haben viele Leute diese Punkte verbunden. +Das ist ein Typ, der total außer sich war, weil es in James Camerons „Avatar“ eine Kunstsprache gibt. Er sagt: „Aber in den drei Jahren, die James Cameron gebraucht hat, um Avatar auf die Leinwand zu bringen, ist eine Sprache gestorben.“ Tatsächlich waren es wahrscheinlich wesentlich mehr. „Na'vi wird diese Lücke, die diese hinterlassen hat, nicht schließen...“ Eine wahrhaft fundierte und gelungene Aussage – wenn man gar nicht darüber nachdenkt. +Aber als ich hier auf der Cal war, hab ich zwei Hauptfächer abgeschlossen. +Eines davon war Linguistik, aber das andere war Englisch. +Und natürlich beschäftigt sich das Fach Englisch nicht mit dem Studium der englischen Sprache, sondern, wie wir wissen, mit der englischen Literatur. +Literatur ist einfach etwas Wunderbares, denn im Grunde ist Literatur im weiteren Sinne eine Art Kunst, sie fällt in den Bereich Kunst. +Und was wir mit der Literatur alles machen, Autoren erfinden ganz neue Wesen und Geschichten. +Und für uns ist interessant zu sehen, welche Tiefe, Emotion und einfach einzigartiges Temperament Autoren diesen fiktionalen Wesen verleihen können. +Das geht so weit, dass...Ich meine, schaut euch das an. +Es gibt ganze Bücherserien, die sich um fiktionale Charaktere drehen. +Also das ganze Buch handelt nur von einem fiktionalen, erfundenen menschlichen Wesen. +Es gibt ein ganzes Buch zu George F. Babbitt aus „Babbitt“ von Sinclair Lewis; und ich versichere Ihnen, das Buch ist länger als das kurze Buch „Babbitt“. +Erinnert sich überhaupt jemand daran? +Es ist ziemlich gut, ich finde es tatsächlich besser als „Main Street“. Aber das ist nur meine Meinung dazu. +Wir haben also die Tatsache, dass Literatur interessant ist, nie in Frage gestellt. +Aber trotzdem haben noch nicht mal Linguisten echtes Interesse daran, was uns erfundene Sprachen, rein als künstlerisches Unterfangen, zur Tiefe des menschlichen Geistes sagen können. +Ich werde euch ein schönes kleines Beispiel dazu nennen. +Vor einer Weile gab es einen Artikel über mich im Alumni-Magazin der California. +Und als sie dabei waren, diesen Artikel zu schreiben, wollten sie auch jemanden von der Gegenseite haben, was im Nachhinein eine merkwürdige Aktion ist. +Man erzählt einfach von einer Person und will dazu jemandem mit einem gegensätzlichen Standpunkt. +Im Grunde ist das nur Lobhudelei, aber was soll‘s. Sie haben jedenfalls einen der brillantesten Linguisten unserer Zeit, George Lakoff, der hier an der Berkeley als Linguist tätig ist, herangezogen. +Seine Arbeit hat die Bereiche Linguistik und Kognitionswissenschaft im Grunde für immer verändert. +Und als er zu meiner Arbeit und zur Sprachschöpfung im Allgemeinen befragt wurde, sagte er: „Aber in der Sprachwissenschaft gibt es so viel zu tun. +Sie sollten Ihre Zeit etwas Realem widmen. „Aha.“ Etwas Reales. „Erinnert euch das an etwas? +Um genau den Rahmen zu verwenden, den er selbst geschaffen hat, möchte ich noch mal auf diese konzeptuelle Metapher zurückkommen: Sprache ist ein Werkzeug. +Und anscheinend arbeitet er unter dieser konzeptuellen Metapher; d. h. Sprache ist dann nützlich, wenn sie zur Kommunikation verwendet werden kann. +Sprache ist nutzlos, wenn sie nicht zur Kommunikation verwendet werden kann. +Ihr fragt euch jetzt vielleicht: Was machen wir mit toten Sprachen? Aber wie auch immer. +Vor dem Hintergrund dieses Gedankens scheint es vielleicht wie der Gipfel der Absurdität, dass einen Duolingo-Kurs für die Hochvalyrisch gibt, das ich für HBOs „Game of Thrones“ entwickelt habe. Ihr fragt euch jetzt vielleicht, was lernen diese 740 000 Menschen genau? +Schauen wir uns das mal an. Was lernen sie? +Was könnten sie schon lernen? +Wenn man bedenkt, dass die andere Sprache dafür – der Kurs ist für Leute, die Englisch sprechen – können Leute mit Muttersprache Englisch eine ganze Menge lernen. +Hier ist ein Satz, den sie möglicherweise in ihrem ganzen Leben nicht zur Kommunikation verwenden werden: „Vala ābre urnes.“ „Der Mann sieht die Frau.“ Die mittlere Zeile ist die Glossierung, also die Übersetzung Wort für Wort. +Und tatsächlich lernen sie einige faszinierende Dinge, besonders, wenn Englisch ihre Muttersprache ist. +Sie lernen, dass ein Verb ganz am Satzende stehen kann. +Bei zwei Argumenten kommt das im Englischen nicht wirklich vor. +Sie lernen, dass manche Sprachen keine Entsprechung für die Wörter „der, die, das“ hat und diese vollständig fehlen. +Das ist etwas, das Sprache kann. +Sie lernen, das lange Vokale tatsächlich eine längere Dauer haben können, statt einer unterschiedlichen Qualität, wie das bei englischen langen Vokalen der Fall ist, die tatsächlich die gleiche Länge haben. +Sie lernen, dass es diese kleinen Flexionen gibt. Mmh? Mmh? Bei Substantiven gibt diese als „Fälle“ bezeichneten Flexionsendungen, +die in einem Satz ausdrücken, wer mit wem etwas macht. +Selbst wenn man die Wortreihenfolge gleich lässt, aber die Endungen austauscht, ändert sich dadurch, wer etwas mit wem macht. +Sie lernen also, dass Sprachen die gleichen Dinge auf unterschiedliche Weise tun. +Und dass es Spaß machen kann, Sprachen zu lernen. +Sie lernen Respekt vor der Sprache: SPRACHE in Großbuchstaben. +Und angesichts der Tatsache, dass 88 Prozent der Amerikaner zu Hause ausschließlich Englisch sprechen, ist das meiner Meinung nach nicht unbedingt etwas Schlechtes. +Wisst ihr warum Sprachen auf unserem Planeten sterben? +Es liegt nicht daran, dass eine Regierung einer kleineren Gruppe eine Sprache aufzwingt oder eine ganze Sprechergruppe ausgelöscht wird. +Das ist natürlich in der Vergangenheit so passiert, und es passiert auch heute, aber das ist nicht die Hauptursache. +Die Hauptursache besteht darin, dass Kinder in Familien geboren werden, die eine nicht Sprache sprechen, die innerhalb ihrer Gemeinschaft nicht weit verbreitet ist und die Kinder diese nicht lernen. Warum? Weil diese Sprache in ihrer Gemeinschaft nicht wertgeschätzt wird. +Weil die Sprache nicht nützlich ist. +Weil die Kinder keinen Job kriegen, wenn sie diese Sprache sprechen. +Denn wenn Sprache nur ein Werkzeug ist, dann ist das Erlernen ihrer Muttersprache ungefähr so nützlich wie Hochvalyrisch zu lernen. Also wozu das Ganze? +Also... Vielleicht führt das Sprachstudium nicht unbedingt zu besseren Sprachkenntnissen. +Aber vielleicht geht es gar nicht so sehr darum. +Wenn mehr Leute mehr Sprachen lernen, führt das vielleicht zu mehr linguistischer Toleranz und weniger linguistischem Imperialismus. +Wenn wir Sprache tatsächlich als das respektieren, was sie ist, nämlich die größte Erfindung der Menschheitsgeschichte, können wir in Zukunft bedrohte Sprachen vielleicht als lebende Sprachen, statt als Museumsstücke, feiern. +(Hochvalyrisch) Kirimvose. Danke. + + +49732 +Chris Anderson: Du sind also seit ein paar Jahren von diesem Problem wie besessen. +Worin besteht, in deinen Worten, das Problem? +Andrew Forrest: Plastik. Ganz einfach. Wir können es nicht verwenden, weil es mit so ein enormer Energieaufwand einhergeht und es dann einfach wegschmeißen. +CA: Also sehen wir überall Müll. +Im Extremfall sieht das dann ungefähr so aus. +Ich meine, wo wurde das Bild gemacht? +AF: Das ist auf den Philippinen und wissen Sie, meine Damen und Herren, es gibt dort eine Menge Flüsse, die genauso aussehen. +Und das ist auf den Philippinen. +Es ist also in ganz Südostasien so. +CA: Plastik wird also in die Flüsse geschmissen und landet von dort, natürlich, im Ozean. +Ich meine, wir sehen es natürlich am Strand, aber das ist noch nicht einmal unser Hauptproblem. Sondern das, das damit eigentlich in den Meeren passiert. Erzähl. +AF: OK, also. +Danke, Chris. Vor ungefähr vier Jahren habe ich gedacht, ich mach etwas total Beklopptes und hab mich dazu entschlossen, den Doktor in Meeresökologie zu machen. +Natürlich habe ich dabei viel über das Leben im Meer gelernt, aber der erschreckende Teil war, dass ich mehr über den Tod im Meer gelernt habe und das extreme Massensterben von Fischen, von Meereslebewesen, von Meeressäugern, die uns biologisch sehr nahe stehen, die zu Millionen, wenn nicht Billionen, in unzählbarer Menge durch Plastik sterben. +CA: Aber die Leute finden Plastik hässlich, aber stabil. Oder? Man wirft etwas ins Meer mit dem Gedanken: „Hey, es wird da einfach für immer rumliegen. +Kann niemandem schaden, oder?“ +AF: Weißt du, Chris, es ist ein unglaubliches Material, das für die Wirtschaft entwickelt wurde. +Für die Umwelt ist es das schlimmstmögliche Material. +Das Schlimmste an Plastik, sobald es in die Umwelt gelangt, ist, dass es zersplittert. +Es hört nie auf, Plastik zu sein. +Es zerbricht in immer kleinere und kleinere Teile und die bahnbrechende Erkenntnis, die uns aus der Meeresökologie schon seit ein paar Jahren bekannt ist, ist, dass es auch die Menschheit treffen wird. +Wir wissen mittlerweile, dass Nanoplastik, die ganz winzigen Plastikpartikel mit ihrer negativen Ladung direkt durch unsere Hautporen eindringen können. +Das sind noch nicht die schlechten Neuigkeiten. +Die schlechten Neuigkeiten sind, dass sie die Blut-Hirn-Schranke, die Schutzschicht, die das Hirn schützen soll, direkt passieren. +Unser Gehirn ist ein bisschen amorph, eine nasse Masse voller kleiner elektrischer Ladungen. +Wenn man dieser einen negativen Partikel hinzufügt, insbesondere einen, dem Pathogene anhaften können, sodass eine negative Ladung vorliegt, werden dadurch positiv geladene Elemente wie Pathogene, Toxine, Quecksilber, Blei angezogen. +Das ist die bahnbrechende Erkenntnis, von der wir in den nächsten 12 Monaten hören werden. +CA: Ich glaube, du hast mir bereits erzählt, dass es für jeden Fisch im Ozean ungefähr 600 Plastiktüten der gleichen Größe gibt oder so ähnlich. +Und die werden zerkleinert und es wird noch mehr von ihnen geben und wir haben noch keine Ahnung von den Konsequenzen. +AF: Nein, das haben wir wirklich nicht. Die Ellen MacArthur Foundation, das ist ein Team aus fähigen Wissenschaftlern, mit dem wir seit einer Weile zusammenarbeiten. Ich habe ihre Arbeit komplett bestätigt. +Sie sagen, Chris, dass nicht bis 2050 – und ich werde wirklich ungeduldig mit Leuten, die von 2050 sprechen – sondern bis 2025 auf drei Tonnen Fisch eine Tonne Plastik kommen wird. +Das steht uns unmittelbar bevor. +Das ist nur das Hier und Jetzt. +Man braucht keine Tonne Plastik, um das Leben im Meer vollständig auszulöschen. +Weniger reicht dafür völlig aus. +Wir müssen das also sofort beenden. +Uns bleibt keine Zeit. +CA: Ok, du hast also eine Idee, wie man das beenden kann und zwar nicht aus der Sicht eines typischen Umweltaktivisten, sondern eher als Geschäftsmann, als Unternehmer, der in seinem Leben – du hast schon dein ganzes Leben über globale Wirtschaftssysteme nachgedacht und darüber, wie sie funktionieren. +Und wenn ich dich richtig verstehe, hängt deine Idee von Helden ab, die in etwa so aussehen. Was ist ihr Beruf? +AF: Sie ist Lumpensammlerin und bevor China aufhörte, jedermanns Müll anzunehmen, gab es 15 bis 20 Millionen Lumpensammler wie sie. +Und der eh schon lächerlich niedrige Preis für Plastik brach komplett ein. +Das führte dazu, dass es Menschen wie sie gibt, die, also – Sie ist ein Kind. Ein Schulkind. +Sie sollte in der Schule sein. +Also das grenzt möglicherweise schon an Sklaverei. +Meine Tochter Grace und ich haben viele hundert Menschen wie sie getroffen. +CA: Und es gibt natürlich auch viele Erwachsene, weltweit buchstäblich Millionen, und in manchen Branchen sind sie tatsächlich dafür verantwortlich, dass wir zum Beispiel kaum Metallabfälle zu Gesicht kriegen. +AF: Stimmt genau. +Tatsächlich ist dieses kleine Mädchen eine Umweltheldin. +Sie steht in Konkurrenz zu einer riesengroßen petrochemischen Anlage direkt die Straße runter, der dreieinhalb Milliarden Dollar schweren petrochemischen Anlage. +Da liegt das Problem. +Wir haben mehr Öl und Gas in Plastik und Deponien als in den gesamten Öl- und Gasressourcen der Vereinigten Staaten. +Sie ist also die Helden. +Und so, meine Damen und Herren, sieht die Deponie aus und das ist festes Öl und Gas. +CA: Es liegt dort also möglicherweise ein riesiges Kapital verborgen, mit dem die Lumpensammler der Welt, wenn sie denn könnten, ihren Lebensunterhalt bestreiten würden. +AF: Wir haben uns nämlich den Preis für Plastik aus fossilen Brennstoffen eingeprägt, der nur knapp unter dem liegt, was für das wirtschaftliche und profitable Recycling von Plastik aus Plastik nötig ist. +Weißt du, Plastikteile sind im Grunde Blöcke aus Öl und Gas. +Plastik besteht zu 100 Prozent aus Polymer, das wiederum zu 100 Prozent aus Öl und Gas besteht. +Und weißt du, es gibt weltweit genug Plastik, um all unsere Bedürfnisse zu erfüllen. +Und wenn wir Plastik recyceln, wenn wir es nicht so recyceln können, dass es unter dem Preis für Plastik aus fossilen Brennstoffen liegt, dann hält die Welt natürlich an Plastik aus fossilen Brennstoffen fest. +CA: Das ist also das grundlegende Problem: Plastik zu recyceln ist normalerweise teurer als einfach neues Plastik aus mehr Öl herzustellen. +Das ist das grundlegende Problem. +AF: Es gibt hier eine kleine Regeländerung, Chris. +Ich komme aus dem Bereich Rohstoffe. +Ich verstehe, dass besonders in den Entwicklungsländern Schrott, Alteisen und Kupfer überall in den Dörfern herumlag. +Und die Leute haben festgestellt, dass die Sachen wertvoll sind. Das es sich tatsächlich um Wertgegenstände handelt, nicht um Abfall. +Jetzt sind die Dörfer, Städte und Straßen sauber, man stolpert jetzt nicht mehr über Kupferschrott oder Alteisen, weil es ein Wertgegenstand ist. Es wird recycelt. +CA: Wie sieht also deine Idee aus, um das für Plastik zu ändern? +AF: Also Chris, für den Großteil der Doktorarbeit habe ich Forschung betrieben. +Und das Gute daran, wenn man ein Geschäftsmann ist, der das ganz gut gemacht hat, ist, dass die Leute einen treffen wollen. +Andere Geschäftsleute werden, auch wenn man dann ein bisschen so eine Art Exot ist, den sie sich gerne ansehen wollen, sagen. „Ja, ok, treffen wir uns mit Twiggy Forrest.“ Und sobald man dann da ist, kann man sie befragen. +Ich habe die meisten Öl- und Gasunternehmen und Firmen für schnelllebige Konsumgüter auf der Welt besucht und es ist wirklich der Wille da, etwas zu verändern. +Ich meine, es gibt ein paar Dinosaurier, die das Beste hoffen und nichts tun werden, aber es ist wirklich der Wille da, etwas zu verändern. +Was ich dort besprochen haben, ist, dass die siebeneinhalb Milliarden Menschen auf der Welt es nicht wirklich verdient haben, dass ihre Umwelt von Plastik überflutet wird, dass Plastik die Meeresfauna verarmt oder ganz vernichtet. +Man verfolgt also diese Kette und es gibt zehntausende von Marken, denen wir massenhaft Produkte abkaufen, aber es gibt nur einhundert größere Harzhersteller, große petrochemische Anlagen, die das ganze Einwegplastik auswerfen. +CA: Direkt an der Basis dieser Nahrungskette befinden sich also einhundert Firmen. +AF: Ja. +CA: Und was müssen diese einhundert Firmen deiner Meinung nach tun? +AF: Ok, sie müssen also einfach den Wert der Bausteine für Plastik aus Öl und Gas, das ich „schlechtes Plastik“ nenne, anheben, sodass wir als Verbraucher bis dies über die Marken bei uns ankommt kaum eine Teuerung bei unserem Kaffeebecher oder unserer Cola oder Pepsi oder sonst was, bemerken. +CA: Von wieviel reden wir? So ein Cent mehr? +AF: Weniger. Ein Viertelcent, ein halber Cent. +Es ist absolut minimal. +Aber es macht jedes Bisschen Plastik auf der Welt zu einem Wertgegenstand. +Wo der Abfall am schlimmsten ist, also in Südostasien, Indien, da ist der Reichtum am größten. +CA: OK, man muss das also von zwei Seiten betrachten. +Einerseits müssen sie mehr Geld verlangen, aber dann mit diesem Überschuss auch was finanzieren. Aber was? +Einen Fonds, mit dem das Problem angegangen wird? Welches Problem genau? +Wofür sollte das Geld ausgegeben werden, dass extra berechnet wurde? +AF: Wenn ich mit richtig großen Unternehmen spreche, sage ich „Ihr müsst euch ändern, und zwar ganz schnell.“ Die Langeweile steht ihnen ins Gesicht geschrieben, bis ich sage „Und damit richtig Geld verdienen.“ „OK, jetzt höre ich dir zu, Andrew.“ Also erkläre ich: „Du musst zu einem Übergangsfonds Umwelt und Industrie beitragen. +Im Verlauf von zwei, drei Jahren kann die gesamte weltweite Kunststoffbranche ihre Grundbausteine statt aus fossilen Brennstoffen aus Kunststoff beziehen. Die Technologie ist da. +Das ist erwiesen. „Ich habe zwei Multimilliarden-Unternehmen aus dem Boden gestampft, weil ich erkannt habe, dass die Technologie skaliert werden kann. +Ich sehe dutzende Technologien aus Kunststoff für alle Arten von Kunststoff. +Sobald diese Technologien rentabel sind, erhält die Weltöffentlichkeit ihren Kunststoff daher, aus vorhandenem Kunststoff. +CA: Also trägt auch der Verkauf von neuem Kunststoff zu einem Fonds bei, der quasi zum Übergang der Branche beiträgt und von dem Reinigungen und andere Dinge finanziert werden. +AF: Genau. Genau. +CA: Außerdem entsteht so ein Markt. Das ist ein unglaublicher Nebeneffekt, der vielleicht sogar der Hauptvorteil ist. +Plötzlich wird Kunststoffrecycling zu einem riesigen Business, mit dem für Millionen von Menschen ihren Lebensunterhalt verdienen können, weil sie den Rohstoff sammeln. +AF: Ja, genau. +Eigentlich haben wir jetzt nur Kunststoff aus fossilen Brennstoffen zu einem Wert und recycelten Kunststoff zu diesem Wert. Dann ändert man das, sodass recycelter Kunststoff preiswerter ist. +Am besten gefällt mir dabei, dass wir momentan 300, 350 Millionen Tonnen Kunststoff verschwenden. +Wenn wir Öl- und Gasunternehmen mit einberechnen sind wir bald bei 500 Millionen Tonnen. +Das Problem wird immer größer. +Aber jede Tonne besteht aus Polymer. +Eine Tonne Polymer kostet 1.000, 1.500 Dollar. +Das sind eine halbe Trillionen Dollar, mit denen Geld verdient werden könnte, mit denen weltweit Jobs, Chancen und Reichtum generiert werden könnten, aber besonders in den ärmsten Ländern. +Und wir werfen das einfach weg. +CA: Große Unternehmen könnten also quasi weltweit in Recyclingunternehmen investieren... +AF: Genau, weltweit. Denn die Technologie ist nicht kapitalintensiv, sie kann auf Müllkippen, im Keller großer Hotels, in Mülllagern, überall eingesetzt werden, um Müll in Harz. +CA: Du bist ein Philanthrop und bereit, einen Teil deines eigenen Reichtums diesem Projekt zu widmen. +Welche Rolle spielt Philanthropie in diesem Projekt? +AF: Ich glaube, wir müssen 40 bis 50 Millionen US-Dollar investieren, um es in Gang zu bringen. Danach brauchen wir absolute Transparenz, damit jeder genau sehen kann, was passiert. +Angefangen bei den Harzerzeugern über die Marken bis hin zu den Verbrauchern, jeder kann jedem in die Karten schauen, wer schützt die Umwelt, wem ist es egal. +Das kostet ungefähr eine Millionen Dollar pro Woche, wir unterschreiben das für fünf Jahre. +Der Gesamtbeitrag liegt bei ungefähr 300 Millionen US-Dollar. +CA: Wow. Also - +Du hast mit anderen Unternehmen wie den Coca-Colas dieser Welt gesprochen, die sich beteiligen möchten, die einen höheren Preis zahlen werden, solang die Sache fair bleib. +AF: Ja, das ist fair. +Also möchte Coca-Cola nicht, dass Pepsi mitspielt, es sei denn, dass die ganze Welt weiß, dass Pepsi nicht mitspielt. +Dann ist es ihnen egal. +Ist das dann also Markttransparenz: Wenn jemand versucht, das System auszunutzen, kann der Markt das sehen, die Verbraucher sehen es. +Die Verbraucher möchten auch eine Rolle spielen. +Alle 7,5 Milliarden von uns. +Wir wollen nicht, dass hundert Unternehmen unsere Umwelt zerstören. +CA: Nachdem du erklärt hast, was Unternehmen machen können und zu welchem Beitrag du bereit bist, +was können die Zuhörer tun? +AF: OK, jeder einzelne von uns sollte auf die Webseite namens „noplasticwaste.org“ gehen. Sie können hunderte von Harzerzeugern in ihrer Region kontaktieren. +Sie können mindestens einen per E-Mail, Twitter oder Telefon kontaktieren und ihnen sagen, dass sie einen Beitrag zu einem Fonds leisten sollen, den die Branche oder die Weltbank verwaltet. +So werden zehntausende Dollar pro Jahr gesammelt, mit denen die Branche dazu übergehen kann, ihren Kunststoff aus Kunststoff und nicht aus fossilen Brennstoffen zu gewinnen. +Das ist unnötig. Das ist schlecht. Das hier ist gut. Und wir säubern die Umwelt. +Das Kapital reicht aus, wir haben zehntausende von Dollar, Chris, mit denen wir jährlich die Umwelt säubern können. +CA: Du bist in der Recycling-Branche. +Siehst du hier eher Interessenskonflikt oder eher eine riesige Geschäftschance für dich? +AF: Ja, ich bin im Eisenerzgeschäft und im Wettbewerb mit der Schrottbranche. Deswegen liegt nirgends Schrott rum, über den du stolperst und an dem du dich schneidest. Er wird gesammelt. +CA: Aber das ist nicht dein Ausrede dafür, ins Kunststoffrecycling einzusteigen. +AF: Nein, ich feuere diesen Boom an. +Das wird das Internet des Kunststoffabfalls. +Diese Boombranche verbreitet sich über die ganze Welt, insbesondere dort, wo die Armut am schlimmsten ist, denn dort gibt es am meisten Müll. Und das ist die Ressource. +Ich stehe an der Seitenlinie und jubele. +CA: Twiggy, in unserem Zeitalter sehnen sich viele Menschen weltweit nach einer neuen, regenerativen Wirtschaft, um diese riesigen Lieferketten, diese enormen Branchen fundamental zu transformieren. +Das ist eine riesige Idee und Sie brauchen viele Menschen, die mit jubeln, um sie in die Realität umzusetzen. + + +50638 +Malaria ist auch heute noch einer der größten Killer auf unserem Planeten. +Trotz der beträchtlichen Fortschritte der letzten 20 Jahre ist noch die Hälfte der Weltbevölkerung dem Risiko ausgesetzt. +Tatsächlich stirbt alle zwei Minuten ein Kind unter zwei Jahren an Malaria. +Unser Fortschritt ist zweifellos stecken geblieben. +Der Kampf gegen Malaria bringt viele Herausforderungen mit sich. Eines der Probleme ist jedoch, die mit Malaria infizierten Menschen zu finden. +Einige Menschen sind beispielsweise teilweise immun. Sie können jedoch immer noch an der Infektion erkranken, ansteckend sein und sie weitergeben, ohne Symptome zu entwickeln. Das ist ein riesiges Problem, denn wie finden wir diese Menschen? +Das ist wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. +Daran arbeiten die Wissenschaftler seit Jahren. Ich möchte aber heute mit dir darüber sprechen, dass die Lösung zu diesem Problem möglicherweise all die Zeit direkt vor unserer Nase war. +Das war kein einfacher Start, viele wichtige Zahlen. Entspannen wir also etwas, dann kann auch ich etwas entspannen. +Atmen wir also alle einmal ein... Wow. Und seufz, woha, das haut einen um. +OK, nochmal. Aber dieses Mal nur durch die Nase, und fühlt dabei richtig eure Umwelt. +Du sollst den Menschen neben dir richtig riechen. +Auch wenn du die Person nicht kennst, das ist mir egal. +Lehnt euch rüber, so richtig in die Achsel des anderen, jetzt seid nicht so. Nase in die Achsel, ordentlich schnuppern und was riecht ihr? +Jeder von uns hat eine andere sensorische Erfahrung gemacht. +Einige waren sicher recht angenehm, vielleicht ein schönes Parfum. +Andere haben wahrscheinlich etwas weniger angenehmes gerochen, vielleicht den Mundgeruch oder den Schweiß des anderen. +Vielleicht hast du auch deinen eigenen Schweiß gerochen. +Aber es gibt einen guten Grund dafür, dass einige von uns bestimmte Körpergerüche nicht mögen. +Im Laufe der Zeit gab es zahlreiche Beispiele für Krankheiten, die mit einem Geruch verknüpft sind. +Typhus riecht angeblich etwas nach frischem Brot. Das ist ganz nett, aber gleich nicht mehr. +TB riecht nach schalem Bier und Gelbfieber wie eine Fleischerei, nach rohem Fleisch. +Und wenn man sich anschaut, mit welchen Worten diese Krankheiten beschrieben werden, liest man häufig „faulig“, „verwesend“, „übelriechend“ oder „beißend“. Kein Wunder also, dass Körpergeruch einen so schlechten Ruf hat. +Wenn ich zu dir sage „Du riechst“, nimmst du das nicht gerade als Kompliment, oder? +Aber du riechst. +Das hast du gerade festgestellt. Du riechst nach etwas. Das ist ein wissenschaftlicher Fakt. +Und den möchte ich umkehren. Wie wäre es, wenn Geruch etwas positives, nützliches wäre? +Wie wäre es, wenn wir die Chemikalien, die unser Körper bei einer Erkrankung abgibt, riechen und damit Menschen diagnostizieren könnten? +Jetzt bräuchten wir gute Sensoren dafür. Die besten Sensoren der Welt existieren bereits, sie heißen Tiere. +Tiere sind für das Riechen geschaffen. Sie verlassen sich in ihrem Leben auf ihre Nasen. +Sie fühlen die Umwelt, die ihnen wichtige Informationen darüber gibt, wie sie am Leben bleiben. +Stell dir vor, du bist eine Mücke und gerade von draußen in diesen Raum geflogen. +Du kommst jetzt in eine sehr komplexe Welt. +Du wirst von allen Seiten mit Gerüchen bombardiert. Eben haben wir gelernt, dass wir echt stinkige Biester sind. +Jeder von uns produziert andere flüchtige Chemikalien. +Und nicht nur eine Chemikalie, Körpergeruch besteht aus vielen davon. +Aber nicht nur du riechst, auch dein Stuhl, der Teppich, der Teppichkleber, die Wandfarbe, die Bäume draußen, alles. +Alles um dich herum produziert einen Geruch und durch diese extrem komplexe Welt muss die Mücke fliegen, um dich darin zu finden. +Und wir alles wissen das, alle mal melden, wer wird immer gestochen? +Und wer wird nie gestochen? +Es gibt immer eins, zwei nervige Leute, die nie gestochen werden. +Aber die Mücke hat echt Schwierigkeiten, dich zu finden. Und das alles hat mit deinem Geruch zu tun. +Menschen, die nicht gestochen werden, riechen abstoßend, und wir wissen... +Also abstoßend für Mücken, meine ich. +Und wir wissen, dass das durch unsere Gene gesteuert wird. +Aber Mücken können das, weil sie einen extrem entwickelten Geruchssinn haben. Sie können durch diese Art Geruchs-Schlamm trotzdem zu dir finden und dich beißen. +Aber was wäre, wenn eine davon Malaria hätte? +Schauen wir uns schnell mal den Lebenszyklus von Malaria an. +Der ist recht komplex, aber einfach gesagt muss die Mücke jemanden stechen, damit sie sich ansteckt. +Hat sie eine infizierte Person gestochen, gelangt der Parasit vom Mundbereich in den Verdauungstrakt und durchbricht diesen. Es entstehen Zysten und die Parasiten vermehren sich. Dann gelangen sie vom Verdauungstrakt in die Speicheldrüsen, wo sie beim nächsten Biss in einen weiteren Menschen injiziert werden, denn die Mücke injiziert mit jedem Biss Speichel. +Im Menschen durchläuft es dann einen ganz anderen Zyklus. Dort durchläuft es die Leber, verändert seine Form und geht dann wieder in den Blutkreislauf. Danach ist die Person dann anstecken. +Jetzt wissen wir über Parasiten, dass sie ihren Wirt sehr gut manipulieren können, um die eigene Übertragung zu verbessern. So stellen sie sicher, dass sie weitergegeben werden. +Wenn das im Malaria-System passiert, wäre es einleuchtend, wenn der Geruch manipuliert werden würde, denn darauf kommt es an. +Geruch ist das Bindeglied zwischen uns und den Mücken. +So finden sie uns. +Das ist die sogenannte Malaria-Manipulationshypothese, daran arbeiten wir seit Jahren. +Als erstes wollten wir in unserer Studie also herausfinden, ob eine Malariainfektion Mücken anzieht oder nicht. +Also haben wir gemeinsam mit Kollegen in Kenia ein Experiment entwickelt, bei dem die Patienten, Kinder in Kenia, in Zelten geschlafen haben. +Der Geruch aus dem Zelt wurde in eine Kammer mit Mücken geblasen, die entsprechend reagierten. +Je nachdem, ob sie den Geruch anziehend fanden oder nicht, sind die Mücken darauf zu oder davon weg geflogen. +Einige Patienten waren an Malaria infiziert, andere nicht. Jedoch wies keines der Kinder Symptome auf. +Die Ergebnisse waren extrem eindrucksvoll. +Mit Malaria infizierte Menschen haben die Mücken deutlich stärker angezogen als die ohne Infektion. +Ich erkläre die Grafik. Wir haben „Anzahl der Mücken, die das Kind anzieht“ und wir haben zwei Datensätze: vor und nach der Behandlung. +Der Balken ganz links steht für eine Gruppe, die nicht infiziert war. Weiter rechts ist eine infizierte Gruppe und ganz recht eine infektiöse. +Und genau dann, wenn die Menschen infektiös werden, werden sie auch deutlich attraktiver. +In dieser Studie haben die Kinder natürlich gegen die Parasiten behandelt. Danach wurden sie erneut getestet und wir fanden heraus, dass sie nach dem Abklingen der Infektion nicht mehr so extrem attraktiv wirkten wie vorher. +Die Menschen waren also nicht nur attraktiver, der Parasit hat seinen Wirt irgendwie manipuliert, um ihn für Mücken attraktiver zu machen, damit der Wirt noch mehr Mücken anzieht und der Parasit so seinen Lebenszyklus fortsetzen kann. +Als nächstes wollten wir herausfinden, was die Mücke eigentlich riecht. +Was hat sie gefunden? +Dazu haben wir den Körpergeruch der Teilnehmer gesammelt. Dazu haben wir Tüten um ihre Füße gewickelt, damit wir die flüchtigen Gerüche ihrer Füße sammeln konnten. Und Füße sind für Mücken echt wichtig. +Sie lieben den Geruch von Füßen, ganz besonders den von Käsefüßen. Hat da hinten jemand Käsefüße? +Mücken fahren da voll drauf ab. +Wir haben uns also auf Füße konzentriert und den Körpergeruch gesammelt. +Wenn es um Mücken und Riechwahrnehmung geht, das ist sehr komplex. +Es wäre echt schön, wenn sie einfach eine Chemikalie riechen würden. Aber so einfach ist das nicht. +Sie müssen verschiedene Chemikalien in der richtigen Konzentration riechen, in den richtigen Verhältnissen, die richtige Kombination aus Chemikalien. +Man kann sich das wie ein Musikstück vorstellen. +Wenn man eine falsche Note spielt, oder zu laut oder zu leiste spielt, klingt es nicht richtig. +Oder ein Rezept: Wenn man eine falsche Zutat verwendet, oder das Gericht zu kurz oder zu lang kocht, schmeckt es komisch. Genauso ist es auch bei Geruch. Er besteht aus einer ganz bestimmten Kombination von Chemikalien. +Unsere Geräte im Labor sind leider nicht besonders gut darin, diese Art von Signal aufzunehmen, es ist recht komplex. +Aber Tiere können das und in meinem Labor verbinden wir die Antennen einer Mücke mit Mikroelektroden. +Stell dir die Kleinarbeit vor! +Aber wir verbinden außerdem einzelne Zelle innerhalb der Antennen, das ist unglaublich. Dabei darfst du echt nicht einmal ans Niesen denken! +Aber so können wir die elektrische Reaktion der Geruchsrezeptoren in den Antennen messen. Dann wissen wir, was die Mücke riecht. +Das sieht dann so hier aus. Hier ist eine Insektenzelle. Die reagiert innerhalb einer Sekunde, wenn ich auf diese Taste drücke, dann kannst du die Reaktion sehen. +Wenn ein Geruch über die Zelle weht, dreht sie kurz durch, prustet quasi mal, und kehrt dann zum Ruhepotential zurück, wenn wir den Geruch anhalten. +(schnelles Knattern) +(Knattern mit tiefer Frequenz) +OK, das war‘s. Jetzt könnt ihr alle Heim gehen und erzählten, dass ihr gesehen habt, wie ein Insekt riecht. Und sogar gehört habt, wie ein Insekt riecht. Verrücktes Konzept, oder? Aber das funktioniert echt gut und so können wir sehen, was das Insekt entdeckt. +Mit dieser Methode konnten wir herausfinden, was die Mücke bei unseren Malaria-Proben entdeckt. Wir haben die zur Malaria gehörigen Verbindungen, größtenteils Aldehyde, gefunden. Diese Gruppe von Verbindungen erzeugt den Geruch von Malaria. +Jetzt wissen wir, wie Malaria riecht und wir haben die Mücke als Biosensor verwendet, die uns sagt, wie Malaria riecht. +Es wäre echt schön, wenn man jetzt einfach ein kleines Geschirr an so eine Mücke machen könnte und sie an der Leine führen könnte, um an den Menschen in einer Gruppe zu riechen. So stelle ich mir das vor. Dann könnte sie die Leute erschnuppern, die Malaria haben. Aber das geht ja so nicht. +Aber es gibt ein Tier, mit dem das geht. +Hunde haben einen wunderbaren Geruchssinn und noch eine weitere besondere Eigenschaft: Sie sind lernfähig. +Die meisten von euch kennen das, wenn am Flughafen Hunde an den Koffern oder auch an den Passagieren riechen, um Drogen, Bomben oder auch Essen zu finden. +Deswegen wollten wir wissen, ob wir Hunde auch auf den Geruch von Malaria trainieren können. +In Zusammenarbeit mit der gemeinnützigen Organisation „Medical Detection Dogs“ versuchen wir, Hunden den Geruch von Malaria beizubringen. +Dazu sind wir nach Gambia und haben dort noch mehr Gerüche von infizierten und nicht infizierten Kindern gesammelt. Dazu haben sie Socken aus Nylon getragen, in denen wir den Körpergeruch gesammelt haben. +Dann haben wir die wieder nach Großbritannien gebracht und sie der gemeinnützigen Organisation gegeben. +Jetzt könnte ich natürlich eine Grafik auspacken und euch erklärten, wie das Experiment funktioniert hat. Das wäre aber schon langweilig, oder? +Eigentlich heißt es ja, dass man nie mit Kindern oder Tieren arbeiten sollte. Wir brechen diese Regel heute. +Darf ich Freya auf die Bühne bitten... +sie bringt ihre Trainer Mark und Sarah mit. +Natürlich ist sie heute hier der Star. +OK, ich möchte euch bitten, ruhig zu sein und nicht zu sehr zu zappeln. +Für Freya ist diese Umgebung sehr, sehr ungewohnt. +Sie schaut euch erstmal gründlich an. +Bleiben wir also so ruhig wie möglich. Das wäre prima. +Jetzt bitten wir Freya, diese Reihe von Dingsbumsen entlangzulaufen. In jedem Dingsbums ist ein Topf und in jedem Topf ist eine Socke von einem Kind aus Gambia. +Drei der Socken wurden von Kindern getragen, die nicht infiziert waren. Nur eine wurde von einem Kind getragen, das mit Malaria infiziert war. +Jetzt ist es genau wie am Flughafen, stellt euch vor, das wären Menschen. Der Hund läuft daran entlang und schnuppert. +Schauen wir mal, ob ihr erkennt, wenn sie die Malaria riecht. +Das ist für sie gar nicht einfach in dieser sehr fremden Umgebung, deswegen übergebe ich jetzt an Mark. +Und los geht‘s. Ich wusste nicht, in welchem Topf sie war. Mark auch nicht. Es war ein richtiger Blindtest. +Sarah, was es richtig? Sarah: Ja. +JL: Das war richtig. Gut gemacht, Freya. Das ist fantastisch. Woha. +Das ist wunderbar. Jetzt tauscht Sarah die Töpfe um und nimmt den mit Malaria weg. Wir haben jetzt vier Töpfe mit Socken von Kindern ohne Malaria. Theoretisch sollte Freya die Reihe jetzt ablaufen und gar nicht anhalten. +Das ist extrem wichtig, denn wir müssen auch Menschen ohne Infektion erkennen. Das muss sie auch können. +Das ist keine einfache Aufgabe. +Diese Socken waren jetzt ein paar Jahre lange im Tiefkühler und es ist nur ein winziges Stückchen Socke. +Stellt euch mal vor, das wäre ein ganzer Mensch, der ein großes Signal sendet. +Das ist echt unglaublich. OK, jetzt zu dir Mark. +Brillant. Fantastisch. +Echt super. Vielen herzlichen Dank an euch. Einen großen Applaus für Freya, Mark und Sarah. Gut gemacht, Leute. +Was für ein braves Mädchen. Sie hat sich ein Leckerli verdient. Fantastisch. +Jetzt habt ihr es selbst gesehen. +Das war eine Live-Demonstration. Ich war ziemlich aufgeregt. +Und bin echt froh, dass es funktioniert hat. +Das unglaubliche ist, wenn wir das machen, können uns die Kunde mit einer Sicherheit von 81 Prozent mitteilen, dass jemand mit Malaria infiziert ist. Das ist unglaublich. Und mit 92 prozentiger Sicherheit können sie uns mitteilen, dass jemand nicht mit Malaria infiziert ist. +Diese Zahlen liegen sogar über denen, die die Weltgesundheitsorganisation zur Diagnose ansetzt. +Wir wollen jetzt also Hunde in den Ländern einsetzen, besonders an den Zugangsbereichen, um dort Menschen mit Malaria zu finden. +Das könnte bald Realität sein. +Aber wir können die Hunde nicht überall einsetzen. Deshalb arbeiten wir momentan ein einer Technologie, einer tragbaren Technologie, mit dem eine Person sich selber diagnostizieren kann. +Stellt euch so eine Art Pflaster vor, das man auf der Haut trägt, und das an eurem Schweiß erkennen kann, wenn ihr Malaria habt, und dann die Farbe ändert. +Oder vielleicht auch etwas technischer: eine Smartwatch, die bei einer Malariainfektion Alarm schlägt. +Und wenn wir das digital machen könnten, können wir die Daten sammeln. Stellt euch vor, wie viele Daten wir global sammeln könnten. +Das könnte die Art und Weise, wie wir die Ausbreitung von Krankheiten nachverfolgen, revolutionieren. Wir könnten unsere Eindämmungsbemühungen und die Reaktion auf Ausbrüche zielgerichtet einsetzen, und so Malaria irgendwann ganz ausrotten. Und nicht nur Malaria, sondern auch andere Erkrankungen, deren Geruch wir kennen. +Wir können die Kraft der Natur nutzen, um diese Gerüche kennenzulernen, und das zur Realität werden lassen. +Als Wissenschaftler müssen wir neue Ideen entwickeln, neue Konzepte und Technologien, um einige der größten Probleme der Welt anzugehen. Ich bin immer wieder fasziniert davon, dass die Natur das oft schon für uns übernommen hat. Die Antwort ist quasi... direkt vor unserer Nase. +Vielen Dank. + + +52468 +Ich bin in Wisconsin, USA, aufgewachsen. Da habe ich viel Zeit im Freien verbracht. +Im Frühling habe ich an den stark duftenden Fliederbüschen gerochen. +Ich liebte das elektrische Leuchten der Glühwürmchen im Sommer, wenn sie in schwülen Nächten umherschwirrten. +Das Moor war gefüllt mit leuchtend roten Cranberries im Herbst. +Sogar der Winter hatte seinen Charme mit dem weihnachtlichen Bouquet der ausströmenden Kiefern. +Für mich war die Natur schon immer eine Quelle der Wunder und Inspiration. +Während meines Chemiestudiums, und auch in den späteren Jahren, hatte ich die natürliche Welt im molekularen Detail besser verstanden. +All die Dinge, die ich gerade erwähnte, von den Düften des Flieders und der Kiefer über das leuchtende Rot der Cranberries bis hin zum Leuchten der Glühwürmchen, haben zumindest eines gemeinsam: Sie wurden von Enzymen hergestellt. +Wie ich bereits sagte, wuchs ich in Wisconsin auf. Ich mag also Käse und die Green Bay Packers. +Aber lasst und kurz über Käse sprechen. +Mindestens seit den letzten 7.000 Jahren entnehmen Menschen ein Enzymgemisch aus den Mägen von Kühen, Schafen und Ziegen und fügen es der Milch hinzu. +Dies führt dazu, dass die Milch gerinnt – es ist ein Teil des Herstellungsprozesses von Käse. +Das Schlüsselenzym in diesem Gemisch bezeichnet man als Chymosin. +Ich möchte dir zeigen, wie dies funktioniert. +Ich habe hier zwei Röhrchen, und einem werde ich Chymosin hinzufügen. Einen Augenblick bitte. +Mein achtjähriger Sohn Anthony war sehr daran interessiert, mir dabei zu helfen, an einer Demonstration für den TED Talk zu arbeiten. Wir waren daraufhin in der Küche und schnitten Ananasstücke zurecht, entnahmen den roten Kartoffeln Enzyme und machten die verschiedensten Demonstrationen. +Am Ende fanden wir die Demonstration von Chymosin doch ziemlich cool. +Was hier also passiert, ist, dass das Chymosin in der Milch umherschwimmt und es sich dort zu einem Protein bindet – Casein. +Danach trennt es das Casein ab – es ist wie eine molekulare Schere. +Durch genau diesen Abtrennungsprozess gerinnt die Milch. +Wir sind also nun hier in der Küche und arbeiten genau daran. OK. Also lasst mich dem schnell ein wenig Schwung geben. +Und dann stellen wir das Röhrchen zur Seite und lassen alles eine Minute lang ziehen. OK. +Wenn DNA die Blaupause des Lebens ist, dann sind Enzyme Hilfsarbeiter, die die Anweisungen ausführen. Ein Enzym ist ein Protein, das wiederum ein Katalysator ist. Es beschleunigt eine chemische Reaktion, so wie das Chymosin hier drüben die Gerinnung der Milch beschleunigt. +Aber es geht nicht nur um Käse. +Enzyme spielen zwar eine wichtige Rolle in unseren Lebensmitteln, aber sie sind auch in vielen anderen Bereichen involviert, von der Gesundheit eines Säuglings bis hin zu den größten Umweltherausforderungen, denen wir heute gegenüberstehen. +Die Grundbausteine der Enzyme werden als Aminosäuren bezeichnet. +Es gibt 20 bekannte Aminosäuren, und wir kennzeichnen sie üblicherweise mit einem einzelnen Buchstabenkürzel. Es ist also ein richtiges Alphabet der Aminosäuren. +In einem Enzym sind diese Aminosäuren aneinandergereiht, so wie die Perlen an einer Halskette. +Und es liegt wahrlich in der Identität der Aminosäuren, welche Buchstaben die Halskette enthält und in welcher Reihenfolge sie angeordnet sind. Die Anordnung der Buchstaben verleiht dem Enzym seine einzigartige Eigenschaft und unterscheidet es von den anderen Enzymen. +Nun faltet sich diese Aminosäuresequenz bzw. Halskette zu einer übergeordneten Struktur zusammen. +Und wenn du das Chymosin, also das hier arbeitende Enzym, auf molekularer Ebene betrachtest, wirst du erkennen, dass es ein entsprechendes Erscheinungsbild hat. +Es besteht aus all diesen Strängen und Schleifen und Spiralen und Windungen, und es muss in exakt dieser Gestalt sein, um richtig zu funktionieren. +Heute können wir Enzyme in Mikroben herstellen, was zum Beispiel wie ein Bakterium oder eine Hefe sein kann. +Dafür nehmen wir einen Teil der DNA, die ein Enzym codiert, an dem wir interessiert sind. Wir setzen diesen in die Mikrobe ein und lassen die Mikrobe ihren eigenen Mechanismus bzw. ihre eigenen Mittel verwenden, um das Enzym für uns herzustellen. +Wenn du also ein Chymosin willst, benötigst du kein Kalb. Heute könntest du es von einer Mikrobe bekommen. +Aber was noch viel cooler ist, ist, dass wir nun komplett maßgeschneiderte DNA-Sequenzen anpassen können, um somit jegliche Enzyme herzustellen – Dinge, die es in der Natur nicht gibt. +Und der wirklich spaßige Teil für mich ist es, zu versuchen, ein Enzym für eine neue Anwendung zu entwickeln, die Atome genau so anzuordnen. +Der Vorgang, der Natur ein Enzym zu entnehmen und mit diesen Aminosäuren zu spielen, mit diesen Buchstaben zu basteln, einige Buchstaben einzufügen, andere wiederum zu entfernen, vielleicht sie auch ein wenig neu anzuordnen, ist wie ein Buch zu finden und ein paar Kapitel zu bearbeiten oder das Ende neu zu schreiben. +2018 wurde der Nobelpreis für Chemie für die Entwicklung eben dieses Ansatzes vergeben, welcher als gerichtete Evolution bezeichnet wird. +Heute können wir uns die Kraft der gerichteten Evolution zur Entwicklung von Enzymen für maßgeschneiderte Zwecke zunutze machen. Und eines dieser Zwecke ist die Entwicklung von Enzymen zur Anwendung in neuen Bereichen, z. B. Wäsche. +So wie Enzyme in deinem Körper dir dabei helfen, das Essen, das du zu dir nimmst, zu zerkleinern, so können Enzyme in deiner Wäsche dir dabei helfen, die Erregerstämme auf deiner Kleidung zu zerlegen. +Wie sich herausstellt, stammt ca. 90 Prozent der Energie, die fürs Waschen aufgewendet wird, von der Wassererhitzung. +Und das aus gutem Grund – das wärmere Wasser hilft dabei, dass deine Kleidung sauber wird. +Aber was passiert, wenn du sie stattdessen in kaltem Wasser waschen könntest? +Du würdest sicherlich ein bisschen Geld sparen, und den Berechnungen von Procter & Gamble zufolge, wenn alle Haushalte in den USA kaltes Wasser verwenden würden, würden wir jedes Jahr 32 metrische Tonnen an CO2-Emissionen sparen. +Das ist sehr viel, ungefähr das Äquivalent des Kohlendioxids, das von 6,3 Millionen Autos ausgestoßen wird. +Wie würden wir also ein Enzym entwickeln, um diese Veränderungen zu realisieren? +Enzyme haben sich nicht zur Reinigung von schmutziger Wäsche entwickelt, schon gar nicht in kaltem Wasser. +Aber wir können in die Natur gehen und dort einen Ansatzpunkt finden. +Wir können ein Enzym finden, das eine gewisse beginnende Aktivität aufweist, etwas Lehm, mit dem wir arbeiten können. +Dies ist ein Beispiel eines solchen Enzyms, genau hier auf dem Bildschirm. +Und wir können mit diesen Aminosäuren beginnen zu spielen, wie bereits gesagt, einige Buchstaben einfügen, andere entfernen, und diese dann neu anordnen. +Und somit können wir Tausende Enzyme herstellen. +Und wir können diese Enzyme nehmen und sie auf kleinen Platten wie dieser untersuchen. +Diese Platte, die ich in meinen Händen halte, enthält 96 Schächte, und in jedem Schacht befindet sich ein Gewebestück mit einem Schmutzfleck. +Wir können messen, wie gut jedes dieser Enzyme die Flecken vom Gewebestück entfernen konnte, und auf diese Weise sehen, wie gut es funktioniert. +Wir können dies mittels Robotertechnik durchführen, wie du gleich auf dem Bildschirm sehen wirst. +Wir machen das genau so, und es stellt sich heraus, dass einige der Enzyme ungefähr dem Startenzym entsprechen. +Das ist nichts Besonderes. +Einige sind schlimmer. Also entfernen wir sie. +Und dann sind einiger besser. +Diese verbesserten werden zu unserer Version 1.0. Dies sind die Enzyme, an denen wir anknöpfen möchten, und wir können diesen Ablauf immer wiederholen. +Und es ist die Wiederholung dieses Ablaufs, der uns zu einem Enzym verholfen hat, nämlich das zu tun, was wir wollen. +Und nach mehreren Abläufen wie diesem, hatten wir etwas Neues entstehen lassen. +Du kannst also heute in den Supermarkt gehen, und die ein Waschmittel kaufen, das aufgrund von Enzymen wie diesem hier mit kaltem Wasser funktioniert. +Und ich möchte dir auch zeigen, wie dieses hier funktioniert. +Ich habe hier zwei weitere Röhrchen mit Milch. +Ich zeige dir nun, wie ich einem Röhrchen dieses Enzym hinzufüge und dem anderen ein wenig Wasser. +Und das ist die Gegenprobe. Es sollte in diesem Röhrchen also nicht passieren. +Womöglich findest du es merkwürdig, dass ich das mit Milch mache. +Ich mache das, weil Milch viele Proteinen enthält und es sehr einfach zu sehen ist, wie dieses Enzym in einer Proteinlösung arbeitet. Denn es handelt sich um einen wichtigen Zerkleinerer von Proteinen, genau das ist seine Aufgabe. +Ich füge es nun hinzu. +Wie ich bereits sagte, ist es ist ein wichtiger Zerkleinerer von Proteinen. Du kannst dir nun erschließen, was es in dieser Milch und mit deiner Wäsche macht. Dies ist eine Möglichkeit der Veranschaulichung dessen, was passieren würde. +Gut, beides wurde nun hinzufügt. +Und ich werde dem hier nun auch noch ein wenig Schwung geben. +Wir werden diese nun bei der Chymosin-Probe lassen und gegen Ende noch einmal auf sie zurückkommen. +Was zeichnet sich in Bezug auf die Enzymentwicklung ab? +Es wird sicherlich schneller gehen. Es gibt nun Ansätze für die Entwicklung von Enzymen, die es Forschern erlauben, weit mehr Proben durchzugehen, als ich dir soeben gezeigt habe. +Und zusätzlich zum Herumexperimentieren mit natürlichen Enzymen, über die wir gesprochen haben, versuchen einige Wissenschaftler nun Enzyme von Grund auf zu entwickeln, indem sie maschinelles Lernen nutzen, einem Ansatz der künstlichen Intelligenz, um so ihre Enzymentwicklung zu beeinflussen. +Andere wiederum fügen dem Gemisch künstliche Aminosäuren hinzu. +Wir haben bereits zuvor über die 20 natürlichen, üblichen Aminosäuren gesprochen. Die zuletzt genannten Wissenschaftler fügen künstliche Aminosäuren hinzu, um Enzyme herzustellen, die Eigenschaften aufweisen, die nicht in der Natur vorkommen. +Das ist ein ganz netter Bereich. +Welche Auswirkungen werden die entwickelten Enzyme in den nächsten Jahren auf dich haben? +Ich möchte mich hier auf zwei Bereiche konzentrieren: die menschliche Gesundheit und die Umwelt. +Einige Pharmaunternehmen verfügen heute über Teams, die sich der Entwicklung von Enzymen widmen, um wirksamere Medikamente herzustellen, die weniger toxische Katalysatoren haben. +Zum Beispiel wird Januvia, ein Medikament zur Behandlung von Typ-2-Diabetes, zum Teil mithilfe von Enzymen hergestellt. +Die Anzahl der Medikamente, die mit Enzymen hergestellt werden, wird in Zukunft sicherlich zunehmen. +In einem anderen Bereich gibt es bestimmte Erkrankungen, bei denen ein einzelnes Enzym im Körper eines Menschen nicht richtig funktioniert. +Ein Beispiel hierfür ist Phenylketonurie, kurz PKU. +Menschen mit PKU können Phenylalanin, eines der 20 häufigsten Aminosäuren, über die wir sprechen, nicht richtig metabolisieren oder verarbeiten. +Wenn Menschen mit PKU nun Phenylalanin aufnehmen, besteht die Gefahr einer dauerhaften geistigen Behinderung, also etwas sehr Beängstigendes. +Für viele von euch. +Vielleicht seid ihr mit PKUs vertraut, da alle Kinder in den USA dazu verpflichtet sind, sich auf PKU testen zu lassen. +Ich erinnere mich noch daran, als mein Sohn Anthony mit einem Piks in der Ferse darauf getestet wurde. +Die große Herausforderung damit ist Folgende: Was isst du? +Phenylalanin ist in so vielen Lebensmitteln enthalten und unglaublich schwer zu vermeiden. +Anthony hat eine Nussallergie und ich dachte, dass das schon sehr hart sei. Aber PKUs sind dagegen auf einer ganz anderen Ebene. +Neue Enzyme können es jedoch PKU-Patienten schon bald ermöglichen, zu essen, was immer sie auch wollen. +Die FDA (US-Behörde für Lebens- und Arzneimittel) hat kürzlich ein Enzym zur Behandlung von PKU zugelassen. +Dies ist eine große Neuigkeit für Patienten, und eigentlich auch für das Gebiet der Enzymersatztherapie im Allgemeinen, weil es noch weitere Ziele gibt, bei denen dies ein guter Ansatz wäre. +So viel zum Thema Gesundheit. Ich werde nun den Umweltaspekt näher betrachten. Als ich über den Great Pacific Garbage Patch (großer pazifischer Müllstrudel) las – das ist diese große Insel aus Plastikmüll, irgendwo zwischen Kalifornien und Hawaii – und Mikroplastiken, die so ziemlich überall zu finden sind, las, war ich erschüttert. +Plastik wird nicht mal eben so verschwinden. +Aber auch in diesem Bereich können uns Enzyme helfen. +Kürzlich wurden Bakterien entdeckt, die plastikabbauende Enzyme produzieren. +Es wird bereits nach Wegen gesucht, verbesserte Versionen dieser Enzyme zu entwickeln. +Gleichzeitig wurden Enzyme entdeckt, die zur Herstellung von biologisch abbaubarem Plastik ohne Erdöl optimiert werden. +Enzyme können auch dazu beitragen, Treibhausgase zu speichern wie Kohlendioxid, Methan und Distickstoffoxid. +Ohne Zweifel, es gibt noch große Herausforderungen, und keine davon ist leicht. +Aber unsere Fähigkeit zur Nutzbarmachung von Enzymen kann uns helfen, diese Herausforderungen in Zukunft zu bewältigen. Ich denke, dass man sich also auch auf diesen Bereich freuen darf. +Ich komme nun noch einmal auf die Demonstration zurück, dem spaßigen Teil. +Beginnen wir mit den Chymosin-Proben. +Ich stelle diese hier hin. +Hier ist zu erkennen, dass diese Probe, diejenige mit dem Wasser ist. Die Milch sollte also unverändert bleiben. +Diese hier ist die Probe mit dem Chymosin. +Man sieht, dass die Flüssigkeit vollkommen klar geworden ist. +Wir sehen überall dieses geronnene Zeug. Das ist Käse! Wir haben also in den vergangenen Minuten Käse hergestellt. +Dies ist also die Reaktion, die Menschen seit Tausenden von Jahren machen. +Ich denke darüber nach, dies hier bei der nächsten Demonstration auf dem Kids to Work Day zu machen, aber dies kann ein schwieriges Publikum sein. Lassen wir uns überraschen. +Und dann möchte ich noch einen Blick auf die andere Probe werfen. +Dies ist das Enzym, das deine Wäsche wäscht. +Und du siehst, dass sich diese hier von der anderen, bei der Wasser hinzugefügt wurde, unterscheidet. +Die Flüssigkeit klärt sich auf, und das soll auch ein Enzym mit deiner Wäsche machen, weil du natürlich ein Enzym haben willst, das ein regelrechter Proteinfresser ist, es soll sie einfach zerkauen, weil du verschiedene Proteinflecken auf deiner Kleidung haben wirst, darunter Schokoladenmilch oder Grasflecken, und auf diese Weise wirst du sie los. +Und damit kannst du auch deine Wäsche in kaltem Wasser waschen, deinen CO2-Fußabdruck reduzieren und ein wenig Geld sparen. +Wir haben also einen langen Weg hinter uns in Anbetracht der 7.000-jährigen Reise, von Enzymen zur Käseherstellung bis hin zum heutigen Tag und der Enzymentwicklung. +Wir befinden uns in der Tat auf einem kreativen Scheideweg, und mithilfe von Enzymen können wir die Kapitel, die von der Natur geschrieben wurden, bearbeiten, und unsere eigenen Geschichten mit Aminosäuren schreiben. +Wenn du also das nächste Mal bei einer schwülen Nacht unterwegs bist und ein Glühwürmchen siehst, hoffe ich, dass du an Enzyme denkst. +Sie leisten heute erstaunliche Dinge für uns. +Und wenn wir sie entwickeln, könnten sie in der Zukunft noch viel erstaunlichere Dinge leisten. +Vielen Dank! + + +53582 +Am 23. April 2013 veröffentlichte die Associated Press den folgenden Tweet auf Twitter. Darin war zu lesen: „Eilmeldung: Zwei Explosionen im Weißen Haus und Barack Obama wurde verletzt.“ Dieser Tweet wurde in weniger als fünf Minuten 4.000 Mal retweetet, und ging danach viral. +Nun handelte es sich bei diesem Tweet um keine echte Nachricht der Associated Press. Es handelte sich eigentlich um eine Falschnachricht bzw. Fake News, die von syrischen Hackern, die in das Twitter-Netzwerk der Associated Press eingedrungen sind, propagiert wurde. +Ihr Ziel war es, die Gesellschaft zu zerstören, doch sie zerstörten noch weitaus mehr als das. +Denn automatisierte Handelsalgorithmen griffen sofort die Stimmung dieses Tweets auf und begannen, auf Grundlage der Möglichkeit, dass der Präsident der Vereinigten Staaten bei dieser Explosion verletzt wurde oder ums Leben kam, zu handeln. +Und mit dem Absetzen des Tweets kam es unmittelbar zu einem Börsencrash, infolgedessen an einem einzigen Tag ein Eigenkapitalwert in Höhe von 140 Milliarden US-Dollar vernichtet wurde. +Robert Mueller, Sonderermittler der USA, erhob Anklage gegen drei russische Unternehmen und 13 russische Einzelpersonen hinsichtlich der Verschwörung zum Betrug an die Vereinigten Staaten durch Einmischung in die Präsidentschaftswahl 2016. +Und was diese Anklageschrift erzählt, ist die Geschichte der Internet Research Agency bzw. Troll-Armee, der lange, schattenhafte Arm des Kremls in den sozialen Medien. +Die Bemühungen der Internet Agency erreichten allein während der Präsidentschaftswahl 126 Millionen Menschen auf Facebook in den USA, veröffentlichten drei Millionen einzelne Tweets und 43 Stunden Videomaterial auf YouTube. +All dies war gefälscht – Falschinformationen, um während der Präsidentschaftswahl für Unruhe zu sorgen. +Einer aktuellen Studie der Oxford University zufolge waren bei den erst kürzlichen Wahlen in Schweden ein Drittel aller Informationen, die in den sozialen Medien über die Wahl verbreitet wurden, Falschmeldungen. +Zusätzlich können diese Arten von Falschinformationskampagnen in den sozialen Medien das verbreiten, was als Propaganda für Genozid bezeichnet wird, z. B. gegen die Rohingya in Myanmar, was zu Massentötungen in Indien führte. +Wir untersuchten Falschnachrichten und haben dies bereits getan, als der Begriff noch nicht so geläufig war. +Und kürzlich haben wir auf der Titelseite der Fachzeitschrift „Science“ im März diesen Jahres die größte Längsschnittstudie über die Verbreitung von Falschnachrichten im Internet veröffentlicht. +Seit dem Beginn im Jahr 2006 bis 2017 haben wir alle verifizierten echten und falschen Nachrichten, die jemals auf Twitter verbreitet wurden, untersucht. +Und als wir diese Informationen sichteten, haben wir verifizierte Nachrichten, die von sechs unabhängigen Faktencheck-Organisationen verifiziert wurden, untersucht. +Wir wussten also welche Nachrichten echt waren und welche nicht. +Wir können ihre Verbreitung, die Geschwindigkeit ihrer Verbreitung, die Tiefe und den Umfang ihrer Verbreitung, wie viele Menschen in dieser Informationskaskade verwickelt wurden usw. messen. +Und was wir in dieser Zeitschrift getan haben, war ein Vergleich der Verbreitung von echten Nachrichten mit der falscher Nachrichten. +Hier nun die Ergebnisse. +Wir haben herausgefunden, dass Falschnachrichten sich weiter, schneller, tiefer und umfassender verbreiten als es echte Nachrichten in jeder Kategorie an Informationen, die wir untersucht haben, tun, manchmal um eine Größenordnung. +Und tatsächlich, Falschnachrichten im politischen Bereich waren die viralsten. +Sie verbreiteten sich weiter, schneller, tiefer und umfassender als jede andere Art von Falschnachrichten. +Als wir dies sahen, waren wir sofort besorgt, aber auch neugierig. Warum? Warum reisen Falschnachrichten so viel weiter, schneller, tiefer und umfassender als es echte Nachrichten tun? +Unsere erste Hypothese war: „Vielleicht haben Menschen, die Falschnachrichten verbreiten, mehr Follower oder folgen mehr Menschen, oder twittern öfter, oder sie sind vielleicht häufiger „verifizierte“ Twitter-Nutzer, die eine höhere Glaubwürdigkeit haben, oder sie sind einfach schon länger auf Twitter tätig.“ Also haben wir jeden einzelnen Punkt der Reihe nach überprüft. +Und was wir fanden, war genau das Gegenteil. +Menschen, die Falschnachrichten verbreiten, hatten weniger Follower, folgten weniger Menschen, waren weniger aktiv, weniger häufig „verifiziert“ und waren auf Twitter noch nicht so lange tätig. +Und dennoch bestand eine zu 70 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, dass Falschnachrichten retweetet werden als echte, wenn man all diese und viele andere Faktoren berücksichtigt. +Wir mussten uns also andere Erklärungen überlegen. +Und so entwickelten wir eine „Novelty Hypothesis“ (Neuigkeitshypothese). Wie du sicher gelesen hast, ist es hinreichend bekannt, dass die Aufmerksamkeit des Menschen sich zu Neuigkeiten, Dinge, die in der Umwelt neu sind, hingezogen fühlt. +Und wenn du an soziologischen Themen interessiert bist, dann weißt du auch, dass wir neue Informationen gerne teilen. +Es mag uns so vorkommen, als ob wir Zugriff zu Insiderinformationen haben, und wir erhalten durch die Verbreitung dieser Art von Informationen einen Status. +Wir haben die Neuigkeit eines eingehenden echten oder falschen Tweets gemessen und mit dem Korpus dessen verglichen, was diese Person in den letzten 60 Tagen vor ihrer Aktivität auf Twitter gesehen hat. +Aber das war noch nicht genug, weil wir uns dachten: „Vielleicht sind Falschnachrichten in einem informationstheoretischen Sinn neuartiger, aber Menschen erkennen diese womöglich nicht als neuartiger.“ +Um also die Wahrnehmung von Menschen in Bezug auf Falschnachrichten zu verstehen, haben wir uns die Informationen und Stimmungen in den Antworten auf die echten und falschen Tweets angesehen. +Und was wir herausfanden, war, dass bei einer Reihe unterschiedlicher Stimmungsmaßstäbe – Überraschung, Ekel, Angst, Traurigkeit, Erwartung, Freude und Vertrauen – Falschnachrichten erheblich mehr Überraschung und Ekel in den Antworten zu falschen Tweets aufwies. +Echte Nachrichten hingegen wiesen erheblich mehr Erwartung, Freude und Vertrauen in den Antworten zu echten Tweets auf. +Die Überraschung bestätigt unsere Neuigkeitshypothese. +Das ist neu und überraschend, und somit wahrscheinlicher, dass wir es teilen werden. +Gleichzeitig fand eine Anhörung vor den beiden Kammern des Kongresses der USA statt, in der die Rolle von Bots bei der Verbreitung von Falschinformationen betrachtet wurde. +Also haben wir uns das auch angesehen – wir verwendeten mehrere hochentwickelte Bot-Erkennungsalgorithmen, um die Bots in unseren Daten zu finden und sie von dort zu entfernen. +Wir entfernten sie also, fügten sie erneut ein und haben unsere Messdaten verglichen. +Was wir herausgefunden haben, war, dass Bots in der Tat die Verbreitung von Falschnachrichten im Internet beschleunigten. Allerdings beschleunigten sie im ungefähr gleichen Verhältnis auch die Verbreitung von echten Nachrichten. +Dies bedeutet, dass Bots nicht für die unterschiedliche Verbreitung von echten und falschen Nachrichten im Internet verantwortlich sind. +Wir können uns dieser Verantwortung nicht entziehen, weil wir, die Menschen, für die Verbreitung verantwortlich sind. +Alles, was wir dir bislang gesagt haben, und das gilt leider für uns alle, sind die guten Nachrichten. +Der Grund ist, weil es noch viel schlimmer kommen wird. +Und zwei bestimmte Technologien sind dafür verantwortlich. +Wir stehen vor dem Aufstieg einer gewaltigen Welle synthetischer Medien. +Falsche Videos, falsche Audionachrichten, die für das menschliche Auge sehr überzeugend sind. +Und dies wird von zwei Technologien angetrieben. +Die erste ist bekannt unter dem Begriff „Generative Adversarial Networks“. Dies ist ein maschinelles Lernmodell mit zwei Netzwerken: einem Diskriminator, dessen Aufgabe es ist, zu entscheiden, ob etwas falsch oder echt ist, und einem Generator, dessen Aufgabe es ist, synthetische Medien zu erzeugen. +Der synthetische Generator erzeugt also synthetische Videos oder Audioaufnahmen, und der Diskriminator versucht zu sagen, „Ist das echt oder ist das falsch?“. Und es ist in der Tat die Aufgabe des Generators, die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass er den Diskriminator dahingehend täuscht, zu denken, dass das synthetische Video und die Audioaufnahme, die er erzeugt, eigentlich echt ist. +Stelle dir eine Maschine in einem Hyperloop vor, die bei dem Versuch, uns zu täuschen, immer besser wird. +Dies in Kombination mit der zweiten Technologie, die im Wesentlichen die Demokratisierung künstlicher Intelligenz des Volkes ist, die Möglichkeit für jedermann, ohne Hintergrundwissen im Hinblick auf künstlicher Intelligenz oder maschinellem Lernen diese Art von Algorithmen zur Erzeugung synthetischer Medien einzusetzen, macht die Erstellung von Videos letztlich so viel einfacher. +Das Weiße Haus veröffentlichte ein gefälschtes, überarbeitetes Video eines Journalisten, der mit einem Praktikanten interagierte, der versuchte, sein Mikrofon zu nehmen. +Sie entfernten mehrere Bilder aus diesem Video, um seine Handlungen ausdrucksstärker zu machen. +Und als Kameraleute und Stuntmen bzw. Stuntwomen zu dieser Technik interviewt wurden, sagten sie: „Ja, wir verwenden dies immer in den Filmen, um unsere Schläge und Tritte rauer und aggressiver aussehen zu lassen.“ Sie veröffentlichten dieses Video daraufhin und verwendeten es zum Teil als Rechtfertigung dafür, dem Reporter Jim Acosta den Presseausweis vom Weißen Haus zu entziehen. +CNN musste klagen, um den Presseausweis wieder nutzen zu dürfen. +Ich denke, es gibt ungefähr fünf verschiedene Wege, die mir einfallen und denen wir folgen können, um einige dieser derzeit sehr schwierigen Probleme anzugehen. +Jeder einzelne davon ist vielversprechend, doch beinhalten alle eine ganz eigene Herausforderung. +Der erste ist Kennzeichnung. +Stelle es dir folgendermaßen vor: Wenn du in ein Lebensmittelgeschäft gehst, um dort etwas zu Essen zu kaufen, sind die Produkte umfangreich gekennzeichnet. +Du weißt, wie viele Kalorien sie enthalten, wie viel Fett sie enthalten, und doch, wenn wir Informationen konsumieren, haben wir gar keine Kennzeichnungen. +Was enthalten diese Informationen? +Ist die Quelle zuverlässig? +Wo stammen diese Informationen her? +Wir haben keine dieser Informationen bei der Konsumierung von Informationen. +Das ist ein potenzieller Weg, der jedoch auch Herausforderungen birgt. +Wer darf zum Beispiel in einer Gesellschaft entscheiden, was echt und was falsch ist? +Die Regierungen? Facebook? Ein unabhängiges Konsortium von Faktencheckern? +Und wer prüft die Faktenchecker? +Ein anderer potenzieller Weg sind die Motive. +Wir wissen, dass es während den US-Präsidentschaftswahlen eine Welle von Falschinformationen gab, die aus Mazedonien kam und keine politischen, sondern wirtschaftliche Motive hatte. +Und dieses wirtschaftliche Motiv existierte, weil Falschnachrichten sich um einiges weiter, schneller und tiefer verbreiten als es echte tun, und es können Werbegelder erhalten werden, wenn diese Art von Information Menschen und Aufmerksamkeit anziehen. +Aber wenn wir die Verbreitung dieser Informationen unterdrücken können, würde dies vielleicht die wirtschaftlichen Motive so weit reduzieren, dass sie überhaupt nicht erst produziert werden. +Drittens können wir über Regulierungen nachdenken, und dies sollten wir auch mit Sicherheit tun. +In den USA erfahren wir derzeit, was passieren würde, wenn Facebook und andere reguliert werden. +Während wir Dinge berücksichtigen sollten wie die Regulierung politischer Beiträge, die Kennzeichnung der Tatsache, dass es sich um politische Beiträge handelt, die Sicherstellung, dass ausländische Schauspieler sich einen politischen Beitrag nicht leisten können, birgt dies auch eigene Gefahren. +Zum Beispiel hat Malaysia gerade eine sechsjährige Gefängnisstrafe für alle, die Falschinformationen verbreiten, in Kraft gesetzt. +Autoritären Regime können diese Art von Maßnahmen zur Unterdrückung der Meinungen von Minderheiten und zur weiteren Ausdehnung ihrer Repression nutzen. +Die vierte mögliche Option ist Transparenz. +Wie möchten wissen, wie die Algorithmen von Facebook funktionieren. +Wie werden die Daten mit den Algorithmen kombiniert, um die Ergebnisse, die wir sehen, zu erzeugen? +Wir wollen, dass sie den Schleier lüften und uns ganz genau die inneren Funktionsweisen von Facebook zeigen. +Und wenn wir die Auswirkung der sozialen Medien auf die Gesellschaft wissen wollen, benötigen wir Wissenschaftler, Forscher und andere, um Zugang zu dieser Art von Informationen zu haben. +Gleichzeitig bitten wir jedoch Facebook, alles zu sperren, alle Daten zu sichern. +Facebook und die anderen Social-Media-Plattformen stehen einem, wie ich es nenne, Transparenzparadoxon gegenüber. Wir bitten sie, offen und transparent zu sein, und gleichzeitig sicher. +Das ist ein sehr schwieriger Spagat, aber sie müssen ihn machen, wenn wir das Versprechen der sozialen Technologien und gleichzeitig ihre Gefahren vermeiden wollen. +Der letzte Punkt über den wir nachdenken könnten, sind Algorithmen und maschinelles Lernen. +Technologie, dazu entwickelt, Falschnachrichten zu entwurzeln und zu verstehen, wie sie verbreitet werden, und dann zu versuchen, diesen Fluss zu unterbinden. +Die Menschen müssen hinsichtlich dieser Technologie informiert sein, denn wir können uns dem nicht entziehen, dass hinter jeder technologischen Lösung oder Herangehensweise eine fundamentale ethische und philosophische Frage steckt über die Art und Weise, wie wir Wahrheit und Unwahrheit definieren, wem wir die Macht verleihen, die beiden Begriffe zu definieren und welche Meinungen legitim sind, welche Art von Beitrag erlaubt sein sollte usw. +Dafür ist Technologie keine Lösung. +Jedoch die Ethik und die Philosophie. +Fast jede Theorie der menschlichen Entscheidungsfindung, menschlichen Zusammenarbeit und menschlichen Koordination enthält im Kern so manchen Sinn für die Wahrheit. +Doch mit zunehmenden Falschnachrichten, zunehmenden unechten Videos, zunehmenden unechten Audioaufnahmen, stehen wir vor dem Aus der Realität. Das ist der Punkt, an dem wir die Wahrheit nicht mehr von der Unwahrheit unterscheiden können. +Und das ist potenziell unglaublich gefährlich. +Wir müssen mit der nötigen Wachsamkeit die Wahrheit gegen Falschinformationen verteidigen. +Mit unseren Technologien, mit unseren Strategien, und, vielleicht am wichtigsten, mit unseren individuellen Verantwortlichkeiten, Entscheidungen, Verhaltensweisen und Handlungen. +Ich danke Ihnen vielmals. + + +60405 +Als ich mit meinem ersten Kind ungefähr im neunten Schwangerschaftsmonat war, stellte ich fest, dass ich Trägerin einer lebensbedrohlichen genetischen Störung namens Morbus Tay-Sachs bin. +Dies bedeutet, dass eine der beiden Kopien des Chromosoms 15, das ich in jeder meiner Zellen habe, eine genetische Mutation hat. +Da ich jedoch noch eine normale Kopie dieses Gens habe, hat die Mutation auf mich keinerlei Auswirkungen. +Erbt jedoch ein Kind diese Mutation von beiden Elternteilen, wenn beide Kopien dieses bestimmten Gens nicht richtig funktionieren, mündet es in Morbus Tay-Sachs, einer unheilbaren Krankheit, die mit fortschreitendem Verlauf das Zentralnervensystem abschaltet und mit fünf Jahren zum Tod führt. +Diese Nachrichten lassen bei vielen schwangeren Frauen eine regelrechte Panik aufsteigen. +Aber ich wusste etwas, dass mir half, ruhig zu bleiben, als ich diesen Bombeneinschlag auf meine eigene Biologie hörte. +Ich wusste, das für meinen Ehemann, der, im Gegensatz zu mir, keine osteuropäisch-jüdischen Vorfahren hat, nur eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit bestand, Träger der Tay-Sachs-Mutation zu sein. +Während die Häufigkeit von Heterozygotie, sprich Menschen, die eine normale und eine mutierte Kopie des Gens haben, bei Menschen jüdischen Glaubens mit aschkenasischer Abstammung wie mir etwa einer von 27 Personen entspricht, tragen in den meisten Bevölkerungsgruppen nur eine von ungefähr 300 Personen die Tay-Sachs-Mutation. +Glücklicherweise stellte sich heraus, dass ich keinen Grund zur Sorge hatte. +Mein Ehemann ist kein Träger, und jetzt haben wir zwei wunderschöne und gesunde Kinder. +Wie ich schon sagte, war ich mir aufgrund meiner jüdischen Abstammung über die ungewöhnlich hohe Rate von Morbus Tay-Sachs in der aschkenasischen Bevölkerung bewusst. Aber erst wenige Jahre nach der Geburt meiner Tochter, als ich ein Seminar in Evolutionsmedizin in Harvard erarbeitete und leitete, stellte ich die Frage nach dem „Warum?“ und entdeckte zugleich eine mögliche Antwort. Der Prozess der Evolution durch natürliche Selektion beseitigt typischerweise schädliche Mutationen. +Wie konnte dieses defekte Gen also überhaupt fortbestehen? +Und warum ist sie vor allem in dieser spezifischen Bevölkerungsgruppe so häufig zu finden? +Die Perspektive der Evolutionsmedizin liefert uns einen wertvollen Einblick, weil sie untersucht, wie und warum unsere Körper trotz der evolutionären Entwicklung der Menschen immer noch anfällig für Krankheiten und sonstige moderne Probleme sind. +Dadurch zeigt sie uns, dass natürliche Selektion nicht immer bedeuten muss, dass wir uns auch körperlich weiterentwickeln. +Das kann sie auch nicht zwangsläufig. +Doch ich hoffe, dass ich mit meiner eigenen Geschichte deutlich machen kann, dass die Folgen unserer evolutionären Vergangenheit unsere persönliche Gesundheit bereichern kann. +Als ich begann, Morbus Tay-Sachs unter evolutionären Gesichtspunkten zu untersuchen, stieß ich auf einer faszinierenden Hypothese. +Die heute ungewöhnlich hohe Rate der Tay-Sachs-Mutationen bei Menschen jüdischen Glaubens mit aschkenasischer Abstammung kann darauf zurückzuführen sein, dass die Mutation dieser Bevölkerungsgruppe in der Vergangenheit Vorteile verschaffte. +Einige von Ihnen denken jetzt bestimmt: „Entschuldigen Sie bitte, aber haben Sie gerade angedeutet, dass diese krankmachende Mutation vorteilhafte Effekte hatte?“ Ja, das hatte ich. +Sicherlich nicht für Menschen, die zwei Kopien der Mutation erbten und Morbus Tay-Sachs bekamen. +Aber unter gewissen Umständen könnten Menschen wie ich, die nur eine fehlerhafte Kopie eines Gens hatten, mit höherer Wahrscheinlichkeit überlebt, Nachkommen gezeugt und ihr genetisches Material sowie diese mutierten Gene weitergegeben haben. +Die Idee, dass es Umstände geben kann, in denen Heterozygoten besser gestellt sind, mag einigen von Ihnen vertraut erscheinen. +Evolutionsbiologen nennen dieses Phänomen Heterozygotenvorteil. +Und es erklärt zum Beispiel, warum Träger der Sichelzellenanämie viel häufiger unter einigen afrikanischen und asiatischen Bevölkerungsgruppen oder solchen mit Vorfahren aus diesen tropischen Regionen anzutreffen sind. +In diesen geographischen Regionen stellt Malaria ein erhebliches gesundheitliches Risiko dar. +Der für Malaria verantwortliche Parasit kann jedoch nur in normalen, runden roten Blutkörperchen überleben. +Durch Veränderung der roten Blutkörperchen eines Menschen, schützte die Sichelzellenanämie gegen Malaria. +Menschen mit der Mutation werden genauso häufig von Moskitos gestochen, die die Krankheit übertragen, jedoch sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass diese Menschen erkranken oder daran sterben. +Träger der Sichelzellenanämie zu sein, ist daher die beste genetische Option in einer malariaverseuchten Umwelt. +Träger neigen weniger dazu, an Malaria zu erkranken, weil sie einige sichelförmige rote Blutkörperchen bilden, erzeugen jedoch ausreichend normale rote Blutkörperchen, sodass sie von der Sichelzellenanämie nicht negativ betroffen sind. +In meinem Fall wird mich das defekte Gen nicht gegen Malaria schützen. +Aber die ungewöhnlich hohe Anzahl der Tay-Sachs-Mutation in der aschkenasischen Bevölkerungsgruppe kann ein anders Beispiel des Heterozygotenvorteils sein. +In diesem Fall ist es eine erhöhte Resistenz gegen Tuberkulose. +Den erste Hinweis eines möglichen Zusammenhangs zwischen Morbus Tay-Sachs und Tuberkulose fanden Forscher in den 1970er-Jahren, deren veröffentlichte Daten zeigten, dass bei den in Osteuropa geborenen Großeltern einer Stichprobe von Kindern amerikanisch-aschkenasischer Herkunft, die mit Morbus Tay-Sachs geboren wurden, Tuberkulose eine äußerst seltene Todesursache war. +Nur ein Großelternteil von insgesamt 306 starb in Wirklichkeit an Tuberkulose, trotz der Tatsache, dass die Krankheit im frühen 20. Jahrhundert in größeren osteuropäischen Städten eine Sterblichkeitsrate von bis zu 20 Prozent hatte. +Nun waren diese Ergebnisse nicht wirklich überraschend. +Die Menschen erkannten bereits, dass, obwohl in Europa lebende Menschen jüdischen Glaubens und auch Menschen nicht-jüdischen Glaubens in dieser Zeit gleichermaßen an Tuberkulose erkrankten, die Sterblichkeitsrate unter den Menschen nicht-jüdischen Glaubens jedoch doppelt so hoch war. +Aber die Hypothese, dass diese aschkenasischen Großeltern ein geringeres Risiko hatten, an Tuberkulose zu sterben, insbesondere, weil mindestens einige von ihnen Träger von Morbus Tay-Sachs waren, war neu und überzeugend. +Diese Daten wiesen darauf hin, dass das Fortbestehen der Tay-Sachs-Mutation unter aschkenasischen Menschen jüdischen Glaubens durch die Vorteile, ein Träger in einer Umwelt zu sein, in der Tuberkulose vorherrschend war, erklärt werden könnte. +Sie werden jedoch bemerken, dass diese Erklärung nur ein Teil des Puzzles ist. +Selbst wenn die Tay-Sachs-Mutation fortbestand, weil die Träger eher überlebten, Nachkommen zeugten und ihr genetisches Material weitergaben, warum hat sich dieser Resistenzmechanismus insbesondere bei der aschkenasischen Bevölkerungsgruppe ausgebreitet? +Eine Möglichkeit ist die, dass die Gene und die Gesundheit osteuropäischer Menschen jüdischen Glaubens nicht einfach nur durch ihre geographische Lage beeinflusst wurden, sondern auch durch historische und kulturelle Faktoren. +An verschiedenen Stellen in der Geschichte war diese Bevölkerungsgruppe dazu gezwungen, in dicht bevölkerten urbanen Ghettos mit einer schlechten Sanitärversorgung zu leben. Ideale Bedingungen für die Tuberkulosebakterien sich zu vermehren. +In dieser Umwelt, in der Tuberkulose eine besondere Gefahr darstellt, hätten diejenigen, die kein Träger irgendeines genetischen Schutzes sind, ein höheres Risiko zu sterben. +Zusammen mit einer starken Vorliebe für eine Heirat und Nachkommenschaft innerhalb der aschkenasischen Gemeinschaft würde der aussortierende Effekt die relative Häufigkeit von Trägern verstärken und die Resistenz gegen Tuberkulose erhöhen, jedoch die Häufigkeit von Morbus Tay-Sachs als unglücklichen Nebeneffekt erhöhen. +Studien aus den 1980er-Jahren unterstützen diese Meinung. +Der Teil der amerikanisch-jüdischen Bevölkerung mit den meisten Trägern von Tay-Sachs verfolgten ihre Herkunft zu den europäischen Ländern, in denen die Häufigkeit von Tuberkulose am höchsten war. +Die Vorteile, ein Träger von Tay-Sachs zu sein, waren dort am größten, wo das Sterberisiko durch Tuberkulose am höchsten war. +Und während es noch in den 1970er- oder 1980er-Jahren unklar war, wie genau die Tay-Sachs-Mutation einen Schutz gegen Tuberkulose bat, haben neueste Forschungen festgestellt, wie die Mutation den Zellschutz gegen das Bakterium erhöht. +Der Heterozygotenvorteil kann also dabei helfen, zu erklären, warum problematische Versionen von Genen in manchen Bevölkerungsgruppen so häufig sind. +Aber das ist nur einer der Beiträge, die die Evolutionsbiologie leistet, uns dabei zu helfen, die menschliche Gesundheit zu verstehen. +Wie bereits erwähnt, stellt dieser Bereich die Vorstellung infrage, dass unser Körper doch eigentlich mit der Zeit immer besser wird. +Eine Vorstellung, die von dem Missverständnis dessen, wie Evolution funktioniert, herrührt. +Kurz gesagt, es gibt drei wesentliche Gründe, warum menschliche Körper wie deiner und meiner auch heute anfällig für Krankheiten und andere gesundheitliche Probleme sind. +Natürliche Selektion funktioniert langsam, es gibt Grenzen hinsichtlich der Veränderungen, die sie herbeiführen kann, und sie optimiert für den reproduktiven Erfolg, nicht für die Gesundheit. +Die Art und Weise, wie das Tempo der natürlichen Selektion die menschliche Gesundheit beeinflusst, ist möglicherweise in der Beziehung der Menschen zu infektiösen Erregern am ersichtlichsten. +Wir befinden uns in einem konstanten Wettrüsten mit Bakterien und Viren. +Unser Immunsystem entwickelt sich ständig weiter, um ihre Fähigkeit der Infektion einzuschränken, wohingegen sie stets neue Wege finden, unsere Abwehr zu überlisten. +Und unsere Spezies hat aufgrund unserer langen Lebensdauer und der langsamen Reproduktion einen deutlichen Nachteil. +In der Zeit, in der wir einen Resistenzmechanismus entwickeln, durchleben Krankheitserreger Millionen von Generationen und geben ihnen genügend Zeit, sich zu entwickeln, sodass sie unsere Körper weiterhin als Wirt nutzen können. +Was bedeutet es nun, dass es Grenzen hinsichtlich der Veränderungen gibt, die natürliche Selektion herbeiführt. +Auch hier liefert mein Beispiel des Heterozygotenvorteils eine nützliche Erklärung. +Die physiologischen Effekte der Mutationen von Morbus Tay-Sachs und der Sichelzellenanämie sind in Bezug auf Tuberkulose und Malaria gut. +Auf die Spitze getrieben, verursachen sie jedoch erhebliche Probleme. +Dieses empfindliche Gleichgewicht unterstreicht die angeborenen Begrenzungen im menschlichen Körper, und auch die Tatsache, dass der evolutionäre Prozess mit den bereits vorhandenen Materialien arbeiten muss. +Eine Veränderung, die das Überleben oder die Reproduktion in einem gewissen Sinne verbessert, mag in einigen Fällen Kaskadeneffekte haben, die ihr eigenes Risiko tragen. +Die Evolution ist kein Ingenieur, der von Null anfängt, um optimale Lösungen für individuelle Probleme zu schaffen. +Bei der Evolution dreht sich alles um Kompromisse. +Es ist auch wichtig, sich daran zu erinnern, dass, wenn man sich die Verwundbarkeit unser Körper vor Augen führt, Gesundheit aus einer evolutionären Sichtweise nicht die wichtigste Währung ist. Es ist die Reproduktion. Erfolg wird nicht daran gemessen, wie gesund ein Mensch ist oder wie lange er lebt, jedoch daran, wie viele Kopien seiner Gene er an die nächste Generation weitergibt. +Dies erklärt, warum eine Mutation wie die, die Chorea Huntington verursacht, eine weitere degenerative neurologische Störung, nicht durch natürliche Selektion beseitigt wurde. +Die schädlichen Effekte der Mutation treten für gewöhnlich erst nach dem typischen Reproduktionsalter auf, wenn die betroffenen Personen bereits ihre Gene weitergegeben haben. +Die biomedizinische Gemeinschaft konzentriert sich in ihrer Gesamtheit auf unmittelbare Erklärungen und verwendet diese zur Gestaltung von Behandlungsansätzen. +Unmittelbare Erklärungen für gesundheitliche Zustände berücksichtigen die direkten Faktoren: Was geht in diesem Moment in einem Körper vor, das ein bestimmtes Problem verursacht hat. +Zum Beispiel ist Kurzsichtigkeit üblicherweise das Ergebnis von Veränderungen im Hinblick auf die Form des Auges und kann leicht mithilfe einer Brille korrigiert werden. +Aber genau bei den bereits besprochenen genetischen Krankheiten liefert eine unmittelbare Erklärung nur einen Teil des größeren Bildes. +Eine evolutionäre Sichtweise anzunehmen, um die umfassendere Frage zu betrachten, warum wir dieses Problem überhaupt haben – die Evolutionsmedizin nennt dies die ultimative Sichtweise –, kann uns Einblick in die nicht-direkten Faktoren, die unsere Gesundheit beeinträchtigen, geben. +Das ist wichtig, weil sie Wege aufzeigen kann, mit denen du dein eigenes Risiko oder das deiner Freunde und Familie mindern kannst. +Im Falle der Kurzsichtigkeit deuten einige Untersuchungen an, dass einer der Gründe, weshalb sie in manchen Bevölkerungsgruppen häufiger anzutreffen ist, die ist, dass heute manche Menschen, auch die meisten von uns in diesem Raum, viel mehr Zeit mit Lesen, Schreiben und dem Sitzen vor Bildschirmen verbringen als draußen zu sein, und so umfassender mit der Welt interagieren. +Entwicklungsgeschichtlich ist das eine erst kürzlich auftretende Veränderung. +Berücksichtigen wir die gesamte menschliche Evolutionsgeschichte, so haben Menschen ihre Sehkraft meistens dafür genutzt, über weiter Landschaften zu blicken, und auch mehr Zeit mit Aktivitäten wie Jagen und Sammeln verbracht. +Die Zunahme des sogenannten „Near Work“ (Arbeitsaktivitäten mit kurzer Distanz) in den letzten Jahren, bei der sich Menschen für eine kurze Zeitspanne intensiv auf Objekte in ihrer unmittelbarer Nähe konzentrieren, belastet unser Auge auf unterschiedliche Weise und beeinträchtigt die physische Form des Auges. +Wenn wir alle diese Stücke nun zusammensetzen, hilft uns die abschließende Erklärung für Kurzsichtigkeit – dass die Veränderung der Umwelt und der Verhaltensweisen die Art und Weise, wie wir unsere Augen verwenden, beeinträchtigt – die unmittelbare Ursache besser zu verstehen. +Und eine unvermeidliche Schlussfolgerung drängt sich auf – meine Mutter hatte recht, ich hätte vermutlich weniger Zeit damit verbringen sollen, meine Nase in Bücher zu stecken. +Das ist nur eines von vielen möglichen Beispielen. +Wenn du oder einer deiner Lieben also das nächste Mal vor gesundheitlichen Problemen steht, ob es sich nun um Fettleibigkeit, Diabetes, eine Autoimmunerkrankung oder eine Knie- oder Rückenverletzung handelt, möchte ich dich dazu ermutigen, darüber nachzudenken, was eine unmittelbare Sichtweise zu leisten vermag. +Zu verstehen, dass deine Gesundheit nicht nur davon beeinflusst wird, was in deinem gerade Körper vorgeht, sondern auch durch dein genetisches Erbe, deine Kultur und Geschichte, hilft dir dabei, fundiertere Entscheidungen über Veranlagungen, Risiken und Behandlungen zu treffen. +Was mich angeht, so kann ich nicht behaupten, dass eine evolutionsmedizinische Sichtweise immer direkt meine Entscheidungen beeinflusst hat, z. B. die Wahl meines Ehemannes. +Es stellte sich jedoch heraus, dass, indem ich nicht der traditionellen Praktik gefolgt bin, innerhalb der jüdischen Gemeinschaft zu heiraten, es sich für mich in genetischer Hinsicht direkt gelohnt hat und somit die Wahrscheinlichkeit, ein Kind mit Tay-Sachs zu zeugen, reduziert hat. +Das ist ein gutes Beispiel, warum nicht jedes aschkenasische Elternpaar darauf hoffen sollte, dass die Tochter „einen netten Jungen jüdischer Abstammung“ heiratet. +Juhu! +Jedoch noch viel wichtiger ist, dass die Erfahrung, etwas über meine eigenen Gene zu lernen, mich gelehrt haben, dass ich langfristig anders über Gesundheit denken muss, und ich hoffe, dass meine Geschichte dich dazu inspiriert, es mir gleichzutun. +Vielen Dank! + + +63241 +Sich an etwas zu erinnern, ist etwas so Alltägliches, das wir es fast als selbstverständlich erachten. +Wir erinnern uns alle noch daran, was wir heute Morgen zum Frühstück gegessen oder was wir am letzten Wochenende getan haben. +Nur wenn wir uns nicht an etwas erinnern können, wissen wir zu schätzen, wie großartig es doch ist und wie sehr wir unseren früheren Erfahrungen es erlauben, uns zu definieren. +Doch sich zu erinnern, ist nicht immer eine gute Sache. +Wie der US-amerikanische Dichter und Geistliche John Lancaster Spalding einst sagte: „So wie das Gedächtnis ein Paradies sein kann, aus dem wir nicht vertrieben werden können, so kann es genauso gut die Hölle sein, aus der wir nicht entkommen.“ Viele von uns erleben Kapitel in ihrem Leben, von denen wir es vorziehen würden, dass sie niemals geschehen wären. +Es wird angenommen, dass etwa 90 Prozent von uns im Laufe des Lebens eine Art traumatisches Ereignis erfahren. +Viele von uns werden nach diesen Ereignissen akut leiden und sich dann erholen, vielleicht sogar durch diese Erfahrungen bessere Menschen werden. +Aber manche Ereignisse sind so extrem, dass viele – bis zur Hälfte derer, die zum Beispiel sexuelle Gewalt überleben – im Laufe der Zeit posttraumatische Belastungsstörungen, oder PTBS, entwickeln. +PTBS ist eine einschränkende psychische Störung, die sich durch Symptome wie starken Angstzuständen und Flashbacks traumatischer Ereignisse kennzeichnet. +Diese Symptome haben einen großen Einfluss auf die Lebensqualität eines Menschen und werden häufig durch spezielle Situationen oder Reize im jeweiligen Umfeld ausgelöst. +Die Reaktionen auf diese Reize können adaptiv gewesen sein, als sie zum ersten Mal erfahren wurden – z. B. Angst und in einem Kriegsgebiet in Deckung gehen –, aber bei PTBS steuern sie weiterhin ihr Verhalten, obwohl es nicht länger nötig ist. +Wenn ein Kriegsveteran nach Hause zurückkehrt und in Deckung geht, sobald er oder sie eine Fehlzündung eines Autos hört, oder das eigene Haus aufgrund von intensiven Angstzuständen nicht verlassen kann, dann sind die Reaktionen auf diese Reize, diese Erinnerungen, wie wir es nennen, maladaptiv geworden. +Dadurch können wir PTBS als eine Störung des maladaptiven Gedächtnisses betrachten. +Ich sollte nun an dieser Stelle aufhören, weil ich über das Gedächtnis spreche, als wäre es eine ganz einfache Sache. Doch das ist es nicht. Es gibt viele verschiedene Gedächtnisarten, und diese hängen von unterschiedlichen Verbindungen und Regionen im Gehirn ab. +Wie du sehen kannst, gibt es zwei wesentliche Unterschiede in Bezug auf unsere Gedächtnisarten. +Es gibt solche Gedächtnisse, denen wir uns bewusst sind, die wir kennen und die wir mit Worten beschreiben können. +Dies würde Erinnerungen für Tatsachen und Ereignisse umfassen. +Weil wir diese Erinnerungen erklären können. Wir bezeichnen dies als ein explizites Gedächtnis. +Die andere Gedächtnisart ist das implizite Gedächtnis. +Hierbei handelt es sich um Erinnerungen, zu denen wir nicht oft bewusst Zugriff zum Inhalt haben und die wir nicht in Worte fassen können. +Das klassische Beispiel eines impliziten Gedächtnisses sind die motorischen Fähigkeiten zum Fahrradfahren. +Nun ist das hier Cambridge, es besteht also die Möglichkeit, dass du Fahrradfahren kannst. +Du weißt genau, was du auf zwei Rädern machen musst. +Aber wenn ich dich darum bitten würde, mir eine Liste mit Anweisungen zu schreiben, in der mir erklärt wird, wie ich ein Fahrrad fahren kann, so wie es mein vierjähriger Sohn getan hat, als wir ihm zum letzten Geburtstag ein Fahrrad gekauft haben, dann hättest du wirklich damit zu kämpfen. +Wie solltest du auf dem Fahrrad sitzen, damit du dein Gleichgewicht hältst? +Wie schnell musst du in die Pedale treten, um stabil zu bleiben? +Wenn du von einer Windbö erwischt wirst, welche Muskelgruppen und wie sehr solltest du diese anspannen, sodass du nicht vom Sattel gepustet wirst? +Ich wäre erstaunt, wenn du diese Fragen beantworten kannst. +Aber wenn du Fahrradfahren kannst, dann hast du auch die Antworten. Du bist dir ihnen nur nicht bewusst. +Zurück zu PTBS. Eine weitere Art des impliziten Gedächtnisses ist das emotionale Gedächtnis. +Diese Art hat eine besondere Bedeutung in der Psychologie und bezieht sich auf unsere Fähigkeit, über Reize in unserer Umwelt und deren emotionale und motivierende Bedeutsamkeit zu lernen. +Was meine ich damit? +Denke an einen Reiz wie den Geruch von gebackenem Brot, oder einen noch abstrakteren Reiz wie ein 20-Euro-Schein. +Weil diese Reize an schöne Erinnerungen gekoppelt sind, mögen wir sie und wenden uns ihnen zu. +Andere Reize wie das Summen einer Wespe lösen sehr negative Emotionen und bei einigen Menschen auch einen recht starken Fluchtinstinkt aus. +Ich hasse Wespen. Das kann ich dir verraten. +Aber was ich dir nicht geben kann, sind die impliziten emotionalen Erinnerungen dafür, wie ich reagiere, wenn eine Wespe in meiner Nähe ist. +Ich kann dir nicht das Herzrasen, die verschwitzten Handflächen, dieses Gefühl von aufsteigender Panik geben. +Ich kann sie dir beschreiben, aber sie dir nicht geben. +Stress hat aus der Perspektive von PTBS, und das ist sehr wichtig, sehr unterschiedliche Effekte auf explizite und implizite Gedächtnisse, und die Verbindungen und Regionen im Gehirn unterstützen sie. +Das emotionale Gedächtnis wird von einer kleinen mandelförmigen Struktur, die als Amygdala bezeichnet wird, und deren Verbindungen unterstützt. +Das explizite Gedächtnis, besonders das Was, Wo und Wann vom Ereignisgedächtnis, wird von einer Region des Gehirns in Form eines Seepferdchens unterstützt, die als Hippocampus bezeichnet wird. +Das extreme Stressniveau, das bei einem Trauma durchlebt wird, hat sehr unterschiedliche Effekte auf diese beiden Strukturen. +Wie du sehen kannst, erhöht der Hippocampus, der als unterstützende Kraft des Ereignisgedächtnisses fungiert, bei ansteigendem Stressniveau einer Person von nicht gestresst zu etwas gestresst seine Aktivität und weist eine bessere Funktion auf, um das Speichern dieser expliziten Erinnerung zu unterstützen. +Wenn du dich jedoch zu leicht gestresst, stark gestresst und dann äußerst gestresst steigerst, wie es bei einem Trauma der Fall wäre, schaltet sich der Hippocampus gewissermaßen ab. +Das bedeutet, dass wir unter der hohen Menge an Stresshormonen, die wir bei einem Trauma erfahren, nicht die Details speichern, die spezifischen Details des Was, Wo und Wann. +Das ist also das, was Stress mit dem Hippocampus macht. Schauen wir uns an, was es mit der Amygdala macht, der Struktur, die für das emotionale, implizite Gedächtnis wichtig ist. +Ihre Aktivität wird stärker und stärker. +Damit bleibt uns im Hinblick auf PTBS also ein übermäßig starkes emotionales – in diesem Fall Angst – Gedächtnis, das nicht an einer bestimmten Zeit und einem bestimmten Ort gebunden ist, weil der Hippocampus nicht das Was, Wo und Wann speichert. +Auf diese Weise können Reize das Verhalten steuern, wenn es nicht länger nötig ist, und deshalb werden sie maladaptiv. +Wenn wir also wissen, dass PTBS durch maladaptive Erinnerungen ausgelöst wird, können wir dieses Wissen dann zur Verbesserung von Behandlungsergebnissen für Patienten mit PTBS verwenden? +Ein radikaler neuer Ansatz, der zur Behandlung von posttraumatischer Belastungsstörung entwickelt wurde, zielt darauf ab, diese maladaptiven emotionalen Erinnerungen, die der Störung unterliegen, zu zerstören. +Dieser Ansatz wird nur aufgrund der fundamentalen Veränderungen in Bezug auf unser Verständnis von Gedächtnis in den letzten Jahren als Möglichkeit in Betracht gezogen. +Ursprünglich wurde davon ausgegangen, dass das Schaffen einer Erinnerung dem Schreiben in einem Notizbuch mit einem Füller glich: sobald die Tinte einmal getrocknet war, konnten die Informationen nicht mehr verändert werden. +Man nahm an, dass all diese Strukturveränderungen, die im Gehirn zur Unterstützung des Speicherns einer Erinnerung erfolgen, innerhalb von sechs Stunden beendet war. Danach blieben sie dauerhaft erhalten. +Dies wird als Konsolidierungsperspektive bezeichnet. +Neueste Untersuchungen deuten jedoch darauf hin, dass das Schaffen einer Erinnerung eigentlich vielmehr dem Schreiben in einem Textverarbeitungsprogramm gleicht. +Zunächst schaffen wir die Erinnerung und dann speichern oder lagern wir sie ein. +Doch unter den richtigen Bedingungen können wir diese Erinnerung bearbeiten. +Diese Rekonsolidierungsperspektive deutet darauf hin, dass solche strukturellen Veränderungen, die im Gehirn zur Unterstützung des Gedächtnisses stattfinden, rückgängig gemacht werden können, sogar bei älteren Erinnerungen. +Doch dieser Bearbeitungsprozess erfolgt nicht die ganze Zeit. +Er erfolgt nur unter sehr konkreten Bedingungen des Gedächtnisabrufs. +Betrachten wir also den Gedächtnisabruf als ein Abfragen der Erinnerung oder beispielsweise als ein Öffnen der Datei. +Wir rufen ganz oft einfach die Erinnerung ab. +Wir öffnen die Datei als schreibgeschützt. +Doch unter den richtigen Bedingungen können wir die Datei im Bearbeitungsmodus öffnen und dann die Informationen verändern. +In der Theorie können wir den Inhalt der Datei löschen, und durch das Klicken auf Speichern wird die Datei, sprich die Erinnerung, persistent. +Nicht nur erlaubt uns diese Rekonsolidierungsperspektive einige der Eigenheiten des Gedächtnisses zu erklären, zum Beispiel wie wir uns alle an vergangene Ereignisse falsch erinnern, sie weist uns auch einen Weg auf, diese maladaptiven von Angst erfüllten Erinnerungen, die PTBS unterliegen, zu zerstören. +Alles, was wir benötigen würden, wären zwei Dinge: einen Weg, das Gedächtnis unstabil zu machen – die Datei im Bearbeitungsmodus zu öffnen – und einen Weg, die Informationen zu löschen. +Den größten Fortschritt haben wir mit der Erarbeitung dessen gemacht, wie die Informationen gelöscht werden können. +Bereits zu einem recht frühen Zeitpunkt fand man heraus, dass ein Medikament, das im Wesentlichen zur Regulierung des Blutdrucks verschrieben wurde – ein Betablocker namens Propranolol –, zur Verhinderung der Rekonsolidierung von Angst erfüllten Erinnerungen bei Ratten verwendet werden konnte. +Wurde Propranolol verabreicht, während sich das Gedächtnis noch im Bearbeitungsmodus befand, verhielten sich die Ratten so, als ob sie sich nicht länger vor einem Reiz fürchten würden, der Angst auslöst. +Es schien, als ob sie niemals gelernt hätten, sich vor diesem Reiz zu fürchten. +Und dies war mithilfe eines Medikaments möglich, das auch für die Anwendung beim Menschen sicher war. +Kurz danach konnte erwiesen werden, dass Propranolol auch bei Menschen von Angst erfüllte Erinnerungen zerstören konnte. Es ist jedoch wichtig zu wissen, dass dies nur dann funktioniert, wenn sich das Gedächtnis im Bearbeitungsmodus befindet. +Obwohl die Studie mit gesunden menschlichen Probanden durchgeführt wurde, war sie dennoch wichtig, weil sie zeigt, dass die Ergebnisse bei Ratten auch auf die Menschen und letztlich auf menschliche Patienten erweitert werden konnten. +Bei Menschen kann untersucht werden, ob die Zerstörung des impliziten emotionalen Gedächtnisses irgendetwas mit dem expliziten Ereignisgedächtnis macht. +Und das ist sehr interessant. +Obwohl Menschen, denen Propranolol verabreicht wurde, während sich ihr Gedächtnis im Bearbeitungsmodus befand, sich nicht länger vor dem Reiz fürchteten, der Angst auslöste, konnten sie noch immer die Bindung zwischen dem Reiz und dem angsteinflößenden Ergebnis beschreiben. +Es war, als ob sie wussten, dass sie eigentlich Angst haben sollten, doch sie hatten keine. +Dies deutete darauf hin, dass Propranolol gezielt das implizite emotionale Gedächtnis ansprechen, doch das explizite Ereignisgedächtnis intakt lassen kann. +Es ist jedoch wichtig zu sagen, dass Propranolol nur dann seine Wirkung entfalten kann, wenn sich das Gedächtnis im Bearbeitungsmodus befindet. +Wie machen wir also ein Gedächtnis unstabil? +Wie können wir es in den Bearbeitungsmodus bringen? +Mein eigenes Labor hat bereits viel daran gearbeitet. +Wir wissen, dass es davon abhängig ist, dass einige, aber nicht allzu viele neue Informationen in das Gedächtnis aufgenommen werden. +Wie kennen die unterschiedlichen Chemikalien, die vom Gehirn verwendet werden, um zu signalisieren, dass ein Gedächtnis aktualisiert und die Datei bearbeitet werden sollte. +Wir arbeiten meistens noch mit Ratten, doch haben andere Labore herausgefunden, dass dieselben Faktoren es ermöglichen, Erinnerungen beim Menschen zu bearbeiten, sogar maladaptive Erinnerungen wie die, die PTBS unterliegen. +Einige Labore in unterschiedlichen Ländern haben mit kleinen klinischen Versuchen dieser gedächtniszerstörenden Behandlungen für PTBS begonnen und sehr vielversprechende Ergebnisse gefunden. +Diese Studien müssen nun in größerem Umfang wiederholt werden, sind jedoch in Bezug auf die gedächtniszerstörenden Behandlungen für PTBS recht vielversprechend. +Vielleicht müssen traumatische Erinnerungen nicht die Hölle sein, aus der wir nicht entkommen können. +Obwohl dieser gedächtniszerstörende Ansatz vielversprechend ist, kann nicht davon ausgegangen werden, dass er unkompliziert oder unumstritten ist. +Ist es ethisch vertretbar, Erinnerungen zu zerstören? +Was ist mit Dingen wie einem Augenzeugenbericht? +Was ist, wenn man jemandem Propranolol nicht verabreichen kann, weil es sich mit anderen Medikamenten, die diese Person einnimmt, nicht verträgt? +Im Hinblick auf die Ethik und dem Augenzeugenbericht würde ich sagen, dass es wichtig ist, dass das Ergebnis der Humanstudie berücksichtigt wird. +Da Propranolol ausschließlich beim impliziten emotionalen Gedächtnis wirkt, scheint es unwahrscheinlich zu sein, dass es Auswirkungen auf einen Augenzeugenbericht, der auf dem expliziten Gedächtnis basiert, haben würde. +Das grundlegende Ziel dieser gedächtniszerstörenden Behandlung ist es, das emotionale Gedächtnis zu reduzieren, und nicht das Traumagedächtnis völlig loszuwerden. +Dies sollte dazu führen, dass die Reaktionen von Menschen mit PTBS eher denen ähneln, die zwar ein Traum durchlebt, jedoch kein PTBS entwickelt haben, als Menschen, die noch nie ein Trauma erlebt haben. +Ich denke, dass die meisten Menschen dies eher ethisch vertretbar finden würden als eine Behandlung, die darauf abzielt, eine Art blanken Verstand zu erschaffen. +Was ist mit Propranolol? Propranolol kann nicht jedem verabreicht werden, und auch nicht jeder will das Medikament zur Behandlung psychischer Erkrankungen einnehmen. +An dieser Stelle könnte Tetris ganz nützlich sein. Ganz genau, Tetris. In Zusammenarbeit mit klinischen Mitarbeitern haben wir untersucht, ob Verhaltensinterventionen auch die Rekonsolidierung von Erinnerungen beeinträchtigen kann. +Wie würde das funktionieren? +Wie wissen, dass es im Grunde unmöglich ist, zwei Aufgaben gleichzeitig zu erledigen, wenn beide von derselben Hirnregion zur Verarbeitung abhängig sind. +Angenommen, du versuchst, ein Lied im Radio mitzusingen, während du parallel eine E-Mail schreibst. +Die Verarbeitung der einen Tätigkeit beeinträchtigt die Verarbeitung der anderen. +Im Wesentlichen ist es dasselbe, wenn du eine Erinnerung abrufst, insbesondere im Bearbeitungsmodus. +Wenn wir ein hochgradig sichtbares Symptom wie Flashbacks bei PTBS nehmen und Menschen dazu bringen, die Erinnerung im Bearbeitungsmodus abzurufen, und sie im Anschluss eine sehr visuelle Aufgabe wie das Spielen von Tetris durchführen lassen, dann sollte es möglich sein, so viele beeinträchtigende Informationen in dieser Erinnerung zu bringen, sodass diese im Prinzip bedeutungslos wird. +Das ist die Theorie, und sie wird durch Daten von gesunden Probanden gestützt. +Unsere Probanden haben sehr unangenehme Filme gesehen – denke zum Beispiel an eine Augenoperation, Werbeanzeigen für Sicherheit im Straßenverkehr, Scorseses „The Big Shave“. Diese traumatischen Filme erzeugen bei gesunden Probanden etwa eine Woche nach dem Ansehen so etwas wie Flashbacks. +Wir fanden heraus, dass sich bei Menschen, die solche Erinnerungen abrufen, die schlimmsten Momente in diesen unangenehmen Filmen, und gleichzeitig Tetris spielen, die Häufigkeit von Flashbacks stark reduzierte. +Und wieder: Das Gedächtnis muss sich für diese Tätigkeit im Bearbeitungsmodus befinden. +Meine Mitarbeiter haben dies inzwischen auf klinische Populationen übertragen. +Sie haben dies bei Überlebenden von Verkehrsunfällen und Müttern überprüft, die Notkaiserschnitte hatten, beides Arten von Traumata, die häufig zu PTBS führen, und stellten in beiden klinischen Fällen eine recht vielversprechende Reduzierung der Symptome fest. +Obwohl es noch viel zu darüber lernen und auch Verfahren zu optimieren gibt, sind diese gedächtniszerstörenden Behandlungen zur Therapie von psychischen Störungen wie PTBS äußerst vielversprechend. +Vielleicht müssen traumatische Erinnerungen nicht die Hölle sein, aus der wir nicht entkommen können. +Ich glaube, dass dieser Ansatz denjenigen erlaubt werden sollte, die bestimmte Kapitel in ihrem Leben, die sie lieber nicht erlebt hätten, löschen möchten, und dadurch ihre psychische Gesundheit verbessern. +Vielen Dank! + + +