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# Türkei-Wahl in Deutschland startet
Etwa 1,5 Millionen türkische Staatsbürger in Deutschland können von heute an ihre Stimme für die Parlaments- und Präsidentenwahlen in der Türkei abgeben. Präsident Erdogan sagte wegen gesundheitlicher Probleme weitere Wahlkampftermine ab. Ob der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wiedergewählt wird, können etwa 1,5 Millionen Türken in Deutschland mitentscheiden: Bis zum 9. Mai sind sie dazu aufgerufen, ihre Stimme in einem der 26 Wahllokale in der Bundesrepublik abzugeben. In der Türkei finden die Parlaments- und Präsidentenwahlen erst am 14. Mai statt. Erreicht dann keiner der Präsidentschaftskandidaten mehr als 50 Prozent, geht es am 28. Mai in die Stichwahl. Bei den vergangenen Wahlen vor fünf Jahren hatte es Streit um Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland gegeben. Ein ähnlicher Konflikt wird diesmal nicht erwartet. Inzwischen sind solche Auftritte ausländischer Politiker drei Monate vor den Abstimmungen in ihren Ländern nicht mehr erlaubt. Buschmann warnt vor Hetzreden Bundesjustizminister Marco Buschmann rief die Bundesländer dennoch dazu auf, gegen hetzerische Reden türkischer Politiker in Deutschland vor den Wahlen vorzugehen. "In der Vergangenheit gab es Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland, bei denen eine hetzerische Rhetorik an den Tag gelegt wurde", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Sollte sich jemand über eine nicht erteilte Auftrittsgenehmigung hinwegsetzen und in Deutschland auf einem öffentlichen Platz eine hetzerische Rede halten, hätten die Behörden die Möglichkeit einzuschreiten. "Zuständig sind hier die Länder. Ich rege an, dass sie von ihrer Möglichkeit Gebrauch machen." Gesundheitliche Probleme Erdogan muss nach 20 Jahren an der Macht um seine Wiederwahl fürchten. Umfragen sehen ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen ihm und seinem Herausforderer, dem Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu, voraus. Dieser tritt als gemeinsamer Kandidat für eine Allianz aus sechs Oppositionsparteien unterschiedlicher Lager an. Wer die Mehrheit im Parlament mit seinen 600 Abgeordneten gewinnt, ist noch nicht absehbar. Wegen gesundheitlicher Probleme sagte Erdogan weitere Wahlkampftermine ab. Bereits am Dienstag hatte er nach der plötzlichen Unterbrechung eines Fernsehinterviews wegen Bauchbeschwerden eine Wahlkampfpause bekannt gegeben. Er erhole sich auf ärztlichen Rat hin zu Hause, teilte er bei Twitter mit. Social-Media-Beitrag auf Twitter von Recep Tayyip Erdoğan: "Yoğun mesaim sebebiyle yayın esnasında geçirdiğim küçük rahatsızlıktan ötürü geçmiş olsun dileklerini ileten, dualarını eksik etmeyen necip milletimin her bir ferdine, her bir kardeşime çok çok teşekkür ediyorum.…" Erdogan hatte mehrere Wahlkampfauftritte in Anatolien geplant. Er sagte, dass Vizepräsident Fuat Oktay ihn bei den Veranstaltungen vertreten werde. |
# Bolsonaro bestreitet Verwicklung in Regierungssturm
Brasiliens Ex-Präsident Bolsonaro hat eine Verwicklung in den Sturm auf das Regierungsviertel in Brasilia bestritten. Bolsonaro hatte nach seiner verlorenen Wahl immer wieder von Betrug gesprochen. Brasiliens rechtsextremer Ex-Präsident Jair Bolsonaro ist am Mittwoch über zwei Stunden lang zum Sturm auf das Regierungsviertel im Januar in Brasília verhört worden. Die Justiz ermittelt gegen den 68-Jährigen wegen des Vorwurfs, dass er hinter dem gewalttätigen Aufruhr steckte und seine Anhänger dazu aufgestachelt habe, um einen Putsch gegen seinen Nachfolger anzuzetteln. Bolsonaro fuhr nach der Anhörung in einem Auto mit abgedunkelten Scheiben vom Präsidium der Bundespolizei ab, ohne eine Erklärung abzugeben. Bolsonaro verurteilt Verwüstungen Bolsonaro wies nach Angaben seines Sprechers bei der Anhörung jegliche Verwicklung in den Sturm von tausenden seiner Anhänger auf das Parlament, das Oberste Gericht und den Präsidentenpalast am 8. Januar zurück. Bolsonaro habe die Verwüstungen "verurteilt" und "das Kapitel Wahl seit dem Tag seiner Niederlage abgeschlossen", sagte Sprecher Fábio Wajngarten. Auch sei ein Video, in dem seiner Wahlniederlage widersprochen wurde, versehentlich veröffentlicht worden, fügte Anwalt Paulo Bueno hinzu. Bolsonaro spricht immer wieder von Wahlbetrug Ähnlich wie in den USA nach der Abwahl des Rechtspopulisten Donald Trump hatten auch in Brasilien nach der Wahlniederlage von Bolsonaro dessen Anhänger zu Tausenden das Regierungsviertel gestürmt. Bolsonaro hat den Wahlsieg seines linksgerichteten Nachfolgers Luiz Inácio Lula da Silva bis heute nicht explizit anerkannt; er hatte vor und nach der Wahl immer wieder von Wahlbetrug gesprochen. Weitere Ermittlungsverfahren gegen Bolsonaro Am 8. Januar, eine Woche nach der Amtseinführung von Lula, kam es dann zu dem Aufruhr von gewaltbereiten Bolsonaro-Anhängern in Brasília. Bolsonaro hat eine Verwicklung in die Erstürmung und Verwüstung der staatlichen Stellen in der brasilianischen Hauptstadt stets bestritten. Ein Richter des Obersten Gerichts hatte Mitte April die Vernehmung von Bolsonaro angeordnet. Der Ex-Präsident und Ex-Militär war nach seiner Wahlniederlage im Dezember in die USA ausgereist, wo er monatelang in Florida blieb und sich damit weigerte, an der traditionellen Amtsübergabe an seinen Nachfolger teilzunehmen. Gegen Bolsonaro, der erst Ende März aus den USA nach Brasilien zurückkehrte, laufen noch weitere Ermittlungsverfahren in Brasilien. |
# Streiten, ob Hilfe wirklich richtig ist
Deutschland hat seine Finanzhilfen für Afghanistan deutlich reduziert. Ob das richtig ist, darüber streitet die Politik. Hilfsorganisationen drängen auf stärkeres Engagement. Hans-Hermann Dube formuliert drastisch, wenn man ihn auf die deutsche Hilfe für die Menschen in Afghanistan anspricht. "Wir lassen sie im Moment verrecken", sagt der 70-jährige pensionierte Beamte aus Schleswig-Holstein: "Und das macht mich ganz nervös, zu erleben, dass wir eine ziemlich ignorante deutsche Politik haben." Dube hat mehrere Jahre in Kabul gelebt und leitete von 2002 bis 2015 Entwicklungsprojekte der staatlichen deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Zur Realisierung der Projekte habe er damals mit allen Beteiligten vor Ort gesprochen, auch mit den Taliban. Das müsse auch jetzt geschehen, ist er überzeugt: "Wir werden mit dieser Regierung, ob Taliban oder wer auch immer, leben und arbeiten müssen, um den Menschen zu helfen, damit sie aus diesem Land nicht mehr fliehen müssen." Dube spricht sich vehement für eine Wiederaufnahme umfassender Entwicklungshilfen aus, um Afghaninnen und Afghanen in die Lage zu versetzen, für ihr Überleben zu arbeiten. "Das wäre die beste Möglichkeit, dem Land zu helfen." Nichtregierungsorganisationen appellieren an Bundesregierung 22 deutsche Nichtregierungsorganisationen hatten im Februar in einem Brief an Bundesaußenministerin Annalena Baerbock appelliert, die humanitäre Arbeit "wieder in vollem Umfang zu ermöglichen - politisch wie finanziell" und dem Versprechen der Bundesregierung nachzukommen, "die Menschen in Afghanistan nicht im Stich zu lassen". Welthungerhilfe-Geschäftsführer Mathias Mogge sagte jetzt NDR Info, die humanitäre Nothilfe gehe zwar weiter, aber mit mehr Geld der internationalen und deutschen Geber auch für Entwicklungshilfeprojekte könnte man "wesentlich mehr umsetzen". Von 330 Millionen auf 39 Millionen Euro Doch das ist in der Ampel-Koalition derzeit nicht mehrheitsfähig. Während die SPD neben Nothilfe auch eine Wiederaufnahme der Entwicklungshilfe fordert, lehnen FDP, Grüne und das Auswärtige Amt dies derzeit ab. Sie verweisen dabei unter anderem auf das Dekret der Talibanführung, das Frauen die Arbeit für Hilfsorganisationen verbietet. Das ergab eine Abfrage der Bundestagsfraktionen und der beteiligten Ministerien durch NDR Info. Aus dem Auswärtigen Amt heißt es, man habe für 2023 bislang 39 Millionen Euro an humanitärer Hilfe für Afghanistan zugesagt. 2022 waren es noch 330 Millionen. Das Bundesentwicklungsministerium (BMZ) finanziert derzeit nur Projekte für die Sicherung der menschlichen Grundbedürfnisse. Umfassende Entwicklungsprojekte wie vor der Machtübernahme der Taliban liegen auf Eis. Der Umfang des Engagements hängt nach Angaben eines Ministeriumssprechers davon ab, "ob und inwieweit es möglich sein wird, mit Frauen für Frauen in Afghanistan tätig zu sein". Hilfsorganisationen berichten, dass in vielen Regionen Hilfe in Absprache mit den dortigen Talibanverantwortlichen auch mit Beteiligung von Frauen möglich sei. "Wir haben nach wie vor den Eindruck, dass wir sicherstellen können, dass die Hilfe bei den Bedürftigsten ankommt", so Mathias Mogge von der Welthungerhilfe. Auch bei Frauen und Kindern, "das können wir nach wie vor garantieren". Koalition tief gespalten Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Gabriela Heinrich sagte NDR Info ausdrücklich auch mit Bezug auf Entwicklungshilfe: "Überall da, wo man mit Organisationen direkt an die Menschen kommen kann, muss man es weiter machen, muss man es weiter probieren, so lange und soweit es eben geht." Dagegen erklärte der entwicklungspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Till Mansmann: "Unter den aktuellen Voraussetzungen ist Entwicklungszusammenarbeit schlicht nicht möglich und sollte ausgesetzt bleiben - auch, um nicht die Politik eines menschenfeindlichen Regimes zu stützen". Die Grünen-Abgeordnete Schahina Gambir befürwortete lediglich humanitäre Hilfe und forderte von den Taliban, das Beschäftigungsverbot für Frauen zurückzunehmen. "Die Taliban benachteiligen so gezielt Frauen als Ziel von humanitärer Hilfe. Sie verhindern so die lebensrettende Hilfe für ihre eigene Bevölkerung. Sie nehmen sie in Geiselhaft." Gabriela Heinrich von der SPD sprach von einem Dissens in der Koalition, dessen Lösung eine Frage von Gesprächen und der Zeit sei, weil andere Länder ihre Aktivitäten in Afghanistan derzeit verstärkten. FDP und Grüne fürchten falsches Signal an Taliban Um Hilfsorganisationen bei ihrer Arbeit vor Ort zu unterstützen, schlägt die Welthungerhilfe die Wiedereröffnung der Deutschen Botschaft in Kabul auf Arbeitsebene vor. Das befürwortet auch SPD-Politikerin Heinrich. FDP und Grüne lehnen sie jedoch strikt ab und würden darin ein falsches Signal an die Taliban-Regierung sehen. Aus dem Auswärtigen Amt heißt es dazu, angesichts der jüngsten politischen Entwicklungen gebe es derzeit keine Pläne für eine Wiedereröffnung der Botschaft in Kabul. Klar sei, "dass wir uns mit der internationalen Hilfe nicht zum Handlanger der Taliban machen können, die mit ihrem Vorgehen grundlegenden humanitären Prinzipien widersprechen". Auch in der Opposition gehen die Meinungen stark auseinander. Die Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, Sevim Dagdelen, sprach sich für umfassende Entwicklungshilfe und die Eröffnung der Botschaft aus. Sie sei dagegen, die Afghanistan-Hilfen als Druckmittel einsetzen zu wollen. "Es ist eine wohlfeile Illusion, dadurch die reaktionäre Politik der Machthaber ändern zu können. Wir brauchen dringend eine humanitäre Wende der deutschen Afghanistanpolitik", so Dagdelen. "Entwicklungspolitisch ein Fass ohne Boden" Der CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt forderte dagegen Zugeständnisse der Taliban: "Wenn wir Entwicklungshilfeprojekte oder auch Hilfsprojekte organisieren, dann gilt natürlich immer, dass wir auch auf die Einhaltung von Menschenrechten und von Grundrechten achten. Das ist nicht gewährleistet." Der entwicklungspolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Markus Frohnmaier, sieht "derzeit keine Grundlage für weitere Hilfsleistungen". Afghanistans Probleme könnten nicht von außen gelöst werden, Deutschland solle sich zurückziehen. "Afghanistan ist entwicklungspolitisch ein Fass ohne Boden", warnte er. Dube hat bei allem Groll gegen die Bundesregierung und trotz der prekären humanitären Lage Hoffnung für Afghanistan. "Ich habe so lange in dem Land gelebt und kenne die Menschen", sagte der pensionierte Beamte aus Bordesholm. "Ich stehe im täglichen Kontakt, auch mit der derzeitigen afghanischen Regierung." Daher wisse er, dass "diese Menschen eine Verbesserung der Situation im Land haben wollen". Und deswegen werde sich die Lage verändern. |
# Republikaner machen Druck auf Biden
Die Republikaner im US-Kongress wollen Präsident Biden zu Zugeständnissen bei den Regierungsausgaben zwingen. Der ist nicht bereit, Bedingungen für eine Anhebung der Schuldenobergrenze zu akzeptieren - jedenfalls noch nicht. Das US-Repräsentantenhaus hat einem Gesetzesvorschlag für eine Anhebung der Schuldenobergrenze zugestimmt. Dem Vorschlag zufolge dürfte die Regierung 1,5 Billionen Dollar mehr Schulden aufnehmen als bislang. Im Gegenzug ließen sich die mehrheitlich republikanischen Abgeordneten der Kongresskammer strikte Ausgabenbeschränkungen zusichern. Für den republikanischen Vorsitzenden des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, ist es ein taktischer Erfolg. Er fordert von US-Präsident Joe Biden Verhandlungen über den Regierungshaushalt, um eine folgenschwere Zahlungsunfähigkeit der Regierung zu verhindern. Gesetz hat im Senat praktisch keine Chance Das Gesetz wurde mit einer knappen Mehrheit von 217 zu 215 Stimmen verabschiedet. Biden hat angedroht, sein Veto gegen das republikanische Paket einzulegen, das praktisch keine Aussichten hat, den von den Demokraten kontrollierten Senat zu passieren. Bislang hat der Präsident sich geweigert, über die Schuldenobergrenze zu verhandeln. Das Weiße Haus pocht darauf, dass diese ohne Gegenbedingungen angehoben werden müsse, um sicherzustellen, dass das Land seinen Verbindlichkeiten nachkommen kann. Biden deutet Gesprächsbereitschaft an McCarthys Fähigkeit, seine knappe Mehrheit zu einigen und die Maßnahme durch das Repräsentantenhaus zu bringen - auch gegen den Widerstand der Demokraten und von Abweichlern innerhalb der eigenen Partei - könnte sich jedoch als Schlüssel erweisen, Biden zu Verhandlungen zu nötigen. "Wir haben unseren Job gemacht", sagte McCarthy nach der Abstimmung im Kapitolsgebäude in der Hauptstadt Washington."«Der Präsident kann nicht länger ignorieren, indem er nicht verhandelt", sagte er. "Er sollte sich jetzt hinsetzen und verhandeln." Während das Repräsentantenhaus noch über den Gesetzesvorschlag debattierte, deutete Biden an, dass er die Tür für Gespräche mit McCarthy öffnen könne - aber nicht über das Abwenden eines historisch beispiellosen Zahlungsausfalls der USA, der deren Volkswirtschaft erschüttern würde und weit darüber hinaus zu spüren wäre. "Ich bin gerne bereit, mich mit McCarthy zu treffen, aber nicht zu der Frage, ob die Schuldengrenze angehoben wird oder nicht", sagte Biden. "Das ist nicht verhandelbar." Die Schuldenobergrenze in den USA liegt derzeit bei 31 Billionen Dollar. |
# Russland plant Schein-Organisation zur Einflussnahme
Russland will offenbar das Thema Ostseeverschmutzung für sich nutzen. Das zeigt eine Recherche von WDR, NDR und SZ. Westliche Experten sollen demnach beeinflusst werden und Moskaus Botschaften verbreiten. Um mehr Rückhalt für seine Politik zu bekommen, plant Russland offenbar die Einrichtung einer neuen Plattform mit internationalen Teilnehmern. Das zeigt ein aktuelles Papier, das aus der russischen Präsidialadministration stammen soll und von WDR, NDR, "Süddeutscher Zeitung" und internationalen Medienpartnern ausgewertet wurde. Demnach soll es bereits erste Treffen dazu gegeben haben. Den Papieren zufolge ist die Einrichtung eines neuen wissenschaftlichen Forums geplant, das sich offiziell mit der Verschmutzung der Ostsee beschäftigen soll. Dadurch könnten westliche Experten umworben werden, damit diese dann auch politische Botschaften im Sinne Moskaus platzieren. Klassische Einflussoperation In dem Dokument, das aus dem Januar 2023 stammen soll, wird das Vorhaben konkret beschrieben: Durch ein möglichst unpolitisches Thema könnten Vertreter aus europäischer Forschung, Kultur und NGOs wieder in einen Austausch mit Russland kommen. Als mögliches Thema nennen die Autoren des Dokuments die tatsächlich belastete Ökologie der Ostsee. Ihr Plan: Ein Forum - "Baltische Plattform" - solle internationale Experten versammeln. Als mögliche Zielländer für Teilnehmer wird das Baltikum im größeren Sinne ins Visier genommen, aber auch Skandinavien und Deutschland werden explizit genannt. So etwas nennen westliche Sicherheitsbehörden eine klassische nachrichtendienstliche Einflussoperation, eine Strategie der Unterwanderung. Ihre Analyse: Russland versuche damit, nach den Sanktionen des Westens mit einzelnen europäischen Ländern wieder ins Gespräch zu kommen, um später seine Interessen durchzusetzen. Bereits im Herbst 2023 soll die Plattform laut Strategiepapier Gäste versammeln. Das größere Ziel liegt jedoch offenbar nicht in einer Diskussion über die Umwelt. Stattdessen heißt es: Als Ergebnis solle die "Baltische Plattform" einen "allmählichen Übergang der Diskussion von nicht-politischen Themen zu aktuellen politischen Inhalten" schaffen. Erprobte Strategie Westliche Sicherheitsexperten halten es für authentisch. Zwei renommierte Politikanalysten staatlicher russischer Institute sollen das Papier verfasst und der Präsidialverwaltung präsentiert haben. Eine Anfrage ließen sie unbeantwortet. Offenbar wird also auf hoher Ebene im Kreml über Strategien nachgedacht, wie Russland international wieder einen Fuß in die Tür bekommen könnte. Vergleichbare Pläne verfolgte der Kreml schon in den vergangenen Jahren. Rund um den Bau und die Nutzung der Gas-Pipelines Nord Stream 1 und 2 hatte sich Russland beispielsweise mit Geld oder Personal eingebracht und damit für die Projekte geworben. So gehörte der damalige Handelsgesandte der Russischen Botschaft in Berlin zu den Gründern des Ostinstituts, das in Mecklenburg-Vorpommern viele Russland-Lobbyisten versammelte. Auch ein russischer Agent, der mittlerweile Deutschland verlassen musste, soll bei dem Pipelineprojekt mitgemischt haben. Auch engagierte sich Russland in der Vergangenheit bei weiteren politischen Gesprächskreisen oder Wirtschaftsvereinigungen. "Inoffizielle Dimension" Seit dem Start des russischen Angriffskrieges in der Ukraine werden solche Projekte allerdings vom Westen deutlich kritischer betrachtet als zuvor. Osteuropa-Experte Kai-Olaf Lang von der Stiftung Wissenschaft und Politik meint: "Russland muss sich dessen bewusst sein, dass die diversen Formate der regionalen Kooperation im Ostseeraum im Gefrierschrank sind." Die russischen Strategen sind sich offensichtlich bewusst, dass sie in der Defensive sind. Die neue "Baltische Plattform" solle sich als Thema die "Ökologie der Ostsee" auf die Fahnen schreiben, weil dieser Bereich, "nicht unumkehrbar politisiert" sei, heißt es im Dokument. Der Recherche zufolge scheint die Umsetzung der Pläne bereits begonnen zu haben. Zunächst fallen in dem Dokument 13 Namen von Personen für ein mögliches Organisationskomitee der "Baltischen Plattform". Es handelt sich um einige hochrangige Beamte, vor allem aber um regimetreue Rektoren namhafter russischer Universitäten. Schon im Herbst 2022 sollen sich acht Personen von der Liste in der russischen Enklave Kaliningrad getroffen haben. Damals wurde auch der Begriff der "Baltischen Plattform" öffentlich erwähnt. In späteren Interviews mit russischen Medien wurde für dieses Forum geworben. Die russische Präsidialadministration reagierte nicht auf die Anfrage zum Dokument und zur Idee des "Baltischen Plattforms". "Fisch fangen" Aleksander Toots, Leiter des Internen Sicherheitsdienstes Estlands KAPO, kennt das Vorgehen und vergleicht es mit anderen russischen Einflussversuchen: "Wir haben auch früher ähnliche Operationen identifiziert. Russland versucht, Themen aufzugreifen, die normale Menschen interessieren. Klima- und Umweltfragen sind ein gutes Beispiel dafür." Marius Laurinavičius, politischer Analyst aus Litauen, zieht den Vergleich eines Anglers heran - als würde man einen "Fisch fangen". Russland wolle über solche Foren mit Meinungsführern in Kontakt treten. "Diese sollten keine Politiker sein oder mit großen Dingen wie Politik oder Wirtschaft zu tun haben", sagt Laurinavičius. Das Ziel eines solchen Kontaktes bestehe darin, die "Denkweise" zu verstehen und dann "Entscheidungen zu treffen, welche dieser Leute für russischen Einfluss verwendet oder manchmal sogar als russische Agenten rekrutiert werden könnten". Bislang keine Kontaktversuche Die Verfasser nennen in dem Papier konkret Organisationen, die als Partner dienen könnten. Dazu gehörten das Baltic Sea Centre an der Universität Stockholm oder die Helsinki Kommission, die 1974 zum Schutz der Ostsee gegründet wurde. Beide Organisationen sind nicht für eine pro-russische Haltung bekannt. Tina Elfwing vom Baltic Sea Centre erklärte, dass es bislang keine Kontaktversuche gegeben habe. Dass der Name des Zentrums in dem Papier falle, sei "ärgerlich und unangenehm", sagt Elfwing. Dass Russland gerade den Zustand der Ostsee ausgesucht haben könnte, um in Austausch mit dem Westen zu kommen, scheint nachvollziehbar. Die Ostsee sei durch Müll, Ölfilme, Munitionsaltlasten und Abwasser belastet. Die Lage sei "sehr ernst", so Tina Elfwing, wenn auch wohl weniger ernst, als von Russland behauptet. Die Helsinki Kommission suspendierte Russland ihrerseits kurz nach seiner Invasion in die Ukraine. Auf Anfrage bestätigte die Kommission das. Alle Projekte würden weiterlaufen - mittlerweile aber ohne Russland. An der Recherche waren neben WDR, NDR und SZ folgende Medien beteiligt: Delfi Estonia, Dossier Center, Expressen, Frontstory.pl, Kyiv Independent, LRT, Re:Baltica, VSquare, Yahoo News |
# US-Spionage gegen das Verteidigungsministerium?
Ein streng geheimes Dokument aus den "Pentagon-Leaks" legt nahe, dass ein US-Geheimdienst das Bundesverteidigungsministerium ausspionierte. Es ist ein unscheinbarer gelber Zettel, der die Spionage der USA gegen das Bundesverteidigungsministerium zu belegen scheint. Das Dokument, das der Wochenzeitung "Die Zeit" und dem ARD-Politikmagazin Kontraste vorliegt, stammt aus den sogenannten "Pentagon-Leaks", einem Konvolut von US-Geheimdienstberichten, die im Internet kursieren und von einem 21-jährigen US-Nationalgardisten veröffentlich worden sein sollen. "Das deutsche Verteidigungsministerium lehnt eine vertiefte Kooperation mit der Volksrepublik China ab, bis China transparenter wird", so die deutsche Übersetzung der englischen Überschrift eines Kurzberichts, der mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem US-Geheimdienst stammt. Die Meldung zum deutschen Verteidigungsministerium soll nach kurzer Zeit wieder aus dem Netz verschwunden sein. Kontraste und "Die Zeit" haben das Dokument ausgewertet und halten es für authentisch, eine abschließende Bestätigung der Echtheit ist jedoch nur US-Regierungsstellen möglich. Eine Anfrage an den US-Geheimdienstkoordinator blieb zunächst unbeantwortet. Der mutmaßliche Spionage-Fall beschäftigt nach Kontraste- und "Zeit"-Informationen inzwischen deutsche Sicherheitsbehörden. Brisant an dem Dokument ist weniger der Inhalt als die Tatsache, dass die USA offenbar immer noch deutsche Regierungsstellen ausspionieren. Schon 2013 war im Rahmen der "NSA-Affäre" bekannt geworden, dass die USA in großem Stil in Deutschland abgehört und mitgelesen haben. Streng geheimes Dokument Über der Meldung findet sich ein Sammelsurium aus Abkürzungen, so bspw. "TS" für die Geheimhaltungsstufe top secret, streng geheim. Als Quelle wird "SI" für signal intelligence, also Fernmeldeaufklärung genannt. Somit könnte die Spionage etwa durch eine abgefangene E-Mail oder durch Hacking der IT-Systeme des Verteidigungsministeriums erfolgt sein. Die US-Geheimdienstler berichten in ihrer Meldung von einem Treffen am 20. Februar in Berlin: Vertreter des Bundesverteidigungsministeriums besprachen sich mit einer Delegation der chinesischen Streitkräfte. In Regierungskreisen wurde der Termin bestätigt. Demnach fand das Treffen im Rahmen der üblichen Militärdiplomatie und in Abstimmung mit anderen Ressorts der Bundesregierung statt. Auf deutscher Seite nahm unter anderem der zuständige Unterabteilungsleiter "Politik II" teil. Gesprochen wurde etwa über den Krieg in der Ukraine, die Spannungen in Bezug auf Taiwan und eine militärische Unterstützung der Vereinten Nationen. Die deutsche Seite soll dabei klar gemacht haben, dass die Chinesen transparenter werden müssten, bevor es eine vertiefte Kooperation geben könne. Chinesische "Charme-Offensive" Die Deutschen, so heißt es in dem mutmaßlichen US-Geheimdienstbericht, seien sich bewusst, dass die Chinesen im Rahmen einer Europa-Reise angesichts verstärkten politischen Drucks aus den USA eine "Charm-Offensive" führten. Weiter heißt es, die Deutschen sähen ihre Position als Bestätigung der deutschen Solidarität mit den USA. Das Absurde an der mutmaßlichen US-Spionage: Die US-Botschaft wurde nach Recherchen von Kontraste und "Zeit" sogar ganz offiziell von deutscher Seite über das Treffen mit den Chinesen unterrichtet. Nach Informationen von "Zeit" und Kontraste liegt das US-Dokument auch der Bundesregierung vor. Wie sie auf die mutmaßliche Spionage des Verbündeten reagieren wird, scheint indes noch unklar. In Berlin will man dies nach "Zeit"- und Kontraste-Informationen davon abhängig machen, wie sich die US-Regierung zu dem Vorgang verhält. Die Bundesregierung ist sich der Tatsache bewusst, dass Deutschland von US-Geheimdiensterkenntnissen abhängig ist, zudem versucht man angesichts des Ukraine-Kriegs das Verhältnis zu den USA möglichst nicht zu belasten. "Abhören unter Freunden geht gar nicht" "Das ist ein relevanter Vorgang, und es gilt der Satz von Frau Merkel: Abhören unter Freunden geht gar nicht", kommentiert der Innenpolitiker Konstantin von Notz von den Grünen den Vorgang. Von Notz betont aber, man müsse zunächst einmal mit den Amerikanern sprechen und klären, wie es zu der mutmaßlichen Spionage kommen konnte. Gustav Gressel vom European Council on Foreign Relations (ECFR) hält die mutmaßliche Spionage der USA gegen die Bundesrepublik für wenig überraschend, sie habe Tradition. Gressel selbst traf am Tag nach dem Termin im Verteidigungsministerium die mutmaßlich selbe chinesische Delegation. "Hier wird von den Amerikanern eine Information als 'top secret' eingestuft, die man auch hätte bekommen können, wenn man bei der Stiftung Wissenschaft und Politik anruft oder wenn man ganz freundlich im Verteidigungsministerium nachgefragt hätte", so Gressel zu Kontraste und "Zeit". Experte fordert "Zeitenwende" auch bei Spionage-Abwehr Gressel hält es jedoch für problematisch, dass sich Deutschland, das er als "nachrichtendienstlichen Nichtschwimmer" sieht, nicht besser schützt. Schließlich seien Informationen, die die Amerikaner ausspionieren können, auch potenziell für weniger freundlich gesinnte Nationen wie Russland oder China auszuspionieren. "Die Frage der nachrichtendienstlichen Abwehr ist in der Zeitenwende-Diskussion noch nicht angekommen. Dass auch die deutsche Öffentlichkeit, etwa wenn es dann wirklich um die Befugnisse eigener Nachrichtendienste, um die Verbesserung der Abwehrmöglichkeiten auch in Deutschland geht, den eigenen Behörden auch wirklich vertraut. Ich hoffe, wir kommen dahin. Aber wir sind noch lange nicht da", so Gressel. |
# ++ Wagner-Chef: Gegenoffensive "unvermeidlich" ++
Laut Wagner-Chef Prigoschin steht die ukrainische Gegenoffensive kurz bevor. Mehrere Bundestagsabgeordnete fordern die Freilassung des Kremlgegners Kara-Mursa. Alle Entwicklungen im Liveblog. Özdemir appelliert an Moskau: Getreideabkommen fortsetzen Bundesagrarminister Cem Özdemir hat Russland aufgefordert, das Abkommen zur Ausfuhr von Getreide aus der Ukraine fortzusetzen. "Russland muss seiner vor der Weltgemeinschaft abgegebenen Verpflichtung gerecht werden", sagte der Grünen-Politiker dem Nachrichtenportal "t-online". Für die Ukraine seien die Einnahmen aus dem Getreidehandel überlebenswichtig. "Das ukrainische Getreide muss dort ankommen, wo es gebraucht wird - nämlich in den Ländern des globalen Südens", so Özdemir. Bundestagsabgeordnete fordern Freilassung von Kremlgegner Kara-Mursa Bundestagsabgeordnete der Ampel-Parteien sowie der CDU machen sich für die Freilassung des in Russland inhaftierten Kremlgegners Wladimir Kara-Mursa stark. In einem gemeinsamen Brief an den russischen Botschafter in Berlin, Sergej Netschajew, heißt es laut Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Wir, als Mitglieder unterschiedlicher Fraktionen des Deutschen Bundestages, fordern Sie daher auf, sich bei der russischen Regierung für die umgehende Freilassung von Wladimir Kara-Mursa einzusetzen." Das Urteil gegen den schwerkranken 41-Jährigen sei "drakonisch", der "Kern des Putin-Regimes" sei "zutiefst menschenverachtend". Kara-Mursa war am 17. April zu 25 Jahren Haft in einem Straflager mit besonders harten Haftbedingungen verurteilt worden. Es ist die höchste Strafe, die bisher gegen einen Oppositionellen in Russland verhängt wurde. Zuvor hatte bereits das EU-Parlament die sofortige Freilassung von Kara-Mursa gefordert. Wagner-Chef Prigoschin: Ukrainische Gegenoffensive "unvermeidlich" Eine ukrainische Gegenoffensive steht nach den Worten des Chefs der russischen Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, kurz bevor. "Heute marschieren bereits gut ausgebildete feindliche Einheiten in Bachmut ein ... Eine Gegenoffensive der Ukrainer ist unvermeidlich", sagt Prigoschin in einer Videobotschaft. Seine Streitkräfte würden um jeden Preis vorrücken, um die ukrainische Armee "zu zermalmen". Separat erklärt der Sprecher der Heeresgruppe Ost der ukrainischen Streitkräfte, Serhij Tscherewatyj, dass die russischen Streitkräfte in den vergangenen 24 Stunden 324 Mal mit Artillerie und Mehrfachraketenwerfern angegriffen hätten. "Die Russen zerstören Gebäude in Bachmut, um unsere Soldaten daran zu hindern, sie als Verteidigungsanlagen zu nutzen." Das ukrainische Militär hat sich bislang nicht zu einer erneuten Gegenoffensive geäußert. Der Liveblog vom Mittwoch zum Nachlesen |
# Wie sich Twitter unter Elon Musk verändert hat
"Der Vogel ist befreit", twitterte Elon Musk vor sechs Monaten. Ende Oktober 2022 übernahm der Tech-Milliardär den Kurznachrichtendienst - und chaotische Wochen folgten. Wie steht die Plattform heute da? Es fängt an mit einem Waschbecken. Elon Musk betritt Ende Oktober die Twitter-Zentrale in San Francisco. Er trägt ein Waschbecken in die Lobby. Davon postet er ein Video und schreibt: "Let that sink in" - ein Wortspiel, das einerseits im übertragenen Sinne bedeutet: "Zieht euch das rein", aber streng wörtlich mit "Lasst das Waschbecken rein" übersetzt wird. Von den Beschäftigten finden das nicht alle witzig, viele müssen kurz nach diesem Tweet gehen. Social-Media-Beitrag auf Twitter von Elon Musk: "Entering Twitter HQ – let that sink in! pic.twitter.com/D68z4K2wq7" Das Personal Ein Großteil der Belegschaft ist entlassen worden. Vor der Übernahme arbeiteten weltweit rund 7500 Menschen bei Twitter, jetzt sollen es noch 1500 sein. Das hat Musk in einem BBC-Interview Mitte April gesagt. Ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beklagen die Umstände der Entlassungen; viele werden ohne Vorwarnung aus ihren Programmen ausgeloggt. Eine Gruppe aus der Belegschaft verklagt Twitter, weil Kündigungsfristen, die der Bundesstaat Kalifornien vorschreibt, nicht eingehalten wurden. Die Technik In den vergangenen Monaten gab es viele technische Fehler, Ausfälle, Pannen. Viele Mitarbeiter, die für die technische Wartung der Plattform zuständig waren, sind entlassen worden. Zusätzlich hat Musk immer wieder technische Neuerungen gefordert, die schnell und ohne ausführliche Tests eingeführt wurden. Die Redefreiheit Sie ist das große Thema von Elon Musk: Weil er die Redefreiheit bei Twitter als bedroht ansah, habe er die Plattform übernommen, gab er an. Für ihn umfasst freedom of speech auch extreme Positionen. Tausende Accounts, die zuvor wegen Hassrede oder sonstigen Verstößen bei Twitter gebannt wurden, sind wieder online. Das prominenteste Twitter-Konto ist das von Donald Trump; der hat allerdings seit seiner Freischaltung noch nicht wieder gewittert. Trump bevorzugt seinen eigenen Kurznachrichtendienst, die Plattform Truth Social. Content-Moderation finde seit der Übernahme gar nicht mehr oder kaum noch statt, berichten ehemalige und aktuelle Beschäftigte. Die Folge - das belegen verschiedene Untersuchungen - sind Falschinformationen, Hassrede, antisemitische und extremistische Posts. Sie haben im vergangenen halben Jahr zugenommen. Im BBC-Interview hat Musk das allerdings bestritten. Die blau-weißen Häkchen Der kleine Haken wurde ursprünglich eingeführt, um die Echtheit von Accounts zu markieren. Es sollte sofort klar sein: Dieser Prominente, diese Politikerin, dieses Medium, dieses Polizeipräsidium sind echt. Die Häkchen waren nicht käuflich. Fast alle ursprünglich verliehenen Häkchen wurden aber kürzlich entfernt. Jeder kann jetzt eins haben und muss dafür bezahlen: Privatpersonen rund zehn Euro im Monat, Unternehmen bekommen ein goldenes Häkchen für monatlich rund 1000 Euro. Das eigentliche Problem: Es wird nicht mehr zuverlässig überprüft, ob der Account tatsächlich echt ist. Es sind immer wieder Fake-Accounts aufgetaucht, die falsche Informationen verbreitet haben. Behörden, Ministerien oder Regierungsmitglieder werden mit einem grauen Häkchen gekennzeichnet, die nicht käuflich sind. Das Geld Unterstützt von Investoren hat Musk im September 44 Milliarden Dollar für Twitter bezahlt. Der Wert des Unternehmens hat sich mittlerweile halbiert. Technische Ausfälle, rassistische oder hetzerische Tweets und Unsicherheit durch Fake-Accounts sind kein gutes Umfeld für Werbeanzeigen. Große Firmen wie Volkswagen oder General Motors haben ihre Ausgaben bei Twitter pausiert. Twitter veröffentlicht keine offiziellen Zahlen mehr, doch die Werbeeinnahmen sind Marktbeobachtern zufolge stark zurückgegangen. 2023 sollen sie laut einer Analyse von "Insider Intelligence" um 28 Prozent niedriger liegen als im Vorjahr. Zusätzlich drohen hohe Kosten durch diverse Gerichtsverfahren. Gleichzeitig gibt es offenbar nur wenige, die für Twitter-Häkchen bezahlen wollen. Prominenten wie dem Schriftsteller Stephen King oder dem Basketballer Le Bron James wurde es unfreiwillig verliehen. Die wehren sich sogar dagegen, wollen nicht als mutmaßlich zahlende Unterstützer von Musk wahrgenommen werden. Helfen könnten Elon Musk ausgerechnet Accounts, die erst wegen Hassrede gesperrt und nach seiner Übernahme wieder reaktiviert wurden. Sie erreichen teilweise Millionen Menschen. Die Non-Profit-Organisation "Center for Countering Digital Hate" hat ausgerechnet, dass zehn dieser reichweitenstärksten Accounts Werbeeinnahmen von rund 19 Millionen Dollar pro Jahr bringen. Die Glaubwürdigkeit An Ansehen hat Twitter extrem verloren - und das nicht nur wegen der chaotischen Häkchen-Entscheidungen. Zwischenzeitlich wurden Accounts der BBC oder des US-Radio-Netzwerks NPR irreführenderweise als "staatlich finanziert" markiert. Diese Hinweise wurden mittlerweile wieder abgeschafft. NPR benutzt Twitter seitdem aber nicht mehr, weil das Netzwerk seine Glaubwürdigkeit in Gefahr sah. Die Bundesregierung sei besorgt und beobachte die Situation, sagte eine Regierungssprecherin in Berlin. Auch viele deutsche Medien sind weiter bei Twitter. Presseanfragen werden seit Wochen mit einer automatisierten E-Mail beantwortet. Sie enthält nur ein Zeichen: das Kothaufen-Emoji. Die Zukunft Twitter unter Musk hat ein chaotisches halbes Jahr erlebt. Vor allem die Entscheidungen rund um die Häkchen haben viel Vertrauen verspielt; Twitter wirkt zunehmend unzuverlässig. Noch sind viele Nutzer da. Alternativplattformen wie Mastodon sind zwar gewachsen, im Vergleich zu Twitter aber immer noch relativ klein. Der große, von vielen befürchtete Knall blieb zwar bisher aus - Twitter funktioniert grundsätzlich noch. Es weist aber bisher wenig darauf hin, dass Musk seinen chaotischen Führungsstil ändern wird. Deshalb steht Twitter aktuell ziemlich wackelig da. Beobachter vergleichen den Dienst unter Musk gelegentlich mit einem Schiff, das ganz langsam untergeht. Entscheidend wird sein, wann normale User, Politiker, Behörden und Medien in die Rettungsboote springen. |
# Bankensorgen dürften DAX belasten
Die Sorgen um die First Republic Bank und das US-Bankensystem drücken an den Börsen auf die Stimmung. Der DAX dürfte mit einem Minus in den Handel starten. Der DAX wird heute nach Berechnungen von Banken und Brokerhäusern niedriger starten. Zur Wochenmitte hatte der deutsche Leitindex 0,5 Prozent schwächer bei 15.795,73 Punkten geschlossen. Wie steht es um das US-Bankensystem? Im Fokus der Anleger stehen weiter die Sorgen um das US-Bankensystem. Für Nervosität sorgt der anhaltende Ausverkauf bei den Aktien der US-Krisenbank First Republic, die gestern den zweiten Tag in Folge auf ein Rekordtief gestürzt waren. Analysten blicken angesichts des massiven Einlagenabflusses bei dem Regionalinstitut mit Sorge auf die Rettungsbemühungen. Über Nacht sank der Marktwert der First Republic kurzzeitig um bis zu 41 Prozent auf etwa 888 Millionen Dollar und damit erstmals unter die Eine-Milliarde-Dollar-Marke. Das ist weit entfernt von dem Höchststand von mehr als 40 Milliarden Dollar im November 2021. Einem Bericht des TV-Senders CNBC zufolge ist die US-Regierung nicht bereit, dem Kreditgeber unter die Arme zu greifen. Die Bank selbst prüft mehrere Optionen wie den Verkauf von Vermögenswerten oder die Gründung einer Bad Bank, sagte ein Insider der Nachrichtenagentur Reuters. Tech-Werte an der Wall Street gefragt In den USA hatten überraschend starke Quartalszahlen von Microsoft den technologielastigen Nasdaq-Indizes leichten Auftrieb gegeben. Der Dow Jones Industrial gab dagegen nach. Allgemein war die Stimmung eher gedrückt, was ebenfalls den seit Dienstag wieder aufgeflammten Sorgen rund um den US-Bankensektor geschuldet war. Der Dow Jones verlor 0,8 Prozent auf 33.301 Punkte. Der marktbreite S&P 500 sank um 0,4 Prozent auf 4055 Punkte. Der technologielastige Auswahlindex Nasdaq 100 legte zugleich um 0,6 Prozent auf 12.806 Punkte zu. Bankensorgen verhindern Tech-Rally in Asien Der anhaltende Kurssturz der First Republic Bank wirft trotz solider Geschäftszahlen großer Tech-Konzerne auch einen Schatten auf die Kauflaune der Anleger in Asien. Der 225 Werte umfassende Nikkei-Index lag im Verlauf 0,3 Prozent tiefer bei 28.336 Punkten. Der breiter gefasste Topix-Index blieb unverändert und lag bei 2024 Punkten. Die Börse in Shanghai lag dagegen 0,2 Prozent im Plus. Der Index der wichtigsten Unternehmen in Shanghai und Shenzen gewann 0,1 Prozent. Deutsche Bank will weitere Stellen abbauen Die Deutsche Bank ist dank höherer Erträge in der Unternehmensbank mit einem Gewinnanstieg in das Jahr gestartet, will aber weitere Stellen streichen. Deutschlands größtes Geldhaus verdiente im ersten Jahresviertel unter dem Strich 1,158 Milliarden Euro, ein Plus von neun Prozent. Die Deutsche Bank konnte damit das elfte Gewinnquartal in Folge ausweisen. Die Kosten will die Bank aber weiter senken und kündigte einen Stellenabbau "in kundenfernen Bereichen" an. Wie hoch dieser ausfallen soll, wurde zunächst nicht genannt. Meta-Gewinn sinkt Beim Facebook-Konzern Meta gab es im vergangenen Quartal ein Umsatzplus von drei Prozent, während Analysten einen Rückgang erwartet hatten. Auch für das laufende Vierteljahr rechnet Meta mit einem Plus. Gründer und Chef Mark Zuckerberg sieht in Software mit Künstlicher Intelligenz einen Wachstumstreiber. Der Quartalsgewinn sank unterdessen um 24 Prozent auf 5,7 Milliarden Dollar. Starke Zahlen der Deutschen Börse Die Kursturbulenzen der vergangenen Monate haben der Deutschen Börse ein überraschend starkes Quartalsergebnis beschert. Der Reingewinn und das operative Ergebnis stiegen um jeweils zwölf Prozent auf 473 beziehungsweise 772 Millionen Euro. Das Umsatzwachstum fiel mit 16 Prozent auf 1,231 Milliarden Euro ebenfalls höher aus als erwartet. Absatzeinbruch bei BASF Im ersten Quartal sackten bei BASF Umsatz und Gewinn kräftig ab. Mit knapp 20 Milliarden Euro lag der Erlös über 13 Prozent niedriger als ein Jahr zuvor, als der russische Einmarsch in die Ukraine mitten im Quartal die Weltmärkte erschüttert hatte. Das um Sonderposten bereinigte operative Ergebnis vor Zinsen und Steuern (bereinigtes Ebit) sackte um fast ein Drittel auf gut 1,9 Milliarden Euro nach unten. Deutlich schlechter liefen die Geschäfte in fast allen Sparten. Nur das Geschäft mit Produkten für die Landwirtschaft entwickelte sich besser. HelloFresh verdient operativ mehr als erwartet Beim Kochboxenversender HelloFresh ging das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) um rund ein Drittel auf 66 Millionen Euro zurück. Experten hatten damit gerechnet, dass das operative Ergebnis bis auf rund 40 Millionen Euro absackt. Der Umsatz stieg erwartungsgemäß um rund fünf Prozent auf circa zwei Milliarden Euro. Konzernchef Dominik Richter hatte bereits vor einem Monat gesagt, dass das Wachstum der Monate Januar bis März nicht zweistellig ausfallen werde. Schwache Chip-Nachfrage belastet Samsung Die schwache Nachfrage nach Speicherchips, ein Überangebot und Preisrückgänge haben beim Marktführer Samsung im ersten Quartal deutlich am Gewinn gezehrt. Der Überschuss brach im Jahresvergleich um 86 Prozent auf 1,57 Billionen Won (1,06 Milliarden Euro) ein. Die Chipsparte wies demnach erstmals seit 14 Jahren wieder einen Verlust aus. Samsung erwartet, dass sich die Nachfrage in der zweiten Jahreshälfte langsam wieder erholt. |
# US-Autorin Carroll wirft Trump Vergewaltigung vor
Die US-Journalistin und Autorin Carroll hat vor einem New Yorker Gericht ihren Vergewaltigungsvorwurf gegen Ex-Präsident Trump bekräftigt. Es geht um einen Vorfall aus den 90er Jahren. Die US-Autorin Jean Carroll hat Donald Trump bei ihrer Zeugenaussage im Zivilprozess gegen den früheren Präsidenten Sexualverbrechen vorgeworfen. "Trump hat mich vergewaltigt", sagte die heute 79-Jährige vor einem Bundesgericht in Manhattan über die angebliche Tat Trumps Mitte der 1990er Jahre in einem New Yorker Nobelkaufhaus. Vorfall in einer Umkleidekabine Sie schilderte der Jury übereinstimmenden Medienberichten zufolge, wie Trump sie zunächst ansprach und um Hilfe bei einem Geschenk für eine Freundin bat. In der Folge habe er ihr signalisiert, mit ihm in eine Umkleidekabine zu gehen. Dort habe er sich Carrolls Darstellung zufolge dann an sie gedrückt und sei erst mit den Fingern und dann mit seinem Penis in die Schriftstellerin eingedrungen. Carroll erzählte weiter, sie habe Trump schließlich weggestoßen und sei aus dem Kaufhaus geflohen. "Ich habe mich geschämt, ich dachte, es wäre meine Schuld", sagte Carroll der "New York Times" zufolge. Trump: Carroll nicht mein "Typ" Nach dem Vorfall sei sie unfähig gewesen, romantische Beziehungen einzugehen. Der damals noch nicht als Politiker tätige Immobilienunternehmer Trump weist die Anschuldigung zurück. Carroll hatte den Vergewaltigungsvorwurf erstmals 2019 öffentlich gemacht, als Trump US-Präsident war. Der Republikaner bezichtigte sie daraufhin der Lüge und erklärte, sie sei nicht sein "Typ". "Er hat gelogen und meinen Ruf zerstört", sagte Carroll nun vor Gericht. "Ich bin hier, um mein Leben zurückzubekommen." Sie wisse zwar, dass anderen Menschen Schlimmeres widerfahren sei. Sie habe aber nach dem Vorfall nie wieder ein Liebesleben führen können. Vorwürfe strafrechtlich verjährt Carroll, eine langjährige Kolumnistin für das Magazin "Elle" und frühere Fernsehmoderatorin, hat Trump auf Schmerzensgeld in nicht genannter Höhe verklagt. Strafrechtlich sind die Vorwürfe verjährt, zivilrechtlich stand Carroll der Rechtsweg für eine Klage jedoch offen. Es wird geschätzt, dass der Prozess - der am Montag begonnen hatte - eine Woche dauern könnte. Trump selbst erschien bislang nicht. Dazu verpflichtet ist er nicht. Der Ex-Präsident war bereits im Oktober von Carrolls Anwältin unter Eid befragt worden. Carroll hatte Trump zunächst wegen Verleumdung verklagt. Im vergangenen November reichte sie eine zusätzliche Klage wegen der mutmaßlichen Vergewaltigung selbst ein. Möglich wurde dies durch ein neues Gesetz im Bundesstaat New York, das mutmaßlichen Vergewaltigungsopfern unabhängig von Verjährungsfristen erlaubt, mutmaßliche Täter auf Schadenersatz zu verklagen. Immer wieder Vorwürfe des sexuellen Fehlverhaltens gegen Trump Trump ist im Verlauf der Jahrzehnte von zahlreichen Frauen des sexuellen Fehlverhaltens bis hin zur Vergewaltigung beschuldigt worden. Der Republikaner, der bei der Präsidentschaftswahl 2024 erneut antreten will, hat solche Vorwürfe stets zurückgewiesen. Erst vor knapp einem Monat war Trump wegen einer Schweigegeldzahlung an die Pornodarstellerin Stormy Daniels vor der Präsidentschaftswahl 2016 als erster Ex-US-Präsident der Geschichte angeklagt worden. Die Staatsanwaltschaft von Manhattan wirft dem 76-Jährigen eine Fälschung von Geschäftsunterlagen in 34 Fällen vor. |
# Wegner vor Wahl zum Regierenden Bürgermeister
Üblicherweise beginnt die Sitzung des Berliner Abgeordnetenhauses morgens um 10 Uhr. Aber ausgerechnet an dem Tag, den sich die neue Koalition für die Machtübergabe ausgeguckt hat, ist der Plenarsaal schon seit langem reserviert - für "Schülerinnen treffen Politik". Wenn das Parlament rund 100 Mädchen (wie immer am vierten Donnerstag im April) zum Girl’s Day begrüßt, dann muss der CDU-Chef eben warten. Kein Problem für Kai Wegner, der schon seit Jahren geduldig auf diesen Moment hingearbeitet hat. Die Mädchen gehen ja auch wieder. Der Weg für Schwarz-Rot in Berlin ist frei. Einen Tag nach der SPD stimmte am Montag auch die CDU für das geplante Bündnis - allerdings wesentlich eindeutiger als die Sozialdemokraten. Auch die Senatorenriege ist schon bekannt.mehr 12 Uhr mittags Ab 12 Uhr, kurz vor dem Abschluss ihres "Mädchen-Zukunftstags", können die Besucherinnen noch von den Fraktionsbüros aus per Übertragung miterleben, wie Wegner ausgerechnet Berlins erste Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey wieder aus dem Amt verabschiedet - nach gerade mal 16 Monaten. Mit den Stimmen der CDU-Fraktion, deren Frauenanteil bei nicht einmal 25 Prozent liegt. Mit Hilfe der SPD, die lieber ihre Spitzenfrau zu Wegners Stellvertreterin degradiert, als gleichauf mit den Grünen und gemeinsam mit den Linken die rot-grün-rote Koalition fortzusetzen. Andererseits will Wegner mit einem überwiegend weiblichen Senat regieren. Unmittelbar nach seiner Wahl am Donnerstag fährt er ins Rote Rathaus, um dort drei Senatoren und sieben Senatorinnen zu ernennen. Mit Frauen in Machtpositionen hat Wegner nie Probleme gezeigt, am Ende nämlich setzte er sich durch. Wie schon gegen seine Vorgängerin Monika Grütters. Statt der damaligen CDU-Kulturstaatsministerin und Landesvorsitzenden den Kampf zu erklären, zog sich Generalsekretär Wegner nach der verlorenen Wahl 2016 aus der Landespartei zurück. Er überließ Grütters das Trümmerfeld. Nur ein Jahr später war er zurück, 2019 überließ Grütters ihm kampflos die Parteiführung. Erst lange warten … Sicher geschlagen schien Wegner auch 2021, als seine Rivalin Giffey am Superwahltag doch noch einen SPD-Sieg herausholte - und er selbst als gescheiterter Spitzenkandidat mit seiner Partei am Boden lag. Aber während die CDU schon laut über einen Ersatzkandidaten für die Wiederholungswahl nachdachte, blieb Wegner geduldig. Und taktierte erfolgreich, als er auch nach dem größten CDU-Wahlsieg seit 22 Jahren das Tempo herausnahm. Während Grüne und Linke auf eine schnelle Fortsetzung von Rot-Grün-Rot setzten, gab Wegner der schockierten SPD genügend Zeit, um das Trauma des Wahldesasters zu verarbeiten. Je länger sich die Sondierungen zogen, umso mehr freundeten sich die SPD-Verhandler mit ihrer Rolle als Juniorpartner an. Und der Gegendruck des linken Parteiflügels verpuffte während des langen SPD-Mitgliedervotums. Kai Wegner und seine Partei mussten nur warten. Die neuen Koalitionspartner in spe, SPD und CDU, haben ihre jeweilige Regierungsmannschaft offiziell vorgestellt. Einige Personen sind schon länger im Amt, andere wiederum sind ganz neu. Alle Senatoren und Senatorinnen im Überblick.mehr … dann voll durchstarten Aber nach Wegners Wahl am Donnerstag beginnt ein neues politisches Spiel unter neuen Rahmenbedingungen. Die traditionellen hundert Tage Schonfrist kann sich der neue Senat diesmal nicht gönnen. Statt in den üblichen fünf Jahren muss die neue Koalition ihre Erfolgserlebnisse bis zum Ende der Legislaturperiode 2026 sammeln. Wenn Wegner wiedergewählt werden will, muss er jetzt ein höheres Tempo anschlagen - und die meisten Aufgaben, die der Giffey-Senat ihm hinterlassen hat, sind vertrackt. Bei der Verwaltungsreform will Schwarz-Rot da weitermachen, wo Rot-Grün-Rot aufgehört hat. Im ersten Schritt die Aufgaben der Bezirke und des Senats neu zu sortieren, kann zwar schnell gelingen. Aber für die wichtigeren größeren Reformen müsste erst die Verfassung geändert werden: Die Vereinheitlichung der Bezirke unter den Vorgaben des Senats. Und ausgerechnet bei Kernfragen wie einem möglichen politischen Bezirksamt oder der Direktwahl der Bezirksbürgermeister sind sich SPD und CDU bisher nur darin einig, dass sie sich nicht einig sind. Digitalisierung als Chefsache Dass der Regierende Bürgermeister auch die Digitalisierung der Verwaltung zur Chefsache machen will, könnte zwar neuen Schub bringen. Aber die auch die Verschiebung der Zuständigkeiten aus der Innenverwaltung in die Senatskanzlei und die Abberufung des eingearbeiteten "Chief Digital Officer", dem Staatssekretär Ralf Kleindiek (SPD), kosten erstmal wertvolle Zeit. Auch beim Wohnungsbau sind ambitionierte Ziele schneller in einem Koalitionsvertrag vereinbart, als neue Wohnungen entstehen - oder gar die Mieten sinken. Selbst symbolische Aufbruchssignale wie das Mietenbündnis sind angesichts der Lage am Wohnungsmarkt kaum glaubwürdig. Der nach den Chaoswahlen angezählte Andreas Geisel konnte sich auch nach dem Jobwechsel als Bausenator nicht mehr rehabilitieren. Er wird nach 16 glücklosen Monaten geräuschlos durch seinen Staatssekretär Christian Gaebler ersetzt. Die lange vorbereitete Änderung der Bauordnung könnte zwar jetzt so ein Signal sein. Aber selbst wenn Schwarz-Rot ohne den sozial-ökologischen Widerstand von Linken und Grünen auf diese Weise die eine oder andere Bremse lösen kann: Sichtbare Veränderungen brauchen mehr Zeit, als die Koalition hat. Das gilt auch für große Verkehrsprojekte. Ein öffentlicher Streit über den Autoverkehr in der Friedrichstraße ist schnell geführt - die A100 zu verlängern oder neue U-Bahn-Linien anzulegen, ist eine Frage von Jahrzehnten. Mehr Härte Ganz fix einen anderen Ton anschlagen kann der neue Senat aber bei der Inneren Sicherheit. Sei es im Umgang mit widerständigen Klimaaktivisten, bei der Forderung nach mehr Befugnissen der Sicherheitsbehörden und Ausrüstung wie Taser und Bodycam. Die SPD-Innensenatorin Iris Spranger zeigte sich in Ton und Sache schon vor dem Regierungswechsel öfter mit der CDU einig als mit Linken und Grünen. Dass die CDU Ressentiments in öffentliche Zustimmung für einen härteren Kurs umwandeln kann, haben Wegner und seine Leute nach den vergangenen Silvesterkrawallen bewiesen. Die Union dürfte der SPD-Senatorin wohl kaum das Sicherheitsthema überlassen. Welche Rolle dabei die noch unbeschriebene parteilose Justizsenatorin Felor Badenberg für die CDU übernehmen wird, wird sich zeigen. Schon vor dem Amtsantritt hat sie sich für Vorratsdatenspeicherung und Onlinedurchsuchung ausgesprochen. Um sich auf Änderungen des Polizeigesetzes zu einigen, hatte Rot-Rot-Grün zuletzt Jahre gebraucht - Schwarz-Rot könnte zeigen, das Verschärfungen auch kurzfristig möglich sind. "Vernunftehe" statt "Liebesheirat" Vor allem mit dem Versprechen für eine konstruktive Zusammenarbeit will die neue Koalition zeigen, dass Politik nicht nur im Streit vorankommt. Bei allen Unterschieden zwischen beiden Parteien sei es "immer das Ziel der Koalitionsverhandlungen gewesen, eine gemeinsame Lösung zu finden", so beschrieb Wegner den Anspruch einer verlässlichen Partnerschaft. Statt einer "Liebesheirat" sei die Koalition eine "Vernunftehe". Das allerdings hatten sich schon viele Bündnisse erst fest versprochen und dann gebrochen. Wie stabil die schwarz-rote Verbindung bleibt, auch wenn die Interessen auseinandergehen, dürfte sich spätestens dann zeigen, wenn gegen Ende der Legislaturperiode wieder der Wahlkampf in den Vordergrund rückt. Zuletzt hatten SPD und CDU von 2011 bis 2016 gemeinsam regiert, aber sich im Wahlkampf hart angegangen. Beide verloren daraufhin massiv an Stimmen. Als Regierender kann Wegner nun zeigen, dass er seine Lektion gelernt hat. Sendung: Heute im Parlament, 27.04.2023, 12 Uhr |
# Deutsche Bank will weitere Stellen streichen
Deutschlands größtes Geldhaus hat überraschend einen Milliardengewinn eingefahren. Um den Gewinn weiter nach oben zu treiben, will die Deutsche Bank die Kosten nun noch kräftiger senken - auch mit neuen Stellenstreichungen. Die Deutsche Bank hat im ersten Jahresviertel unter dem Strich 1,158 Milliarden Euro verdient - und damit neun Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Das übertraf die Erwartungen der Analysten deutlich, die im Schnitt nur mit rund 977 Millionen Euro gerechnet hatten. Für den DAX-Konzern ist es das elfte Gewinnquartal in Folge. Höchster Vorsteuergewinn seit 2013 Auch vor Steuern verdiente die Deutsche Bank mit 1,85 Milliarden Euro mehr als erwartet - ein Plus von zwölf Prozent im Vergleich zu den ersten drei Monaten des Vorjahres. Dies ist nach Angaben der Deutschen Bank der höchste Vorsteuergewinn seit 2013. Die Ergebnisse des ersten Quartals zeigten, dass die Bank auf gutem Weg sei, die vom Vorstand gesetzten Ziele für 2025 "zu erreichen oder zu übertreffen", bilanzierte Konzernchef Christian Sewing. Sparen beim Baufinanzierungsgeschäft Um den Gewinn weiter nach oben zu treiben, will der Vorstand die Kosten noch kräftiger senken als bisher geplant, wie Deutschlands größtes Geldhaus heute in Frankfurt ankündigte. Die zusätzlichen Kosteneinsparungen sollen sich nun auf 2,5 Milliarden Euro summieren. Bisher waren 2,0 Milliarden Euro angestrebt. Kosten einsparen will der DAX-Konzern durch die Verschlankung des Baufinanzierungsgeschäfts und die weitere Verkleinerung des Technologiezentrums in Russland, aber auch durch Stellenstreichungen vor allem im Privatkundengeschäft und bei Infrastrukturfunktionen. Im zweiten Quartal werde die Bank damit beginnen, fünf Prozent der Stellen von Besser-Verdienenden in kundenfernen Bereichen abzubauen und Neueinstellungen zu beschränken, hieß es. Wie hoch der Stellenabbau ausfallen soll, wurde zunächst nicht genannt. Deutsche-Bank-Aktie zieht an Klar ist hingegen, welchem Zweck die Kosteneinsparungen dienen: "Wir wollen operativ mehr Kosten einsparen als bisher geplant und unser Kapital effizienter nutzen, um die Ausschüttungen an unsere Aktionäre und unsere Rendite zu erhöhen", erklärte Sewing. Bei den Anlegern kommen die Quartalszahlen und angekündigten Kosteneinsparungen denn auch gut an: Die Deutsche-Bank-Aktie zieht im frühen Handel auf der Plattform Tradegate um 2,7 Prozent auf 9,63 Euro an. Seit dem Tief Ende März bei 7,95 Euro hatte sich der Kurs zuletzt deutlich erholen können. Für die vergangenen sechs Monate steht dennoch ein leichtes Kursminus zu Buche. |
# Wer ist der Viessmann-Käufer?
Der Heizungshersteller Viessmann verkauft seine zukunftsträchtige Wärmepumpen-Sparte an den US-Konzern Carrier Global. Wer ist der Käufer und womit müssen deutsche Kunden rechnen? Es war im Jahre 1902, als sich der amerikanische Ingenieur Willis Carrier ein elektrisches Gerät patentieren ließ, das in den wärmeren Gefilden des Planeten zum Verkaufsschlager wurde: die Klimaanlage. 13 Jahre später gründete der Tüftler seine eigene Firma. Heute ist die Carrier Global Corporation einer der weltweit führenden Hersteller von Heizungs- und Ventilationssystemen - und natürlich von Klimaanlagen. Das Unternehmen mit Sitz im US-Bundesstaat Florida beschäftigt mehr als 52.000 Angestellte und vertreibt seine Produkte in 160 Ländern auf sechs Kontinenten. Der Name ist Programm Es sei ein Branchenriese und Global Player, sagt auch Alexander Gard Murray, Klimawandel-Forscher an der Brown University, im ARD-Interview: Carrier Global sei unvergleichlich größer als der deutsche Mittelständler Viessmann - und der Konzern sei auf Expansionskurs. "Heute nennt sich die Firma Carrier Global", betont der Ökonom, "mit der Übernahme von Firmen in Asien und Europa macht sie den Namen zum Programm." Dass Wärmepumpen die Zukunft sind, - zum Heizen im Winter, aber auch zum Kühlen im Sommer, in Doppelfunktion also -, davon ist auch Murray überzeugt. "Effiziente Wärmepumpen werden entscheidend sein, wenn es darum geht, sich von der Kohle zu verabschieden, von Fossilheizungen", sagt er, "egal woher der Strom dafür kommt". Auf dem US-Markt sei der Trend längst angekommen. Wachstumsmarkt Wärmepumpen In den USA sei der Anteil der Neubauten, die mit Wärmepumpen geheizt und gekühlt werden, von weniger als einem Viertel im Jahre 2000 auf jetzt 40 Prozent angestiegen, berichtet der Experte. Die Tendenz ist weiter steigend. Joe Bidens kostspieliges Klimaschutz- und Sozialpaket, der sogenannte Inflation Reduction Act, ist auch ein enormes Förderprogramm für Wärmepumpen. Genau darauf bezog sich der Chef des nordhessischen Heizungsbauers Viessmann, Max Viessmann, als er jetzt im US-Fernsehen den Verkauf seiner Klimasparte erklärte. "Wenn Sie sich den Inflation Reduction Act ansehen", so Viessmann im Interview mit CNBC, "dann können Sie darin eine Riesengelegenheit für beide Firmen sehen, ihre Stärken zu bündeln." Die riesigen Produktionskapazitäten und der weltweite Vertrieb von Carrier kombiniert mit der deutschen Technologie: So entstehe ein führender Branchenriese. Für den deutschen Kunden könnte das heißen: Die Wärmepumpen - engineered in Germany - gehen in die Massenproduktion für einen globalen Markt und werden entsprechend billiger. Und von Monopolbildung könne auch noch keine Rede sein, meint der Klimaforscher Murray. Noch herrsche auf dem globalen Wärmepumpenmarkt ein gesunder Wettbewerb. |
# Was der Bundespräsident in der Arktis macht
Zum Abschluss seines Kanada-Besuchs ist Bundespräsident Steinmeier in den eisigen Norden geflogen. Hier zeigen sich die Folgen des Klimawandels besonders drastisch. Ein Besuch zwischen Erkenntnisgewinn und CO2-Abdruck. "Arctic Ocean" steht auf einem großen blauen Schild an der Spitze der Halbinsel von Tuktoyaktuk. Überall Schnee und Eis. Der Ozean ist zugefroren. Aber das ist immer öfter nicht der Fall, sagt Erwin Elias, der Bürgermeister von Tuktoyaktuk. Wenn das Eis schmilzt, bedroht das die Küste: "Hier standen mal Häuser. Aber weil die Küste erodiert, mussten die Menschen umgesiedelt werden." Das sei hart für sie, sagt der Bürgermeister. "Deshalb versuchen wir die Küste so lange es geht durch Barrieren zu schützen." Besuch mit 40-köpfiger Delegation Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier besucht die Inuit-Gemeinde an der kanadischen Polarmeerküste, um sich die Folgen des Klimawandels hier erklären zu lassen. Der Gast aus Deutschland und seine 40-köpfige Delegation werden nach einem Treffen mit dem Gemeinderat herumgeführt. Bei strahlendem Sonnenschein und Temperaturen um die minus zehn Grad. Oben der klare blaue Himmel, unten alles in Weiß. Diese eisige Schönheit sei bedroht, so Steinmeier. In etwa 50 Jahren werde es große Teile dieses Ortes nicht mehr geben. "Es ist unglaublich, mit welcher Mühe und welchem Ehrgeiz sich die Menschen wehren gegen die Folgen des Klimawandels." Diese seien hier schon jetzt auf dramatische Weise zu sehen, so der Bundespräsident. "Das zeigt aber auch unsere Verantwortung und was von der Weltgemeinschaft noch zu tun bleibt." 900 Menschen leben hier Steinmeier besucht Tuktoyaktuk zusammen mit der kanadische Generalgouverneurin Mary Simon, dem formellen Staatsoberhaupt Kanadas, der Vertreterin von König Charles. 900 Einwohner hat der Ort nördlich des Polarkreises, viele leben vom Fischfang oder von der Jagd. Mit dabei in Steinmeiers Delegation ist Antje Boetius, die Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven. Das AWI untersucht hier in der Gegend regelmäßig die Böden, misst deren Eisstärke und beobachtet, wie sich die Küste und das Land durch das fortschreitende Abschmelzen des Eises verändern. "Die arktische Region ist diejenige, die sich auf der Erde am schnellsten erwärmt - vier Mal schneller als der globale Durchschnitt in den letzten 40 Jahren." Meereis schützt die Küste - noch Das Meereis sei ein natürlicher Küstenschutz ist, erläutert die AWI-Direktorin. Wo der Ozean selbst mit Eis bedeckt sei, könnten keine Wellen gegen das Land schlagen. Aber das Meereis schwinde mit 13 Prozent pro Dekade. "Und wo das Meereis weg ist, gibt es für die Wellen dann die Möglichkeit, direkt gegen die Küste zu schlagen und sich wirklich zig Meter pro Jahr zu holen." Nach einer Analyse des Alfred-Wegener-Instituts hat der Klimawandel in der Arktis auch sicherheitspolitische Auswirkungen. Das schmelzende Eis erleichtere den Zugang zu Ressourcen wie Öl, Gas oder seltene Erden. Und das wecke neue Begehrlichkeiten - auch wenn es um neue Fischfanggebiete oder Schifffahrtswege geht. Die kanadische Armee beobachtet verstärkte russische und auch chinesische Aktivitäten in der Region. So habe kürzlich ein chinesisches Forschungsschiff die Nordwestpassage durchfahren. Aufwändige Anreise Insgesamt vier Tage Zeit hat sich Bundespräsident Steinmeier für seinen ersten Kanada-Besuch genommen. Der Abstecher in die Arktis ist Abschluss und Höhepunkt zugleich. Schon die Anreise ist ziemlich aufwändig. Zuerst rund zweieinhalb Stunden Flug im Regierungsflieger, dem großen Airbus A350, von Vancouver nach Yellowknife, der Hauptstadt der kanadischen Nordwest-Territorien. Dort nach kurzem Zwischenstopp Umstieg auf ein kleineres, gechartertes Propeller-Flugzeug vom Typ ATR 72. Noch mal gut zweieinhalb Stunden Flug. Die große Präsidentenmaschine könnte auf dem kleinen Flugplatz von Tuktoyaktuk gar nicht landen. Das erste Mal in der Arktis Mit dabei in der Delegation eine Handvoll Journalisten, die Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger, drei Staatssekretäre und drei Bundestagsabgeordnete. Für alle ist es das erste Mal in der Arktis. Unter Klimagesichtspunkten ist der Abstecher ins schmelzende Eis mit rund vierstündigem Aufenthalt durchaus zwiespältig. Viel Kerosin, um sich selbst ein Bild zu machen. "Man muss zwar überhaupt nichts gesehen haben, aber ich denke schon, dass es sinnvoll ist", sagt Dietmar Bartsch, der Vorsitzende der Linken-Fraktion im Bundestag. "Wir treffen ja Entscheidungen im Deutschen Bundestag, es ist eine Ehre den Bundespräsidenten zu begleiten." Die CDU-Abgeordnete Silvia Breher hält den Austausch und das Vor-Ort-Erleben für wichtig. Denn Kanada betrachte den Klimaschutz wegen der eigenen Betroffenheit aus einer anderen Warte als Deutschland. Und der SPD-Abgeordnete und Vorsitzende der Deutsch-Kanadischen Parlamentariergruppe, Bernd Rützel, betont, dass die Reise mit Respekt für die Inuit in Kanada zu tun habe. "Stellen Sie sich vor, in Deutschland würden alle Besucher nur in Berlin sein - aber nicht in München oder Hamburg." Erst Wirtschaft, dann Klimakrise Bundespräsident Steinmeier versucht auf der Kanada-Reise die Themen Klimawandel und Transformation der Wirtschaft zu verbinden. Vor dem Abstecher in der Arktis war eine große Wirtschaftsdelegation mit dabei in der Hauptstadt Ottawa und in der West-Küstenmetropole Vancouver. Dort auf dem Programm stand etwa der Besuch des Werks von Cellcentric, wo Daimler Trucks und Volvo Prototypen für zukünftige LKW-Antriebe mit Brennstoffzellen entwickeln. An der University of British Columbia geht es um die Wissenschafts-Zusammenarbeit für mehr Nachhaltigkeit. "Klar ist, dass wir entschieden sein müssen auf dem Weg, CO2-Emissionen einzusparen und diese zu ersetzen durch andere und neuere Technologien", so der Bundespräsident. Und dazu brauche es die Zusammenarbeit mit Kanada auf allen Ebenen. Der kurze Abstecher in die Arktis ist aus Steinmeiers Sicht daher wichtig, zumal er dazu von der kanadischen Generalgouverneurin eingeladen worden sei. Nicht jeder könne und solle in die Arktis reisen, so der Bundespräsident. "Deshalb müssen diese Reisen dazu dienen, die Informationen und auch die Gespräche, die wir mit den Inuit haben, weiter zu transportieren und die Sensibilität für die Klimafragen zu stärken." Der Besuch in Tuktoyaktuk endet mit einem Empfang und Musikvorführungen im Gemeindezentrum. Der halbe Ort ist gekommen, der Saal ist voll. Freude über den Besuch an diesem sonnigen Tag. Auch wenn die Zukunft hier an der Polarmeerküste ungewiss ist. |
# Leipziger Buchmesse 2023 ist eröffnet
Mit einem Festakt im Gewandhaus ist am Mittwochabend die Leipziger Buchmesse 2023 eröffnet worden. Dabei wurde traditionell der Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung vergeben, der in diesem Jahr an die russisch-jüdische Autorin Maria Stepanova geht. Damit findet die Buchmesse erstmals seit 2019 überhaupt wieder statt – in den vergangenen drei Jahren war sie wegen der Corona-Pandemie abgesagt worden. Von Donnerstag bis Sonntag öffnet die Messe dann auch fürs Publikum. Buchmesse-Direktor Oliver Zille sagte dem MDR, er freue sich, dass es nun endlich wieder losgehe. Es gebe einen "unbedingten, superstarken Willen der Buchbranche", die Buchmesse "wieder zum Erfolg zu führen". Was die Besucherzahlen betrifft, hatte Zille die Erwartungen allerdings schon im Vorfeld gedämpft. Es sei ein Erfolg, wenn 60 Prozent des Vorkrisenjahres 2019 erreicht würden – das wären rund 130.000 Besucher. Kulturstaatsministerin Claudia Roth betonte die Bedeutung der Buchmesse: "Leipzig ist die älteste Buchmesse. Sie ist eine der größten und wichtigsten in ganz Europa. Sie ist die Buchmesse, die eine Brücke baut nach Mittel- und Osteuropa." Das sei auch "in Zeiten des Krieges in der Ukraine von ganz zentraler Bedeutung", so die Grünen-Politikerin. So eine Messe ist ein Fest der Demokratie, weil Literatur eine Stimme der Demokratie ist.
Claudia Roth, Kulturstaatsministerin | Leipziger Buchmesse als Publikumsmesse Nach Angaben der Organisatoren haben sich zur Messe über 2.000 Ausstellerinnen und Aussteller aus 40 Ländern angemeldet. Dabei ist die Leipziger Buchmesse in erster Linie eine Messe fürs Publikum: Beim begleitenden Lese-Festival "Leipzig liest" an 350 Orten in den Messehallen und in der gesamten Stadt sind mehr als 3.000 Veranstaltungen geplant. Zu erleben sind viele prominente Autorinnen und Autoren, etwa Altkanzlerin Angela Merkel, Krimi-Autor Sebastian Fitzek mit seinem ersten Nicht-Krimi, Moderator Eckart von Hirschhausen oder Tocotronic-Sänger Dirk von Lowtzow. Daneben wollen zahlreiche Nachwuchsautoren auf der Messe ein Publikum finden. Auch für Kinder gibt es viele Lesungen. Österreich präsentiert sich in Leipzig als Gastland Gastland der Leipziger Buchmesse 2023 ist Österreich. Mehrere Hundert österreichische Autorinnen und Autoren sowie Verlage präsentieren ihre Bücher, zum Beispiel Robert Menasse, Arno Geiger, Robert Seethaler, Teresa Präauer, Franzobel oder Erika Fischer. Auch der renommierte Preis der Leipziger Buchmesse wird wieder verliehen, traditionell am Messe-Donnerstag. Auf den Shortlists für die drei Preiskategorien stehen 15 Namen, darunter Ulrike Draesner, Angela Steidele, Clemens J. Setz, Jan Philipp Reemtsma und Antje Rávik Strubel. Erstmals zeichnet die Leipziger Buchmesse zudem schwerpunktmäßig Comics, Mangas und Graphic Novels mit dem Lesekompass aus. Denn im Rahmen der Buchmesse findet auch die Manga-Comic-Con wieder statt, die wichtigste deutsche Frühjahrsveranstaltung der Manga- und Comicszene. Quelle: Buchmesse, dpa, epd, Eigenrecherche, redaktionelle Bearbeitung: Hendrik Kirchhof |
# Welche Lehren die USA aus der Pandemie ziehen
Was haben die USA aus der Corona-Pandemie gelernt? Darauf gibt nun ein US-Untersuchungsbericht Antworten. Federführend war der Historiker Zelikow, der schon der Kommission zu den Anschlägen vom 11. September vorsaß. Schon der Titel des Untersuchungsberichts ist provozierend: "Lehren aus dem Covid-Krieg". Krieg? Ja, das Wort Krieg ist nach Ansicht von Philip Zelikow gerechtfertigt, schon durch die mehr als 1,1 Millionen Toten allein in den USA. Es war die weltweit teuerste Krise seit dem Zweiten Weltkrieg, sagt der Historiker. Sein Fazit im Radiosender NPR: "Wir hatten die beste Wissenschaft. Wir waren bereit, das meiste Geld auszugeben. Das war nicht das Problem. Das Problem lag im Wissen, was zu tun ist. Und in der Bereitschaft, es zu tun." Das heißt: Die USA als reichstes Land der Welt hatten nicht das Wissen, wie man einer Pandemie effektiv begegnet und nicht die Fähigkeit, Entscheidungen schnell genug zu treffen und wirksam umzusetzen. Zu spätes und zu zögerliches Handeln Die größten Fehler zu Beginn der Pandemie Anfang 2020 waren laut Zelikow: zu spät zu warnen, nicht rechtzeitig Geld für Notfallprogramme bereitzustellen und zu zögerlich ein Covid-Testprogramm zu entwickeln. "Sobald eine Pandemie ausbricht, zählt jede Minute", betont der Historiker. Im Zentrum sieht er dabei die Schulen. Wird in den Schulen nicht früh wirksam eingegriffen, verbreitet sich ein Virus in Windeseile in Familien, in Städten und Gemeinden, in Altenheimen. Es muss schnell entschieden und dann klar und einheitlich kommuniziert werden. Das gilt laut Zelikow für alle Entscheidungen und Empfehlungen, auch zum Testen oder Impfen: "Die Kommunikation war fürchterlich“, sagt Zelikow und lacht bitter. Er vermeidet eine Namensnennung, aber es ist klar, wer über weite Strecken der Pandemie hauptverantwortlich war: Ex-Präsident Donald Trump. Föderalismus als Teil des Problems Dazu kommt ein strukturelles Problem: der Föderalismus - der in den USA noch ausgeprägter ist als in Deutschland. 50 Bundesstaaten haben speziell in der Gesundheitspolitik eigene Kompetenzen, Landkreise, Städte, Gemeinden, private Träger noch dazu. Die politischen Strukturen der USA, geformt im 19. Jahrhundert, sind für das 21. Jahrhundert völlig ungeeignet, heißt es im Untersuchungsbericht. Verschärfend kam die aktuelle Spaltung des Landes dazu. Die Fragen: Testen, Impfen, Maske tragen - Ja oder Nein - wurden zum Teil des Kulturkampfs zwischen Republikanern und Demokraten. "Dieses Virus hat sich nicht darum geschert, ob Du Republikaner oder Demokrat, ob Du alt oder jung bist. Es ging auf dich los", betont der Mitautor des Untersuchungsberichts, der Epidemiologe Michael Osterholm im Fernsehsender CNN. Zentraler Pandemie-Beauftragter gefordert "Zu den vielen Empfehlungen der Studie gehört, den Posten eines zentralen Pandemie-Beauftragten zu schaffen, der über allen beteiligten Behörden steht. Sozusagen einen "Dr. Fauci plus". Anthony Fauci war Berater, erst von Trump, dann von Präsident Joe Biden. Entscheidungskompetenz hatte er kaum. Auch Fauci hat sich aus dem Ruhestand mit einem Corona-Fazit bei CNN zu Wort gemeldet: "Wir haben es nicht so gut bewältigt wie es möglich gewesen wäre. Und wir müssen es künftig besser machen." Nach Faucis Worten ist die Covid-Pandemie keineswegs ganz vorbei. "Wir haben in den USA immer noch etwa 150 Tote am Tag", betont er. Zur Frage, ob es ein nächstes, anderes Virus, ob es eine nächste Pandemie geben wird, heißt es auch im Untersuchungsbericht: die Frage ist nicht ob, sondern wann. |
# Der lange Weg zum Arztberuf
Der Bundestag berät heute über das Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Bislang sind die Hürden für Einwanderer hoch, auch für ausländische Ärzte - und in den Herkunftsländern sorgen sie für einen "brain drain". Rosh Al Husseini sitzt in der Wohnung seines Freundes Nafes in Krefeld und übt deutsche Grammatik. Der 25-Jährige ist Anfang März über den Libanon nach Deutschland gekommen. Stolz zeigt Rosh einen Ordner voller Zeugnisse und Bescheinigungen. Ein Jahr lange dauerte der gesamte Prozess, vom Antrag bei der Bezirksregierung Münster bis zur Ausstellung des Visums. Damit ist er seinem Traum, als Arzt in Deutschland zu arbeiten, ein Stück näher gekommen. Schon in den Anfängen seines Medizinstudiums in Syrien vor acht Jahren war dem jungen Mann klar, dass er irgendwann auswandern würde. Al Husseini blieb im Land Aber während 2015 und 2016 viele seiner Verwandten und Freunde aus Syrien flohen, blieb Al Husseini im Land und zog für das Studium von Qamischli im Nordostens Syriens nach Damaskus. "Wäre ich auch schon vorher nach Deutschland gegangen, hätte ich vielleicht nicht studiert", sagt er. Doch das Leben in Syrien wurde durch die Folgen des Krieges und wirtschaftlichen Verfalls immer schwieriger. Hürden bei der Visavergabe Al Husseinis legaler Weg nach Deutschland war lang und kompliziert: Syrer und Syrerinnen können ein Visum für Deutschland nur in den Nachbarländern beantragen. Al Husseini musste nach Jordanien: Auf den Termin bei der deutschen Botschaft hat er Monate lang gewartet, nach weiteren drei Monaten war das Visum dann da. Selbst den erforderlichen Deutschtest musste Rosh in Jordanien absolvieren, denn in Syrien gibt es keine offiziellen Teststellen. Für viele bedeutet das eine finanzielle Hürde. Hinzu kommt: Vor der Einreise nach Deutschland muss man ein sogenanntes Sperrkonto nachweisen. Circa 12.000 Euro, also der jährliche Regelbedarf, müssen bei einer deutschen Bank hinterlegt sein. "Dafür musste ich mich bei vier Personen verschulden", erzählt der Syrer. Eine große Belastung für ihn, denn zur Zeit hat er kein zusätzliches Einkommen und legt alles was er kann zur Seite. Konto-Überweisungen von und nach Syrien sind auf Grund von Sanktionen nahezu unmöglich. Er hatte Verwandte in Deutschland, die das für ihn übernahmen und auch die nötigen Unterlagen bei der Bezirksregierung Münster für ihn einreichten. Syrer an der Spitze der ausländischen Ärzte 2022 kamen 5639 der knapp 67.000 ausländischen Ärzte und Ärztinnen aus Syrien, dies erhebt die Bundesärztekammer in ihrer Statistik vom 31.12.2022. Somit stellen Syrer schon zum vierten Mal in Folge die größte Gruppe der ausländischen Ärzte in Deutschland. Ein Grund: Die hohe Zahl an Geflüchteten aus Syrien in den vergangenen Jahren. Seit 2012 hat sich die Anzahl der berufstätigen Ärzte aus Syrien verfünffacht. Angesicht des großen Ärztemangels in Deutschland würden zugewanderte Ärztinnen und Ärzte spürbar für Entlastung in der medizinischen Versorgung, insbesondere in Krankenhäusern sorgen, so die Bundesärztekammer auf Anfrage. Inzwischen stammen 15 Prozent aller aktiven Ärztinnen und Ärzte in Deutschland aus dem Ausland. Was gut für Deutschland sei, führe aber auch zu einem "brain drain" in den Herkunftsländer, heißt es bei der Bundesärztekammer. Gleichzeitig sei der Ärztemangel in Deutschland nicht allein durch Zuwanderung zu lösen. Eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und eine Erweiterung der Studienplätze sei auch nötig. Lange Verfahren für Drittstaatsangehörige In Syrien würde Al Husseini als Arzt umgerechnet zwischen 25 und 70 Euro monatlich verdienen, nicht genug um seinen Lebensunterhalt zu decken. Wären die Hürden nicht so immens, würden sich bestimmt noch mehr Jungmediziner auswandern, glaubt er. Denn für Mediziner aus Drittstaaten ist das Verfahren kompliziert. Bei der Visaantragsstellung wird individuell geprüft, ob der Universitätsabschluss als gleichwertig anerkannt werden kann. Ist das nicht der Fall, bekommen sie die Möglichkeit, in Deutschland innerhalb von zwei Jahren eine Sprachprüfung und eine Kenntnisprüfung, also eine Art Wissenstest, abzulegen. Erst dann können sie eine Approbation beantragen. Al Husseini hat dafür zwei Jahre Zeit: So lange ist seine Aufenthaltserlaubnis für Deutschland gültig. |
# "Sie wollen uns aus dem öffentlichen Leben entfernen"
In Montana wird eine Transgender-Abgeordnete aus dem Parlament verbannt, Tennessee will Drag-Shows verbieten: In den USA verschärft sich die Transgender-Debatte. Die LGBTQ-Community befürchtet, dass sie mundtot gemacht werden soll. "Drag ist kein Verbrechen", schallte es Anfang der Woche vor und im Kapitol von Tallahassee. Im Lokalfernsehen war zu sehen, dass Hunderte Drag Queens und ihre Unterstützer in der Hauptstadt von Florida demonstrierten. Sie wollen nicht, dass ihre Shows verboten werden und ihre Lebensweise kriminalisiert wird. Für viele sei Drag nicht nur Teil ihres Lebens, sondern ihr Beruf, sagte eine Rednerin. Und genau das ist in Florida und anderswo in Gefahr. Tennessee zum Beispiel verabschiedete Ende März als erster Bundesstaat ein Gesetz, das Drag-Shows teilweise verbieten könnte. Alles, was ein "lüsternes Interesse weckt", ist dort für Minderjährige künftig tabu - von Oben-ohne-Shows über Strip-Tänze bis hin zu Männer- oder Frauendarstellern. Das sei kein Signal, dass die LGBTQ-Community in Tennessee nicht willkommen sei, sagt Landessenator Jack Johnson. Das einzige Signal, das er senden wolle, sei, dass man keine sexuellen Akte vor Kinder simulieren solle, so Johnson im Lokalfernsehen. Transgender-Abgeordnete aus Abgeordnetenhaus verbannt Kinder vor Übersexualisierung zu schützen, sei ihr Ziel, sagen die Konservativen. Aktivisten der LGBTQ-Community hingegen glauben, dass sie direkt ins Visier genommen werden. Mehr als 400 Gesetze seien dieses Jahr schon verabschiedet worden, die sie als anti-trans bezeichnen. "Sie arbeiten daran, LGBTQ-Menschen aus dem öffentlichen Leben zu entfernen und es für uns härter zu machen, unser Leben zu leben", glaubt Zooey Zephyr. Die erste Transgender-Abgeordnete im Staat Montana wurde am Mittwoch bis zur Sommerpause aus dem Abgeordnetenhaus verbannt. Die Republikaner dort wollen geschlechtsangleichende Therapien für Minderjährige verbieten. Zephyr verwies auf die hohe Suizidquote unter trans Jugendlichen und warf den Republikanern vor, sie hätten Blut an ihren Händen. Gesetzgebern, die von rechtsextremen Republikanern angeführt werden, reiche es nicht, diese Gesetze zu verabschieden. "Wir sollen auch still sein", so Zephyr im Sender PBS. In rund 15 Bundesstaaten sind Pubertätsblocker und ähnliche Therapien für Minderjährige inzwischen verboten. Der Staat Missouri geht noch weiter. Dort soll es strikte Auflagen auch für Erwachsene geben. Gestern wurde das Gesetz von einer Richterin gestoppt, bevor es in Kraft treten konnte Umziehen ist unter diesen Umständen für viele trans Menschen eine ernsthafte Überlegung. Liz Bostock, ein 13 Jahre altes trans Mädchen aus Florida, überlegt, für die High School in ein Internat außerhalb Floridas zu gehen. "Das würde die Sache ehrlich viel einfacher machen", sagte Liz, die von ihrer Mutter unterstützt wird, bei NPR. 0,5 Prozent der Erwachsenen laut Studie transgender Die mehr als 400 Gesetze, die diese Jahr schon verabschiedet wurden, reichen vom Verbot von Drag-Shows über die Teilnahme an Sportwettbewerben bis hin zu schulischen Inhalten. Auch Toilettengesetze sind in mehr als 20 Staaten nach langer Zeit wieder ein Thema. In Arkansas etwa müssen Kinder und Jugendliche vom Kindergarten bis zur High School die Klos benutzen, die ihrem zugewiesenen Geschlecht entsprechen. Laut einer aktuellen Studie sind 0,5 Prozent der Erwachsenen in den USA transgender, unter den 13- bis 17-Jährigen liegt der Anteil bei 1,4 Prozent. |
# Armee bereit zu längerer Feuerpause
Im Sudan sind die Streitkräfte von General al-Burhan zu einer Verlängerung der Feuerpause um 72 Stunden bereit. Zwar wird weiter von Kämpfen berichtet. Aber afrikanische Organisationen und die USA intensivieren ihre Vermittlungsbemühungen. Im Sudan sind die Streitkräfte von General Abdel Fattah al-Burhan nach eigenen Angaben zu einer Verlängerung der am Freitag auslaufenden Feuerpause bereit. Al-Burhan habe einem Vorschlag der regionalen afrikanischen Organisation IGAD zugestimmt, den am Dienstag in Kraft getretenen Waffenstillstand um 72 Stunden zu verlängern und einen Vertreter zu Verhandlungen in die Hauptstadt Juba zu entsenden, teilte die Armee mit. Die andere Konfliktpartei, die paramilitärische Gruppe Rapid Support Forces (RSF) unter Leitung von al-Burhans Stellvertreter Mohamed Hamdan Daglo, äußerte sich noch nicht zu einer möglichen Verlängerung der Feuerpause. Der nordostafrikanische Staatenbund IGAD hatte die neue diplomatische Initiative vermittelt. Der Vorschlag sieht neben einer Verlängerung der Waffenruhe auch direkte Gespräche zwischen Militär und RSF vor, die sich seit dem 15. April bekämpfen. USA und Afrikanische Union vermitteln Sollten beide Seiten zustimmen, wäre das ein großer Erfolg für die internationale Diplomatie und zugleich ein erstes Signal für echte Verhandlungen über eine Beilegung des Konflikts. Nach Angaben des US-Außenministeriums bemühen sich US-Außenminister Antony Blinken und der Vorsitzende der Kommission der Afrikanischen Union, Moussa Faki Mahamat, gemeinsam um ein dauerhaftes Ende der Kämpfe. Die seit Dienstag geltende Feuerpause wird allerdings weiterhin gebrochen. Gestern flogen Kampfflugzeuge der Armee über die nördlichen Vororte der Hauptstadt Khartum, wo sie von der paramilitärischen RSF-Miliz beschossen wurden, wie Augenzeugen der Nachrichtenagentur AFP sagten. Der östliche Stadtrand von Khartum war Ziel von Luftangriffen und im Süden Khartums kam es nahe einem Haus von RSF-Anführer Daglo zu Gefechten mit Maschinengewehren. Bundestag stimmt Evakuierung nachträglich zu Mehr als 500 Menschen wurden seit Beginn der Kämpfe getötet. In Khartum und anderen Landesteilen gibt es kaum noch Strom und auch Essen ist schwer zu bekommen. Viele Hilfsorganisationen mussten ihre Arbeit einstellen. Das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten teilte mit, dass nur jedes vierte Krankenhaus in Khartum voll funktionsfähig sei. Wegen der eskalierenden Gewalt hatten sich seit dem Wochenende zahlreiche Länder um Evakuierungsaktionen für ihre Staatsangehörigen im Sudan bemüht. Die Bundeswehr flog nach eigenen Angaben seit Sonntag mehr als 700 Menschen aus dem Land aus. Der sechste und bis auf Weiteres letzte Flug habe 78 Menschen nach Jordanien in Sicherheit gebracht, erklärte das Bundesverteidigungsministerium gestern. Der Bundestag erteilte dem Einsatz am Abend nachträglich seine Zustimmung. |
# Konsum von Tabak und Alkohol bleibt hoch
Nikotin und Alkohol haben laut Experten weiter einen hohen Stellenwert in Deutschland. Der neue Suchtbericht zeigt Entwicklungen beim Konsum legaler und illegaler Drogen - und dokumentiert einen Sportwettenboom. Der Konsum von Tabak und Alkohol geht in Deutschland weiter zurück, liegt nach Einschätzung der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) aber weiter auf hohem Niveau. Das geht aus dem neuen "Jahrbuch Sucht 2023" hervor. Die Ausgaben für Tabakwaren reduzierten sich demnach 2022 auf 27,1 Milliarden Euro - ein Minus von 7,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der Verbrauch von Fertigzigaretten sank um 8,3 Prozent auf 65,8 Milliarden Stück, während der Verbrauch von Feinschnitt für selbstgedrehte Zigaretten um 0,9 Prozent leicht auf rund 25.000 Tonnen anstieg. Bei Zigarren und Zigarillos sei der Verbrauch um 8,9 Prozent auf 2,5 Milliarden Stück zurückgegangen. Anteil der Raucher weiter rückläufig In den vergangenen Jahren hatten die Suchtberichte darüber hinaus einen Anstieg beim Konsum von Shisha-Wasserpfeifentabak aufgezeigt. Für 2022 sei kein Vergleich möglich, da der Verbrauch von Wasserpfeifentabak und erhitztem Tabak in neuen Zahlen des Statistischen Bundesamtes nicht enthalten sei, erläuterte DHS-Geschäftsführerin Christina Rummel. "Ein Abfall der Zahlen ist in diesem Bereich aber nicht zu erwarten." Insgesamt ist der Anteil der Raucher weiter rückläufig. Laut Mikrozensus rauchten 2021 noch rund 16 Prozent der Frauen und 22 Prozent der Männer. Bei den Themen Tabakprävention und Tabakkontrolle zähle Deutschland im internationalen Vergleich dennoch weiter zu den Schlusslichtern, sagt Rummel. "Maßnahmen, um den Tabakkonsum und die Passivrauchbelastung nachhaltig zu verringern, müssen wir konsequent weiter fortführen und ausbauen." Millionen konsumieren Alkohol "in gesundheitlich riskanter Weise" Auch beim Alkohol gibt es nach Einschätzung der DHS-Geschäftsführerin "noch viel zu tun". 7,9 Millionen Deutsche konsumieren laut Suchtbericht Alkohol "in gesundheitlich riskanter Weise". Das entspricht einer täglichen Menge von zwölf Gramm reinem Alkohol bei Frauen und 24 Gramm bei Männern, also einem bis zwei kleinen Gläsern Bier. "Obwohl der Alkoholkonsum im Vergleich zu den Vorjahren weiter gesunken ist, wird in Deutschland immer noch deutlich mehr Alkohol getrunken als im weltweiten Durchschnitt", sagte der DHS-Vorstandsvorsitzende Norbert Scherbaum. Alkohol als vermeintliches Kulturgut sei gesellschaftlich breit akzeptiert. "Selbst geringe Mengen Alkohol können krank machen", schilderte der Alkoholforscher und Jahrbuch-Autor Ulrich John vom Uniklinikum Greifswald. Alkoholverzicht könne Frauen ein Plus an Lebenszeit von mindestens 16 Jahren einbringen, bei Männern seien es mindestens zehn Jahre. Experten fordern politische Maßnahmen Neben Präventionskampagnen zum individuellen Konsum etwa an Schulen fordern die DHS-Experten mehr strukturelle politische Maßnahmen. "Hier geht es vor allem um drei Punkte: das Anheben der Alkoholpreise, eine Einschränkung der aktuellen 24/7-Verfügbarkeit und die Regulierung von Alkoholwerbung", sagte Rummel. Strukturelle Prävention sei nachweislich wirksam und verringere auch die Kosten des Konsums für die Gesamtgesellschaft. "Alkohol schadet mit jedem Schluck", betonte Rummel. "Es ist ein Zellgift." Cannabis am weitesten verbreitete illegale Droge Im Bereich der illegalen Drogen ist den Experten zufolge Cannabis sowohl bei Jugendlichen als auch unter Erwachsenen am weitesten verbreitet. Aktuellen Schätzungen zufolge haben etwa 4,7 Millionen Erwachsene im Alter zwischen 18 und 64 Jahren sowie etwa 374.000 Jugendliche im Alter von 12 bis 17 Jahren in den vergangenen zwölf Monaten eine illegale Droge konsumiert. Beim Glücksspielmarkt zeigt der Bericht für 2021 einen Umsatzanstieg um 14,6 Prozent auf 53,4 Milliarden Euro. Das sei insbesondere auf eine im Juli 2021 erfolgte Änderung des Glücksspielstaatsvertrags zurückzuführen, die Sportwetten bundesweit legalisierte. Demnach wuchsen Sportwetten allein 2021 um 409,6 Prozent auf einen Umsatz von 18,3 Milliarden Euro. Für 2022 liegen noch keine Zahlen vor. "Wir sehen das sehr kritisch und behalten das im Auge", betonte Rummel. Spielbanken und Automaten hätten dagegen zwischen 2020 und 2021 an Bedeutung verloren. Zumindest teilweise sei dies auch durch die Corona-Pandemie zu erklären, sagte Rummel. Glücksspiel habe sich von Lokalen ins Internet verlagert. |
# Ausgehoppelt
"Weißer Hase" - diesen liebevollen Namen hat die japanische Firma ispace ihrem Mondlander gegeben. Doch gerade weiß niemand, wie es dem Hasen geht. Zwar ist er offenbar auf dem Mond, doch der Kontakt ist abgerissen. Sie schauen gespannt auf den Bildschirm, es sieht noch alles gut aus. Der Mondlander "Hakuto-R", was übersetzt "weißer Hase" bedeutet, nähert sich seinem Ziel, der Mondoberfläche. Er ist nur noch wenige Kilometer entfernt, sendet Bilder zur Erde, doch dann passiert es: Hakuto kann oder will nicht mehr. Schluss mit Senden, die Kommunikation bricht ab. Für den Gründer und Geschäftsführer von ispace, Takeshi Hakamada, und seine Mitstreiter ist gerade ein Traum geplatzt, die erste kommerzielle Mondlandung ist erstmal gescheitert. Müde ringt sich der Japaner ein Lächeln ab, als er sagt: Wir bestätigten, dass wir die Kommunikation bis zum Ende der Landung sichergestellt hatten. Danach haben wir jedoch den Kontakt verloren und konnten ihn bis jetzt auch nicht wiederherstellen. Unser Ingenieurteam arbeitet hart daran, den Vorfall anhand der bisher erfassten Flugdaten zu untersuchen. "Je nach Ergebnis haben wir vielleicht noch Hoffnung" Die Landung des "weißen Hasen", der andere Fahrzeuge auf der Oberfläche aussetzten sollte, damit diese zwölf Tage den Mond erkunden, war von Anfang an die größte Herausforderung. Denn eine Landung, so beschrieb es ein Mitarbeiter, sei vergleichbar mit dem Abrutschen an einer Skisprungschanze an deren Rand man plötzlich stoppen müsse. Ob das Fluggerät vielleicht jetzt trotzdem auf dem Mond herumspaziert oder ihm ein Bein fehlt, es vielleicht inzwischen gestolpert ist und möglicherweise irgendwann sogar wieder arbeitet und seinen Erfinder glücklich macht? Daran dürften die Ingenieure nun rund um die Uhr arbeiten. "Wir müssen zuerst den Status der Mondlandefähre feststellen", sagt Hakamada. Die bisherigen Flugdaten würden untersucht und analysiert. "Und je nach Ergebnis haben wir vielleicht noch Hoffnung - aber ich kann jetzt noch nichts sagen." Rückschläge gehören für Firmenchef dazu Dass das japanische Startup, das bei Erfolg auch die erste japanische Mondlandung für sich hätte reklamieren können, jetzt mehr als 180 Millionen Euro einfach so auf den Mond geschossen hat, sieht Ispace Geschäftsführer Hakamada natürlich anders. Rückschläge gehören bei solch‘ komplexen und schwierigen Missionen dazu. "Ich glaube, dass wir auf dem Mond landen könnten", sagt er. Die Herausforderung sei, dass man sich viele der Tests nicht auf die gesamte Mondumgebung nachbilden können. "Wir müssen uns also auf die Daten oder die Simulation verlassen." Deshalb sei es so wichtig, die Flugdaten zu haben, "was für die zukünftige Dokumentation und Verbesserung unseres Fluggerätes von Vorteil ist". Optimistisch bleiben trotz Niederlage - das ist die Devise des japanischen Visionärs, der ganz offensichtlich trotzdem weiter nach vorn blickt. Er will seinen Traum nicht aufgeben von seinem Moonvalley, dem Mondtal, in dem bis 2040 bis zu 1000 Menschen leben und arbeiten sollen. Hoffentlich kein dunkles Tal. |
# Mit Erbpacht zu günstigen Wohnungen?
Wohnungen sind rar und teuer, vor allem in Großstädten. Das Erbbaurecht bietet einen Weg zu bezahlbarem Wohnraum. Ministerin Geywitz will das Instrument bekannter machen. Die Wohnungswirtschaft ist skeptisch. Es geht hinauf, Treppe um Treppe, mehrere Stockwerke ist das Mietshaus in Berlin hoch. Bundesbauministerin Klara Geywitz will sich hier umschauen. Das Haus gehört nicht Investoren oder verschiedenen Wohnungseigentümern, sondern der Hausgemeinschaft selbst über eine GmbH und einen Hausverein. Eine der Wohnungen wird gerade kernsaniert. Die Bewohnerin führt die Ministerin herum. "Das wird unser Wohnzimmer, dort die Küche und der Raum gegenüber wird das Zimmer unserer Tochter, wo wir gerade nicht reinkönnen, weil da alle unsere Möbel drin sind." Grundstück gehört einer Stiftung Ein wichtiger Teil des Hausprojekts ist, dass der Boden, auf dem das Mietshaus steht, nicht der Hausgemeinschaft gehört. Sie haben ihn gepachtet - im Erbbaurecht. Sie zahlen regelmäßig Zinsen für das Grundstück, eine Erbpacht. Das Grundstück selbst gehört einer Stiftung, die wiederum einen Erbbauvertrag mit der Hausgemeinschaft abgeschlossen hat, erklärt Ulrich Kriese von der Stiftung. "In diesen Vertrag können sie soziale Ziele vereinbaren, und deswegen dann eine langfristige Herausnahme eines Grundstücks aus der Spekulation vereinbaren." Das heißt, die Hausgemeinschaft verpflichtet sich zu günstigen Mieten. Und das über die ganze Laufzeit des Erbbauvertrags, oft 99 Jahre. Für Kriese ist Erbpacht der Weg zu langfristig bezahlbaren Mieten. Er wünscht sich, dass Städte und Gemeinden viel öfter diese Möglichkeit nutzen. Bisher haben sie das Land oft an Investoren verkauft - zwar mit der Auflage, günstige Sozialwohnungen anzubieten. "Aber das geht höchstens über einen Zeitraum von 30 Jahren, danach fallen die Wohnungen aus der sogenannten Sozialbindung und können dem freien Markt zugänglich gemacht werden." Und dann werden sie meist teuer vermietet. Bei einem Erbbauvertrag könnte die Gemeinde günstige Mieten komplett vorschreiben. Einige Städte machen sich da bereits auf den Weg, zum Beispiel Hamburg, auch München oder Frankfurt. Noch ist es aber eine Nische. Bundesbauministerin Geywitz will die Erbpacht bekannter machen, etwa mit Vorzeigeprojekten. Zudem will sie das Instrument praxistauglich machen. Im Bauministerium findet dieser Tage dazu ein Workshop mit Praktikern statt. Denn noch gibt es rechtlich Unsicherheiten, wie streng die Vorgaben im Erbbauvertrag sein können. "Kein Allheilmittel" Die Wohnungswirtschaft sieht Erbpacht eher skeptisch. Ihr Einwand: Wohnungsunternehmen und Genossenschaften bekämen bei solchen Projekten schwieriger eine Finanzierung bei der Bank. Und es gebe andere, einfachere Möglichkeiten, um soziale Ziele langfristig festzuschreiben. Auch der wohnungspolitische Sprecher der FDP im Bundestag, Daniel Föst, ist skeptisch. "Wir brauchen Investitionen in die Stadt, wir brauchen Investitionen in den Gebäudebestand und zwar nicht zu knapp. Wenn die Kommune alles auf Erbpacht setzt, wird sie diese Investitionen nicht bekommen." Es müsse einen Mix geben. Erbpacht könne ein Teil der Stadtentwicklung sein. "Aber es ist kein Allheilmittel." Die Bewohner im Mietshaus in Berlin sind hingegen Freunde der Erbpacht. Egal, wie es mit ihrem Projekt weitergeht: Die Erbpacht stellt sicher, dass niemand in 40 oder 60 Jahren in dem Haus teure Mieten verlangen kann. |
# Wenn zu viel Lärm krank macht
Mehr als die Hälfte der Bevölkerung fühlt sich von Lärm gestört. Umweltmediziner sagen, zu viel davon kann Depressionen und Herzerkrankungen auslösen. Dabei gibt es einfache Mittel, um den Lärmstress zu reduzieren. Er ist unsichtbar, nicht zu fassen und kann doch enorme Auswirkungen auf die Menschen haben: Lärm. Verschiedenen Umfragen zufolge fühlen sich bis zu drei Viertel aller Deutschen von Lärm gestresst. Das größte Problem dabei: "Lärm ist eine subjektive Empfindung, der sich nicht in Dezibel beziffern lässt", sagt der Umweltmediziner Hans Drexler von der Uni Erlangen im Gespräch mit tagesschau.de. Er und andere Experten weisen darauf hin, dass die Wahrnehmung sehr unterschiedlich sein kann: Laute Musik zum Beispiel kann einige Menschen extrem nerven, während andere sie genießen. Entsprechend definiert das Verbraucherschutzministerium Lärm einfach als "jedes unerwünschte laute Geräusch". Blutdruck, Hormone, Stoffwechsel Das Problem: Diese unerwünschten Geräusche können Menschen schwer krank machen. Darauf will auch der heutige "Tag gegen Lärm" aufmerksam machen. Laut Umweltbundesamt wirkt Lärm auf zahlreiche verschiedene Weisen auf unseren Körper: "Er aktiviert das autonome Nervensystem und das hormonelle System. Die Folge: Veränderungen bei Blutdruck, Herzfrequenz und anderen Kreislauffaktoren. Der Körper schüttet vermehrt Stresshormone aus, die ihrerseits in Stoffwechselvorgänge des Körpers eingreifen." Die Schweizer SiRENE-Studie hat 2019 errechnet, dass das Risiko, an einem Herzinfarkt zu sterben, um vier Prozent pro zehn Dezibel Zunahme der Straßenlärmbelastung am Wohnort steigt. Auch ein erhöhtes Diabetes-Risiko wird mit Verkehrslärm in Verbindung gebracht. Und Schäden können schon bei relativ geringen Lautstärken auftreten: Laut Verbraucherschutzministerium wird aufgrund der "Ergebnisse verschiedener wissenschaftlicher Studien befürchtet, dass Dauerbelastungen über etwa 65 Dezibel (A) am Tag zu einem erhöhten Gesundheitsrisiko führen können." Das enstpricht etwa einem lauten Gespräch oder dem Pegel in einer Kantine. Schlechter Schlaf als Stressfaktor Laut Drexler, auch Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin, ist das Schlimmste aber Lärm während der Nacht. "Wir können unsere Ohren nicht schließen wie die Augen. Deshalb verhindert Lärm in dieser Zeit, dass man in die so wichtigen Tiefschlafphasen kommt." Der gesamte Körper könne sich dann nicht mehr erholen, eine Überlastung drohe. Das kann auch psychische Folgen haben wie Depressionen oder Angststörungen. Auch Kinder können in ihrer kognitiven Entwicklung beeinträchtigt werden, etwa wenn ihre Kita oder Schule an einer lauten Straße liegt. Das zeigt etwa eine Studie aus Barcelona. Am meisten macht den Menschen Verkehrslärm zu schaffen. Autos, die Tag und Nacht durch die Straßen rollen, seien für mehr als die Hälfte aller Deutschen ein Störfaktor, so das Umweltbundesamt. Dazu kommen Bahn- und Flugverkehr. Vor allem in Städten ist das ein Problem. Enorme Kosten Besonders anstrengend ist Lärm, wenn man ihm ausgeliefert ist, etwa im Arbeitsalltag. Das ist nicht nur für die Betroffenen schlimm - es verursacht auch enorme Gesundheitskosten. "Lärmschwerhörigkeit zählt nach wie vor zu den häufigsten Berufskrankheiten in Deutschland", so Drexler. "Jährlich werden über 12.000 Fälle bei den gewerblichen Berufsgenossenschaften und den Unfallkassen angezeigt." Die EU schätzte die sozialen und Gesundheitskosten durch Lärm bereits im Jahr 2011 auf rund 40 Milliarden Euro pro Jahr. Und das Problem besteht weiterhin. Laut EU-Umweltagentur sind zwanzig Prozent der europäischen Bevölkerung langfristigen Lärmpegeln ausgesetzt, die für ihre Gesundheit schädlich sind. Dies entspricht mehr als 100 Millionen Menschen in Europa. Langsamer fahren, anders bauen Dabei gibt es viele Möglichkeiten, um den Lärmstress für Menschen zu reduzieren. "Als erstes können Lärmschutzwände um Autobahnen oder Zugtrassen die Belastung erheblich reduzieren", so Drexler. In dicht befahrenen Straßen, wo keine Wände möglich sind, könne auch Tempo 30 den Lärm absenken - und nebenbei noch die Sicherheit auf den Straßen verbessern. "Gerade nachts wäre das eine sehr sinnvolle Idee", so Drexler. Zudem dürfte die Umstellung auf Elektromobilität helfen, denn E-Autos sind leiser als Verbrennermotoren. Auch bei der Städteplanung und Architektur gibt es verschiedene Maßnahmen, um den Lärm für die Anwohner zu reduzieren. Hier gibt es verschiedenste Ansätze, von der Verkehrsplanung über eine lärmabschirmende Anordnung von Gebäuden bis zu besonders schalldichten Fenstern oder Schutzwänden. Viele Städte erstellen mittlerweile bei größeren Umbauprojekten Lärmkarten oder setzen Lärmaktionspläne auf. "Akustische Auszeiten" Trotzdem wird sich das Problem nicht für alle Menschen in Luft auflösen. Wer an einer lauten Straße wohnt oder beruflich viel um die Ohren hat, dem rät Mediziner Drexler zu "akustischen Auszeiten": "Das bedeutet, dass man bewusst Ruheinseln für das Gehör schafft. Dann kann es sich erholen und wir sind hinterher entspannter." Auch gezielte Entspannungsübungen könnten dazu beitragen, Lärm - wenn er sich nicht vermeiden lässt - besser zu ertragen. Und wem das alles nicht helfe, der könne nachts auch mal Ohrstöpsel einlegen - damit zumindest der Schlaf erholsam ist. |
# Polizei und Justiz sehen Lockerung skeptisch
Soll Unfallflucht künftig nur noch als Ordnungswidrigkeit geahndet werden, wenn es lediglich Sachschaden gab? Die Reaktionen aus Justiz und Polizei auf diese Überlegung des Justizministeriums fallen eher kritisch aus. Der Vorstoß von Bundesjustizminister Marco Buschmann für eine Reform der gesetzlichen Regelungen bei Unfallflucht wird von Vertretern von Polizei und Justiz kritisch bewertet. "Ich sehe die Gefahr, dass nun der Eindruck erweckt wird, die Unfallflucht sei bloß ein Kavaliersdelikt", sagte Michael Mertens, der Vize-Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Die Auswirkungen für Geschädigte könnten gravierend sein - "gerade für Autobesitzer ohne Vollkaskoversicherung", erklärte Mertens gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Den "Westfälischen Nachrichten" sagte er, eine Neuregelung würde Staatsanwaltschaften entlasten, aber "Bußgeldstellen belasten, weil sie Ordnungswidrigkeiten bearbeiten". Das FDP-geführte Justizministerium erwägt, Fahrerflucht in Fällen zu entkriminalisieren, bei denen kein Mensch zu Schaden kommt. Das Ministerium hat ein entsprechendes Papier an Fachverbände geschickt - mit der Bitte um Stellungnahme. Im Kern geht es um den Vorschlag, dass das Verlassen des Unfallortes in Fällen, in denen es ausschließlich Sachschaden gab, künftig von der Straftat zur Ordnungswidrigkeit herabgestuft werden soll. Für Fälle, bei denen Menschen verletzt wurden, soll dies ausdrücklich nicht gelten. Richterbund: Option der Meldepflicht "erwägenswert" Die unerlaubte Entfernung Beteiligter vom Unfallort kann laut Paragraf 142 des Strafgesetzbuchs mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren geahndet werden. Bislang gilt, dass Unfallbeteiligte eine "angemessene Zeit" am Unfallort warten müssen. Als Alternative dazu bringt das Justizministerium nun die Einrichtung einer Meldepflicht ins Spiel, etwas "über eine standardisierte Online-Maske". Ähnlich wie die GdP äußerte sich auch der Deutsche Richterbund (DRB) skeptisch. "Die Strafvorschrift hat sich bewährt und gibt den Gerichten ausreichend Spielräume, um Rechtsverstöße jeweils tat- und schuldangemessen zu bestrafen", sagte DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn. Auch sei "zu befürchten, dass die Warte- oder Meldebereitschaft nach Unfällen durch die geplante Reform weiter sinken würde". Lediglich die Option einer Meldepflicht nannte Rebehn "erwägenswert". "Überlegungen noch in einem frühen Stadium" Den Versicherern ist es vor allem wichtig, die Möglichkeiten der Beweissicherung nicht einzuschränken. "Unfallursache und -hergang müssen sich zweifelsfrei feststellen lassen", sagt Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Das gelte etwa für die Frage, ob Alkohol oder Drogen mit im Spiel waren. Ziel des Schreibens aus dem Bundesjustizministerium ist es offensichtlich, mit Experten und Verantwortlichen zu möglichen Reformvorschlägen frühzeitig ins Gespräch zu kommen. Die Angeschriebenen wurden bis zum 23. Mai um Stellungnahme gebeten. Eine Sprecherin des Ministeriums betont jedoch am Dienstag, die Überlegungen seien noch in einem frühen Stadium. |
# Hilfe für die Menschen in der Ukraine
"Bündnis Entwicklung Hilft" und "Aktion Deutschland Hilft" rufen mit folgendem Konto gemeinsam zu Spenden auf:BEH und ADHIBAN: DE53 200 400 600 200 400 600BIC: COBADEFFXXXCommerzbankStichwort: ARD/ Nothilfe Ukrainewww.spendenkonto-nothilfe.de "Bündnis Entwicklung Hilft" ist ein Zusammenschluss von Brot für die Welt, Christoffel-Blindenmission, DAHW, Kindernothilfe, medico international, Misereor, Plan International, terre des hommes und Welthungerhilfe. German Doctors und Oxfam sind assoziierte Mitglieder.www.entwicklung-hilft.de "Aktion Deutschland Hilft" ist ein Zusammenschluss von 23 deutschen Hilfsorganisationen, darunter action medeor, ADRA, Arbeiter-Samariter-Bund, AWO International, CARE Deutschland, Habitat for Humanity, HELP - Hilfe zur Selbsthilfe, Johanniter-Unfall-Hilfe, Malteser Hilfsdienst, World Vision Deutschland, Der Paritätische (darüber aktiv: arche Nova, Bundesverband Rettungshunde, Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners, Hammer Forum, Handicap International, Help Age Deutschland, Kinderverband Global-Care, LandsAid, SODI und Terra Tech)www.aktion-deutschland-hilft.de Außerdem rufen zu Spenden auf: Ärzte der Welt e.V.IBAN: DE06 1203 0000 1004 3336 60BIC: BYLADEM1001Deutsche KreditbankStichwort: Ukrainewww.aerztederwelt.org DRK e.V.IBAN: DE63 3702 0500 0005 0233 07BIC: BFSWDE33XXXBank für SozialwirtschaftStichwort: Nothilfe Ukrainewww.drk.de Die Heilsarmee in DeutschlandIBAN: DE82 3702 0500 0004 0777 00BIC: BFSWDE33XXXBank für Sozialwirtschaft Stichwort: Ukrainehilfe www.heilsarmee.de Franziskaner Helfen IBAN: DE83 3705 0198 0025 0014 47 BIC: COLSDE33XXX Sparkasse KölnBonn Stichwort: Nothilfe Ukrainewww.franziskaner-helfen.de HumedicaIBAN: DE35 7345 0000 0000 0047 47 BIC: BYLADEM1KFB Sparkasse Kaufbeuren Stichwort: Ukrainewww.humedica.org KOLPING INTERNATIONAL Cooperation e.V.IBAN: DE74 4006 0265 0001 3135 00BIC: GENODEM1DKMDKM Darlehnskasse Münster eGStichwort: Ukraine-Hilfewww.kolping.net Save the Children e.V.IBAN: DE92 1002 0500 0003 292912BIC: BFSWDE33BERBank für SozialwirtschaftStichwort: Nothilfe Kinder Ukrainewww.savethechildren.de SOS-Kinderdörfer weltweitIBAN: DE22 4306 0967 2222 2000 00BIC: GENODEM1GLSGLS GemeinschaftsbankStichwort: Humanitäre Hilfe Ukrainewww.sos-kinderdoerfer.de UNICEFIBAN: DE57 3702 0500 0000 3000 00BIC: BFSWDE33XXXBank für SozialwirtschaftStichwort: Ukrainewww.unicef.de UNO-Flüchtlingshilfe e.V.IBAN: DE78 3705 0198 0020 0088 50BIC: COLSDE33Sparkasse KölnBonnStichwort: Nothilfe Ukrainewww.uno-fluechtlingshilfe.de/ |
# Südafrika will Strafgerichtshof doch nicht verlassen
In einer Pressekonferenz hatte der südafrikanische Präsident Ramaphosa mitgeteilt, man wolle den IStGH verlassen. Nun rudert die regierende Partei ANC zurück: Es habe einen "Kommunikationsfehler" gegeben. Südafrika will an seiner Mitgliedschaft im Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) festhalten. Wenige Stunden nach der Ankündigung, den IStGH zu verlassen, folgte gestern Abend eine Klarstellung durch das Büro von Präsident Cyril Ramaphosa. Dessen Aussage, dass die Regierungspartei ANC den Austritt aus dem IStGH beschlossen habe, beruhe auf einem "Kommunikationsfehler" während einer Pressekonferenz des ANC, teilte die Präsidentschaft mit. Der ANC hatte zuvor mitgeteilt, dass man entschieden habe, "dass Südafrika aus dem IStGH austreten sollte", sagte Ramaphosa. Der südafrikanische Präsident sagte bei einer Pressekonferenz mit dem finnischen Präsidenten Sauli Niinistö, dass der ANC den Umgang des IStGH mit bestimmten Ländern als "unfair" empfinde. "Wir würden das Thema der unfairen Behandlung gern ausführlich diskutieren, aber erst einmal hat die Regierungspartei den Austritt beschlossen", fügte er hinzu. IStGH hatte Haftbefehl gegen Putin erlassen Der ANC betonte später in einer Erklärung, es sei "unbeabsichtigt der Eindruck entstanden, dass eine kategorische Entscheidung für einen sofortigen Rückzug getroffen worden sei". Dies sei aber nicht der Fall. Südafrika wird in diesem Jahr Gastgeber eines Gipfels der Staats- und Regierungschefs von Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika sein. Nach dem vom IStGH im März erlassenen Haftbefehl gegen Wladimir Putin müsste Südafrika den russischen Präsidenten bei seiner Ankunft für den Gipfel festnehmen. Südafrika hat Russlands Angriffskrieg in der Ukraine nicht verurteilt. Das Land möchte nach eigenen Angaben unparteiisch bleiben und bevorzuge Dialog, um den Krieg zu beenden. |
# Corona-Hilfen auch für rechtsextreme Buchprojekte
Das Corona-Hilfsprogramm "Neustart Kultur" der Bundesregierung sollte den Kulturbetrieb unterstützen. Laut einer Deutschlandfunk-Recherche sollen davon auch rechtsextreme Buchprojekte profitiert haben. Von dem Corona-Hilfsprogramm "Neustart Kultur" der Bundesregierung haben einer Recherche des Deutschlandfunks zufolge offenbar auch einzelne Bücher mit rechtsextremem Gedankengut profitiert. Der Radiosender berichtet, dass etwa das Buch eines Politologen bezuschusst worden sein soll, das vom Bundesamt für Verfassungsschutz als teilweise extremistisch eingestuft worden sei. Auch der Forsite-Verlag hat laut der Recherche für ein Buch über einen völkischen Esoteriker Herman Wirth aus der NS-Zeit mehr als 2800 Euro erhalten. Verantwortlich beim Verlag ist demnach der Herausgeber einer Zeitschrift, die vom nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz seit Jahren als rechtsextrem eingestuft werde. Zudem habe er für das ebenfalls als rechtsextrem bewertete Magazin "N. S. Heute" geschrieben. Keine Kontrolle der Buchprojekte Laut der Recherche hat der für die Vergabe der Fördermittel zuständige Börsenverein des Deutschen Buchhandels darauf verzichtet, die Buchprojekte der Verlage inhaltlich zu kontrollieren. Ein solche Überprüfung sei in den Förderkriterien der Kulturstaatsministerin auch nicht vorgesehen gewesen. Der Börsenverein sollte sich stattdessen auf die schriftliche Versicherung der Verlage verlassen, die Förderkriterien einzuhalten und keine jugendgefährdenden, gewaltverherrlichenden, verfassungsfeindlichen oder strafbaren Bücher zu drucken. Insgesamt zwei Milliarden Euro für Kulturbetrieb Mit dem Programm "Neustart Kultur" hatte die Bundesregierung im Sommer 2020 ein Programm zur Unterstützung des Kulturbetriebs aufgelegt. Es läuft im Juni dieses Jahres aus. Dafür wurden insgesamt nach Angaben der Bundesregierung etwa zwei Milliarden Euro bereitgestellt. Laut der Erhebung von Deutschlandfunk Kultur flossen davon rund 94 Millionen Euro in den Bereich Literatur. Unterstützt wurden damit Verlage, Buchhandlungen, Autorinnen, Übersetzer sowie Lesebühnen und Literaturhäuser. Mehr als 90 Prozent der beantragten Projekte wurden bewilligt. |
# Proteste am Jahrestag der Staatsgründung
In Israel haben die Feiern zum 75. Jahrestag der Staatsgründung begonnen. Zehntausende nutzten den gestrigen Tag zum Protest. Angesichts der geplanten Justizreform fürchten sie um die Demokratie. Zentrum des Protests war erneut Tel Aviv. In Israel hat es erneut Demonstrationen gegen die geplante Justizreform gegeben. Anders als in den vergangenen Wochen fanden sie nicht am Wochenende statt, sondern zum Beginn der Feiern zum 75-jährigen Bestehen Israels gestern Abend. Gegner der Justizreform hatten für diesen Tag Proteste angekündigt - als bewusste Gegenveranstaltung zu den offiziellen Feiern. Sie fürchten, dass durch die von der rechtsnational-religiösen Koalition geplante Justizreform die Demokratie in Israel gefährdet sein könnte. Zentrum des Protests war erneut Tel Aviv. Wie viele Menschen an den Kundgebungen dort und in anderen Städten teilnahmen, ist nicht bekannt. Die Tageszeitung "Haaretz" schreibt von Zehntausenden. Bei vorangegangenen Demonstrationen war die Teilnehmerzahl oft sechsstellig. Netanyahu ruft zur Einheit auf Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu rief in einer Botschaft, die bei der zentralen Zeremonie in Jerusalem ausgestrahlt wurde, zur Einheit auf. "Lasst uns für einen Moment mit dem ganzen Lärm aufhören, schauen wir uns für einen Moment das große Wunder an, das der Staat Israel genannt wird." Israels Staatspräsident Izchak Herzog nannte den Streit über die Justizreform in einem Interview die "schlimmste interne Krise seit der Gründung des Staates" vor 75 Jahren. Gleichzeitig äußerte er im Gespräch mit der israelischen Nachrichtenseite ynet die Hoffnung, das Land könne gestärkt aus dem Drama hervorgehen. Der Staat Israel wurde am 14. Mai 1948 ausgerufen. Staatsgründer David Ben Gurion verlas damals in Tel Aviv die Unabhängigkeitserklärung. Israel feiert sein Jubiläum nach dem hebräischen Kalender und somit in diesem Jahr früher. Die offiziellen Feiern begannen gestern. |
# Zweikampf der Techgiganten
Microsoft und Google kämpfen um die Vormacht bei Künstlicher Intelligenz. Bis sie mit der Technologie Geld verdienen können, sind beide Konzerne aber noch auf ihre angestammten Geschäfte angewiesen. Der Kampf um die Vormachtstellung bei der Anwendung von Künstlicher Intelligenz (KI) nimmt an Fahrt auf. Die US-Techgiganten Microsoft und Google wollen ihre Angebote weiter ausbauen. Das gaben beide Konzerne gestern zur Vorlage der aktuellen Quartalszahlen bekannt. Microsoft profitiert dabei von der Kooperation mit OpenAI - der Firma, deren KI-Anwendung ChatGPT seit vergangenem Jahr immer wieder die Schlagzeilen beherrscht. 13 Milliarden Dollar hat Microsoft in die Partnerschaft investiert und ChatGPT auch bereits in die Cloud und in die eigne Suchmaschine integriert. Der Windows-Konzern hofft, die lange Dominanz von Google bei der Websuche brechen zu können. Microsoft beansprucht Führungsrolle Microsoft-Chef Satya Nadella betonte bei der Vorstellung der Zahlen, dass der Konzern bereits jetzt von der Investition profitiere und dass man sich auch weiterhin auf den Ausbau der KI-Infrastruktur konzentrieren wolle. Er sprach gar von einem Generationswechsel. "Angesichts der aggressiven generativen KI-Strategien von Microsoft Azure sieht sich Google einem zunehmenden Druck auf seine KI-Führerschaft ausgesetzt", sagte Chirag Dekate von der Beratungsfirma Gartner dem "Handelsblatt". Pichai in der Kritik Jahrelang hatte Google die Führungsrolle in vielen Bereichen inne, nun wird sie in Frage gestellt. Und dafür wird vor allem der aktuelle Google-Chef verantwortlich gemacht. Der Silicon-Valley-Berater Om Malik legte Sundar Pichai den Rücktritt als Google-Chef nah. Sundar sei zwar ein sehr starker Unternehmer, aber eben kein strategischer Denker und Visionär, sagte auch Nimrit Kang, Co-Chief Investment Officer von Northstar Asset Management, dem US-Magazin "Forbes". Sundar Pichai, der seit 2019 Chef des Google-Konzerns Alphabet ist, stellte Nutzern gestern eine bessere Websuche dank KI in Aussicht. Google werde sich von den Wünschen der Nutzer und den eigenen Standards für Qualität leiten lassen. Den Einsatz der hauseigenen KI Bard werde man schrittweise ausbauen. Allerdings gab sich der Konzernchef auch gelassen: Über die Jahre habe man schon viele Veränderungen bei der Websuche durchgemacht, so Pichai. Bard bislang enttäuschend Doch bislang bleibt der erhoffte Erfolg von Bard aus. Bei der ersten Präsentation des KI-Textroboters im Februar dieses Jahres machte Bard Fehler, und es folgte Spott im Internet. Das könnte die Überlegenheit von Google langfristig in Frage stellen - auch, weil Medienberichten zufolge Samsung überlegt, auf seinen Endgeräten künftig Bing statt Google als Standardsuche festzulegen. Und bereits jetzt leidet Google unter der Abkühlung im Online-Werbemarkt: Die Anzeigenerlöse des Internet-Konzerns gingen im Jahresvergleich leicht zurück. Besonders bei YouTube sanken die Anzeigeneinnahmen von 6,87 auf 6,69 Milliarden Dollar. Es war der dritte Quartalsrückgang für die Videoplattform in Folge. Weniger Wachstum als erwartet Wie Konkurrent Microsoft konnte aber auch Alphabet von der hohen Nachfrage im Cloud-Geschäft profitieren, die Sparte war sogar erstmals profitabel. Dank der Zuwächse im Cloud-Geschäft stieg der Konzernumsatz von Alphabet insgesamt um 2,6 Prozent auf 68 Milliarden Dollar. Das sind allerdings nicht die Wachstumsraten, die Anleger früher gewohnt waren. Unterm Strich verbuchte Alphabet einen Quartalsgewinn von gut 15 Milliarden Dollar. Das waren 8,4 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Denn auch der Abbau Tausender Jobs, der mit Abfindungen für 12.000 Beschäftigte verbunden war, schlug bei Alphabet mit Kosten von 2,6 Milliarden Dollar zu Buche. Und zentrale Positionen, die wichtiges Fachwissen brauchen, sind bis heute vakant - eine Situation, die Google-Chef Sundar Pichai schnell lösen muss, wenn er im KI-Wettstreit nicht den Anschluss verlieren will. Microsoft übertrifft Erwartungen Bei Microsoft stand dagegen ein Plus von rund neun Prozent unterm Strich: Der Konzern verdiente im ersten Quartal 18,3 Milliarden Dollar. In den drei Monaten bis Ende März legte der Umsatz im Jahresvergleich um sieben Prozent auf 52,9 Milliarden Dollar zu, wie Microsoft mitteilte. Der Windows-Konzern übertraf damit die Prognosen der Wall-Street-Analysten sowohl beim Gewinn als auch bei den Erlösen deutlich. |
# "Der Wille zur Aufklärung ist nicht stark"
Bisher sind die politischen Befehlsgeber der Todesschüsse am Eisernen Vorhang in der damaligen Tschechoslowakei unbescholten davongekommen. Nun steht zum ersten Mal ein kommunistischer Ex-Minister vor Gericht. Er ist der erste hochrangige Vertreter der kommunistischen Tschechoslowakei, der sich für die Morde am Eisernen Vorhang vor einem tschechischen Gericht verantworten muss: Vratislav Vajnar war von 1983 bis 1988 Innenminister. Während seiner Amtszeit starben acht Menschen an der Grenze, darunter Hartmut Tautz aus Magdeburg. Da der 18-Jährige in der DDR nicht studieren durfte, versuchte er über Bratislava nach Österreich zu fliehen. "Er war noch 22 Meter von der Grenze entfernt, als er niedergerissen wurde. (…) Und dann haben die Hunde ihn so schwer verletzt, dass er an den Folgen starb, weil man ihn anderthalb Stunden liegengelassen hat und nichts getan hat", so beschreiben es Tautz‘ Schwester und der Staatsanwalt aus dem oberbayrischen Weiden in dem Dokumentarfilm "Die vergessene Grenze", eine deutsch-tschechisch-österreichische Koproduktion. Seit einer Anzeige der "Plattform für das Gedenken und Gewissen Europas" ermittelte ein deutsch-tschechisches Team in mehreren besonders tragischen Fällen, sagt der Publizist Ludek Navara. Seine Recherchen für eine tschechische Fernsehserie über Verbrechen am Eisernen Vorhang hatten erste Ermittlungen ausgelöst. "Der westdeutsche Rentner Johann Dick aus Amberg wurde beim Wandern auf deutschem Gebiet erschossen. Er wurde dann im Sterben auf tschechoslowakisches Territorium gezogen", erzählt Navara. Er erinnert auch an den Fall von Frantisek Faktor: "Ein junger Mann aus Tschechien, der auf österreichischem Boden angeschossen und am Waldrand sterben gelassen wurde." Anklage wegen drei Todesfällen Die aktuelle Anklage betrifft drei Todesfälle und drei Fälle von Verletzungen. Insgesamt sind mindestens 280 Menschen nachweislich bei Fluchtversuchen getötet worden, darunter 33 Deutsche. In der DDR hielt sich hartnäckig das Gerücht, dass die Tschechen nicht schießen, so der Historiker Prokop Tomek. "Etwa 1000 Menschen wählten jedes Jahr den Weg über die grüne Grenze der Tschechoslowakei, besonders oft Bürger aus Ostdeutschland. Denn sie vermuteten, dass sie hier besser durchkommen würden." Ex-Innenminister Vajnar wird Amtsmissbrauch vorgeworfen. Er hätte versuchen müssen, das Grenzregime zu ändern, erläutert Staatsanwalt Tomáš Jarolímek. Denn seit 1976 galt auch in der CSSR der Zivilpakt der Vereinten Nationen. Dieser sichert jedem das Recht zu, sich frei über Grenzen hinweg zu bewegen. Dennoch dauerte es nach dem Fall des Eisernen Vorhangs fast 30 Jahre, bevor die politisch Verantwortlichen in den Fokus rückten. "Die Ermittlungen wurden wegen des Fundes neuer Dokumente aufgenommen", so Staatsanwalt Jarolímek. "Diese beweisen, dass die Beschuldigten über die Schüsse an den Grenzen informiert waren. Gleichzeitig belegen sie, dass sie bestimmt haben, welche Gesetze angewendet werden." Ursprünglich Ermittlungen gegen drei Politiker Ursprünglich wurde nicht nur gegen Vajnar ermittelt, sondern auch gegen den damaligen KP-Chef Miloš Jakeš sowie den ehemaligen Premier Lubomir Štrougal. Doch beide sind inzwischen verstorben. Andere Verfahren wurden eingestellt - etwa wegen Demenz der Beschuldigten. Aus diesem Grund stand auch der Prozess gegen den Ex-Innenminister auf der Kippe. Das tschechische Verfassungsgericht hatte allerdings Zweifel an der Unabhängigkeit seiner Gutachter und erklärte Vajnar für verhandlungsfähig. Zum Prozessauftakt war er nicht anwesend. Seine Verteidigerin erklärte, dass sich sein Gesundheitszustand weiter verschlechtert habe. Er ließ erklären, er habe von den Vorfällen an der Grenze nichts gewusst. Bisher seien in Tschechien wegen der Verbrechen am Eisernen Vorhang lediglich vier einfache Grenzschutzbeamte verurteilt worden, erklärt der Historiker Navara. "Erst als sich zeigte, dass Deutsche unter den Opfern sind, und als der deutsche Staatsanwalt aktiv wurde, entstand so ein Druck, dass sich auch Tschechien ernsthaft damit beschäftigte. Dabei ist die Justiz ein Spiegel der Gesellschaft. Der Wille zur Aufklärung ist hier nach wie vor nicht besonders stark." |
# Guterres fordert sofortiges Ende der Kämpfe
Bei einer Dringlichkeitssitzung hat der UN-Sicherheitsrat über den Konflikt im Sudan beraten. Generalsekretär Guterres forderte ein Ende der Gewalt, unter der vor allem Zivilisten litten. Chaotisch und herzzerreißend seien diese vergangenen zehn Tage der Gewalt im Sudan, sagte der UN-Chef Antonio Guterres, als er sich zu Beginn der späten Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates persönlich einschaltete. Guterres forderte vor dem Sicherheitsrat ein Ende der Gewalt und warnte vor dem Ausbruch eines vollumfänglichen Krieges. Dieser könne auch Folgen für die sieben Nachbarländer des Sudan haben. Die Kämpfe müssten sofort aufhören, so Guterres. Erneut appellierte er an die Kämpfer der im Sudan herrschenden Armee und der paramilitärischen Gruppe "Rapid Support Forces" unter ihren rivalisierenden Generälen: Sie sollten die Kämpfe beenden. "Wenig Rücksicht auf Zivilisten und Krankenhäuser" Beide Kriegsparteien gefährdeten mit wahllosen Angriffen das Leben von Zivilisten, sagte der deutsche UN-Sondergesandte Volker Perthes dem Sicherheitsrat: "Beide Kriegsparteien haben die Gesetze und Normen des Angriffs auf dicht besiedelte Gebiete missachtet, mit wenig Rücksicht auf Zivilisten, Krankenhäuser oder sogar Fahrzeuge, die Verwundete und Kranke transportieren." Perthes war per Video aus der Hafenstadt Port Sudan zugeschaltet. Dorthin hatte ein Konvoi der Vereinten Nationen rund 1200 Menschen aus der Hauptstadt Khartum in Sicherheit gebracht. Unter den rund 700 UN-Mitarbeitern ist auch Perthes. Er betonte, dass er weiter in regelmäßigem Kontakt mit den rivalisierenden Generälen im Sudan sei. Sowohl Armee-Oberbefehlshaber Abdel Fattah al-Burhan als auch Mohammed Hamdan Daglo, Anführer der einflussreichen paramilitärischen Gruppe "Rapid Support Forces", würden aber noch immer gegenseitige Anschuldigungen erheben und damit wenig Hoffnung auf eine baldige Lösung der Krise machen, so Perthes: "Es gibt noch keine eindeutigen Anzeichen dafür, dass einer der beiden bereit ist, ernsthaft zu verhandeln, was darauf hindeutet, dass beide glauben, dass ein militärischer Sieg über den anderen möglich ist. Dies ist eine Fehleinschätzung." Kämpfe eskalieren Der von den USA vermittelte Waffenstillstand im Sudan halte zwar in einigen Teilen noch, doch die Kämpfe eskalierten. Durch Luftangriffe und Beschuss seien auch Krankenhäuser, Schulen und Wasserreservoirs zerstört worden. Es gebe Plünderungen und Überfälle auf flüchtende Menschen. Zudem gebe es beunruhigende Berichte über versuchte sexuelle Übergriffe, sagte Perthes. Zu der Sitzung waren auch UN-Vertreter von Sudans Nachbarstaaten eingeladen, unter ihnen Äthiopiens UN-Botschafter Zenebe Kebede: "Dies ist ein klarer Fall, in dem wir auf die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft bauen - für eine afrikanische Lösung eines afrikanischen Problems." "Gefahr, dass sich Konflikt ausweitet" Die Nachbarländer des Sudans drängten alle auf afrikanische Diplomatie zur Lösung des Konflikts, sagt Daniel Forti, UN- und Konfliktexperte des Thinktanks Crisis Group in New York. Russland, das gerade den Vorsitz im Sicherheitsrat hat, unterstütze sie dabei: "Es gibt die Gefahr, dass der Konflikt sich über die Grenzen des Sudans hinaus ausweiten könnte, wo es auch viele UN-Operationen gibt. Ich denke, Russland wird sich im Sicherheitsrat eher konstruktiv einbringen - im Vergleich zu anderen Angelegenheiten, wo es mit dem Großteil des Rats über Kreuz liegt." Der Sicherheitsrat müsse sich jetzt so geschlossen wie möglich zeigen. Das Gremium müsse weiter eng mit der Afrikanischen Union und der regionalen Organisation von Staaten in Nordostafrika, Igad, kooperieren. Der Rat müsse die Konfliktparteien weiter drängen, zurück an den Verhandlungstisch zu kommen. Anfang Juni muss der Sicherheitsrat dann über die Zukunft des UN-Mandats Unitams entscheiden. Die Mission war vor drei Jahren beschlossen worden, um den politischen Übergangsprozess im Sudan zu begleiten und Menschenrechte zu schützen. |
# Ein Land kommt nicht zur Ruhe
Seit 75 Jahren gibt es den Staat Israel. Das Land blickt auf eine wechselvolle Geschichte - geprägt von einem unaufhaltsamen Aufstieg, einer immensen Innovationskraft, aber auch von Kriegen und der ständigen Bedrohung. Es ist der Vorabend des Schabbat am 5. Ijar 5708 nach dem jüdischen Kalender, dem 14. Mai 1948. An diesem Tag läuft das britische Mandat in Palästina aus. David Ben-Gurion, ein kleiner untersetzter Mann mit einem Kranz schlohweißer Haare, verkündet vor dem jüdischen Nationalrat im Stadtmuseum von Tel Aviv die Gründung des Staates Israel. Als erster Ministerpräsident Israels treibt Ben-Gurion den Aufbau des Landes zu einem modernen und demokratischen Staat im Nahen Osten voran. Der nur 1,52 Meter kleine Mann ist der größte Visionär der neuen Nation, die schon einen Tag nach der Staatsgründung herausgefordert wird, als die arabischen Nachbarstaaten Israel angreifen. Bis heute haben sechs Nahostkriege und zwei Palästinenseraufstände die Region erschüttert. Beim Sechstagekrieg 1967 kann Israel sein Territorium entscheidend vergrößern. Das Land erobert den Gazastreifen, die Sinai-Halbinsel, die Golanhöhen, das Westjordanland und Ostjerusalem. Der damalige israelische Ministerpräsident Levi Eshkol verteidigt den Militäreinsatz: Auch im Lärm der Kanonen wird unser Wunsch nach Frieden nicht vermindert. Wir erklären zum wiederholten Male, dass wir kein Land angreifen werden - es sei denn, das Land selbst eröffnete den Krieg gegen uns. Jeder, der uns angreifen wird, wird auf unsere volle Selbstverteidigung treffen. "Es sind genug Blut und Tränen geflossen" Israel erlangt im Sechstagekrieg die Kontrolle über die historische Altstadt von Jerusalem - und damit den Zugang zum Tempelberg, der für orthodoxe und konservative Juden eine hohe Bedeutung hat. Bis heute hat Israel Ostjerusalem annektiert. Nach Jahren der Gewalt kommt es Anfang der 1990er-Jahre zu ersten Geheimverhandlungen zwischen Israel und der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO. Beide Seiten erkennen sich an. Eine Lösung im jahrzehntelangen Nahost-Konflikt scheint zum Greifen nah. Israels Ministerpräsident Jitzchak Rabin und Palästinenserführer Jassir Arafat schütteln sich 1993 im Rosengarten des Weißen Hauses die Hände. Ein historischer Handschlag zweier Erzfeinde, die einen neuen Weg einschlagen wollen. "Wir haben gegen die Palästinenser gekämpft", sagt Rabin damals. "Jetzt sagen wir zu ihnen, klar und deutlich: Es sind genug Blut und Tränen geflossen." Arafat als Feind Aber schon bald bestimmen wieder Misstrauen und Gewalt den Alltag in der Region. Anschläge auf beiden Seiten beflügeln die Gegner der Vereinbarungen. Die Ermordung Rabins durch einen israelischen Ultrarechten im Jahr 1995 markiert den Beginn des Scheiterns. Im Jahr 2000 wird Israel durch die zweite Intifada herausgefordert. Der damalige israelische Oppositionsführers Ariel Scharon besucht den Tempelberg. Aus Sicht der Palästinenser ist der Besuch Scharons eine Provokation. Proteste und Unruhen schlagen schnell in Gewalt um - und die Gewalt eskaliert. Über 1000 Israelis werden während der Intifada getötet, darunter mehr als 750 Zivilisten. Auf palästinensischer Seite gibt es 3300 Tote, darunter viele Kämpfer, aber auch Zivilisten. Auf Befehl von Scharon, inzwischen Ministerpräsident Israels, rücken nach einem verheerenden Terror-Anschlag in Netanya 20.000 israelische Soldaten tief in das Westjordanland vor. Von der Agrargesellschaft zur Startup-Nation "Israel wird das palästinensische Terrornetz und all seine Bestandteile bezwingen", so Scharon damals. "Arafat, der eine terroristische Koalition gegen Israel bildet, ist ein Feind und wird in dieser Phase isoliert." Seither ist der Friedensprozess völlig zum Stillstand gekommen. Israelische Siedlungen rücken völkerrechtswidrig immer tiefer in das besetzte Westjordanland vor. Die Serie von Attentaten palästinensischer Terroristen reißt nicht ab. Trotz allem entwickelt sich Israel in all den Jahren von einer Agrargesellschaft zu einer innovativen und hochmodernen Startup-Nation - und ist die einzige Demokratie im Nahen Osten. Eine Demokratie, die viele im Land zunehmend gefährdet sehen. Innenpolitisch ist Israel polarisiert wie noch nie in seiner 75-jährigen Geschichte. "Schwerste Krise seit der Staatsgründung" Die rechts-religiöse Regierung unter Ministerpräsident Benjamin Netanyahu spaltet seit ihrem Amtsantritt die Nation immer stärker. Jede Woche gehen im ganzen Land Zehntausende auf die Straßen aus Protest gegen die Regierungspolitik. Es ist eine tiefe Krise, die Israel zu seinem 75. Geburtstag durchlebt. Eine Krise, die nicht nur Staatspräsident Izchak Herzog schlaflose Nächte bereitet. "Ich schlafe nachts nicht immer gut", so Herzog in einem Interview. "Diese Zeit ist sehr besorgniserregend, denn wir befinden uns der schwersten Krise seit der Staatsgründung." Aus einer solchen Krise könne man aber auch gestärkt herauskommen. "Und daran glaube ich mit meinem ganzen Herzen." |
# Freier Eintritt bei Fortuna Düsseldorf
Fortuna Düsseldorf startet in der kommenden Saison ein Pilotprojekt mit kostenlosem Eintritt bei Heimspielen. Das wird der Verein auf einer Pressekonferenz am Mittwoch (26.04.23) bekanntgeben. Nach Informationen des WDR gilt das für mindestens drei Heimspiele der Saison 2023/24. Eine Ausweitung des Projekts auf weitere Spiele, auch in den folgenden Spielzeiten, ist nicht ausgeschlossen. Gegenfinanzierung durch neue Sponsoren? Zum genauen Ablauf wird u.a. Fortunas Vorstandsvorsitzender Alexander Jobst am Mittwoch informieren, auch Düsseldorfs Oberbürgermeister Stephan Keller wird daran teilnehmen. Die entgangenen Einnahmen sollen durch Sponsoren aufgefangen werden. Medienberichten zufolge wurden erste Deals bereits geschlossen. Der Zuschauerschnitt bei Fortuna in der laufenden Zweitliga-Saison liegt bei rund 29.000 Zuschauern. Die Arena in Düsseldorf fasst aber bis zu 54.600 Zuschauer. Das entspricht einer durchschnittlichen Auslastung von gerade einmal etwas mehr als 50 Prozent. Ein Aufstieg in die Bundesliga ist nach der jüngsten 0:2-Pleite in Nürnberg in weite Ferne gerückt. Der Rückstand auf Relegationsplatz drei beträgt neun Punkte - bei fünf ausstehenden Spielen. |
# AfD-Jugendorganisation erwiesen rechtsextremistisch
Das Bundesamt für Verfassungsschutz setzt zu einem neuen Schlag gegen die sogenannte Neue Rechte an: Gleich drei Organisationen werden als gesichert rechtsextremistische Bestrebung eingestuft - darunter die Nachwuchsorganisation der AfD. Ein junger Mann schwitzt beim Training, schlägt mit der Faust in den Boxsack - ein aktuelles Werbefoto der "Jungen Alternative" (JA), der Nachwuchsorganisation der AfD, platziert in den sozialen Medien. "Seid wehrhaft", steht auf dem Bild geschrieben. Der Begleittext lässt tief blicken, wie konkret das gemeint sein könnte: Die politische Vielfalt stehe über allem, "das Leiden der Einheimischen" sei bloß ein Kollateralschaden einer offenen Gesellschaft. "Wir" müssten uns zusammenschließen, gegenseitig beschützen, um "als deutsche Jugend" nicht im "eigenen Land" unterdrückt zu werden, schreibt die JA - ohne genauer zu erklären, wen sie als "Einheimische" sieht, wer für sie zur "deutschen Jugend" gehört. In der Pressemitteilung des Bundesamtes für Verfassungsschutz zur Einstufung der JA als "gesichert rechtsextremistische Bestrebung" findet man hierzu Antworten: "Die JA propagiert ein völkisches Gesellschaftskonzept, das auf biologistischen Grundannahmen beruht, ein ethnokulturell möglichst homogenes Staatsvolk postuliert", heißt es da. Staatsangehörige mit Migrationshintergrund würden als Deutsche zweiter Klasse abgewertet. Eben dieses Volksverständnis stehe im Widerspruch zum Grundgesetz. "Keine Zweifel mehr" an Verfassungsfeindlichkeit Neben der "Jungen Alternative" wird auch das sogenannte Institut für Staatspolitik (IfS) des neurechten Vordenkers Götz Kubitschek mit Sitz in Schnellroda, Sachsen-Anhalt, sowie die Organisation "Ein Prozent" in Halle (Saale) als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Alle drei Organisationen wurden vom Bundesamt für Verfassungsschutz bisher als rechtsextremistische Verdachtsfälle geführt: die JA seit 2019, IfS und "Ein Prozent" seit 2020. Seitdem legten die Verfassungsschützer eine umfangreiche Materialsammlung an, um die Verfassungsfeindlichkeit gerichtsfest beweisen zu können. "Die Positionen des Instituts für Staatspolitik, Ein Prozent e.V. und der Jugendorganisation der AfD, Junge Alternative, sind nicht mit dem Grundgesetz vereinbar", erklärte Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang. "Es bestehen keine Zweifel mehr, dass diese drei Personenzusammenschlüsse verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgen. Sie werden deshalb vom BfV als gesichert rechtsextremistische Bestrebungen eingeordnet und bearbeitet." Gegen diese Einstufung können die betroffenen Organisationen vor dem Verwaltungsgericht klagen. Heraufstufung nicht überraschend Konkret heißt das, dass der Verfassungsschutz das gesamte nachrichtendienstliche Instrumentarium einsetzen kann, um die Aktivitäten der drei Organisationen zu überwachen. Dazu gehören der Einsatz von V-Leuten, Observationen, Finanzermittlungen, bis hin zum Abhören von Telefonen. Grundsätzlich war das bisher auch schon möglich, da auch bei sogenannten Verdachtsfällen der Einsatz von nachrichtendienstlichen Mitteln zulässig ist. Allerdings muss grundsätzlich die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden, insbesondere bei besonders tiefen Eingriffen, wie Observationen und Maßnahmen zur Telekommunikationsüberwachung. Die Hürden sind bei gesichert extremistischen Bestrebungen niedriger. Die Heraufstufung durch das Bundesamt kommt in allen drei Fällen nicht überraschend. Höcke ein regelmäßiger Besucher Tatsächlich fragt man sich insbesondere im Fall des "Instituts für Staatspolitik", warum es bis heute gedauert hat, bis das Bundesamt zu dieser Einschätzung gekommen ist. Der Verfassungsschutz von Sachsen-Anhalt hatte diesen Schritt bereits 2021 vollzogen und attestierte der neurechten Denkfabrik "rassistische und biologistische Sichtweisen". Das "Institut" besteht seit 2000 und gilt als rechtsintellektuelles Zentrum. Das Who is who der rechtsextremen Szene kommt hier bei Veranstaltungen zusammen, in den hauseigenen Publikationen werden rechte Narrative bedient, wie der angebliche Bevölkerungsaustausch, wonach die politischen Eliten das Ziel verfolgen, den nach rechtsextremistischer Lesart deutschen Teil der Bevölkerung durch Einwanderer zu ersetzen. Der rechtsextremistische AfD-Politiker Björn Höcke gehört zu den regelmäßigen Besuchern. Der Verein "Ein Prozent" besteht seit 2015, seinerzeit gegründet unter anderem von Kubitschek und Jürgen Elsässer, dem Chef des rechtsextremistischen "Compact-Magazins". Angeführt wird "Ein Prozent" von Philipp Stein, einem Zögling von Kubitschek. Auch diese Organisation der neuen Rechten verfolgt das Ziel, eine Gegenkultur zu etablieren, ist dazu eng verbandelt mit der rechtsextremistischen "Identitären Bewegung". JA verbreitet das Narrativ vom "Bevölkerungsaustausch" An der Spitze der "Jungen Alternative" steht seit Oktober 2022 der AfD-Bundestagsabgeordnete Hannes Gnauck. Bereits in seiner Zeit bei der Bundeswehr wurde Gnauck vom Militärischen Abschirmdienst als Rechtsextremist eingestuft, bevor er in den Bundestag einzog. Die Wahl Gnaucks zum JA-Chef galt als weiteres Indiz dafür, dass die AfD-Jugendorganisation konsequent immer weiter nach rechts abdriftete. Auch die JA verbreitet das Narrativ vom "Bevölkerungsaustausch", hetzt gegen Migranten und vertritt ein völkisches Gesellschaftsmodell. So sprach Gnauck erst kürzlich auf einer AfD-Kundgebung in Prenzlau davon, dass die anderen im Bundestag vertretenen Parteien nicht ruhen würden, "bis jeder Winkel dieses Landes und jedes friedliche Dorf mit illegalen Migranten vollgestopft ist". Die Gesamtpartei AfD gilt weiterhin als rechtsextremistischer Verdachtsfall. Die AfD hatte gegen diese Einstufung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz geklagt, die finale Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster dazu steht noch aus. |
# Mit dem Frühling kommt die Kauflaune
Mit dem Frühlingserwachen steigt auch die Kauflaune in Deutschland. Die gesunkenen Energiepreise und staatliche Unterstützungsmaßnahmen sind wesentliche Gründe für das verbesserte Konsumklima. Die besseren Konjunktur- und Einkommensaussichten in Deutschland lassen die Verbraucherlaune steigen. Wie das Nürnberger Konsumforschungsunternehmen GfK mitteilte, erreichte das Konsumklimabarometer im Mai den höchsten Stand seit April 2022. Mit einem Anstieg um 3,6 Punkte auf minus 25,7 Zähler im Vergleich zum Vormonat ist dies bereits der siebte Anstieg in Folge. "Nachdem der Zuwachs im Vormonat eher gering ausfiel, steigt die Konsumentenstimmung in diesem Monat wieder deutlicher an", sagte GfK-Experte Rolf Bürkl. "Allerdings bleibt der Wert nach wie vor unter dem Vor-Pandemie-Niveau vor etwa drei Jahren." Einkommenserwartungen steigen Maßgeblicher Treiber hinter der Entwicklung sei, dass die Menschen ihre künftige Finanzlage positiver einschätzen. Diese Einkommenserwartungen legten zum siebten Mal in Folge zu und erreichten damit erstmals wieder das Niveau von vor dem Beginn des Ukraine-Krieges. Dies sei vor allem auf die moderateren Energiepreise zurückzuführen. Hinzu kommen diverse Programme der Politik, die dazu beitragen, die hohen Energiepreise zumindest teilweise für Haushalte und Unternehmen zu kompensieren. "Zusammen mit den zu erwartenden tariflichen Einkommenszuwächsen gehen mehr und mehr Haushalte davon aus, dass die ursprünglich befürchteten hohen Kaufkraftverluste aufgrund der Inflation deutlich milder ausfallen werden", so die GfK-Marktforscher. Stabilisiert sich die Konjunkturstimmung? Die Verbraucher bewerten auch die Konjunkturaussichten positiver. Der entsprechende Indikator liegt mit 14,3 Punkten deutlich über seinem langjährigen Durchschnittswert von null Zählern. Zuletzt hatten die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Konjunkturprognose für Deutschland angehoben. Sie erwarten ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts um 0,3 Prozent in diesem Jahr, nachdem sie im Herbst noch einen Rückgang um 0,4 Prozent vorausgesagt hatten. Zugenommen hat bei den Verbrauchern die Bereitschaft zu größeren Anschaffungen. "Trotz der Zuwächse ist das Niveau der Konsumneigung gegenwärtig noch niedriger als zu Zeiten der beiden pandemiebedingten Lockdowns im Frühjahr 2020 sowie Ende 2020/Anfang 2021", hieß es dazu. "Viele Haushalte sind nach wie vor verunsichert, vor allem auch deshalb, weil nun die Abrechnungen für die vergangene Heizperiode anstehen und hier mit deutlich höheren Kosten zu rechnen ist." Gestützt werde die Kaufbereitschaft vor allem durch den stabilen Arbeitsmarkt. |
# Traumjob hinter hohen Mauern
Wie kann die Integration ausländischer Menschen besser gelingen? Darüber beraten die zuständigen Minister in Wiesbaden. Sprachkenntnisse und Arbeit sind ein Schlüssel - wie das Beispiel eines 29-Jährigen zeigt. "Man weiß nie, was auf einen zukommt", sagt Adrian Covalciuc, als er eines der fünf Haftgebäude der Jugendstrafanstalt Schifferstadt in Rheinland-Pfalz betritt. In dem Haus sind mehr als 50 Gefangene in vier Wohngruppen untergebracht. Jeder Häftling bewohnt einen neun Quadratmeter großen Raum, der aus einem Bett, Tisch, Fernseher und einem kleinen Bad besteht. Covalciuc betreut und beaufsichtigt die Gefangenen im Schichtdienst. Sein Frühdienst beginnt um 6 Uhr morgens mit der sogenannten Lebendkontrolle. Er geht von Zelle zu Zelle und prüft, ob auch alle Häftlinge da sind und wie es ihnen geht. Zusammen mit seinen Kollegen kontrolliert er die Zellen auch auf unerlaubte Gegenstände und achtet darauf, dass sie sauber und aufgeräumt sind. Vorschriften und Regeln bestimmen das Leben in der Jugendstrafanstalt. Covalciuc mag seinen Arbeitsplatz, auch wenn der sich hinter fünf Meter hohen Mauern und Stacheldraht befindet. Immerhin gibt es auf dem zwölf Hektar großen Gefängnisgelände in Schifferstadt viele Grünflächen, Bäume und sogar einen Teich mit Enten. Gute Kommunikation und Fingerspitzengefühl "Jeder macht Fehler", sagt der 29-Jährige. Seine Aufgabe sieht er darin, die Gefangenen dabei zu unterstützen, künftig ein straffreies Leben zu führen. Dazu gehöre vor allem mit ihnen zu sprechen und zu helfen - etwa wenn es darum geht, Formulare für Behörden auszufüllen oder sie zur Schule oder zu den Arbeitsstätten in der Jugendstrafanstalt zu begleiten. Er und seine Kollegen kümmern sich um einen geregelten Tagesablauf und müssen im Notfall auch eingreifen. Es kann auch immer mal wieder zu Streitigkeiten oder Schlägereien zwischen Häftlingen kommen. Jeder Gefangene ist anders, hat eine andere Persönlichkeit, reagiert anders, erklärt Covalciuc. Manche seien impulsiv, die müsse man beruhigen. Es komme viel auf die richtige Kommunikation und Fingerspitzengefühl an: "Man muss mit ihnen so sprechen, dass sie einen auch verstehen. Vor allem mit den Gefangenen, die kein deutsch sprechen. Das ist auch eine Herausforderung." Es gehe darum, Lösungen zu finden, um zu deeskalieren, so dass Tagesablauf und die Verhaltensregeln am Ende eingehalten werden. Laut Anstaltsleitung haben rund ein Drittel der etwa 170 Häftlinge einen Migrationshintergrund. Mehr als 40 Inhaftierte sind keine deutschen Staatsangehörigen. Steiniger Weg zum Vollzugsbeamten Adrian Covalciuc hat seine Ausbildung zum Vollzugsbeamten in der JSA Schifferstadt vor drei Monaten mit Bestnoten abgeschlossen - und das, obwohl er 2018 nach Deutschland kam, ohne selbst ein Wort deutsch zu sprechen. Seine Deutschkenntnisse hat er sich während seiner 18-monatigen Ausbildung selbst erarbeitet. Ohne die Hilfe seiner Tante und seines Onkels, die bereits in Deutschland lebten, hätte er das wohl nicht geschafft, erzählt Covalciuc. Sie hätten ihm geholfen, die Sprache zu lernen und sich einzufinden. Schon seit seiner Kindheit ist es sein Traum gewesen, bei der Polizei zu arbeiten, erzählt Covalciuc. Im Alter von 15 Jahren hat er in der Republik Moldau eine Militärschule besucht. Die drei Jahre dort haben ihn tief geprägt. Er habe gelernt, nach klaren Vorgaben und Regeln zu leben. Danach habe er sich entschieden, einen Beruf im Vollzugsdienst zu ergreifen. Über ein Austauschprogramm hat er schließlich einen Platz an der Polizeiakademie in Rumänien ergattert und sei so im Strafvollzug gelandet. Praktika in rumänischen Haftanstalten Seine beruflichen Erfahrungen in Gefängnissen in Rumänien und der Republik Moldau haben ihm den Einstieg in Deutschland erleichtert, berichtet Covalciuc. In Rumänien habe er Praktika in verschiedenen Haftanstalten gemacht, eine Ausbildung für den gehobenen Dienst absolviert und Jura studiert. In der Republik Moldau habe er auch im Erwachsenenvollzug gearbeitet. Dort gehe es deutlich härter zu, als in deutschen Gefängnissen, erklärt er. Dort seien meist mehrere Gefangene in einem kleinen Haftraum untergebracht. Ganz anders als in Schifferstadt, wo es nur Einzelzellen gibt. In Rumänien habe er auch gelernt, dass man Gefangenen mit Respekt begegnen muss, egal was sie getan haben. Dann respektierten einen auch die Häftlinge, so Covalciuc. "Wir sind alle Menschen, ob Gefangener oder Beamter. Wenn wir respektvoll miteinander umgehen, dann bekommt man das auch wieder zurück." Seine Arbeit mit den Gefangenen ist auch immer ein schwieriger Balanceakt zwischen Nähe und Distanz, erklärt Covalciuc. Wenn man zu viel Nähe zulasse, dann nehme einen der Gefangene als Freund oder Kumpel wahr. Bei zu viel Distanz, könne man kein gutes Gespräch führen und kein Vertrauen aufbauen. Mit seiner Arbeit in der Jugendstrafanstalt Schifferstadt fühlt sich Covalciuc wohl. Er arbeite dort in einem tollen Team. Er ist überzeugt, dass Integration nur gelingen kann, wenn die eigene Bereitschaft und das Interesse da seien, sich einzubringen. Zudem müsse es Hilfsangebote geben: "Wenn man in einem fremden Land etwas erreichen will, muss man als erstes die Sprache lernen. Und danach alles tun, um sein Ziel zu erreichen." Die JSA Schifferstadt ist die größte Hafteinrichtung für Jugendliche und junge Erwachsene in Rheinland-Pfalz. Hier sind in der Regel Häftlinge im Alter von 14 bis 21 Jahren untergebracht. Im Schnitt verbüßen sie Haftstrafen von zwei bis drei Jahren. Die Taten reichen von einfachem Diebstahl über Gewaltdelikte bis hin zu Mord. Zurzeit sind in der JSA etwa 170 Straftäter inhaftiert. Die Anstaltsleitung sucht dringend Personal und Fachkräfte. Viele Stellen im allgemeinen Vollzug sind laut der stellvertretenden Leiterin Marina Maier unbesetzt. |
# Gewerkschaft EVG droht mit weiteren Bahnstreiks
Die Tarifverhandlungen zwischen der Deutschen Bahn und der Eisenbahngewerkschaft EVG sind erneut gescheitert. Nun drohen erneut landesweite Streiks. Sie könnten noch massiver sein als zuletzt. Die Deutsche Bahn hat die dritte Gesprächsrunde im Tarifstreit mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) erneut ohne Ergebnis für beendet erklärt. Die EVG warf der Bahn einen einseitigen Abbruch der Gespräche vor und gab sich weiter verhandlungsbereit. Allerdings erklärte die EVG auch: "Bekommen wir keine verhandlungsfähige Angebote, werden wir natürlich auch streiken", sagte EVG-Tarifvorständin Cosima Ingenschay. Termine dafür gebe es noch nicht, aber die Streiks dürften "massiver ausfallen" als die beiden Ausstände in der jüngsten Vergangenheit. EVG fordert zwölf Prozent mehr Lohn Die EVG wolle aber laufende Gespräche mit anderen Unternehmen vor allem in der kommenden Woche abwarten, bevor sie weitere Streiks ankündige. Insgesamt verhandelt die EVG mit 50 Bahn- und Busunternehmen in der aktuellen Tarifrunde. Die EVG hatte erst am Freitag mit einem achtstündigen Warnstreik den Bahnverkehr in ganz Deutschland weitgehend lahmgelegt. Die Gewerkschaft verhandelt für rund 230.000 Beschäftigte bei rund 50 Bahn- und Busunternehmen und pocht auf zwölf Prozent mehr Lohn, mindestens aber eine Erhöhung um 650 Euro im Monat. Ende Mai weitere Verhandlungen Der nächste Verhandlungstermin zwischen Deutsche Bahn und EVG ist für Ende Mai angesetzt. Dieses Datum sei "aus unserer Sicht viel zu spät", sagte Bahn-Personalchef Martin Seiler dazu. "Wir sind die ganze Zeit verhandlungsbereit." Als Grund für die gescheiterten Verhandlungen nannte die Bahn die Weigerung der Gewerkschaft, über das am Dienstag vorgelegte neue Angebot der Bahn zu verhandeln. "Wir haben uns einen riesigen Schritt auf die Gewerkschaft zubewegt. Auf der anderen Seite ist Stillstand", so Seiler. Das Angebot orientiert sich nach Angaben des Konzerns am Tarifabschluss im Öffentlichen Dienst und sieht unter anderem zehn Prozent mehr Lohn ab kommendem Jahr vor sowie zusätzlich 2850 Euro Inflationsausgleichsprämie. Gewerkschaft lehnt lange Laufzeit ab Dass die Gewerkschaft das Angebot als nicht einmal verhandelbar bezeichnet, sei "sehr, sehr bemerkenswert", sagte Seiler. Die EVG hatte Nachbesserungen gefordert. EVG-Tarifvorstand Kristian Loroch hatte kritisiert, dass nach dem Bahn-Angebot noch viele Fragen offen und Forderungen der Gewerkschaft unbeantwortet seien. Vor allem die Laufzeit von 27 Monaten sei "inakzeptabel". Zudem lehnt die EVG Einmalzahlungen, die der Konzern vorgeschlagen hatte, ab. "Das Ping-Pong von Forderungen und Angeboten muss jetzt aufhören, wir müssen ohne Vorbehalte am Tisch zu Lösungen kommen", forderte die Bahn. Es gehe um Kompromisse für beide Seiten. |
# Drahtzieher des Anschlags auf Flughafen getötet
Im August 2021 sind mehr als 180 Menschen ums Leben gekommen, als ein Selbstmordattentäter den Kabuler Flughafen ins Visier nahm, wo Tausende versuchten, den Taliban zu entkommen. Der Hintermann soll nun getötet worden sein. Die afghanischen Taliban haben offenbar den Anführer der IS-Zelle getötet, die angeblich für den verheerenden Selbstmordanschlag auf den Flughafen von Kabul im August 2021 verantwortlich ist. Zu diesem Schluss sei die US-Regierung anhand von Geheimdienstinformationen gekommen, berichteten mehrere US-Medien übereinstimmend unter Berufung auf hochrangige Regierungsmitarbeiter. Das US-Militär habe am Wochenende damit begonnen, die Familien der getöteten Militärangehörigen über die Entwicklung zu informieren, berichtete auch der Vater eines US-Marineinfanteristen, der bei dem Selbstmordanschlag ums Leben kam. Familienangehörige teilten die Informationen in einem privaten Gruppenchat, wie die Mutter eines anderen Marineinfanteristen sagte. Die Angaben der Familien gegenüber der Nachrichtenagentur AP wurden von drei Quellen aus US-Regierungskreisen und einem Kongressmitarbeiter bestätigt. Sie wollten anonym bleiben. Mehr als 180 Todesopfer bei Anschlag Bei dem Anschlag, der sich während des Abzugs des US-Militärs aus Afghanistan ereignete, waren mehr als 170 Afghanen und 13 US-Soldaten getötet worden. Es sei unklar, ob der IS-Anführer gezielt von den Taliban getötet wurde oder einem der sich mehrenden Kämpfe zwischen den militanten Islamisten und IS-Kämpfern zum Opfer fiel, berichtete die "New York Times". Sein Tod gehe aber allein auf das Konto der Taliban, die USA seien nicht beteiligt gewesen, zitierte der Sender CBS einen nicht namentlich genannten Regierungsmitarbeiter. Nähere Details oder Beweise, dass es sich bei dem Getöteten tatsächlich um den besagten IS-Anführer handelte, habe die US-Regierung nicht geliefert, hieß es. Darin Hoover, der Vater eines der getöteten US-Militärangehörigen, sagte, ihm seien nur begrenzte Informationen gegeben worden. Den IS-Kommandeur oder die Umstände von dessen Tod identifizierte er nicht. Hoover sagte, er und die Mutter seines Sohnes, Kelly Henson, hätten die Zeit seit dem Anschlag damit verbracht, zu trauern und dafür zu beten, dass die US-Regierung für die Abwicklung des Abzugs zur Rechenschaft gezogen werde. Die Tötung des IS-Kommandeurs helfe ihnen nicht weiter. Was auch immer geschehe - es werde ihren Sohn nicht zurückbringen. Scharfe Kritik an Biden-Regierung bei Abzug Bei dem Anschlag am 26. August 2021 hatte sich vor einem der Eingangstore zum Flughafengelände in der afghanischen Hauptstadt Kabul ein Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt. Massen an Menschen hatten sich dort in der Hoffnung versammelt, kurz vor dem endgültigen Abzug der letzten US-Soldaten noch außer Landes gebracht zu werden. US-Präsident Joe Biden, der den Abzug angeordnet hatte, musste harsche Kritik für die chaotischen Zustände während der Operation einstecken. In einem kürzlich veröffentlichten Bericht zur Aufarbeitung des Truppenabzugs machte die Regierung Bidens allerdings weitgehend dessen Amtsvorgänger Donald Trump für die Schwierigkeiten während der Operation verantwortlich. |
# Kaum Hoffnung auf baldiges Ende der Kämpfe
Die Bundeswehr hat ihre Evakuierungsflüge aus dem Sudan am Abend abgeschlossen. Obwohl die Feuerpause in dem Land laut UN-Einschätzung "in einigen Teilen" hält, gibt es kaum Hoffnung auf ein baldiges Ende der Kämpfe. Der von den USA vermittelte Waffenstillstand im Sudan hält nach Auffassung der Vereinten Nationen bislang "in einigen Teilen". Es gebe allerdings keine Anzeichen, dass die Kriegsparteien bereit seien, "ernsthaft zu verhandeln, was darauf hindeutet, dass beide denken, dass ein militärischer Sieg über die andere Seite möglich ist", sagte der UN-Sonderbeauftragte für den Sudan, Volker Perthes, vor dem UN-Sicherheitsrat. Dies sei eine Fehlkalkulation. Im Sudan kämpfen seit dem 15. April die sudanesischen Streitkräfte und die paramilitärische Gruppe Rapid Support Forces (RSF) um die Macht. Dabei sind mindestens 459 Menschen getötet und über 4000 verletzt worden. Seit Montagmitternacht gilt die US-vermittelte 72-stündige Waffenruhe. Zwei zuvor von beiden Konfliktparteien vereinbarte Feuerpausen waren nicht eingehalten worden. Weiter Kämpfe in Khartum In der Hauptstadt Khartum würden die Kämpfe unter anderem um den Palast der Republik, den internationalen Flughafen und die Hauptquartiere sowie Stützpunkte von Armee und RSF "weitgehend fortgesetzt oder in einigen Fällen intensiviert", so Perthes. Luftangriffe und schwerer Beschuss insbesondere in den Städten Omdurman und Bahri unmittelbar bei Khartum hielten ebenfalls an. Der Flughafen sei Berichten zufolge zwar wieder in Betrieb, die Vorfelder seien aber beschädigt. Es gebe zudem zahlreiche Berichte über Wohnungseinbrüche, Plünderungen von Häusern und Geschäften sowie an Kontrollpunkten entwendete Autos. UN-Generalsekretär António Guterres rief vor dem UN-Sicherheitsrat zum Ende der Gewalt auf und warnte vor dem Ausbruch eines vollumfänglichen Krieges. Bundeswehr schließt Evakuierungseinsatz im Sudan ab Die Bundeswehr hat ihren Evakuierungseinsatz im Sudan derweil abgeschlossen. In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch sei eine weitere Maschine des Typs A400M mit 78 Personen in Jordanien gelandet, teilte das Bundesverteidigungsministerium auf Twitter mit. Damit steige die Gesamtzahl der Evakuierten auf mehr als 700 - darunter seien etwa 200 Deutsche gewesen. Social-Media-Beitrag auf Twitter von Verteidigungsministerium: "#Evakuierungsflüge aus #Sudan beendet: In der letzten Nacht ist eine weitere Maschine vom Typ A400M der #Bundeswehr mit 78 Personen in 🇯🇴 gelandet. Damit steigt die Gesamtzahl der Evakuierten auf über 700 – darunter rund 200 🇩🇪. pic.twitter.com/Hi8rm7rHJF" Verteidigungsminister Boris Pistorius hatte dem ARD-Hauptstadtstudio mit Blick auf den für Dienstagabend angekündigten letzten Flug gesagt: "Dann war’s das erstmal. So weit wir den Überblick haben durch das Auswärtige Amt sind damit alle, die erreichbar waren, auch erreicht worden und haben sich auf dem Weg zum Flughafen gemacht." Deutsche, die noch im Sudan sind und es bislang nicht zum Flughafen geschafft haben, sollten in den kommenden Tagen bei Evakuierungsflügen anderer Länder mitgenommen werden. Pistorius und Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hatten am Dienstag allen zivilen und militärischen Kräften "für ihre großartige Leistung im Rahmen der Evakuierungsmission" gedankt. Der Chef des "Patenschaftsnetzwerks Afghanische Ortskräfte" beklagte im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio derweil, es seien keinerlei Vorkehrungen für die lokalen Beschäftigten getroffen worden, die man nun zurücklasse. Bundestag soll heute über Mandat abstimmen Wegen der akuten Gefahrensituation war die Bundeswehrmission am Sonntag zunächst ohne die eigentlich erforderliche parlamentarische Zustimmung gestartet worden. Die Bundesregierung will sich die Möglichkeit offenhalten, die Mission im Sudan bis Ende Mai fortzuführen. Über ein entsprechendes Mandat sollte der Bundestag am Mittwoch abstimmen und damit auch nachträglich die Mission genehmigen. Bis zu 1600 Soldatinnen und Soldaten sollten sich daran beteiligen können, im Notfall könne diese Zahl auch überschritten werden, heißt es in dem am Dienstag vorgelegten Mandatsantrag der Regierung. Das Mandat umfasse ausdrücklich auch "den Einsatz militärischer Gewalt zur Durchsetzung des Auftrags". Was die aktuelle politische Perspektive für den Sudan angeht, äußert die Bundesregierung in ihrem Mandatsantrag eine pessimistische Einschätzung. "In den letzten Tagen hat sich die Sicherheits- und Bedrohungslage in Sudan dramatisch verschlechtert", heißt es in dem Text. Der durch die internationale Gemeinschaft unterstützte innersudanesische Einigungsprozess sei weit zurückgeworfen. Kritik von der Union an Informationsfluss Die "anhaltende Gewalteskalation in weiten Landesteilen sowie in der Hauptstadt Khartum" habe ein Eingreifen der Bundeswehr erforderlich gemacht, schreibt die Bundesregierung in ihrem Antrag. Ziel der Bundeswehrmission sei es, "Leib und Leben deutscher Staatsangehöriger und weiterer berechtigter Personen" zu schützen. Bei der Abstimmung im Bundestag über das Einsatzmandat ist mit einer deutlichen Mehrheit zu rechnen. Die oppositionelle Union deutete die Bereitschaft zur Zustimmung an, kritisierte allerdings die Informationspolitik der Bundesregierung sowie einige Unklarheiten im Mandatsantrag. Mehrere weitere Länder fliegen Bürger aus Im niederländischen Eindhoven landete unterdessen eine Maschine mit 104 Evakuierten aus dem Sudan. Wie das niederländische Außenministerium am Abend mitteilte, waren die Menschen zunächst nach Jordanien gebracht worden, bevor sie von dort in die Niederlande weiterfliegen konnten. Unter den 104 Evakuierten befinden sich nicht nur Niederländer, sondern auch Angehörige anderer Nationen. Großbritannien flog am Dienstag erste Staatsbürger nach Zypern aus. Mindestens zwei weitere Evakuierungsflüge sollten in der Nacht stattfinden, sagte ein Sprecher von Premierminister Rishi Sunak. Schulze: Evakuierung von Helfern könnte dramatische Folgen haben Die eilige Evakuierung deutscher und internationaler Helfer könnte aus Sicht von Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze dramatische Folgen haben. Ein Drittel der Bevölkerung im Sudan sei schon jetzt auf Nahrungsmittelhilfen aus dem Ausland angewiesen, und es würden täglich mehr, sagte die SPD-Politikerin dem "General-Anzeiger" aus Bonn. Dass die Konfliktparteien einer Feuerpause von 72 Stunden zugestimmt haben, sei daher eine gute Nachricht. "So können sich die Menschen mit Wasser und Brot oder Medikamenten zu versorgen." Eine kurzzeitige Feuerpause könne aber nur der Anfang für eine dauerhafte Waffenruhe und Konfliktlösung sein, sagte Schulze. "Denn nur dann können wir unsere Arbeit wieder aufnehmen." Schulze forderte, dass das Militär seine Macht an eine zivile Regierung übertragen müsse. UN: Konfliktparteien missachten Schutz von Zivilisten Wahllose Angriffe der beiden Konfliktparteien im Sudan gefährden den Vereinten Nationen zufolge weiterhin das Leben von Zivilisten. "Beide Kriegsparteien haben die Gesetze und Normen des Angriffs auf dicht besiedelte Gebiete missachtet, mit wenig Rücksicht auf Zivilisten, Krankenhäuser oder sogar Fahrzeuge, die Verwundete und Kranke transportieren", sagte der UN-Vermittler Perthes am Dienstag bei der Sitzung des UN-Sicherheitsrats. So wurde etwa in Khartum ein bekannter sudanesisch-amerikanischer Mediziner erstochen. Bushra Ibnauf Sulieman war Leiter der Medizinischen Fakultät an der Universität der Hauptstadt Khartum. Er wurde vor seinem Haus getötet, wie der sudanesische Ärzteverband mitteilte. Er hatte lange in den USA gearbeitet, wo seine Kinder leben, war jedoch in das nordostafrikanische Land zurückgekehrt, um Ärzte auszubilden. Kollegen sagten, er habe in den vergangenen Tagen Menschen behandelt, die bei den Kämpfen im Land verletzt worden seien. Perthes forderte beide Seiten auf, den Verpflichtungen des humanitären Völkerrechts nachzukommen und den Schutz der Zivilbevölkerung und der zivilen Infrastruktur sicherzustellen. Zudem gebe es "beunruhigende Berichte über versuchte sexuelle Übergriffe". Perthes, der seinen Arbeitsort aus Sicherheitsgründen in die Stadt Port Sudan verlegt hatte, ist nach eigenen Angaben weiterhin in regelmäßigem Kontakt mit den rivalisierenden Generälen im Sudan. Mit Informationen von Kai Küstner, ARD-Hauptstadtstudio |
# Russlands Strategie für das Baltikum
Bislang unbekannte Papiere aus dem Kreml beschreiben, wie Russland im Baltikum offenbar Einfluss zurückgewinnen will. Experten zufolge läuft die Taktik Moskaus bislang aber ins Leere. "Putin, The Hague is waiting for you!" - "Putin, Den Haag wartet auf dich!" Dieser Slogan prangt seit Monaten auf einem der Wolkenkratzer von Vilnius, der Hauptstadt Litauens. Hier, weit im Osten der EU, in direkter Nachbarschaft zu Russland, will man offenbar sehr deutlich machen, dass man dem Aggressor im Kreml in jedem Fall die Stirn bieten will. Die Regierung in Vilnius steht klar an der Seite der Ukraine. Jegliche Kontakte zu Russland liegen auf Eis. Die entschiedene Position gegenüber Moskau vertritt Litauen zusammen mit seinen baltischen Partnern Lettland und Estland. Innerhalb der EU treiben die drei baltischen Staaten die Sanktionen gegen Russland besonders voran. Und schon lange vor dem russischen Krieg gegen die Ukraine warnten sie vor einem aggressiven Kurs des Kreml. Denn das Baltikum liegt direkt vor Russlands Toren. Moskau wiederum versucht offenbar seit Jahren, seinen Einfluss in den baltischen Staaten auszubauen. Das jedenfalls geht aus internen, bisher nicht öffentlich bekannten Strategie-Papieren hervor, die aus der Kreml-Administration stammen sollen. WDR, NDR, "Süddeutsche Zeitung" und internationale Medienpartner hatten in diesem Jahr bereits über ähnliche Dokumente zu den mutmaßlichen Plänen des Kreml für Operationen der Destabilisierung und Einflussnahme in Belarus und Moldau berichtet. Dem Recherchekonsortium liegen nun weitere Papiere vor, und diesmal geht es um Strategien für das Baltikum. Dokumente offenbar aus dem Sommer 2021 In den neuen Dokumenten zu Litauen, Lettland und Estland, die offenbar im Sommer 2021 verfasst wurden, geht es anders als bei Moldau oder Belarus weniger um die Frage, wie Russland sich ein Land langsam einverleiben kann. Es geht vielmehr um Strategien dafür, im Baltikum mehr Einfluss zu gewinnen. Und darum, eine Ausweitung des NATO-Engagements im Baltikum zu verhindern. Manche Ziele für die drei Länder ähneln sich dabei, etwa die Unterstützung pro-russischer Kräfte. Auch will Moskau generell gegen eine angebliche Diskriminierung von russischsprachigen Bürgern vorgehen. Es geht es in den Papieren aber auch um sehr länderspezifische Ansätze. So heißt es, die Verbindungen zwischen "russischen Landsleuten" in Litauen und "ihrem historischen Heimatland" sollten besonders gestärkt werden. Für den Kreml scheinen zudem Organisationen im Baltikum mit russlandfreundlichem Hintergrund eine wichtige Rolle zu spielen. Man wolle "öffentliche Strukturen, Stiftungen und NGOs" etablieren, um die Kooperation mit Russland zu befördern. Langfristig gehe es darum, die Beziehungen zwischen Russland und Litauen, Lettland und Estland "wiederherzustellen". Wie zuletzt in der Auseinandersetzung mit dem Westen, sieht der Kreml auch mit Blick auf die baltischen Staaten offenbar Energie als ein mögliches politisches Druckmittel. Das Stromnetz aller drei Länder ist immer noch eng mit dem Russlands verknüpft. Allerdings sind die drei Länder längst dabei, sich von russischer Energie unabhängig zu machen. Dabei könnte Moskau einen entscheidenden Machthebel verlieren, warnen die Kreml-Strategen in den Papieren. NATO im Mittelpunkt Einer der zentralen Punkte in allen drei Kreml-Papieren ist die NATO: Das Militärbündnis solle sich nicht dauerhaft in der Region etablieren können. Das war so oder so ähnlich auch schon in den Strategiepapieren zu Belarus und Moldau zu lesen. Bezogen auf die baltischen Staaten heißt es hier, dass in Lettland und Litauen ausdrücklich die "Einrichtung von NATO-Stützpunkten" verhindert werden soll. Der Plan für Litauen, dem baltischen Land mit den meisten Einwohnern, nennt zudem explizit die Aufstellung von Mittelstreckenabwehrsystemen zur Luft- und Raketenverteidigung in NATO-Regie. Pro-russische Politiker machen tatsächlich schon seit einiger Zeit auf Propagandakanälen und in sozialen Netzwerken mit gezielten Desinformationen gegen die Erweiterung von Militärübungsplätzen im Baltikum Front. Die Unterlagen sollen von der "Direktion für die grenzübergreifende Zusammenarbeit" der russischen Präsidialadministration verfasst worden sein, einer Art geopolitischen Denkfabrik des Kreml, deren Aufgabe es ist, Strategien für jene Nachbarstaaten Russlands zu entwickeln in denen Moskau seinen Einfluss ausbauen will. "Geopolitische Demütigung" Es waren Litauen, Lettland und Estland, die Anfang der 1990er-Jahre mit ihrem Streben nach Unabhängigkeit das Ende des Sowjetimperiums einläuteten. Im Kreml werde das bis heute als "geopolitische Demütigung" empfunden, sagt Baltikum-Experte Kai-Olaf Lang von der Denkfabrik Stiftung Wissenschaft und Politik. Putin selbst nannte den Zerfall der Sowjetunion die "größte geopolitische Katastrophe" des vergangenen Jahrhunderts. Und so verwundert es kaum, dass Moskau offensichtlich danach strebt, seinen Einfluss auf die baltischen Staaten wieder zu vergrößern. Westliche Sicherheitsexperten, mit denen WDR, NDR und "Süddeutsche Zeitung" über die Dokumente gesprochen haben, halten sie für authentisch. "Es zeigt schon Putins Großmachtsfantasien, dass Moskau überhaupt den Versuch unternimmt, in diesem Umfang auf unabhängige Nationen Einfluss nehmen zu wollen", meint etwa Wolfgang Ischinger, ehemaliger Diplomat und langjähriger Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz. Ein hochrangiger westlicher Geheimdienstler wiederum sagt: "Es geht nicht darum, in diesen Ländern gewaltsam das System zu stürzen. Stattdessen versuche Russland mit hybriden Maßnahmen, seinen noch bestehenden Einfluss zu sichern. Man unterstütze russlandfreundliche Parteien und wende sich an Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft. Allerdings habe das alles "bislang wenig Erfolg". "Wir kennen unseren Nachbarn" Litauens Ministerpräsidentin Ingrida Šimonytė erklärte, das Kreml-Strategiepapier sei für sie "nicht überraschend". Das Dokument hält sie für authentisch. Ihr Land werde allerdings beispielsweise mit Blick auf die Energie "alles unternehmen, um so schnell wie möglich" unabhängig von Russland zu werden. Lettlands Regierungschef Krišjānis Kariņš sagte gegenüber den Medienpartnern, dass sein Land seit der Unabhängigkeit damit konfrontiert sei, dass Russland seine Position in den Nachbarstaaten ausweiten wolle. Aber: "Auf internationaler Ebene setzt sich Lettland aktiv für Russlands Isolation ein", so Kariņš. Und Estlands Ministerpräsidentin Kaja Kallas meint: "Wir kennen unseren Nachbarn". Sie sehe ihre Aufgabe darin "unser Wissen über Russlands Aktionen zu teilen, um gegen direkte und indirekte Einflussversuche vorgehen zu können." Ein hochrangiger westlicher Geheimdienstmitarbeiter verweist darauf, dass die Kreml-Pläne aus dem Sommer 2021 für das Baltikum bislang kaum Erfolg gezeigt hätten. Die baltischen Staaten seien durch den Krieg gegen die Ukraine vielmehr noch stärker an den Westen herangerückt. Hier ist die russische Taktik offensichtlich nicht aufgegangen. Die russische Präsidialverwaltung ließ eine Anfrage zu den mutmaßlichen Plänen zunächst unbeantwortet. An der Recherche waren neben WDR, NDR und SZ folgende Medien beteiligt: Delfi Estonia, Dossier Center, Expressen, Frontstory.pl, Kyiv Independent, LRT, Re:Baltica, VSquare, Yahoo News |
# Vonovia verkauft 21.000 Wohneinheiten
Der Wohnimmobilien-Konzern Vonovia verkauft seine Beteiligung an einem Immobilienportfolio und will in diesem Jahr noch mehr Wohnungen veräußern. Mit dem Geld will der Konzern seine Schulden tilgen. Deutschlands größter Wohnimmobilien-Konzern Vonovia veräußert seine Beteiligung an dem Südewo-Portfolio. Für eine Milliarde Euro sollen mehr als 21.000 Wohneinheiten in Baden-Württemberg den Besitzer wechseln. Das teilte der DAX-Konzern mit. Die Transaktion bewerte das gesamte Südewo-Portfolio mit 3,3 Milliarden Euro, Vonovia hält lediglich einen Minderheitsanteil. Bis Ende Mai soll der Käufer, eine von Apollo verwaltete Gesellschaft, den Anteil von Vonovia übernommen haben. Bis zur Übernahme müssen noch rechtliche Fragen geklärt werden - so müsse beispielsweise noch eine kartellrechtliche Freigabe erfolgen. Vonovia habe eine langfristige Option zum Rückkauf der Beteiligung, müsse diese aber nicht ausüben. Trotz des Verkaufs werde Vonovia die Wohneinheiten weiterhin kontrollieren, bewirtschaften und konsolidieren. Zwei Milliarden Euro Einnahmen aus Verkäufen Der Verkauf geschieht in einer Phase, in der Vonovia wie viele andere Immobilien-Konzerne unter steigenden Zinsen leidet. Nun versucht Deutschlands größter Wohnimmobilien-Konzern, durch die Verkäufe von Immobilien Gelder zu beschaffen. Insgesamt sollen in diesem Jahr rund zwei Milliarden Euro durch den Verkauf von Immobilien generiert werden - mit dem Verkauf des Südewo-Portfolios ist bereits die Hälfte dieser Zielmarke erreicht. Das Geld will Vonovia für denn Abbau der Schulden verwenden. Bereits im vergangenen Jahr verkaufte Vonovia 19.760 Wohnungen, doch die Nachfrage ist aufgrund der hohen Immobilienpreise und der steigenden Bauzinsen gering. "Der Markt ist nicht völlig zum Erliegen gekommen, sondern mühsam", hatte Unternehmenschef Rolf Buch noch im März bei Vorlage der Bilanz gesagt. Keine Neubauprojekte für 2023 geplant Damit nimmt der Gesamtbestand an Wohnungen, die Vonovia besitzt, in diesem Jahr deutlich ab. Denn der Konzern kündigte bereits an, 2023 keine neuen Bauprojekte zu beginnen, und begründete das mit den gestiegenen Bau- und Finanzierungskosten. Projekte, die sich bereits im Bau befinden, sollen aber zu Ende gebracht werden. 2023 werde Vonovia 3450 Wohnungen fertigstellen, hatte Buch gesagt. "Neubau, der zu vertretbaren Mietpreisen führt, ist in der aktuellen Situation einfach wirtschaftlich nicht möglich", hatte er hinzugefügt. Auch am Aktienmarkt zeigt sich die angespannte Lage in der Immobilienwirtschaft: Seit dem Jahreswechsel sank der Kurs der Vonovia-Anteilsscheine um knapp zwölf Prozent und in den vergangenen zwölf Monaten um mehr als 40 Prozent. Anleger reagierten heute positiv auf die Nachricht, die Vonovia-Aktie gewann zwischenzeitlich mehr als fünf Prozent. |
# Viessmann verkauft Wärmepumpengeschäft
Das Geschäft ist besiegelt: Der Heizungsbauer Viessmann verkauft seine Klimatechniksparte für zwölf Milliarden Euro an den US-Konzern Carrier Global. Wirtschaftsminister Habeck will die Übernahme prüfen. Der hessische Heizungsbauer Viessmann verkauft seine Klimasparte einschließlich der lukrativen Wärmepumpen an den US-Konkurrenten Carrier Global. Dieser bezifferte den Preis auf zwölf Milliarden Euro. Die verbleibende Viessmann-Gruppe erhält 80 Prozent des Kaufpreises in bar, die restlichen 20 Prozent als Aktienpaket. Dadurch wird die Viessmann-Gruppe einer der größten Anteilseigner des US-Konzerns. Das Geschäft soll bis zum Ende des Jahres abgeschlossen sein. Der Kaufpreis entspreche dem 13-fachen des für 2023 erwarteten operativen Ergebnisses (Ebitda), teilte Carrier in der Nacht auf Mittwoch mit. Langfristige Garantien für Mitarbeiter Beide Seiten hätten sich auf langfristige Garantien geeinigt, teilte Viessmann mit. So seien betriebsbedingte Kündigungen für drei Jahre ausgeschlossen, wichtige Standorte für fünf Jahre gesichert und Allendorf an der Eder für zehn Jahre als Hauptsitz gesetzt. An die Mitarbeiter der Sparte sollen 106 Millionen Euro als Sonderprämie "für 106 Erfolgsjahre" ausgeschüttet werden. Carrier setzt auf Siegeszug der Wärmepumpe Mit dem Verkauf entstehe ein "zukunftssicherer globaler Klima-Champion", erklärte Konzernchef Max Viessmann, der in den Verwaltungsrat von Carrier einzieht. "Wir können die weltweite Energiewende nur dann erfolgreich meistern, wenn Unternehmen global denken, handeln und zusammenarbeiten." Carrier-Chef David Gittin bezeichnete die Akquisition als "spielverändernde Gelegenheit". Die Viessmann-Klimasparte mit 11.000 Beschäftigten sei entscheidend für die europäische Energiewende. Carrier setzt mit der Übernahme vor allem auf den Siegeszug der Wärmepumpe: Der Markt in Europa werde sich bis 2027 auf 15 Milliarden Euro verdreifachen. Guter Marktzugang über Installateure Dabei will das US-Unternehmen künftig auch vom Marktzugang über 75.000 Installateure in 25 Ländern profitieren, die Viessmann-Produkte in die Haushalte bringen könnten. Das ist ein großer Vorteil gegenüber den asiatischen Anbietern, die in der Massenproduktion von Klimaanlagen führend sind, welche mit Wärmepumpen in weiten Teilen bauähnlich sind. Bekannte asiatische Anbieter sind Daikin, Mitsubishi (beide Japan), Midea (China) oder Samsung (Korea). Doch etwa in Deutschland fehlt ihnen bislang noch der Marktzugang über die Installateure. Zwei Unternehmen mit langer Tradition Viessmann ist neben Bosch (Buderus) und Vaillant einer der größten Heizungshersteller in Deutschland. Der Geschäftsbereich Klimalösungen steht für 85 Prozent der Umsätze, die 2022 auf den Rekordwert von rund vier Milliarden Euro angestiegen waren. Das 1917 aus einer Schlosserei gegründete Unternehmen gehört zu den bekanntesten deutschen Heizungsbauern und zählte bislang zu den Gewinnern der Klimawende insbesondere im Gebäudebereich. Das Unternehmen Carrier aus dem US-Staat Florida gilt als Erfinder der modernen Klimaanlage und wurde 1902 gegründet. Der Konzern beschäftigt 52.000 Menschen und erlöste im vergangenen Jahr 20,4 Milliarden Dollar. 60 Prozent des Umsatzes entfielen auf Nord- und Südamerika. Deal nicht unumstritten Das Geschäft zwischen Viessmann und Carrier wird von Politikern und Ökonomen hierzulande nicht nur positiv gesehen. Einige kritische Stimmen warnen, dass Deutschland nach dem Niedergang der Solarenergiebranche nun die nächste Zukunftstechnologie zu verlieren drohe. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will den milliardenschweren Verkauf unter die Lupe nehmen. "Wir werden uns das Vorhaben im Rahmen der vorgesehenen Prüfschritte anschauen und sind im Gespräch mit dem Verkäufer und dem Investor, damit das Projekt unserer Wirtschaft und dem Standort Deutschland dient", erklärte der Grünen-Politiker. Wichtig sei, "dass die Vorteile unserer Energiepolitik und Gewinne, die damit erwirtschaftet werden, auch weiter dem Standort Deutschland zugutekommen". Darauf werde die Regierung achten. |
# Hunderte Migranten erreichen Lampedusa
Noch immer wagen viele Menschen die gefährliche Flucht über das Mittelmeer. Allein seit Mitternacht kamen Hunderte Migranten auf der italienischen Insel Lampedusa an. Rettungskräfte fanden auch zwei Leichen. Erneut haben Hunderte Bootsmigranten die italienische Mittelmeerinsel Lampedusa erreicht. Seit Mitternacht seien rund 430 Menschen mit zehn Booten auf der Insel angekommen, berichtete die Nachrichtenagentur Ansa unter Berufung auf die Küstenwache. Am Dienstag kamen demnach rund 670 Migranten mit 20 Booten dort an. Bei einem Einsatz der Küstenwache in der italienischen Such- und Rettungszone vor Lampedusa wurden zudem die Leichen von zwei Frauen geborgen, wie Ansa weiter meldete. Die Einsatzkräfte entdeckten die Leichen den Angaben zufolge, nachdem sie 62 in Seenot geratene Menschen an Bord genommen hatten. Die Zahl der Ankünfte von Migranten auf Lampedusa ist zuletzt wieder stark gestiegen. Bereits am Sonntag und Montag wurden laut Italiens Küstenwache mehr als 1200 Migranten auf die Insel gebracht. Kapazitäten im Camp bei weitem überschritten Migranten werden auf der kleinen Insel in ein Erstaufnahmelager gebracht. Das Camp, das für rund 400 Menschen Platz hat, ist laut Ansa mit mehr als 2600 Menschen komplett überfüllt. Lampedusa liegt zwischen Sizilien und Nordafrika, von der tunesischen Küstenstadt Sfax ist die Insel knapp 190 Kilometer entfernt. Die Überfahrt nach Italien ist hochgefährlich - seit Montag kam es etwa zu vier Schiffbrüchen. Nach offiziellen Zahlen des Innenministeriums in Rom erreichten seit Beginn des Jahres mehr als 36.600 Migranten Italien auf Booten. Im Vorjahreszeitraum waren es rund 9000. |
# Nawalny erneut vor Gericht
Eine elfeinhalbjährige Haftstrafe sitzt Kremlkritiker Nawalny derzeit ab - nun drohen ihm nach eigener Aussage zusätzliche 30 Jahre. In Moskau hat ein Gericht über ein weiteres Verfahren gegen den Oppositionspolitiker beraten. Kremlkritiker Alexej Nawalny muss sich wohl erneut vor einem Moskauer Gericht verantworten - diesmal nach eigenen Angaben wegen Extremismusvorwürfen. Ihm werde vorgeworfen, im Gefängnis Terroranschläge vorbereitet zu haben, sagte der 46-Jährige per Videoschalte in einer ersten technischen Sitzung, in der das Gericht darüber entscheidet, wie viel Zeit der Angeklagte erhält, sich mit den Vorwürfen auseinanderzusetzen. "Sie haben absurde Vorwürfe gegen mich erhoben, aufgrund derer mir 30 Jahre Gefängnis drohen ... dass ich während meiner Haft Terrorakte verübe", zitieren Verbündete Nawalny auf Twitter. Die Presse wurde von dem Verfahren weitgehend ausgeschlossen. Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch erklärte, das Gericht versuche damit, die Kommunikation des Politikers mit den Medien zu verhindern. International gilt der bisher offiziell wegen Betrugs verurteilte Nawalny als politischer Gefangener. Menschenrechtler sprechen von Willkürjustiz, um den Gegner von Russlands Präsident Wladimir Putin zum Schweigen zu bringen. Nawalny zurück in Einzelhaft Zudem wurde bekannt, dass Nawalny nach dem Ende seiner 15-tägigen Isolationshaft sofort erneut in eine Einzelzelle verlegt wurde. Für ihn sei das sogar zu Sowjetzeiten geltende eiserne Gefängnisprinzip gebrochen worden, einem Häftling nach 15 Tagen Einzelarrest zumindest einen Tag Erholung zu gönnen, teilten Nawalnys Vertraute auf seinem Telegram-Kanal mit. Für Nawalny ist es bereits die 14. Einzelhaft seit dem vergangenen Sommer. In der engen Isolationszelle sind die Bedingungen besonders hart. So können Gefangene kein zusätzliches Essen kaufen oder von Angehörigen besucht werden. Nawalny hatte zudem berichtet, dass ihm die Zeit zum Briefeschreiben gekürzt und sein täglicher Spaziergang im Gefängnishof auf den Morgen verlegt worden sei, damit er dort nicht die Sonne sehe. |
# Gericht bestätigt Todesurteil gegen Deutsch-Iraner
Ende Februar war der Deutsch-Iraner Sharmahd zum Tode verurteilt worden. Nun bestätigte der Oberste Gerichtshof des Iran die Entscheidung in letzter Instanz. Außenministerin Baerbock hatte das Urteil bereits vor Wochen scharf kritisiert. Der Oberste Gerichtshof im Iran hat das umstrittene Todesurteil gegen den Deutsch-Iraner Djamshid Sharmahd bestätigt. Das sagte Justizsprecher Massud Setajeschi. Wann die Todesstrafe vollstreckt werden soll, ist noch nicht bekannt. Ein Revolutionsgericht hatte den 68-Jährigen im Februar unter anderem für einen Terroranschlag verantwortlich gemacht, bei dem 14 Menschen getötet wurden. Außerdem legte das Gericht ihm die Kooperation mit ausländischen Geheimdiensten zur Last. Er soll mit FBI- und CIA-Agenten in Kontakt gewesen sein und versucht haben, Kontakte zum israelischen Geheimdienst Mossad aufzubauen. Zwei Mitarbeiter der iranischen Botschaft ausgewiesen Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hatte das Urteil im Februar scharf kritisiert und den Iran aufgefordert, die Entscheidung im Berufungsverfahren zu korrigieren und von der Todesstrafe abzusehen. Kurz darauf wies die Bundesregierung zwei Mitarbeiter der iranischen Botschaft aus. Dem zugleich einbestellten Geschäftsträger des Iran wurde mitgeteilt, der Iran müsse das Todesurteil widerrufen und Sharmahd ein faires und rechtsstaatliches Berufungsverfahren ermöglichen. Wenige Tage später wies der Iran seinerseits zwei deutsche Diplomaten aus und begründete dies damit, dass sich Deutschland auf verantwortungslose Weise in die inneren Angelegenheiten des Iran einmische. Vom iranischen Geheimdienst in Dubai festgenommen Der Aktivist Sharmahd wurde im Sommer 2020 Berichten zufolge vom iranischen Geheimdienst in Dubai festgenommen und in den Iran gebracht. Seitdem ist er in Teheran inhaftiert. Zuvor lebte Sharmahd jahrelang in den USA. Seine Familie und Menschenrechtsgruppen wiesen die Vorwürfe gegen ihn in der Vergangenheit zurück. Sharmahd engagierte sich in den USA in der Exil-Oppositionsgruppe "Tondar" (Donner), die sich für eine Rückkehr der Monarchie einsetzt. Merz zeigt sich schockiert CDU-Chef Friedrich Merz, der Sharmahds politische Patenschaft übernommen hatte, zeigte sich auf Twitter schockiert. "Ich fordere das Regime im Iran erneut auf, Jamshid Sharmahd sofort die Ausreise in sein Heimatland Deutschland zu ermöglichen!", schrieb Merz. Social-Media-Beitrag auf Twitter von Friedrich Merz: "Die Nachricht von der Bestätigung des Todesurteils gegen den deutschen Staatsbürger Jamshid #Sharmahd schockiert zutiefst. Ich fordere das Regime im #Iran erneut auf, Jamshid Sharmahd sofort die Ausreise in sein Heimatland Deutschland zu ermöglichen! (FM) @IraninBerlin" Derzeit sind mehrere europäische Staatsbürger im Iran inhaftiert, viele von ihnen haben auch einen iranischen Pass. Der Iran behandelt Doppelstaatsbürger juristisch wie Iraner. Kritiker werfen Teheran vor, ausländische Staatsbürger als politische Geiseln festzusetzen. Der Iran weist die Vorwürfe zurück und begründet die Festnahmen üblicherweise mit dem Vorwurf der Spionage. |
# Ermittler prüfen terroristischen Hintergrund
Experten haben nach der Festnahme des Verdächtigen dessen Handy ausgewertet. Dort fanden die Ermittler Hinweise, dass es sich bei der Messerattacke in dem Duisburger Fitnessstudio um eine islamistisch motivierte Tat handeln könnte. Das hat die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf bestätigt, die die Ermittlungen übernommen hat. Gibt es doch eine Verbindung zur Attacke in der Nacht auf Ostersonntag? Die Ermittler verfolgen außerdem eine neue Spur, die zu einem anderen Fall führen könnte. In der Nacht zu Ostersonntag war in der Duisburger Altstadt ein 35-jähriger Partygast erstochen worden. Eine Verbindung zwischen beiden Straftaten werde aktuell geprüft, wie die Generalstaatsanwaltschaft dem WDR gegenüber bestätigte. In der Blutlache des getöteten 35-Jährigen soll laut Duisburger Staatsanwaltschaft ein Schuhabdruck gefunden worden sein, der zu einem Schuh des 26-jährigen Verdächtigen der Fitnessstudio-Attacke passen könnte. Ein DNA-Abgleich solle jetzt klären, ob an dem Schuh Blut des 35-jährigen Opfers ist. Polizei wertet Speichermedien aus Unterdessen hält sich die Generalstaatsanwaltschaft mit Einzelheiten zu Auswertungsergebnissen des Handys noch bedeckt. "Die Beweismittel, darunter elektronische Speichermedien, werden aktuell weiter ausgewertet und es wird auch weiter versucht, den persönlichen Hintergrund des Beschuldigten zu ermitteln", sagt Sprecher Holger Heming. Zeugen erkannten mutmaßlichen Täter Der mutmaßliche Täter war in der Nacht zum Sonntag in seiner Wohnung nahe des Tatorts von Spezialeinheiten verhaftet worden. Zwei seiner Bekannten im Alter von 26 und 33 Jahren hatten den Beamten offenbar einen Tipp gegeben. In der Wohnung stellten die Beamten auch zwei Messer sicher, die als mögliche Tatwaffe jetzt auf DNA-Spuren der Opfer untersucht werden. Mutmaßlicher Täter in U-Haft Die Staatsanwaltschaft wirft dem syrischen Staatsbürger versuchten Mord vor. Der 26-Jährige sitzt weiter in Untersuchungshaft und soll jetzt auch psychiatrisch begutachtet werden. Der Verdächtige selbst schweigt zu den Vorwürfen. Gegen ihn wird bisher wegen versuchten Mordes ermittelt, nachdem er vergangene Woche vier Menschen in einem Fitnessstudio mit einem Messer schwer verletzt haben soll. Drei der Verletzten sind mittlerweile aus dem Krankenhaus entlassen. Ein 21-Jähriger schwebt weiter in Lebensgefahr. Auch in Hamburg war am Dienstag ein Syrer unter Terrorismusverdacht festgenommen worden. Terrorismus-Experte Peter Neumann sagte dem WDR, es gebe eine Häufung von Einzeltätern, die sich zuhause am Computer radikalisierten. "Sie sind nicht Mitglieder größerer Netzwerke, sie schlagen häufig allein und impulsiv los". Das mache es für die Polizei schwierig, ihnen auf die Spur zu kommen, weil sie nicht über ihre Pläne kommunizierten. Über dieses Thema haben wir am 25.04.2023 in der Lokalzeit auf WDR 2 und der Lokalzeit Duisburg im WDR Fernsehen berichtet. |
# Rentner erhalten zum 1. Juli mehr Geld
4,39 Prozent im Westen und 5,86 Prozent im Osten - ab Juli steigen in Deutschland die Renten. Dem hat das Kabinett nun zugestimmt. Der Rentenwert in Ost und West wird ein Jahr früher angeglichen als geplant. Die etwa 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner in Deutschland bekommen wie geplant ab 1. Juli mehr Geld. Das Bundeskabinett beschloss ein Rentenplus von 4,39 im Westen und 5,86 Prozent im Osten. Die Zahlen hatte Bundessozialminister Hubertus Heil schon im März veröffentlicht. Die vom Kabinett beschlossene Verordnung muss noch vom Bundesrat angenommen werden, was aber Formsache ist. Der Bundestag muss nicht zustimmen. Angleichung des Rentenwerts in Ost und West Neben der Rentenerhöhung kommt es fast 33 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung außerdem zur Angleichung des Rentenwerts in Ost und West - ein Jahr früher als geplant, weil die Löhne im Osten stärker aufholten. "Dazu hat auch die Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro beigetragen, von der viele Menschen in den neuen Ländern profitiert haben", erklärte Heil. Im Westen ist dies die dritthöchste Anhebung seit der Wiedervereinigung 1990. Auch im Osten fiel die Erhöhung nur selten noch höher aus. Eine monatliche Rente von zum Beispiel 1000 Euro, die nur auf West-Beiträgen beruht, steigt durch die Erhöhung um rund 44, eine gleich hohe Rente mit Ost-Beiträgen um fast 60 Euro. Dass die Renten im Osten stärker steigen als im Westen, liegt an der sogenannten Angleichungstreppe: Bis 2024 sollte der Rentenwert Ost schrittweise an den im Westen angepasst werden. Dennoch droht Verlust der Kaufkraft Für einen großen Teil der Ruheständler könnten die Anhebungen dennoch einen Verlust der Kaufkraft bedeuten. Denn die Anpassung der Renten bleibe hinter der Inflation zurück, erklärte das Bundesarbeitsministerium. Dies sei aber nur eine Momentaufnahme. Die Renten steigen im Normalfall jedes Jahr zum 1. Juli. Sie richten sich nach der Lohnentwicklung im Land. Bei sinkenden Löhnen verhindert eine sogenannte Rentengarantie eine Absenkung der Altersbezüge. Im schlimmsten Fall kommt es dann zu Nullrunden, wie vor zwei Jahren im Zuge von Corona oder 2010 nach der Finanzkrise. Im vorigen Jahr war die Rentenanpassung trotz einer Rekorderhöhung um 5,35 Prozent im Westen und um 6,12 Prozent im Osten unterhalb der Teuerungsrate geblieben. Diese betrug für das Gesamtjahr 2022 laut Statistikamt 6,9 Prozent. |
# Erdogan legt Wahlkampfpause ein
Gut zwei Wochen vor der Präsidentschaftswahl in der Türkei muss der amtierende Präsident Erdogan eine Pause im Wahlkampf einlegen. Wegen gesundheitlicher Probleme hat er mehrere Termine abgesagt. Nach der plötzlichen Unterbrechung eines Fernsehinterviews wegen Bauchbeschwerden hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan eine Wahlkampfpause bekannt gegeben. Er erhole sich auf ärztlichen Rat hin zu Hause, teilte er bei Twitter mit. Social-Media-Beitrag auf Twitter von Recep Tayyip Erdoğan: "Yoğun mesaim sebebiyle yayın esnasında geçirdiğim küçük rahatsızlıktan ötürü geçmiş olsun dileklerini ileten, dualarını eksik etmeyen necip milletimin her bir ferdine, her bir kardeşime çok çok teşekkür ediyorum.…" "Mit Gottes Erlaubnis werden wir unser Programm ab morgen fortsetzen", fügte der Präsident hinzu. Erdogan wird heute vom Vizepräsidenten vertreten Erdogan hat angesichts sinkender Umfragewerte in den vergangenen Wochen unermüdlich Wahlkampfauftritte absolviert. Der Wahlkampf läuft derzeit auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen ihm und dem Oppositionskandidaten Kemal Kiliçdaroglu hinaus. Erdogan hatte heute drei Wahlkampfauftritte in Anatolien geplant. Er sagte, dass Vizepräsident Fuat Oktay ihn bei den Veranstaltungen vertreten werde. Morgen will der türkische Präsident an der Einweihung des ersten türkischen Atomkraftwerks an der Südküste des Landes teilnehmen. Der Termin gilt als einer seiner wichtigsten Wahlkampfauftritte in dieser Woche. Live-Interview überraschend unterbrochen Gestern Abend war Erdogan live von den türkischen Sendern Ülke TV und Kanal 7 interviewt worden. Das Programm hatte mit 90 Minuten Verzögerung begonnen und wurde dann nach zehn Minuten mitten in einer Frage durch Werbung unterbrochen. Als das Interview rund 20 Minuten später weiterging, sagte Erdogan, er habe sich im Wahlkampf eine schwere Magen-Darm-Grippe zugezogen. Er entschuldigte sich für die Unterbrechung. Der Politiker sah bleich aus und beendete das Interview wenig später. Erdogan tritt bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen am 14. Mai für eine dritte Amtszeit an. Er hat mitunter drei oder mehr Wahlkampfveranstaltungen pro Tag absolviert. |
# tagesschau vor 20 Jahren
Wie sah die Welt vor 20 Jahren aus? Welche Themen bestimmten die politische Debatte? Wie wurden die Probleme bewertet? Wer war damals wichtig? Die tagesschau bietet einen wertvollen Einblick in die jüngere Zeitgeschichte. Die tagesschau vor 20 Jahren dokumentiert alle 20-Uhr-Ausgaben Tag für Tag im Nachrichtenrückblick. Tagesschau-Ausgaben im April 2003 Die Jahre 1989-2003 |
# Ticketkontrolle mit Bodycam
Zugbegleiter und Zugbegleiterinnen bekommen immer öfter den Frust von Bahnreisenden ab - und häufig bleibt es nicht bei Worten. Testweise setzt die Bahn nun Bodycams ein - können sie für mehr Schutz sorgen? "Hier noch jemand zugestiegen? Die Fahrscheine bitte": Valerie Fischer macht seinen Job mit viel Routine, seit mehr als 30 Jahren arbeitet er bei der Deutschen Bahn. Angefangen hat er als Gleisbauer, jetzt ist er Zugbegleiter. Heute fährt er mit dem Schwarzwaldexpress zwischen Offenburg und Karlsruhe. Eine knappe Stunde dauert die Fahrt. In der Zeit läuft Fischer durch die fünf Waggons und kontrolliert die Tickets. Er ist für den Zug verantwortlich und bei Konflikten auf sich allein gestellt. Und die gibt es immer öfter. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bahn werden immer häufiger angegriffen. Mehr als 3000 Angriffe auf Bahnpersonal gab es 2022, rund 21 Prozent mehr als im Vorjahr. "Da war ich auch kurz weg" Oft bleibt es nicht bei Worten, die Zugbegleiterinnen und Zugbegleiter werden auch körperlich attackiert. Auch Fischer hat das schon erlebt: "Ein Fahrgast hat mich gezogen und auf einen Sitz geschmissen. Da war ich auch kurz weg. Das war schon grausam." Deshalb testet die Deutsche Bahn auf der Schwarzwaldstrecke bis Ende des Jahres den Einsatz von Bodycams - um ihr Personal zu schützen. Fischer trägt heute eine solche Bodycam. Vor Schichtbeginn hat er sie abgeholt, jetzt hängt sie beim 64-Jährigen auf Brusthöhe in einer Halterung. Auf einem kleinen Bildschirm können die Fahrgäste erkennen, welchen Ausschnitt die Kamera einfängt. Die Aufzeichnung beginnt aber erst, wenn Fischer in eine bedrohliche Situation kommt und er einen Knopf auf der Seite drückt. "Wenn es eskaliert, dann sage ich zum Fahrgast: Ich mache ein Video. Vorher darf ich die Kamera nicht einschalten," erklärt der Zugbegleiter. Abschreckung und Beweismittel Wenn es tatsächlich zu einem Angriff kommt, wird das Videomaterial automatisch an die Polizei geschickt. Diese kann das Material dann als Beweismittel nutzen, um Angreifer oder Angreiferinnen ausfindig zu machen. Aber so weit soll es möglichst gar nicht erst kommen: "Manchmal eskalieren Situationen aus dem Nichts heraus. Wenn die Leute dann aber die Kamera sehen, ziehen sie sich gleich zurück. So habe ich mehr Sicherheit", berichtet Fischer. Die Bodycam trägt er nun seit über einem Monat und musste sie auch etliche Male einsetzen. So wie an diesem Tag: Zwei Frauen haben keinen gültigen Fahrschein dabei und wollen das fällige Bußgeld nicht bezahlen. Sie weigern sich, ihre Ausweise vorzuzeigen. Fischer bleibt keine andere Wahl: "Ich mache jetzt die Kamera an und werde sie aufzeichnen, okay? Ich darf das machen." Doch dann geht es ganz schnell. Noch bevor der Zugbegleiter die Kamera auslöst, zeigen die beiden Frauen ihre Ausweise vor und akzeptieren das Bußgeld. Gewerkschaft fordert personelle Verstärkung Reichen die Bodycams? "Wir dürfen die Leute nicht festhalten", erklärt Fischer. Das dürfe nur die Bundespolizei. Deshalb sei es so wichtig, mit der Bodycam Beweise aufzunehmen. Kollegen seien auch schon körperlich attackiert worden, erzählt er. "Ich ziehe mich immer zurück, so wie ich es gelernt habe." Oft eskaliere eine Situation innerhalb von Sekunden. Mit der Kamera fühle er sich in solchen Situationen jetzt sicherer. Der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) reichen die Bodycams nicht aus. "Wenn eine Bodycam eingesetzt wird, braucht es auch einen zweiten Zugbegleiter oder Zugbegleiterin auf dem Zug", fordert Lutz Dächert von der GDL. Doch zusätzliche Kollegen oder Kolleginnen für Fischer sind erstmal nicht in Sicht. Deshalb würde er gerne seine Bodycam behalten. Zwei Jahre hat Fischer noch bis zur Rente. Bis dahin hofft er, dass die Bodycams zum Standard für alle Zugbegleiterinnen und Zugbegleiter werden. |
# Jedes fünfte weltweit verkaufte Auto bald elektrisch
Weltweit steigt die Nachfrage nach E-Autos weiter an. Die Internationale Energieagentur geht davon aus, dass ihr Anteil am globalen Automarkt in diesem Jahr 18 Prozent erreichen wird. Die weltweiten Verkäufe von Elektroautos werden in diesem Jahr voraussichtlich einen weiteren Rekord erreichen. Laut Berechnung der Internationalen Energieagentur (IEA) dürfte ihr Anteil am gesamten Automarkt auf fast ein Fünftel steigen. Für 2023 erwarten die Experten ein Absatzplus von 35 Prozent auf insgesamt 14 Millionen E-Autos. Im vergangenen Jahr waren weltweit bereits mehr als zehn Millionen Elektroautos verkauft worden. "Elektrofahrzeuge sind eine der treibenden Kräfte in der neuen globalen Energiewirtschaft, die sich rasch herausbildet - und sie bewirken einen historischen Wandel in der Automobilindustrie weltweit", sagte IEA-Direktor Fatih Birol. "Die Trends, die wir beobachten, haben erhebliche Auswirkungen auf die weltweite Ölnachfrage." Bis 2030 werde die E-Mobilität einen Bedarf von mindestens fünf Millionen Barrel Öl pro Tag vermeiden. Autos seien nur die erste Welle, auf sie folgten elektrische Busse und Lastwagen. Absatz in den USA um 55 Prozent gestiegen Hatten E-Autos 2020 noch vier Prozent am gesamten Automarkt, stieg ihr Anteil 2022 bereits auf 14 Prozent. Nach den jüngsten IEA-Prognosen dürfte ihr Anteil in diesem Jahr weiter wachsen auf 18 Prozent. Der Verkauf von Elektroautos konzentriere sich bisher auf China, Europa und die Vereinigten Staaten, so die IEA. Spitzenreiter sei China, wo mehr als die Hälfte aller Elektroautos weltweit fahren. Europa und die Vereinigten Staaten - der zweit- und der drittgrößte Automarkt - verzeichneten beide ein starkes Wachstum mit einem Absatzplus von 15 beziehungsweise 55 Prozent im vergangenen Jahr. Auch in Ländern wie Indien, Indonesien und Thailand steigen demnach die Absatzzahlen. Zudem ziehe gerade in den Schwellenländern der Verkauf von Zwei- und Dreirädern mit Elektroantrieb an. Großer Teil der Batterieproduktion in China Der Trend habe auch positive Auswirkungen auf die Batterieproduktion, heißt es in dem IEA-Bericht. Diese sei jedoch nach wie vor stark konzentriert, wobei China den Handel mit Batterien und Komponenten dominiere und seinen Anteil an den weltweiten Exporten von Elektroautos im vergangenen Jahr auf über 35 Prozent gesteigert habe. |
# Viessmann-Deal lässt Wärmepumpen-Käufer hoffen
Der Verkauf des Wärmepumpen-Geschäfts von Viessmann in die USA wirft Fragen auf: Macht Deutschland den gleichen Fehler wie einst bei der Solarindustrie? Und was bedeutet die Milliardenübernahme für Hausbesitzer? Die Klimasparte mit dem Wärmepumpengeschäft ist "das wirtschaftliche Herz der Viessmann Group" - so steht es auf der Unternehmenswebseite des hessischen Familienunternehmens. Doch ausgerechnet dieses "Herz", das für 85 Prozent des Umsatzes steht, wird nun für zwölf Milliarden Euro an den US-Konzern Carrier Global verkauft. Was steckt dahinter? Auf den ersten Blick kommt der Deal überraschend, boomt doch der Markt für Wärmepumpen - vor allem in Deutschland und Europa. Global wurden im vergangenen Jahr elf Prozent mehr Wärmepumpen abgesetzt, heißt es von der Internationalen Energieagentur (IEA). In Europa wuchs der Wärmepumpenmarkt um 40 Prozent. Für Deutschland verzeichnete der Verband der Heizungshersteller BDH einen Anstieg der Verkaufszahlen um mehr als die Hälfte. Warum Viessmann jetzt Kasse macht Warum also schlägt Viessmann ausgerechnet jetzt sein Wärmepumpen-Geschäft los? "Aus Unternehmensperspektive ist es womöglich der optimale Zeitpunkt zu verkaufen", erklärt Wettbewerbsökonom Jens Südekum gegenüber tagesschau.de. Schließlich habe das starke Wachstum des Wärmepumpenmarktes auch die asiatischen Hersteller auf den Plan gerufen. Diese drängten nun zunehmend auf den deutschen Markt, was wiederum die Profitmargen der deutschen Hersteller unter Druck setzen dürfte. "Die zwölf Milliarden Euro, die Viessmann jetzt von Carrier Global erhält, hätten sie in naher Zukunft wahrscheinlich nicht mehr bekommen", betont der Ökonom vom Institut für Wettbewerbsökonomie an der Universität Düsseldorf. Preise für Wärmepumpen dürften rapide sinken Insofern kann der Viessmann-Deal auch als positives Signal für Verbraucher gesehen werden: Er ist ein Fingerzeig, dass selbst Insider künftig mit deutlich sinkenden Wärmepumpen-Preisen rechnen. Der Denkfabrik Agora Energiewende zufolge sehen Vertreter der Wärmepumpenindustrie bis 2030 ein realistisches Kostenminderungspotenzial von 40 Prozent. Das magische Wort in diesem Zusammenhang lautet "Skaleneffekte": Durch stark steigende Stückzahlen lassen sich die Kosten pro hergestellter Wärmepumpe enorm drücken. Dabei spielen die asiatischen Hersteller eine zentrale Rolle: Konzerne wie Daikin, Panasonic und Mitsubishi aus Japan oder auch LG und Samsung aus Südkorea haben langjährige Erfahrung in der Herstellung von Klimaanlagen und riesige Produktionskapazitäten. "Wärmepumpen werden sich noch mehr zu einem Standardserienprodukt entwickeln. Das ist aber nicht die Art Ware, die typischerweise in Deutschland produziert wird", erklärt Ökonom Südekum. Schwindender Wettbewerbsvorteil deutscher Hersteller Bislang verfügen die deutschen Hersteller hierzulande noch über einen großen Wettbewerbsvorteil. Dieser beruht auf dem guten Marktzugang über die Installateure, die ihr Handwerk eben auf Geräten von Viessmann, Buderus und Vaillant gelernt haben und bislang auch nur den Einbau dieser Produkte anbieten. Doch dieser Vorteil ist ein vergänglicher: Die Handwerker hierzulande dürften sich dem Druck der Kunden nicht entziehen können, ihnen künftig auch günstigere asiatische Wärmepumpen einzubauen, für die unter Umständen auch kürzere Lieferzeiten bestehen, sind Experten überzeugt. Parallelen zum Ausverkauf der Solarindustrie nach China? Ökonom Südekum sieht hinsichtlich der Zukunft des Standorts Deutschlands dennoch einen Wermutstropfen an dem Deal: "Ich finde es ein Stück weit bedauerlich, dass die Familie Viessmann die Kontrolle jetzt abgegeben hat. Viessmann hätte ja auch sagen können, wir versuchen aus eigener Kraft, der 'grüne Champion' für die Wärmewende in Deutschland zu werden. Die Firma hätte sicherlich keine Probleme gehabt, sich einen starken Partner und Kapital für die nötige Ausweitung der Produktionsmengen zu besorgen." Während einige Politiker jetzt bereits vor einem "Ausverkauf" der deutschen Wärmepumpentechnologie ins Ausland warnen und dabei Parallelen zur deutschen Solarindustrie ziehen, sieht Südekum die Lage differenzierter: Bei der Solarindustrie sei damals nicht nur die Produktion nach China abgewandert, sondern auch der gesamte Bereich der Forschung und Entwicklung. "Dieser Fehler sollte jetzt nicht noch einmal gemacht werden", warnt Südekum. "Die Wärmepumpe von morgen sollte in Deutschland entwickelt werden." Dafür brauche es aber auch ein gewisses Maß an Produktion hierzulande, denn Forschung und Entwicklung geschehe nicht im luftleeren Raum. "Darauf sollte die Bundesregierung achten." Die "08/15"-Wärmepumpe wird aus Asien kommen Dann könnten deutsche Hersteller auch künftig mit gewissen Wettbewerbsvorteilen gegenüber den asiatischen Konzernen locken, etwa indem sie qualitativ bessere Wärmepumpen oder auch Wärmepumpen für spezielle Lösungen herstellen. Eines ist aber auch klar: Die "08/15"-Wärmepumpe dürfte in den kommenden Jahren deutlich günstiger werden - und immer seltener aus deutscher Produktion stammen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich in den Kellern und an den Außenseiten der Häuser hierzulande auch Wärmepumpen japanischer und südkoreanischer Hersteller breit machen werden. Die Konkurrenz aus Asien ist nicht aufzuhalten - davon zeugt nicht zuletzt der Viessmann-Deal. |
# Papst erteilt Laien Stimmrecht bei Bischofssynode
Papst Franziskus hat entschieden, Nichtklerikern in der katholischen Kirche mehr Mitsprache zu ermöglichen. Bislang durften bei den weltweiten Synoden nur Bischöfe sowie das Führungspersonal von Ordensgemeinschaften mit entscheiden. Bei weltweiten Synoden im Vatikan können künftig auch Frauen und Männer gleichberechtigt mitberaten und abstimmen, die keine Kleriker oder Ordensleute sind. Das teilten die für die aktuelle Weltsynode zuständigen Kardinäle Mario Grech und Jean-Claude Hollerich im Vatikan mit. Franziskus genehmigte demnach Änderungen an den Normen für die Bischofssynode, ein vatikanisches Gremium, das die Bischöfe der Welt zu regelmäßigen Treffen versammelt. Bislang hatten bei den regelmäßigen Versammlungen in Rom nur Bischöfe sowie das Führungspersonal von Ordensgemeinschaften Stimmrecht. 1965 von Papst Paul VI. geschaffen Die Weltbischofssynode ist das Organ, in dem das weltweite Bischofskollegium den Papst verbindlich berät. Es wurde 1965 von Papst Paul VI. geschaffen. Die Versammlungen können mit Zweidrittelmehrheit Beschlüsse fassen, die der Papst in einem sogenannten nachsynodalen Schreiben als verbindliche Kirchenlehre übernehmen kann, aber nicht übernehmen muss. Bislang hatten bei den regelmäßigen Versammlungen in Rom nur Bischöfe sowie das Führungspersonal von Ordensgemeinschaften Stimmrecht. Nach den nun angekündigten Änderungen werden künftig fünf Ordensschwestern zusammen mit fünf Priestern als stimmberechtigte Vertreter der Orden fungieren. Außerdem hat Franziskus beschlossen, 70 nicht-bischöfliche Mitglieder der Synode zu ernennen. Die Hälfte von ihnen sollen Frauen sein. Auch sie werden ein Stimmrecht haben. Hollerich und Grech betonten bei der Vorstellung der Änderungen, dass die Bischofssynode trotz dieser Neuerungen im kirchenrechtlichen Sinne eine Bischofssynode bleibe. Die beiden nächsten Bischofssynoden sind für Oktober 2023 und 2024 angesetzt. Bei diesen soll es um das Thema Synodalität gehen. Papst Franziskus hat wiederholt deutlich gemacht, dass er künftig die gesamte Kirche, also auch ungeweihte Katholikinnen und Katholiken, an Beratungen und Entscheidungen der Synoden beteiligen will. |
# Die doppelte Katastrophe von Tschernobyl
In der Ukraine wird an die Atomkatastrophe von Tschernobyl vor 37 Jahren erinnert. Für die Mitarbeiter des stillgelegten AKW ist ein anderes Ereignis noch viel präsenter: die Besatzung der Atomruine durch die russische Armee. Im Stadtmuseum von Slawutytsch beugt sich Ljudmilla Kosak über ein Modell der Atomanlage von Tschernobyl. "Hier arbeite ich", sagt die braunhaarige Ingenieurin und zeigt auf eines der Gebäude. Die 45-Jährige arbeitet seit 20 Jahren in dem stillgelegten Atomkraftwerk und lässt ihren Blick durch die kleine Tschernobyl-Ausstellung schweifen. An der Wand des Museums hängt ein großes Schwarz-Weiß-Foto der Ruine von Block 4, der am 26. April 1986 explodierte. Es war der größte anzunehmende Unfall in der zivilen Nutzung der Atomkraft: der Super-GAU. Die verbliebenen hochradioaktiven Trümmer befinden sich unter einer 35.000 Tonnen schweren Betonhülle. Dieser Sarkophag ist auf 100 Jahre angelegt, darunter lauern rund 400.000 Kubikmeter geschmolzene Brennstäbe und Baumaterial. Doch was mit dem strahlenden Atommüll weiter geschieht, ist bislang unklar. Fast jeder Mitarbeiter unter russischer Aufsicht Der rund 25.000-Einwohnerort Slawutytsch liegt rund 70 Kilometer entfernt und wurde nach dem Super-GAU von Tschernobyl für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des havarierten Atomkraftwerks gebaut. Viele Uhren der Stadt stehen auf 1.23 Uhr. Zu dieser Zeit kam es zur menschlich verursachten Katastrophe. Die Anlage wurde im Jahr 2000 abgeschaltet, der Rückbau dauert wohl mindestens vier Jahrzehnte. Am 24. Februar 2022 besetzen russische Truppen dann das Atomgelände rund 150 Kilometer nördlich von Kiew, nahe der Grenze zu Belarus. An dem Tag war Ljudmilla Kosak in der Schicht. Wie alle wurde sie streng kontrolliert durch Angehörige der staatlichen russischen Atombehörde Rosatom und der russischen Armee. "Fast jeder Mitarbeiter wurde von einem russischen Soldaten beaufsichtigt. Sie kontrollierten, wann und wohin ich gehe, warum ich was mache und mit wem ich spreche", berichtet sie. Sämtliche Sicherheitsvorschriften missachtet Hell entsetzt musste Ljudmilla Kosak verfolgen, wie die Besatzer der russischen Armee rund um die stillgelegte Anlage Tschernobyl alle Sicherheitsvorschriften missachteten: Sie verminten einen Teil des Geländes und zerstörten teils Labore, in denen radioaktiver Abfall untersucht wurde. Zudem hoben sie Schützengräben in der Sperrzone aus, im sogenannten roten Wald, füllten Sandsäcke für Befestigungen mit Material von vor Ort und atmeten alles ein. "Jeder russische Soldat nimmt ein Stück Tschernobyl mit nach Hause. Tot oder lebendig", so der ukrainische Energieminister Herman Haluschtschenko damals. Die Besatzer machten mehr als 300 Fahrzeuge kaputt oder nahmen sie mit. Nach dem Abzug Ende März 2022 fehlten Hunderte Fahrzeuge, Computer, Strahlendosimeter, Software oder Feuerwehrausrüstung. Auch das System, welches die Radioaktivität in der 30-Kilometer-Sperrzone überwacht, lief während der Besatzung nicht. Einige Tage war die Anlage ohne Strom. "Was immer man sagte, sie waren aggressiv" Für Sicherheitsingenieurin Kosak war es der reinste Alptraum. In den ersten Tagen hätten sie noch Dinge ansprechen können, etwa wo man nicht graben dürfe, aber das sei immer schwieriger geworden: "Was auch immer man sagte, die Russen waren aggressiv. Sie wollten uns loswerden, aber gleichzeitig brauchten sie uns, weil sie die Anlage überwachen mussten." Den Spezialisten sei nichts passiert, so Kosak, aber sie hätten ständig arbeiten müssen. Das ausgelaugte Team schlief auf Tischen oder Bänken, erstellte einen eigenen Schichtplan und wechselte sich alle drei Stunden bei der anstrengenden Arbeit ab - auch nachts. Die ersten Tage konnten sie noch mit ihren besorgten Angehörigen telefonieren, dann nicht mehr. Kinder wähnen den Vater beim Militär Auf einer Parkbank in Slawutytsch erzählt Angelina von ihrem Besatzungstrauma: Ihr Mann war einer von fast 170 ukrainischen Nationalgardisten, die Tschernobyl am 24. Februar 2022 bewachten. Er wurde in russische Gefangenschaft verschleppt. Vor mehr als einem Jahr hatte die ernste Frau den letzten direkten Kontakt. Seitdem hat sie nur von entlassenen Mitgefangenen ein paar Informationen: "Einer sagte, er habe ihn durch einen Spalt in der Gefängniszelle meinen Mann gesehen. Ich bin sehr dankbar für solche Informationen. Wenn sie noch so klein sein mögen, sind sie sehr wichtig." Ihre drei Kinder wähnen den Vater bei der Armee, denn den kaum erträglichen Gedanken an die Tortur russischer Gefangenschaft möchte Angelina ihnen ersparen. In einer von ihr mitgegründeten Organisation setzt sich Angelina für die Freilassung der Gefangenen und Gesundheitsuntersuchungen für Entlassene ein. Der Papst, die Vereinten Nationen, das Internationales Rote Kreuz, ukrainische Behörden - an alle habe sie sich gewandt. Und auch der deutsche Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck verspricht Anfang April bei seinem Besuch in Slawutytsch zu helfen. Jeder Gefangenenaustausch sei wie ein frischer Wind, sagt Angelina - und hofft weiter. "Welche Forderungen können wir schon haben? Unsere Geliebten so schnell wie möglich nach Hause zu bringen. Das ist alles, was wir wollen", sagt sie. Kollegen lassen sich austauschen Sicherheitsingenieurin Kosak ist der russischen Besetzung von Tschernobyl äußerlich unbeschadet entkommen. Nach 600 langen Stunden wurde sie von mutigen Kollegen abgelöst, die sich freiwillig für die Arbeit in Tschernobyl austauschen ließen. Um auf ukrainisch kontrolliertes Gebiet zu gelangen, musste Kosak durch einen Wald voller Soldaten und Scharfschützen laufen, ein Boot brachte sie schließlich in Sicherheit. "Ehrlich gesagt war es sehr beängstigend", erzählt sie rückblickend. Dass sich Kollegen für sie und andere austauschen ließen und ihre Freiheit gegen russische Besatzung eintauschten, erfüllt Ljudmilla Kosak bis heute mit intensiven Gefühlen und tiefer Dankbarkeit. Wenn sie davon spricht, schimmern Tränen in ihren Augen: "Wir waren ja eigentlich zufällig da, aber sie haben sich für uns freiwillig in russische Gefangenschaft begeben." |
# Flugreisen sollen klimafreundlicher werden
Die EU verpflichtet den Flugverkehr ab 2025 zur Beimischung nachhaltiger Kraftstoffe zu Kerosin. Um weitere Anreize für mehr Klimafreundlichkeit zu setzen, soll auch ein Umweltlabel eingeführt werden. Ab 2025 müssen Flugbenzin nachhaltige Kraftstoffe beigemischt werden. Die Quote soll von zunächst zwei Prozent in den nächsten Jahren schrittweise steigen. 2050 müssen dann 70 Prozent der Treibstoffe im Flugverkehr nachhaltig sein. Darauf haben sich Vertreter des Europaparlaments und der EU-Staaten verständigt. Klimafreundlichere Alternativen Als klimafreundlich gelten synthetisches Kerosin, das zu den sogenannten E-Fuels zählt, mit Erneuerbaren Energien produzierter Wasserstoff sowie Bio-Kraftstoffe, die etwa aus Algen, Pflanzenresten, tierischen Fetten oder altem Speiseöl hergestellt werden. Pflanzen, die zur Nahrungs- und Futtermittel-Produktion dienen, sind dagegen tabu. Flugzeuge dürfen künftig vor dem Start nur so viel tanken, wie für die anstehende Reise nötig ist, um unnötiges Gewicht und damit zusätzliche Treibhausgasemissionen zu vermeiden. EU führt Umweltlabel für Flüge ein Ebenfalls ab 2025 ist für Flüge in der EU außerdem ein Umweltlabel vorgeschrieben. Passagiere sollen sich vorab über den ökologischen Fußabdruck ihrer Reise informieren und die Angebote der Fluggesellschaften vergleichen können. Die Vorgaben sollen dazu beitragen, dass die EU ihre Klimaziele erreicht. Laut Europaparlament sind zivile Flüge für knapp 14 Prozent der CO2-Emissionen im europäischen Verkehrssektor verantwortlich. Der Lobbyverband E-Fuel-Allianz nennt die Einigung einen Erfolg für die Planungs- und Investitionssicherheit der Branche. Allerdings bleibe der Beimischungsfahrplan unter den Mengen, die technisch machbar und klimapolitisch notwendig seien. Der Kompromiss muss jetzt noch vom EU-Parlament und den Mitgliedsstaaten bestätigt werden - in der Regel ist das eine Formsache. |
# EU will mehr Spielraum beim Schuldenabbau
Seit Corona sind die EU-Schuldenregeln ausgesetzt. Ab 2024 sollen sie wieder greifen, doch viele Staaten halten sie für zu streng. Die EU-Kommission hat nun Reformpläne vorgelegt, die in Deutschland auf wenig Begeisterung stoßen. Die EU-Kommission hat ihre Pläne für eine Reform der europäischen Schuldenregeln vorgestellt. Im Kern geht es darum, dass hoch verschuldete Länder mehr Flexibilität für den Abbau von regelwidrigen Schulden bekommen sollen. Statt einheitlicher Vorgaben für alle Staaten setzt die Behörde auf individuelle Wege für jedes Land, um Schulden und Defizite langfristig zu senken, wie aus einem jetzt vorgestellten Reformvorschlag hervorgeht. Die EU-Staaten mit zu hohen Haushaltsdefiziten und Schuldenständen sollen künftig in der Regel in einem Zeitraum von vier Jahren ihre Werte verbessern, in Ausnahmefällen innerhalb von sieben Jahren. Außerdem sollen Maßnahmen ergriffen werden, damit es mittelfristig keinen Rückfall zu höheren Defiziten und Schuldenständen gibt. Feste numerische Vorgaben zum Abbau soll es nach Vorstellung der EU-Kommission nicht geben. Lindner: Es braucht klare Regeln Die EU-Länder und das EU-Parlament müssen nun über die vorgeschlagenen Reformen verhandeln. Unklar ist noch, ob die Reformvorschläge für die Bundesregierung akzeptabel sind. Deutschland hatte sich in der seit Monaten anhaltenden Debatte über neue Regeln für relativ strenge Mindestvorgaben beim Schuldenabbau ausgesprochen. Bundesfinanzminister Christian Lindner warnte diese Woche erneut vor einer Aufweichung der Vorgaben. "Wir müssen sicherstellen, dass wir finanzielle Puffer für mögliche Krisen in der Zukunft haben." Es brauche klare Regeln, zudem sei die Durchsetzung entscheidend, so der FDP-Politiker. Reform muss noch dieses Jahr kommen Wegen der Corona-Pandemie und der Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine sind die Schulden weltweit sprunghaft gestiegen. Die bisherigen Vorgaben wirken für viele EU-Staaten nicht mehr zeitgemäß und kaum zu erreichen. Deswegen soll das Regelwerk - der sogenannte Stabilitätspakt - nun zum vierten Mal überarbeitet werden. Seit 2020 sind die Regeln ausgesetzt, sollen aber ab Anfang 2024 wieder greifen. Deswegen muss sich die EU noch dieses Jahr auf eine Reform verständigen, was als schwierig gilt. Zu den besonders hoch verschuldeten Staaten in der EU gehören unter anderem Frankreich, Griechenland, Italien, Portugal und Spanien. Auch Deutschland liegt derzeit über der eigentlichen Schuldenobergrenze in der EU von 60 Prozent im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung. Deutschland verfehlt 2023 erneut Maastricht-Vorgaben Das gesamtstaatliche Defizit in Deutschland wird im laufenden Jahr voraussichtlich erneut die sogenannte Maastricht-Vorgabe von höchstens drei Prozent der Wirtschaftsleistung überschreiten. Laut dem vom Bundeskabinett beschlossenen deutschen Stabilitätsprogramm erwartet die Bundesregierung für 2023 rechnerisch ein Minus von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen von etwa 4,25 Prozent. Allerdings dürfte der tatsächliche Wert laut Bundesfinanzministerium niedriger ausfallen. Die Bundesregierung plane, dass Deutschland "nach drei Ausnahmejahren" zur "regulären Kreditobergrenze der Schuldenregel" zurückkehre. Das solle die finanzpolitische Handlungsfähigkeit langfristig sichern, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. |
# Aktienmarkt zwischen Tech-Boom und Banken-Stress
Gute Geschäftszahlen der Tech-Giganten Microsoft und Alphabet reichen nicht: Die Akteure an den Aktienmärkten schauen wieder auf Probleme in der Bankenbranche. Der DAX kann sich von seinen Verlusten nicht erholen. Bei 15.780 Punkten hat sich der deutsche Leitindex am Mittag eingependelt und büßt damit gegenüber dem gestrigen Schlussstand rund 0,8 Prozent ein. Besserung ist angesichts sinkender US-Futures, die einen eher schwachen Start der US-Börsen am Nachmittag signalisieren, erst einmal nicht in Sicht. Anspannung bleibt hoch an der Börse Trotz guter Quartalsergebnisse der beiden Tech-Riesen Microsoft und Alphabet, die gestern nach US-Börsenschluss präsentiert wurden, ist die Stimmung auf dem Parkett gedämpft. "Die Börsen stehen in dieser Berichtssaison im Spannungsfeld zwischen Tech und Banken", sagte Marktexperte Thomas Altmann vom Vermögensverwalter QC Partners. Bankaktien gerieten nach den Geschäftszahlen der US-Regionalbank First Republic gestern an der Wall Street unter Druck. Vor allem der überraschende Einlagenabfluss von mehr als 100 Milliarden Dollar sorgte für Aufregung am Markt. "Die Bankenkrise scheint oberflächlich zwar abgewendet, jedoch rumort es unter der Oberfläche", meint dazu Konstantin Oldenburger, Analyst beim Broker CMC Markets. Am Abend hatten die US-Indizes deutlich im Minus geschlossen, was auch die asiatischen Märkte heute Morgen belastete. Euro holt wieder Schwung Die europäische Gemeinschaftswährung hat sich am Mittag wieder deutlich über die Marke von 1,10 Dollar geschoben und reagiert damit auch auf aktuelle Nachrichten aus der Europäische Zentralbank (EZB). Die Notenbank muss ihre Zinsen aus Sicht von Kroatiens Notenbankchef Boris Vujcic weiter anheben. "Die Inflation geht zurück, aber die Kerninflation ist hartnäckig hoch", sagte Vujcic der slowenischen Zeitung "Delo". Der geldpolitische Rat der EZB, dem Vujcic angehört, entscheidet in der kommenden Woche über den künftigen Kurs. Gegenwärtig ist nicht ganz klar, in welchem Ausmaß die Notenbank ihre Leitzinsen erhöht. Konsumlaune bleibt gedämpft Die Verbraucherlaune in Deutschland ist wegen besserer Konjunktur- und Einkommensaussichten zwar so gut wie seit über einem Jahr nicht mehr, bleibt aber auf niedrigem Niveau. Das für Mai berechnete Barometer für das Konsumklima legte um 3,6 Punkte auf minus 25,7 Zähler zu, wie die GfK-Marktforscher am Mittwoch mitteilten. Mit dem siebten Anstieg in Folge wurde der höchste Stand seit April 2022 erreicht. Die Einkommenserwartungen legten zum siebten Mal in Folge zu und erreichten damit erstmals wieder das Niveau von vor dem Beginn des Ukraine-Krieges. Vonovia an der DAX-Spitze Aktien des Immobilien-Konzern Vonovia gewinnen am Mittag fast drei Prozent und sind stärkster Titel im DAX. Vonovia verkauft für eine Milliarde Euro eine Minderheitsbeteiligung an seinem "Südewo"-Wohnungsportfolio in Baden-Württemberg an den US-Finanzinvestor Apollo. Vonovia habe sich zudem eine langfristige Option zum Rückkauf der Beteiligung gesichert, eine Verpflichtung bestehe aber nicht. Vonovia will das über 21.000 Wohnungen umfassende Portfolio weiter bewirtschaften. Infineon im Branchensog Papiere von Infineon gehören dagegen zu den schwächsten Werten im Leitindex. Die Aktie reagiert auf Nachrichten aus der Branche. So blickt der US-Chipkonzern Texas Instruments nach einem schwachen Jahresauftakt vorsichtig auf das zweite Quartal. Die Aktie gab gestern im nachbörslichen US-Handel nach. Analysten verwiesen zudem auch auf einen deutlichen Rückgang der Aufträge beim niederländischen Halbleiter-Zulieferers ASM International. Dessen Aktie gab in Amsterdam mehr als zehn Prozent nach. Puma springt zu tief In DAX und Co. werden Kurse heute auch durch eine Reihe von Geschäftszahlen beeinflusst. Bei dem Sportartikelkonzern Puma aus dem MDAX sorgt ein rückläufiges Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) im ersten Quartal wegen hoher Lagerbestände und Rabatte für ein Minus bei der Aktie von rund drei Prozent. Der Konzernumsatz stieg währungsbereinigt um 14,4 Prozent auf 2,19 Milliarden Euro. Auf Besserung hofft Puma erst im zweiten Halbjahr, im laufenden Quartal sei maximal mit einem Umsatzwachstum von fünf Prozent zu rechnen. Beiersdorf weiter auf Wachstumskurs Das DAX-Unternehmen Beiersdorf ist mit Zuwächsen in das neue Geschäftsjahr gestartet. Die Umsätze wuchsen im ersten Quartal in allen Regionen, besonders stark in der Region Amerika, wie Beiersdorf bei der Veröffentlichung seiner endgültigen Zahlen für das erste Quartal mitteilte. Wie bereits bekannt stiegen die Erlöse um 12,2 Prozent auf 2,5 Milliarden Euro. Die Anfang April erhöhte Prognose bestätigte der Konzern. Für 2023 geht Beiersdorf von einem Wachstum aus eigener Kraft im Konzern im mittleren bis höheren einstelligen Prozentbereich aus. Symrise schwelgt im Luxus Eine hohe Nachfrage nach Düften, kosmetischen Wirkstoffen und Produkten für Haustierfutter hat Symrise einen guten Jahresstart beschert. Der Umsatz stieg im ersten Quartal um fast 13 Prozent auf 1,23 Milliarden Euro, etwas stärker als von Analysten erwartet. Vor allem bei Düften im Luxussegment legte Symrise kräftig zu und erzielte hohe, prozentual zweistellige Zuwächse ebenso wie im Bereich Heimtiernahrung. Microsoft verdient in der Cloud Geschäftszahlen der Tech-Riesen Microsoft und Alphabet, die gestern nach US-Börsenschluss kamen bei Anlegern gut an. Bei Microsoft laufen die Geschäfte dank gefragter Software- und Cloud-Services rund. In den drei Monaten bis Ende März legte der Umsatz im Jahresvergleich um sieben Prozent auf 52,9 Milliarden Dollar zu. Unterm Strich verdiente der Konzern 18,3 Milliarden Dollar und damit rund neun Prozent mehr. Microsoft übertraf die Prognosen der Wall-Street-Analysten. Alphabet über Erwartungen Auch die Google-Mutter Alphabet hat mit ihren Quartalszahlen die Erwartungen von Anlegern übertroffen. Der Internetriese verbuchte im ersten Quartal des Jahres nach eigenen Angaben einen Gewinn von 15 Milliarden Dollar. Der Umsatz stieg auf knapp 70 Milliarden Dollar an. Das war rund eine Milliarde Dollar mehr als von Analysten erwartet. Corona-Delle für GSK Die zurückgehende Nachfrage nach Corona-Mitteln wirkt sich beim Pharmakonzern GSK aus. Umsatz und operativer Gewinn gingen deshalb zurück, wie aus den Quartalszahlen des Konzerns hervorgeht. Die Erlöse gingen bei konstanten Wechselkursen um acht Prozent auf knapp sieben Milliarden Pfund zurück. Damit schnitt GSK aber noch besser ab als von den Analysten erwartet. Orange profitiert von Auslandsmärkten Frankreichs größter Telekom-Konzern Orange hat zu Jahresbeginn Preiserhöhungen durchsetzen können. Der Konzern steigerte sein bereinigtes Betriebsergebnis im ersten Quartal um 0,5 Prozent auf 2,59 Milliarden Euro und erfüllte damit die Erwartungen der Analysten. Vor allem die Märkte in Afrika und dem Nahen Osten sowie Preisanhebungen hätten zum Wachstum beigetragen. |
# Der einsame Flug der Biene
Die Insektenvielfalt in Deutschland nimmt ab - auch in Naturschutzgebieten. Das zeigen Daten eines großen Forschungsprojekts. Für die biologischen Kreisläufe droht ernste Gefahr. Wie lässt sich der Trend umkehren? Die Wildbiene hat keine Chance. Tief fliegt sie über die Wiese - und verfängt sich nichtsahnend in einer Zeltkonstruktion, einer sogenannten Malaise-Falle. So erging es zuletzt Tausenden Insekten, ausgerechnet in Naturschutzgebieten. Doch der Tod dieser Einzelexemplare ist gewollt und soll dem Überleben der Insekten insgesamt dienen. Was paradox klingt, ist die wissenschaftliche Grundlage des sogenannten DINA-Projektes. DINA steht für "Diversität von Insekten in Naturschutz-Arealen", wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert und ist ein Zusammenschluss aus acht wissenschaftlichen Einrichtungen, darunter Hochschulen, Leibniz-Institute und der federführende Naturschutzbund Deutschland (NABU). Vier Jahre Arbeit Projektleiterin Gerlind Lehmann ist stolz auf die Ergebnisse von vier Jahren harter Arbeit: "Das ist die erste großflächige Datenerhebung zum Insektensterben in Naturschutzgebieten. Die eingefangenen Tiere geben wichtige Hinweise darauf, warum Insektenvielfalt abnimmt und was wir dagegen tun können." In insgesamt 21 Naturschutzgebieten, von der Ostsee bis in den Schwarzwald, hatten die Wissenschaftler seit 2019 Zeltfallen aufgestellt. Hineinfliegende Insekten wurden in einem Gefäß mit Alkohol konserviert und regelmäßig zur Untersuchung erfasst. So konnten die Labore etwa Pollen an den Beinen der Insekten bestimmen oder Schadstoffe feststellen. Ebenso wurden Boden- und Vegetationsproben in der Umgebung analysiert. Es wird eng für Fliege, Käfer und Co. Die Ergebnisse des großangelegten Projekts sind vielfältig und bestätigen in weiten Teilen den Trend, dass die Gesamtmasse an Insekten abnimmt. Außerdem kommen die DINA-Studien zu dem Schluss, dass sich angrenzende Ackerflächen negativ auf die Artenvielfalt an Rändern von Naturschutzgebieten auswirken. Schutzgebiete seien oft von konventioneller Landwirtschaft umgeben, von wo immer stärkere Pestizide eingetragen würden. Da Fluginsekten einen größeren Aktionsradius haben als bisher angenommen, schrumpft die eigentliche Schutzfläche für Pflanzen und Tiere. Äcker in vielen Naturschutzgebieten "Was uns wirklich überrascht hat: Inmitten jedes vierten Naturschutzgebiets in Deutschland befinden sich große Ackerflächen, die meist konventionell genutzt werden. Das war bisher nicht wissenschaftlich publiziert", stellt Projektleiterin Lehmann fest. Dieser direkte Kontakt zur intensiven Landwirtschaft sei für Insekten gefährlich, so die Biologin. In allen untersuchten Schutzflächen konnte die Forschungsgruppe Pestizide an Insekten nachweisen. Die Anzahl der Pestizide stieg nahe intensiv landwirtschaftlich genutzten Gebieten an. Von den derzeit meistverwendeten 92 Pestiziden wurden im Schnitt knapp 17 Chemikalien an den Tieren gefunden - erstaunlicherweise auch ein Wirkstoff, der in Deutschland bereits verboten sind. Landwirtschaft vs. Insektenschutz? Doch der Forschungsverbund DINA beschränkt sich nicht auf naturwissenschaftliche Ansätze. Auch sozialwissenschaftliche Fragen spielten bei dem Projekt eine Rolle. Das Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE) untersuchte die Einstellung lokaler Akteure zum Thema Biodiversität und Insektenschutz. In den Dialogen wurde klar: Lokale Landwirte erkennen zwar die Auswirkung von Pestiziden auf Insekten, nehmen diese aber überwiegend als abstrakt wahr. Eine konkrete Gefährdung der lokalen Insektenbestände würden viele nicht sehen. Dialog fördern für mehr Akzeptanz ISOE-Forscher Florian Dirk Schneider leitet daraus ab: "Mit pauschal verordneten Maßnahmen ist den Akteuren vor Ort nicht geholfen. Vielmehr ist es notwendig, dass die unterschiedlichen Akteure gemeinsam zu Insektenschutz-Lösungen kommen." Heißt konkret: Um Konflikte zwischen Bauern, Umweltschützern und anderen Interessengruppen zu lösen, braucht es mehr Dialog. Der solle staatlich gefördert werden, um Akzeptanz zu schaffen. Das ist auch eine der Empfehlungen der DINA-Forschungsgruppe. Noch immer fehlen Daten In der wissenschaftlichen Community dürften die DINA-Ergebnisse Beachtung finden. Thomas Schmitt, Biologie-Professor an der Uni Potsdam und leitender Insektenforscher der Senckenberg-Gesellschaft spricht von einem wegweisenden Projekt: "Die Ergebnisse bestätigen, was wir andernorts in kleineren Studien festgestellt haben. Insekten sind auch in Naturschutzgebieten bedroht." Deshalb müsse ein klares Signal an die Politik gehen. "Es reicht nicht - wie lange Zeit angenommen -, hier und da kleine Rückzugsräume für Biodiversität einzurichten. Wir müssen Naturschutz auf der Landschaftsebene denken und durchführen", fordert der Wissenschaftler. Das DINA-Konsortium kommt zu ähnlichen politischen Empfehlungen. Der Forschungsverbund fordert Anpassungen am Bundesnaturschutzgesetz. Besonders die Ränder von Schutzgebieten müssten besser vor Eintrag von Schadstoffen abgeschirmt werden, etwa durch eine bis zu zwei Kilometer breite "Pufferzone" um die Gebiete herum. Doch obwohl DINA bisher zehn eigenständige Studien veröffentlicht hat und weitere wissenschaftlichen Publikationen folgen, stößt auch dieses Großprojekt an Grenzen. Denn noch immer fehlen Datenreihen, um den Verlust von Insektenvielfalt und -biomasse genauer zu bestimmen. Deshalb empfehlen die Forscher ein bundesweites Monitoring. Nur so könnten Risiken erkannt und minimiert werden. Auch künftig dürften also einzelne Tiere Insektenfallen zum Opfer fallen - um dem Überleben der Insekten als Ganzes zu helfen. |
# "Schrittweise Erholung setzt sich fort"
Bundeswirtschaftsminister Habeck spricht von einer beachtlichen Entwicklung: Die deutsche Wirtschaft erweise sich als widerstandsfähig - die Bundesregierung hat ihre Konjunkturprognose entsprechend nach oben korrigiert. Die Bundesregierung hat ihre Konjunkturprognose für dieses Jahr leicht erhöht. "Die deutsche Wirtschaft erweist sich nach der Corona-Krise auch in der Energiekrise als anpassungs- und widerstandsfähig", sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck. Er sprach von erfreulichen Nachrichten. Der aktuellen Frühjahrsprojektion zufolge erwartet die Bundesregierung für dieses Jahr nun ein Plus des Bruttoinlandsprodukts von 0,4 Prozent. Im Januar war sie von 0,2 Prozent ausgegangen. Konjunkturindikatoren wie Industrieproduktion, Auftragseingänge und Geschäftsklima deuteten eine konjunkturelle Belebung im weiteren Jahresverlauf an, hieß es. Im kommenden Jahr soll die Wirtschaft laut Prognose um 1,6 Prozent wachsen. Schrittweise Erholung trotz schwierigen Umfelds Die Stützungs- und Stabilisierungsmaßnahmen der Bundesregierung zur Abfederung der gestiegenen Kosten von Unternehmen und der Kaufkraftverluste der privaten Haushalte hätten eine stärkere Abschwächung im Winterhalbjahr verhindert, teilte das Ministerium mit. Die Rede war von einer schrittweisen Erholung trotz eines schwierigen Umfelds. Auch die Inflation habe ihren Höhepunkt überschritten. Nach einer Rate von 6,9 Prozent im vergangenen Jahr gehe die Bundesregierung von 5,9 Prozent in diesem und von 2,7 Prozent im kommenden Jahr aus. Die Frühjahrsprojektion bildet die Grundlage für die neue Steuerschätzung im Mai. Im vergangenen Jahr hatte auch die Bundesregierung für dieses Jahr noch eine Rezession infolge des Ukraine-Kriegs befürchtet. Eine Eskalation der Energiepreiskrise blieb aber aus. |
# ++ Xi und Selenskyj telefonieren miteinander ++
Erstmals seit Kriegsbeginn haben Chinas Präsident Xi und der ukrainische Präsident Selenskyj miteinander telefoniert. China will einen Sondergesandten in die Ukraine schicken. Alle Entwicklungen im Liveblog. Xi telefoniert erstmals mit SelenskyjBelarussen absolvieren offenbar Ausbildung an taktischen AtomwaffenKiew wirft NATO "fehlenden Willen" für Beitritt der Ukraine vor Belarusen absolvieren Ausbildung an taktischen AtomwaffenUkraine setzt auf technologische InnovationDrei russische Militärflugzeuge über der Ostsee abgefangenSelenskyj fordert verschärfte Sanktionen Söldner-Chef Prigoschin sieht Verrat innerhalb Russlands Der Chef der russischen Söldnergruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, erhebt erneut schwere Vorwürfe gegen die Regierung in Moskau. Innerhalb Russlands sei ein Verrat im Gange, erklärte er offenkundig wütend in einer auf seinem Telegram-Kanal verbreiteten Ansprache. Das Verteidigungsministerium liefere nicht genügend der dringend benötigten Munition für den Kampf um Bachmut. Da ihnen die Unterstützung vorenthalten werde, seien die Verluste bei seinen Söldnern um ein Vielfaches höher. Er fragte, warum Entlastungsangriffe auf Slowiansk und Kramatorsk ausblieben, um die Söldner in dem nahe gelegenen Bachmut zu entlasten. Xi telefoniert erstmals mit Selenskyj Der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping hat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj telefoniert. Selenskyj sprach auf Twitter von einem langen und sinnvollen Gespräch. Xi sagte laut chinesischen Staatsmedien, China habe immer auf der Seite des Friedens gestanden. Chinas Position sei, zu Frieden und Gesprächen zu drängen. Xi kündigte an, einen Sondergesandten in die Ukraine zu schicken. Dieser solle Gespräche mit allen Konfliktparteien zur Beilegung der Ukraine-Krise führen. Social-Media-Beitrag auf Twitter von Володимир Зеленський: "I had a long and meaningful phone call with 🇨🇳 President Xi Jinping. I believe that this call, as well as the appointment of Ukraine's ambassador to China, will give a powerful impetus to the development of our bilateral relations." Belarusen absolvieren offenbar Ausbildung an taktischen Atomwaffen Die russischen Streitkräfte haben nach eigenen Angaben Soldaten aus dem Nachbarland Belarus vor der dort geplanten Stationierung taktischer Atomwaffen an den Raketen ausgebildet. Sie hätten gute Ergebnisse gezeigt, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Das Ministerium veröffentlichte auch ein Video, das das Training auf einem russischen Truppenübungsplatz im Süden des Landes zeigen soll. Zu sehen war demnach der Raketenkomplex vom Typ "Iskander-M". Die Raketen können mit konventionellen, aber auch mit Atomsprengköpfen bestückt werden. Nach den russischen Ministeriumsangaben lief die Ausbildung an den Waffen seit dem 3. April. Die belarusischen Soldaten hätten im Detail die Aufbewahrung und Anwendung der taktischen Sprengsätze für die Raketen studiert. Auch einen Teststart einer Rakete gab es, wie auf dem Video zu sehen war. Moskau versucht offenbar, seinen Einfluss im Baltikum auszubauen Bislang unbekannte Papiere aus dem Kreml beschreiben, wie Russland im Baltikum offenbar Einfluss zurückgewinnen will. Experten zufolge läuft die Taktik Moskaus bislang aber ins Leere. Selenskyj warnt vor Erpressungen durch Russland Die Ukraine ruft anlässlich des 37. Jahrestages der Tschernobyl-Katastrophe die Weltgemeinschaft dazu auf, sich nicht von Russland mit nuklearen Drohungen erpressen zu lassen. In Anspielung auf das von Russland besetzte Atomkraftwerk Saporischschja erklärte Präsident Wolodymyr Selenskyj: "Wir müssen alles tun, um dem Terror-Staat keine Chance zu geben, Atomkraftwerke zu nutzen, um die Ukraine und die ganze Welt zu erpressen." Die internationale Atomenergiebehörde IAEA hat mehrfach gewarnt, durch Kämpfe in der Nähe von Saporischschja steige das Risiko einer atomaren Katastrophe. Polen will Getreideimporte aus der Ukraine bis Jahresende verbieten Polen wird seinen Importstopp für ukrainisches Getreide bis mindestens Ende des Jahres aufrechterhalten. Das kündigte Entwicklungsminister Waldemar Buda an. Das Embargo werde mindestens so lange dauern, bis sich die EU auf Ausgleichsmaßnahmen geeinigt habe, sagte er dem Radio "Zet". Polen hat wie andere osteuropäische Länder die Einfuhr von Getreide und anderen landwirtschaftlichen Produkte aus der Ukraine verboten, um den heimischen Agrarsektor zu schützen. Die EU arbeitet an einem Konzept, um die Importe wieder zu ermöglichen. Reparaturzentrum für "Leopard"-Panzer in Polen soll im Mai in Betrieb gehen Ein Reparaturzentrum für "Leopard"-Panzer aus Deutschland und Polen, die nun von der Ukraine im Krieg gegen Russland eingesetzt werden, soll bald im oberschlesischen Gleiwitz (Gliwice) die Arbeit aufnehmen. Bereits ab Mai könnten die Kampfpanzer dort repariert werden, sagte Polens Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak bei einer Visite des Rüstungsherstellers Bumar-Labedy in Gleiwitz. Für die Auswahl habe die Tatsache gesprochen, dass der Kettenfahrzeughersteller seit 20 Jahren "Leopard 2A4"-Panzer warte, repariere und auf die von Polens Armee eingesetzte Variante 2PL umrüste. Den Aufbau eines Instandsetzungszentrums für die Leopard-Kampfpanzer in Polen hatte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius in der vergangenen Woche in Ramstein mit seinen polnischen und ukrainischen Amtskollegen vereinbart. Kiew hält NATO "fehlenden Willen" für Beitritt der Ukraine vor Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba hat der NATO "fehlenden politischen Willen" für einen schnellen Beitritt seines Landes zu dem Verteidigungsbündnis vorgeworfen. "Alles ist möglich, wenn es einen politischen Willen gibt", sagte der 42-Jährige in einem Interview mit dem US-Sender CNN in der vergangenen Nacht. Der Diplomat verwies dabei auf den jüngsten Beitritt von Finnland, der vor kurzem noch unvorstellbar gewesen sei. "Solange die Ukraine außerhalb der NATO ist, wird es das Risiko einer wiederholten russischen Aggression gegen die Ukraine geben", unterstrich Kuleba. Er erinnerte an den NATO-Gipfel von 2008 in Bukarest, auf welchem der Ukraine bereits eine Beitrittsperspektive eingeräumt wurde. Kiew erwartet beim kommenden NATO-Gipfel in Litauens Hauptstadt Vilnius im Juli konkrete Beitrittszusagen vom Militärbündnis. Eine genaue zeitliche Perspektive für einen Beitritt der Ukraine gibt es bislang aber nicht - und ein solcher Schritt vor Kriegsende gilt als sehr unwahrscheinlich. Moskau: Belarussen absolvieren Ausbildung an taktischen Atomwaffen Die russischen Streitkräfte haben nach eigenen Angaben Soldaten aus dem Nachbarland Belarus vor der dort geplanten Stationierung taktischer Atomwaffen an den Raketen ausgebildet. Sie hätten gute Ergebnisse gezeigt, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Das Ministerium veröffentlichte auch ein Video, das das Training auf einem russischen Truppenübungsplatz im Süden des Landes zeigen soll. Zu sehen war demnach der Raketenkomplex vom Typ Iskander-M. Die Raketen können mit konventionellen, aber auch mit Atomsprengköpfen bestückt werden. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte die Stationierung taktischer Atomwaffen in Belarus vor dem Hintergrund der Spannungen mit den Nato-Staaten im Zuge des von ihm begonnenen Krieges gegen die Ukraine angekündigt. Nach den russischen Ministeriumsangaben lief die Ausbildung an den Waffen gemäß Putins Ankündigung seit dem 3. April. Die belarussischen Soldaten hätten im Detail die Aufbewahrung und Anwendung der taktischen Sprengsätze für die Raketen studiert. Auch einen Teststart einer Rakete gab es, wie auf dem Video zu sehen war. Kreml-Kritiker erklärt sich zu Prozessbeginn für nicht schuldig Der prominente Kreml-Kritiker Jewgeni Roisman hat zu Beginn eines Prozesses wegen "Diskreditierung" der russischen Armee seine Unschuld erklärt. Auf die Frage des Richters, ob er seine Schuld eingestehe, antwortete Roisman in Jekaterinburg "Nein", wie live-Aufnahmen des Prozesses auf der Videoplattform Youtube zeigten. Der 60-jährige ehemalige Bürgermeister Jekaterinburgs kündigte für den weiteren Verlauf des Prozesses eine ausführliche Darstellung seiner Sichtweise an. Roisman ist einer der letzten bekannten Oppositionellen in Russland, die derzeit nicht im Gefängnis sitzen. Alle anderen sind entweder inhaftiert oder im Exil. Roisman war im August wegen Äußerungen über Moskaus Militärintervention in der Ukraine festgenommen worden. Er hatte im Juli ein Video veröffentlicht, in dem er die russische Offensive kritisierte. Ihm drohen mindestens drei Jahre Gefängnis. Ukraine will im Krieg auf technologische Innovation setzen Die Ukraine setzt im Kampf gegen Russland auf technologische Innovation. Die Regierung will heute eine Initiative starten, deren Aufgabe es sein wird, die Entwicklung von Drohnen und anderen Technologien zu fördern. "In Anbetracht des Feindes, der direkt neben uns steht, und seines Ausmaßes müssen wir auf jeden Fall die Militärtechnologie entwickeln, damit wir uns verteidigen können", sagte Mychajlo Fedorow, der ukrainische Minister für digitale Transformation. In der "Brave1" genannten Initiative sollen sich staatliche, militärische und privatwirtschaftliche Experten zusammenschließen. Fedorow sagte der Nachrichtenagentur AP vorab, dass Kiew umgerechnet etwa 2,7 Millionen Dollar investieren wolle. Auf dem Schlachtfeld kämpften viele junge Ukrainer, "die mit Technologien arbeiten können". Die ukrainische Regierung hatte bereits im vergangenen Jahr ausländische Spender gebeten, sie beim Aufbau einer "Drohnenarmee" zu unterstützen. Sicherheitsgipfel in Sydney im Mai US-Präsident Joe Biden, Indiens Regierungschef Narendra Modi und Japans Ministerpräsident Fumio Kishida werden Ende Mai zu einem Sicherheitsgipfel in Sydney erwartet. Dies teilte der australische Premierminister Anthony Albanese mit. Es wird das erste Mal sein, dass sein Land ein Treffen des sogenannten Quad ausrichtet, das für quadrilateralen Sicherheitsdialog im indopazifischen Raum steht. Erstmals gegründet wurde das Format mit den USA, Australien, Japan und Indien im Jahr 2007. Bei den Gesprächen am 24. Mai im Opernhaus von Sydney werde es um das globale wirtschaftliche Umfeld gehen, das durch die weltweite Inflation unter Druck stehe, erklärte Albanese. "Wir wissen, dass wir in einer unsicheren Welt mit strategischer Konkurrenz in unserer Region leben, und mit andauernden Auswirkungen der russischen Invasion in die Ukraine." Bundeswehr: Drei russische Militärflugzeuge über Ostsee abgefangen Kampfjets der deutschen und britischen Luftwaffe haben nach Bundeswehr-Angaben drei russische Aufklärungsflieger im internationalen Luftraum über der Ostsee abgefangen. Demnach handelte es sich um zwei Militärmaschinen vom Typ SU-27 und eine IL-20. Sie seien "erneut ohne Transpondersignal" geflogen und von Eurofightern der beiden NATO-Verbündeten abgefangen worden, teilte die deutsche Luftwaffe am Morgen über Twitter mit. Social-Media-Beitrag auf Twitter von Team Luftwaffe: "Aufklärungsflieger abgefangen. 🇩🇪 und 🇬🇧 #Eurofighter wurden alarmiert, um 3 Militärmaschinen zu identifizieren. Die zwei SU-27 Flanker und eine IL-20 aus 🇷🇺 flogen erneut ohne Transpondersignal im int. Luftraum über der Ostsee. #SecuringTheSkies #VAPB @NATO @GermanyNATO… pic.twitter.com/sOY4CPkrbe" Da die NATO-Staaten Estland, Lettland und Litauen keine eigenen Kampfjets besitzen, sichert das Militärbündnis seit 2004 den baltischen Luftraum im Nordosten Europas. Dazu verlegen die Verbündeten im regelmäßigen Wechsel Kampfflugzeuge samt Personal in die an Russland grenzenden Ostseestaaten. Anfang April übergab die Bundeswehr nach acht Monaten die Führung des NATO-Einsatzes zur Luftraumüberwachung an Großbritannien. Bis Ende des Monats wird ihn die deutsche Luftwaffe aber weiter unterstützen. Städtetag: Kommunen stoßen bei Flüchtlingsversorgung an Grenzen Der Deutsche Städtetag sieht viele Kommunen bei der Versorgung von Flüchtlingen am Limit. Städtetagspräsident Markus Lewe sagte der dpa: "Wir weisen seit Monaten darauf hin, dass viele Städte bei der Unterbringung und Integration von Geflüchteten an ihre Grenzen stoßen." Die Bundesregierung müsse zudem die Rückführung ausreisepflichtiger Asylbewerber ohne Bleibeperspektive konsequent unterstützen. "Wir brauchen mehr Rückführungsabkommen mit den Herkunftsländern." Heute und morgen treffen sich die für Integration zuständigen Minister und Senatoren der Länder in Wiesbaden, am 10. Mai kommen die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Berlin zusammen. Südafrika bleibt im Internationalen Strafgerichtshof Südafrika will an seiner Mitgliedschaft im Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) festhalten. Wenige Stunden nach der Ankündigung, den IStGH zu verlassen, folgte gestern eine Klarstellung durch das Büro von Präsident Cyril Ramaphosa. Dessen Aussage, dass die Regierungspartei ANC den Austritt aus dem IStGH beschlossen habe, beruhe auf einem "Kommunikationsfehler" während einer Pressekonferenz des ANC, teilte die Präsidentschaft mit. Der ANC hatte zuvor erklärt, dass die Frage des Austritts Südafrikas aus dem Internationalen Strafgerichtshof bei einer Sitzung der Parteiführung am Wochenende angesprochen worden sei. Ramaphosa sagte dann bei einer Pressekonferenz mit dem finnischen Präsidenten Sauli Niinistö, dass der ANC den Umgang des IStGH mit bestimmten Ländern als "unfair" empfinde. "Wir würden das Thema der unfairen Behandlung gern ausführlich diskutieren, aber erst einmal hat die Regierungspartei den Austritt beschlossen", fügte er hinzu. Südafrika hat Russlands Angriffskrieg in der Ukraine nicht verurteilt. Das Land möchte nach eigenen Angaben unparteiisch bleiben und bevorzuge Dialog, um den Krieg zu beenden. Kreml setzt staatliche Aufsicht bei russischer Uniper-Tochter ein Russlands Präsident Wladimir Putin hat die russischen Töchter der Energieversorger Uniper aus Deutschland und Fortum Oyj aus Finnland unter staatliche Aufsicht gestellt. Dies sei eine notwendige Reaktion auf die drohende Verstaatlichung russischer Vermögenswerte im Ausland, heißt es in einem gestern veröffentlichten Dekret dazu. Uniper hatte seine Anteile an der russischen Tochter allerdings bereits vor der Zwangsmaßnahme abgeschrieben. Das Einfrieren russischer Vermögenswerte im Westen als Reaktion auf den Angriffskrieg gegen die Ukraine bezeichnet Moskau als "unfreundlichen und gegen internationales Recht verstoßenden Akt". Sollten der russische Staat, russische Firmen oder Privatpersonen im Ausland enteignet werden oder auch nur in entsprechende Gefahr geraten, so werde Moskau daraufhin die Kontrolle bei Firmen übernehmen, die aus dem entsprechenden Ausland stammen, heißt es in dem Dekret. Selenskyj fordert verschärfte Sanktionen Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat nach dem russischen Beschuss ziviler Objekte eine weitere Verschärfung der Sanktionen gegen Russland gefordert. "Ein Heimatmuseum und umliegende Häuser wurden zum Ziel der Terroristen", sagte er gestern in seiner allabendlichen Videoansprache über einen Raketenangriff auf die Stadt Kupjansk im Nordosten, bei der am Morgen zwei Menschen starben und zehn verletzt wurden. Nun gehe es darum, die Sanktionen zu verschärfen. Ein entsprechendes Dokument sei durch eine internationale Expertengruppe erarbeitet worden, sagte er. Der Liveblog von Dienstag zum Nachlesen. |
# Konjunkturprognosen für Deutschland
Egal ob Rezession oder Aufschwung: Möglichst genaue Vorhersagen der wirtschaftlichen Entwicklung bilden die Grundlage für viele Planungen des Staates wie den Haushalt. Die aktuellen Schätzungen wichtiger Institutionen für Deutschland im Überblick. Wie sich die Wirtschaft in naher Zukunft entwickelt, lässt sich nur schätzen. Regierungen, internationale Organisationen und Wirtschaftsforscher versuchen regelmäßig, die konjunkturelle Entwicklung anhand verschiedener Annahmen möglichst genau vorherzusagen. Prognosen bilden dabei unter anderem die Grundlage für die Steuerschätzung und die Haushaltsplanung des Staates. Die Vorhersagen für das Wirtschaftswachstum schwanken teilweise sehr stark und werden im Laufe eines Jahres regelmäßig nach oben oder unten korrigiert. Die aktuellen Prognosen für die Entwicklung des deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Überblick. Prognosen zur Entwicklung des deutschen BruttoinlandsproduktsQuellePrognose vomPrognose für 2023Prognose für 2024BundesregierungApril 2023+0,4%+1,6%EU-KommissionFebruar 2023+0,2%+1,3%Internationaler WährungsfondsApril 2023+0,4%+1,6%OECDMärz 2023+0,3%+1,7%BundesbankDezember 2022-0,5%+1,7%Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen EntwicklungMärz 2023+0,2%+1,3%Gemeinschaftsdiagnose der führenden WirtschaftsforschungsinstituteApril 2024+0,3%+1,5%ifo Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität MünchenMärz 2023-0,1%+1,7%Institut für Weltwirtschaft IfW KielMärz 2023+0,5%+1,4%Institut der deutschen Wirtschaft KölnMärz 2023+0,25%Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitutMärz 20230,0%+1,9%Institut für Wirtschaftsforschung Halle IWHMärz 2023+0,4%+1,9%Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung IMKMärz 20230,0%+1,2%RWI – Leibniz-Institut für WirtschaftsforschungMärz 2023+0,2%+1,8% |
# Macron trifft den Ton nicht mehr
Frankreichs Präsident Macron tourt durch sein Land - ein Versuch, mit den Bürgern nach dem Streit um die Rentenreform ins Gespräch zu kommen. Doch hört Macron überhaupt noch zu? Viele Franzosen bezweifeln das. Der Ton macht die Musik, auch in der Politik. In der Kommunikation zwischen Emmanuel Macron und den Menschen in Frankreich ist dieser Ton gerade ziemlich schrill. In Sélestat im Elsass wird der Präsident mit Kochtopf-Konzerten und Buhrufen empfangen. Wenige Tage nach seiner Fernsehansprache vom vergangenen Montag ist Macron auf Tour gegangen; will zeigen, dass er der Wut nicht aus dem Weg geht. Von Demut allerdings keine Spur - verbal setzt Macron sogar noch einen drauf: "Auf Kochtöpfe zu schlagen, bringt das Land nicht weiter! Aber wir könnten ja mal was für die Kochtopf-Industrie tun, denn die produziert auch zu wenig!" Das Feuer wird weiter angefacht Spitze Bemerkungen und ironische Kommentare: Der Präsident will besänftigen und demonstrieren, dass er zuhört. Aber er provoziert letzten Endes nur weiter. Krach und Kochtöpfe seien für ihn keine Argumente, sagt Macron. Was bei vielen Menschen ankommt, ist, dass er sie einfach nicht ernst nimmt. Der Präsident und die Franzosen reden einfach aneinander vorbei. Macron behauptet von sich, er sei immer bereit, die Opposition anzuhören, er wolle möchte überzeugen: Aber man kann nur diejenigen überzeugen, die auch zuhören. Wenn die Leute kommen, um nicht zuzuhören, dann muss man sie einen Moment nicht zuhören lassen und dann weitermachen. Alles Extremisten Aus vielen Äußerungen Macrons kann man lesen, dass er die Proteste als eine Art Episode sieht, die er einfach aussitzen muss. Obwohl er in seiner Fernsehansprache vor einer Woche eingeräumt hatte, auch er könne sich nicht "taub stellen gegenüber den Forderungen nach mehr sozialer Gerechtigkeit. Auch nicht denen nach einer Erneuerung unserer Demokratie, was vor allem die Jugend fordert". Die Antwort könne aber weder Stillstand noch Extremismus sein. Nach Macrons Verständnis sind aber offenbar schon diejenigen "extrem", die in der Auseinandersetzung um die Rentenreform nicht mehr nur eine soziale Krise sehen, sondern eine demokratische Krise. Der Präsident und die Regierung haben alles ausgereizt, was die Verfassung hergibt, um die Reform nach dem parlamentarischen Prozess durchzusetzen. Rechtlich ist das ohne Frage möglich, aus Sicht vieler Menschen ist es aber demokratisch fragwürdig. Zunehmend im "Basta"-Tonfall Macron wischt dieses Argument mit barschen Worten beiseite. Das Argument kenne man doch, es sei "das Argument der politischen Extreme". Einige hätten wohl noch nicht überwunden, dass sie die Präsidentschaftswahl verloren haben. Und diejenigen, die gegen ihn mit Topfschlagen protestieren, belehrte er mit dem Hinweis, zu einer Demokratie gehöre nun mal, "ein Projekt zu haben, darüber offen zu sprechen und es dann umzusetzen". Bei Kritik am Projekt "Rentenreform" reagiert Macron auch öfter im bissigen "Basta"-Tonfall. In einem Fernseh-Interview Ende März betonte er, es solle doch niemand glauben, diese Reform mache ihm Spaß. Vielleicht hätte er die Probleme "unter den Teppich kehren können, so wie viele meiner Vorgänger". Es gebe aber keine Möglichkeit, das Rentensystem finanziell auszugleichen, deshalb sei diese Reform notwendig. Eine Mehrheit hält ihn für "autoritär" Macrons Vorgehen bei der Rentenreform und der Tonfall vieler Aussagen haben Folgen. Laut einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Ifop empfinden knapp 70 Prozent der Befragten Macron als "autoritär", nur 17 Prozent sind der Meinung, dass er die Menschen hinter sich versammeln kann. Mit seiner Tour durchs Land versucht Macron, dieses Bild zu korrigieren. Dass ihm das im Moment nur schwer gelingt, liegt auch daran, wie er mit den Menschen redet. Der Ton macht die Musik. Und diesen Ton trifft der Präsident im Moment einfach nicht. |
# Doch ein bisschen Klimakanzler?
Das Bild des Klimakanzlers Olaf Scholz hat zuletzt Risse bekommen. Aus Sicht seiner Kritiker tut er zu wenig für den Klimaschutz, bremst eher statt voranzugehen. Aber stimmt das? Olaf Scholz ist es auf Veranstaltungen gewöhnt, als Hauptredner aufzutreten. Er ist schließlich Bundeskanzler. In einem provisorisch aufgebauten Zelt im Hafen von Ostende ist es anders. Gleich acht Staats- und Regierungschefs, darunter Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, stehen nebeneinander auf der Bühne, um über die Zukunft der europäischen Energieversorgung zu sprechen. Scholz spricht als fünfter und auf Deutsch. Die Hafenanlage ist Ostende erinnere ihn an seine Zeit als Hamburger Bürgermeister. Kanzler Scholz spricht gerne über den Bürgermeister Scholz, vor allem, wenn es um politische Erfolge aus der damaligen Zeit geht. Auch dieses Projekt soll ein Erfolg werden. Der Nordsee-Gipfel fand bereits zum zweiten Mal statt. Neun Nationen wollen aus der Nordsee ein gigantisches Kraftwerk machen. Erneuerbare Energie, gewonnen aus Windkraft. 300 Gigawatt bis 2050 - so viel wie 300 Atomkraftwerke an Strom produzieren würden, übersetzt der ebenfalls mitgereiste Wirtschaftsminister Robert Habeck. Eindrucksvolle Kulisse Die Organisatoren haben sich große Mühe gegeben, eine eindrucksvolle Kulisse zu bieten. Ein riesiges rotes Schiff, das normalerweise Kabel in der Nordsee verlegt, wird präsentiert. Ebenso wie hochwertig produzierte Imagevideos, in denen Windkraftanlagen die Hauptrolle spielen. Das ganze unterlegt mit treibender Musik. Scholz gefällt das, was er hier sieht sichtlich. "Jetzt geht es los", ruft er den Journalisten und Wirtschaftsvertretern entgegen. In enger Partnerschaft mit Nationen wie Dänemark, Frankreich und Norwegen will er Europas Energieerzeugung nachhaltig umbauen. Zuhause in Deutschland wird Scholz für seine Klimapolitik häufig kritisiert. Zahlreiche Grüne finden, der selbsternannte Klimakanzler tue zu wenig gegen den Klimawandel. Vor allem seit dem jüngsten Koalitionsgipfel verfestigte sich ihr Eindruck. Aber stimmt dieses Bild? Es ist kein Geheimnis, dass sich Scholz gerne in Gruppen nach vorne bewegt, ungern allein. "In enger Abstimmung mit den internationalen Partnern", sagt er dann meistens. "Das Meer verbindet die Welt" Auch dieser Nordsee-Gipfel entspricht diesem Muster. Gemeinsam mit mehreren europäischen Ländern soll die die nötige Infrastruktur errichtet und der Strom mittels Leitungen quer durch Europa verteilt werden. "Das Meer verbindet die Welt", sagt der Bundeskanzler am Ende seiner Ausführungen und ist gedanklich wahrscheinlich wieder am Hamburger Hafen. Anders als die anderen Staats- und Regierungschefs spricht Scholz in Ostende aber auch über die Dinge, die einen zweifeln lassen. Zweifeln lassen daran, dass das wirklich was wird mit der Nordsee als europäischem Energielieferant Nummer eins. Wenn Europa und die einzelnen Mitgliedsstaaten die Regeln für den Ausbau nicht änderten, könnten die ambitionierten Ausbauziele nicht erreicht werden, mahnt der deutsche Kanzler. Schnellere Planungen, weniger Hürden - all das sei notwendig. Die anderen auf der Bühne nicken, auch Ursula von der Leyen, die Präsidentin der Europäischen Kommission, ebenfalls mit von der Partie. Für den großen Windkraft-Wurf müssen auch europäische Gesetze geändert werden. Im wesentlichen Absichtserklärungen Was von so einem Gipfel wie diesem in Ostende bleibt? Im wesentlichen Absichtserklärungen. Eine hochkarätige Arbeitsgruppe soll nun nächste konkrete Schritte planen, um so aus Worten Taten werden zu lassen. Scholz dürfte in den kommenden Wochen und Monaten häufig über die gefassten Beschlüsse sprechen. Über die große Vision, in der Nordsee im großen Stil Energie aus Windkraft zu gewinnen. Sollte das klappen, wäre in seiner Amtszeit ein energiepolitischer Paradigmenwechsel eingeleitet worden - auch im Sinne des Klimaschutzes. |
# Warum der Heizungsstreit schwelt
Im Streit um die Heizungspläne ist das letzte Wort noch längst nicht gesprochen - trotz Koalitionsausschuss und Kabinettsbeschluss. Die FDP meldete Korrekturbedarf an, ebenso die SPD. Was ist strittig? Die Ausgangslage Bis 2045 soll Deutschland klimaneutral sein, also nicht mehr klimaschädliche Emissionen verursachen als kompensiert werden können. Das bedeutet auch: Alle fossilen Brennstoff-Heizungen müssen bis zum 31.12.2044 abgeschaltet werden. Öl- und Gasheizungen laufen bis zu 30 Jahre, Veränderungen im Gebäudebereich müssen also jetzt vorgenommen werden. Wirtschaftsminister Robert Habeck hat Pläne vorgelegt, nach denen ab 2024 neue Heizungen mindestens zu 65 Prozent mit grüner Energie betrieben werden müssen. Die Kommunikation aus dem grün-geführten Ministerium verlief unglücklich, der Aufschrei war entsprechend groß. Nach 30 Stunden Koalitionsausschuss und einer Kabinettssitzung ist der Gesetzentwurf aber innerhalb der Ampel-Regierung vereinbart. Doch das letzte Wort ist noch lange nicht gesprochen. Was steht im Gesetzentwurf? Der Gesetzentwurf legt fest, dass ab dem 1. Januar 2024 jede neue Heizung zu mindestens 65 Prozent erneuerbare Energie nutzen muss. Nach dem 31.12 2044 soll sogar endgültig Schluss mit Öl- und Gasheizungen sein. Danach müssen alle Heizungen vollständig mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Das soll mit Wärmepumpen oder den Anschluss an eine sogenannte Stromdirektheizung gehen. Möglich sind auch: eine Solarthermieheizung, eine Biomasseheizung, eine Wasserstoffheizung oder eine Gasheizung, die erneuerbare Gase nutzt. Das Gesetz sieht auch Ausnahmen vor. Eigentümer zum Beispiel, die mindestens 80 Jahre alt sind und das Gebäude selbst bewohnen, sollen befreit sein. Eine Härtefallregelung soll zudem berücksichtigen, ob die Investitionen auch im Verhältnis stehen. Sie kann auch bei Sozialhilfeempfängern angewendet werden. Und: Wenn eine Öl- oder Gasheizung kaputt geht, können Betroffene erneut einen Öl- oder Gasbrenner einbauen - es muss aber in einer Frist von drei Jahren nachgerüstet werden. Aber auch da gibt es Ausnahmen. Welche Förderungen soll es geben? Die Bundesregierung will den Heizungstausch mit 30 Prozent fördern. Außerdem sind weitere Zuschläge geplant, somit soll es eine Unterstützung von bis zu 50 Prozent geben Den sogenannten Klimabonus in Höhe von 20 Prozent soll es etwa zusätzlich für Menschen geben, die Wohngeld, Alters-Grundsicherung oder einen Kinderzuschlag erhalten. Wo steht die FDP? Die FDP hat dem Gesetzentwurf von Habeck im Kabinett zwar zugestimmt, aber unter Vorbehalt. In einer Protokollerklärung forderte Parteichef und Finanzminister Christian Lindner eine "praxistaugliche und finanzierbare" Umsetzung des Grundsatzes der Technologieoffenheit. Das Finanzministerium stimme dem Gesetzentwurf "im Bewusstsein" zu, dass die Fraktionen des Bundestages im parlamentarischen Verfahren den Entwurf intensiv beraten und auch "weitere notwendige Änderungen" vornehmen werden. Die mitregierende FDP geht damit also auf Distanz zu einem Beschluss der eigenen Regierung und offenbart einmal mehr die inhaltlichen Gräben zum grünen Koalitionspartner. Der Entwurf aus dem Hause Habeck sei "noch nicht das, was am Ende vom Bundestag beschlossen werden sollte", bekräftigte Lindner beim FDP-Parteitag. Von einer "falschen Klima- und Energiepolitik der Grünen" ist in einem Beschluss die Rede und von "dogmatischen Vorfestlegungen auf einzelne Technologien" und "planwirtschaftlicher Regelungswut". Auch die SPD hat Änderungswünsche. Welche? Die Kanzlerpartei stellte sich zwar grundsätzlich hinter die Pläne, fordert aber konkrete Nachbesserungen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach verlangte in der "Bild am Sonntag" bei der Heizungserneuerung großzügige Ausnahmeregelungen für Krankenhäuser, Pflege- und Reha-Einrichtungen. "Wir werden nicht zulassen, dass steigende Energie- und Heizkosten Krankenhäuser in ihrer Existenz gefährden", sagte er. Konkret soll es den Einrichtungen möglich sein, unter bestimmten Umständen auch in Zukunft etwa den Einbau einer neuen Gasheizung zu beantragen. SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch meldete Skepsis mit Blick auf die von Habeck und Bauministerin Klara Geywitz (SPD) geplanten Einschränkungen für die Nutzung von Holz- und Pelletheizungen an. Hauseigentümern müssten auch in Zukunft unterschiedliche Möglichkeiten des Heizens zur Verfügung stehen, "auch Biomasse", sagte Miersch der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Laut Kabinettsbeschluss soll das Heizen mit Biomasse wie etwa Holz nur in Bestandsgebäuden eine Option bleiben, in denen andere Lösungen nicht machbar oder sinnvoll sind, etwa wegen des Denkmalschutzes. Wie reagieren die Grünen? Fraktionschefin Katharina Dröge erinnerte den Koalitionspartner FDP an Vereinbarungen zum Heizungstausch. "Eine Partei oder Fraktion in Regierungszeiten verantwortungsvoll zu führen, bedeutet, zu dem zu stehen, was man geeint hat", sagte Dröge der Nachrichtenagentur dpa. "Wir gehen davon aus, dass die Absprachen und Zusagen, die die FDP gegenüber dem Kanzler und in der Koalition trifft, verlässlich sind." Es sei wichtig, dass die Koalitionspartner für das, was sie im Koalitionsausschuss und Kabinett zugesagt hätten, auch in ihren eigenen Fraktionen werben, sagte auch Grünen-Politikerin Irene Mihalic. "Wer eine Fortschrittskoalition sein will, der muss auch voranschreiten." Die Grünen sehen sich zunehmend in die Rolle derjenigen gedrängt, die in der Ampel für den Klimaschutz - und damit auch unpopuläre Maßnahmen - zuständig sind. Ein Eindruck, gegen den sie sich wehren. Klimaschutz sei kein "Milieuthema", sagte Minister Habeck bei einer Veranstaltung der "taz". "Wir können darüber streiten, was die besten Konzepte sind, aber wir sollten nicht darüber streiten, dass wir alle verantwortlich sind, Konzepte vorzulegen." Wo steht die Opposition? Die Union lehnt die Heizungspläne ab und spart nicht mit scharfer Rhetorik. "Die Pläne dieser Regierung führen zu Deindustrialisierung und zu Aufruhr in der Bevölkerung", warnte etwa Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer am Wochenende. Das Gesetz sei "mit der Brechstange" gemacht worden. Die Union werde "alles dafür tun, dass dieses Gesetz so nicht kommt", unterstrich Fraktionsvize Jens Spahn. Jede in diesem Jahr anstehende Wahl sei auch "eine Abstimmung über dieses Gesetz". Problematisch sei insbesondere, dass der Gesetzentwurf "nur auf die Wärmepumpe setzt", sagte Spahn. Linken-Chefin Janine Wissler bemängelte fehlende "soziale Garantien". Etwa werde nicht verhindert, dass die Kosten für die Wärmewende "am Ende auf die Mieterinnen und Mieter umgelegt werden". Die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel bezeichnete die Heizungspläne als einen "Anschlag auf den Wohlstand der Mittelschicht". Wie geht es weiter? Kanzler Scholz hat schon mal deutlich gemacht: Er hält das beschlossene Konzept eigentlich für gut. Die ganz großen Änderungen dürfte es wohl nicht mehr geben. Kleinere Anpassungen sind hingegen wahrscheinlich. Die Bundesregierung plant, dass das Gesetz noch vor der Sommerpause im Bundestag beschlossen wird - und rechnet damit, dass die Umstellung zum 1. Januar 2024 greift. |
# Schützt das Lieferkettengesetz vor Zwangsarbeit?
Deutsche Textilfirmen gerieten 2022 in die Kritik, weil Produkte möglicherweise mit Materialien aus der chinesischen Provinz Xinjiang hergestellt wurden. Was hat sich seither getan? Es waren T-Shirts, Hemden und Pullis der Marken Adidas, Hugo Boss und Puma, die NDR-Reporter 2022 analysieren ließen. Die Frage dabei: Stammt die verwendete Baumwolle aus der chinesischen Provinz Xinjiang? Dort hatte ein UN-Sonderbericht Zwangsarbeit festgestellt. Baumwollspuren bei Analyse entdeckt Adidas, Boss und Puma waren sich damals einig, dass ihre Produkte von woanders stammten. Und dennoch fand die Analyse Baumwollspuren aus Xinjiang. Seit Januar gilt in Deutschland das neue Lieferkettengesetz, und der ARD-Podcast Welt.Macht.China hat die Firmen gefragt, was seit der Sendung vor einem Jahr geschah. Puma schrieb: Wir haben sofort, nachdem wir von den gegen uns erhobenen Vorwürfen gehört haben, unsere eigenen Untersuchungen eingeleitet. Zusätzlich haben wir die betreffenden Produkte auch von einem unabhängigen Labor untersuchen lassen. Das Labor kam zum Ergebnis, dass die Herkunft der Baumwolle nicht mit absoluter Sicherheit festgestellt werden kann. Der genaue Ursprung kann nicht zuverlässig bestimmt werden, wenn Baumwolle aus mehreren Quellen miteinander vermischt wird - was bei der Herstellung von Baumwollgarn üblich ist. Das macht deutlich, wie schwer es ist, Zulieferer effektiv auf die Einhaltung von Menschenrechten zu überprüfen. Adidas hatte 2022 wegen der NDR-Sendung nach eigener Aussage Lieferdokumente und vor allem die Zertifikate der Stoffe überprüft. Ergebnis: Herkunftsländer seien Brasilien, Indien und die USA gewesen. Schwer überschaubare Lieferketten Auch Hugo Boss betont, keine Waren aus Xinjiang zu verwenden. Wenn Lieferanten Menschenrechte verletzten, würde Boss die Zusammenarbeit im Zweifel beenden, so das Unternehmen. Doch wie kann man sichergehen? Die Recherche des NDR ergab, dass unabhängige Kontrolleure in China unter Druck gesetzt werden. Und es gibt noch ein anderes Problem. "Viele, insbesondere der großen, Unternehmen managen teilweise mehrere Zehntausende Lieferanten, die wiederum einen Lieferanten haben und die ebenfalls weitere Lieferanten nutzen", sagt Maximilian Butek von der deutschen Auslandshandelskammer in Shanghai. "Hier zu 100 Prozent auszuschließen, dass es bei keinem einzigen dieser Lieferanten zu Gesetzesverstößen kommt, halte ich in der Praxis für kaum realisierbar." US-Behörden gehen strenger vor Auf die Zulieferer, die direkt zum fertigen Produkt führen, erstreckt sich das neue deutsche Lieferkettengesetz. Wenn aber in zehn Jahren eine EU-Richtlinie folgt, dann müssen Firmen die gesamte Kette ihrer Lieferanten kontrollieren. Und die EU plant, dass der Unternehmer haftet, falls bei der Produktion für ihn gegen Menschenrechte verstoßen wird. Sarah Brückner vom Verband der deutschen Maschinen- und Anlagenbauer VDMA rechnet mit gravierenden Konsequenzen: "In vielen Fällen werden sich die Firmen aus den Märkten zurückziehen, wenn das europäische Lieferkettengesetz kommt wie geplant. Weil die Haftungsrisiken dann einfach zu groß sind." Aber enorme Risiken existieren schon jetzt. Die USA stellen alle Produkte aus Xinjiang unter den Generalverdacht der Zwangsarbeit. Folge: Einfuhrverbot. Die US-Behörden verlangen von vornherein den Nachweis, dass Importwaren ohne Zwangsarbeit hergestellt wurden. Verstößt jemand gegen die Vorschrift, zieht der amerikanische Zoll womöglich die gesamte Ware ein. Und Xinjiang bedeutet in diesem Fall: Die USA wollen Nachweise über alle Zulieferer - bis hin zum kleinsten Partikel. |
# Hoffnung auf Waffenruhe im Sudan
Im Sudan hat in der Nacht eine 72-stündige Waffenruhe begonnen. Während westliche Staaten hoffen, dass diese auch hält, evakuieren sie weiterhin Ausländer. Zehntausende Sudanesen sind bereits in Nachbarländer geflüchtet. Im von tagelangen Kämpfen erschütterten Sudan ist um Mitternacht eine Waffenruhe zwischen den beiden Konfliktparteien in Kraft getreten. Berichte über größere Gefechte gab es in der Nacht zunächst nicht, aufgrund jüngster Erfahrungen herrschte jedoch Skepsis, ob die Feuerpause wirklich hält. US-Außenminister Antony Blinken hatte am Montag darüber informiert, dass sich die sudanesischen Streitkräfte und die mit ihnen rivalisierenden paramilitärischen Einheiten (Rapid Support Forces, RSF) darauf geeinigt hätten, ab Mitternacht für 72 Stunden eine landesweite Waffenruhe einzuhalten. Die RSF bestätigten die Feuerpause und kündigten die Einrichtung humanitärer Korridore an, um Zivilisten Zugang zu ärztlicher Versorgung und Schutzzonen zu ermöglichen sowie die Evakuierung ausländischer Diplomaten zu unterstützen. Bereits zuvor hatte es ähnliche Ankündigungen der Konfliktparteien gegeben, die jedoch nicht eingehalten wurden. So brachen sie mehrfach eine selbst vereinbarte Feuerpause für die Eid-al-Fitr-Feierlichkeiten zum Ende des muslimischen Fastenmonats Ramadan, die bis Montagabend gelten sollte. USA arbeiten auf dauerhaftes Ende der Kämpfe hin Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby, sagte dem Fernsehsender CNN, man habe seit Beginn der Kämpfe im Sudan in engem Kontakt mit den Anführern beider Lager gestanden, um sie zu einem stabilen Waffenstillstand zu bewegen. Nun gelte es die Einhaltung der neuerlichen Feuerpause so gut wie möglich zu überwachen. Blinken betonte, um auf ein dauerhaftes Ende der Kämpfe hinzuarbeiten, wollten sich die USA mit regionalen und internationalen Partnern sowie sudanesischen Akteuren abstimmen. Es solle ein Ausschuss eingerichtet werden, der Verhandlungen über ein Ende der Gefechte und die Umsetzung der Ergebnisse überwachen solle. Auch der UN-Sicherheitsrat will in einer Dringlichkeitssitzung erneut über die Lage im Sudan beraten - Diplomatenkreisen zufolge wahrscheinlich in öffentlicher Runde am Dienstagabend gegen 21:00 Uhr (MESZ). Bundeswehr leitet internationale Evakuierungsflüge Während am Montag weiterhin ausländische Staatsbürger aus dem Sudan evakuiert wurden, gab es erneut heftige Kämpfe im Land. Unter anderem flog die sudanesische Luftwaffe laut Medienberichten erneut Angriffe in der Stadt Omdurman, die an die Hauptstadt Khartum angrenzt. Inzwischen hat Deutschland von Frankreich die Abstimmung von Evakuierungsflügen aus dem Krisenstaat übernommen. Die Bundeswehr sei nun zuständig für die Koordination der Flugbewegungen zum Aufnahmeflugplatz, sagte ein Sprecher des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr in der Nacht der Deutschen Presse-Agentur. Dabei geht es darum, Flugzeiten und den praktischen Betrieb auf dem Militärflugplatz bei Khartum zu regeln, der von westlichen Staaten genutzt wird. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius sprach von einem "wirklich großartigen Erfolg in der Kürze der Zeit". Er sehe sich in seinem "großen Vertrauen in die Truppe" bestätigt. Pistorius betonte, die Bundeswehr habe auf "beispielhafte Art und Weise gezeigt, wie kaltstartfähig sie ist, wie schnell sie sich auf eine solche Situation einstellen kann". Der "außerordentlich komplexe" Einsatz sei "ohne jede Panne, ohne jedes Problem" verlaufen, "niemand ist bisher von unseren Leuten zu Schaden gekommen". Zu dem Einsatz gehören auch das Kommando Spezialkräfte und die GSG9 mit ihren Fähigkeiten. Die Bundeswehr nutzte zum Transport ihren Stützpunkt in Jordanien, der sonst dem Kampf gegen die Terrormiliz IS dient. Etwa 400 Deutsche ausgeflogen Mehrere westliche Staaten hatten am Wochenende damit begonnen, eigene Staatsbürger und Angehörige anderer Nationen aus dem Land auszufliegen. Frankreich hat seine Evakuierungsmission inzwischen praktisch abgeschlossen. Wie lange die Rettungsflüge fortgesetzt werden können, hängt wesentlich von der Sicherheitslage in dem Land ab. Nach Angaben des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell wurden bis Montagnachmittag mehr als 1000 Ausländer in Sicherheit gebracht. Der Spanier rechnete damit, dass es bis zum Ende des Tages allein mindestens 1200 bis 1500 EU-Bürger gewesen sein dürften. Die deutsche Luftwaffe flog etwa 400 Deutsche und andere Staatsbürger mit Militärtransportern aus. Das Auswärtige Amt ging jedoch am Montag davon aus, dass noch immer Deutsche vor Ort sind. Deren Zahl sei unklar, "da wir auch einige nicht telefonisch erreichen im Moment", sagte ein Sprecher. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius und Außenministerin Annalena Baerbock hatten sich zuvor bereits erleichtert über den Verlauf der Mission geäußert. Es sei aber noch nicht der "Moment des Aufatmens", sagte Baerbock. Es befänden sich noch mehr Deutsche vor Ort, sagte Baerbock. Man arbeite mit Hochdruck daran, sie zu erreichen. Wird Khartum noch mehr zum Schlachtfeld? Auch die Leiterin der Friedrich-Ebert-Stiftung in Khartum, Christine Röhrs, wurde aus dem Sudan in Sicherheit gebracht. Im Interview mit den ARD-tagesthemen berichtet sie von der Sorge, "dass wenn die Internationalen weg sind, auch ein Korrektiv fehlt. Dass die Generäle, die sich jetzt unbeobachtet fühlen, die Stadt noch mehr zum Schlachtfeld machen". Chancen auf Verhandlungen würden sicher steigen, sobald sich herausstellen würde, dass der eine dem anderen klar über- ober unterlegen ist, schätzt Röhrs die Situation ein. Bislang sei das aber nicht zu sehen. "Solange beide immer noch eine Chance sehen, den Erzfeind auszulöschen, kann es eher noch eskalieren." Am ehesten dürften regionale Mächte als Anrainer eine Chance haben, Einfluss zu nehmen. "Viele haben ein großes Interesse daran, dass der Konflikt nicht noch überläuft in die Nachbarländer", so Röhrs. Eine Lösung sei ihrer Meinung nach, dass eines dieser Länder die Initiative ergreift und die beiden Kontrahenten auf neutralem Boden zusammenbringt. Israel bietet sich als Vermittler an Am Montagabend brachte sich Israel als Vermittler in dem Konflikt ins Spiel. Das israelische Außenministerium bot laut einem Sprecher an, in Israel Verhandlungen auszurichten, um die Gewalt zu beenden. Es gebe Kontakt zu hochrangigen Vertretern beider Seiten im Sudan. Israel arbeitet seit Jahren an einer Normalisierung seiner Beziehungen mit dem afrikanischen Land. Der UN-Sonderbeauftragte im Sudan, Volker Perthes, will weiterhin im Land bleiben und dort arbeiten: "Wir sind entschlossen, im Sudan zu bleiben und das sudanesische Volk in jeder erdenklichen Weise zu unterstützen", sagte er. Die Lage für die Sudanesen bleibt jedoch brenzlig: Laut dem UN-Nothilfebüro sind bereits Zehntausende in die Nachbarländer Tschad, Ägypten und in den Südsudan geflohen. Da die Lage im Land weiterhin höchst instabil ist, werden aber wohl noch mehr Menschen versuchen, sich in Sicherheit zu bringen. |
# Moskau droht mit Aus für Getreideabkommen
Schon mehrmals wurde das Getreideabkommen verlängert. Doch Mitte Mai könnte Schluss sein. Russland droht mit dem Aus des wichtigen Export-Deals - und gibt der angegriffenen Ukraine die Schuld. Rund dreieinhalb Wochen vor Ablauf des internationalen Abkommens zur Ausfuhr von Getreide aus der Ukraine hat Russland erneut mit dessen Aus gedroht. "Terrorattacken des Kiewer Regimes bedrohen eine erneute Verlängerung des 'Getreide-Deals' nach dem 18. Mai", teilte das russische Verteidigungsministerium in der Nacht mit. Konkret wirft Russland, das im Februar 2022 selbst den Angriffskrieg gegen die Ukraine begonnen hatte, dem Nachbarland vor, im März und im April die Basis der russischen Schwarzmeerflotte auf der von Moskau annektierten Halbinsel Krim mit Drohnen attackiert zu haben. Aus Kiew gab es zunächst keine Reaktion. Mitte März um 60 Tage verlängert Russland droht immer wieder damit, das zuletzt Mitte März um 60 Tage verlängerte Getreideabkommen platzen zu lassen - allerdings mit wechselnden Argumenten. Zuletzt etwa kritisierte Moskau wiederholt, die vereinbarten Sanktionserleichterungen für eigene Dünger-Exporte würden nicht ausreichend umgesetzt. Nach Beginn seines Angriffskriegs hatte Russland monatelang die Schwarzmeerhäfen des Nachbarlandes blockiert. Da die Ukraine einer der größten Agrarexporteure ist, mehrten sich Befürchtungen über einen massiven Anstieg der Lebensmittelpreise und - in dessen Folge - eine Hungerkrise in den ärmsten Ländern. Im vergangenen Sommer vermittelten die Vereinten Nationen und die Türkei in Form des Getreideabkommens ein Ende der Blockade. |
# Möglichst geduldig und schwindelfrei
Die Esskastanie prägte lange die Wälder im Nordosten Amerikas. Dann vernichtete ein Pilz einen Großteil der Bestände. Forscher versuchen nun, den Baum vor dem Aussterben zu retten. Aber das ist nicht nur eine eine Frage der Geduld. Raus aus dem Truck, rein in den Truck, Tor auf, Tor zu: Vasiliy Lakoba hat gut zu tun an diesem sonnigen Frühlingstag, während sein schweres Fahrzeug durch die Forschungsfarm in Meadowview rumpelt. Hinter stabilen Zäunen stehen kostbare Pflanzen, die auf keinen Fall von Hirschen angeknabbert werden sollen. Lakoba - Kappe, Vollbart, Arbeitskleidung - ist der Forschungschef der American Chestnut Foundation, einer Stiftung, die hier im Südwesten des US-Bundesstaats Virginia versucht, die Amerikanische Kastanie zu retten. "Das war mal ein richtig großer Baum, der die Wälder im Nordosten Amerikas dominierte", erzählt Vasiliy, "mit großem Blätterdach, dicken geraden Stämme, die gutes Holz lieferten und sehr stacheligen Früchten, die in der Regel drei nahrhafte Samen enthielten. Die Esskastanien zu sammeln und in die Städte zu liefern, war ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in den Appalachen." Gerrettet durch das Wurzelsystem Das änderte sich, als 1904 der asiatische Rindenpilz - vermutlich aus Japan - eingeschleppt wurde. Rasend schnell befiel und vernichtete er Milliarden von Bäumen. Ausgestorben ist die Kastanie nicht, denn das Wurzelsystem der Bäume blieb intakt. Doch wann immer ein junger Stamm in die Höhe wächst, greift der Pilz an. Große Geschwüre, wie offene Wunden: Daran ist die Krankheit zu erkennen. Züchten und kreuzen Seit den 1980er-Jahren versucht die Chestnut Foundation, in Virginia pilzresistente Kastanien zu züchten. Vasiliy zeigt auf einen Baum mit schlankem, glatten Stamm. Er ist der Abkömmling zweier großer überlebender Kastanien, die also den Angriff des Pilzes - warum auch immer - gut überstanden haben. Auch der Nachwuchs wirkt gesund, obwohl an zwei Stellen der Pilz doch schon angegriffen hat. Erfolg verspricht auch die Strategie, die Amerikanische mit der Chinesischen Kastanie zu kreuzen. Der chinesische Baum sieht zwar ganz anders aus, ist aber gegen den Pilz immun. Einsatz in luftiger Höhe So oder so: Bäume kreuzen ist ein mühsames Handwerk, und schwindelfrei sollte man auch sein. "Man muss eine weibliche Blüte finden, und wenn sie anfängt, sich zu entwickeln, mit einer Tüte abdecken", sagt Eric Jenkins, Baumzüchter bei der Stiftung. Dann muss man sie zum richtigen Zeitpunkt von Hand bestäuben, wieder abdecken und warten - bis zum Oktober und dann die Samen ernten. Dritte Möglichkeit: Gentechnik. An der State University von New York wird ein Weizen-Gen ins Erbgut der Kastanie eingepflanzt, das die Widerstandskraft erheblich steigert. Ein Sache von vielen Jahren Auf dem riesigen Gelände in Meadowview stehen unzählige Kastanien unterschiedlichen Alters und Aussehens. Bis klar ist, welcher Baum wirklich resistent ist, vergehen Jahrzehnte. Kastanien zu retten, braucht also sehr viel Geduld und Optimismus. Und den hat Vasiliy. Er glaube wirklich, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis es Bäume gebe, die der Krankheit widerstehen. Wie sie dann aber zurück in die Wälder gebracht werden können, das sei der nächste Schritt, und der werde weitere Jahrzehnte dauern. Früher konnte ein Eichhörnchen angeblich die ganze US-Ostküste entlang von Kastanie zu Kastanie hüpfen, ohne je den Boden betreten zu müssen. Doch so wird es wohl nie wieder sein. |
# Schwer zu ertragen, aber richtig
Man sollte froh sein, dass Russland weiterhin am Tisch der Weltgemeinschaft sitzt - so schwer das gerade während Moskaus Vorsitz im UN-Sicherheitsrat auch zu ertragen ist. Denn die Diskussion um eine Reform des Gremiums ist scheinheilig. Natürlich ist es nur schwer zu ertragen, wenn ausgerechnet der Außenminister des Landes, das ein Nachbarland überfallen hat und die Charta der Vereinten Nationen mit Füßen tritt, als Präsident des UN-Sicherheitsrats über Multilateralismus und internationale Zusammenarbeit fabuliert, während seine Soldaten Gräueltaten gegen Zivilisten begehen und die Ukraine verwüsten. Und natürlich ist es auch verständlich, wenn gerade die Ukraine den Aggressor Russland am liebsten ganz aus dem wichtigsten UN-Gremium werfen würde. Aber so einfach ist es eben nicht. Wer auf die Einhaltung einer regelbasierten Ordnung pocht, muss für sich auch Regeln akzeptieren, die ihm nicht passen - und scheinen sie noch so anachronistisch. Russland zu Recht Veto-Macht Die Zusammensetzung des UN-Sicherheitsrats spiegelt die Ordnung nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und des Kolonialzeitalters wieder. Russland hat 1991 die Position der UdSSR in allen internationalen Organisationen übernommen - ausdrücklich auch den ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat. So wollten es die sowjetischen Teilrepubliken damals. Aus diesem Grund ist Russland genauso zu Recht Veto-Macht in diesem wichtigsten UN-Gremium, wie die USA, China, Großbritannien und Frankreich. Ob das im Jahr 2023 noch sinnvoll ist, ist eine ganz andere Frage. Und so lange die nicht gelöst wird, ist es nun einmal so, dass auch Russland alle 15 Monate für einen Monat den Vorsitz im Sicherheitsrat übernimmt. So wie in diesem April. Scheindiskussion um Reform des Sicherheitsrates Dass ausgerechnet gerade jetzt auch von westlicher Seite der Ruf nach einer Reform des Gremiums wieder lauter wird, ist verständlich - aber auch ziemlich wohlfeil. Denn nicht nur Russland, auch die vier anderen ständigen Mitglieder werden einen Teufel tun und freiwillig Teile ihrer Macht abgeben und den Sicherheitsrat erweitern oder gar ihren Sitz aufgeben. Es ist also zum großen Teil eine Scheindiskussion, die nun angesichts des Besuchs des russischen Außenministers Lawrow in New York geführt wird. Denn letztlich wurden auch bei der von manchen mit Spannung erwarteten Sitzung nur die erwartbaren Positionen ausgetauscht. Und auch in den Wochen zuvor hat Russland die Präsidentschaft im Rat nicht nutzen können, um noch mehr Desinformation zu verbreiten als sonst auch. Die Vereinten Nationen sind gegründet worden, um einen gemeinsamen Ort und Institutionen zu haben, um im Gespräch zu bleiben und Positionen auszutauschen - seien sie noch so gegensätzlich. In gewisser Weise sollte man also froh sein, dass Russland weiterhin am Tisch der Weltgemeinschaft sitzt, auch und gerade im UN-Sicherheitsrat. So schwer zu ertragen das auch im Einzelnen manchmal ist. Denn was wäre die Alternative? |
# Was wird aus den Ortskräften?
Mit einer Evakuierungsmission hat die Bundeswehr bereits etwa 500 Menschen aus dem Sudan ausgeflogen. Die Einheimischen aber, die den Deutschen jahrelang halfen, bleiben zurück. Werden die Ortskräfte damit im Stich gelassen? Lehren aus Afghanistan zu ziehen - so lautet das hehre Versprechen der deutschen Politik, die den weitgehend gescheiterten Einsatz am Hindukusch gerade aufwändig zum Beispiel mit einem Bundestags-Untersuchungsausschuss aufarbeitet. Doch in Bezug auf Mitarbeiter vor Ort habe man aus Afghanistan offensichtlich gar nichts gelernt, meint der Chef des Patenschaftsnetzwerks Afghanische Ortskräfte, Marcus Grotian. Dies zeige sich nun im Sudan - wo man die nämlich zurück- und sich selbst überlasse: "Man sagt ihnen - egal ob sie gefährdet sind oder nicht: Ihr müsst Euch selber durchschlagen. Und das ist das katastrophale." Man habe es in Friedenszeiten versäumt, kritisiert Grotian im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio, Pläne und Konzepte für die Ortskräfte in jedem einzelnen Land, in dem Deutschland engagiert ist, für den Ernstfall vorzubereiten: "Damit man weiß, welche Botschaftsmitarbeiter und andere Mitarbeiter sich so exponiert und gefährdet haben, dass sie bei einer Evakuierung mit evakuiert werden müssen." Bundesregierung will Vorwurf nicht im Raum stehen lassen Doch den Vorwurf, die Ortskräfte im Stich zu lassen, will man von Seiten der Bundesregierung nicht auf sich sitzen lassen. Jedenfalls sei die Situation im Sudan eine gänzlich andere als seinerzeit in Afghanistan - auch im Hinblick auf die Ortskräfte, erläutert Außenministerin Annalena Baerbock auf Nachfrage: "Anders als in Afghanistan sind unsere lokal Beschäftigten nicht einer speziellen Verfolgung ausgesetzt." Dass sie mit Deutschen zusammengearbeitet hätten, spiele im Sudan etwa überhaupt keine Rolle, sagt Baerbock. Und so hätten die lokal Beschäftigten - anders als in Afghanistan - dann auch gar nicht den Wunsch geäußert, auszureisen. Zahlen nicht mit Afghanistan zu vergleichen Für die deutschen Entwicklungshelfer der GIZ sind laut Regierungsangaben etwas mehr als 100 nationale Mitarbeitende im Sudan beschäftigt, für das Auswärtige Amt ist es eine zweistellige Zahl. Die Dimensionen sind also gänzlich andere als bei den seinerzeit tausenden von Ortskräften in Afghanistan. Doch die Zahl dürfe keine Rolle spielen, mahnt Marcus Grotian vom Ortskräftenetzwerk: "Wir postulieren, dass wir Menschenrechte überall auf der Welt wichtig finden. Aber dass wir das Recht auf Leben unserer eigenen Angestellten als Erstes streichen, sie in einem Kriegsgebiet zurückzulassen, das halte ich für katastrophal." Das sieht man im Auswärtigen Amt gänzlich anders: Man stehe mit den lokal Beschäftigten nicht nur weiter in Kontakt, man unterstütze sie auch weiter. "Zum Beispiel, indem wir das Gehalt weiter zahlen", erklärt Außenministerin Baerbock. Schließlich hätten die vor Ort Beschäftigten gerade in dieser Krisensituation in den letzten Tagen die Deutschen weiter nach Kräften unterstützt. Strack-Zimmermann: Nicht alles in einen Topf werfen Gewohnt deutlich in ihrer Wortwahl wird die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, wenn man sie auf das Thema anspricht: "Der primäre Auftrag ist, die eigenen Staatsbürger in Sicherheit zu bringen", betont die FDP-Politikerin im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio. "Wir sollten nicht alles in einen Topf werfen und vermischen: Das hat mit Afghanistan gar nichts zu tun", rät Strack-Zimmermann. Eins dürfte bei all dem klar sein: Je mehr die Lage im Sudan eskaliert, desto größer dürften die Sorgen werden, dass die bis vor wenigen Tagen eng an der Seite der Deutschen stehenden Einheimischen in Gefahr geraten. In dem Fall dürfte auch die Diskussion über gezogene oder eben nicht gezogene Lehren aus Afghanistan in Bezug auf die Ortskräfte wieder anschwellen. |
# Niedrigste Zahl an Apotheken seit Jahrzehnten
In Deutschland gibt es so wenige Apotheken wie seit 40 Jahren nicht mehr. Im März fiel ihre Zahl unter 18.000 Filialen, wie aus Daten der Apothekerverbände hervorgeht. Die Zahl der Apotheken in Deutschland ist weiter gesunken. Ende März gab es noch 17.939 Apotheken, wie aus Daten der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (Abda) hervorgeht, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegen. Das waren 129 Apotheken weniger als Ende vergangenen Jahres. 17 Neueröffnungen standen 146 Schließungen gegenüber. Damit ist der niedrigste Stand der Apothekenzahl seit mehr als 40 Jahren erreicht. Erfasst werden Hauptapotheken und deren Filialen, von denen Apotheker bis zu drei betreiben können. Höhere Medikamentenpauschale gefordert "Jede einzelne Apothekenschließung wirkt sich direkt auf die Versorgungsqualität der Patienten aus", sagte der Vize-Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbandes, Hans-Peter Hubmann. Nun stelle sich die Frage, wie lange eine hochwertige Versorgung unter den jetzigen Bedingungen flächendeckend aufrechtzuerhalten sei. Die Apotheken in Deutschland ringen mit einem verschärften Fachkräftemangel, dem demografischen Wandel, schleppender Digitalisierung und bürokratischen Belastungen. Angesichts einer angespannten wirtschaftlichen Situation in den Apotheken fordert der Verband eine Honoraranhebung. Die seit zehn Jahren nicht erhöhte Pauschale von 8,35 Euro pro rezeptpflichtigem Medikament für Beratung müsse auf 12,00 Euro steigen. Außerdem müsse sie regelmäßig an die Kostenentwicklung angepasst werden. |
# US-Konzern will Viessmann kaufen
Der Heizungshersteller Viessmann aus Hessen steht Medienberichten zufolge vor dem Verkauf an den US-Konzern Carrier Global. Die Firma ist einer der größten Produzenten von Wärmepumpen in Deutschland. Laut übereinstimmenden Berichten des "Wall Street Journal" und der Nachrichtenagentur Reuters steht der Heizungsbauer Viessmann vor einer Übernahme durch den US-Konzern Carrier Global aus Florida. Bei dem Geschäft soll es um einen Kaufpreis von rund zwölf Milliarden Dollar gehen. Fortgeschrittene Verhandlungen Der Klimaanlagenhersteller Carrier befinde sich in fortgeschrittenen Verhandlungen über eine Übernahme des Spezialisten für Heizungen, Klimageräte und Wärmepumpen aus Allendorf an der Eder, berichtet Reuters. Das "Handelsblatt" hat nach eigenen Angaben eine Bestätigung der Transaktion von Personen aus dem Unternehmensumfeld erhalten. Wärmepumpen gelten in Deutschland inzwischen als wichtigste Heizungsform der Zukunft. Ab dem kommenden Jahr sollen nach den Plänen der Bundesregierung keine konventionellen Gas- und Öl-Heizungen mehr neu eingebaut werden dürfen. Kleine Kühltechnik-Sparte offenbar außen vor Bei der Übernahmeplänen geht es den Berichten zufolge allerdings nur um die größere Viessmann-Sparte "Klimalösungen", die 85 Prozent des Konzernumsatzes ausmacht und zu der auch das Geschäft mit Wärmepumpen gehört. Die kleinere Kühltechnik-Sparte werde nicht übernommen, hieß es. Noch im Laufe der Woche soll der Verkauf offiziell werden. Viessmann wollte sich zu den Informationen bislang nicht äußern. Laut dem "Wall Street Journal" (WSJ) bekommt die Eigentümerfamilie den Kaufpreis zum Teil in Aktien, zum Teil in bar. Das 1917 von Johann Viessmann gegründete Unternehmen hat im vergangenen Jahr den Umsatz nach eigenen Angaben um 19 Prozent auf vier Milliarden Euro gesteigert, gut die Hälfte davon wurde im Ausland erwirtschaftet. Der Vorstandsvorsitz und auch der Chefposten des Aufsichtsrats sind durch Mitglieder der Eigentümerfamilie besetzt. Viessmann beschäftigt rund 14.500 Mitarbeiter. Carrier will international expandieren Das US-Unternehmen Carrier Global ist auf Klimatechnik spezialisiert und war erst 2020 durch die Aufspaltunge des Mischkonzerns United Technologies entstanden. Dieser hatte sich drei Firmen für Flugzeugtechnik (Raytheon), Aufzüge (Otis) und Klimatechnik (Carrier) aufgespalten. Carrier Global will mit der Übernahme sein Geschäft internationalisieren. Von zuletzt 20,4 Milliarden Dollar Umsatz kamen bisher 60 Prozent aus Nord- und Südamerika und 23 Prozent aus Europa. Die Carrier-Aktie, die seit der Abspaltung von United Technoligies an der New Yorker Börse notiert, reagierte gestern Abend mit Verlusten auf die Nachrichten vom Zukauf in Deutschland. Sie fiel um mehr als sieben Prozent. |
# Mehr Schutz indigener Lebensräume gefordert
Tausende Ureinwohner Brasiliens haben bei einem Protestmarsch für mehr Schutz ihrer Lebensräume und Traditionen demonstriert. Besonders der Amazonas soll geschützt werden. Doch die Abholzung geht rapide weiter. Tausende Angehörige indigener Völker Brasiliens haben auf den Straßen der Hauptstadt Brasilia demonstriert. Bei einem Marsch zum Nationalkongress forderten sie eine Wende der aktuellen Politik, die ihre traditionellen Lebensweisen und Lebensräume bedrohe. Der Protestzug, an dem einheimische Führer aus mehr als 300 Ethnien aus ganz Brasilien teilnahmen, ist Teil der fünftägigen jährlichen Veranstaltung "Free Land Encampment", die vom 24. bis zum 28. April stattfindet. Es ist das größte Treffen indigener Völker aus ganz Brasilien, zehntausende Teilnehmende werden erwartet. Die Ureinwohner fordern die Abgrenzung indigener Territorien, insbesondere aber den Schutz der Lebensräume innerhalb des Amazonas. Vor allem große Bergbauunternehmen und illegale Abholzungen würden immer wieder ursprüngliche Habitate bei der Rohstoffförderung zerstören, so der Vorwurf. Begegnung auf Augenhöhe Im Kongress wurde eine Führungsgruppe von der im letzten Jahr gewählten indigenen Abgeordneten Celia Xakriaba empfangen. "Ich erkläre die Eröffnung des Free Land Encampment in diesem Haus, wo Indigene nicht mehr mit Pfefferspray empfangen werden, sondern mit geöffneter Tür“, sagte Xakriaba. In diesem Jahr liegen besonders große Hoffnungen auf dem Austausch zwischen Ureinwohnern und Regierung. Es ist das erste Mal in der Geschichte des Landes, dass indigene Gruppen ein eigenes Ministerium haben. Im Dezember 2022 gab der gewählte Präsident Luiz Inacio Lula da Silva die geplante Ernennung der Stammesführerin der Guajajaras, Sonia Guajajara, zur ersten Ministerin des neu geschaffenen Ministeriums für indigene Völker bekannt. Am 11. Januar 2023 erfolgte ihre Vereidigung. Alles besser unter Lula? Nach vier Jahren unter der Führung des ehemaligen Präsidenten Jair Bolsonaro galt Lula als hoffnungsvoller Gegenpol zur bisherigen repressiven Umweltpolitik Brasiliens. Tatsächlich hat die Abholzung des Amazonas-Regenwaldes in den ersten drei Monaten des Jahres 2023 aber rapide zugenommen. Von Januar bis März wurde eine Fläche von 867 Quadratkilometern vernichtet, wie das Institut für Mensch und Umwelt im Amazonas (Imazon) nach Auswertung von Satellitenbildern mitteilte. Es handelt sich dabei um den zweithöchsten Abholzungswert seit 2008. Lula hatte bei seinem Amtsantritt im Januar versprochen, die illegale Abholzung des Amazonas-Regenwaldes komplett zu beenden. Schon unter Bolsonaro war die Zerstörung des Regenwaldes um mehr als 70 Prozent gestiegen. In seiner Amtszeit schwächte Bolsonaro systematisch Gesetze und Kontrollen zum Schutz des Regenwaldes und entzog den Behörden Finanzierung und Personal. Besonders betroffen ist Imazon zufolge der Bundesstaat Amazonas, wo sich die illegale Abholzung im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verneunfachte. |
# Abschiebegefängnis vor EU-Außengrenze?
Im bosnischen Flüchtlingslager Lipa entsteht ein Internierungstrakt, beauftragt und finanziert von der Europäischen Union. NGOs befürchten ein Abschiebegefängnis an der EU-Außengrenze. Der Trakt ist von außen schwer einsehbar. Dass die Container Gitterfenster haben, ist aber zu erkennen - obwohl meterhohe Zäune und ein Sichtschutz nähere Einblicke verhindern sollen. Hier, im Flüchtlingslager Lipa, entsteht ein Internierungstrakt. Das Lager liegt etwa 25 Kilometer von der nordwest-bosnischen Stadt Bihac entfernt, auf einer windigen Hochebene, umgeben von roten Schildern, die vor Minen aus dem Bosnienkrieg 1992 bis 1995 warnen. Hier landen viele, die beim Versuch gescheitert sind, ins benachbarte Kroatien und damit in die EU zu gelangen. Journalisten kommen bis auf Weiteres nicht in das Lager. Die österreichische Grünenabgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic hat zwar eine Visite durchgesetzt. Die Zellen des umstrittenen Trakts konnte aber auch sie nicht einsehen. Der Leiter des Camps habe selbst keinen Schlüssel für den neuen Trakt, sagt Ernst-Dziedzic: "Sie sagen, es ist noch nicht offen. Sie wissen nicht, wer das dann betreiben wird und wann es geöffnet wird. Sie wissen auch nicht, wer dann zuständig ist und was dann passieren soll." Was also soll der Internierungsbau mitten in der bosnischen Einöde? Unklare Zuständigkeit Der Internierungstrakt wurde von der EU-Kommission bezahlt. 500.000 Euro hat sie dafür zur Verfügung gestellt. Den Bau umgesetzt hat das International Centre for Migration Policy Development (ICMPD) mit Sitz in Wien. Es ist eine Organisation, die zu migrationsbezogenen Themen forschen und Empfehlungen an ihre Träger abgeben soll. Geleitet wird das Zentrum von Michael Spindelegger, Österreichs Ex-Vizekanzler und Mitglied der konservativen Österreichischen Volkspartei, die seit Jahren auf Hardliner-Positionen in Flucht- und Migrationsfragen setzt. Das ICMPD dementierte zunächst, am "Bau von Haftzellen oder Ähnlichem" beteiligt zu sein, räumte später aber ein, dass es um einen "Gewahrsamsraum" gehe. In einer Antwort des ICMPD an die ARD heißt es: "Nachdem die Behörden bestätigt hatten, dass alle erforderlichen Bedingungen erfüllt waren, begann ICMPD mit der Errichtung des Erweiterungsbaus." Abgestimmt habe man sich mit dem bosnischen Sicherheitsministerium. Das ist aber gar nicht zuständig für die Baugenehmigung. Im Kanton Una Sana, wo Lipa liegt, will auch niemand den Internierungstrakt genehmigt haben. Unklarer Zweck Auch welchem Zweck er dient, ist unklar. Der EU-Botschafter für Bosnien und Herzegowina, Johann Sattler, sagte bei einem eilig organisierten Besuch vor Ort: Der Trakt diene dem Schutz der Menschen in Lipa vor "Unruhestiftern". Allerdings berichten die Campleitung und die Internationale Organisation für Migration, dass es in Lipa so gut wie nie zu Konflikten oder Gewalt komme. Nichtregierungsorganisationen argwöhnen seit Langem, dass außerhalb der EU Abschiebegefängnisse entstehen könnten, damit Flüchtende und Migranten abgeschoben werden, bevor sie in der EU mögliche Asyl- oder andere Schutzansprüche geltend machen können. Darauf deutet auch der Besuch des ungarischen EU-Erweiterungskommissars Olivér Várhelyi in Bosnien und Herzegowina im vergangenen November hin. Várhelyi kündigte ein EU-Pilotprojekt in Lipa an und sprach davon, dass "die falschen Asylbewerber so lange festgehalten werden müssen, bis sie in ihre Herkunftsländer zurückkehren". Abschiebungen gegen Beitrittsverhandlungen? Petar Rosandic von der Wiener Hilfsorganisation "SOS Balkanroute" verfolgt die Debatte rund um das Camp Lipa seit dessen Gründung. Er glaubt mit Blick auf den EU-Kandidatenstatus von Bosnien und Herzegowina an einen Deal: Das Land solle zu einer Abschiebezone für die EU werden. Zum Dank könnten Beitrittshilfen winken und die Perspektive auf schnelle Beitrittsverhandlungen. Die EU-Delegation in Bosnien und das Büro von Várhelyi schreiben der ARD: "Eine wirksame und humane Rückführungspolitik für Personen, die keinen Anspruch auf internationalen Schutz haben, ist von wesentlicher Bedeutung, um zu gewährleisten, dass diejenigen, die Anspruch haben, ihre Anträge rechtzeitig prüfen lassen können." Anspruch auf die individuelle Prüfung eines Asylantrags hat laut internationalem Recht allerdings jeder Mensch. Die Rechtsgrundlage ist nicht geklärt In der Region rund um Lipa ist das aber nicht selbstverständlich: Dass das Nachbarland Kroatien Asylsuchende ohne Einzelfallprüfung und oft unter Anwendung von Gewalt nach Bosnien und Herzegowina zurückdrängt, ist seit Langem dokumentiert. Und die abschließende Prüfung eines Asylantrags kann kaum in 72 Stunden erfolgen. So lange sollen Geflüchtete und Migranten nach Angaben der EU-Kommission maximal im neuen Internierungstrakt in Lipa bleiben dürfen. Die Rechtsgrundlage für diese Zeitspanne ist unklar - genauso wie die Rechtsgrundlage für den Internierungstrakt an sich. Nach Angaben der EU-Kommission soll die Ausländerbehörde in Sarajevo die Verantwortung für den Bau übernehmen. Der stellvertretende Behördenleiter Mirsad Buzar sagt im ARD-Interview, dass für den Betrieb noch eine Rechtsgrundlage fehle. Die EU baut also mithilfe eines Kooperationspartners aus Österreich ohne geklärte Rechtsgrundlage einen Internierungstrakt im Camp Lipa, in dem Flüchtende und Migranten leben - mit Geldern, die Bosnien und Herzegowina eigentlich für die EU fit machen sollen. |
# Deutsche Exporteure werden optimistischer
Unternehmen blicken so zuversichtlich auf den Außenhandel wie seit Ausbruch des russischen Kriegs gegen die Ukraine nicht mehr. Vor allem die USA und China kurbeln die Nachfrage nach Exportgütern an. Deutsche Unternehmen hoffen auf bessere Exportgeschäfte und blicken zunehmend positiv in die Zukunft. Im April kletterte das Barometer für ihre Exporterwartungen um 2,8 auf 6,9 Punkte, wie das Münchner ifo-Institut zu seiner monatlichen Unternehmensumfrage bekanntgab. Hoffnung auf zweites Quartal Zuletzt waren solche Werte im Februar 2022 erreicht worden, so die Forscher. Danach rutschte der Indikator im Zuge der Ukraine- und Energiekrise sogar mehrfach in den Minusbereich, aus dem er sich erst wieder ab November nach oben bewegte. "Die robuste Konjunkturentwicklung in den USA und die erfreuliche Entwicklung in China steigern die Nachfrage nach deutschen Exportgütern", kommentierte der Leiter der ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe, die Ergebnisse. Nach einem schwachen Jahresbeginn dürften die Ausfuhren im zweiten Quartal laut Wohlrabe wieder wachsen. Auto-Branche und chemische Industrie zuversichtlich Vor allem die Auto-Branche spürt einen deutlichen Aufwind. Ihre Exporterwartungen sind laut ifo-Institut merklich gestiegen. Bei den Herstellern von elektronischen Komponenten gab der Indikator hingegen leicht nach. Bei elektrischen Ausrüstungen, Gummi- und Kunststoffwaren sowie Glas- und Keramik halten sich positive und negative Werte in etwa die Waage. In der chemischen Industrie ist der Optimismus zurückgekehrt: Dort stieg der Indikator auf den höchsten Wert seit September 2021. Die Getränkehersteller erwarten ebenfalls deutliche Zuwächse im Auslandsgeschäft. Rückläufige Exporte erwarten die Hersteller von Holzprodukten (außer Möbel) sowie die Drucker. Auch im Papiergewerbe gibt es noch einige Sorgen, wie das ifo-Institut betonte. Geschäftsklima ebenfalls gestiegen Die Umfrage-Ergebnisse bei den deutschen Exportunternehmen passen zum gestern veröffentlichten ifo-Geschäftsklimaindex für den April. Der Index kletterte von 93,2 Punkten im März auf 93,6 Punkte im April. Das ist der sechste Monatsanstieg in Folge. Die rund 9000 befragten Top-Manager sind damit ebenfalls so zuversichtlich wie seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs im Februar 2022 nicht mehr. Der Anstieg des Geschäftsklimas bedeutet laut ifo-Präsident Clemens Fuest aber noch nicht, dass die deutsche Wirtschaft im laufenden Jahr über den Berg ist: "Die Sorgen der Unternehmen lassen nach, aber der Konjunktur fehlt es an Dynamik", so Fuest gestern. Auch die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) warnte zuletzt vor allzu großen Erwartungen an die Exporte, obwohl das Geschäft mit dem wichtigsten Handelspartner China nach dem Ende der dortigen Corona-Beschränkungen an Schwung gewinnen dürfte. "Die schwächelnde weltweite Nachfrage, hohe Inflationsraten und der zunehmende Protektionismus belasten weiterhin die deutsche Außenwirtschaft", so DHIK-Außenwirtschaftsexpertin Carolin Herweg. Die deutschen Unternehmen sähen sich weiterhin einem großen internationalen Wettbewerbsdruck ausgesetzt. |
# 72 Stunden Waffenruhe im Sudan
Im Sudan hat in der Nacht eine 72-stündige Waffenruhe begonnen. Während westliche Staaten hoffen, dass diese auch hält, evakuieren sie weiterhin Ausländer. Die Bundeswehr hat bislang etwa 500 Menschen ausgeflogen. Im von tagelangen Kämpfen erschütterten Sudan ist um Mitternacht eine Waffenruhe zwischen den beiden Konfliktparteien in Kraft getreten. Berichte über größere Gefechte gab es in der Nacht zunächst nicht, aufgrund jüngster Erfahrungen herrschte jedoch Skepsis, ob die Feuerpause wirklich hält. US-Außenminister Antony Blinken hatte am Montag darüber informiert, dass sich die sudanesischen Streitkräfte und die mit ihnen rivalisierenden paramilitärischen Einheiten (Rapid Support Forces, RSF) darauf geeinigt hätten, ab Mitternacht für 72 Stunden eine landesweite Waffenruhe einzuhalten. Die RSF bestätigten die Feuerpause und kündigten die Einrichtung humanitärer Korridore an, um Zivilisten Zugang zu ärztlicher Versorgung und Schutzzonen zu ermöglichen sowie die Evakuierung ausländischer Diplomaten zu unterstützen. Bereits zuvor hatte es ähnliche Ankündigungen der Konfliktparteien gegeben, die jedoch nicht eingehalten wurden. So brachen sie mehrfach eine selbst vereinbarte Feuerpause für die Eid-al-Fitr-Feierlichkeiten zum Ende des muslimischen Fastenmonats Ramadan, die bis Montagabend gelten sollte. Bundeswehr leitet internationale Evakuierungsflüge Während am Montag weiterhin ausländische Staatsbürger aus dem Sudan evakuiert wurden, gab es erneut heftige Kämpfe im Land. Unter anderem flog die sudanesische Luftwaffe laut Medienberichten erneut Angriffe in der Stadt Omdurman, die an die Hauptstadt Khartum angrenzt. Inzwischen hat Deutschland von Frankreich die Abstimmung von Evakuierungsflügen aus dem Krisenstaat übernommen. Die Bundeswehr sei nun zuständig für die Koordination der Flugbewegungen zum Aufnahmeflugplatz, sagte ein Sprecher des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr in der Nacht. Dabei geht es darum, Flugzeiten und den praktischen Betrieb auf dem Militärflugplatz bei Khartum zu regeln, der von westlichen Staaten genutzt wird. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius sprach von einem "wirklich großartigen Erfolg in der Kürze der Zeit". Er sehe sich in seinem großen Vertrauen in die Truppe bestätigt. Pistorius betonte, die Bundeswehr habe auf "beispielhafte Art und Weise gezeigt, wie kaltstartfähig sie ist, wie schnell sie sich auf eine solche Situation einstellen kann". Der außerordentlich komplexe Einsatz sei ohne jede Panne, ohne jedes Problem verlaufen, "niemand ist bisher von unseren Leuten zu Schaden gekommen". Zu dem Einsatz gehören auch das Kommando Spezialkräfte und die GSG9. Die Bundeswehr nutzte zum Transport ihren Stützpunkt in Jordanien, der sonst dem Kampf gegen die Terrormiliz IS dient. Deutsche Luftwaffe: Etwa 500 Menschen ausgeflogen Mehrere westliche Staaten hatten am Wochenende damit begonnen, eigene Staatsbürger und Angehörige anderer Nationen aus dem Land auszufliegen. Frankreich hat seine Evakuierungsmission inzwischen praktisch abgeschlossen und insgesamt 538 Menschen aus dem Land gerettet, darunter 209 Franzosen. Wie lange die Rettungsflüge fortgesetzt werden können, hängt wesentlich von der Sicherheitslage in dem Land ab. Nach Angaben des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell wurden bis Montagnachmittag mehr als 1000 Ausländer in Sicherheit gebracht. Der Spanier rechnete damit, dass es bis zum Ende des Tages allein mindestens 1200 bis 1500 EU-Bürger gewesen sein dürften. Die deutsche Luftwaffe flog etwa 500 Deutsche und andere Staatsbürger mit Militärtransportern aus. Das Auswärtige Amt ging jedoch am Montag davon aus, dass noch immer Deutsche vor Ort sind. Deren Zahl sei unklar, "da wir auch einige nicht telefonisch erreichen im Moment", sagte ein Sprecher. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius und Außenministerin Annalena Baerbock hatten sich zuvor bereits erleichtert über den Verlauf der Mission geäußert. Es sei aber noch nicht der "Moment des Aufatmens", sagte Baerbock. Es befänden sich noch mehr Deutsche vor Ort, sagte Baerbock. Man arbeite mit Hochdruck daran, sie zu erreichen. USA arbeiten auf dauerhaftes Ende der Kämpfe hin Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby, sagte dem Fernsehsender CNN, man habe seit Beginn der Kämpfe im Sudan in engem Kontakt mit den Anführern beider Lager gestanden, um sie zu einem stabilen Waffenstillstand zu bewegen. Nun gelte es, die Einhaltung der neuerlichen Feuerpause so gut wie möglich zu überwachen. Blinken betonte, um auf ein dauerhaftes Ende der Kämpfe hinzuarbeiten, wollten sich die USA mit regionalen und internationalen Partnern sowie sudanesischen Akteuren abstimmen. Es solle ein Ausschuss eingerichtet werden, der Verhandlungen über ein Ende der Gefechte und die Umsetzung der Ergebnisse überwachen solle. Auch der UN-Sicherheitsrat will in einer Dringlichkeitssitzung erneut über die Lage im Sudan beraten - Diplomatenkreisen zufolge wahrscheinlich in öffentlicher Runde am Dienstagabend gegen 21:00 Uhr (MESZ). Wird Khartum noch mehr zum Schlachtfeld? Auch die Leiterin der Friedrich-Ebert-Stiftung in Khartum, Christine Röhrs, wurde aus dem Sudan in Sicherheit gebracht. Im Interview mit den ARD-tagesthemen berichtet sie von der Sorge, "dass wenn die Internationalen weg sind, auch ein Korrektiv fehlt. Dass die Generäle, die sich jetzt unbeobachtet fühlen, die Stadt noch mehr zum Schlachtfeld machen". Chancen auf Verhandlungen würden sicher steigen, sobald sich herausstellen würde, dass der eine dem anderen klar über- oder unterlegen ist, schätzt Röhrs die Situation ein. Bislang sei das aber nicht zu sehen. "Solange beide immer noch eine Chance sehen, den Erzfeind auszulöschen, kann es eher noch eskalieren." Am ehesten dürften regionale Mächte als Anrainer eine Chance haben, Einfluss zu nehmen. "Viele haben ein großes Interesse daran, dass der Konflikt nicht noch überläuft in die Nachbarländer", so Röhrs. Ein Weg sei ihrer Meinung nach, dass eines dieser Länder die Initiative ergreift und die beiden Kontrahenten auf neutralem Boden zusammenbringt. Israel bietet sich als Vermittler an Am Montagabend brachte sich Israel als Vermittler in dem Konflikt ins Spiel. Das israelische Außenministerium bot laut einem Sprecher an, in Israel Verhandlungen auszurichten, um die Gewalt zu beenden. Es gebe Kontakt zu hochrangigen Vertretern beider Seiten im Sudan. Israel arbeitet seit Jahren an einer Normalisierung seiner Beziehungen mit dem afrikanischen Land. Der UN-Sonderbeauftragte im Sudan, Volker Perthes, will weiterhin im Land bleiben und dort arbeiten: "Wir sind entschlossen, im Sudan zu bleiben und das sudanesische Volk in jeder erdenklichen Weise zu unterstützen", sagte er. Die Lage für die Sudanesen bleibt jedoch brenzlig: Laut dem UN-Nothilfebüro sind bereits Zehntausende in die Nachbarländer Tschad, Ägypten und in den Südsudan geflohen. Da die Lage im Land weiterhin höchst instabil ist, werden aber wohl noch mehr Menschen versuchen, sich in Sicherheit zu bringen. |
# Keine Änderung russisch klingenden Nachnamens
Ein russisch klingender Nachname ist laut einem Gericht in Koblenz kein Grund für eine Namensänderung. Ein Ehepaar hatte geklagt und gab an, seit Beginn des Krieges gegen die Ukraine Benachteiligungen zu erleben. Das Verwaltungsgericht Koblenz hat die Klage eines Ehepaars auf Änderung seines russisch klingenden Nachnamens abgewiesen. Eine Änderung sei nur gerechtfertigt, wenn es einen wichtigen Grund dafür gebe, teilte das Gericht mit. Den gebe es in diesem Fall nicht. Die Kläger hatten für sich und ihre Tochter bei der Verbandsgemeinde eine Änderung beantragt, weil sie wegen des Nachnamens seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine Benachteiligungen im Alltag ausgesetzt seien. Als die Gemeinde ablehnte, widersprachen die Kläger und erhoben Untätigkeitsklage beim Verwaltungsgericht, weil die Gemeinde nicht innerhalb von drei Monaten entschieden hatte. Gericht: Keine seelische Belastung "Die Klage hatte keinen Erfolg", teilte das Verwaltungsgericht nun mit. Es sei nur in Ausnahmen mit wichtigem Grund möglich, den Familiennamen zu ändern. Die Tatsache allein, dass ein Familienname fremdsprachigen Ursprungs sei oder nicht deutsch klinge, sei im Allgemeinen kein wichtiger Grund. Die Kläger hätten nicht dargelegt, dass ihr Nachname eine seelische Belastung für sie und ihre Tochter darstelle, hieß es weiter. Sie seien in Deutschland geboren, nicht-russischer Abstammung und entsprechend keine Flüchtlinge, denen der Name eventuell bei der Eingliederung Schwierigkeiten bereite. Zudem komme der Nachname auch im polnischen Raum vor. Gegen die Entscheidung ist ein Antrag auf Zulassung der Berufung möglich. Aktenzeichen: 3 K 983/22.KO |
# Wer hat den "Leopard 2" erfunden?
Die deutschen Rüstungsfirmen Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall streiten um die Urheberrechte am "Leopard"-Panzer. Der Fall soll vor Gericht geklärt werden. Zwischen den Rüstungskonzernen Krauss-Maffei Wegmann (KMW) und Rheinmetall ist ein Streit um die Urheberrechte am "Leopard"-Panzer entbrannt. Wie das Landgericht München I mitteilte, wird es am 2. Mai eine Verhandlung darüber geben. KMW will seinem Konkurrenten die Behauptung untersagen, dass die Rechte am Leopard bis einschließlich Version 2A4 bei Rheinmetall lägen. In einem Interview mit der "Neuen Zürcher Zeitung" hatte Rheinmetall-Chef Armin Papperger die Rechte für sein Unternehmen beansprucht: "Wir haben eintausend Leopard 2A4 gebaut, und zwar auf Grundlage unseres eigenen geistigen Eigentums." Diese Äußerungen beanstandet KMW laut Gericht als "unwahre, irreführende und ihre Rechte verletzende Tatsachenbehauptungen". KMW ist Generalunternehmer In die Produktion des "Leopard 2" sind - wie bei Projekten dieser Größenordnung üblich - zahlreiche Firmen eingebunden. Generalunternehmer des Projekts ist die Münchener Krauss-Maffei Wegmann, große Produktionsanteile liegen aber bei Rheinmetall aus Düsseldorf. Dazu gehören Kanone, Munition, Feuerleitanlage und Führungssystem. Auch Rheinmetall selbst schreibt ungeachtet des Papperger-Interviews auf seiner Firmen-Website die Entwicklung des Leopard 2 KMW zu. "Der Leopard 2 von Krauss-Maffei Wegmann (KMW) ist der leistungsfähigste Kampfpanzer der Welt und zugleich das Waffensystem mit der größten internationalen Verbreitung", heißt es dort. Grundmodell gibt es seit den Sechzigern Das Grundmodell des "Leopard" wurde ab 1965 gebaut. Diese Modellreihe wurde von 1979 an vom "Leopard 2" ersetzt. Mittlerweile sind der 2A7 und der 2A7V die modernsten verfügbaren Modelle. Die Weiterentwicklung "Panther KF51", den Rheinmetall im vergangenen Juni vorgestellt hat, ist noch in der Entwicklung. Während Krauss-Maffei Wegmann mittlerweile im Besitz der deutsch-französischen Holding KNDS ist, handelt es sich bei Rheinmetall um einen börsennotierten Konzern. Über 70 Prozent der Anteile sind im Besitz kleinerer Aktionäre. |
# Hohe Steuer- und Abgabenlast in Deutschland
Die Abgabenlast auf Löhne und Gehälter in Deutschland ist im internationalen Vergleich weiterhin hoch. Steuern und Abgaben belasten die Einkommen so stark wie in fast keinem anderen Industrieland. Einkommensteuern und Sozialabgaben machen einen im internationalen Vergleich hohen Prozentsatz hierzulande aus. Das hat eine Auswertung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ergeben. Höhere Steuer- und Abgabenlast nur in Belgien Unter den 38 Mitgliedstaaten rangiert Deutschland unter den Industrieländern der OECD nach Belgien auf Platz zwei was die Belastung der Arbeitseinkommen mit Steuern und Sozialabgaben betrifft. So liegt die Abgabenquote bei einem verheirateten Paar mit Kindern durchschnittlich bei 40,8 Prozent. Höher ist die Belastung nur in Belgien mit 45,5 Prozent. Im Schnitt aller OECD-Staaten liegt die Abgabenlast bei 29,4 Prozent. In der OECD-Betrachtung werden die Belastungen durch Einkommensteuern und die Sozialabgaben von Arbeitnehmern und Arbeitgebern in der Abgabenquote zusammengefasst und dem Bruttoeinkommen gegenübergestellt. Geringe Abgaben in der Schweiz und den USA Auch bei Alleinstehenden liegt Deutschland auf Platz zwei der Belastung durch Steuern und Abgaben. Hier liegt die entsprechende Quote bei 47,8 Prozent. Wiederum rangiert nur Belgien mit 53,0 Prozent als Abgaben-Spitzenreiter darüber. Knapp hinter Deutschland liegen in der Aufstellung Frankreich, Österreich und Italien. Der OECD-Schnitt für den Single-Haushalt beträgt 34,6 Prozent. Deutlich weniger Abgaben als im OECD-Schnitt gibt es sowohl bei Alleinstehenden als auch bei Familien mit Kindern in der Schweiz, Israel, Großbritannien und den USA. "Niedrigere und mittlere Arbeitseinkommen unterliegen in Deutschland im internationalen Vergleich relativ hohen Steuern und Abgaben", kommentiert die Leiterin des OECD Berlin Centre, Nicola Brandt, der Nachrichtenagentur Reuters. "Das liegt vor allem daran, dass die Sozialversicherungssysteme im Wesentlichen über Sozialabgaben finanziert werden." Gutes Sozialsystem in Deutschland als Gegengewicht Den relativ hohen Abgaben stünden damit aber auch direkte Leistungen wie Rentenansprüche, Kranken- und Arbeitslosenversicherung gegenüber. Außerdem sind Zahlungen wie Kindergeld und Steuervergünstigungen wie der Arbeitnehmerpauschbetrag oder Grund- und Kinderfreibeträge in Deutschland nicht in der Darstellung berücksichtigt. Würden diese berücksichtigt, läge die Belastung bei Familien nach Berechnungen des "Handelsblatt" bei knapp 20 Prozent und damit im Mittelfeld der OECD-Staaten. Viele Länder im Vergleich wie etwa die USA, Mexiko oder Griechenland verfügen über deutlich weniger ausgebaute Sozialsysteme, entsprechend mehr Mittel müssen Arbeitnehmer für eigene Absicherung aufwenden. Dennoch könnten hohe Steuern und Abgaben auf niedrige Arbeitseinkommen Fehlanreize schaffen, so der OECD-Bericht. "Unter Umständen lohnt es sich nicht, mehr zu arbeiten und besser bezahlte Stellen anzunehmen", so Brandt. Die OECD empfiehlt daher, geringere Arbeitseinkommen zu entlasten. |
# Sudan-Einsatz bis Ende Mai möglich
Die Bundeswehr hat bislang knapp 500 Menschen aus dem Sudan gerettet. Theoretisch soll der Einsatz noch bis Ende Mai möglich sein. Das geht aus dem Mandatstext der Bundesregierung hervor, der dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt. Wie lange die Evakuierungsmission der Bundeswehr im Sudan noch dauert, hängt von der Gefahrenlage vor Ort ab. Und natürlich davon, wie viele Deutsche noch vor den Kämpfen in Sicherheit gebracht werden müssen. Vorsichtshalber schafft die Bundesregierung nun die Möglichkeit, den Einsatz bis zum 31. Mai fortzusetzen. So steht es in dem Mandatstext, der dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt. Bis zu 1600 Soldatinnen und Soldaten sollen sich theoretisch daran beteiligen können. Eine Obergrenze, die zeitlich beschränkt auch überschritten werden kann. "Die anhaltende Gewalteskalation in weiten Landesteilen sowie in der Hauptstadt Khartum machen ein Eingreifen von Kräften der Bundeswehr erforderlich", heißt in dem Text wörtlich. Als Ziel wird dort benannt, "Leib und Leben deutscher Staatsangehöriger und weiterer berechtigter Personen sowie im Rahmen verfügbarer Kapazitäten von Staatsangehörigen von Drittstaaten zu schützen". "Großartiger Erfolg" Noch diese Woche soll der Bundestag über das Mandat abstimmen. Voraussichtlich schon morgen. Die Bundeswehrmission war bereits am Samstag beschlossen worden. Wenn Menschenleben in Gefahr sind, kann der Bundestag auch nachträglich befasst werden. Genau das geschieht nun. Mittlerweile sind mithilfe von fünf A400M-Flügen der Bundeswehr knapp 500 Menschen aus der Gefahrenzone gebracht worden, darunter vor allem Deutsche. In den kommenden Tagen soll zudem das Marineschiff "Bonn" in den Hafen "Port Sudan" einlaufen und könnte dort weitere Menschen an Bord nehmen. Unter anderem hatte sich ein UN-Fahrzeugkonvoi auf den Weg in die Hafenstadt gemacht. Verteidigungsminister Boris Pistorius hatte mit Blick auf die Evakuierungsmission von einem "großartigen Erfolg" gesprochen. Die Bundeswehr habe "in beispielhafter Art und Weise gezeigt, wie kaltstartfähig sie ist", erklärte der SPD-Politiker wörtlich. |
# Frauen rücken in Männerberufe vor
In einigen traditionell überwiegend von Männern gewählten Berufen ist der Frauenanteil deutlich angestiegen. Und in einigen Bereichen hat sich das Geschlechterverhältnis laut Statischem Bundesamt sogar umgekehrt. Die Vorlieben von Frauen und Männern für geschlechterspezifische Ausbildungsberufe haben sich in den vergangenen Jahren teilweise verschoben. Das zeigen Daten des Statistischen Bundesamts. So stieg der Frauenanteil bei Ausbildungsverträgen in der Landwirtschaft zwischen 2011 und 2021 von zwölf auf 22 Prozent. Insgesamt unterschrieben im Jahr 2021 etwa 900 Frauen einen Ausbildungsvertrag zur Landwirtin. 2011 waren es den Angaben zufolge mit gut 400 noch weniger als die Hälfte. Auch am Steuer von Lkws stieg der Anteil angehender Berufskraftfahrerinnen laut Statistischem Bundesamt von vier auf elf Prozent. Mehr Männer im Friseurhandwerk Bei den Auszubildenden zur Fachkraft im Gastgewerbe hat sich das Geschlechterverhältnis im gleichen Zeitraum beinahe umgekehrt: 2021 lag der Männeranteil bei den gut 1700 neuen Ausbildungsverträgen bei 58 Prozent (2011: 38 Prozent). Die Wiesbadener Behörde veröffentlichte entsprechende Zahlen anlässlich des sogenannten Girls' und Boys'-Days am 27. April. Auch im Friseurhandwerk ist der Männeranteil gewachsen. Für die traditionell eher frauendominierte Ausbildung schlossen 2021 knapp 2100 Männer einen Ausbildungsvertrag ab. Damit stieg der Anteil auf 32 Prozent bei den Neuverträgen. 2011 waren es mit etwa 1400 Männern noch elf Prozent. Grundsätzlich mehr Männer in Ausbildungsberufen "Schön, dass sich was bewegt und mehr junge Frauen und Männer eine Berufswahl fernab von Geschlechterklischees treffen", erklärte die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Elke Hannack. "Trotzdem bleibt bei der klischeefreien Berufsorientierung noch Luft nach oben, denn der Frauenanteil bei den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen bleibt erschreckend niedrig." Das sei auch vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels schlecht. Der Girls'- beziehungsweise Boys'-Day findet jährlich als eintägiges Schnupperpraktikum oder Workshop statt und soll frühzeitig auf Berufe aufmerksam machen. Das Projekt soll dazu beitragen, die Berufschancen in jeweils geschlechtsspezifisch unterrepräsentierten Branchen auszubauen. Grundsätzlich absolvieren den Angaben zufolge deutlich mehr Männer als Frauen eine Berufsausbildung im dualen System. Von den knapp 466.200 Neuverträgen im Jahr 2021 wurden 64 Prozent von Männern abgeschlossen. 2011 hatte der Anteil den Angaben zufolge bei 59 Prozent gelegen. |
# "Anlegen ist die richtige Art des Sparens"
Die hohe Inflation hat bislang auch die Erträge steigender Zinsen aufgezehrt. Doch das könnte sich in diesem Jahr ändern. Was das für Sparer bedeutet, erklärt der Anlage-Experte Christian Kopf im Interview. tagesschau24: Können sich die Menschen unter dem Begriff Realzins etwas vorstellen? Kopf: Wir fragen unsere Privatkunden regelmäßig nach Begriffen aus der Finanzwelt. Dieses Jahr haben wir nach dem Realzins gefragt und festgestellt, dass zwei Drittel unserer Kundinnen und Kunden mit dem Begriff etwas anfangen können. 60 Prozent der Befragten gehen sogar tatsächlich davon aus, dass die Inflation den Zinsertrag auffrisst. Damit haben sie auch ein Stück weit Recht, denn genau das ist im vergangenen Jahr passiert. In der Zukunft wird es vermutlich nicht mehr so sein. tagesschau24: Passen die Menschen ihr Sparverhalten denn an die Inflation an? Kopf: Viele tun das leider nicht. Es gibt sehr viele Menschen, die ihr Vermögen wegen ihres Sicherheitsbedürfnisses weiterhin als Sichtguthaben auf Banken halten. Das ist an sich ja auch nicht verkehrt, einen Teil des Geldes soll man ja als Notgroschen immer bereithalten. Angesichts der hohen Inflation ist es unseres Erachtens aber unklug, sehr hohe Geldbeträge einfach tot auf dem Konto liegen zu lassen. Und das tun immer noch sehr viele Bankkunden in Deutschland. Immer noch wenig Zinsen etwa für Tagesgeld tagesschau24: Sparen auf dem Konto ergibt in Ihren Augen also keinen Sinn. Aber wie spart man in Zeiten hoher Inflation denn richtig? Kopf: Es ist zwar schon so, dass die Sichteinlagen bei den Banken langsam wieder steigen und die Banken sehr langsam dabei sind, diese höheren Einlagesätze, die die Deutsche Bundesbank ihnen zahlt, an die Kunden durchzureichen. Trotzdem sind die Sichteinlagen, die die Banken bereitstellen, im Vergleich zu dem, was man am Kapitalmarkt verdienen kann, noch immer sehr niedrig verzinst. Deswegen muss man schon sagen: Heute ist das Anlegen die richtige Art des Sparens. tagesschau24: Sorgen sich die Menschen denn um ihre Ersparnisse? Kopf: Ja, die Leute machen sich große Sorgen. Zwei Drittel der Befragten in unserer Umfrage haben angegeben, dass sie sich um ihre Ersparnisse Sorgen machen. Das ist der höchste Wert, den wir je ermittelt haben, seit wir diese Umfrage machen. Der Wert ist im Vergleich zum vergangenen Jahr sogar noch gestiegen. Und man muss ja auch sagen, dass diese Sorge durchaus gerechtfertigt ist, wenn man sich anschaut, was im letzten Jahr passiert ist. Die Inflation war rekordhoch - in Deutschland war es die höchste Rate seit dem Zweiten Weltkrieg. Gleichzeitig kam hinzu, dass die Leute auf ihre Kapitalanlagen Geld verloren haben, was heißt, dass sie am Ende auf beiden Seiten verloren haben. Die Aktienkurse und Anleihenkurse sind gefallen, und dann hatte man gleichzeitig auch noch mit der Inflation zu kämpfen. Da kann man schon verstehen, dass die Leute sich Sorgen machen. Trotzdem sehe ich diese großen Realverluste bei der Kapitalanlage in der Zukunft eigentlich nicht mehr. tagesschau24: Warum nicht? Kopf: Wir haben derzeit eine Inflationsrate von 7,4 Prozent in Deutschland, die vor allem wegen der hohen Energiepreise zuletzt so hoch war. Langsam geht die Inflationsrate aber jetzt wieder leicht zurück. Wir rechnen damit, dass die Geldentwertung in den nächsten zwölf Monaten bei ungefähr 3,5 Prozent liegen wird. Wenn Sie in den nächsten zwölf Monaten mit einer Geldanlage mehr als 3,5 Prozent Gewinn erzielen, dann haben Sie einen positiven Realzins. Und das ist unseres Erachtens durchaus möglich. "Die Geduld des Bauern zahlt sich aus" tagesschau24: Glauben Sie denn auch, dass an den Aktienmärkten noch Luft nach oben ist? Der DAX ist derzeit immerhin auf einem sehr hohen Niveau. Kopf: Ich denke, wenn man hier Kapitalanlage betreibt, dann sollte man die Perspektive des Getreidehändlers, der immer billig kaufen und teuer verkaufen will, ein Stück weit hinter sich lassen. Man sollte eher die Perspektive eines Bauern einnehmen, der auf den Kapitalertrag schaut. Wir sind jetzt in einer Situation, in der es sowohl auf der Zinsseite als auch auf der Aktienseite wieder einen richtigen Kapitalertrag gibt. Wir kommen aus einer Periode von mehreren Jahren, in der es entweder Nullzinsen oder zumindest sehr, sehr niedrige Zinsen gab. Jetzt haben wir eine Situation, in der wir bei Geldmarktfonds drei Prozent Zinsen verdienen können, bei Unternehmensanleihen vier Prozent. Auch beim DAX liegt die Ertragsrendite ungefähr bei acht Prozent, mit internationalen Aktien bei sechs Prozent. Wir haben da also durchaus eine Möglichkeit, Geld zu verdienen, indem wir einfach anlegen und geduldig sind. Diese Idee, dass man immer billig kaufen muss und teuer verkaufen muss, eignet sich meines Erachtens für den Vermögensaufbau nicht. Und wir sind jetzt in der Situation, in der sich die Geduld des Bauern, der einfach sein Geld anlegt und es arbeiten lässt, auszahlt. Der Kapitalmarkt wird interessanter tagesschau24: Die Deutschen sind ja dafür bekannt, gerne und auch viel zu sparen. Wie viel sparen sie? Kopf: Ja, das ist richtig. Die Deutschen sparen im internationalen Vergleich schon ziemlich viel, das haben wir bei unserer Umfrage auch wieder festgestellt. 70 Prozent der Leute, die wir befragt haben, sagen, dass sie regelmäßig sparen - und teilweise sogar relativ hohe Beträge, manchmal über 250 Euro im Monat. tagesschau24: Die Deutschen sind aber nicht gerade dafür bekannt, ihr Geld gerne risikofreudig anzulegen. Wie sparen sie denn? Kopf: Die Leute investieren ihr Geld vor allem in Immobilien. 65 Prozent der Ersparnisse fließen in Immobilien und nur ungefähr 30 Prozent in Investmentfonds und Aktien. In den letzten Jahren waren Immobilien auch ein gutes Investment, die Immobilienzinsen waren immerhin sehr niedrig. Wenn man damals eine selbstgenutzte Immobilie oder auch eine fremdgenutzte Immobilie erwerben konnte bei diesen niedrigen Zinssätzen, dann war das schon eine gute Sache. Inzwischen sieht es aber anders aus. Die Bauzinsen sind deutlich gestiegen und die Immobilienpreise auch. Gleichzeitig werden Aktien und Anleihen wieder attraktiver, weil sie eben auch eine attraktive Rendite aufweisen. Ich denke, dass sich dieser Trend, hauptsächlich in Immobilien zu investieren, in den nächsten Jahren verändern wird, denn die Kreditzinsen für Immobilien sind teurer geworden, und mittlerweile springt auch bei der Anlage am Kapitalmarkt wieder richtig was raus. tagesschau24: Das sagen Sie allerdings als Leiter des Rentenfonds - und nicht als Immobilenmarkt-Experte. Kopf: Ja, ich beschäftige mich mit Anleihen von großen, deutschen Industrieunternehmen. Die haben vor einem Jahr, Anfang 2022, am Kapitalmarkt Anleihen mit einer Rendite von gerade mal 0,5 Prozent begeben. Dieselben Unternehmen mit derselben Bonität, mit dem selben Geschäftsmodell, den selben Gewinnen haben heute Anleihen am Markt, die über 4 Prozent abwerfen. Da rechnet es sich jetzt schon wieder richtig, Kapital anzulegen - nicht nur in Immobilien, sondern eben auch in Anleihen und in Aktien. Die Fragen stellte Anne-Catherine Beck, ARD-Finanzredaktion. Das Interview wurde für die schriftliche Fassung gekürzt und redaktionell bearbeitet. |
# Mali-Einsatz kostet Deutschland 4,3 Milliarden Euro
Seit zehn Jahren ist Deutschland an militärischen und polizeilichen Einsätzen in Mali beteiligt. Dennoch bleibt die Lage im Land katastrophal. Die Kosten für die Mission werden bis Mai 2024 mehr als vier Milliarden Euro betragen. Der seit etwa zehn Jahren andauernde Einsatz der Bundeswehr in Mali hat den Bund bisher 3,5 Milliarden Euro gekostet. Die Bundesregierung rechnet damit, dass bis Mai 2024 weitere rund 760 Millionen Euro hinzukommen werden. Das geht aus einer Antwort des Verteidigungsministeriums auf eine Anfrage der Linken-Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen hervor. Insgesamt belaufen sich die Kosten für die Beteiligung von Bundeswehr und Polizei an Missionen in dem westafrikanischen Land somit den Angaben nach auf rund 4,3 Milliarden Euro. Kosten für UN-Mission Minusma am höchsten Das meiste Geld fließt demnach in den Blauhelmeinsatz Minusma. Bis zum 4. April dieses Jahres wurden dafür gut 2,7 Milliarden Euro ausgegeben. Etwa 713 Millionen Euro kommen noch hinzu, wenn der Bundestag in den kommenden Wochen das Mandat zum letzten Mal um ein Jahr verlängert. Aktuell sind etwa 1100 Soldatinnen und Soldaten an dem Einsatz beteiligt. Insgesamt waren laut Verteidigungsministerium in den zehn Jahren bislang 25.308 deutsche Streitkräfte sowie 90 Polizistinnen und Polizisten eingesetzt. Die UN-Mission versucht seit 2013 mit etwa 13.000 Soldatinnen und Soldaten aus zahlreichen Ländern, die malische Bevölkerung zu schützen. Dennoch wird die Sicherheitslage immer katastrophaler. Ferner sollen die Blauhelme ein Friedensabkommen überwachen, das aber nie richtig umgesetzt wurde. Abzug der Bundeswehr bis Mai 2024 Die militärische Übergangsregierung, die nach zwei Putschen 2021 und 2022 in Mali regiert, behindert zudem die Arbeit der Minusma immer wieder mit Überflugverboten. Die Bundesregierung plant deshalb, die Beteiligung der Bundeswehr bis Mai 2024 zu beenden. Die Beteiligung an der EU-Ausbildungsmission EUTM hat den Bund bisher rund 382 Millionen Euro gekostet, weitere gut 46 Millionen seien veranschlagt. Im vergangenen Jahr war die Mission nach einem Massaker gestoppt worden, an dem Zeugen zufolge malische Soldaten beteiligt gewesen sein sollen. Seither trägt der Einsatz zwar noch Mali in der Überschrift, fokussiert sich aber auf Spezialkräfte des Niger. Überdies flossen Gelder in polizeiliche Missionen. Die erst kürzlich bis 2025 verlängerte zivile EU-Aufbaumission Eucap Sahel Mali schlägt mit ungefähr 327 Millionen Euro zu Buche. Bisher waren drei Deutsche beteiligt. Den Angaben des Verteidigungsministeriums zufolge waren seit Beginn der Minusma-Mission im Jahr 2013 bis April dieses Jahres 25.308 Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten im Einsatz, manche mehrfach. Für die EUTM-Trainingsmission gibt das Verteidigungsministerium die Zahl von etwa 6600 deutschen Soldatinnen und Soldaten an. Linke: "verpulvertes Geld" Die Linken-Politikerin Dagdelen kritisierte im "Spiegel", die 4,3 Milliarden Euro für die Mali-Mission der Bundeswehr seien verpulvertes Geld. Der Einsatz an der Seite der einstigen Kolonialmacht Frankreich sei militärisch wie politisch komplett gescheitert und habe den islamistischen Terror im Land weiter befeuert, statt ihn einzudämmen. Mali ist seit Jahren Schauplatz einer Rebellion islamistischer Extremisten, die 2012 im Norden des Landes begann und später auch auf die Nachbarländer Niger und Burkina Faso übergriff. Das Land wird inzwischen von einer Militärjunta regiert, die eine engere Anbindung an Russland anstrebt und den Stabilisierungseinsatz der internationalen Truppen erschwert. |
# Primark schließt Geschäfte in Deutschland
Die Billigmodekette Primark kündigt die Schließung von vier Filialen in Deutschland an. Zudem sollen mehrere Hundert Arbeitsplätze abgebaut und bestehende Geschäfte verkleinert werden. Der irische Textildiscounter Primark will in Deutschland vier Geschäfte schließen und 420 Arbeitsplätze abbauen. Die Kette sei in einigen Regionen "überrepräsentiert", und die Rentabilität in den deutschen Stores sei "auf einem inakzeptablen Niveau", hieß es heute in einem Schreiben des Managements an die Belegschaft. Betroffen von der Neuausrichtung seien die Shops in Gelsenkirchen, Krefeld, Kaiserslautern und im Frankfurter Nordwestzentrum. Man werde Verhandlungen mit der Arbeitnehmerseite über die Schließungspläne aufnehmen. Shops sollen kleiner werden Die Vereinbarungen sollen "so sozialverträglich wie möglich" gestaltet werden. "Wir bedauern es, wenn Entlassungen notwendig werden, aber die geplanten Anpassungsmaßnahmen sind unumgänglich", so das Management. Die Wirtschaftlichkeit müsse gewährleistet werden, um die anderen Arbeitsplätze langfristig zu erhalten. Durch die Expansion in den vergangenen Jahren liege die Durchschnittsgröße der deutschen Filialen "erheblich" über der in anderen Ländern. Daher plane das Unternehmen, bestehende Shops zu verkleinern. Dort seien aber keine betriebsbedingten Kündigungen geplant. Zudem wolle Primark "neue Filialkonzepte" testen: Sie würden kleiner sein als die durchschnittlichen Stores in Deutschland und sollen sich "stärker an den lokalen Kundenbedürfnissen orientieren". Zusätzlich prüft das Unternehmen Investitionsmöglichkeiten für neue Standorte, allerdings nur in Regionen, wo "die Gefahr der Kannibalisierung mit existierenden Stores gering ist". Primark-Eigentümer verdient weniger Primark hat in Deutschland derzeit noch gut 4500 Beschäftigte und 30 Shops. Die Kette gehört zum Mischkonzern Associated British Foods (AB Foods), der heute sinkende Gewinne vermeldete. Als Grund nannte der Konzern gestiegene Kosten, die nicht alle an die Kunden weitergegeben worden seien. Der Betriebsgewinn sei um drei Prozent auf 684 Millionen Pfund (773,3 Millionen Euro) gesunken, teilte AB Foods mit. Der Umsatz stieg um 21 Prozent auf 9,56 Milliarden. "Bei Primark bleiben wir angesichts der anhaltenden Inflation bei den Lebenshaltungskosten und höherer Zinsen vorsichtig, was die Widerstandsfähigkeit der Verbraucherausgaben betrifft", erklärte der Vorstand. Er prognostizierte bei dem Billigmodehändler einen flächenbereinigten Umsatzrückgang in der zweiten Hälfte des Bilanzjahres. |
# Neues Zahlungssystem soll 2024 starten
Die Pläne für ein europäisches Zahlungssystem werden konkreter. Anfang 2024 soll es mit einer App den ersten Schritt für eine "digitale Brieftasche" geben. Im Dezember 2020 ist die "European Payments Initiative" (EPI) angetreten, um den etablierten US-amerikanischen Marktführern Visa und Mastercard sowie PayPal ein eigenes europäisches Zahlungssystem entgegenzusetzen. Anfang kommenden Jahres nun soll das neue System starten. In einem ersten Schritt werde eine App angeboten, die in Deutschland, Frankreich und Belgien Handy-zu-Handy-Zahlungen ermöglicht, teilte die EPI mit. Später sollen weitere europäische Länder hinzukommen. In weiteren Schritten soll das System weitere Zahlungsfunktionen abdecken. Bis Ende 2024 soll das Bezahlen in Online-Shops möglich werden, im folgenden Jahr dann auch beim stationären Einkauf. "Digitale Brieftaschenlösung" "Das Angebot von EPI wird aus einer digitalen Brieftaschenlösung bestehen, die alle alltäglichen Zahlungsanwendungen abdeckt, die auf Sofortzahlungen angewiesen sind, unter einer einzigen Marke auf europäischer Ebene", so die Initiative. Die European Payments Initiative mit Sitz in Brüssel ist ein Zusammenschluss von derzeit 16 europäischen Finanzdienstleistern, darunter die Deutsche Bank und die Sparkassen. Gerade haben auch die niederländischen Banken ABN Amro und Rabobank ihren Beitritt angekündigt. Mit Unterstützung der Europäischen Zentralbank und der Europäischen Kommission will die EPI "Europas Unabhängigkeit im Zahlungsverkehr sicherstellen". Möglicherweise könnte der Zahlungsverkehr damit auch kostengünstiger werden. |
# Neuer Livestream und verbesserter Audio-Player
Mit dem jüngsten Update der tagesschau-App bieten wir in der gesamten App einen verbesserten Audio-Player an. Das Programm von tagesschau24 können Sie jetzt jederzeit auch als Audio-Livestream anhören. Und: Für iOS gibt es nun Lockscreen-Widgets der tagesschau. Wir erklären, wo Sie diese und weitere neue Features in der App finden. Wichtig: Bitte Update durchführen Wir haben seit heute (25.04.2023) einige technische Umstellungen online genommen, die sich auch auf die tagesschau-App auswirken. Um unsere App weiter optimal nutzen zu können, empfehlen wir daher ein Upgrade auf die Version 3.4. tagesschau24 als Audio-Livestream Um den neuen Audio-Livestream von tagesschau24 zu hören, tappen Sie nach dem Start der App oben rechts auf das Kopfhörer-Symbol und wählen dann den ersten Teaser aus. Sie können auch wie gewohnt alle kuratierten Audio-Inhalte nacheinander abspielen; dafür wählen Sie "Alle abspielen". Verbesserter Audio-Player in der gesamten App Wenn Sie unsere kuratierten Audios oder das Podcast-Ressort nutzen, kennen Sie bereits den neuen Audio-Player der tagesschau-App. Diesen Player setzen wir nun in der gesamten App ein. Lockscreen-Widgets für iOS Nutzen Sie Lockscreen-Widgets auf Ihrem iOS-Gerät? Dann können Sie ab sofort zwischen drei neuen Widgets auswählen, um tagesschau-Inhalte auf dem Lockscreen anzuzeigen und von dort direkt in die App zu gelangen. Das Feature ist ab iOS 16 verfügbar. Download im App Store und bei Google Play Die tagesschau App finden Sie im App Store von Apple und im Google Play Store Download bei F-Droid Wenn Sie unser Repository zu Ihren F-Droid-Paketquellen hinzufügen, können Sie unsere App auch ohne Google Play Services auf Ihrem Android-Gerät installieren. |
# Im Dickicht der Bürokratie
Viele Familien mit geringem Einkommen hätten eigentlich Anspruch auf finanzielle Hilfe. Doch häufig scheitern sie an bürokratischen Hürden. Was läuft da falsch? Jaqueline lebt in Saarbrücken und hat drei Söhne: Der älteste ist 17, der jüngste gerade eineinhalb Jahre alt. Sie hat lange im Pflegebereich gearbeitet, auch im Küchendienst. Finanziell war es immer eng, aber irgendwie ist sie über die Runden gekommen. Im Corona-Lockdown verlor sie ihren Job, und da ihr jüngster Sohn schon unterwegs war, hat sie auch keine neue Beschäftigung gefunden. Deshalb lebt sie mit ihren drei Söhnen vorübergehend vom Bürgergeld. Und das ist trotz sparsamster Lebensführung extrem knapp. In den letzten eineinhalb Wochen des Monats hat sie oft nur noch 60 Euro für die ganze Familie zur Verfügung, sagt sie gegenüber der ARD-Sendung Plusminus. "Dann gibt es eben nur Milchreis oder Nudeln mit Tomatensoße." Keine großen Anschaffungen Kein Kino, kein Restaurant, kein Auto, kein Urlaub. So wie Jaqueline geht es vielen Familien, gerade Alleinerziehenden. Einschnitte macht Jaqueline nur bei sich selbst. Die letzte größere "Anschaffung" war eine neue Hose für 20 Euro. "Und selbst da hatte ich dann noch so ein bisschen ein schlechtes Gewissen", sagt sie. Eine große Hilfe für sie und andere Familien ist die Pädagogisch-Soziale Aktionsgemeinschaft e.V. (PÄDSAK), eine Gemeinwesen-Einrichtung in ihrem Saarbrücker Stadtteil. Die PÄDSAK bietet Unterstützung in allen Lebenslagen - von der Unterstützung beim Kampf mit den Behörden bis zur Wohnungssuche. Die Organisation beobachtet, dass es Familien mit knappem Budget während der Corona-Pandemie besonders schlecht ging. Und kaum hat sich die Situation ein wenig entspannt, kam der nächste Schlag: Die Inflation schlägt wieder dort besonders hart zu, wo es ohnehin am knappsten ist. "Die Preissteigerungen und die Energiekrise, die damit einherging, die wird erst in diesem Jahr 2023 wirklich zu Buche schlagen, denn vor allem sind Familien, die von Transferleistungen leben und Geringverdienerinnen und Geringverdiener, über die Maßen stark betroffen", sagt Eva Jung-Neumann, Vorstand bei PÄDSAK. Wust an Formularen Dabei gibt es in Deutschland mehr Unterstützung für Familien mit Kindern als in vielen anderen Staaten: Das Kindergeld wurde auf 250 Euro erhöht, dazu kommen Einzelleistungen für Bildung und Teilhabe, zum Beispiel Zuschüsse für Klassenfahrten, Nachhilfe oder Schulmaterial. Auch beim Wohngeld werden Kinder berücksichtigt. Zusätzlich können Familien mit geringem Einkommen den neuen Kinderzuschlag beantragen - bis zu 250 Euro im Monat. Aber: Bei Familien, die von Hartz-IV beziehungsweise Bürgergeld leben müssen, kommt kein Cent zusätzlich an, weil alles angerechnet oder abgezogen wird. Und viele andere mit geringem Einkommen scheitern an der Bürokratie. Der Wust an Formularen bei unterschiedlichen Behörden überfordert viele Eltern. Die komplexe Amtssprache und das raue Klima bei manchen Behörden schrecken viele ab. Jaqueline hat es bei sich und anderen beobachtet, dass man am Ende oft nicht die Zeit und die Kraft hat, sich damit auseinanderzusetzen. "Dem einen würde Wohngeld zustehen, dem anderen Kinderzuschlag. Und da kommt man lieber mit weniger Geld zurecht anstatt sich damit noch rumzuärgern." 35 Prozent nehmen Hilfen in Anspruch Die großen Sozialverbände wie die Caritas sehen bei der Förderung von Familien mit geringen Einkommen schon lange Nachholbedarf. Die Bürokratie ist auch ihr ein Dorn im Auge. "Beim Kinderzuschlag gehen wir davon aus, dass nur 35 Prozent der anspruchsberechtigen Familien diese Leistung tatsächlich in Anspruch nehmen. Und das ist natürlich viel, viel zu wenig, um den Familien wirksam zu helfen", sagt Eva Maria Welskop-Deffaa, Präsidentin des Deutschen Caritasverbands. Ab 2025 will die Bundesregierung das ganze bisherige Durcheinander in der Kindergrundsicherung bündeln. Unkompliziert, schnell und digital - so das Versprechen. Und das haben viele Verbände und Sozialexperten schon lange gefordert. Die Kindergrundsicherung soll aus einem Garantiebetrag bestehen, den alle bekommen - wie heute das Kindergeld. Plus einem Zusatzbeitrag - je nach dem Alter der Kinder und der Höhe des Familieneinkommens. Damit würde auf jeden Fall mehr Geld bei den berechtigten Familien ankommen, sagt die Caritas-Präsidentin. Auch für die Bundesregierung hat das Thema hohe Priorität. Streit bei Ampelregierung Für Familienministerin Lisa Paus (Grüne) ist die Kindergrundsicherung "das zentrale sozialpolitische Projekt dieser Ampel-Regierung". Sie sei im Koalitionsvertrag klar verankert. "Und es wäre einfach für die Glaubwürdigkeit der gesamten Ampel eine Katastrophe, wenn die Kindergrundsicherung nicht kommen würde", so Paus. Und klar sei auch: Kinderarmut zu verhindern und abzubauen, das gebe es nicht zum Nulltarif. Dass es mit dem unübersichtlichen Wirrwarr bei der Familienförderung nicht so weitergehen kann, ist auch für die FDP unstrittig. Christian Lindner, Bundesfinanzminister und FDP-Chef, bestätigt, dass es jetzt gilt, "ein automatisiertes, einfaches digitales Verfahren zu finden. Das hätte einen unglaublich großen Nutzen." Das werde auch mehrere Milliarden Euro zusätzlich an Hilfen für Familien auslösen. Kindergrundsicherung ab 2025? Ob es allerdings bei den heutigen Fördersätzen bleibt oder ob sie aufgestockt werden, darüber wird weiter diskutiert. Die Familienministerin will mehr direkte Förderung, der Finanzminister eher die beruflichen Chancen der Eltern verbessern. Immerhin: Dass die Kindergrundsicherung ab 2025 kommt, das bestätigen Christian Lindner und Lisa Paus. Und das ist - unabhängig von den Details, die noch ausgekämpft werden müssen - auf jeden Fall eine große bürokratische Erleichterung für die Familien und die Ämter, die bisher mit unterschiedlichsten Formularen kämpfen mussten. |
# Starthilfe für die ePa
Die Digitalisierung im Gesundheitswesen kommt nicht recht voran. Gesundheitsminister Lauterbach will die elektronische Patientenakte vorantreiben. Doch auch in der Verwaltung gibt es Nachholbedarf. Rezepte, Krankschreibungen, ärztliche Berichte - das alles gibt es schon digital. Aber eher als Ausnahme, meist wird doch alles auf Papier ausgedruckt. Weniger als ein Prozent der Versicherten nutzen bisher die elektronische Patientenakte, die sogenannte ePA. Sie solle Ende kommenden Jahres die Regel werden, sagt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Das betreffe Behandlungsdaten, Krankenhausdaten, Medikationspläne, so Lauterbach. Diese könnten auf der ePA hinterlegt werden. "Das eRezept kann von dort abgerufen werden. Im Prinzip kommen alle Daten, die wir jetzt für die Versorgung generieren, dann in diese ePA hinein." "Datennachteil - wir sind nicht digital" Wer das nicht möchte, müsste extra widersprechen. SPD-Minister Lauterbach sieht zwei Vorteile: Zum einen lassen sich Behandlungen und Arzneimittel besser aufeinander abstimmen. Zum anderen hat die Forschung die Möglichkeit, an mehr Gesundheitsdaten zu kommen. Aktuell sieht Lauterbach da große Probleme. "Uns fehlen die Daten. Bestimmte Arten der Studien und der Entwicklung von Therapien können von Deutschland nicht mehr so gut gemacht werden wie früher, weil wir einen Datennachteil haben. Wir sind nicht digital." Die Gefahr: Unternehmen, die noch in Deutschland an Medikamenten forschen, wandern in die USA oder nach China ab. Doch es gibt Bedenken, was den Datenschutz angeht. Zwar sollen Daten der elektronischen Patientenakte nur anonymisiert weitergegeben werden. Aber die Kassenärztliche Bundesvereinigung sieht auch das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient in Gefahr. Lauterbach will in den kommenden Wochen vorstellen, wie genau die gesetzlichen Regelungen aussehen. Nachholbedarf auch in der Verwaltung Nicht nur im Gesundheitssystem, auch in der Verwaltung gibt es Nachholbedarf. Bundesverkehrsminister Volker Wissing, der auch für Digitales zuständig ist, will weg vom Papier. "Ziel muss es sein, teure Doppelstrukturen abzuschaffen und rein digital zu verwalten - und das so schnell wie möglich." Doch bisher kann der FDP-Minister nur Zwischenschritte verkünden. "Ab September können 20 Millionen Zulassungsvorgänge in Deutschland rein digital erfolgen, automatisiert in Echtzeit. Das heißt, man kauft ein Auto, lässt es sofort zu und kann sofort im öffentlichen Verkehr damit losfahren." Nach dem Onlinezugangsgesetz sollten eigentlich alle Verwaltungsleistungen seit diesem Jahr digital möglich sein. Von mehr als 500 Behördendiensten waren jedoch weniger als ein Fünftel online nutzbar, und die nicht mal überall in Deutschland. Um dem Ziel näher zu kommen, arbeitet die Bundesregierung weiter an ihrer Digitalstrategie. |
# Biden bewirbt sich um zweite Amtszeit
US-Präsident Biden hat seine Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl 2024 bekannt gegeben. Der 80-Jährige ist bereits jetzt der älteste amtierende Präsident in der Geschichte der Vereinigten Staaten. Bei der Wahl im kommenden Jahr will US-Präsident Joe Biden für eine weitere Amtszeit antreten. Das kündigte er auf Twitter an. Jede Generation habe einen Moment, in dem sie für die Demokratie und die Freiheit einstehen müsse, schrieb er. "Ich glaube, dies ist unserer." Dazu veröffentlichte er einen dreiminütigen Videoclip und mahnte: "Lasst uns die Arbeit zu Ende bringen." Social-Media-Beitrag auf Twitter von Joe Biden: "Every generation has a moment where they have had to stand up for democracy. To stand up for their fundamental freedoms. I believe this is ours.That’s why I’m running for reelection as President of the United States. Join us. Let’s finish the job. https://t.co/V9Mzpw8Sqy pic.twitter.com/Y4NXR6B8ly" Die Ankündigung kommt genau vier Jahre nach dem Beginn seiner Kampagne für die Wahl 2020. Der Demokrat hatte die Präsidentschaftswahl damals gegen den damaligen republikanischen Amtsinhaber Donald Trump gewonnen. Wähler sind skeptisch Biden ist 80 Jahre alt und damit bereits der älteste amtierende Präsident in der Geschichte der USA. Sollte er zum zweiten Mal gewählt werden, wäre er am Ende seiner vierjährigen Amtszeit 86 Jahre alt. Viele US-Wähler sehen eine erneute Kandidatur des Präsidenten auch deswegen kritisch. Laut einer am Sonntag vom US-Sender NBC veröffentlichten Umfrage sind 70 Prozent der Befragten der Auffassung, dass Biden nicht erneut antreten sollte. Bei den Anhängern seiner Demokraten sind es 51 Prozent. Von den Wählerinnen und Wählern, die sich gegen eine erneute Kandidatur aussprechen, gibt fast jeder zweite Bidens hohes Alter als wichtigen Grund für seine Meinung an. Auch parteiinterne Diskussionen Auch innerhalb der Demokratischen Partei hatte es in den vergangenen Monaten Diskussionen gegeben, ob Biden wegen seines Alters der geeignete Kandidat für ein weiteres Präsidentschaftsrennen wäre. Zudem waren seine Umfragewerte zeitweise auf dramatische Tiefs abgerutscht. Bidens Regierung und seine Partei konnten danach jedoch einige politische Erfolge verbuchen und schnitten bei den Kongresswahlen im vergangenen November überraschend gut ab - das stärkte seine Position nach innen wie nach außen. Biden ist seit Jahrzehnten im politischen Geschäft. Mehr als 35 Jahre lang saß er im Senat. Von 2009 bis 2017 war er Stellvertreter des damaligen US-Präsidenten Barack Obama, bevor er vier Jahre später selbst auf das höchste Amt in den Vereinigten Staaten aufrückte. Bei den Demokraten dürfte er als Amtsinhaber nun kaum ernstzunehmende Konkurrenz bekommen. Um am Ende tatsächlich als offizieller Kandidat der Partei ins Rennen zu gehen, muss er in parteiinternen Vorwahlen bestätigt werden. In den USA kann eine Person zwei Amtszeiten lang Präsident sein, egal ob diese aufeinander folgen oder nicht. Auch Trump will antreten Auch Donald Trump will bei der Wahl 2024 erneut antreten. Der 76-Jährige hatte seine Präsidentschaftsbewerbung bereits im vergangenen November offiziell verkündet. Bis heute weigert er sich, seine Niederlage gegen Biden im Jahr 2020 einzugestehen. Trumps Feldzug gegen den Wahlausgang gipfelte damals in einem beispiellosen Gewaltausbruch, als Anhänger des Republikaners am 6. Januar 2021 den Sitz des US-Kongresses erstürmten. Bei den Republikanern wird ein breites Bewerberfeld erwartet. In Umfragen liegt Trump im Feld anderer potenzieller Anwärter seiner Partei weit vorne - trotz aller Skandale der Vergangenheit. Im Zusammenhang mit einer Schweigegeldzahlung an die frühere Pornodarstellerin Stormy Daniels vor der Wahl 2016 war Trump Ende März als erster Ex-Präsident der US-Geschichte strafrechtlich angeklagt worden. |
# Großbritannien hinkt bei Evakuierungen hinterher
Im Sudan müssen deutlich mehr Briten als Staatsangehörige anderer Nationen ausharren. Die Evakuierungen stellen die britische Regierung vor große Herausforderungen. Die Zeit drängt, mahnen selbst Konservative. Am Morgen hat der britische Premier Rishi Sunak mitgeteilt, Großbritannien starte eine großangelegte Evakuierung. Demnach sollen Militärflugzeuge von einem Flugplatz in der Nähe von Khartum aus abheben und Briten ausfliegen. Ein erster Militärtransporter flog am Vormittag ab. Priorität hätten Familien mit Kindern, ältere Personen und Menschen mit gesundheitlichen Problemen. Details der Operation - zum Beispiel, wie viele Flugzeuge eingesetzt werden - nannte die Regierung zunächst nicht. Außenminister James Cleverly schrieb auf Twitter, das Ministerium habe angefangen, Briten im Sudan zu kontaktieren. Außerdem sei es mit den beiden Konfliktparteien, direkt oder über Vermittler, im Kontakt, um die Evakuierung zu ermöglichen. Social-Media-Beitrag auf Twitter von James Cleverly🇬🇧: "The UK government is coordinating an evacuation of British nationals from Sudan. We have started contacting nationals directly and providing routes for departure out of the country.https://t.co/71LU7TgtCC" Herausforderung für die Regierung Für die britische Regierung ist die Evakuierung eine große Herausforderung. Am Montag teilten die Behörden mit, dass sich schätzungsweise 4000 Personen mit britischem Pass im Sudan aufhielten - deutlich mehr als Staatsbürgerinnen und -bürger anderer Nationen. Die Rettungsaktion lief eher schleppend an. Niemand kann einschätzen, wie brüchig eine verhandelte Feuerpause ist. Gestern waren Briten mit deutschen und französischen Militärmaschinen ausgeflogen worden, was die Zeitung "Daily Telegraph" in der Berichterstattung aufgriff und in der Überschrift zusammenfasste: "Briten aus dem Sudan von Deutschland und Frankreich gerettet." Das konservative Blatt verband dies mit der Kritik an der britischen Regierung, Bürgerinnen und Bürger des Vereinigten Königreichs schlecht zu behandeln, während die Europäer mit den Evakuierungen gut vorankämen. Route über Hafen am Roten Meer geplant Ein britischer Geschäftsmann, der in einer französischen Maschine ausgeflogen wurde, sagte der BBC: "Die Franzosen sind unglaublich, hervorragend. Ich kann ihnen nicht genug danken, mein Leben gerettet zu haben." Die Regierung verfolgt offenbar auch andere Pläne, ihre Bürgerinnen und Bürger zu retten. Dazu gehört auch eine Evakuierung über den Hafen Port Sudan am Roten Meer. Medien berichten, dass zwei britische Kriegsschiffe auf dem Weg dorthin sind. Dieser Weg ist jedoch gefährlich, da Reisende aus der Hauptstadt dorthin lange unterwegs wären. Alicia Kearns, konservative Abgeordnete und Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, sagte, die Zeit dränge. Vielen, die sich zu Hause verschanzt hätten, gingen die Nahrungsvorräte aus. Internetverbindungen sind unterbrochen. Social-Media-Beitrag auf Twitter von Alicia Kearns MP: "This is a significant opportunity to get urgent humanitarian aid, especially water, into Sudan and to get our people evacuated, prioritising families and children.Every hour counts. We must act quickly and not miss this window of opportunity, as it is quite likely the ceasefire… https://t.co/rYoErwhj4N" |
# UN besorgt über Bandengewalt in Haiti
Vor dem Hintergrund eskalierender Bandengewalt in Haiti hat UN-Generalsekretär Antonio Guterres internationales Einschreiten gefordert. Medien berichten von Revierkämpfen und öffentlichen Lynchmorden. Die Menschenrechtskrise im Karibikstaat Haiti verschärft sich weiter. Seit Jahren leidet das Land unter kriminellen Clans. UN-Generalsekretär Antonio Guterres hat daher den dringenden Einsatz internationaler Kräfte gefordert, um die eskalierende Bandengewalt einzudämmen. Guterres mahnte in einem Bericht, dass die Unsicherheit in der Hauptstadt Port-au-Prince "ein Niveau erreicht hat, das mit Ländern in bewaffneten Konflikten vergleichbar ist". Die haitianischen Behörden meldeten 815 Tote für das erste Quartal 2023, im gleichen Zeitraum wurden 637 Menschen entführt. Immer wieder gibt es Kämpfe rivalisierender Gruppen, Protestaktionen und Plünderungen. Frauen und Mädchen werden vergewaltigt, für das Land gilt eine Reisewarnung. Guterres fordert Intervention Haiti ist das ärmste Land Amerikas. Neben häufigen Naturkatastrophen leiden die Menschen dort unter Korruption, Hunger und Krankheit. Auf Ersuchen von Premierminister Ariel Henry und des Ministerrates des Landes forderte der Chef der Vereinten Nationen einen internationalen Einsatz, um die Krise zu beenden. Bei einem Treffen des UN-Sicherheitsrates im Januar zeigten aber weder die Vereinigten Staaten, die wegen früherer Interventionen in Haiti kritisiert wurden, noch Kanada Interesse daran, einen solchen Einsatz zu führen. Die internationale Gemeinschaft entschied sich stattdessen dafür, Sanktionen zu verhängen und militärische Ausrüstung und andere Ressourcen zu schicken. Guterres bekräftigte in seinem Bericht an den Sicherheitsrat, dass der Einsatz einer internationalen Truppe entscheidend bleibe, um den haitianischen Behörden dabei zu helfen, die Gewalt einzudämmen und die Rechtsstaatlichkeit wiederherzustellen. Am Mittwoch soll über den Bericht beraten werden. Nationalpolizei in Bedrängnis Haitis eigene Sicherheitskräfte sind kaum in der Lage, der Situation Herr zu werden. Immer wieder gibt es Angriffe gegen Mitglieder der Nationalpolizei. "Seit Anfang 2023 wurden 22 Polizisten von Banden getötet", sagte Guterres. "Diese Trends werden sich voraussichtlich beschleunigen." Viele Beamte verließen aufgrund der anhaltenden Gewalt ihre Posten, so der Generalsekretär weiter. Es gebe Desertionen und Flucht ins Ausland. Seit der Ermordung von Präsident Jovenel Moise im Juli 2021 sind Haitis Banden mächtiger und gewalttätiger geworden. Derzeit führt der noch von Moise ernannte Premierminister Ariel Henry eine Übergangsregierung. Das Amt des Staatspräsidenten ist vakant. Laut Angaben der haitianischen Behörden stehen dem sieben große Banden-Zusammenschlüsse gegenüber, denen rund 200 Gruppen angehören. Im Dezember schätzten die Vereinten Nationen, dass die gewalttätigen Gruppen etwa 60 Prozent von Port-au-Prince kontrollieren. Aus der Bevölkerung heißt es, die gesamte Hauptstadt würde von Banden kontrolliert. Bandenmitglieder gelyncht Angst und Zorn in der Bevölkerung entladen sich in nicht weniger gewaltsamen Akten. Laut Medienberichten sind am Montag mindestens 13 mutmaßliche Bandenmitglieder von einem aufgebrachten Mob gelyncht worden. Die Polizei hatte die Gruppe festgenommen. Videos in sozialen Netzwerken zeigen, wie die Menschen lebendig verbrannt wurden. Vorausgegangen war in Canape-Vert im Großraum der Hauptstadt Port-au-Prince eine nächtliche Schießerei, die hunderte Familien zur Flucht zwang. Die festgenommenen Bandenmitglieder sollen Munition transportiert haben. "Zündet sie an" und "Wir bringen sie um" sollen die Menschen gerufen haben, als sie die in einem Bus transportierten Verhafteten erblickt hatten. |
# Gericht stoppt geplante Gasbohrungen im Wattenmeer
Die geplante Gasbohrung vor Borkum ist vorerst gestoppt. Die Insel hatte zusammen mit mehreren Umweltverbänden vor einem Gericht in den Niederlanden gegen den Aufbau der Bohrplattform geklagt. Die Rechtsbank in Den Haag untersagte jetzt dem niederländischen Unternehmen Onedyas, mit den Vorarbeiten anzufangen. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) bezeichnet das Urteil als "Paukenschlag für den Schutz der Nordsee". "Die Entscheidung des Gerichts zeigt, dass unsere Kritik und unsere Bedenken ernst genommen und entscheidungsrelevant sind. Das macht Hoffnung für das laufende Gerichtsverfahren", wird Borkums Bürgermeister Jürgen Akkermann (parteilos) in einer DUH-Mitteilung zitiert. Bohrplattform sollte eigentlich im April aufgebaut werden Die Umweltorganisation hatte damit argumentiert, dass die Bohrplattform ein geschütztes Riff zerstört. Sie darf also nicht errichtet werden. Ein endgültiger Gerichtsentscheid wird im September erwartet. Das heißt, das Vorhaben ist damit noch nicht endgültig vom Tisch, aber das Urteil der Vorinstanz ist ein erster Schritt. Eigentlich sollte die Bohrplattform noch im April aufgebaut werden. Die Verzögerung begründete das Unternehmen Onedyas damit, dass es Schwierigkeiten gab, das Bohrgestänge zu besorgen. Eine aktuelle Stellungnahme zu dem Gerichtsurteil blieb bislang aus. Mehr zum Thema: Dieses Thema im Programm:Bremen Zwei, Nachrichten, 25. April 2023, 16 Uhr |
# Mercedes schließt Abschied aus Russland ab
Mercedes-Benz hat sich mehr als ein Jahr nach Beginn des Ukraine-Krieges vollständig vom russischen Markt zurückgezogen. Die Anteile an den russischen Tochtergesellschaften wurden im April an einen Investor verkauft, teilte das Unternehmen heute auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa mit. Die erforderlichen behördlichen Genehmigungen seien erteilt und die vertraglichen Vereinbarungen umgesetzt worden. Lokale Kette übernimmt Beim Käufer handelt es sich wie bereits bekannt um die lokale Autohandelskette Avtodom. Weitere Einzelheiten nannte der Mercedes-Benz zunächst nicht. Bereits kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs am 24. Februar 2022 hatte Mercedes seine Exporte nach Russland sowie die lokale Produktion eingestellt. Im vergangenen Oktober hatte Finanzvorstand Harald Wilhelm angekündigt, das Geschäft verkaufen zu wollen. Die Nachrichtenagentur Reuters hatte bereits vergangenen Mittwoch aus einem russischen Unternehmensregister zitiert, wonach Avtodom seit dem 18. April 100 Prozent der Anteile an Mercedes-Benz Capital Rus und Mercedes-Benz Manufacturing Rus halte. Allerdings war zu diesem Zeitpunkt offenbar noch unklar, ob alle erforderlichen behördlichen Genehmigungen vorliegen. Rückkaufoption gesichert Der Autobauer hat sich beim Verkauf der russischen Vermögenswerte an Avtodom eine Rückkaufoption gesichert. "Wir haben mit dem Käufer eine Option vereinbart, die uns den Rückkauf der Unternehmensanteile ermöglicht, sollten die Sanktionen wieder aufgehoben werden", hatte der DAX-Konzern am vergangenen Mittwoch mitgeteilt. Die Rückkaufklausel ist zu einer beliebten Option für Automobilhersteller geworden, die sich vom russischen Markt zurückziehen. Andere Autokonzerne wie Renault und Nissan, die im vergangenen Jahr ihre Russlandgeschäfte für symbolische Summen verkauften, hatten beide sechsjährige Rückkaufklauseln in ihren Verkaufsverträgen. Am 28. April wird Mercedes-Benz die endgültigen Zahlen des ersten Quartals vorstellen. |
# EU-Plattform für gemeinsame Gaseinkäufe startet
Die EU-Kommission gibt den Startschuss für ein neues Verfahren, um niedrigere Gaspreise in der EU zu erzielen und die Versorgungssicherheit in diesem Winter zu sichern. Unternehmen können ab sofort ihren Gasbedarf anmelden. Die EU treibt ihre Pläne für gemeinsame Gaseinkäufe voran: Von heute an können europäische Unternehmen ihren Gasbedarf auf einer Plattform anmelden, um am ersten gemeinsamen Gaseinkauf der EU teilzunehmen, wie die EU-Kommission in Brüssel mitteilte. Das sei ein wichtiger Meilenstein für die EU, um sich auf den nächsten Winter vorzubereiten. Speicherziele gemeinsam beschaffen Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs und stark gestiegener Energiepreise hatte die EU-Kommission vorgeschlagen, die Gasspeicher 2023 koordiniert zu füllen. Die EU setzt auf geballte Marktmacht, um niedrigere Gaspreise zu erreichen. Außerdem soll vermieden werden, dass sich die EU-Staaten gegenseitig überbieten, wie es im vergangenen Jahr der Fall war. Die EU-Länder hatten zugesagt, für mindestens 15 Prozent ihrer nationalen Speicherziele Angebote über die Plattform einzuholen. Nachdem die einzelnen Unternehmen ihren Bedarf angemeldet haben, wird die Gesamtmenge auf dem Weltmarkt ausgeschrieben. Anschließend sollen dann Angebote der internationalen Gaslieferanten verglichen werden, bevor die teilnehmenden Unternehmen in Verhandlungen mit Lieferanten gehen. Die Kommission hat danach bei diesen Verhandlungen keinen Einfluss. Die ersten Kaufverträge werden noch vor dem Sommer erwartet. Russische Firmen vom Programm ausgeschlossen Unternehmen, die sich in russischem Besitz oder unter russischer Kontrolle befinden, sind der Kommission zufolge von dem Programm ausgeschlossen. Die Aufforderungen zur Anmeldung des Gasbedarfs sollen in den nächsten zwölf Monaten alle zwei Monate erfolgen. Unternehmen aus den 27 EU-Mitgliedstaaten sowie aus einigen weiteren Ländern können ihren Gasbedarf bis zum 2. Mai anmelden. Lieferanten können danach Angebote abgeben. |
# Mildere Strafen bei Unfallflucht?
Wer sich unerlaubt von einer Unfallstelle entfernt, begeht nach geltendem Recht eine Straftat. Das Justizministerium schlägt nun vor, Fahrerflucht künftig weniger streng zu ahnden - vorausgesetzt, es kommt nur zu Sachschäden. Das Bundesjustizministerium erwägt, Fahrerflucht in Fällen zu entkriminalisieren, bei denen kein Mensch zu Schaden kommt. Wie aus einem dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegenden Papier des von Justizminister Marco Buschmann (FDP) geführten Ministeriums hervorgeht, soll Unfallflucht künftig als Ordnungswidrigkeit statt als Straftat eingestuft werden - vorausgesetzt, es liegt nur ein Sachschaden vor. Das Ministerium verschickte das Schriftstück kurz nach Ostern mit der Bitte um Stellungnahme an Fachverbände. Bislang kann die unerlaubte Entfernung Beteiligter vom Unfallort mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren geahndet werden. Nach den Plänen des Justizministeriums soll diese Regelung künftig nur noch bei Unfällen mit Personenschaden gelten. Sobald es körperlich Geschädigte gebe, sei es stets erforderlich, "am Unfallort zu verbleiben und sich als Unfallbeteiligter zu erkennen zu geben", heißt es in dem Papier. Vorschlag einer Meldepflicht Bislang gilt, dass Unfallbeteiligte eine "angemessene Zeit" am Unfallort warten müssen. Als Alternative dazu bringt das Justizministerium nun die Einrichtung einer Meldepflicht und Meldestelle ins Spiel. "Denkbar wäre etwa eine Meldung über eine standardisierte Online-Maske, gegebenenfalls auch mit hochzuladenden Bildern vom Unfallort und Schaden, oder eine, am geschädigten Fahrzeug zu fixierende, Schadensmeldung, bei deren ordnungsgemäßer Vornahme keine tatbestandsmäßige Handlung vorläge", heißt es in dem Papier. Meldungen an die Polizei sollen aber auch weiter möglich sein. Social-Media-Beitrag auf Twitter von Marco Buschmann: "Im Zuge einer Reform des Strafrechts wird auch geprüft, inwiefern beim Thema Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort nach § 142 StGB Handlungsbedarf besteht. In die sorgfältige Prüfung dieser Erwägungen werden relevante Verbände einbezogen. 1/3" "Historisch überholte Straftatbestände" "Im Koalitionsvertrag ist vereinbart worden, das Strafrecht systematisch auf Handhabbarkeit, Berechtigung und Wertungswidersprüche zu prüfen. Hierbei soll der Fokus auf historisch überholte Straftatbestände, die Modernisierung des Strafrechts und die schnelle Entlastung der Justiz gelegt werden", teilte das Justizministerium zu den öffentlich gewordenen Vorschlägen mit. Vor diesem Hintergrund werde unter anderem geprüft, inwiefern im Zusammenhang mit einem unerlaubten Entfernen vom Unfallort nach § 142 StGB Handlungsbedarf bestehe. "Dem Bundesministerium der Justiz ist es wichtig, auch die Argumente relevanter Verbände in seine Erwägungen einzubeziehen", hieß es weiter. "Eine Entscheidung, ob und wie eine mögliche Anpassung erfolgt, ist noch nicht getroffen worden." Vorschlag stößt auf gemischte Reaktionen Verbände und Politik reagierten überrascht auf die öffentlich gewordenen Vorschläge. Den Versicherern sei es vor allem wichtig, die Möglichkeiten der Beweissicherung nicht einzuschränken. "Unfallursache und -hergang müssen sich zweifelsfrei feststellen lassen", so Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft. Das gelte etwa für die Frage, ob Alkohol oder Drogen im Spiel waren. Die Fahrtüchtigkeit des Unfallverursachers könne nur unmittelbar nach dem Unfall festgestellt werden", so Asmussen. "Ich bin überrascht und zweifle an der Ernsthaftigkeit des Vorschlags des Justizministers", teilte die Grünen-Rechtspolitikerin Canan Bayram mit. Sie frage sich, ob Buschmann vor der morgigen Regierungsbefragung im Plenum des Bundestages womöglich "Nebelkerzen zündet, um unangenehmen Fragen zu entgehen". Ihr Parteikollege Konstantin von Notz twitterte ironisch, er fände es "ja tatsächlich bemerkenswert, dass die FDP das Beschädigen von Autos entkriminalisieren will". Social-Media-Beitrag auf Twitter von Konstantin v. Notz: "Ich finde es ja tatsächlich bemerkenswert, dass die #FDP das Beschädigen von Autos entkriminalisieren will, und bin auf die Debatten gespannt. #Fahrerflucht https://t.co/zdiBR55GcG" Warnung vor "föderalem Flickenteppich" Der deutsche Richterbund (DRB) urteilte, aus Sicht der Justizpraxis bestehe "kein Anlass, das unerlaubte Entfernen vom Unfallort in Fällen ohne Personenschaden zur Ordnungswidrigkeit herabzustufen". Die Strafvorschrift habe sich bewährt und biete den Gerichten ausreichend Spielräume, um Rechtsverstöße jeweils tat- und schuldangemessen zu bestrafen, so DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn. Der Vorschlag, künftig eine Meldepflicht als Alternative zur Wartepflicht nach einem Unfall einzuführen, sei hingegen erwägenswert. Allerdings müssten dafür digitale Wege aufgebaut werden, die zuverlässig und einfach erreichbar seien. "Ein föderaler Flickenteppich, in dem jedes Bundesland oder sogar jeder Landkreis seine eigene technische Lösung entwickelt, wäre für die Akzeptanz (...) sicher fatal", mahnte Rebehn. Zuletzt entfiel in Deutschland etwa ein Viertel aller verfolgten Straftaten auf den Verkehrsbereich. Mit Informationen von Eva Huber und Lothar Lenz, ARD-Hauptstadtstudio |
# Syrer wegen Anschlagsplänen festgenommen
Wegen des Verdachts auf Planung eines islamistischen Angriffs hat die Polizei in Hamburg einen 28-jährigen Syrer festgenommen. Gemeinsam mit seinem Bruder soll er einen Sprengstoffanschlag auf zivile Ziele vorbereitet haben. Ermittler haben in Hamburg einen 28-jährigen Syrer wegen des Verdachts auf einen geplanten Anschlag festgenommen. Wie die Generalstaatsanwaltschaft sowie Landes- und Bundeskriminalamt mitteilten, soll der Mann gemeinsam mit seinem in Kempten im Allgäu lebenden Bruder "aus einer radikalislamistischen und dschihadistischen Grundhaltung" heraus ein Attentat mit einem selbstgebauten Sprengstoffgürtel geplant haben. Hinweise auf ein konkretes Anschlagsziel gibt es demnach nicht. Den Ermittlungen zufolge ging es jedoch um einen Angriff auf zivile Ziele. Auch Bruder vorläufig festgenommen Der 28-Jährige habe seit einigen Wochen über die Onlineplattform Ebay und andere Anbieter Grundstoffe zur Herstellung sprengfähigen Materials erworben, hieß es. Er habe vorgehabt, sich selbst mit dem Sprengstoffgürtel in die Luft zu sprengen und dabei "möglichst viele Ungläubige mit in den Tod zu reißen", sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Gegen den Hauptbeschuldigten war im Vorfeld ein Haftbefehl wegen Terrorismusfinanzierung erlassen worden. Der in ähnlichen Ermittlungen übliche Vorwurf der Vorbereitung einer staatsgefährdenden Gewalttat werde bislang nicht erhoben, da noch wesentliche Teile für die Sprengfähigkeit des Gürtels gefehlt hätten. Laut der Nachrichtenagentur dpa wurde im Allgäu auch der 24-jährige Bruder vorläufig festgenommen. Ihm werde Beihilfe vorgeworfen. Er soll seinen vier Jahre älteren Bruder in dessen Vorhaben bestärkt haben. Mehrere Wohnungen in Hamburg durchsucht Am Vormittag hatten Beamte mehrere Objekte in Hamburg und in Kempten durchsucht - in Hamburg ging es neben der Wohnung des Beschuldigten im Stadtteil St. Georg auch um drei weitere Wohnungen von Kontaktpersonen. Den Ermittlern zufolge wurden umfangreiche Beweismittel sichergestellt, darunter chemische Substanzen und Mobiltelefone. An der Aktion seien 250 Polizisten beteiligt gewesen. Hamburgs Innensenator Andy Grote lobte die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden der Hansestadt mit denen des Bundes bei der Terrorismusbekämpfung. Alle an den Ermittlungen im Vorfeld Beteiligten hätten "hochprofessionelle und erfolgreiche Arbeit" geleistet, so der SPD-Politiker. "Der Fall zeigt erneut, wie wachsam und leistungsfähig unsere Sicherheitsbehörden sein müssen, um uns gegen extremistische Anschläge wirksam zu schützen." |
# Wo es die nächsten Streiks geben könnte
Die Einigung im Öffentlichen Dienst könnte Signalwirkung für weitere Verhandlungsrunden haben. In welchen Branchen stehen in den kommenden Monaten noch Tarifgespräche an - mit möglichen Warnstreiks? Es waren zähe Verhandlungen und Streiks, die am Ende zur Einigung zwischen Bund und Kommunen mit der Gewerkschaft ver.di im Tarifstreit des Öffentlichen Dienstes führten. Der am Wochenende bekanntgewordene Kompromiss sieht für die rund 2,4 Millionen Beschäftigten im Schnitt eine Lohnerhöhung von 11,5 Prozent vor. Die Arbeitgeber lassen sich dies rund 17 Milliarden Euro kosten. Damit sei es der teuerste Tarifabschluss aller Zeiten, sagte dazu etwa der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg. In den kommenden Monaten stehen noch einige weitere Tarifrunden - womit sich auch neue Arbeitskämpfe abzeichnen. Wie wird sich der Abschluss vom Wochenende auf die Verhandlungen auswirken, die in diesem Jahr noch bevorstehen? Signalwirkung für andere Branchen Der Tarifabschluss im Öffentlichen Dienst habe auch für andere Branchen Signalwirkung, sagte Hagen Lesch, Tarifexperte am Institut der deutschen Wirtschaft (IW), tagesschau.de. Auch wenn ver.di nicht überall so durchsetzungsstark sei wie im Öffentlichen Dienst, habe die Gewerkschaft die "Messlatte sehr hoch gelegt". Andere Tarifpartner dürften sich nun die Frage stellen, ob dort nicht ebenfalls 11 bis 14 Prozent Gehaltssteigerungen möglich seien, so der Fachmann. Das spreche nicht dafür, dass andere Tarifverhandlungen ruhig verlaufen dürften. Ver.di habe sich an die Spitze der Tarifforderungen gesetzt. Die nächste größere Tarifrunde steht dem Handel mit seinen fünf Millionen Beschäftigen bevor. Die Gewerkschaft ver.di verhandelt dabei regional. In Hessen hat die Tarifkommission bereits ihre ersten Forderungen bekanntgegeben. Verlangt wird die Erhöhung des Stundenlohns um 2,50 Euro im Einzel- und Versandhandel. Für die Beschäftigten im Groß- und Außenhandel will ver.di 13 Prozent mehr Gehalt - mindestens aber 400 Euro im Monat. Die erste Verhandlungsrunde startet diese Woche. Für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen fordert die Gewerkschaft unter dem Motto "Mehr Kohle heißt die Parole" ebenfalls eine Stundenlohnerhöhung von 2,50 Euro wie auch einen Stundenlohn von mindestens 13,50 Euro. Azubis sollen 250 Euro mehr im Monat erhalten. Neue "Warnstreikwelle" bei der Bahn? Pendler mussten sich dieses Jahr schon häufiger auf Zugausfälle einstellen - und müssen es wohl auch in den kommenden Wochen. Schon seit Ende Februar laufen die Tarifverhandlungen zwischen der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG und 50 Bahnunternehmen. Es geht um Lohnforderungen von insgesamt 230.000 Beschäftigte - 180.000 davon sind bei der Deutschen Bahn angestellt. Heute hat in Fulda die nächste Verhandlungsrunde begonnen. Die EVG fordert mindestens 650 Euro mehr im Monat oder zwölf Prozent bei den oberen Einkommen sowie eine Laufzeit von zwölf Monaten. Sollten die Verhandlungen nicht vorankommen, drohen weitere Ausstände. EVG-Tarifvorstand Kristian Loroch drohte gar mit einer "Warnstreikwelle". Ein erstes Angebot hatte die Gewerkschaft bereits abgelehnt. Der Tarifabschluss im Öffentlichen Dienst ist aus Sicht der EVG kein Maßstab für die eigenen Verhandlungen. Bei der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft stehen die Zeichen weiter auf Konfrontation: "Wie so oft glaubt die Deutsche Bahn, dass sie selbstherrlich die Spielregeln bestimmen kann." Es werde "ein hartes Stück Arbeit", die Maßstäbe in der neuen Verhandlungsrunde "wieder zurechtzurücken“, hieß es von Loroch zum Tarifabschluss im Öffentlichen Dienst. Einen kurzfristigen Inflationsausgleich lehnt die EVG ab, da dieser am Ende zu einem realen Lohn-Minus führe. Von "Arbeitgebermarkt" zu "Arbeitnehmermarkt"? Obwohl Gewerkschaften wie die EVG sich nicht am Abschluss im Öffentlichen Dienst orientieren wollen, könnte er dennoch auf andere Branchen ausstrahlen. Der Abschluss im öffentlichen Dienst habe eine wichtige Signalwirkung für andere Sektoren, betont auch Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), gegenüber tagesschau.de. Das werde den Druck auch auf andere Abschlüsse erhöhen. Die Tarifeinigung selbst bezeichnet er aber als Notlösung. Berücksichtige man die Inflation im Zeitraum von 2021 bis Ende 2024, dann rede man von knapp 20 Prozent Preissteigerungen, so der Ökonom. Selbst mit der Gehaltserhöhung sinke die Kaufkraft der Beschäftigten um sechs Prozent bis Ende der Laufzeit. Hinzu komme, dass viele Kommunen schon seit Jahren überschuldet seien. Die Lohnerhöhungen haben aus Sicht des DIW-Präsidenten insgesamt aber zwei Vorteile. Einerseits würden damit stille Reserven gehoben. So könnten sich etwa Teilzeitkräfte bei kräftigen Lohnerhöhungen dazu entschließen, wieder in den Arbeitsmarkt einzutreten. Zudem zwängen Lohnerhöhungen Unternehmen dazu, mehr in die Produktivität ihrer Beschäftigten zu investieren: zum Beispiel durch effizientere Software, Fortbildungen oder Qualifikationen. Derzeit erlebe man einen Wechsel von einem "Arbeitgebermarkt" hin zu einem "Arbeitnehmermarkt", womit sich auch die Macht verschiebe, so Fratzscher. Das könne auch heißen, dass es häufiger zu Arbeitskämpfen komme. Dabei müssten die Gewerkschaften jedoch auch darauf achten, was möglich sei - sie seien gut beraten, den Bogen nicht zu überspannen, wenn dies am Ende zu Entlassungen führen oder einer ganzen Branche schaden könne. Tarifverhandlungen in Süßwarenindustrie Auch für die Süßwarenindustrie mit ihren rund 60.000 Beschäftigten stehen Tarifverhandlungen an. Mitte Mai startet die zweite Runde der Verhandlungen. Sie sei "die letzte Chance für die Arbeitgeber, Streiks in der Süßwarenindustrie abzuwenden", so die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). "Unsere Mitglieder stehen schon in den Startlöchern, die Bereitschaft für Streiks ist außergewöhnlich hoch", sagte der stellvertretende NGG-Vorsitzende Freddy Adjan. Die Gewerkschaft will je nach Tarifgruppe eine monatliche Gehaltssteigerungen von 400 bis 500 Euro durchsetzen. Azubis sollen mit 200 Euro im Monat mehr vergütet werden. Interessant sei, so der IW-Experte Hagen Lesch, dass erstmals bundesweit für die Süßwarenindustrie verhandelt werde. Flugausfälle im Sommer? Auch mit Blick auf die Urlaubssaison rücken mögliche Streiks wieder näher. Bei der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) läuft Ende Juni die zehnmonatige Friedenspflicht aus, die im vergangenen Herbst vereinbart wurde. Dann darf wieder gestreikt werden. Im September 2022 hatte die Gewerkschaft zuletzt zum Streik aufgerufen, dabei sind rund 800 Flüge ausgefallen. In den zuletzt geführten Gesprächen zwischen VC und Lufthansa konnte keine Einigung erzielt werden. Von beiden Seiten hieß es Anfang des Monats, dass man sich wieder in ganz normalen Tarifverhandlungen befinde. Die Forderungen selbst wurden nicht öffentlich geäußert. Seit einigen Wochen verhandelt ver.di auch mit der Lufthansa-Tochter Eurowings über die Arbeitskonditionen des Kabinenpersonals. Bei den Forderungen der Gewerkschaften geht es dabei nicht immer nur um höhere Gehälter. Zuletzt sorgte die IG Metall mit ihrer Forderung nach einer Vier-Tage-Woche für Aufsehen. Knut Giesler, IG-Metall-Verhandlungsführer für die nordwestdeutsche Stahlindustrie, hatte angekündigt, die verkürzte Arbeitswoche bei vollem Lohnausgleich in der nächsten Tarifrunde zu fordern. Allerdings hat der aktuell geltende Tarifabschluss für die Metall- und Elektroindustrie noch eine Laufzeit bis Ende September 2024. In diesem Jahr stehen noch die Verhandlungen der Kfz-Branche an. In Baden-Württemberg haben sich die Beschäftigten der tarifgebundenen Autohäuser und Kfz-Werkstätten zuletzt auf eine Inflationsausgleichsprämie und Lohnsteigerungen im einstelligen Bereich geeinigt. Der Abschluss dürfte auch für die anderen Tarifgebiete richtungsweisend sein. In Deutschland sind knapp 435.000 Menschen in der Branche beschäftigt, 91.000 würden von dem Tarifvertrag profitieren. |
# Keine Corona-Impfung mehr für gesunde Kinder
Corona spielt im Alltag kaum noch eine Rolle, deshalb hat die Ständige Impfkommission ihre Empfehlungen überarbeitet: Gesunde Kinder und Jugendliche sollen demnach keinen Pieks mehr erhalten. Eine Impfung wird nur noch Risikogruppen empfohlen. Angesichts der abgeschwächten Corona-Lage will die Ständige Impfkommission (STIKO) gesunden Kindern und Jugendlichen in Deutschland keine Corona-Impfung mehr empfehlen. Das kündigte STIKO-Mitglied Martin Terhardt zu einem Beschlussentwurf des Expertengremiums an. Selten schwere Verläufe bei Minderjährigen Das Gremium begründet den Schritt mit der "Seltenheit schwerer Verläufe" bei Minderjährigen ohne Vorerkrankung. Auch potenzielle Langzeitfolgen der Infektion (Long Covid) sind für die Fachleute kein Argument, da das Risiko mittlerweile noch weiter gesunken sei und auch durch die Impfung nicht komplett verschwinde. Sicherheitsbedenken bei der Impfung von gesunden Kindern und Jugendlichen bestünden jedoch nicht, betont die STIKO. Dieser Zusatz sei wichtig, sagte der Immunologe Carsten Watzl: Manche Ärzte legten fehlende Impfempfehlungen fälschlicherweise so aus, dass nicht geimpft werden dürfe. Für gesunde Fünf- bis Elfjährige sieht die bisherige STIKO-Empfehlung eine Corona-Impfstoffdosis vor, für Zwölf- bis 17-Jährige eine Grundimmunisierung plus eine Auffrischimpfung. Risikogruppen sollten sich jährlich impfen lassen Für Risikogruppen sieht es anders aus: Menschen ab 60 Jahren, Bewohnern von Pflegeeinrichtungen und Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen ab einem Alter von sechs Monaten empfiehlt die STIKO jährliche Auffrischungsimpfungen. Bevorzugter Zeitpunkt ist der Herbst, wie von der Grippeschutzimpfung bekannt. Genutzt werden soll ein an Varianten angepasster Impfstoff. Mindestens zwölf Monate sollen in der Regel seit der letzten Impfung oder Infektion vergangen sein. Ziel ist es, schweren Krankheitsverläufen vorbeugen. Diese Booster-Empfehlung gilt zudem für Menschen, die in Medizin und Pflege arbeiten und dadurch ein erhöhtes Infektionsrisiko haben. In Zukunft könnte sich auch noch eine längere Schutzdauer herausstellen, so dass es nicht zwangsläufig beim jährlichen Booster bleiben müsse, erläuterte STIKO-Mitglied Christian Bogdan. Für Gesunde bis 59 Jahre keine Impfempfehlung Für gesunde Erwachsene bis 59 Jahre sind Terhardt zufolge zunächst keine weiteren Auffrischimpfungen geplant. Menschen aus dieser Gruppe sollten eine Basisimmunität aufgebaut haben: durch mindestens zwei Impfungen plus Auffrischimpfung oder Infektion. Sars-CoV-2 zirkuliere zwar weiterhin in der Bevölkerung, doch schwere Verläufe seien durch die erreichte Basisimmunität deutlich seltener geworden, erklärte die STIKO. Das sei "insbesondere ein großer Erfolg der Impfung, aber teilweise auch Ergebnis einer Immunität durch Infektionen". Trotzdem bleibe Corona vor allem für ältere und vorerkrankte Menschen ein Risiko. Wie bewerten andere Fachleute die STIKO-Pläne? Die Übersichtlichkeit helfe sicherlich den Ärzten, sagte Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, der nicht Mitglied der STIKO ist. Auch Planungen zu Auffrischimpfungen für den Herbst seien nun möglich - unter der Prämisse, dass dann noch Omikron oder eine ähnliche Virusvariante vorherrsche. "Es ist auch einfach, den Leuten zu vermitteln: Wir sind jetzt bei Empfehlungen, die ganz ähnlich sind wie die der Grippeschutzimpfung", sagte Watzl. Kann man sich ohne STIKO-Empfehlung impfen lassen? Grundsätzlich kann man sich auch ohne die Empfehlung impfen lassen. Nach dem Ende der lange geltenden Krisenregeln sind Corona-Impfungen aber noch nicht in allen Bundesländern direkt auf Kassenkosten zu bekommen. In Ländern, in denen die Vergütung noch nicht geregelt ist, bekommen Patienten laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung vorerst eine Privatrechnung und können sie dann zur Erstattung bei der gesetzlichen Kasse einreichen. Rahmen für den Anspruch auf kostenlose Impfungen ist nun eine Richtlinie, die sich an den STIKO-Empfehlungen orientiert. Laut einer Bundesverordnung sind Impfungen auf Kassenkosten aber weiterhin auch darüber hinaus möglich, wenn eine Ärztin oder ein Arzt es für medizinisch erforderlich hält. Allgemeine Impfempfehlungen Mit den geplanten Neuerungen nimmt die STIKO die Covid-19-Impfung in ihre allgemeinen Impfempfehlungen 2023 auf. Damit soll der Entwicklung der Basisimmunität in der Bevölkerung und den Viruseigenschaften Rechnung getragen werden. Bisher hatte das Gremium in der Pandemie gesonderte Covid-19-Impfempfehlungen ausgesprochen, die immer wieder angepasst wurden - bisher mehr als 20 Mal. Der jetzige Schritt ist quasi als Übergang vom Pandemie- in den Normalmodus zu werten. Das fertige Papier wird in etwa zwei Wochen erwartet. Erst einmal sollen Bundesländer und Fachkreise noch Rückmeldung geben können. |
# Union kämpft gegen K-Frage
Wenn die Ampel durchhält, wird erst im Herbst 2025 neu gewählt. In der Union kommt aber schon jetzt vereinzelt die Frage nach der Kanzlerkandidatur auf. Nicht nur CDU-Chef Merz möchte die Debatte schnell wegmoderieren. In der Union kommt bereits die Debatte über die Kanzlerkandidatur für die Bundestagswahl im Herbst 2025 auf. CDU-Chef Friedrich Merz ist qua Amt ein potenzieller Kandidat, doch auch Namen von Ministerpräsidenten wie Hendrik Wüst in NRW oder Daniel Günther in Schleswig-Holstein werden genannt - je nachdem, wen man fragt in der Partei. Bitte keine "selbstfixierte Personaldebatte" Fragt man direkt nach bei dem möglichen Kandidaten Wüst, wie es der "Münchner Merkur" getan hat, wird die Debatte flink wegmoderiert. Die Frage der Kanzlerkandidatur stelle sich "aktuell in der Union nicht", sagte Wüst der Zeitung. Eine "selbstfixierte Personaldebatte" in der Partei wäre derzeit "absolut kontraproduktiv". Die Frage zu möglichen eigenen Ambitionen ließ der 47 Jahre alte Chef des mitgliederstärksten CDU-Landesverbands offen. "Für mich gibt's aktuell sehr, sehr klare Aufgaben", sagte Wüst mit Blick auf Nordrhein-Westfalen. Die NRW-CDU hatte im Mai 2022 die Landtagswahl mit Wüst als Spitzenkandidat klar gewonnen und regiert seitdem mit den Grünen. Der Münsterländer CDU-Politiker ist bereits seit Herbst 2021 NRW-Ministerpräsident und hatte damals Armin Laschet abgelöst, der als Unions-Kanzlerkandidat bei der Bundestagswahl 2021 gescheitert war. Das Unions-Trauma von 2021 wirkt nach Fällt der Name Laschet, ist man gedanklich auch schnell wieder bei Markus Söder und damit mitten im Unions-Trauma rund um die Kanzlerkandidatur 2021. "Was 2021 gewesen ist, darf sich nicht wiederholen", mahnt denn auch Wüst mit Blick auf den erbitterten Machtkampf damals zwischen Laschet und Söder. "Das war nicht schwesterlich und wird dem Namen Union nicht gerecht." Es sei gut, dass Söder und Merz verabredet hätten, "dass man das nächstes Mal besser macht." Besser machen - aber wann fängt man damit an? Jetzt, im Frühjahr 2024 nach der Europawahl oder erst im Spätsommer? Söder muss zunächst die Landtagswahl im Herbst in Bayern mit seiner CSU gewinnen, um sich in Stellung bringen zu können - wenn er denn überhaupt noch mal will. Wie lange bleibt Söder "zahm"? "Bis zur Wahl wird Söder zahm sein - was danach passiert, weiß niemand", zitierte die Nachrichtenagentur Reuters jüngst ein CDU-Präsidiumsmitglied. Das Misstrauen gegen den CSU-Chef ist seit 2021 derart groß, dass viele CDU-Granden auf jeden Fall verhindern wollen, dass Söder noch einmal die Hand nach Berlin ausstreckt. Söder selbst weist Spekulationen um eine Kanzlerkandidatur zurück. "Meine Aufgabe ist Bayern", sagte er. Eine Einigung auf einen Unionskandidaten für die Bundestagswahl 2025 werde an ihm "ganz sicher nicht scheitern". Dazu werde es ein klares Verfahren innerhalb der Union unter Beteiligung der beiden Parteivorsitzenden und der Parteigremien geben. Merz ein "exzellenter Kandidat" Merz hat sich bislang nicht zu seinen Plänen für eine mögliche Kandidatur geäußert. Als Parteichef genießt er das Erstzugriffsrecht, zumindest innerhalb der CDU. Und dort bringt man ihn auch schon mal in Stellung, womöglich auch, um eine schwelende Debatte mit Söder nach der Bayern-Wahl oder über die bessere Eignung von (jüngeren) CDU-Ministerpräsidenten wie Wüst oder Günther zu verhindern. CDU-Vize Carsten Linnemann und der Parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, sprachen sich kürzlich im "Spiegel" für Merz als gemeinsamen Kanzlerkandidaten von CDU und CSU aus. Für ihn gebe es "keine andere Option", sagte Linnemann. Auch Frei sah in Merz "den exzellenten Kandidaten." Merz selbst sieht die Debatte mit Unbehagen. Zumindest zum jetzigen Zeitpunkt. Der CDU-Chef will die Frage im Spätsommer 2024 klären. "Es ist von mir zu keinem Zeitpunkt irgendwann das Frühjahr 2024 genannt worden als Entscheidungsdatum", betonte er vor dem Hintergrund entsprechender Mutmaßungen. "Ich habe das auch mit (CSU-Chef) Markus Söder noch mal besprochen", fügte Merz hinzu. "Unabhängig davon, wer das wird - wir führen keine Europawahl mit einem bereits nominierten Kanzlerkandidaten der Union. Das wird nicht stattfinden." Ob Frühjahr oder Herbst - Hauptsache 2024, findet CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. "Wir dürfen uns nicht so viel Zeit lassen wie beim letzten Mal", sagte er der Funke Mediengruppe. Die Auseinandersetzung mit dem regierenden Ampel-Bündnis müsse dann hart geführt werden, es gehe um eine Richtungsentscheidung: "Es darf kein Kuschel-Wahlkampf sein." |
# Tracker zunehmend für Stalking missbraucht
Stalker setzen in Deutschland laut Vollbild-Recherchen immer wieder auch Tracker ein. Behörden sind auf das Cyberstalking oft nicht vorbereitet - und Juristen warnen vor einer Lücke im Anti-Stalking-Gesetz. Stalker verstecken sie im Auto, verbergen sie in Jackentaschen, nähen sie in Kleidung ein oder montieren Ortungsgeräte in Haarbürsten oder Kinderspielzeug: Tracker werden auch in Deutschland zunehmend als Stalking-Tool missbraucht, wie Recherchen des SWR-Investigativformats Vollbild zeigen. Neue Bluetooth-Tracker wie Apple AirTags oder Samsung Galaxy SmartTags sind seit 2021 in Deutschland für rund 35 Euro erhältlich. Sie ermöglichen es, Menschen per Smartphone ohne großen Aufwand auf den Meter genau aus der Ferne zu verfolgen. "Sie sind sehr klein, sehr günstig und sie lassen sich leicht irgendwo verstecken, ohne dass die Person, die verfolgt wird, es mitbekommt", warnt die IT-Expertin Hannah Pankow, die für die Initiative "Ein Team gegen digitale Gewalt" arbeitet und Beratungsstellen und Frauenhäuser zu Cyberstalking berät. Herstellern wie Apple und Samsung ist die Missbrauchsgefahr mittlerweile offenbar bewusst, sie haben inzwischen einige Anti-Stalking-Features eingeführt. Apple verweist auf Nachfrage von Vollbild auf ein Statement vom Februar 2022. Der Konzern verurteile "jede bösartige Verwendung unserer Produkte auf das Schärfste". Weiterhin heißt es, AirTags verfügten über das "erste proaktive System, das auf unerwünschtes Tracking" hinweise. Samsung sagt, dass das Unternehmen die Sicherheit seiner Kundinnen und Kunden durch zusätzliche Funktionen sicherstellen wolle, beispielsweise könne man durch die Funktion "Unknown Tag Search" herausfinden, ob sich ein SmartTag in der Nähe befindet. Dass die Vorkehrungen der Hersteller jedoch nicht in jedem Fall reichen, um vor Trackern zu warnen, zeigen Selbstversuche von Vollbild. Herausforderung für den Gesetzgeber 2021 wurde das Anti-Stalking-Gesetz verschärft, damit es leichter wird, Stalking und Cyberstalking zu ahnden. Seitdem ist Nachstellung, also Stalking, laut Paragraph 238 StGB strafbar, wenn der Täter eine Person wiederholt auf eine Weise verfolgt, anruft, belästigt oder bedroht, die geeignet ist, deren Lebensgestaltung "nicht unerheblich" zu beeinträchtigen. Zuvor musste nachgewiesen werden, dass Betroffene "schwerwiegend" eingeschränkt wurden, etwa durch einen Job- oder Wohnortwechsel. Auch spezielle Cyberstalking-Formen wie die Überwachung mit Spy-Apps werden von dem Gesetz nun umfasst - Tracker wie Apples AirTags werden jedoch nicht genannt. Diese kamen im gleichen Jahr auf den Markt, in dem das Gesetz verändert wurde. Die Juristinnen Lena Leffer von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und Michelle Weber von der EBS-Universität Wiesbaden haben sich intensiv mit der Rechtslage bei Stalking mit AirTags beschäftigt und warnen vor einer Gesetzeslücke. "Der spezifische Fall des Stalkings mit AirTags wurde nicht berücksichtigt, da der Gesetzgeber nur den Fall gesehen hat, dass ein Gerät des Opfers infiltriert wird", sagt Weber. Beim Tracking mit AirTags und Co. müssen sich Stalker keinen Zugriff auf fremde Smartphones verschaffen, indem sie eine Spy-App installieren oder Passwörter ausspähen - sie stecken den Betroffenen einfach ihren Tracker zu. "Es geht vor allem jetzt darum, auf das Problem aufmerksam zu machen, denn dieses Phänomen wird häufiger werden", warnen die Juristinnen. "Etwaigen Handlungsbedarf" prüfen Das Bundesjustizministerium sieht derzeit keinen Handlungsbedarf: Entscheidungen von Gerichten zu AirTags und vergleichbaren Produkten seien "noch nicht bekannt", heißt es auf Vollbild-Anfrage. Sollten sich in der Praxis Strafbarkeitslücken zeigen, werde das Ministerium "etwaigen Handlungsbedarf" prüfen. Eine Gesetzeslücke sieht das Bundesjustizministerium derzeit also nicht. Das sieht das Bayerische Justizministerium ganz anders: Es drängt darauf, dass Fälle, in denen Stalker ihre Opfer mit GPS-Trackern oder Bluetooth-Trackern wie AirTags ausspähen, "rechtssicher" erfasst werden müssten. "Die Anti-Stalking-Regeln müssen dringend weiter nachgeschärft werden", sagt der bayerische Justizminister Georg Eisenreich (CSU) auf Vollbild-Anfrage. "Der Bundesjustizminister ist aufgefordert, das Gesetz der digitalen Entwicklung anzupassen." Immer mehr Fälle von Stalking Allein im Jahr 2022 erfasste das Bundeskriminalamt deutschlandweit 21.436 Stalking-Anzeigen. Zwar erleben Frauen und Männer Stalking, allerdings sind Frauen deutlich häufiger betroffen. Rund 81 Prozent der erfassten Opfer sind Frauen. Bei den Tatverdächtigen ist das Verhältnis umgekehrt, hier sind laut BKA rund 82 Prozent Männer. Der Staatsanwaltschaft München I zufolge gebe es immer wieder Verfahren, bei denen bekannt wird, dass Stalker AirTags oder andere technische Mittel nutzen. Im vergangenen Jahr wurde am Amtsgericht München der Fall einer Frau verhandelt, die zwei AirTags in Jacken ihrer Tochter sowie einen Tracker unter ihrem Autositz entdeckt hatte, mutmaßlich von ihrem Ex-Mann. Das Verfahren wurde gegen Auflage eingestellt. In Polizeistatistiken wird der Einsatz von Trackern nicht erfasst. Stalking-Experten wie der Ravensburger Polizeipräsident Uwe Stürmer weisen auf die Schwierigkeit hin, digitale Nachstellung zu ermitteln: "Ich bin mir sicher, dass es im Bereich digitaler Verfolgung, Cyberstalking, ein enormes Dunkelfeld gibt, das sich auch nur sehr, sehr schwer aufhellen lässt, weil die Dinge letzten Endes ein Stück weit flüchtig sind", sagt Stürmer im Interview mit Vollbild. "Wir können oft nicht feststellen, wie es Tätern gelingt, herauszufinden, zu welcher Zeit sich das Opfer an welchem Ort aufhält." Hilfseinrichtungen überfordert Doch Hilfseinrichtungen werden zunehmend mit Fällen konfrontiert, in denen Betroffene von Stalking und physischer Gewalt mit Trackern ausgespäht werden - und sie sind oft überfordert. "Das Problem ist, dass die Beratungsstellen und Frauenhäuser oft nicht das Wissen, die Expertise und auch nicht die Kapazitäten haben, um bei digitaler Gewalt wirklich viel beraten zu können", sagt IT-Expertin Pankow. Der Verein Frauenhauskoordinierung (FHK) fordert von Bund und Ländern "eine bedarfsgerechte Finanzierung der Frauenhäuser und Fachberatungsstellen für die Beratung zu digitaler Gewalt sowie Fortbildungen zu digitaler Gewalt bei Polizei und Justiz". Mit Blick auf die neuen technischen Möglichkeiten beim Stalking halten Verantwortliche von Frauenhäusern eigene Expertinnen und Experten für digitale Gewalt für notwendig. "Bei den Kuscheltieren für die Kinder passen wir auf, weil wir immer wieder erleben, dass bei Kuscheltieren ein AirTag verbaut ist - und manchmal haben sie Plastiknasen, die aber eine Kamera sind", beobachtet etwa Claudia Zwiebel vom Frauenhaus in Singen am Bodensee. Sie arbeitet seit 20 Jahren im Frauenhaus. Früher seien die Betroffenen geschützt gewesen, sobald sie es geschafft hätten, ins Frauenhaus zu flüchten: "Jetzt ist es mit der digitalen Gewalt einfach so, dass es 24/7 weitergeht", so Zwiebel. |