Das Protokoll der gestrigen Sitzung wurde verteilt. Gibt es Einwände? Herr Präsident, ich entnehme dem Protokoll, daß gestern zwei Abgeordnete über die am Montag aufgetretenen Verspätungen bei Flügen nach Straßburg berichteten. Ich möchte hinzufügen, daß auch der Flug vom Amsterdamer Flughafen Schiphol aus Verspätung hatte und später annulliert wurde. Wir wurden zum Flughafen Basel-Mülhausen umgeleitet. Man sagte uns, ein Bus würde uns dort bei der Ankunft abholen, doch dauerte es noch 45 Minuten, ehe der Bus am Flughafen eintraf. Am Montag um 20.30 Uhr kamen wir endlich hier an, nachdem einige von uns bereits seit mehr als 12 Stunden unterwegs waren. Diese Art von Service und derartige Schwierigkeiten bei der Anreise nach Straßburg an einem Montag sind nicht hinnehmbar. Wenn die französische Regierung darauf besteht, daß die Sitzungen weiterhin in Straßburg stattfinden, könnte sie zumindest bei Flugumleitungen nach Basel dafür sorgen, daß die Busse rechtzeitig am Flughafen eintreffen, um die Passagiere weiterzubefördern. Andernfalls ist es sinnlos, daß wir uns bemühen, am Montag anzureisen und die Termine wahrzunehmen. Ich möchte darum bitten, meine Anmerkung ins Protokoll aufzunehmen. Herr Präsident! Ich sollte mit demselben Flugzeug fliegen, und ich schäme mich, sagen zu müssen, daß es dabei um die KLM ging, unsere nationale Luftfahrtgesellschaft. Ich hoffe, die Zusammenarbeit mit einer anderen Airline funktioniert in Zukunft besser. (Das Parlament genehmigt das Protokoll.) Herr Präsident! Ich möchte nur bezüglich der heutigen Tagesordnung auf etwas aufmerksam machen. Wir haben am Montag beschlossen, daß die Erklärung des Rates des 50. Jahrestag des Genfer Übereinkommens verschoben wird. Ich möchte nur klarstellen, daß es heute nur um die anderen Punkte dieser Tagesordnung geht, nicht um den 50. Jahrestag der Genfer Konvention. Dieser Punkt wurde auf die nächste März-Tagung verschoben. Er ist irrtümlicherweise noch in der Tagesordnung von heute aufgeführt. Herr Swoboda, ich bestätige, was Sie soeben gesagt haben. Es handelt sich tatsächlich um einen Druckfehler. Die Tagesordnung, die verteilt wurde, ist nicht maßgebend, weil der Beschluß gefaßt wurde, die Diskussion über diesen Punkt zu vertagen. Herr Präsident, ich möchte darauf hinweisen, daß mir heute morgen auf dem Weg ins Plenum aufgefallen ist, daß zwei Personen vor dem Plenarsaal rauchten. Der Geruch ist wirklich widerlich! Bitte unternehmen Sie dagegen etwas! Ich glaube nicht, daß ich das tun kann, doch stimme ich Ihnen zu, daß schnellstens eine Form gefunden werden muß, um auch diejenigen zu erziehen, die sich nicht an die von uns selbst beschlossenen Verbote halten. Was die Flugverspätungen und die daraus resultierenden Probleme anbelangt, so könnten sich diejenigen zusammenschließen - ehrlich gesagt, weiß ich nicht, wie viele es sind -, die Schwierigkeiten hatten, zu dieser Tagung nach Straßburg zu gelangen; dann könnte man prüfen, welche Probleme tatsächlich aufgetreten sind und in welchem Umfang. Nach der Tagesordnung folgen die Erklärungen des Rates und der Kommission über die Kohärenz der verschiedenen Unionspolitiken mit der Entwicklungspolitik. Herr Präsident! Es ist mir eine große Freude, mich zum erstenmal im Namen der Ratspräsidentschaft an dieses Parlament zu wenden, womit ich der überaus bedeutsamen Rolle Anerkennung zolle, die dem Europäischen Parlament ganz zweifellos während der nächsten Zeit zukommt, wenn es darum geht, die Entwicklungspolitik auf der Ebene der Europäischen Union weiter auszugestalten, denn ich habe die Ehre, Ihnen heute eine Erklärung zum Thema der Kohärenz der Politik der Europäischen Union im Entwicklungsbereich vorzulegen. Selbstverständlich möchte ich es der Kommission überlassen, einige Aussagen zu ergänzen, die ich Gelegenheit haben werde vorzutragen. Zunächst möchte ich hervorheben, daß wir alle es auf der Ebene der Europäischen Union als notwendig empfinden, die außerordentliche Entwicklung und den Fortschritt, die sich bei einem Großteil der Lebensbedingungen vollzogen haben, und zwar vor allem durch den technologischen Aufschwung, der sich in den letzten Jahrzehnten noch beschleunigt hat und dem Wohlergehen und der Verbesserung der Lebensbedingungen breiter Schichten der Weltbevölkerung förderlich war, mit dem Umstand in Einklang zu bringen, daß sich zugleich die Disproportionen zwischen einigen Regionen und geopolitischen Räumen der Erde noch weiter verschärft haben. Dadurch werden die Stabilität des internationalen Systems in Frage gestellt und der Frieden bedroht, woraus für uns alle die moralische Verpflichtung erwächst, unsere Politik möglichst optimal darauf abzustellen, daß wir in den verschiedenen Räumen, die unsere Erde bilden, für mehr Stabilität und Gleichgewicht sorgen können. Daraus ergibt sich eine Neubewertung der Entwicklungspolitik im Sinne einer Antwort auf die Globalisierung der Wirtschafts- und Finanzmärkte. Wie man festgestellt hat, sind die Bedingungen, unter denen diese Märkte funktionieren, stark verzerrt, was naturgemäß bedeutende Korrekturen erforderlich macht, die wiederum - ebenfalls zwangsläufig - neue Optionen für die Entwicklungspolitik bedingen. Folglich stehen wir an der Schwelle eines neuen Paradigmas für die Entwicklungspolitik, und dazu ist es notwendig, wie ich betonen möchte, daß sich unser Handeln auf vier wesentliche Gesichtspunkte konzentriert: Erstens ein unter allen internationalen Akteuren im Geberbereich besser abgestimmtes Auftreten, was ein höheres Maß an Koordinierung und Kohärenz, eine bessere Verknüpfung der humanitären Hilfe mit der Entwicklungspolitik, den Ausbau des multilateralen Systems, eine stärkere Beachtung der Schuldensituation sowie der Finanzierungs- und Entwicklungsprobleme verlangt. Aber auch bei Ländern, die heute Empfänger von Hilfe sind, stehen einige neue Bezugspunkte an, allen voran das Erfordernis des Kampfes gegen die Korruption, das Erfordernis von Demokratie und guter Staatsführung als Grundprinzipien der Entwicklung ihrer politischen Systeme, und außerdem das Erfordernis, den Maßnahmen dieser Länder zur Verringerung der Armut besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Ein zweiter Aspekt dieses neuen Paradigmas der Entwicklungspolitik steht im Zusammenhang mit der Notwendigkeit einer integrierteren Sichtweise auf die Entwicklungshilfe, d. h. die Entwicklungshilfe nicht darauf zu reduzieren, daß sie das einzige Element dieser Politik darstellt, wo doch der Stellenwert anderer Maßnahmen im Finanz-, Handels- und Investitionsbereich immer weiter wächst. Darüber hinaus ist sie auch mit der Notwendigkeit verbunden, diese integrierte Betrachtung der Entwicklung sowohl auf der Ebene der globalen Politik als auch auf der Ebene der Politik der einzelnen Geberstaaten durchzusetzen. Ein dritter Gesichtspunkt dieses neuen Paradigmas, auf den ich besonders hinweisen möchte, betrifft eine zielgerichtete Politik. Seit 1995, nachdem sich die Hauptgeberstaaten um eine internationale Abstimmung, vor allem in bezug auf wichtige Überlegungen innerhalb des Entwicklungshilfeausschusses der OECD, bemüht hatten, konnten einige wichtige Ziele festgelegt werden, die als Orientierung für die Ausrichtung und Durchführung der Entwicklungspolitik sowohl auf einzelstaatlicher auch auf internationaler Ebene dienen sollen. Anliegen dieser Zielsetzungen ist bekanntlich, die Armut bis 2015 um die Hälfte zu verringern. Dies soll mittels der Erweiterung der Schulpflicht, aber auch durch eine entscheidende Senkung der Kindersterblichkeit und einen Komplex von Interventionen im Bereich der sozialen Wohlfahrt geschehen, damit es tatsächlich gelingt, dieses Ziel zu verwirklichen. Das würde bedeuten, ein Drittel der Weltbevölkerung einer Situation äußerster Armut zu entreißen, etwa eine Milliarde Menschen der äußersten Armut ihrer Lebensbedingungen zu entreißen, was man auf jeden Fall als außerordentliche Leistung ansehen muß, was jedoch, damit es realisiert werden kann, sicher eine umfassende Beteiligung und ein entschlossenes Eingreifen der Staatengemeinschaft in ihrer Gesamtheit erfordert. Und es gibt noch einen vierten Gesichtspunkt des neuen Entwicklungsparadigmas, den ich hier nennen möchte: Die Entwicklungspolitik wird heute, vor allem in den letzten Jahren, als eine zunehmend globale Frage angesehen, die einer starken internationalen Führung bedarf. Einen bedeutenden Beitrag dazu haben die konzertierten Aktionen der Institutionen des Systems der Vereinten Nationen, aber auch die des Systems von "Bretton Woods " geleistet. Hier gilt es, in erster Linie auf die überaus bedeutsamen Impulse hinzuweisen, die diese Debatte sowohl von der Weltbank, insbesondere durch ihr Dokument Comprehensive Framework, als auch durch den Internationalen Währungsfonds erhielt: Erstmals rückt eine solche Institution das Problem der Armutsverringerung in den Mittelpunkt ihrer politischen Orientierungslinien und stellt einen bis dahin unvorstellbaren Zusammenhang zwischen Entschuldung und Armut her. Auch im Lichte dieser neuen Rolle, die die internationalen Organisationen im Hinblick auf die Entwicklungsprobleme spielen, müssen wir über die Stellung der Europäischen Union in diesem Bereich nachdenken. Wie die portugiesische Präsidentschaft hervorgehoben hat, ist es notwendig, daß die Europäische Union ihre äußerst bedeutsame Funktion als international wichtigster Geber besser mit einer führenden und aktiveren Rolle in dieser Bewegung einer Erneuerung der Entwicklungspolitik im internationalen Maßstab in Einklang bringt. Sie muß ihre Fähigkeiten zur Verbindung und Koordinierung, insbesondere mit dem System der Vereinten Nationen und mit dem Bretton Woods-System, ausbauen. Um die weitere Stärkung der Rolle der Europäischen Union im Rahmen der internationalen Entwicklungspolitik zu ermöglichen, halten wir es für grundsätzlich erforderlich, drei Arten von Maßnahmen zu entwickeln. Zum ersten geht es darum, die Effizienz ihrer Entwicklungspolitik zu erhöhen. Wie man weiß, erfolgte 1995 eine Gesamtbewertung der Entwicklungspolitik, und während des deutschen Ratsvorsitzes konnte ein Fazit dieser Gesamtbewertung vorgelegt werden. In den wichtigsten Schlußfolgerungen wird die Notwendigkeit einer geschlosseneren Politik der Europäischen Union und einer allgemeinen strategischen Sicht der Europäischen Union auf Entwicklungsprobleme herausgestellt. Ein besonderer Akzent liegt dabei auf der Notwendigkeit einer engeren Koordinierung und stärkeren Komplementarität der Maßnahmen, einer Harmonisierung und Vereinfachung des organisatorischen Rahmens, in dem heute die Kooperationspolitik der Union stattfindet, einer effektiveren Gestaltung des Management für die Hilfe und einer Überprüfung speziell ihrer Interventionsmechanismen, wie auch der Notwendigkeit, das Bewertungssystem auszubauen und offener darzulegen, wie diese Hilfe eingesetzt wird. Als ein zweiter Aspekt wäre das Erfordernis einer größeren Komplementarität zwischen der Europäischen Union und der Politik der einzelnen Mitgliedstaaten zu nennen. Bekanntlich kommt heute ein erheblicher Teil der Hilfe über die Maßnahmen der Mitgliedstaaten zum Einsatz, die nicht immer komplementär und koordiniert ablaufen. Und gerade diese Unfähigkeit zur Koordinierung und Komplementarität zwischen den Vorhaben der Mitgliedstaaten und den geplanten und durchgeführten Maßnahmen der Organe der Europäischen Union ist zu einem großen Teil dafür verantwortlich, daß Hilfe aus dem Raum der Europäischen Union vergeudet oder nicht wirksam genutzt wird. Unserer Ansicht nach ist es auch zwingend erforderlich, daß wir in der Lage sind, in nächster Zeit alles zu unternehmen, um Mechanismen der Komplementarität und Koordinierung der von den Mitgliedstaaten verfolgten Politik und der Politik der Europäischen Union auszubauen. Ein dritter hervorzuhebender Aspekt: die Stärkung und Kohärenz ihrer Politik, das zentrale Thema der heute vorgesehenen Aussprache. In erster Linie ist uns allen klar, daß es nicht ausreicht, günstigere Bedingungen für die Hilfe zu schaffen, und daß es darauf ankommt, sie besser mit anderen Maßnahmen der Europäischen Union zu verknüpfen, damit die Entwicklungsziele nicht nur durch Hilfe und Unterstützung, sondern vor allem durch eine integriertere Sicht der zu ihnen beitragenden einzelnen Maßnahmen erreicht werden können. Bekanntlich wurde im Juni 1997 eine Ratsentschließung angenommen, die Kommission gab die Zusage, Bewertungsberichte vorzulegen. Der erste Bericht wurde dem Rat im Mai 1999 zugeleitet, und darin sind bereits einige Aspekte der Koordinierung von Maßnahmen festgelegt, insbesondere in den Bereichen Friedenssicherung, Nahrungsmittelsicherheit, Fischerei und Migrationen. Wie jedoch ebenfalls bekannt ist, wird eine Mitteilung der Kommission über die Kohärenz zusammen mit der Mitteilung über "Entwicklungspolitik " erwartet. Selbstverständlich können in diese Debatte in den nächsten Monaten, noch während des portugiesischen Ratsvorsitzes, auch noch die Beiträge einfließen, die uns die Kommission zu diesem Thema ebenfalls in den kommenden Monaten vorlegen will. Es ist klar, daß die Kohärenz der Politiken immer begrenzt bleiben wird, und natürlich stellt ein gewisser Widerspruch zwischen den Politiken auch ein Element des Gleichgewichts und des Abwägens von widersprüchlichen und gegensätzlichen Interessen dar, die im Raum der Union wirken, und daß es nur auf diesem Weg möglich ist, auch auf einen gewissen Widerspruch zwischen den Politiken einzuwirken. Unabhängig davon möchten wir jedoch darauf hinweisen, daß die verstärkte Kohärenz der Politiken der Europäischen Union unter den derzeitigen Umständen und in der gegenwärtigen Situation der Union ernsthafte Überlegungen zu einigen Aspekte voraussetzt, die mit der Dynamik der Europäischen Union selbst in Verbindung stehen. Natürlich mit der inneren Dynamik der Europäischen Union. Wir wissen, daß die Europäische Union einer Eigendynamik unterliegt, die vor allem aus dem Vertrag von Amsterdam herrührt, der ihre politische Dimension vergrößert, was für die Voraussetzungen der Kohärenz bei den Politiken im Entwicklungsbereich nicht ohne erhebliche Folgen bleibt. Wir müssen außerdem den Verlauf der Arbeiten der Regierungskonferenz abwarten und sehen, mit welcher Dynamik man an die Erweiterung herangeht, um herauszufinden, bis zu welchem Punkt sich die innere Dynamik der Europäischen Union auf die Stärkung der Kohärenz ihrer Politiken ausrichtet und namentlich im Bereich Entwicklung zu institutionellen Vereinbarungen beiträgt, die auch für dieses Ziel geeignet sind. Ein zweiter Gesichtspunkt, der bei der Kohärenz der Politiken zu berücksichtigen ist, betrifft die Entwicklungspolitik im Zusammenhang mit der Außenpolitik der Union. Wir wissen, daß die Union eine neue Dimension ihrer Außenpolitik erlebt, wir wissen, daß es mit der Ernennung eines Hohen Vertreters, mit der Schaffung der schnellen Eingreiftruppe und des Zentrums für militärisches Krisenmanagement eine ganze Dynamik für die Selbstdarstellung der Europäischen Union gibt, die wir nicht geringschätzen dürfen, wenn wir über die Rolle der Entwicklungspolitik sprechen. Und auch, daß es Aspekte gibt, die mit dem politischen Dialog, der Annahme gemeinsamer Standpunkte oder Maßnahmen, der Vorbereitung gemeinsamer Strategien, der präventiven Diplomatie und der Entwicklung regionaler Kapazitäten für Krisenverhütung und ­management im Zusammenhang stehen. Die Einführung und Ausgestaltung all dieser Aspekte wird mit Sicherheit in bedeutendem Maße zur Stärkung der Rolle der Entwicklungspolitik in der Außenpolitik der Europäischen Union beitragen. Sagen wir, daß auch auf dieser Ebene, der der Europäischen Union, die Einbeziehung der Entwicklungspolitik in die Außenpolitik sicherlich auf dem gleiche Wege vonstatten gehen muß, wie es in vielen Mitgliedstaaten bei der Entwicklungspolitik und der jeweiligen Außenpolitik geschehen ist, und ihre Bestätigung bedingt zwangsläufig den Ausbau von Entscheidungsmechanismen und institutionellen Strukturen der Mittel der GASP in der Weise, daß sie eine vorteilhaftere Verbindung zwischen dem entwicklungspolitischen und dem außenpolitischen Instrumentarium ermöglichen. In diesem Zusammenhang sind wir der Überzeugung, daß wir von einem postkolonialen Paradigma zu einem wahrhaft europäischen Paradigma der Entwicklungspolitik übergehen müssen, da wir ja wissen, daß die Entwicklungspolitik im europäischen Rahmen in erheblichem Maße unter dem Einfluß der Politik einiger Mitgliedstaaten im Rahmen ihres jeweiligen postkolonialen Bezugssystems stand. Als ein dritter zu berücksichtigender Gesichtspunkt: die Politik der Europäischen Union und die Politik der Mitgliedstaaten. Voraussetzung für die Kohärenz der Politik auf der Ebene der Europäischen Union muß eine bessere Koordinierung der Politik der Mitgliedstaaten mit der Politik der Europäischen Union im Entwicklungsbereich sein. Wenn es nicht gelingt, bessere Mechanismen für die Kohärenz der Politik der einzelnen Staaten einzurichten, wird es mit Sicherheit schwieriger sein, Überlegungen zu einem kohärenteren Rahmen für die Politik der Europäischen Union im Entwicklungsbereich anzustellen. Der vierte und letzte Gesichtspunkt, den ich den Damen und Herren Abgeordneten zu bedenken geben möchte, steht zwangsläufig in Verbindung mit diesem Aspekt der Entwicklungspolitik: die Rolle des Entwicklungsrates. Vor allem in den letzten Monaten wurde darüber gesprochen, welche Position der Entwicklungsrat im Bereich der Unionspolitik einnehmen kann. Bekanntermaßen besteht zwischen der Entwicklungspolitik und anderen Politikfeldern auf Unionsebene ein eindeutiger Unterschied - man denke nur daran, unter welch schwierigen Bedingungen die Aufnahme oder Nichtaufnahme des EEF in den Haushaltsplan geregelt wurde -, und es ist schwerlich anzunehmen, daß wir eine größere Kohärenz der Politiken der Europäischen Union ohne eine aktivere und stärker eingreifende Rolle des Entwicklungsrates bei der Beratung zu politischen Entscheidungen erreichen können, die vornehmlich zum Bereich Entwicklung zählen und die in anderen Räten gefällt werden, in anderen Entscheidungszentren - ob in den Räten für Landwirtschaft und Fischerei oder in denen für Umwelt -, bei denen der Entwicklungsrat jedoch bisher keine Möglichkeit hatte, gehört zu werden oder einzugreifen. Folglich wird es ohne eine aktivere Rolle auch des Entwicklungsrates bei der Gesamtkoordinierung der politischen Entscheidungen, die die Entwicklungspolitik der Europäischen Union direkt berühren und am Rande ihres Entscheidungszentrums getroffen werden, sicher schwierig, eine kohärentere Politik der Europäischen Union im Bereich der Entwicklungsziele zu verwirklichen. Auch hier werden das Wort und die Überlegungen des Europäischen Parlaments sachdienlich und willkommen sein. Ich möchte zu Beginn auf den erfolgreichen Abschluß der Verhandlungen zwischen der EU und den AKP-Staaten eingehen. Die Teilnahme an diesen Verhandlungen war eine äußerst positive Erfahrung. Ich habe gesehen, wie die Mitgliedstaaten als Team zusammengearbeitet haben, und das war sehr erfreulich. Am Ende waren beide Seiten sehr zufrieden, nicht nur, weil die Verhandlungen abgeschlossen waren, sondern weil uns allen bewußt war, daß wir gemeinsam, die EU und die 71 AKP-Staaten, etwas erreicht hatten. Die Welt braucht solche Erfahrungen, und dies ist ein sehr positives Signal im Hinblick auf die Diskussion um die Frage der Globalisierung. Ich möchte einige der wichtigsten Neuerungen im neuen Abkommen erläutern. Die Korruption wird offen angesprochen, und zum ersten Mal schaffen wir einen Rahmen, in dem das Problem der Zuwanderung behandelt werden kann. Wir fördern partizipatorische Ansätze, wir stellen die Konsultation der Zivilgesellschaft bei den Reformen und Politiken sicher, die von der EU gefördert werden sollen. In den Mittelpunkt der Entwicklungspolitik stellen wir verstärkt die Armutsbekämpfung. Grundlage für die Zuweisung von Mitteln bildet nicht allein die Bewertung der Bedürfnisse eines Landes, sondern auch dessen Politik. Zur Förderung der Entwicklung des privaten Sektors richten wir eine Investitionsfazilität ein. Wir rationalisieren die Instrumente und führen ein neues System der dynamischen Programmplanung ein, damit die Gemeinschaft und die Empfängerländer an den Kooperationsprogrammen regelmäßig Korrekturen anbringen können. Wir siedeln die administrativen und in einigen Fällen auch die finanziellen Zuständigkeiten dezentral auf der lokalen Ebene an, um eine effektivere Zusammenarbeit zu ermöglichen. Wir verbessern den politischen Rahmen für die Handels- und Investitionsentwicklung. Wir erweitern die Zusammenarbeit in allen Bereichen, die für den Handel wichtig sind, dazu gehören auch neue Bereiche wie Arbeitsnormen und die Verbindung zwischen Umwelt und Handel. Ich bin sicher, daß Sie vor dem Hintergrund der Ereignisse in Seattle die Bedeutung dieser Vereinbarungen begrüßen werden. Lassen Sie mich auf einige der wichtigsten Punkte eingehen. Erstens, die Vereinbarung über politische Fragen. Im neuen Abkommen verpflichten sich beide Seiten verbindlich zu einer verantwortungsvollen Staatsführung, die als grundlegendes und positives Element der Partnerschaft gilt, und über die in einem Bereich, den die Gemeinschaft aktiv fördert, ein regelmäßiger Dialog stattfinden wird. Zweitens wurde zur Behandlung von Verstößen gegen die Menschenrechte, die demokratischen Grundsätze und die Rechtsstaatlichkeit ein neues Verfahren geschaffen. Verglichen mit dem derzeitigen Ansatz erfährt bei dem neuen Verfahren die Verantwortung des betreffenden Staates eine stärkere Gewichtung, und der Konsultationsprozeß ist flexibler gestaltet, um einen effektiven Dialog über die Maßnahmen zur Verbesserung der Situation führen zu können. In besonders dringenden Fällen, in denen ein schwerer Verstoß gegen eines dieser wesentlichen Elemente vorliegt, werden unverzüglich Maßnahmen eingeleitet, über welche die andere Partei informiert wird. Drittens haben sich die EU und die AKP auf ein neues, spezielles Verfahren bei schwerwiegenden Korruptionsfällen geeinigt. Dies ist eine echte Neuerung, und zwar sowohl im Kontext der EU-/AKP-Abkommen als auch generell in den internationalen Beziehungen. Dieses Verfahren wird nicht nur in Korruptionsfällen angewandt, in denen es um EEF-Gelder geht, sondern in einem weiteren Rahmen auch in allen Ländern, in denen die EU finanzielle Unterstützung leistet, und in denen die Korruption die Entwicklung behindert. Das Verfahren ist daher nicht auf die EU-Aktivitäten beschränkt. Dies ist ein äußerst wichtiger Aspekt, bei dem die Förderwürdigkeit der öffentlichen Finanzen berücksichtigt wird. Durch die Aufnahme einer solchen Bestimmung in das Partnerschaftsabkommen setzen die EU und die AKP-Staaten gemeinsam ein klares und positives Signal, das sicherlich von den europäischen Steuerzahlern und hoffentlich auch von den europäischen Investoren gewürdigt werden wird. Ein weiterer neuer Bereich im Abkommen zwischen den AKP-Staaten und der EU ist die Zuwanderung. Wir haben eine ausgewogene Vereinbarung über die Zusammenarbeit in diesem Bereich geschlossen. Diese neue Dimension des Partnerschaftsabkommens spiegelt die Leitlinien wider, für welche die EU gemäß dem Vertrag von Amsterdam und den Schlußfolgerungen des Europäischen Rates im finnischen Tampere im Oktober 1999 eintritt. Die Europäische Union verpflichtet sich, einem auf dem Grundsatz der Partnerschaft mit den Herkunftsländern und -regionen beruhende Einwanderungs- und Asylpolitik zu entwickeln und umzusetzen. Das mit den AKP-Staaten geschlossene Abkommen bereitet den Weg für neue Initiativen, insbesondere im Hinblick auf die Rechte von Staatsangehörigen von Drittstaaten innerhalb der EU, sowie für Maßnahmen zur Erleichterung der Integration. Wir haben uns auf Regelungen im Zusammenhang mit illegaler Einwanderung geeinigt. Die EU- und die AKP-Staaten werden innerhalb eines Rahmens, über den mit jedem einzelnen AKP-Staat verhandelt werden soll, die Möglichkeiten und Instrumente zur Rückführung illegaler Einwanderer in die betreffenden Länder festlegen. Dies schließt auch Personen aus Drittstaaten und Staatenlose mit ein. Mit diesen überaus innovativen Ansätzen kann die Art und Weise der Staatsführung verbessert werden. Das Abkommen schafft darüber hinaus einen guten Rahmen zur Stabilisierung der sich gegenseitig verstärkenden Effekte der Handelskooperation und Entwicklungshilfe. Wir haben vereinbart, Verhandlungen über neue Handelsabkommen zur Liberalisierung des Handels zwischen den Parteien aufzunehmen und Vorschriften zur Regelung von Handelsfragen zu erarbeiten. Hinsichtlich des zeitlichen Rahmens für die Handelsverhandlungen haben wir die Wünsche der AKP-Staaten berücksichtigt. Die Verhandlungen werden spätestens im Jahr 2002 aufgenommen. Diese zweijährige Vorbereitungsphase soll zur Stärkung der regionalen Integrationsprozesse und der Fähigkeit der AKP-Staaten zur Führung der Handelsverhandlungen genutzt werden. Für die eigentlichen Verhandlungen ist ein Zeitraum von sechs Jahren vorgesehen. Wir werden die wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten der AKP-Staaten in zweifacher Hinsicht berücksichtigen: erstens durch eine Entwicklungspolitik, durch welche nicht nur Wirtschafts- und Handelsreformen, sondern auch die menschliche und soziale Entwicklung gefördert wird, und zweitens durch die Unterstützung der AKP-Staaten beim Aufbau von Kapazitäten sowie durch die Kooperation in multilateralen Foren, damit diese eine aktive Rolle im internationalen Wirtschafts- und Handelssystem spielen können. Mit dieser Strategie werden wir ein System schaffen, das in völligem Einklang mit den WTO-Bestimmungen steht. Die Bereitschaft der Wirtschaft zur Vertiefung der Beziehungen mit ihren AKP-Partnern wird steigen. Die Investitionstätigkeit einheimischer und ausländischer Investoren wird zunehmen, und der Know-how- und Technologietransfer wird sich erweitern. Dies führt zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der AKP-Staaten und ihrer allmählichen Integration in die Weltwirtschaft. Ferner werden die Abkommen mit der EU als Festpunkt dienen. Wirtschaftsreformen werden festgeschrieben, und die in den Abkommen eingegangenen Verpflichtungen beider Parteien üben auf die nationalen und wirtschaftlichen Reformen einen stabilisierenden Effekt aus. Dieser neue Ansatz basiert unter anderem auf dem Gedanken, daß eine offene Handelspolitik, kombiniert mit einer auf die soziale Entwicklung ausgerichteten Politik zu Wirtschaftswachstum und zur Verringerung von Armut führt. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Verbesserung der Außenhandelspolitik der EU gegenüber den am wenigsten entwickelten Ländern, von denen derzeit 39 in der Gruppe der AKP-Staaten vertreten sind. Dieser Prozeß wird in den nächsten fünf Jahren vollzogen werden, so daß die Exporteure aus den Ländern mit dem geringsten Entwicklungsstand ab dem Jahr 2005 freien Zugang zu den EU-Märkten für nahezu alle ihre Erzeugnisse erhalten. Was den Umfang des nächsten EEF betrifft, so hat die EU bereits einen Vorschlag vorgelegt. Dieser basiert auf dem Bestreben, auch in Zeiten knapper Haushaltsmittel für die öffentliche Entwicklungshilfe beträchtliche Finanzmittel bereitzustellen und gleichzeitig die Hilfe der Gemeinschaft effektiver zu gestalten. Derzeit sind etwa 9,5 Milliarden Euro aus früheren EEF-Mitteln noch nicht gebunden. Die EU ist verpflichtet, diese noch verbleibenden Beträge sowie die neuen EEF-Mittel innerhalb von sieben Jahren, das heißt, vor dem Inkrafttreten des nächsten Finanzprotokolls, zu mobilisieren. Dies wird der Gemeinschaft eine wesentliche Steigerung der jährlichen Mittelbindungen und Zahlungen in diesem Zeitraum ermöglichen. In den kommenden Jahren ist daher keine Einschränkung der Aktivitäten zu erwarten, im Gegenteil, wir werden die Aktivitäten sogar ausweiten können. Diese Verpflichtung erfordert eine grundlegende Reform der Verfahren und Durchführungsmodalitäten auf beiden Seiten. Zweifellos besteht eine Verbindung zwischen dem Reformprozeß in der Kommission selbst und unserer Fähigkeit, unsere Verpflichtungen einzuhalten, welche die Grundlage für unser Abkommen mit den AKP-Staaten bilden. Im Hinblick auf unsere Entwicklungspolitik bin ich der Auffassung, daß sich der globale Kontext dramatisch verändert hat. Die Ausgrenzung vieler Volkswirtschaften, die Zunahme der Armut in der Welt, die Notwendigkeit einer besseren Strategie in bezug auf Umweltverflechtungen, die mit der Zuwanderung verbundenen Destabilisierungseffekte sowie die gravierenden Auswirkungen von bewaffneten Auseinandersetzungen und Epidemien geben Anlaß zu größter Besorgnis. Innerhalb dieses sich verändernden globalen Rahmens müssen wir eine eigene Position finden. Glücklicherweise steht uns mit der Evaluierung der Gemeinschaftshilfe ein wichtiges Instrument zur Verbesserung unserer Maßnahmen zur Verfügung, und damit können wir hoffentlich auch den soeben skizzierten Herausforderungen begegnen. In bezug auf die Ergebnisse dieser Bewertungen möchte ich folgende Probleme nennen: In der Gemeinschaftspolitik gibt es zu viele und zu vage Zielsetzungen, und dies wirkt sich nachteilig auf die Kohärenz aus. Grund dafür sind unsere eigenen komplexen Strukturen, aber auch die durchaus reale mangelnde Übereinstimmung zwischen den sektoralen Politiken und den Interessen der Mitgliedstaaten. Das Beihilfesystem der Kommission ist im Hinblick auf die Instrumente, Verfahren und institutionellen Mechanismen zu kompliziert und zersplittert. Häufig werden die Strategien stärker von den verfügbaren Instrumenten als von den politischen Zielen und klar definierten Prioritäten bestimmt. Die personellen Ressourcen sind im Verhältnis zum Umfang der Beihilfen, die verwaltet werden müssen, zu klein. Im Durchschnitt verwalten 2,9 Mitarbeiter der Kommission 10 Millionen US-Dollar an Hilfe, während in der Weltbank für dieselbe Summe 4,3 Mitarbeiter zuständig sind, und in den großen Mitgliedstaaten zwischen 4 und 9 Mitarbeiter zur Verfügung stehen. Dies ist ein echtes Problem: Es gibt zu viele unterschiedliche Finanzierungsinstrumente, von denen jedes eigene Merkmale besitzt und vor allem zahlreiche unterschiedliche Haushaltslinien umfaßt. Dies ist nur schwer mit einem effektiven Managementsystem zu vereinbaren. Um diese Probleme erkennen und lösen zu können, muß die Gemeinschaft einen effektiven Dialog mit den Mitgliedstaaten und dem Parlament führen. Es ist absolut unabdingbar, daß wir für das Problem der Kohärenz eine realistische und pragmatische Lösung finden. Dazu sollten wir die Debatte in einem geeigneten institutionellen Rahmen, nämlich im Rat und im Parlament, führen. Der Mangel an abgestimmten Aktionen zwischen den 15 Mitgliedstaaten selbst und zwischen diesen und der Gemeinschaft muß ebenfalls erörtert werden. Durch die Ausrichtung der Entwicklungspolitik der Gemeinschaft auf international anerkannte Ziele und Strategien werden wir den Weg für eine bessere Komplementarität mit den Mitgliedstaaten ebnen. Dies steht im Einklang mit der Strategie, die Minister Amado soeben vorgestellt hat. Wenn wir heute über Politik sprechen, geht es dabei immer um einen Prozeß der Konvergenz. Dies ist Teil der Lösung. Derzeit arbeiten wir an der Formulierung neuer politischer Leitlinien, wobei wir für Gemeinschaftsmaßnahmen Prioritätsbereiche festlegen müssen. Alles wird zunehmend komplizierter. Dies trifft auch auf die Entwicklungszusammenarbeit zu. Kein Geber kann allein mehr das gesamte Themenspektrum, angefangen von makroökonomischen Fragen bis hin zum ordnungspolitischen Rahmen oder von den sektoralen Politiken bis zu einer Vielzahl neuer bereichsübergreifender Themen wie Chancengleichheit, Umwelt, verantwortungsvolle Staatsführung und institutionelle Reformen, abdecken. Es ist wichtig, flexible Mechanismen zu entwickeln, die eine Aufgabenteilung nach der Sachkenntnis und Kapazität der verschiedenen Geber in den einzelnen Entwicklungsländern ermöglichen. Dies sollte auf der Ebene der Mitgliedstaaten erfolgen und nachfolgend in die Erarbeitung sektoraler Konzepte für Gemeinschaftsmaßnahmen einfließen. Dies ist unser Ziel. Bei der Festlegung der Prioritäten für EU-Beihilfen müssen die spezifischen Merkmale der Gemeinschaft im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten und den internationalen Institutionen berücksichtigt werden. Ich möchte nur einige davon nennen: unsere Fähigkeit, Entwicklungs- und Handelspolitik zu kombinieren und Synergien zwischen Hilfe und Wirtschaftszusammenarbeit herzustellen; unsere Neutralität und die Verfolgung der übergeordneten Interessen der Gemeinschaft; die Tatsache, daß wir die nötige Größe haben und verglichen mit den Möglichkeiten einzelner Mitgliedstaaten relativ große Aufgaben bewältigen können. Hinzu kommt unsere Präsenz vor Ort: Aus meiner Sicht besteht unser größter Vorteil darin, daß wir selbst eine erfolgreiche regionale Zusammenarbeit aufgebaut haben und daher als neutraler, willkommener Partner für dieses Experiment weltweit angesehen werden. Dies ist etwas, was kein anderer für sich in Anspruch nehmen kann. Wir müssen die Politik der Gemeinschaft effektiver gestalten und einen besseren strategischen Rahmen schaffen. Die Kommission muß sich dieser doppelten Herausforderung stellen und in den kommenden Monaten einen Vorschlag für eine Grundsatzerklärung erarbeiten. Wir werden einen breiten und offenen Konsultationsprozeß in Gang setzen, um die Meinung aller beteiligten Parteien zu hören. Auch wenn ich den Prozeß selbst nicht mit dem Inhalt gleichsetzen möchte, so halte ich ihn doch für fast ebenso wichtig. Wir werden uns mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln aktiv an diesem Prozeß beteiligen, und wir laden alle ein, ebenfalls daran teilzunehmen. Parallel dazu haben wir begonnen, Maßnahmen zur Verbesserung der Kohärenz einzuleiten, und die tatsächlichen oder scheinbaren Probleme, auf die wir in diesem Zusammenhang stoßen, zu klären beziehungsweise ans Licht zu bringen. Dies wird ein laufender Prozeß sein, den ich als eine Art kontinuierlicher Qualitätskontrolle betrachte. Ich fordere das Parlament auf, sich diesem kontinuierlichen Bemühen um eine Verbesserung der Kohärenz unserer Aktivitäten anzuschließen. Herr Präsident! Zunächst möchte ich Herrn Amado und Herrn Nielson für ihre Ausführungen danken. Ich begrüße es, daß sich Herr Amado zum EEF geäußert hat. Das Problem liegt jedoch nicht hier im Parlament und auch nicht bei der Kommission - der Rat muß den Schritt zur Einbeziehung des EEF in den Haushaltsplan machen. Insofern hätte diese Predigt eigentlich im Rat gehalten werden müssen. Mein Dank gilt auch Herrn Nielson. Er hat ausführlich über das neue Lomé-Abkommen referiert, das aber gar nicht das Thema der heutigen Sitzung ist. Wir wollten über Kohärenz sprechen. Das ist unser Thema. Bereits seit Beginn der 90er Jahre haben das Europäische Parlament, die Europäische Kommission und der Europäische Ministerrat erkannt, daß es, vor allem in der Entwicklungszusammenarbeit und in anderen Politikbereichen der Union um die Kohärenz der europäischen Politik nicht gut bestellt ist. Bereit 1992, 1995 und 1997 ist auf dieses Problem aufmerksam gemacht worden. Alle diese Beispiele sind in einer uns vorliegenden Entschließung genannt. Ich selbst habe bereits seit Jahren Fragen zu dieser Problematik gestellt. 1997 wurde die Verpflichtung zur Kohärenz der Politik sogar in den Vertrag von Amsterdam aufgenommen. 1998 wurde darüber hinaus vereinbart, daß die Kommission einen Jahresbericht erstellt, aus dem hervorgehen sollte, welche Verbesserungen erzielt worden sind. Aber was haben wir seitdem gesehen? Schöne Worte, auch heute wieder, aber keinen Bericht. Man hält es nicht für möglich. Es wird zugegeben, daß es um Widersprüche in der Politik geht. Immer wieder werden Absichtserklärungen formuliert, aber faktisch geschieht nichts. Wir bringen daher dieses Thema heute zu Recht zur Sprache. Zur Veranschaulichung dieser Widersprüche möchte ich einige Beispiele nennen. In einigen Entwicklungsländern wird Zuckerrohr zur Zuckerherstellung angebaut. In der Union wird ebenfalls Zucker aus Zuckerrohr hergestellt. Um zu verhindern, daß dieser billige Zucker aus den Entwicklungsländern dem teureren EU-Zucker Konkurrenz macht, wird auf diesen Rohrzucker eine hohe Einfuhrsteuer erhoben. Dies hat zur Folge, daß der Export von Rohrzucker aus den betroffenen Ländern in die EU enorm zurückgeht. Gleichzeitig leisten wir diesen Ländern umfangreiche Entwicklungshilfe. Ein Minister einer der Karibischen Inseln, auf denen Zuckerrohr angebaut wird, sagte mir einmal: Wenn Sie uns unseren Zucker in der Europäischen Union absetzen ließen, brauchten wir Ihre Entwicklungshilfe überhaupt nicht. Ein weiteres Beispiel: Kakao. Die Europäische Union will 5 % alternative Fette in Schokolade zulassen, um den Binnenmarkt zu harmonisieren. Es könnte auch 0 % sein, damit wäre der Binnenmarkt gleichfalls harmonisiert. Wenn man 5 % festsetzt, worauf es jetzt offensichtlich hinausläuft, weiß man mit ziemlicher Sicherheit, daß damit Hunderttausende von kleinen Kakaobauern in den Entwicklungsländern geschädigt werden. Dennoch scheint es in diese Richtung zu gehen. Was machen wir dann eigentlich? Das genau ist doch die Politik, von der unsere Bürger sagen: Was macht Brüssel eigentlich? Anscheinend ist die europäische Wirtschaft hier wichtiger als unsere Prinzipien, unsere Kohärenzen und die Interessen der Entwicklungsländer. Auch im Bereich Sanktionen und Embargos gibt es schockierende Beispiele. Warum wurde ein Ölboykott gegen Haiti und nicht gegen Burma verhängt, wo eine gewählte Präsidentin unter Hausarrest steht, ein Parlament aufgelöst und einige Parlamentsmitglieder inhaftiert, ja sogar ermordet worden sind? Warum kein Ölboykott gegen den Sudan, wo noch immer gekämpft wird, und zwar wohlgemerkt mit Waffen, die mit dem Geld der in den Flüchtlingsgebieten tätigen Ölgesellschaften bezahlt werden? Die Inkohärenz ist offensichtlich ganz enorm. Herr Nielson hat wieder ein schönes Beispiel für das neue Lomé-Abkommen angeführt. Wenn dieses neue Abkommen in Kraft tritt, ohne daß alle diese Inkohärenzen aus der Politik getilgt werden, dann ist diese Politik auf Sand gebaut, um einen biblischen Ausdruck zu gebrauchen. Der Rat hat immer wieder die Bereiche benannt, in denen es an Kohärenz mangelt: Landwirtschaft, Handel, Konfliktprävention, Friedensmissionen, Fischerei, Migration und Umweltschutz. Herr Kommissar Nielson, wir erwarten einen aussagekräftigen Bericht über diese Inkohärenzen und auf konkrete Vorschläge, wie sie aus der Politik entfernt werden können. Ich wiederhole: Sonst sind all Ihre schönen Beispiele, all Ihre prächtige Politik - und das sage ich auch dem Staatssekretär - auf Sand gebaut und werden nicht allzuviel bewirken. Die Bürger sprechen uns darauf an. Wir haben es bereits seit 1992 gesagt: Dies ist das Thema dieser Debatte. Ich hoffe, Sie verinnerlichen diese Botschaft und legen in Kürze einen Bericht mit Maßnahmen vor. Herr Präsident, verehrter Herr Ratspräsident, verehrter Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ganz im Geiste meiner Kollegin Maij-Weggen glaube ich, daß wir hier mit einer Reihe von Vertretern sitzen, die sich alle eingehend mit diesem Thema beschäftigen wollen. Wir sprechen über ein für die Europäische Union höchst bedeutsames Thema. Ich möchte zunächst präzisieren, worüber wir hier debattieren. Artikel 178 Titel XX der konsolidierten Fassung des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft lautet wie folgt: "Die Gemeinschaft berücksichtigt die Ziele des Artikels 177 bei den von ihr verfolgten Politiken, welche die Entwickungsländer berühren können. " Welche Ziele muß jede Politik der Europäischen Union berücksichtigen? Artikel 177 spezifiziert diese Ziele als "die nachhaltige wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Entwicklungsländer, insbesondere der am meisten benachteiligten Entwicklungsländer ", die "harmonische, schrittweise Eingliederung der Entwicklungsländer in die Weltwirtschaft " und "die Bekämpfung der Armut in den Entwicklungsländern ". Dies sind keine unverbindlichen Ziele, dies sind Rechtstexte, die Teil des gesetzlich festgelegten europäischen Besitzstands sind, an den sich die europäischen Institutionen und die Mitgliedstaaten zu halten haben. Jeder Gesetzesartikel muß natürlich nicht nur nach seiner Gesetzmäßigkeit beurteilt werden, sondern auch nach der Tragweite des Inhalts. Meiner Meinung nach, und glücklicherweise stimmen mir da viele zu, ist das Prinzip der Politikkohärenz für jede Regierung, die ein glaubwürdiger Diener ihrer Bürger sein will, von wesentlicher Bedeutung. Den Interessen der Bürger ist nur mit einer ebenso glaubwürdigen wie berechenbaren Regierung gedient. Dies ist wichtig für das Vertrauen, das die Gesellschaft in die Regierung setzt, aber auch bedeutsam hinsichtlich der Zweckmäßigkeit, denn für die effiziente Nutzung unserer beschränkten Mittel ist Kohärenz erforderlich. Wir dürfen die Realität nicht rosiger darstellen, als sie ist. Die Realität ist unbequem. Es ist Aufgabe der Regierung, mit dieser Tatsache transparent und offen umzugehen, ohne Hintertürchen. Die Regierung ist verpflichtet zu offenbaren, in welchen Dilemmas sie steckt und wo, wann und warum es Probleme mit der Politikkohärenz gibt, anstatt alles einfach unter den Teppich zu kehren. Wir sprechen hier heute nicht über Luxus: Die Armut in der Dritten Welt ist ein außerordentlich ernstes Problem, das gebührende Aufmerksamkeit erfordert. Selbstverständlich wahren wir als Parlament die Interessen unserer Bürger, aber unseren Bürgern ist auch daran gelegen, in einer stabilen internationalen Umgebung zu leben, in der menschliche Sicherheit angestrebt wird. Das ist ein moralisches Interesse, ein Sicherheitsinteresse und letztlich sogar ein Interesse unserer Wirtschaft. Wem ist eigentlich damit gedient, wenn Steuergelder der Bürger Europas in Hilfe für Namibia zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung fließen, wenn gleichzeitig die wirtschaftliche Tätigkeit der armen Viehbauern in diesem Land durch knallharte Exportsubventionen, die von eben diesen Steuerzahlern bezahlt werden, in großem Umfang behindert wird? Wir tun alle so, als geschähe das nicht, aber wir wissen alle, daß es sehr wohlgeschieht. Es ist nicht unsere Aufgabe als Parlamentarier, gleich einem Strauß den Kopf in den Sand zu stecken. Die Politikkohärenz liegt in der Verantwortung der gesamten Kommission, des Rats und des Europäischen Parlaments. Diese Verantwortung kann nicht nur vom Kommissar für Entwicklung und Zusammenarbeit getragen werden, so gerne wir ihn hier auch sehen und reden hören, oder vom Rat "Entwicklung " bzw. dem parlamentarischen Ausschuß für Entwicklung und Zusammenarbeit. Hier bedarf es eines integralen Ansatzes. Nach den sehr klaren und scharfsinnigen Ausführungen von Herrn Amado und Herrn Nielson zu diesem Punkt möchte ich hinzufügen, daß wir auf die Vorschläge der Kommission - und zwar der gesamten Kommission, nicht nur von Kommissar Nielson -, die Politik im Ganzen stimmig zu machen, gespannt sind. Daher fordern wir die Kommission in dieser scharfen und deutlichen Entschließung auf, konkrete Instrumente zu entwickeln. Wir müssen herausstellen, wo Kohärenz ein Problem ist, und wir müssen diese Probleme auflisten. Wir müssen zeigen, welche Probleme wir gelöst und für welche wir noch keine Lösung gefunden haben. Daher plädiere ich für eine Kohärenzbeobachtungsstelle, die dies offenlegt. Deshalb müssen wir in der Kommission, im Rat, im Parlament institutionsübergreifende Arbeitsgruppen einrichten, die den Stand der Kohärenz überwachen können. Wenn das Dach unseres Nachbarn undicht ist, können wir ihm Eimer und Schüsseln geben, um das Wasser aufzufangen, aber natürlich ist es zweckmäßiger, ihm beim Abdichten der Schadstelle zu helfen. Die Krise in der Kommission vom vergangenen Jahr ist heute gelöst, aber jetzt muß die Kommission eine Politik entwickeln, in der wir die uneingeschränkte Unterstützung für unsere Vorgehensweise erhalten, für eine Kohärenz, wie sie das Parlament zweifellos in der Entschließung geschlossen fordern wird. Ich wünsche dem Herrn Kommissar viel Erfolg bei seinem Kampf in der Kommission und Herrn Amado viel Erfolg im Rat. Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns gleich zu Beginn festhalten, daß die Kohärenz im Bereich der Zusammenarbeit bei weitem nicht selbstverständlich ist. Die Verträge sehen zwar vor, daß die Europäische Union die Entwicklungsländer in ihren Entwicklungsbemühungen unterstützt, aber wie die anderen Kollegen bereits ganz richtig gesagt haben, sieht die Realität völlig anders aus. Die erste Inkohärenz kommt daher, daß es keine Abstimmung zwischen der Union und den Mitgliedstaaten hinsichtlich ihrer jeweiligen Kooperationspolitiken gibt. Dies führt zu gravierenden Fehlentwicklungen, da einige Gemeinschaftsprogramme an nationale Programme angehängt werden, obwohl sie andere Projekte, die nicht weiterverfolgt werden, hätten unterstützen können. Hinzu kommt, daß die faktische neokolonialistische Politik einiger Mitgliedstaaten in keiner Weise zur Entwicklung der Länder, die man angeblich unterstützen will, beiträgt. Die zweite Inkohärenz bezieht sich auf die Hilfe für Diktaturen. Man erklärt zwar eine verantwortungsbewußte Staatsführung und das Ende der Korruption zu zwingenden Voraussetzungen, überweist jedoch weiterhin - auf dem Umweg über das Portefeuille einiger Regierungschefs - Beträge in Höhe von Hunderttausenden Euro auf Konten in der Schweiz. Die dritte Inkohärenz betrifft die Menschenrechte. Angeblich möchte man sie schützen. Man fordert die Entwicklungsländer zu ihrer Einhaltung auf. Man verabschiedet sogar zahlreiche Entschließungen, in denen jeder Verstoß gegen die Menschenrechte verurteilt wird. Man schließt sich auch den Protesten und internationalen Kampagnen an. Aber gleichzeitig läßt man der Ausbreitung des Waffenhandels freien Lauf, ohne sich auch nur darum zu kümmern, daß der Handel mit den schrecklichsten Waffen, wie zum Beispiel den Antipersonenminen, eingedämmt wird. Außerdem tut man nicht gerade besonders viel dafür, die Menschenrechtsverletzungen wirklich zu verhindern. Die vierte Inkohärenz in der Kooperationspolitik der Europäischen Union ist folgende: Wie wollen Sie zur Entwicklung beitragen, wenn Sie gleichzeitig die natürlichen Ressourcen der Länder, denen Sie helfen möchten, plündern? Die Europäische Union muß den Fischern vor Ort ihren Fisch lassen, damit sie ihr Volk ernähren können, anstatt mit ihrer Überfischung systematisch den Meeresgrund zu zerstören. Man muß die Rohstoffe den Produzenten vor Ort überlassen, damit sie sie verarbeiten können. Das Thema Erdöl möchte ich gar nicht erst ansprechen, denn leider ist uns die Politik der Konzerne wie etwa Elf oder Total in Afrika sattsam bekannt. Als nächste Konsequenz - und dies wird vielleicht bald die fünfte Inkohärenz sein - fordern wir die Bewahrung der Artenvielfalt, unter anderem, um allen die Möglichkeit zu geben, mit ihrem eigenen Saatgut zu arbeiten und um den natürlichen Reichtum zu erhalten. Aber gleichzeitig - bei den letzten Verhandlungen haben wird dies erneut erlebt - zwingt man die AKP-Staaten zur Unterzeichnung der TRIPS-Abkommen, obwohl diese Abkommen möglicherweise auf den Bereich der Lebewesen ausgedehnt werden. Diese Ausweitung würde jedoch das Ende der Artenvielfalt und die Rückkehr zur faktischen Sklaverei für die kleinen, den Multis ausgelieferten Landwirte im Süden bedeuten. Auf der anderen Seite setzt man sich nicht für die Durchführung der bestehenden Verträge ein; dies ist die sechste Inkohärenz. So verabschieden wir einerseits einen Haushaltsrahmen für die Bekämpfung von Aids, und andererseits tun wir nichts dafür, daß die Einhaltung der obligatorischen Lizenzen innerhalb des Rahmens eben dieser TRIPS-Abkommen erzwungen wird, was den Entwicklungsländern allerdings die Möglichkeit geben würde, ihre eigenen Medikamente herzustellen und das durch Aids ausgelöste Massensterben zu stoppen. Im gleichen Sinne verteidigt die Europäische Union anläßlich der WTO-Verhandlungen - obwohl der Bericht Schwaiger bereits im zweiten Absatz darauf hinwies, daß der derzeitige Prozeß der Handelsliberalisierung weiten Teilen der Bevölkerung der Entwicklungsländer, und hier insbesondere den ärmsten Ländern, kaum zugute kommt - weiterhin die Liberalisierung des Handels und will, wenngleich eine mehrjährige Übergangsfrist vorgesehen ist, das Präferenzsystem zugunsten der AKP-Staaten abschaffen, obwohl man es eher hätte ausbauen sollen, vor allem für die ärmsten Länder. Die achte Inkohärenz ist politischer und praktischer Natur. Es heißt immer: global denken, lokal handeln. Allerdings werden dabei die lokalen Akteure im Entwicklungssektor vergessen, da man lieber mit den nationalen Regierungen diskutiert oder die NRO des Nordens zu Lasten der lokalen Programme und der NRO des Südens subventioniert. Landwirtschaft und Umwelt, auch hier gibt es noch weitere Problemfelder, weitere Inkohärenzen, die man hätte nennen können; nicht zu vergessen auch die Forschung, die Emigration oder die Gesundheit. Kurz, angeblich möchte man den Entwicklungsländern helfen, und gleichzeitig fördert man die Liberalisierung der Märkte, obwohl man weiß, daß dies einem derartigen Ziel widerspricht. Lassen Sie es uns noch einmal sagen: Die EU­Politik für Zusammenarbeit und Entwicklung ist nicht kohärent. Somit fordere ich im Namen der Fraktion der Grünen das Parlament, die Institutionen und die Kommission dazu auf, sich gemeinsam darum zu bemühen, unserer Politik endlich Kohärenz zu verschaffen. Herr Präsident! Ich halte die gegenwärtige Aussprache nicht nur wegen der Bedeutung des Themas der Entwicklung im allgemeinen, sondern auch wegen ihrer Aktualität für eine besondere Gelegenheit. Seattle war ein Fehlschlag, und die Nord-Süd-Beziehungen fielen dort aus negativen Gründen auf. Das in dieser nordamerikanischen Stadt durchgeführte Treffen dokumentierte, daß die Globalisierung mit äußerst unterschiedlichen und für die ärmsten Länder nachteiligen Folgen verbunden ist. Gerade jetzt und unter dem offensichtlichen Einfluß dieses Mißerfolgs findet auch in Bangkok die 10. Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung statt. Wie berichtet, sind die Verhandlungen über die Zukunft des Lomé-Abkommens abgeschlossen. Dies soll genügen, um die Bedeutung und Aktualität dieser Angelegenheit zu veranschaulichen. Wir können auch noch den bevorstehenden Gipfel Europäische Union-OAU nennen, der endlich für den kommenden April in Kairo vereinbart wurde. Hinzu kommt aber noch, daß uns jede Analyse, und sei sie noch so oberflächlich, unweigerlich zu dem Schluß veranlaßt, daß im Bereich der Nord-Süd-Beziehungen, einschließlich derjenigen zwischen der Europäischen Union und den am wenigsten entwickelten Ländern, einiges oder sogar vieles im argen liegt. Man denke nur daran, daß die Gruppe der sogenannten am wenigsten entwickelten Länder in den vergangenen 30 Jahren von 25 auf 48 angewachsen ist. Schon jetzt repräsentieren diese Länder 13 % der Menschheit, aber weltweit nur 0,4 % der Ausfuhren und 0,6 % Einfuhren. Oder an den bedauerlichen Umstand, daß die von den reichen Ländern geförderte staatliche Entwicklungshilfe seit 1990 um etwa 23 % zurückgegangen ist. Dieser Tendenz entsprechen übrigens auch die jüngsten, in diesem Bereich für das laufende Haushaltsjahr vorgenommenen Haushaltskürzungen der Gemeinschaft, die zudem ein negatives und falsches politisches Zeichen setzen. Wie der unverdächtige Michel Camdessus, noch amtierender Direktor des Internationalen Währungsfonds, in der Rede erklärte, die er am vergangenen Sonntag während der Eröffnung der UNCTAD-Konferenz hielt, ich zitiere, "gibt die Staatengemeinschaft mit der einen Hand und nimmt mit der anderen ". Damit meinte er selbstverständlich die Unterstützung, die die entwickelten Länder den am wenigsten entwickelten Ländern gewähren. Es wirkt wie Ironie, daß eine derartige Erklärung von einem solchen Mann kommt, doch er hat sie tatsächlich vorgetragen, ich hatte selbst Gelegenheit, sie zu hören. Sie scheint mir nicht im Widerspruch zur unmittelbaren Realität zu stehen, und sie veranlaßt mich zu versichern, daß es unerläßlich ist, die Nord-Süd-Beziehungen in neuen Formen zu durchdenken und wiederzubeleben, und daß es vor allem notwendig ist, die Rolle der Europäischen Union in diesem Rahmen zu überdenken, denn es steht doch fest, daß die Förderung einer neuen, gerechteren und angemesseneren Weltordnung auf jeden Fall ein strategisches Ziel der Union sein kann oder muß. Deshalb ist es unumgänglich, über die fortschreitende Globalisierung nachzudenken, dabei die wesentlichen Orientierungen und die vorherrschenden, ihnen zugrunde liegenden Interessen zu berücksichtigen und in diesem Zusammenhang speziell die gewaltigen schädlichen Auswirkungen zu untersuchen, die sich aus ihr für die am wenigsten entwickelten Länder ergeben. Nun wurde ja mit den AKP-Ländern ein neues Abkommen geschlossen. Das ist an sich eine positive Sache, vor allem, wenn man an den Druck denkt, der ausgeübt wurde, um dies zu verhindern, und daß ja sogar verschiedene Mitgliedstaaten gegen seine Fortsetzung aufgetreten sind. Zu gegebener Zeit werden wir noch Gelegenheit haben, uns eingehender mit dem genauen Wortlaut zu befassen, in dem dieses Abkommen verfaßt wurde. Sicher ist jedoch, daß die europäischen Unterhändler zaghafter waren und hinter den Vorschlägen zurückgeblieben sind, die wir rechtzeitig formuliert haben, obwohl das neue Abkommen durchaus neue und innovative Elemente enthält. Dazu haben gewiß auch einige politisch bedeutsame Wesenszüge des neuen Partnerschaftsabkommens beigetragen. Dieses war zweifellos das Ergebnis komplizierter Verhandlungen, in deren Verlauf beide Seiten erhebliche Zugeständnisse gemacht haben, was für die Europäische Union insbesondere im Bereich der guten Staatsführung und beim Handel gilt. Doch in erster Linie war es das Ergebnis einer Stärkung der AKP-Gruppe, die im Gefolge von Seattle offenbar zu einem neuen Geist gefunden hat. Ich möchte besonders hervorheben, daß sich allem Anschein nach gerade eine neue Form herausbildet, diese Fragen vorwiegend im Handelsbereich zu erfassen, und auf diesem Gebiet ist ein Ansatz auch wirklich notwendig. Nicht zuletzt macht es sich erforderlich, bei jenen Politiken Fortschritte zu erzielen, die dem weiteren Vorankommen der Entwicklungsländer dienen. Im Finanz­ und Haushaltsbereich, bei der Schuldenproblematik, bei der Unterstützung für sensible Bereiche wie der Lebensmittelsicherheit und der humanitären Sicherheit oder auch der Volksbildung und dem Gesundheitswesen, ebenso im Umwelt- und Investitionsbereich oder beim Zugang zu Informationen und neuen Technologien und schließlich auch auf handelspolitischem Gebiet, um gleichzeitig eine vollständige Kohärenz der Entwicklungspolitiken mit den anderen Gemeinschaftspolitiken und auch zwischen diesen beiden Politikfeldern und den entsprechenden Politiken der Mitgliedstaaten zu gewährleisten. Wir dürfen uns nicht damit abfinden, etwas im wesentlichen weiterzuführen, das sich in der Vergangenheit als unzulänglich und verfehlt erwiesen hat. Herr Präsident, nachdem ich heute den Ausführungen des Rates und der Kommission gefolgt bin, mußte ich mir die Tagesordnung noch einmal ansehen. Hier steht tatsächlich: "Kohärenz der verschiedenen Unionspolitiken mit der Entwicklungspolitik ". Aber darüber haben wir kein einziges Wort gehört und das halte ich für sehr peinlich. Wir haben jahrelang auf einen Bericht über Kohärenz gewartet. Er hätte heute hier schriftlich vorliegen müssen. Den Ausführungen von Herrn Nielson kann ich entnehmen, daß er mit starken Widerständen in der Kommission zu kämpfen hat. Ich weiß, daß er selbst gewichtige und sehr vernünftige Ansichten zur Kohärenz hat, und ich habe sie heute hier vermißt. Nachdem im gemeinsamen Entschließungsantrag eine Reihe effektiver Mechanismen zur Sicherung der Kohärenz vorgeschlagen werden, möchte ich mich in meiner kurzen Redezeit darauf beschränken, einen weiteren Mechanismus zu nennen, nämlich daß die Kommission in diesem Zusammenhang auch eine Bewertung einer neuen, relevanten Gesetzgebung vornehmen sollte. Im übrigen möchte ich mich auf die katastrophale Auswirkung der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU auf die Entwicklungsländer konzentrieren. Die Beispiele sind hoffentlich alle bekannt: Dumping von Rindfleisch in der Sahelzone und in Südafrika, von Tomatenmark in Westafrika, von Milchpulver in Jamaika. Sie sind auf jeden Fall den betroffenen Herstellern in den AKP-Ländern schmerzlich bewußt. Sie müssen ihre Produkte vernichten, weil sie mit den von der EU bezuschußten Produkten nicht konkurrieren können. Europäische Steuerzahler unterstützen die Landwirtschaft der EU mit 40 Mrd. Euro jährlich. Dieses Geld trägt dazu bei, die Entwicklung des Landwirtschaftssektors in den Entwicklungsländern zu behindern, in dem dort 69 % der Erwerbspersonen tätig sind, im Gegensatz zu 1,7 % in der EU. Hinzu kommt noch, daß der Landwirtschaftssektor 34 % des Bruttosozialprodukts der Entwicklungsländer ausmacht, gegenüber 5,3 % in der EU. Hier gibt es weder Kohärenz noch Anstand. Warum wollen der Rat oder die Kommission das nicht zugeben? Herr Präsident, es ist sicher von grundlegender Bedeutung, wie politische Entscheidungen zustande kommen. Der britische Premierminister und sein Außenminister haben gestern eine Erklärung über ihre Konzepte in bezug auf das Abstimmungssystem im Rat abgegeben. Beide wiesen darauf hin, daß im Vereinigten Königreich, Frankreich und Deutschland weit mehr Menschen leben, als in den anderen Ländern der Europäischen Union. Daraus folgerten sie, daß sich die Bevölkerungsgröße im Abstimmungssystem widerspiegeln solle, und daß das Vereinigte Königreich sein Vetorecht nicht aufgeben werde. Wird im Rat über dieses Thema diskutiert? Ist der Rat bereit, ein demokratisches Veto auf der Grundlage der Bevölkerungszahl aufrechtzuerhalten, oder versucht man im Rat weiterhin, einfache Mehrheitsentscheidungen der Ratsmitglieder zu erreichen, anstatt ein Abstimmungssystem anzuwenden, in dem die Bevölkerung, welche die Ratsmitglieder demokratisch repräsentieren, berücksichtigt wird? Haben die Vertreter des Vereinigten Königreichs den Rat über ihre Entscheidung informiert und ihren Vorschlag im Rat vorgelegt, und welche Reaktionen sind, falls überhaupt, darauf erfolgt? Da diese Abstimmungsfrage entscheidend für die demokratische Zukunft der Union ist, sollte der Prüfung dieser Frage Priorität eingeräumt werden. Schließlich ist es von größter Bedeutung, wie Entscheidungen getroffen werden. - (EN) Herr Präsident, ich danke dem Rat und der Kommission für ihre Erklärungen von heute morgen, ich möchte mich jedoch auf die Kohärenz der Unionspolitiken konzentrieren, denn dies ist gemäß der Tagesordnung das Thema dieser Aussprache. So sehr ich die Forderung nach einer Debatte über die Kohärenz der unterschiedlichen Unionspolitiken und der Entwicklungspolitik unterstütze, zweifle ich doch daran, ob heute der richtige Zeitpunkt für eine solche Debatte ist. Die Erklärung des Rates gibt allerdings Anlaß zur Hoffnung für die Zukunft. Für mich als jemanden, der sich auf das Gebiet der Entwicklungspolitik spezialisiert hat, ist klar erkennbar, daß die fehlende Kohärenz in vielen Bereichen schwerwiegende Folgen für die Entwicklungsländer hat. Ich werde kurz einige Beispiele nennen. Ich möchte das Hohe Haus jedoch daran erinnern, daß bereits im Juni 1997 in einer Entschließung des Rates festgestellt wurde, daß in einigen Bereichen der EU-Politiken ein erheblicher Mangel an Kohärenz in bezug auf die Entwicklungszusammenarbeit besteht. Danach wurde die Kommission vom Rat aufgefordert, einen jährlichen Bericht vorzulegen; über den ersten Bericht sollte 1998 diskutiert werden. Wir warten noch immer auf diesen ersten Bericht, und deshalb bin ich der Auffassung, daß diese Aussprache verfrüht ist, da die Kommission heute morgen nur wenig zum Thema Kohärenz beitragen konnte. Die vom Rat definierten Bereiche sind spezifische Gebiete, in denen die Kohärenz der Politiken besonders wichtig ist, dazu gehören die Friedensschaffung, die Konfliktverhütung und ­lösung, die Lebensmittelsicherheit, das Fischereiwesen und die Zuwanderung. Über einige dieser Themen wurde bereits ausführlich diskutiert. Ich bin der Ansicht, daß Bereiche wie die Friedensschaffung sowie die Konfliktverhütung und ­lösung in den Aufgabenbereich der afrikanischen Staats- und Regierungschefs fallen. Die Europäische Union sollte die vorhandenen Kapazitäten unterstützen, und die OAU sollte als Schlichter fungieren. Die Bereiche, die tatsächlich von der fehlenden Kohärenz betroffen sind, sind zum Beispiel die Landwirtschaft, der Handel, der Umweltschutz und die Artenvielfalt, doch genau darin liegt das eigentliche Problem: Dies sind höchst sensible Politikbereiche innerhalb der Europäischen Union als Ganzes und innerhalb dieses Parlaments im besonderen. Die Mitglieder dieses Hauses haben, selbst wenn sie denselben politischen Parteien angehören, unterschiedliche Ansichten dazu, die zum einen davon abhängen, aus welchen Land sie kommen und zum anderen, welchem Ausschuß sie angehören. Als Mitglied des Ausschusses für Entwicklung und Zusammenarbeit halte ich beispielsweise Kohärenz in Bereichen für erforderlich, in denen sie bei einigen Mitgliedern des Ausschusses für Landwirtschaft oder des Ausschusses für Fischerei blankes Entsetzen hervorrufen würden. Als Beispiel für mangelnde Kohärenz könnte man, wie es Frau Sandbæk getan hat, den Export von Milchprodukten nach Jamaika anführen, die dort weit unter den Produktionskosten verkauft werden und fast zum Ruin der jamaikanischen Milchindustrie geführt haben. Wir exportieren Rindfleisch ins südliche Afrika, nach Namibia und Südafrika, diese Länder verkaufen dann ihre eigenen Rindfleischerzeugnisse nach Swasiland, damit Swasiland seine Exportquote in die Europäische Union erfüllen kann. Es sei auch daran erinnert, daß es Länder gab, die ein Handelsabkommen mit Südafrika vier Jahre lang blockiert haben. Wenn wir lediglich Rohstoffe aus diesen Entwicklungsländern importieren und ihnen nicht die Möglichkeit der Wertschöpfung durch die Produktion von Fertigerzeugnissen im eigenen Land geben, verhindern wir, daß sie die Armut überwinden können, deren Bekämpfung wir doch gerade zum obersten Ziel unserer Entwicklungshilfe erklärt haben. Es überrascht mich nicht, daß es für die Kommission schwierig ist, ein Basisdokument für die Diskussion über eine nachhaltige und soziale Entwicklung zu erarbeiten. In den Entwicklungsländern besteht eine natürliche Ablehnung gegenüber allem, was eine Verschlechterung des Lebensstandards und einen Anstieg der Arbeitslosigkeit auslösen könnte. Ich wünsche der Kommission viel Erfolg bei der Erstellung dieses Basisdokuments. Herr Präsident! Die Aussprache heute vormittag ist eine sehr wichtige Debatte. Deshalb möchte ich der Kommission und dem Rat danken, daß sie der Kohärenz der Gemeinschaftspolitiken mit der Entwicklung eine Erklärung widmen, denn das zeigt den Willen, die Politik auf diesem Gebiet wirksamer zu gestalten. Wenn wir aber allein eine Diagnose der Inkohärenzen unserer Politik aufstellen, werden wir völlig frustriert sein, und darüber hinaus wird die Diagnose negativ ausgehen. Wie bei den Kräftesystemen in der klassischen Physik macht es keinen Sinn, Politiken in Gang zu setzen, die sich gegenseitig hemmen. Das Ergebnis dieses absurden Spiels ist nicht Null, sondern wäre ein negativer Wert, der sich aus materiellen, finanziellen und Humanressourcen zusammensetzt, die in einer nutzlosen Kraftanstrengung vergeudet würden. Ein negativer Wert, der sich in der Politik mit der Zahl von Resultaten multipliziert, die immer dann nicht erreicht werden, wenn eine Maßnahme die durch eine andere Maßnahme angestrebten Wirkungen annulliert. In der globalisierten Welt von heute tritt diese Wahrheit noch stärker zutage. Auch für die Gemeinschaftspolitiken gibt es keine Grenzen. Deshalb freue ich mich, daß die Kommission und der Rat ihr Interesse an der Kohärenz der Gemeinschaftspolitiken wiederentdeckt haben und daß sie zusammen mit der Komplementarität zwischen den nationalen Politiken und der Gemeinschaftspolitik und der Koordinierung zwischen den Diensten der Kommission die Politik der Entwicklungszusammenarbeit der Europäischen Union zu gestalten beabsichtigen. Sowohl die Kommission als auch die portugiesische Ratspräsidentschaft nehmen in ihre jeweiligen Arbeitspläne den Willen zur Einbindung der Kohärenz in die Politiken auf, die eine ganz bedeutende Auswirkung auf die Entwicklungsländer haben, aber ohne konkrete Maßnahmen aufzulisten, in denen diese Kohärenz ihren Niederschlag findet. Beide Institutionen nennen die großen Bereiche, in denen dieses Konzept zur Anwendung kommen soll. Die Kommission beispielsweise sagt in ihren langfristigen Orientierungen, daß das Ziel der nachhaltigen Entwicklung in einer starken Solidarität, gestützt auf eine Handelspolitik, welche die gemeinsamen Interessen berücksichtigt, zum Ausdruck kommen muß. Die Kommission bezieht sich auf einen sehr wichtigen Bereich, auf die Handelspolitik. Dem indes wollen wir im Parlament die Politiken der Entwicklungshilfen, die der Landwirtschaft, der Fischerei, der Migrationen, der Position in den internationalen Finanzinstitutionen, der Außenpolitik und gemeinsamen Sicherheit sowie der Strukturanpassungshilfen hinzufügen. Der Rat - das sagte Herr Luis Amado heute morgen - hat sich schon mehrmals über die Notwendigkeit der Kohärenz ausgesprochen - zuletzt erst im November 1999, aber auch bei anderen Gelegenheiten, so bei den Räten "Entwicklung " vom Mai 1999 und Juni 1997 , aber ohne irgendwelche konkreten Ergebnisse. Wir sind einverstanden mit dem, was der Rat "Entwicklung " konzipiert hat - das sehr wichtig ist -, und können wenig sagen, wie schon jemand vorher in seinem Beitrag anführte. Als Parlament dagegen möchten wir - wie ebenfalls gesagt wurde und in der Entschließung gefordert wird - die Bildung einer direktionsübergreifenden Arbeitsgruppe, zu der die Verantwortlichen aller genannten Politiken gehören, die Einrichtung einer Beobachtungsstelle der Kohärenz der verschiedenen Gemeinschaftspolitiken vorschlagen, die in der Lage ist, die Auswirkungen jeder einzelnen Politik in den Entwicklungsländern und untereinander vorherzusehen. Aber Tatsache ist, daß wir Realisten sein wollen, und uns entgeht nicht, daß die Verfolgung dieser Ziele der Koordinierung, Komplementarität und des Kompliziertesten, über das wir gerade sprechen, der Kohärenz, eine ausgefeiltere Politik erfordert, als wir sie gegenwärtig in der Europäischen Union haben. Hoffen wir - und wir tun es -, daß uns der Wind der Veränderung leitet, den uns die Regierungskonferenz, die Reform der Kommission - die auch die Entwicklungsdienste betreffen wird -, diese neue Wahlperiode und die Perspektiven der Erweiterung bringen, um eine kohärentere politische Union weiter zu vervollkommnen. Deshalb erwarten wir, daß die Kommission in dem Bericht, den sie uns über die globale Politik geben wird, auch die Frage der Kohärenz als integrierenden Bestandteil für die effektive Verwendung der Gemeinschaftsressourcen und die konkrete Verwaltung der öffentlichen Interessen behandelt. Herr Präsident, ich möchte dem Rat und der Kommission für ihre Darlegungen danken und mich der Kritik meiner Vorredner anschließen, daß die Kohärenzpolitik nicht ausreichend behandelt worden ist. Wir Parlamentsmitglieder zweifeln ja keine Sekunde an der Ursache. Ich möchte mich deshalb an ein allgemeineres Thema halten und zunächst ein paar meiner Ansicht nach interessante Zahlen nennen. Anfang des neunzehnten Jahrhunderts war das Realeinkommen pro Einwohner in den reichsten Ländern der Welt drei Mal höher als in den ärmsten Ländern, 1900 war es 10 Mal höher und im Jahr 2000 war es 60 Mal höher. Und es liegen keine Anzeichen dafür vor, daß sich an dieser Entwicklung etwas ändern wird. Im Gegenteil sieht es so aus, als verlaufe die Entwicklung exponential, so daß die Unterschiede noch stärker zunehmen. Darauf deuten die folgenden Zahlen hin: Der Einkommensunterschied zwischen dem reichsten und dem ärmsten Fünftel betrug 1960 30:1, 1990 60:1 und 1997 74:1. Diese Zahlen stammen aus der Zeit vor der Internet-Revolution. Mit anderen Worten: In der Entwicklungspolitik muß ein Quantensprung stattfinden, damit die reichen Länder - hierunter die EU-Staaten - keinen Schutzwall errichten müssen, um eine Einwanderung in massivem Umfang zu verhindern. In einem globalen Dorf werden die großen Unterschiede dieser Welt vom ärmsten Teil des Dorfs langfristig nicht akzeptiert werden. Irgendwann wird es einen Aufstand geben, und zwar zu Recht. Ich möchte deshalb die Ratspräsidentschaft dazu auffordern, möglichst schnell die angekündigte Debatte zu beginnen und vor allem auch zu einem Ende zu bringen, damit uns allen klar wird, vor allem den Bürgern Europas, was die Globalisierung bedeutet, damit wir verstehen, daß umfassende Änderungen im Entwicklungsbereich sehr wichtig sind. Das Niveau unserer Entwicklungshilfe liegt weit unterhalb der versprochenen durchschnittlichen 0,7 % in der EU. Vielleicht sieht es bei anderen noch schlechter aus, das hilft aber nicht uns. Aber vor allem müssen wir den Ländern die Möglichkeit geben, mit uns Handel zu treiben. Ich habe das Wort Handel - falls ich nichts überhört habe - in der Rede des Ratspräsidenten überhaupt nicht gehört. Herrn Nielson möchte ich wünschen, daß er mit seinen Vorschlägen in der Kommission und den Mitgliedstaaten durchkommt, und ich möchte den Kommissar bitten, einige konkrete Beispiele für Sektorinteressen zu nennen, die nicht nur zu Blockierungen in der Kommission führen, sondern auch in den Mitgliedstaaten. Im übrigen glaube ich, daß es am effektivsten wäre, wenn das Parlament den Entwicklungsausschuß und das Kommissionsmitglied um einen Entwurf bitten würde, so daß wir eine Diskussionsgrundlage hätten, anstatt allen Regierungen und der gesamten Kommission einen Vorschlag abzuverlangen. Das ist nicht effektiv. Abschließend möchte ich noch die Internet-Revolution erwähnen. Wie Herr Liikanen zu sagen pflegt, haben wir in Europa im mobilen Bereich einen Vorsprung. Wir sollten ihn nutzen, nicht nur zum Vorteil für die eigene Bevölkerung, sondern auch zum Nutzen der Entwicklungsländer. Diese Technik kann den notwendigen Quantensprung bewirken, und hier kann die EU die Tagesordnung festlegen, die Entwicklung prägen und ihrer globalen Verantwortung gerecht werden. Herr Ratspräsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Kommissar Nielson! Ohne Kohärenz in den verschiedenen Politikbereichen geht es nicht, wenn man will, daß Entwicklungspolitik tatsächlich zum Erfolg führt. Denn ich kann doch nicht einerseits mit der einen Hand etwas aufbauen und das Geschaffene dann mit der anderen Hand kurz darauf wieder einreißen! Leider ist festzustellen, daß ein Großteil der EU-Politiken eben nicht kohärent ist. Das gilt in ganz besonderem Maße für die Agrarpolitik. Denn nach wie vor behindert die Europäische Union durch ihre aggressive Exportpolitik und ihre Marktabschottung die Entwicklungsländer a) an der eigenständigen Agrarentwicklung und b) daran, mit ihren Produkten angemessen auf unseren Märkten vertreten zu sein. Diese Landwirtschaftspolitik schadet ja nicht nur den kleinen und mittleren Erzeugern in diesen Ländern, sondern ebenso den Produzenten in der Europäischen Union. Sie werden gegeneinander ausgespielt. Das muß hier einmal deutlich gesagt und gesehen werden. Wenn ich sehe, Herr Ratspräsident Armado, daß in einem Land wie Brasilien mit über 8 Millionen km2 Fläche, das mittlerweile Grundnahrungsmittel einführen muß, fast 40 Millionen Menschen immer noch unterernährt sind und hungern, dann muß ich sagen, das hat auch etwas damit zu tun, wie wir unsere Landwirtschaftspolitik betreiben, indem wir mit dem Soja aus diesem Lande unsere Rindfleischberge produzieren, um sie dann in den Kühlhäusern wieder einzulagern! Hier wird auch deutlich, daß die Politik verändert werden muß, aber natürlich auch in den Entwicklungsländern Änderungen erfolgen müssen zugunsten regionaler Strukturen. Entscheidend wird in Zukunft auch sein, welche Politik die Europäische Union gerade zugunsten der Länder des Südens in der Welthandelsorganisation verfolgt, wie sie den Ländern dort eine Stimme, eine angemessene Mitsprache verschaffen will, und natürlich auch, wie die Europäische Union ihre Märkte für diese Länder öffnet. Denn es kann ja nicht angehen, daß wir von den Ländern eine reziproke Marktöffnung verlangen, gerade von den Entwicklungsländern, und wir hier in der Europäischen Union weiterhin mauern. Auch die TRIPs-Regelung kommt gerade den Ressourcen in diesen Ländern nicht entgegen. Denn sie müssen dann hier wieder teuer für ihre Grundprodukte zahlen, die vorher von uns patentiert worden sind. Lassen Sie mich noch einen Punkt zur Kohärenz im Hause sagen! Oftmals wird auch hier in den verschiedensten Ausschüssen und auch hier im Plenum abgestimmt, was eben nicht kohärent ist, was nicht mit der Entwicklungspolitik übereinstimmt. Deswegen sollte die Entwicklungspolitik ein Querschnittsgebiet sein für alle Ausschüsse, und es sollte nicht so wie heute, nur einmal im Jahr darüber gesprochen werden, wenn es gerade opportun ist. Auch die Politiken der 15 EU-Länder müssen entsprechend koordiniert werden, denn es geht nicht an, daß nach wie vor nationale Interessen auf dem entwicklungspolitischen Etat gekocht werden und Entwicklungshilfe an Bedingungen gekoppelt wird, wie beispielsweise: Kaufst du meine Waffen, bekommst du mehr Entwicklungshilfe! Das kann in Zukunft so nicht stehen bleiben. Mehr Kohärenz ist dringend geboten, das gilt nicht nur für die Europäische Kommission, die Union, sondern auch für uns in diesem Hause! Herr Präsident! Die Berichte geben Rechenschaft, zeugen jedoch auch von der wachsenden Widersprüchlichkeit der Entwicklungspolitik der Union und ihrer Mitgliedstaaten. Wenn festgestellt wird, daß die Beseitigung der Armut der gemeinsame Nenner ist, so ist das eher Wunsch als Wirklichkeit. Tatsache ist, die Zahl der Armen ist in den vergangenen 20 Jahren nicht gesunken, sondern auf 1,4 Milliarden angewachsen. Eine ehrliche Bilanz der Nord-Süd-Politik kommt nicht an der Tatsache vorbei, daß sich die Schere zwischen den ärmsten und den reichsten Ländern weiter geöffnet hat. Statt dies als eine direkte Folge der neoliberalen Politik zu bezeichnen, wird die Notwendigkeit betont, den Begriff "gute Regierungsführung " für die Entwicklungshilfe klarer zu definieren. Ich frage mich allerdings, mit welchem moralischem Recht und Anspruch soll das geschehen, wenn die geforderten Kriterien Demokratie und Rechtstaatlichkeit in Mitgliedstaaten der EU selbst verletzt werden? Korruption blüht, schwarze Parteikassen werden angelegt, und EU-Mittel vermutlich in Wahlkampfkassen geleitet. Der kritische Umgang mit uns selbst ist hier Voraussetzung für die Festlegung realer Kriterien. Es sollte auch nicht vergessen werden, daß die Mitgliedstaaten der Union sich der Bereitstellung von 0,7 % des Bruttosozialprodukts für Entwicklungshilfe nicht nähern, sondern im Gegenteil sich immer weiter davon entfernen. Bedauerlich scheint mir auch, daß in dem Bericht kein Wort über Rüstungsgeschäfte verloren wird, andere Kolleginnen und Kollegen haben darüber bereits gesprochen. Damit machen die Industrieländer im Verein mit herrschenden Kasten in manchen AKP-Ländern nicht nur gewaltige Gewinne, sondern es wird auch ein fürchterlicher Kreislauf in Gang gesetzt, den wir nicht vergessen sollten. Erst werden Waffen geliefert, dann brechen gewaltsame Konflikte auf, bis schließlich Truppen der Waffenlieferstaaten eingesetzt werden, und dann beginnt alles wieder von vorne. Unterstützen möchte ich besonders im Bericht des Herrn Corrie die Feststellung, daß wir Anlaß haben, einen fairen Umgang mit dem Antrag Kubas auf Beitritt zu den AKP-Staaten zu prüfen. Dort wird hervorgehoben, welche Veränderungen im Ansatz sich dort zeigen. Wir sollten hier nicht den USA folgen, sondern mehr von unseren eigenen Positionen ausgehen und nicht neue, höhere Hürden errichten. Herr Kommissar, Kohärenz der Politiken zu fordern und darzustellen, ist gut. Aber sie will auch durch politische Arbeit der Kommission im Zusammenwirken mit dem Parlament gestaltet werden, und hier glaube ich, liegen große Aufgaben vor uns, an denen ich mich beteiligen werde. Herr Präsident! "Um die Entwicklungszusammenarbeit der Europäischen Union ist es erbärmlich schlecht bestellt. " Das war in einem vergangene Woche erschienenen Zeitungsartikel zur Entwicklungspolitik der Union zu lesen. Diese Einschätzung ist nicht neu. Seit wir uns in Europa mit Entwicklungszusammenarbeit beschäftigen, werden ihre Effektivität und Qualität in Frage gestellt. Die Hoffnung auf Besserung droht zu schwinden, wenn sich die Kommission weiterhin weigert, in den Spiegel zu schauen. Warum wurde der kritische Bericht über die Kohärenz der Entwicklungspolitik nicht veröffentlicht? Eine wichtige Schlußfolgerung dieses Berichts betraf die der europäischen Politik immanente Widersprüchlichkeit. Vor allem in den Bereichen Handel und Landwirtschaft steht die europäische Politik im Gegensatz zur Entwicklungspolitik. Es gelingt uns nicht, einen ernsthaften Beitrag zur Entwicklung der am wenigsten entwickelten Länder zu leisten. Das hängt mit den unterschiedlichen Ansichten in bezug auf Entwicklungszusammenarbeit in den einzelnen Ländern der Union zusammen. Wir dürfen Entwicklung und Zusammenarbeit nicht länger als ein Instrument der auswärtigen Beziehungen betrachten, sondern sie ist als selbständiger Politikbereich zu bewerten. Ich plädiere für eine transparente, solidarische und effiziente Entwicklungspolitik. Solange das europäische Herangehen an die Entwicklungsproblematik eher Ineffizienz und Geldverschwendung verursacht, ist es ratsam, den Mitgliedstaaten eine größere Rolle zuzuweisen. Abschließend möchte ich die Kommission auffordern, dem Europäischen Parlament das erwähnte Dokument so rasch wie möglich zu übermitteln, damit auch wir uns konstruktiv über mögliche Lösungen Gedanken machen können. Herr Präsident, Herr Kommissar, liebe Kollegen! Ich halte diese Initiative für zweckdienlich und in jeder Hinsicht sinnvoll. Wie mehrere Kollegen bereits angeführt haben, erleben wir immer wieder Situationen, in denen ein großer Widerspruch besteht zwischen dem, was wir mit der Entwicklungs- und Kooperationspolitik erreichen wollen, und dem, was wir mit anderen sektoralen Politiken rückgängig machen, die bei der Entwicklung derselben Länder entgegengesetzte Interessen verfolgen. Wir reden nicht nur von den konkreten Auswirkungen unserer gemeinsamen Maßnahmen, vom Fremdenverkehr, von der Umwelt, der Landwirtschaft, der Fischerei, der Industrie. Wir reden allgemein - und das ist das Schlimmste - von den Widersprüchen zwischen unseren wirtschafts- und handelspolitischen Maßnahmen und unseren verteidigungspolitischen Maßnahmen. Letztlich gibt es eine ganze Reihe von Situationen, die widersprüchlich sind. Meiner Ansicht nach sind die Widersprüche im Bereich der Gemeinschaftspolitiken nicht ganz so ausgeprägt. Bei bestimmten Zielstellungen und Industrien einiger Mitgliedstaaten sind sie allerdings ausgeprägter. Darüber müssen wir uns im klaren sein. Einerseits nehmen wir häufig Entschließungen über Friedensprozesse in anderen Teilen der Welt an, wie beispielsweise vor kurzem im Fall Indonesiens, ein himmelschreiender Fall. Dann wieder stellen wir fest, daß einige europäische Länder ihnen Waffen und Kriegsmaterial geliefert hatten. Das sind für mich die gravierendsten Widersprüche in diesem ganzen Bereich, sie sind gravierender als jene, die aus einer gewissen Unvereinbarkeit der sektoralen Politiken herrühren, die es ja ebenfalls gibt. Natürlich wissen wir, daß auch innerhalb eines bestimmten Landes stets Widersprüche zwischen mehreren Politiken bestehen. Das ist normal. Auf der Ebene der Europäischen Union müssen wir uns auch bewußt sein, daß es Widersprüche zwischen den einzelnen Gemeinschaftspolitiken geben wird, in diesem Fall bei der Entwicklungspolitik. Wir müssen uns bewußt sein, daß diese Widersprüche vorhanden sind und daß wir sie soweit wie möglich reduzieren müssen. Dieses Ziel, die Widersprüche zu minimieren, ist ein gerechtes und vernünftiges Ziel, auf das die vorgelegte Entschließung ausgerichtet ist. Meiner Meinung ist der Gedanke, eine Beobachtungsstelle für die Entwicklung dieser Kohärenz zwischen den Gemeinschaftspolitiken und der Kooperations- und Entwicklungspolitik einzurichten, durchaus einleuchtend und sachdienlich. Ihr Handlungsfeld darf nicht auf die Gemeinschaftspolitiken beschränkt sein, sondern muß auch die Maßnahmen oder Politiken der Mitgliedstaaten umfassen, eingeschlossen die Maßnahmen von Wirtschaftsgruppen, was ich für wichtig halte. Diese Beobachtungsstelle sollte jährlich einen Bericht über die Entwicklung und die Auswirkungen dieser Politiken sowie ihrer Verbindung erarbeiten. Für den Schluß habe ich mir eine Frage aufgehoben, die aus meiner Sicht von grundlegender Bedeutung ist und von diesem Parlament geprüft und bestätigt werden muß. Unser Ziel, die Widersprüche zwischen der Kooperations- und Entwicklungspolitik und den übrigen Politiken auf ein Mindestmaß zu reduzieren, muß nicht nur innerhalb der Europäischen Union, sondern wegen der zunehmenden Globalisierung der Wirtschaft auch im Weltmaßstab Gültigkeit haben. Wenn wir einen fairen Welthandel erreichen wollen, müssen wir dasselbe Prinzip in der nächsten multilateralen Verhandlungsrunde bei der Welthandelsorganisation durchsetzen, weil es ein Widerspruch wäre, wenn sich die Europäische Union eine eiserne, wenngleich gerechte Disziplin auferlegte, nur damit die Vereinigten Staaten und andere Großmächte dann das Gegenteil tun und das ausnutzen, was wir nicht machen. Darum ist es richtig und notwendig, daß diese Grundsätze bei der nächsten Runde der Welthandelsorganisation festgelegt werden. Herr Präsident, der Generaldirektor der für Entwicklung zuständigen Generaldirektion sagte, einen Bericht über die Kohärenz der verschiedenen Unionspolitiken mit der Entwicklungspolitik zu erstellen, bevor das im Frühjahr fällige Dokument über die Entwicklungspolitik vorgelegt worden sei, hieße, das Pferd von hinten aufzuzäumen. Es ist unerheblich, daß die in der Entschließung des Rates klar definierte Forderung an die Kommission, einen jährlichen Bericht vorzulegen, nur mit einem "Non-Paper " erfüllt wurde. Das eigentliche Problem besteht darin, daß in einer Zeit, in der die Armut weltweit zunimmt, dieses Pferd den Berg erklimmt und der Karren, auf dem die anderen EU-Politiken abgeladen sind, so schwer ist, daß die Entwicklungspolitik langsam nach hinten wegrutscht. Die Entwicklungspolitik wird ständig vergessen oder als Anhängsel betrachtet, wenn die wichtigsten politischen Entscheidungen der Europäischen Union getroffen werden. Nehmen wir zum Beispiel die neue Schokoladenrichtlinie, aus der hervorgeht, daß die EU-Länder jährlich mehr für Schokolade ausgeben als für Entwicklungshilfe. Eine ordnungsgemäße Bewertung der entwicklungspolitischen Auswirkungen dieser Richtlinie erfolgte nicht, die nach Schätzungen der Erzeugerländer, von den 90 % zu unseren AKP-Partnern gehören, zu Einkommenseinbußen für die Kakao-Erzeuger von mindestens 15 % führen könnte. Nehmen wir die Fischereiabkommen, die zeigen, wie wenig nachhaltig die derzeitige Fischereipraxis in den EU-Gewässern ist. Wir verhandeln gleichzeitig über Joint Ventures, die den großen europäischen Fischereifahrzeugen einen erweiterten Zugang zu den Gewässern der Entwicklungsländer verschaffen sollen, und wodurch weltweit 190 Millionen kleiner Fischer in diesen Ländern ihre Arbeit verlieren werden. Nehmen wir die Handelsabkommen. Wie Herr Nielson heute morgen in bezug auf das Lomé-Abkommen sagte, gilt die Präferenzregelung lediglich für "im wesentlichen alle Erzeugnisse der am wenigsten entwickelten Länder ". Mit anderen Worten wird die Armutsbekämpfung bedeutungslos, sobald es um die kommerziellen Interessen der EU geht. Angesichts der Haltung, die wir in Seattle eingenommen haben, wundert mich das Schweigen zum Versäumnis der EU, die Handelserleichterungen umzusetzen, die für die Entwicklungsländer bereits in den GATT-Verhandlungen beschlossen waren, darunter im äußerst wichtigen Textilsektor. In bezug auf die Gemeinsame Agrarpolitik, dem größten Übeltäter, wurde keine Bewertung der entwicklungspolitischen Auswirkungen der GAP-Reformen im Rahmen der Agenda 2000 vorgenommen. Der Skandal um das System der Ausfuhrerstattungen ist allgemein bekannt: 54 000 Tonnen überschüssiges, subventioniertes Rindfleisch wurden zu Dumpingpreisen in die westafrikanischen Märkte exportiert, und dies hatte einen Einbruch der Erzeugerpreise für die einheimischen Rinderzüchter um 50 % zur Folge. Derzeit sind 300 000 Tonnen Rindfleisch eingelagert. Wer wird das nächste Opfer sein? Ich begrüße die Erklärung von Herrn Amado, in der er heute morgen auf die Probleme im Zusammenhang mit der fehlenden Einbeziehung des EEF in den Haushaltsplan hingewiesen hat, und in der eine aktivere Rolle des Entwicklungsrates sowie die Berücksichtigung von Entwicklungsprioritäten als zentrales Element der neuen Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik gefordert werden. Ebenso begrüße ich die Erklärung des Rates von 1992, dessen Entschließung von 1997 und die darauf folgenden Änderungen im Vertrag der Europäischen Union. Bisher sind die erforderlichen Maßnahmen nicht eingeleitet worden. Aus diesem Grund fordern wir jährliche Berichte, wir fordern eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe, die einmal jährlich zusammentritt, und wir fordern ein Klageverfahren, um sicherzustellen, daß die entsprechenden Maßnahmen auch wirklich erfolgen. Ich bitte Herrn Nielson, in seiner Zusammenfassung direkt zu diesen Punkten der Entschließung Stellung zu nehmen. Herr Präsident! Ich möchte lediglich etwas zu dem Zusammenhang zwischen Entwicklungszusammenarbeit und Landwirtschaft sagen. In den letzten Jahren ist ein erheblicher Teil der Mittel in die Entwicklung der Landwirtschaft und der Viehzucht in Entwicklungsländern, vor allem in den Lomé-Ländern, geflossen. Die Ergebnisse entsprechen sicherlich nicht unseren Erwartungen. Worauf könnte das zurückzuführen sein? Ich denke, die Ursache ist hauptsächlich in dem Fehlen einer konsequenten Agrarpolitik in bestimmten Entwicklungsländern, auch wenn dies sicherlich nicht für alle gilt, zu suchen. Der Kommission fällt bei der Entwicklung einer solchen Politik eine wichtige Rolle zu. Kein Landwirt, wo auch immer in der Welt, wird etwas erzeugen, wenn die Preise zu niedrig sind. Die Regierungen in den Entwicklungsländern stehen immer vor einer schwierigen Entscheidung: Wen sollen sie unterstützen, die Bauern oder die Menschen in den großen Städten, die preiswerte Nahrungsmittel kaufen wollen? Dieses empfindliche Gleichgewicht muß gemeinsam mit der Kommission und nicht von ihr allein gefunden werden: In den meisten Ländern, in denen die Kommission aktiv ist, wird auch von den Mitgliedstaaten selbst Entwicklungshilfe geleistet. Die Politik der Mitgliedstaaten darf nicht im Widerspruch zur Politik der Kommission stehen. Den Delegationen der Kommission in den Entwicklungsländern obliegt es, eine führende Rolle bei der Entwicklung dieses politischen Dialogs zu spielen und dafür zu sorgen, daß alle Länder denselben Kurs steuern. Besondere Aufmerksamkeit muß auch den Produktionsmittelkosten gelten. Viel zu häufig werden den Bauern Kunstdünger, Tiermedikamente und viele andere Dinge unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Wenn das Projekt nach fünf Jahren ausgelaufen ist, hat auch diese Politik der Geschenke eine Ende. Insofern sollte das Kostenelement von Anfang an in der Politik aller Projekte entwickelt werden. Soweit ich weiß, ist das noch längst nicht immer der Fall. Abschließend frage ich mich, ob die Fondsmittel nicht etwas besser verwendet werden können. Jedes Jahr stelle ich im Haushalt der Kommission und beim europäischen Entwicklungsfonds einen großen Rückstand bei der Verwendung der Mittel fest. Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich führen wir hier eine Debatte unter Überzeugten, und das ist schade. Über Kohärenz in der Entwicklungspolitik sollten wir eigentlich beispielsweise mit Herrn Prodi sprechen, der bereits von Anfang an insofern eine große Chance vertan hat, als er die Politik für Entwicklungszusammenarbeit auf drei Kommissare hat verteilen lassen. Das ist zwar zugegebenermaßen bereits ein Fortschritt gegenüber vier Kommissaren, eine kohärente Politik kann dadurch jedoch nicht gewährleistet werden. Uns fällt auch auf, daß sich manche Generaldirektionen mit bisweilen recht widersprüchlichen Verfahren und Argumenten immer noch vor diese Politik stellen. Vom Ratspräsidenten kam der gute Vorschlag, den europäischen Entwicklungsfonds in den Haushaltsplan einzubeziehen. Das Parlament würde dies selbstverständlich sehr begrüßen. Wenn Sie sich dem anschließen könnten, wäre das bereits ein großer historischer Sieg. Seit Amsterdam stehen drei Begriffe im Mittelpunkt: Komplementarität, Koordinierung und Kohärenz. Meiner Meinung nach ist in diesen drei Bereichen noch sehr wenig geschehen. Wenn schon ein Fortschrittsbericht in bezug auf die Kohärenz gefordert wird, sollte dessen Erstellung keine Schwierigkeiten bereiten, es sei denn, man muß schlichtweg eingestehen, daß es überhaupt keine Kohärenz gibt. Mir wäre es lieber, wenn ein Bericht über die Inkohärenz, so wie sie jetzt besteht, vorgelegt und eine systematische Strategie entwickelt würde, um ein gewisses Maß an Kohärenz zu erreichen. Wir sind nämlich noch weit davon entfernt. Ein Punkt in der Rede des Ratspräsidenten hat mich schockiert. Er sagte: "Gegensätze in der Politik können zu Gleichgewicht führen. " Tatsächlich kann das, was mit der einen Hand aufgebaut wurde, mit der anderen wieder eingerissen werden, und umgekehrt. Das führt zu Stagnation und Selbstbetrug, und bis heute hat die ganze Globalisierung lediglich bewirkt, daß es zwar Veränderungen gibt, die Armut aber durch diese Veränderungen noch potenziert wird. Und das muß dann unsere Priorität sein. Ich weiß, daß wir viele gute Dinge tun, aber wir müssen bei diesem wesentlichen Punkt ansetzen. Herr Präsident! Wir haben bereits festgestellt, daß es von seiten der Kommission keinen Bericht gibt, aber ich möchte, entsprechend den Zielen, die der Rat in seiner Stellungnahme 1997 vorstellte, drei Punkte aufgreifen. Der erste Punkt bezieht sich auf die Konfliktlösung. Ich versuche bereits seit mehreren Jahren über den Rat und die Kommission Antwort auf die Frage zu bekommen, warum sich keine der Europäischen Institutionen aktiv an der Konfliktlösung in der von Marokko okkupierten Westsahara beteiligt. Die UN hat dafür einen Friedensplan aufgestellt, und wir sollten die Gelegenheit nutzen, das letzte Kapitel der Kolonialgeschichte in Afrika endlich abzuschließen. Lassen Sie mich außerdem die Frage der Einwanderung ansprechen. Mich beunruhigen die neuen Vorschriften im Partnerschaftsabkommen mit den AKP-Staaten, durch die Einwanderer, Asylsuchende und Flüchtlinge leichter aus vagen Gründen ausgewiesen werden können. Was das Patentrecht für lebende Organismen angeht, so möchte ich die EU wirklich als Vorreiter auf diesem Gebiet sehen. Wir wissen, daß heute alle vier Sekunden ein Mensch an Hunger stirbt. Drei Viertel von ihnen sind Kinder unter fünf Jahren. Der Grund dafür ist nicht der Lebensmittelmangel, sondern das, worüber wir heute bereits viel gesprochen haben, die wachsende Armut. Lebensmittelsicherheit und die Garantie der biologischen Vielfalt müssen vor kommerzielle Interessen gestellt werden. Meiner Ansicht nach haben Patente auf lebende Organismen einzig und allein die Kontrolle der globalen Lebensmittelversorgung zum Ziel, speziell zu kommerziellen Zwecken, und nichts anderes. In dem Bericht, den wir hoffentlich von der Kommission erhalten werden, möchte ich auch etwas zu den Frauen lesen. Frauen scheinen in allen Zusammenhängen, und nicht zuletzt in der Entwicklungspolitik, einfach nicht vorhanden zu sein, was ja nicht der Realität entspricht. Herr Präsident! Die heutige Aussprache zeigt sehr deutlich die Notwendigkeit, die Entwicklungspolitik viel weitgehender zu diskutieren als nur durch das Addieren der Entwicklungshilfegelder. Natürlich sind diese Gelder wichtig und ihr prozentualer Anteil sollte für alle reichen Länder erhöht werden, nicht zuletzt zur Bekämpfung der Armut und durch Kapazitätsausbau. Die finanzielle Entwicklungshilfe ist jedoch nur eines von vielen Instrumenten, die die Entwicklung der armen Länder beeinflussen. Mehrere Kollegen haben heute bereits solche Gebiete genannt, die neben der Entwicklungshilfe von Bedeutung sind und bei denen ernsthafte Gegensätze und Widersprüche zwischen den politischen Sektoren bestehen. Das betrifft u. a. die Handelspolitik, die Agrarpolitik und die Fischereipolitik. Andere wichtige Bereiche sind natürlich der Fluß privater Investitionen, die Zusammenarbeit in Forschung und Technologie sowie die Handhabung und Finanzierung verschiedener, uns betreffender globaler Probleme durch die Weltgemeinschaft. Beispiele dafür sind Klimafragen, biologische Vielfalt, Gesundheitsfragen usw. Diese Feststellung wird noch durch die Globalisierung, d. h. die sich entwickelnde neue Wirtschaft, verstärkt. In dieser Wirtschaft wird der Zusammenhang zwischen den einzelnen Politikbereichen immer stärker. Was wir heute hier diskutieren, ist meines Erachtens teilweise der Beitrag der EU zur Debatte über die Möglichkeiten und Gefahren der Globalisierung sowie über die Spielregeln, die aufgestellt werden müssen, um den armen Ländern eine gute Chance zu geben. Der von Frau Maij-Weggen geforderte Bericht oder die Analyse zum Ineinandergreifen der verschiedenen Bereiche der Politik und ihrer Widersprüche ist natürlich von zentraler Bedeutung. Ich frage mich, warum von seiten der Kommission nicht mehr unternommen wurde. Die Kommission ist neu, man muß ihr Zeit geben, aber das Fehlen einer solchen Analyse deutet auf starke Spannungen innerhalb der Kommission hin. Man kann nur hoffen, daß Herr Nielson in den zukünftigen Diskussionen innerhalb der Kommission Erfolg haben wird. Neben dieser Art von Bericht hätte ich gerne noch eine positivere Analyse, die auch laufend erstellt werden könnte. Dort sollte nicht nur auf die Entwicklungshilfegelder geschaut werden, sondern übergreifend auf alle Formen der Unterstützung und des Geldtransfers, die Auswirkungen auf die armen Länder haben. Das betrifft z. B. die Technik, den Handel, die Zusammenarbeit in der Forschung usw. Dies wäre ein äußerst konstruktiver Beitrag zu unserer Debatte. Abschließend sei noch erwähnt, daß das Parlament in Punkt 6 des Entschließungsantrags die Einsetzung einer Arbeitsgruppe zur Schaffung eines einigenden Organs fordert. Ich glaube, es ist reiner Zufall, daß dies vergessen worden ist, aber natürlich sollte auch das für die Umwelt zuständige Kommissionsmitglied dieser Gruppe angehören. Hoffen wir, daß die jetzt geführte Diskussion ein Wendepunkt wird. In der Politik wurde bisher zu sehr mit der einen Hand gegeben und mit der anderen genommen. Viele werden die weitere Entwicklung mit großem Interesse verfolgen. Herr Präsident, die Demonstranten in Seattle argumentierten, der freie Handel wirke sich negativ auf die Entwicklungsländer aus. Er diene allein den egoistischen Interessen der reichen Länder. Dennoch sollten wir die wirtschaftlichen Fortschritte und die Armutsbekämpfung in Ländern wie Indien und Tansania in den 40 oder 50 Jahren seit ihrer Unabhängigkeit nicht vergessen. Dort wurde die Theorie vertreten, daß Protektionismus und staatliche Intervention dem Erhalt von Arbeitsplätzen zuträglich seien und der Wirtschaft eine allmähliche und schmerzlose Anpassung möglich sei. Diese Theorie hat nicht funktioniert. Die Armut wurde größer als je zuvor. Die Medizin schmeckt kurzfristig gesehen zwar bitter, aber die eigene Wirtschaft dem in- und ausländischen Wettbewerb zu öffnen, erzwingt den optimalen Einsatz der Ressourcen und führt in absehbarer Zeit zu höherem Lebensstandard und zu mehr Lebensqualität. Belegen dies nicht auch die Europäische Union selbst und ganz besonders der Binnenmarkt? Wie Herr Nielson sagte, ist dies ein gutes Beispiel für die Länder und Regionen, die mehr Wohlstand schaffen wollen. Es reicht jedoch nicht aus, den Entwicklungsländern die Vorzüge des freien Handels zu predigen. Wir müssen das, was wir predigen, auch in die Tat umsetzen und unsere eigenen Märkte für Importe aus diesen Ländern öffnen. Im Entschließungsantrag des Parlaments zu den WTO-Verhandlungen treten wir für eine freie Importpolitik der EU. Die Abschaffung aller noch bestehenden Importhindernisse, Zollschranken und Quoten und, ebenso wichtig, aller nichttarifären Handelshemmnisse, wie sie zum Beispiel Frau Maij-Weggen in ihrem Beitrag erwähnte, die Abschaffung all dieser Handelshemmnisse würde im Hinblick auf die wirtschaftlichen Fortschritte in den Entwicklungsländern, die wir und die betroffenen Länder anstreben, mehr bewirken als ein noch so hoher Betrag für die Entwicklungshilfe. Die mangelnde Kohärenz zwischen der Entwicklungspolitik und der Handelspolitik beeinträchtigt unsere Entwicklungsarbeit und führt zwangsläufig dazu, daß die Entwicklungsländer an der politischen Glaubwürdigkeit Europas und an unseren schönen Worten zweifeln. Herr Präsident, in den letzten Tagen haben wir viele Sonntagsreden über die Notwendigkeit einer besseren Kohärenz, Koordinierung und Wirksamkeit bei den Programmen der Außenhilfe der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten gehört. Es gibt einen relativ kleinen Bereich mit enormer Öffentlichkeitswirkung, der sozusagen als Lackmustest für die Fähigkeit der Union, ihre Worte in Taten umzusetzen, herangezogen werden könnte. Ich spreche von der anhaltenden Tragödie um die Antipersonenlandminen, die so viele Entwicklungsprogramme und Wiederaufbaumaßnahmen behindern und das Leben so vieler Menschen, der Ärmsten in einigen der ärmsten Regionen der Welt, insbesondere in den Entwicklungsländern, zerstören. In den letzten Jahren hat die Gemeinschaft etwa 200 Millionen Euro für die Minenräumung, zur Unterstützung der Opfer und für andere Maßnahmen in diesem Bereich ausgegeben. Die Mitgliedstaaten haben ähnliche Summen dafür bereitgestellt. Dennoch sind kaum Fortschritte erzielt worden, und es mangelt am Willen, eine zusammen mit den anderen Ländern der internationalen Gemeinschaft geschaffene Strategie umzusetzen und das Problem der Antipersonenlandminen rasch zu lösen. Herr Nielson verwies auf die Probleme im Zusammenhang mit der fehlenden Abstimmung von Maßnahmen und forderte eine bessere Komplementarität mit den Mitgliedstaaten. Darüber wird bereits seit vier Jahren diskutiert. Die Kommission muß ihre internen Organisationsstrukturen ändern und die Kohärenz und Effektivität ihrer Maßnahmen stärken. Idealerweise könnte dies durch eine spezielle Arbeitsgruppe für den Bereich Landminen geschehen, die mit den notwendigen finanziellen Mitteln ausgestattet wird. Weiterhin wären schnellere Vertrags- und Durchführungsverfahren, eine erweiterte mehrjährige Haushaltslinie sowie eine wesentlich verbesserte Verwaltung der von der Kommission aufgelegten Programme erforderlich. Eine ordnungsgemäße Bewertung der Effektivität von Programmen zur Beräumung von Landminen muß in jedem Land durchgeführt werden, in dem Landminen ein ernsthaftes Problem darstellen. Aus meiner Sicht geht es beim Problem der Landminen auch um viele der Schwierigkeiten im organisatorischen, verfahrenstechnischen und operationellen Bereich sowie bei der Finanzverwaltung, mit denen die Kommission und die Union zu kämpfen haben. Gehören diese Probleme der Vergangenheit an, oder werden wir feststellen, daß die Europäische Union auch in diesem relativ kompakten und begrenzten Bereich noch immer nicht in der Lage ist, ihre Ziele zu erreichen? Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kommissar Nielson, der Abschluß des neuen EU-AKP-Abkommens ist ein wichtiger Schritt zu mehr Kohärenz. Und es ist gut, daß Kriterien wie Menschenrechte, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, good governance in diesem neuen Vertrag stärker verankert sind als bisher, daß nicht mehr so sehr frühere koloniale Beziehungen den größten Teil unserer Beziehungen gestalten, sondern daß diese politischen Kriterien hier ein stärkeres Gewicht bekommen haben. Denn das ist die Voraussetzung für jegliche Entwicklung. Wenn diese Kriterien nicht eingehalten werden, dann hat Entwicklung keine Chance. Das, Herr Kollege Modrow, gilt auch für Kuba. Ich begrüße, daß Kuba sich diesem Prozeß annähert. Aber dazu muß in Kuba auch noch einiges an Wandel geschehen. Wir alle kennen auch die Berichte von Amnesty International. Daß Sie das möglicherweise als einer der letzten Machthaber des Kommunismus etwas anders sehen als große Teile dieses Hauses und daß Sie bei good governance Probleme haben, mag ja sein. Dennoch ist das ein wichtiges Kriterium für die Europäische Union. Ich möchte ein zweites Thema ansprechen. Wir sprechen hier über Kohärenz. Viele Kollegen haben Beispiele dafür aufgeführt, in welchem Maß die unterschiedlichen Politiken nicht kohärent sind. Aber aus meiner Sicht braucht auch die Entwicklungspolitik als solche etwas mehr Kohärenz. Es ist nicht kohärent, wenn die Koordinierung mit den Mitgliedstaaten immer noch nicht funktioniert, wenn teilweise in Entwicklungsländern sehr gegensätzliche Projekte von Mitgliedstaaten und der Europäischen Union durchgeführt werden. Es ist auch gegenüber dem europäischen Steuerzahler nicht kohärent, wenn wir eine Entwicklungspolitik machen, die im Haushalt der Union eingestellt ist, der EEF aber weiterhin draußen bleibt. Herr Ratspräsident, wenn Sie erreichen, daß diese 13,5 Mrd. Euro in Zukunft einer Kontrolle des Parlaments des Haushaltskontrollausschusses unterliegen, den Mechanismen wie OLAF unterliegen, dann erhöhen Sie, glaube ich, den Grad der Akzeptanz. Ich denke, daß das eine Forderung auch für die Regierungskonferenz sein sollte: die Verankerung des EEF im Haushalt der Europäischen Union. Herr Präsident, meine Damen und Herren, insgesamt betrachtet verfolgt dieser Text unseres Erachtens zwar gute Absichten, aber dennoch haben wir ihm im Ausschuß nicht zugestimmt, und auch in der Plenarsitzung werden wir nicht dafür stimmen, und zwar aus zwei Gründen, die uns übrigens zu einigen Änderungsanträgen veranlaßt haben, die ich hier ganz kurz darlegen möchte. Erstens wünscht sich der Ausschuß für Entwicklung und Zusammenarbeit nichts mehr als die Vergemeinschaftung des EEF, und damit hat er eindeutig den falschen Weg eingeschlagen. Unseres Erachtens ist die Zusammenarbeit eine zwischenstaatliche Aufgabe, und so muß es auch bleiben. Während Europa seine Erweiterung vorbereitet, würde eine Vergemeinschaftung des EEF manch einem die Möglichkeit geben, sein fehlendes Engagement einfach hinter dem Schutzschild des Gemeinschaftshaushalts zu verstecken, ganz davon abgesehen, daß man auf diese Weise eine fruchtbare und vielversprechende Methode aufgibt, mit der wir unsere Partnerländer im Süden an unserer Politik der Zusammenarbeit beteiligen können. Und schließlich hat die Kommission in jüngster Vergangenheit - Frau Maes hat vorhin sehr zu Recht daran erinnert - bewiesen, welche Schwierigkeiten sie damit hat, die von ihr zur Verfügung gestellten Mittel für ihre Programme für Entwicklung und humanitäre Hilfe in aller Transparenz zu verwalten. Es stellt sich die Frage, warum man nun noch weitere Programme hinzufügen sollte. Zweitens halten wir es für äußerst bedauerlich, daß im Bericht von Herrn Corrie das Abkommen für Handel und Entwicklung mit Südafrika erwähnt wird, denn letztlich ist dieses Abkommen ein Beispiel für die unprofessionelle Diplomatie, die die Europäische Kommission in zunehmendem Maße betreibt. Wir müssen nämlich völlig verblüfft feststellen, daß die Union für ihre Mitgliedstaaten ein Abkommen ausgehandelt hat, bei dem ein wesentlicher Teil schlicht und einfach nicht mit Inhalt gefüllt wurde. Nebenbei gesagt ist es noch unglaublicher, daß der Rat dies zugelassen hat. Somit befinden wir uns nun in der absurden Situation, daß wir aus einer Position der Schwäche über derart wichtige Aspekte wie die Wein- und Agrarproduktion verhandeln müssen, und dies im Rahmen eines bereits von uns unterzeichneten Abkommens. Der Teil dieses Abkommens, der die Verhandlungen blockiert, könnte für die Union die Konsequenz haben, daß sie Erzeuger entschädigen muß, damit sie die Herstellung von Sherry und Portwein einstellen. Dabei handelt es sich um eine ganze Reihe von Erzeugnissen, die nach dem internationalen Handelsrecht schlicht und einfach Fälschungen sind, und die möglichen Kosten eines derartigen Präzedenzfalls kann man sich ja vorstellen. Dies ist der Beweis dafür, sofern dies überhaupt noch zu beweisen war, daß eine unausgereifte Diplomatie, die keinerlei Interessen vertritt - es sei denn Einzelinteressen, gefangen zwischen der Glaubenslehre des Freihandels, den Lobbies und den mehr oder weniger befreundeten NRO -, nicht nur ineffizient, sondern sogar gefährlich ist. Zum Schluß noch ein Wort zur allgemeinen Ausrichtung des Berichts Corrie. Heutzutage wird die Paritätische Versammlung, dies wollen wir nicht verheimlichen, von den "Theologen " in Genf und Washington als Hindernis für den internationalen Freihandel angesehen. Dies hätte für uns eine Gelegenheit sein können, daran zu erinnern, daß unsere Form einer eigenständigen und exemplarischen Kooperation mit den Ländern des Südens weiterentwickelt und verstärkt werden sollte. Diese Chance hat der Bericht Corrie vertan, und zu unserem Bedauern müssen wir es verurteilen, daß diese Chance auf diese Weise verspielt wurde. Herr Präsident! Als Fazit und Zusammenfassung möchte ich drei wesentliche Aspekte dieser Aussprache hervorheben. Erstens und ganz allgemein wird in den Wortmeldungen die Vorstellung sehr deutlich, daß die Globalisierung die regionalen Disproportionen und die sozialen Ungleichheiten vertieft und die Armut vergrößert. Daraus ergibt sich, daß etwas getan werden muß, weil sich sonst die Spannungen verschärfen und sich Konflikte herausbilden, die eine Gefahr für den Frieden und die Stabilität auf internationaler Ebene darstellen. Zweitens kommt es aus dieser Sicht darauf an, der Entwicklungspolitik eine neue Dimension zu verleihen, indem man ihre Rolle bei der Korrektur von Disproportionen und der Verringerung von Ungleichheiten aufwertet. Ich meine, daß es wichtig war, daß alle der Rolle der Europäischen Union bei der Entwicklungspolitik im internationalen Maßstab eine besondere Bedeutung beigemessen haben. Alle stellen fest, und das war das Thema der heutigen Aussprache, daß die Europäische Union zwangsläufig die Kohärenz ihrer einzelnen zu den Entwicklungszielen beitragenden Politiken verstärken muß, damit sie bei der Entwicklungspolitik international eine aktivere und führende Rolle übernehmen kann. Ich denke, in einigen Wortmeldungen wurde ebenfalls sehr deutlich darauf hingewiesen, daß diese Verantwortung für die Kohärenz der Politiken der Europäischen Union nicht allein beim Rat, bei der Kommission und auch nicht beim Parlament liegt. Vielmehr muß sie Gegenstand konzertierter Bemühungen, Überlegungen und einer gesetzgeberischen und institutionellen Vorbereitung sein, und das sowohl auf Kommissions- als auch auf Ratsebene sowie im Europäischen Parlament selbst. Im übrigen haben einige Abgeordnete hierzu Vorschläge unterbreitet, wie etwa zur Einrichtung einer Beobachtungsstelle oder Arbeitsgruppe, die die Maßnahmen der einzelnen Politikfelder im speziellen Bereich der Entwicklung überwachen soll. Abschließend möchte ich betonen, daß es auch wichtig ist, und zwar weil dies ein Schwerpunkt im Programm der portugiesischen Präsidentschaft war, auf die Erklärung hinzuweisen, es sei notwendig, der Entwicklungspolitik in Verbindung mit den übrigen Politiken der Europäischen Union und vor allem im Rahmen mit ihrer Außenpolitik einen größeren Stellenwert einzuräumen. Wir halten dies für absolut unerläßlich, weil es uns nicht gelingen wird, im Bereich der Kohärenz der Politiken konsequente Maßnahmen zu entwickeln, wenn wir nicht imstande sind, der Entwicklungspolitik jene Bedeutung zu geben, die ihr als Instrument zur Bestätigung der Grundsätze und Werte zusteht, die das Bild Europas im internationalen System prägen. Hierfür ist es gegebenenfalls notwendig, wie ich bereits sagte, einen Paradigmenwechsel vorzunehmen, das postkoloniale Paradigma hinter sich zu lassen und der Entwicklungspolitik eine weitere europäische Dimension zu verleihen. In dieser Hinsicht denke ich (und in einigen Wortmeldungen hier kam das ebenfalls zum Ausdruck), daß mit der Annahme des neuen Abkommens, das an die Stelle der Lomé-Abkommen tritt, ein wichtiges Instrument zur Verfügung steht, um zu einem Zeitpunkt, da sich in den Verhandlungsprozessen auf internationaler Ebene, wie etwa der ersten Verhandlungsrunde in Seattle, eine erhebliche und spürbare Instabilität abzeichnet, das Konzept der Partnerschaft mit einer derart bedeutenden Gruppe von Ländern des Südens zu erneuern und ihm eine neue Dynamik zu verleihen. Aus vielen Redebeiträgen zu dieser Debatte höre ich eine gewisse Frustration heraus. Im Namen der Kommission habe ich Ihnen eine Erklärung vorgelegt, die aus meiner Sicht nützliche Hintergrundinformationen für diese Diskussion enthält. Wir werden noch genauere Informationen vorlegen, in denen es konkret um all die Fragen der Kohärenz geht. Diese Diskussion ist nicht neu. Wir arbeiten derzeit in der Kommission daran, und wenn diese Arbeit beendet ist, werden wir darüber berichten, da viele nach dem Bericht über die Kohärenz gefragt haben. Ich habe keinen Zweifel daran, daß durch die politische Aufmerksamkeit, die, wie dies auch in der heutigen Debatte deutlich geworden ist, zunehmend auf diese Probleme gerichtet wird, es für die Kommission und die GD Entwicklung leichter werden wird, auf der Tagesordnung der vor ihr liegenden Aufgaben der Kohärenz höchste Priorität einzuräumen. Dies erfordert auch die Einführung zusätzlicher neuer Mechanismen im Kommissionssystem, die durchaus auch, wie von einigen Fraktionen im Parlament vorgeschlagen wurde, die Einrichtung einer speziellen ressortübergreifenden Arbeitsgruppe sowie einer Art Kohärenzkontrolle innerhalb der Kommission beinhalten könnten. Ich habe gelesen, und auch in der Aussprache gehört, daß die Kohärenz als eine Art Zauberformel betrachtet wird, mit der man alle Probleme lösen könne. Ich halte es für wichtig, die Kohärenz als relativ klar definiertes Mittel zu betrachten, mit dem man tatsächlich bestehende Widersprüche verringern kann, denn natürlich gibt es solche Widersprüche. Vieles hängt mit echten Diskrepanzen zwischen den sektoralen Interessen in den einzelnen Mitgliedstaaten zusammen, wie in diesem Haus auch offen zum Ausdruck gebracht wurde: Die Menschen identifizieren sich eben mehr oder minder stark mit ihren Interessensbereichen, und das ist auch ganz legitim. Ich warne jedoch vor der Illusion, daß Inkohärenz die Folge einer Art mechanischen Fehlers im System sei. Dies trifft zwar auch zu, allerdings nur auf einen kleinen Teil des hier diskutierten Bereichs. In der Hauptsache geht es um die bekannten unterschiedlichen Interessen der Geschlechter und so weiter, und darin liegt das Problem. Herr Mulder sagte, kein Landwirt werde etwas anbauen, wenn die Erzeugerpreise zu niedrig seien. Dies trifft für unseren Teil der Welt zu, unsere Partner und die Empfängerländer in Afrika haben jedoch eine etwas andere Sichtweise. Sie betreiben Landwirtschaft, nicht nur um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, sondern um zu überleben, und darin liegt der Unterschied. In der Subsistenzlandwirtschaft geht es nicht um Preiskalkulationen, sondern darum, ob es in der nächsten Saison genug Regen geben wird. Dies gilt nicht generell für die Landwirtschaft in Entwicklungsländern, es gilt jedoch für die ärmsten Länder, denen wir noch wirksamer helfen müssen als bisher. Aus dieser Perspektive ist das, was ich hier sage, von größter Relevanz. Andere Bereiche wurden ebenfalls erwähnt: Viehhaltung in Namibia, Tomaten und Milchpulver in der Karibik. Wir sollten nicht zu masochistisch sein. Dies ist nur bis zu einem gewissen Grad hilfreich. Alle diese Fälle haben eines gemeinsam: Das Problem ist erkannt worden, und es wird etwas dagegen getan. Die Interventionspreise wurden korrigiert, und die Probleme in Verbindung mit den Rindfleischexporten nach Westafrika und Namibia wurden durch die Reduzierung der Interventionsbeihilfen ebenfalls bereits gelöst. Zweifellos sind dies echte Probleme, entsprechende Maßnahmen zu deren Lösung wurden jedoch eingeleitet. Was die Fragen in bezug auf Kakao und Schokolade betrifft, möchte ich folgendes sagen: Ich wiederhole, daß die 5 % mit dem Bemühen verbunden sind, in den angrenzenden Staaten eine Lebensgrundlage zu schaffen. Es geht hier um die einheimischen Nüsse, die für die Menschen in Burkina Faso, die sie ernten und denen sie eine Existenzgrundlage bieten, ebenso wichtig sind wie Kokosnüsse für die Bauern in Ghana. Dies ist kein klarer Fall von Inkohärenz, sondern vielmehr eine Frage des Wettbewerbs zwischen den Erzeugerländern. Der ebenfalls angesprochene Fall im Zusammenhang mit der Zuckererzeugung in der Karibik ist komplizierter. In den überseeischen Ländern und Gebieten stellt die Häufung derartiger Handelsaspekte ein kompliziertes Problem dar, es könnte jedoch sein, daß es hier eher um die Förderung der Interessen einiger europäischer Unternehmen geht als um die Sicherung von Einkommen in den karibischen Staaten. Wie dem auch sei, wir beschäftigen uns derzeit mit diesem Problem. Ich werde versuchen, bei all diesen Problemen einen Mittelweg zu finden und möchte den Abschluß des Handels- und Kooperationsabkommens mit Südafrika erwähnen. Ich denke, ich kann in aller Bescheidenheit sagen, daß dieses Abkommen der Beweis für die Bereitschaft der Kommission ist, alles zu tun, um die Kohärenz zwischen der Entwicklungsperspektive und der Perspektive der Handelsinteressen zu gewährleisten. Wir haben zweifellos unseren Teil zur Lösung dieses Problems beigetragen, und ich hoffe, daß wir nun zu einem erfolgreichen Abschluß kommen werden und dieses Abkommen in den nächsten Jahren reibungslos umsetzen können. Abschließend möchte ich Ihnen nochmals für diese Aussprache danken. Wir werden Ihnen zu einem späteren Zeitpunkt detailliertere Informationen über die einzelnen Punkte vorlegen, denn diese Probleme werden uns in der einen oder anderen Weise ständig begleiten, ganz einfach deshalb, weil es bei der Entwicklungszusammenarbeit im Grunde um etwas anderes als den Schutz der traditionellen Handelsinteressen etc. geht. Wir müssen diese unterschiedlichen Ansätze verknüpfen. Vielen Dank, Herr Kommissar Nielson. Ich teile mit, daß ich acht Entschließungsanträge erhalten habe, die gemäß Artikel 37, Absatz 2 der Geschäftsordnung eingereicht wurden. Die Aussprache ist geschlossen. Die Abstimmung findet am Donnerstag um 12.00 Uhr statt. Nach der Tagesordnung folgt die Erklärung des Rates zur Festlegung der Prioritäten der Union für die nächste Sitzung der UN-Menschenrechtskommission am 20. März 2000. Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete! Bekanntlich hat die Europäische Union auf der 55. Sitzung der Menschenrechtskommission im März/April 1999 in Genf eine aktive Rolle gespielt. Sie brachte Entschließungen zur Situation der Menschenrechte im Iran, im Irak, in den israelischen Siedlungen, in Birma Myanmar, der Demokratischen Republik Kongo und im Sudan ein und verhandelte Erklärungen, die von der Präsidentschaft über Kolumbien und über Ost-Timor abgegeben werden sollten. Die Europäische Union brachte erstmals eine Entschließung über die Todesstrafe ein, die überaus erfolgreich war, und sie leitete die Arbeiten an einer Entschließung über die Rechte der Kinder, einer gemeinsamen Initiative mit der Gruppe der lateinamerikanischen Länder. Die Union wird ihre diesbezüglichen Bemühungen auf der 56. Sitzung der Menschenrechtskommission, die im März/April in Genf stattfinden soll, fortsetzen. Wie in der Menschenrechtsgruppe des Rates am 9. Februar 2000 vereinbart, will die Europäische Union insbesondere Entschließungsentwürfe über die israelischen Siedlungen, den Iran, den Irak, den Sudan, die Demokratische Republik Kongo, Birma Myanmar, den Entwurf einer Erklärung der Präsidentschaft über Kolumbien und eventuell über Ost-Timor sowie einen Erklärungsentwurf über die Lage in den einzelnen Länder einbringen. Die Europäische Union wird die Debatten über die Vorbereitung der 56. Sitzung der Menschenrechtskommission auf der nächsten Tagung der Menschenrechtsgruppe im März fortführen. Vor allem wird es um die Frage gehen, ob gegebenenfalls ein Entschließungsentwurf über die Todesstrafe einzubringen ist. Bisher hat sich die Gruppe nicht auf eine entsprechende Strategie und speziell auf die Formulierung des Kompromisses geeinigt, der in letzter Instanz als Antwort auf entgegengesetzt lautende Änderungsanträge eingereicht werden soll, wobei Artikel 2 Absatz 7 der UNO-Charta einzubeziehen ist, der sich auf die Frage der Souveränität bezieht. Man bemühte sich deshalb, hinsichtlich des Wortlauts bereits im Vorfeld einen Kompromiß zu erreichen, weil während der Sitzung des dritten Ausschusses der Generalversammlung der Vereinten Nationen von 1999 Schwierigkeiten aufgetreten waren, als die Mitgliedstaaten einen anderen Standpunkt bezüglich eines Änderungsantrags vertraten, mit dem in den von der Europäischen Union unterstützten Entschließungsentwurf über die Todesstrafe ein Verweis auf Artikel 7 Absatz 2 eingeführt wurde. Auf der 55. Sitzung der Menschenrechtskommission im vergangenen Jahr haben ja die Vereinigten Staaten in einer bereits weit fortgeschrittenen Phase beschlossen, einen Entschließungsentwurf zu China einzubringen. Dieser Entschließungsentwurf wurde von einem chinesischen Nichteinmischungsantrag zu Fall gebracht. Die Europäische Union stimmte gegen diesen Antrag. Die Position der Europäischen Union zu der Haltung, die die Menschenrechtskommission gegenüber China einnehmen sollte, wurde vom Rat "Allgemeine Angelegenheiten " am 21. März 1999 bekräftigt: keine Initiative der Europäischen Union in bezug auf China und keine Unterstützung einer Entschließung von China, bei der Abstimmung Ablehnung des Nichteinmischungsantrags durch die Europäische Union. Es ist nicht sicher, ob man den Zusammenhalt der Europäischen Union hätte aufrechterhalten können, wäre die Entschließung zur Abstimmung gebracht worden. Die Vereinigten Staaten von Amerika werden bei der 56. Sitzung der Menschenrechtskommission einen Entschließungsentwurf zu China einbringen, und gegenwärtig üben sie Druck auf die Europäische Union aus, damit diese dem Entwurf zustimmt. Dieser Umstand löste auf Seiten Chinas heftige Reaktionen aus: Derzeit unternehmen die chinesischen Behörden in den Ländern und den Organen der Europäischen Union Schritte, um diese zu veranlassen, von der Unterstützung der Initiative der USA Abstand zu nehmen. Diese Initiative wird in der Union diskutiert, eine baldige Entscheidung ist allerdings nicht zu erwarten. Es liegt im Interesse der Europäischen Union, alle Alternativen im Rahmen des Dialogs zwischen der Europäischen Union und China über die Menschenrechte so lange wie möglich, auf jeden Fall aber bis nach der Tagung am 25. Februar 2000 offenzuhalten. Angesichts der Veränderungen, die sich in der Zusammensetzung der Menschenrechtskommission vollzogen haben, ist damit zu rechnen, daß die Abstimmung über den Nichteinmischungsantrag eingestellt wird. Daher ist es wichtig, daß sich die Länder der Europäischen Union auch in diesem Jahr darauf einigen, welchen Standpunkt sie bei einer eventuellen Abstimmung über die Entschließung einnehmen wollen. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß sich die Europäische Union regelmäßig den Bitten Chinas widersetzt, die Vorlage einer Entschließung bei der Genfer Menschenrechtskommission automatisch vom Dialog über die Menschenrechte auszuschließen. Die Europäische Union vertritt unmißverständlich die Auffassung, daß der Dialog zwar ein sehr wertvolles Instrument ist, um einen Meinungsaustausch durchzuführen und um etwas über die Gründe für die Haltung der jeweils anderen Seite zu erfahren, daß er außerdem jedoch konkrete Ergebnissen vor Ort hervorbringen muß. Wenn dies nicht gelingt, kann eine Entschließung der Menschenrechtskommission erforderlich werden, gegebenenfalls im weiteren Verlauf des Dialogs. Zudem stellt die Europäische Union gegenüber China immer wieder fest, daß die Menschenrechtskommission die geeignete Instanz ist, um Menschenrechtsfragen zur Sprache zu bringen, und daß die Initiative - unabhängig davon, ob sich die Europäische Union entschließt, sie zu unterstützen oder nicht - aus dieser Sicht in jeder Weise gerechtfertigt ist. Der nächste Dialog über die Menschenrechte findet am 25. Februar in Lissabon statt, und dazu gehören Seminare zu Rechtsfragen und den Rechten der Frau, an denen auch Vertreter aus Wissenschaftskreisen und der Zivilgesellschaft teilnehmen sollen. Das nächste Seminar zu Menschenrechten wird von der portugiesischen Präsidentschaft im Mai 2000 durchgeführt. Auf der letzten Dialogrunde im Oktober 1999 hat die chinesische Seite die von der Europäischen Union angebotene technische Hilfe angenommen, um das Ratifizierungsverfahren des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte und des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte der Vereinten Nationen, die die chinesische Regierung unterzeichnet hat, zu unterstützen. Die Europäische Union erörtert gegenwärtig Aspekte, zu denen, wie sie hofft, China konkrete Maßnahmen ergreifen wird. Ausgehend von diesen Debatten wird die Präsidentschaft den chinesischen Behörden die Botschaft übermitteln, daß die Europäische Union erwartet, daß China auf der Sitzung am 25. Februar positive Schritte ankündigt. Zudem wird die Präsidentschaft den chinesischen Behörden eine Liste von Einzelfällen vorlegen, zu denen sie ihre tiefe Besorgnis äußern will. Auf der in Peking im Oktober 1999 durchgeführten Tagung hat sich einerseits bestätigt, daß die chinesischen Behörden bereit waren, bei Fragen in Verbindung mit dem eigentlichen Dialog, mit der Neugestaltung des Dialogs und mit der Debatte über die Rechtsnormen der Strafverfolgung (Todesstrafe, administrative Inhaftierung) Zugeständnisse zu machen. Andererseits werden sie jedoch bei den Grundfragen im Hinblick auf das System der Einheitspartei und die territoriale Integrität nicht nachgeben. Die Debatten in der Europäischen Union über die Situation in China, die an die Ergebnisse der Dialogrunden von 1999 anschlossen, haben die Europäische Union zu dem Entschluß veranlaßt, mit allem Nachdruck ihre Sorge über die Verletzungen der Menschenrechte in China und über das Fehlen konkreter Ergebnisse des Dialogs zum Ausdruck zu bringen, aber auch die positiven Schritte anzuerkennen, die China auf internationaler Ebene unternommen hat. Die Europäische Union hat bei mehreren Gelegenheiten den chinesischen Behörden ihre Unzufriedenheit mit den Ergebnissen des Dialogs bekundet und versichert, daß sie bei bestimmten, sehr sensiblen Bereichen bessere Resultate erwartete. Es wurde beschlossen, daß der Dialog fortzuführen sei, allerdings zielgerichteter und effizienter, wobei China dem Vorschlag der Europäischen Union zugestimmt hat, den Dialog durch einen besseren Einsatz der Sachverständigen und eine engere Verbindung mit den Seminaren neu zu strukturieren. Nicht zuletzt wird sich die Menschenrechtskommission auf ihrer nächsten Sitzung auch mit der Rationalisierung ihrer eigenen Arbeit auseinandersetzen. Eine Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit der Revision der Mechanismen der Kommission, sie hat intensiv gearbeitet und vertritt übereinstimmend die Meinung, daß es unerläßlich ist, die Effizienz der vorhandenen Mechanismen zu erhöhen und ihnen - ganz besonders im Finanzbereich - eine größere Durchsetzungskraft zu verleihen. Die Europäische Union wird sich jedem unlauteren Versuch widersetzen, hinter dem die Absicht steckt, der Menschenrechtskommission durch eine Neuausrichtung ihrer Aktivitäten Interventionsmöglichkeiten zu entziehen, indem man ihr Tätigkeitsfeld und ihre ständige Aufmerksamkeit für alles, was die Menschenrechte in der Welt betrifft, auf ein Mindestmaß reduziert. Herr Präsident, ich möchte dem Ratsvorsitz für seine Arbeit danken, die er zur Vorbereitung auf die nächste Sitzung in Genf im Hinblick auf die Themen Rassismus, Bürgerrechte, politische Rechte und das Recht auf Entwicklung geleistet hat. Wie der Ratsvorsitzende sagte, liegt noch viel Arbeit vor uns, auch wenn die Forderung des Parlaments und vieler NRO, die Europäische Union solle ihre Position schon rechtzeitig vor der Sitzung in Genf klarstellen, durchaus verständlich ist. Das ist leichter gesagt als getan - wir diskutieren noch über einige der schwierigsten Fragen. So wird zum Beispiel noch über viele der im Entschließungsantrag des Parlaments enthaltenen Punkte gesprochen, und es ist noch zu früh, um eine Prognose über die Ergebnisse in den einzelnen Bereichen abzugeben. Es ist nicht verwunderlich, daß diese Debatte langwierig und schwierig ist. Das hat nichts mit fehlendem Engagement für die Verbesserung der Menschenrechte zu tun, sondern zeigt unser übliches Bemühen um die richtige Strategie, damit wir wirklich etwas erreichen können. Ich möchte diese Bemühungen am Beispiel von drei kontroversen Themen erläutern: die Todesstrafe, Kuba und China. Ich werde eine oder zwei persönliche Ansichten in meine Ausführungen einfließen lassen, auch wenn dies unklug sein mag. Derzeit wird von uns die Möglichkeit geprüft, in der Menschenrechtskommission eine Entschließung zur Todesstrafe vorzulegen. Dies ist für mich seit jeher ein Thema von großem persönlichem Interesse, und ich habe mich stets gegen die Todesstrafe ausgesprochen. Angespornt durch Amnesty International und andere, war die Abschaffung der Todesstrafe eine meiner ersten Amtshandlungen, die ich als Gouverneur von Hongkong getroffen habe. Wir wissen, was kürzlich auf der Generalversammlung der UNO geschehen ist. Wir waren gezwungen, unseren Antrag zur Todesstrafe auf Eis zu legen, um die Verabschiedung einer Resolution zu verhindern, die völlig inakzeptable Argumente enthält und die dazu geführt hätte, daß die Menschenrechte nicht universell angewandt werden und nicht überall Gültigkeit haben. Die Bühne in New York unterscheidet sich von der in Genf. Die Themen Souveränität und Intervention aus humanitären Gründen, über die letztes Jahr in New York diskutiert wurde, waren derart sensible Bereiche, daß alle anderen Themen dadurch beeinflußt wurden. Das hatte sich sicherlich auch auf die Diskussion über ein Moratorium für die Todesstrafe ausgewirkt. Bei der Debatte in Genf werden jedoch vorrangig Menschenrechtsfragen im Mittelpunkt stehen. Daher sind in Genf vielleicht eher Fortschritte möglich. Im zweiten Punkt geht es um Kuba. Ich möchte dieses Thema direkt ansprechen, weil wir in Europa zu Unrecht dafür kritisiert werden, die dortigen Menschenrechtsverletzungen nicht ernst genug zu nehmen. Wir sind sehr besorgt über die Maßnahmen, welche die kubanische Regierung im letzten Jahr zur Beschneidung der Freiheit der Bürger ergriffen hat. Dazu gehören zum Beispiel Änderungen im Strafgesetzbuch und die Ausweitung der Todesstrafe. Wir sind außerdem sehr besorgt über den jüngsten Anstieg der politischen Inhaftierungen. Wir verfolgen die Menschenrechtslage über die Berichte der NRO und die Arbeit unserer in den EU-Botschaften in Havanna eingerichteten Arbeitsgruppe für Menschenrechte. Wir haben die kubanischen Behörden regelmäßig über die von uns kritisierten Punkte informiert, und dieses Parlament hat das ebenfalls getan. Ich halte es jedoch für falsch, Kuba zu isolieren. Wir wollen eine gerechte und offene Gesellschaft in Kuba, ein Kuba, in dem die Grundsätze der Marktwirtschaft und die Rechtsstaatlichkeit respektiert und Verträge eingehalten werden. Wir möchten den Übergang zur Demokratie fördern und die Achtung der Menschenrechte sowie der Grundfreiheiten stärken. Viele dieser Positionen gelten auch im Hinblick auf mein drittes Thema: China. Ich bin, schlicht und einfach, dafür, daß wir unsere Position gegenüber China deutlich machen. Eine andere Haltung wäre nicht nur bequem und unsinnig, sie wäre mehr als einem Fünftel der Menschheit gegenüber beleidigend. Ich wünsche mir, daß China eine friedliche Entwicklung hin zu einer freien und pluralistischen Gesellschaft vollzieht, in der Menschen nicht hinter Gitter gebracht werden, die sich für die Demokratie einsetzen, oder einer Religionsgemeinschaft angehören. Wie sollten wir also vorgehen? Wir sollten in jedem Fall intensiven Handel mit China treiben und hoffen, daß wir China unter vernünftigen Bedingungen in die Welthandelsorganisation aufnehmen können. Man kann nicht von einer Welthandelsorganisation sprechen, in der China oder auch Rußland nicht vertreten sind. Ich lehne es jedoch nach wie vor ab, daß unsere allmählich wachsenden Wirtschaftsbeziehungen mit China - die sich zum Beispiel im chinesischen Handelsüberschuß gegenüber der Europäischen Union in Höhe von 25 Milliarden Euro widerspiegeln -, uns dazu veranlassen sollten, zur Frage der Menschenrechte in China zu schweigen. Aus meiner Sicht geht es nicht darum, ob wir die Menschenrechtsfrage in China ansprechen sollten - wir haben sogar die Pflicht, dies zu tun, und wir haben ein berechtigtes Interesse daran -, sondern darum, wie wir das am wirksamsten tun können. Welche Haltung sollten wir also in diesem Jahr zu einer Entschließung für Genf einnehmen? Wie der Ratsvorsitzende bereits sagte, denkt die Union insgesamt über eine gemeinsame Position nach. Ich möchte jedoch ausdrücklich auf eine Reihe von Faktoren hinweisen, welche die Mitgliedstaaten in angemessener Weise berücksichtigen sollten. Erstens halten einige der bekanntesten Demokratiebefürworter in China eine Entschließung durchaus für sinnvoll, nicht zuletzt wegen des damit verbundenen Signals an die Menschen in China, auch wenn mancherorts Zweifel geäußert werden, ob die Vorlage einer Entschließung in Genf überhaupt etwas bewirken kann. Dieser Punkt sollte sorgfältig geprüft werden. Zweitens werden wir alle genau verfolgen, was seit ein paar Monaten in China geschieht. Dazu gehören zum Beispiel die hohen Strafen, die gegen Anhänger der Demokratiebewegung verhängt wurden, ferner die Verhaftung und die Strafen für die Angehörigen christlicher Kirchen sowie die Verhaftungen und Verurteilungen von Falun-Gong-Mitgliedern. Die chinesische Regierung kennt unsere Haltung zu all diesen Fragen sowie zu den Entwicklungen in Tibet. Wir haben der chinesischen Regierung gegenüber unsere Position klar zum Ausdruck gebracht. Wir wissen, daß sich für viele Menschen in China die langfristigen wirtschaftlichen Perspektiven sowie die sozialen und wirtschaftlichen Freiheiten verbessert haben, aber das Ganze hat auch eine Kehrseite. Kritiker einer Entschließung sagen, daß nun wenigstens ein Dialog mit China über die Menschenrechtsfrage geführt wird. Das trifft zu und ist potentiell auch nützlich, obwohl ich darauf hinweisen muß, daß der Inhalt unseres Dialogs nicht annähernd unseren Erwartungen entspricht. Nicht nur ich, auch der Ratsvorsitz hat dies den chinesischen Regierungsvertretern gegenüber bereits angesprochen. Natürlich waren wir durch den Dialog in der Lage, die EU-Kooperationsprogramme im Bereich der Menschenrechte und in rechtlichen Bereichen zu gestalten und durchzuführen. Das ist sehr begrüßenswert, und ich glaube auch, daß unser Dorfverwaltungsprogramm zur Förderung der Demokratie an der Basis beitragen wird. Sicherlich ist ein Dialog über ein so kompliziertes Thema wie die Menschenrechte ein langfristiger Prozeß, aber ich wünschte dennoch, ich könnte über mehr echte Fortschritte berichten. Der nächste Dialog am 25. Februar in Lissabon wird ein wichtiger Test sein. Dort wird sich zeigen, ob der Dialog zu Ergebnissen führt. Was sind aus unserer Sicht die wichtigsten ersten Schritte? China sollte zum Beispiel den bereits unterschriebenen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und den Pakt über soziale und kulturelle Rechte ratifizieren. Ich wünschte, wir wären diesem Ziel schon näher. Was werden wir also in diesem Jahr erreichen? Ich betone nochmals, daß die Mitgliedstaaten sich entscheiden müssen. Ich hoffe, daß wir zunächst in Europa einen gemeinsamen Standpunkt finden und davon dann nicht abweichen werden, daß wir nicht zulassen werden, daß bestimmte Punkte herausgenommen werden, daß unser Standpunkt nicht auf Selbsttäuschung oder Vortäuschung falscher Tatsachen basiert, und daß er unsere gemeinsame und vernünftige Position widerspiegelt. Ich weiß, daß es auch die Meinung gibt, daß uns doch eine wirksamere Möglichkeit zur Verfügung stehen muß, um unsere Besorgnis über die Menschenrechtslage zum Ausdruck zu bringen, als durch die Vorlage von Entschließungen. Wenn dies wirklich der Fall ist, müssen wir zumindest etwas mehr Phantasie beweisen und ehrlicher zu uns selbst sein, um einen solchen Weg zu verfolgen. Wenn wir unsere Position auf den Dialog über die Menschenrechte gründen lassen wollen, müssen wir Sie, die NRO und die gesamte Öffentlichkeit davon überzeugen, daß dieser Dialog etwas bewirkt. Darin besteht aus meiner Sicht die Herausforderung in den nächsten Wochen. Ich freue mich, daß dieses Haus der Einhaltung der Menschenrechte weltweit, und insbesondere in China, große Bedeutung beimißt. Vielen Dank, Herr Kommissar Patten. Wir unterbrechen hier die Aussprache zur gemeinsamen Erklärung über die nächste Sitzung der UN-Menschenrechtskommission, um mit den Abstimmungen zu beginnen. Ich freue mich, eine Delegation des Legislativrats von Hongkong im Parlament zu begrüßen. (Lebhafter Beifall) Wie Frau Wallström in der gestrigen Aussprache erklärte, billigt die Kommission die folgenden Änderungsanträge: Änderungsantrag 1, 2, 7, 8, 9, 10, 11 und 13. Die Kommission stimmt außerdem Änderungsantrag 4 im Grundsatz zu. Die Kommission lehnt die Änderungsanträge 3, 5, 6, 12, 14, 18 und 16 ab. (Der Präsident erklärt den geänderten Gemeinsamen Standpunkt für gebilligt.) Bericht (A5-0023/2000) von Herrn Böge im Namen des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 91/68/EWG des Rates im Hinblick auf Scrapie (KOM(1998)623 - C4-0026/1999 - 1998/0324(COD)) (Das Parlament nimmt den Entwurf der legislativen Entschließung an.) Empfehlung (A5-0008/2000) von Frau Cederschiöld im Namen des Ausschusses für Recht und Binnenmarkt zu dem Vorschlag für einen Beschluß des Rates über die Zustimmung - im Namen der Europäischen Gemeinschaft - zum WIPO-Urheberrechtsvertrag und zum WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger (11221/1999 - KOM(1998) 249 - C5 - 0222/1999 - 1998/0141 (AVC)) (Das Parlament nimmt den Entwurf der legislativen Entschließung an.) Bericht (A5-0015/2000) von Herr Graefe zu Baringdorf im Namen des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung über den Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 70/524/EWG über Zusatzstoffe in der Tierernährung (KOM(1999) 388 - C5-0134/1999 - 1999/0168(CNS)) Vor der Schlußabstimmung: . Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Ich möchte nach dieser Abstimmung den zuständigen Kommissar, Herrn Byrne fragen, ob er nun bereit ist, nachdem er gesehen hat, wie hoch die Zustimmung in diesem Hohen Hause ist, die Änderungsanträge anzunehmen? Ich bedaure, Ihnen nicht zustimmen zu können, aber ich bin der Auffassung, daß die sorgfältig erwogene Position, die ich gestern vorgelegt habe, die richtige Position ist. Das umfassende Konzept, das die Kommission zu diesem Thema zu beschließen gedenkt, wird gemäß Artikel 152, nach dem das Parlament eine Mitentscheidungsfunktion wahrnehmen kann, so bald wie möglich vorgelegt werden. Dies ist die korrekte Verfahrensweise. Herr Präsident! Ich beantrage nach Artikel 69 Absatz 2 die Rücküberweisung an den Ausschuß. Die Begründung ist, daß es sich hier um die Angleichung einer Rechtsvorschrift handelt, die die Kommission vorgeschlagen hat. Wir haben das akzeptiert, aber weitere Angleichungen der Rechtsvorschriften vorgeschlagen, die diese Richtlinie betreffen, vor allen Dingen die Übernahme eines Textes - der insgesamt von der Kommission gebilligt ist - zum Einsatz und der Kennzeichnung von genetisch veränderten Organismen. Wir sind der Ansicht, daß das zu diesem Zeitpunkt mit in diese Angleichung gehört, aber die Kommission übernimmt nicht. Ich denke, da müssen wir nach Artikel 69 Absatz 2 versuchen, mit der Kommission ins Gespräch zu kommen, und deswegen bitte ich die Kollegen und Kolleginnen, der Rücküberweisung zuzustimmen. (Das Parlament nimmt den Antrag auf Rücküberweisung an den Ausschuß an.) Bericht (A5-0034/2000) von Frau Stenzel im Namen des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten über die Mitteilung der Kommission an die Mitgliedstaaten zur Festlegung der Leitlinien für Programme im Rahmen von Gemeinschaftsinitiativen (PGI), für die die Mitgliedstaaten Vorschläge für eine Unterstützung im Zuge der Initiative EQUAL einreichen können (COM(1999) 476 - C5-0260/1999 - 1999/2186/COS)) Vor der Abstimmung: Herr Präsident, lassen sie mich öffentlich Frau Stenzel als Mitglied des Vorstandes der ÖVP sagen, daß viele Abgeordnete entsetzt sind, daß Sie eine Koalition mit Haider eingegangen sind, und daß wir dies hier verurteilen wollen! (Beifall von links, Zwischenrufe von rechts) Sehr verehrter Herr Cohn-Bendit, Hohes Haus! Ich finde, das Europäische Parlament ist nicht der Platz, in die Innenpolitik eines Landes so massiv einzugreifen, wie Sie das tun! Ich kann für meine Partei sprechen, die eine Vorkämpferin dafür war, daß Österreich der Europäischen Union beitritt und beigetreten ist. Wir sind als politische Kraft die Garantie dafür, daß Österreich den europäischen Werten verbunden bleibt. Ich weigere mich, mich hier aus innen- und parteipolitischen Gründen in eine rechte Ecke stellen zu lassen! Dies entspricht nicht den Tatsachen, sondern ist reine Polemik! Ich lehne dies hier mit Entschiedenheit ab! (Lebhafter, lang anhaltender Beifall aus der Mitte und von rechts, Protest von links) Ich möchte die Gelegenheit wahrnehmen, um auf der Ehrentribüne eine Delegation von vier Mitgliedern des marokkanischen Parlaments unter der Leitung von Herrn Brahim Rachidi, Vizepräsident des Repräsentantenhauses, willkommen zu heißen. Wir freuen uns über den Besuch dieser Delegation so kurz vor dem Inkrafttreten des Assoziierungsabkommen zwischen Marokko und der Europäischen Union am 1. März 2000. Anläßlich dieses historischen Schrittes begrüßen wir die Entwicklungen in unseren Beziehungen und die Aussicht auf eine Intensivierung der Kontakte zwischen unseren beiden Parlamenten. Zu diesem Zweck wird eine Delegation für die Beziehungen zu den Maghreb-Ländern und der Union des Arabischen Maghreb in der Zeit vom 20. bis 22. März nach Marokko reisen. Ich wünsche der Delegation einen erfolgreichen Aufenthalt in Straßburg. (Lebhafter Beifall) Herr Präsident, da Sie gerade eine Delegation begrüßen, möchte ich die Gelegenheit nutzen, um Ihnen mitzuteilen, daß wir heute auch das Vergnügen haben, in unserem Hause die Hauptverantwortlichen der österreichischen Vereinigungen gegen Rassismus zu begrüßen, die dem Parlament die Ehre ihres Besuchs erweisen. (Die Sitzung wird um 11.50 Uhr für eine feierlichen Sitzung anläßlich des Besuchs von Herrn Vaclav Havel, Präsident der Tschechischen Republik, unterbrochen und um 12.50 Uhr wiederaufgenommen.) Nach der Tagesordnung folgt die Abstimmung über den Bericht von Frau Stenzel über die Initiative Equal (A5-0034/2000). (Das Parlament nimmt den Entschließungsantrag an.) Empfehlung für die zweite Lesung: Bericht (A5-0027/2000) von Frau Lienemann im Namen des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherpolitik betreffend den Gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlaß der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (9085/3/1999 - C5-0209/1999 - 1997/0067(COD)) Vor der Abstimmung: Im Hinblick auf die Position der Kommission zu den vom Parlament vorgelegten Änderungsanträgen möchte ich die Ausführungen meiner Kollegin anläßlich der am Dienstag, dem 15. März erfolgten Aussprache in diesem Hause bestätigen. Die Kommission billigt insbesondere die Änderungsanträge 6, 16, 21, 28, 31, 33, 34, 44, 45, 46, 48, 52, 53, 65, 67, 68, 75, 76, 78, 80, 84, 85, 88 und 102 ohne Einschränkungen. Die Kommission akzeptiert die Änderungsanträge 8, 18, 27, 29, 42, 43, 47, 54, 60, 62, 93, 94, 104 und 105 teilweise. Die Kommission billigt die Änderungsanträge 2, 3, 5, 7, 10, 12, 14, 17, 20, 22, 24, 25, 26, 30, 32, 35, 36, 37, 38, 50, 55, 56, 57, 58, 63, 69, 73, 79, 86, 89, 96, 99, 106 und 108 im Grundsatz. Die Kommission lehnt jedoch die Änderungsanträge 1, 4, 9, 11, 13, 15, 19, 23, 39, 40, 41, 49, 51, 59, 61, 64, 66, 70, 71, 72, 74, 77, 83, 87, 90, 91, 92, 95, 97, 98, 81(rev.), 100, 101, 103 und 107 ab. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Der Präsident erklärt den geänderten Gemeinsamen Standpunkt für gebilligt.) Bericht (A5-0033/2000) von Herrn Andersson im Namen des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten über die Mitteilung der Kommission - Eine konzertierte Strategie zur Modernisierung des Sozialschutzes (KOM(1999) 347 - C5-0253/1999 - 1999/2182(COS)) (Das Parlament nimmt den Entschließungsantrag an.)Der Präsident. Damit ist die Abstimmung beendet. Erklärungen zu den Abstimmungen Bericht Lienemann (A5-0014/2000) Ich begrüße die Qualität und die Ambition dieses Berichts zum Thema LIFE. Ich möchte kurz daran erinnern, daß LIFE ein Finanzinstrument im Dienst der Umweltpolitiken innerhalb der Europäischen Union und in den Drittländern ist, sowohl in den benachbarten Mittelmeerländern als auch in den Ostseeanliegerstaaten oder in Beitrittsländern. Der Ausschuß für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherpolitik hat zahlreiche Änderungsanträge eingereicht, die zum größten Teil in den vom Rat verabschiedeten Gemeinsamen Standpunkt aufgenommen wurden. In der dritten Phase von LIFE (2000-2004) ist dieses Instrument in drei Schwerpunktbereiche untergliedert: LIFE-Natur (47 % der Ressourcen), LIFE-Umwelt (47 %) und LIFE-Drittländer (6 %). Dies sind meines Erachtens die wichtigsten Änderungen: der Beitrag von LIFE zur nachhaltigen Entwicklung in der Gemeinschaft sowie zur Entwicklung der Gemeinschaftspolitik im Umweltbereich, insbesondere hinsichtlich der Einbindung der Umwelt in die anderen Politiken, und die Umsetzung sowie die Überarbeitung der Rechtsvorschriften im Umweltsektor; die Verbesserung der Effizienz, der Transparenz und der Methodologie der Verfahren zur Umsetzung von LIFE, der Verfahren zur Information der Bürger und zur Verbreitung in der Bevölkerung sowie der Verfahren zur Zusammenarbeit zwischen den Begünstigten; das Ziel von LIFE: Dieses Programm soll in erster Linie auf eine nachhaltige Stadtentwicklung abzielen, in enger Abstimmung mit den im Rahmen der URBAN-Initiative realisierten Pilotvorhaben, wobei ich übrigens bereits Gelegenheit hatte, über diese Initiative zu berichten; der Beitrag der geförderten Vorhaben zur Nachhaltigkeit der sozioökonomischen Maßnahmen und folglich zur Schaffung von Arbeitsplätzen. Meines Erachtens ist es von wesentlicher Bedeutung, daß das Finanzinstrument LIFE weiterhin die Beteiligung der Beitrittsländer aus Mittel- und Osteuropa ermöglicht. Die anderen Beitrittskandidaten (beispielsweise Zypern, die Türkei oder Malta) werden ebenfalls an LIFE teilnehmen können, sobald entsprechende Abkommen mit diesen Ländern geschlossen wurden. Das Hauptproblem bei den Verhandlungen mit dem Rat ist natürlich die Höhe des Gesamtbetrags, der für die dritte Phase des Programms LIFE (2000-2004) vorgesehen ist. Der Vorschlag der Kommission, der vom Rat gebilligt wurde, liegt bei 613 Millionen Euro, während der Ausschuß für Umweltfragen der Ansicht ist, daß der entsprechende Haushalt 850 Millionen Euro umfassen müßte. Ich unterstütze die entschlossene Haltung der Berichterstatterin. Die fragliche Finanzausstattung wurde nämlich seit der Einführung dieses Programms nicht aufgestockt, auch nicht bei der EU-Erweiterung auf 15 Mitgliedstaaten. Sollte der Bericht im Plenum verabschiedet werden, muß ein Vermittlungsverfahren eingeleitet werden, wie dies im Mitentscheidungsverfahren vorgesehen ist, um die Frage der für dieses Programm vorgesehenen Mittel zu klären. Diese Art von Verfahren ist gängige Praxis, da die Programme oder Gesetzesvorhaben allzu häufig über einen Haushalt verfügen, der bei weitem nicht den Anforderungen entspricht! Bericht Böge (A5-0023/2000) Als Europaabgeordneter und vor allem als Bürger und Verbraucher begrüße ich den Vorschlag der Europäischen Kommission, der einen weiteren Schritt in Richtung einer besseren Ernährungssicherheit innerhalb der Europäischen Union darstellt. Dieser Vorschlag hat zwei Seiten. Einerseits geht es darum, die Richtlinie des Rates von 1991 hinsichtlich der gesundheitspolizeilichen Voraussetzungen abzuändern, indem man die Bestimmungen bezüglich der Traberkrankheit bei Schafen abschafft; andererseits soll eine neue Verordnung in Kraft treten, mit der die Vorschriften zur Verhütung und Bekämpfung bestimmter transmissibler spongiformer Enzephalopathien (TSE) bzw. Krankheiten vom Typ BSE, die Schafe und andere Tierarten befallen, festgelegt werden. Der Sinn dieser neuen Vorschriften besteht darin, daß man auf diese Weise eine spezielle Rechtsgrundlage für die Bekämpfung der Traberkrankheit bei Schafen schafft. Mit diesem Ergebnis bin ich umso zufriedener, als es sich dabei um eine unserer wichtigsten Forderungen handelte, die wir in unserem BSE-Folgebericht formuliert hatten. Meines Erachtens ist es übrigens unerläßlich, daß wir aus Gründen der Kohärenz die bestehenden Rechtsvorschriften zur Traberkrankheit, die auf den Handelsverkehr mit Schafen und Ziegen begrenzt sind, einfließen lassen in ein einziges umfassendes System von neuen Vorschriften für die TSE, die sich auf sämtliche Tiere in der gesamten Europäischen Union beziehen und den Schutz vor verseuchten Nahrungsmitteln und Tierfuttermitteln gewährleisten sollen. Diese Verordnung ist umso mehr zu begrüßen, als es immer noch Unklarheiten hinsichtlich der Traberkrankheit bei Schafen gibt. Einige wissenschaftliche Hypothesen gehen davon aus, daß die Traberkrankheit ein Vorstadium von BSE bei Rindern und somit der Ursprung der BSE-Seuche sein könnte. Auch wenn der Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Verhütung und Bekämpfung bestimmter TSE noch präzisiert und erweitert werden muß - insbesondere bezüglich der Erfassung und Bekämpfung der Traberkrankheit -, so stellt sie doch eine beachtliche Verbesserung dar. Dies ist ein Unterpfand für die europäischen Bürger, die schon häufig ihre Besorgnis angesichts der europäischen Politik im Nahrungsmittelbereich zum Ausdruck gebracht haben. Ihre Sorgen, die unser Europäisches Parlament aufgegriffen hat, wurden gehört. Die Debatten über das Vorsorgeprinzip sowie Fragen der Rückverfolgbarkeit, der Verantwortung und der Transparenz haben die Europäische Kommission zur Veröffentlichung eines Weißbuchs zur Lebensmittelsicherheit veranlaßt. Dieses Weißbuch zeigt mehrere Überlegungen auf, und es schlägt vor allem die Schaffung einer unabhängigen europäischen Lebensmittelbehörde vor. All dies ist Teil einer europäischen Strategie zur Wiedererlangung des Vertrauens der Verbraucher. Nun müssen wir, die europäischen Verantwortlichen, den Beweis dafür erbringen, daß Binnenmarkt und freier Warenverkehr durchaus mit der Lebensmittelsicherheit in Einklang zu bringen sind! Bericht Cederschiöld (A5-0008/2000) Herr Präsident, ich habe für diese Empfehlung zur Neugestaltung des Urheberschutzrechts gestimmt, weil ich dies für einen der wichtigsten Bereiche der Tätigkeit des Europäischen Parlaments halte. Meiner Ansicht nach ist das Produkt geistigen Schaffens wesentlich wichtiger als die fertigen Konstruktionen, die gegenständlichen Produkte, die wir ohne jeden Zweifel sehen und anfassen können, während der Geist und die Wissenschaft Ergebnisse hervorbringen, die man zwar nicht mit der Hand berühren kann, die jedoch von unschätzbarem Wert sind. Wir als Europäische Gemeinschaft sollten sie daher weitaus tatkräftiger unterstützen, nicht nur im Wege des Patentschutzes, sondern durch Förderung und Unterstützung der Wissenschaftler, derjenigen, die unter Einsatz ihres Wissens alles dafür tun, um den zukünftigen Generationen weit mehr zu bieten, als wir früher hatten. Wir sind prinzipiell dagegen, daß die Europäische Gemeinschaft Verträge über Urheberrechte im Namen der Mitgliedstaaten abschließt. Wir stellen jedoch fest, daß es sich um eine gemeinsame Kompetenz der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft handelt. Wir sind außerdem der Meinung, daß die WIPO-Verträge einen wesentlichen Fortschritt in Richtung auf die Sicherung der Rechte von Vertreibern und aktiven Künstlern darstellen. Wir stimmen daher für die Empfehlung. Die Fraktion der Grünen / Freie Europäische Allianz hat sich in dieser Frage enthalten, weil Kommissar Bolkestein in der Plenardebatte am Tag zuvor auf keine meiner Fragen bezüglich des EU-Beitritts zu den WIPO-Verträgen geantwortet hat. Institutionell ist nicht geklärt, welche Rolle das EP bei der Weiterentwicklung der WIPO-Verträge spielen wird. Außerdem zeichnet sich die Tendenz ab, bei internationalen Kompetenzen immer häufiger eine reine EU-Zuständigkeit zu erwirken. Wenn dann aber nicht klar ist, inwiefern das EP an den Entscheidungsprozessen teilnehmen kann, stellt sich die Legitimationsfrage. Außerdem ist in den Verträgen der Begriff des Autors/der Autorin nicht definiert. Auch hier hat die Kommission nicht geantwortet, auf Grundlage welcher Definition sie handeln will und ob sie abzusehende Konflikte dadurch schlichten will, daß sie anderen ihre Rechtsdefinition aufdrängt. Einer der heikelsten Punkte ist das öffentliche Interesse, - führt die Umsetzung und Anwendung von WIPO zur Privatisierung von Bildung? Und schließlich ist die Frage nach dem Verhältnis von TRIPs und WIPO zu klären - auch hier nur ein Schweigen der Kommission als "Antwort ". Wenn bei einer angekündigten Parlamentsdebatte zur Klärung und Positionierung nichts beigetragen wird, dann müssen wir uns mindestens enthalten! Bericht Graefe zu Baringdorf (A5-0015/2000) . (PT) Nach den BSE- und Dioxinskandalen die Fragen der Lebensmittelsicherheit stehen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Die GVO bergen im Hinblick auf ihre Umweltverträglichkeit und ihre Auswirkungen auf die tierische und menschliche Gesundheit weiterhin zahlreiche Ungewißheiten. Deshalb muß dort, wo es keine gesicherten wissenschaftlichen Kenntnisse gibt, das Vorsorgeprinzip maßgebend sein. Die Anwendung der Biotechnologie muß mit einer eingehenderen Untersuchung verbunden sein, sie darf nicht gleich für den Umsatz im Namen des Profits einiger multinationaler Unternehmen des Sektors "eingespannt " werden. Im übrigen war es ja gerade der Profit, der die gegenwärtigen Krisen im Bereich der Lebensmittelsicherheit ausgelöst hat. Gestützt auf diesen Zusammenhang befaßt sich der Berichterstatter mit den rechtlichen Fragen der GVO für die Tierernährung und erinnert daran, daß diese "nur zugelassen werden dürfen, wenn sie für die menschliche Gesundheit und die Umwelt unbedenklich sind ". Darüber hinaus ist er der Ansicht, daß die "genetisch veränderten Zusatzstoffe auf jedem Etikett oder jedem amtlichen oder sonstigen Begleitpapier klar als solche gekennzeichnet sein müssen ". Damit wird eine bessere Kontrolle und Rückverfolgbarkeit der Zusatzstoffe ermöglicht und die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers sichergestellt. Nach dem Abkommen von Montreal über gentechnisch veränderte Organismen (GVO) erachte ich es für positiv, daß der Berichterstatter diese Problematik in seinen Bericht aufgenommen hat, und darum habe ich für seinen Bericht gestimmt. Bericht Stenzel (A5-0034/2000) Herr Präsident! Zunächst möchte ich ganz kurz im Namen der EVP-Fraktion eine Erklärung zu unserem Stimmverhalten in bezug auf den EQUAL-Bericht abgeben. Wir haben uns an eine Abstimmungsliste gehalten, die genau mit derjenigen übereinstimmte, die wir mit der Fraktion der Sozialisten abgesprochen hatten. Da die Fraktion der Sozialisten wieder von der Liste abgerückt ist, hat der Bericht an Deutlichkeit eingebüßt. Das war für uns ein Grund zur Enthaltung. Wir wollen dafür sorgen, daß der EQUAL-Bericht, der sowohl für Flüchtlinge als auch für ältere Menschen, Behinderte und Frauen sehr wichtig ist, angenommen wird. Es ist schade, daß das Verfahren zu einer derart negativen Aufnahme des Berichts in dieser Plenartagung geführt hat. Meiner Überzeugung nach hat die Nationalität der Berichterstatterin dabei eine gewisse Rolle gespielt, und das sollte es in diesem Parlament nicht geben. Das widerspricht den europäischen und vor allem den parlamentarischen Werten, über die in diesem Parlament so häufig gesprochen wird. Aus diesen Gründen haben wir uns bei der Abstimmung über diesen Bericht der Stimme enthalten. Wir wollen, daß EQUAL angenommen wird. Wir stimmen dem Bericht weitestgehend zu, bedauern aber das Verfahren und insbesondere den billigen Mißbrauch, den manche Fraktionen mit diesem Verfahren getrieben haben. Herr Präsident, auch als Vertreter der italienischen Rentnerpartei im Europäischen Parlament habe ich mich bei der Abstimmung über die EQUAL-Initiative der Stimme enthalten, weil sie, obgleich in ihrem Rahmen Projekte zur Bekämpfung der Diskriminierung aus Gründen des Alters stärker als früher gefördert werden sollen, in dieser Hinsicht noch nicht durchgreifend und konkret genug ist. Ich habe mich noch aus einem anderen Grund der Stimme enthalten: Ich meine, es ist an der Zeit, daß die Institutionen der Europäischen Union aufhören, zu experimentieren und nach guten Praktiken für die notwendigen Schritte zu suchen und statt dessen beginnen, den Unionsbürgern konkrete Anhaltspunkte dafür zu geben, was Europa eigentlich sein will. Wir müssen konkrete Maßnahmen ergreifen und von der Theorie zur Praxis übergehen. Wir haben für den Bericht über die Mitteilung der Kommision über die Leitlinien für Programme im Rahmen von Gemeinschaftsinitiativen (PGI) gestimmt. Im Prinzip sind wir gegen diese Art Programme und gegen die Strukturfonds. Da es bei der Abstimmung aber nur darum geht, wie - und nicht in welchem Ausmaß - diese Ressourcen eingesetzt werden sollen, haben wir nur dazu unsere Stellungnahme abgegeben. Wir halten die Sicherung der Chancengleichheit für die im Bericht genannten Gruppen für wichtig. Wir haben nicht gegen diesen Bericht gestimmt, da in ihm einige gerechte Grundprinzipien angekündigt werden, wie beispielsweise die Notwendigkeit der Bekämpfung des Rassismus am Arbeitsplatz und der Abbau geschlechtsspezifischer Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt. Aber wir haben auch nicht für diesen Bericht gestimmt, denn all dies sind nur vage Ankündigungen oder gar fromme Wünsche. Allerdings stellt der Bericht im Kapitel über die Hilfs- und Bildungsprojekte für Flüchtlinge im Vergleich zum ursprünglichen Text einen Rückschritt dar, da er den Hinweis enthält, daß dies nicht mehr die Flüchtlinge als solche betrifft, sondern "lediglich Flüchtlinge gemäß der Genfer Konvention ". Diese Einschränkung ist unannehmbar in einer Zeit, da sich unzählige Flüchtlinge in ganz Europa in einer dramatischen Situation befinden, schutzlos und dem Zwang ausgesetzt, illegal zu arbeiten und sich zu verstecken, während die Regierungen und die Polizei von Staaten, die sich demokratisch nennen, Jagd auf sie machen. Die vordringliche Maßnahme, die in diesem Bereich zwingend erforderlich ist, besteht darin, diesen Menschen ohne Aufenthaltspapiere die legalen Mittel an die Hand zu geben, damit sie ein würdiges Leben führen und arbeiten können, ohne auf die Stufe von Parias gestellt zu werden, als Opfer von skrupellosen Arbeitgebern und vielfältigen administrativen und polizeilichen Schikanen, wobei wohl am schlimmsten die ständige Angst vor der Ausweisung ist. Ich habe für den Bericht von Frau Stenzel über die Initiative EQUAL gestimmt, weil ich es für wichtig halte, die Arbeit fortzusetzen, die in den verschiedenen Aktionsbereichen NOW, HORIZON, YOUTHSTART und INTEGRA der früheren Initiativen ADAPT und EMPLOYMENT begonnen wurde. Wir müssen auf den Erfahrungen aufbauen, die wir im Rahmen dieser Maßnahmen gewonnen haben. EQUAL steht für "Gleichberechtigung ". Wir müssen diese Gleichberechtigung verwirklichen. Ich begrüße die vorgeschlagene Konzentration auf die Förderung neuer Wege zur Bekämpfung von Diskriminierung und Ungleichbehandlung am Arbeitsmarkt zu konzentrieren. Ich unterstütze außerdem das Bestreben, von den überholten Formen der Gestaltung abzurücken und die Partner bei der Suche nach innovativen Wegen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zusammenzubringen. Flexibilität ist notwendig. Ich bedaure sehr, daß für diese Initiative nur begrenzte Finanzmittel zur Verfügung stehen. In der letzten Programmplanungsperiode waren 9 % der Strukturfondsmittel für Gemeinschaftsinitiativen vorgesehen. Heute stehen dafür nur noch 5,35 % zur Verfügung. Das heißt, daß die Mittel so eingesetzt werden müssen, daß damit die größtmögliche Wirkung erreicht werden kann und Informationen über erfolgreiche Partnerschaften schnell und an einen weiten Personenkreis verbreitet werden müssen. Im Ausschuß für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten wurden einige der von mir vorgelegten Änderungsanträge gebilligt, in denen es zum Beispiel um den einfacheren Zugang zu Anfangskapital, das Erkennen und Nutzen neuer Chancen für die Schaffung von Arbeitsplätzen in Großstädten, Städten und ländlichen Gebieten und um die Kritik geht, daß sich die Geschäftswelt nur unzureichend an den früheren Initiativen beteiligte. Dies hatte häufig zur Folge, daß gute Projekte nicht zur Schaffung von echten Beschäftigungschancen führten. Die positive Erfahrung innovativer Aktionen kleiner Gründer wurde durch ihre Distanz vom politischen Prozeß gefährdet. Ich habe außerdem darauf hingewiesen, wie wichtig die Prävention ist. Die Einbeziehung der Sozialpartner muß ebenfalls unterstrichen werden. An oberster Stelle müssen die Flexibilität und die Verringerung der Verwaltungslasten stehen. Flexibilität ist auch im Hinblick auf die Länder mit geringen Finanzmitteln notwendig. Obwohl ich bei einigen Aspekten des Berichts eine andere Vorgehensweise bevorzugen würde, bin ich insgesamt der Meinung, daß der Bericht einen flexiblen und vernünftigen Ansatz bietet, der Unterstützung verdient. . (PT) Mit dieser Gemeinschaftsinitiative EQUAL will die Kommission die Gemeinschaftsinitiativen EMPLOYMENT und ADAPT sowie mehrere Unterprogramme ersetzen, die in diesen Bereichen vorhanden waren - NOW (neue Chancen für Frauen), HORIZON (für Behinderte), YOUTHSTART (Eingliederung von Jugendlichen in den Arbeitsmarkt) und INTEGRA (für Gruppen, die von Ausgrenzung bedroht sind). Erschwerend kommt hinzu, daß die geplanten Haushaltsmittel deutlich gekürzt werden. Durch diese Initiative wird man also das ausbauen, was die Kommission für neue Methoden des Kampfes gegen alle erdenklichen Formen von Diskriminierung und Ungleichbehandlung im Hinblick auf dem Arbeitsmarkt hält, wobei sie sich auf die vier Pfeiler der beschäftigungspolitischen Leitlinien stützt. Das ist viel für so knappe Mittel. Um aber Erfolgsmöglichkeiten mit diesen neuen Methoden zu gewährleisten, hätte sich die Kommission für einen unkomplizierten, einfacheren und direkteren Vorschlag entscheiden und gleich zu Beginn des Verfahrens die NRO beteiligen müssen, damit sich die Partnerschaften ausgewogen entwickeln. Das hat sie nicht getan. Wir erwarten, daß sie wenigstens noch die von uns genannten Gesichtspunkte überprüft. Erfreulicherweise verfolgt das Europäische Parlament weiterhin seine Initiativen im Kampf gegen Diskriminierungen und Ungleichheiten, und die vier im EQUAL-Programm vorgesehenen Bereiche - die Fähigkeit zu beruflichen Eingliederung, Unternehmergeist, Anpassungsfähigkeit und Chancengleichheit von Frauen und Männern - scheinen wirklich stichhaltig zu sein. Aber der vorliegende Bericht geht, möglicherweise in bester Absicht, hier und da in eine Richtung, die ich für sehr gefährlich halte, da sie auf die Verwässerung der Begriffe "Bürgerschaft " und "Rechtmäßigkeit " hinausläuft und aus einer Vielzahl von Ausnahmen das allgemeine Recht konstruiert, auf dem die gemeinschaftlichen Überlegungen basieren. Man kann zwar dem Beschluß nur zustimmen, spezielle Maßnahmen zu ergreifen, um jegliche Form von Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt gegenüber Asylbewerbern, die ja ohnehin bereits ein schweres Schicksal erleiden, zu beseitigen, aber dennoch muß diesem Begriff ein Rechtskonzept zugrundeliegen: Im Klartext heißt dies, daß die Hilfe für ordnungsgemäß anerkannte und mit einem regulären Status versehene Asylbewerber wohlbegründet ist, dies aber auf zahlreiche, in diesem Bericht genannte Kategorien - Asylbewerber, deren Prüfverfahren noch nicht abgeschlossen ist, die vorübergehenden Schutz genießen oder die nicht als Flüchtlinge anerkannt und von Rückführung bedroht sind - nicht zutrifft, dieser Bericht für sie jedoch dieselbe Unterstützung vorsieht. Nun könnten aber die in diesem Bericht vorgesehenen Hilfsmaßnahmen Schritt für Schritt zu einer verhängnisvollen Ausweitung führen. Asylbewerber, selbstverständlich, dazu noch Asylbewerber im laufenden Verfahren unter vorübergehendem Schutz und schließlich Asylbewerber, deren Antrag abgewiesen wurde und die von der Rückführung bedroht sind, sie alle dürften laut diesem Bericht von diesem Maßnahmenkatalog profitieren, obwohl sie doch von ihrer Situation her - was ist ein Asylbewerber, dem der Flüchtlingsstatus verweigert wurde und der von der Rückführung bedroht ist, anderes als ein illegaler Einwanderer? - zumindest was letztere Kategorie anbelangt, von einer Politik der Integration in eine Gemeinschaft, die ihre Anwesenheit nicht als legitim und ordnungsgemäß anerkennt, ausgeschlossen sein müßten. Ein derartiges Signal würde, freiwillig oder unfreiwillig, einem ungeheuren Aufruf zur Einwanderung gleichkommen, bei der allein der Antrag auf Anerkennung als Flüchtling, ob sie nun gewährt wird oder nicht, ausreichen würde, um eine ganze Palette von Hilfsmaßnahmen zu rechtfertigen, die zur dauerhaften Integration des Asylbewerbers in die Arbeitswelt beitragen soll, in ein allgemeines Umfeld, das von Mangel geprägt ist und in dem die reguläre Bevölkerung, Ausländer und Einheimische, auf grausame Weise mit dem Problem der Arbeitslosigkeit konfrontiert ist. Folglich war es mir, trotz der allgemeinen Leitlinien, die ich durchaus teile, nicht möglich, diesem Bericht zuzustimmen, der den Keim für einen erneuten Angriff auf die Begriffe "Bürgerschaft " und "republikanische Rechtmäßigkeit " in sich trägt, denen ich mich in besonderer Weise verpflichtet fühle. Bericht Lienemann (A5-0027/2000) Herr Präsident, so mancher von uns wird sich an den erfolgreichen Film mit dem Titel "Cocoon " erinnern, in dem alte Leute ein spezielles Wasser tranken und dadurch wieder jung wurden. Ich halte es deshalb für äußerst wichtig, daß wir dem Wasser, das wir alle trinken, größte Aufmerksamkeit widmen und die betreffenden Maßnahmen annehmen und befolgen. Aus diesem Grund habe ich für diese Empfehlung gestimmt, doch möchte ich zugleich meinen Wunsch bekräftigen, daß man vor allem dafür Sorge tragen möge, daß das Wasser, wenn es bei uns zu Hause ankommt, den höchstmöglichen Reinheitsgrad aufweist. Ich stelle nämlich fest, daß in der angenommenen Empfehlung keine Unterstützung für diejenigen vorgesehen ist - wobei ich darauf vertraue, daß das in Zukunft geändert wird -, bei denen die Wasserreinigung im eigenen Haus, in der Wohnung erfolgt. Trotz einiger Verbesserungen am ursprünglichen Entwurf der Richtlinie zur Wasserpolitik durch die Aufnahme bestimmter Änderungsanträge des Europäischen Parlaments in den Gemeinsamen Standpunkt des Rates ist die Richtlinie nach wie vor problematisch. Ich nenne einige besonders wichtige Punkte: die neuen Werte für die Wasserqualität müssen für alle verbindlich sein; es ist für den Schutz des Grundwassers vor Verunreinigung zu sorgen; benötigt werden Regelungen zur Reinigung verschmutzten Grundwassers; die Einleitung von ca. 400 gefährlichen Substanzen in das Wasser muß verboten werden, was gegenwärtig kaum kontrolliert wird; dringend erforderlich ist ein System zur Bestimmung von Schadstoffen im Wasser; den Kosten der wasserwirtschaftlichen Dienstleistungen sind die Umweltkosten der Wasserversorgung hinzuzurechnen; die Kosten für die Bereitstellung von Wasser müssen zwar generell in die Wasserpreise einfließen, jedoch sind Ausnahmen für Regionen zuzulassen, die unter ständigem und erheblichem Wassermangel leiden und deren sozialökonomische Lage dies erfordert (z. B. arme Regionen bzw. soziale Gruppen); der Zeitplan für die Umsetzung der Richtlinie sollte gestrafft werden. Mit Ausnahme des Änderungsantrags 76, wo mir ein Fehler unterlaufen ist, denn ich wollte dafür stimmen, ließen sich meine Stimmabgaben mit der folgenden fiktiven Erzählung erklären: Angenommener Entwurf einer Umweltrichtlinie: "Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Pflicht, im Winter in den Straßen, auf den Plätzen und in den Gärten der europäischen Städte eine Temperatur von mindestens achtzehn Grad Celsius beizubehalten ". Hauptlinien der Richtlinie: a) Jede Stadt muß sich mit ausreichenden energetischen und technologischen Mitteln ausstatten, damit dieses Ziel im Jahr 2012 erreicht wird; b) Die Kosten werden als Bestandteil des Elektrizitätspreises voll auf alle Einwohner der Stadt umgelegt. Stellungnahme eines Abgeordneten aus Nordeuropa: "Diese Richtlinie wäre ungerecht, denn die Kosten für einen Einwohner Stockholms wären beispielsweise zweihundert Mal höher als die Kosten für einen Einwohner von Neapel ". Stellungnahme eines Abgeordneten aus Südeuropa: "Nichtsdestotrotz, das ist Wettbewerbsfähigkeit und Gleichheit der Bedingungen ". (Hier endet die Fiktion.) Der Abgeordnete, der jetzt sein Abstimmungsverhalten erklärt, betrachtet es als positiv, daß es eine Gemeinschaftsrichtlinie zum Wasser gibt, ist aber der Meinung, daß Europa nicht mit Umweltdogmatismen aufgebaut werden kann, sondern daß man in die Karikatur einer Gesetzgebung verfällt. Man kann Länder mit Überschwemmungs- und Dürreperioden, wie die Mittelmeerländer, nicht genauso behandeln wie die Länder mit einem nördlichen Niederschlagsregime. Andererseits wäre ein Europa, das die Wassertransfers zwischen verschiedenen Wassereinzugsgebieten künftig praktisch unmöglich macht, unsolidarisch. Es sei nochmals daran erinnert, daß wir an einem Projekt der politischen Einigung des ganzen Kontinents arbeiten. Trinken, essen, sich waschen, Felder bestellen und vieles mehr: Wasser benötigen wir für jede Handlung unseres Alltags. Dieses Wasser wird zu Unrecht für eine unveränderliche und unerschöpfliche Ressource gehalten, denn ein so einfacher Vorgang wie das Öffnen eines Wasserhahns ist scheinbar eine Selbstverständlichkeit. Aber diese Quelle droht zu versiegen.... Alle wissenschaftlichen Untersuchungen kommen nun zu dem eindeutigen Schluß, daß das Wasser die wesentliche Herausforderung der kommenden Jahre darstellen wird, und dies bereits morgen. Aber morgen wird es zu spät sein. Wir müssen heute die Spielregeln klar formulieren, bevor wir alle zu Verlierern werden. Wenn das Europäische Parlament heute, am 16. Februar, die Richtlinie zur Wasserpolitik verabschiedet, so bekräftigt es seinen Willen zum Schutz der Oberflächengewässer, der Küstengewässer, der Binnengewässer und des Grundwassers. Europa verfügt nunmehr über einen Rahmen, der es ihm ermöglicht, der Verschlechterung der Wasserqualität entgegenzuwirken, die nachhaltige Nutzung des Wassers zu fördern, die Ökosysteme zu schützen, zum Kampf gegen Überschwemmungen und Dürreperioden beizutragen und die Einleitung gefährlicher Substanzen zu stoppen. Dies ist eine Rettungsboje, die wir ins Wasser werfen. Ich bin äußerst zufrieden mit diesem ehrgeizigen Vorschlag für eine Rahmenrichtlinie zur Wasserpolitik. Die Umweltkatastrophe, die derzeit die Ufer der Donau heimsucht, erinnert uns - sofern dies noch erforderlich war - daran, daß die menschliche Nachlässigkeit allzu oft zu einer Gefährdung der natürlichen Ressourcen, wie etwa des Wassers, führt. Ziel dieses Richtlinienvorschlags aus dem Jahr 1997 ist es, der Aufsplitterung, die die Rechtsvorschriften im Bereich Wasser bis heute kennzeichnet, ein Ende zu setzen und die Oberflächen-, Küsten- und Binnengewässer sowie das Grundwasser besser zu schützen. Der Vorschlag liefert einen Rahmen, der es ermöglicht, weiteren Verschlechterung entgegenzuwirken, die Ökosysteme zu schützen, eine nachhaltige Nutzung der Wasserreserven zu fördern, zum Kampf gegen Überschwemmungen und Dürren beizutragen und die Einleitung gefährlicher Substanzen schrittweise einzudämmen. Im Laufe der Zeit werden innerhalb dieses Rahmens spezielle Richtlinien verabschiedet. Das Verfahren zur Ausarbeitung dieses Textes war langwierig. Der Richtlinienvorschlag wurde mehrfach abgeändert, zum ersten Mal im Jahr 1997, ein zweites Mal im Jahr 1998. Eine technische Arbeitsgruppe aus Vertretern des Rates und des Parlaments ist im Januar 1999 zusammengekommen, um den Versuch einer Annäherung der Standpunkte unserer beiden Institutionen zu unternehmen. Allerdings gibt es immer noch zahlreiche Änderungsanträge von seiten des Umweltausschusses, wobei ich die meisten von ihnen unterstütze. Hinsichtlich des Zeitplans und der Ziele plant der Rat, daß das Ziel der Schaffung eines guten Zustands der Oberflächengewässer spätestens 16 Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie erreicht wird. Der Ausschuß für Umwelt, Volksgesundheit und Verbraucherpolitik fordert eine Verkürzung dieser Frist auf zehn Jahre. Außerdem fordert der Ausschuß, daß jegliche Einleitung oder Versickerung von gefährlichen Substanzen ab dem Jahr 2020 verboten wird. Das endgültige Ziel muß darin bestehen, bis 2020 Werte nahe null zu erreichen. Der Rat hofft, innerhalb von 16 Jahren einen guten Zustand des Grundwassers zu erreichen, aber die Kommission möchte, daß die Verschlechterung des qualitativen chemischen Zustands des Grundwassers gestoppt wird, damit bereits innerhalb von zehn Jahren ein guter Zustand des Grundwassers erreicht werden kann. Sämtliche Normen und Ziele hinsichtlich der geschützten Zonen müssen innerhalb von zehn Jahren und nicht innerhalb von 16 Jahren umgesetzt werden. Ich muß sagen, daß ich diese Fristverkürzungen befürworte, zumal ohnehin einige Ausnahmeregelungen vorgesehen sind. Hinsichtlich der Kosten billige ich den Vorschlag, wonach die Mitgliedstaaten bis zum Jahr 2010 darüber wachen müssen, daß die Preispolitik bei Wasser zu einem sparsameren Umgang mit den Wasserressourcen anregt. In diesem Zusammenhang erwarte ich außerdem, daß die Europäische Kommission eine eindeutige Erklärung abgibt, in der sie sich bis zum Jahr 2012 zur Unterbreitung eines Vorschlags verpflichtet, der sicherstellen soll, daß die Preise von Wassernutzungen auch Umwelt- und Ressourcenkosten widerspiegeln. Abschließend möchte ich einen Änderungsantrag des Umweltausschusses zitieren, der keines Kommentars bedarf: "Wasser ist keine übliche Handelsware, sondern ein Gut, das der Bevölkerung der Europäischen Union gehört und geschützt, verteidigt und entsprechend behandelt werden muß ". Ich möchte meine Besorgnis im Hinblick auf den Bericht Lienemann sowie den Grund für meine Abstimmungsentscheidung zu Protokoll geben. Wir sind uns alle darin einig, daß geeignete Kontrollen zum Schutz unserer Wasserversorgung sowie zum Schutz der Wassernutzer eingeführt werden müssen. Viele Punkte in dem von der Berichterstatterin vorgeschlagenen Konzept sind begrüßenswert. Die Besteuerung beziehungsweise die Erhebung von Gebühren für die Wassernutzung ist jedoch ein Thema, über das gemäß dem Subsidiaritätsprinzip die Mitgliedstaaten selbst entscheiden sollten. Ich halte ein so unausgegorenes Instrument wie ein gemeinsames europäisches Gebührensystem in diesem Bereich nicht für ein geeignetes Mittel. In Irland müssen bereits die wichtigsten Wassernutzer, d. h. Kleinverbraucher, Industrie und Landwirtschaft, Gebühren in Abhängigkeit vom Wasserverbrauch entrichten. Dies ist eine Entscheidung der irischen Regierung sowie der Kommunalverwaltungen, und dort sollten solche Entscheidungen auch zukünftig getroffen werden. Dies sind die wichtigsten Gründe für meine Abstimmungsentscheidung. . (PT) Wir halten es für positiv, daß man versucht, die Tendenzen der Verschlechterung der Wasserqualität umzukehren. Obwohl die Entwicklung ein alarmierendes Ausmaß erreicht hat, neigen die Regierungen allzu oft dazu, sie zu vernachlässigen. Wir alle wissen, daß Wasser ein für die Menschheit essentielles Gut ist und daß es dringend notwendig ist, seine Qualität zu bewahren. Doch es gilt ebenfalls zu berücksichtigen, daß die Komponenten der Wasserpolitik untrennbar miteinander verbunden sind und daß sich die Verhaltensweise in diesem Bereich auf alle anderen überträgt. Nun stand bei der Aussprache und den Vorschlägen aber das Thema "physikalisch-chemische und ökologische Wasserqualität " im Vordergrund. Die schädlichen Auswirkungen in den übrigen Bereichen wurden beinahe nur am Rande wahrgenommen. Daher besteht die Notwendigkeit, die vielgestaltigen Realitäten der Mitgliedstaaten, die klimatischen Besonderheiten, die hydrologischen Systeme und ihre Veränderungen im Jahresverlauf, die sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen bei der Anwendung bzw. auch beim Fehlen der Normen zu berücksichtigen. Die Sorge um diese Fragen hat uns veranlaßt, einigen Vorschlägen des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherpolitik nicht zuzustimmen. Dies betrifft vor allem Fragen im Zusammenhang mit einem zu eng gefaßten Zeitplan und mit der geringen Beachtung der sozialen und landwirtschaftlichen Aspekte, die für ein Land wie Portugal angesichts der dortigen Probleme mit der Wasserknappheit und einer unzulänglichen sozioökonomischen Entwicklung einen hohen Stellenwert besitzen. Wir vertreten aber auch die Auffassung, daß die Vorschläge der Kommission und des Rates in vielen Fällen zu unzeitgemäß sind. Deshalb haben wir uns bemüht, eine im Rahmen der Bedingtheit der eingereichten Vorschläge bei der Abstimmung ausgewogene Entscheidung zu treffen. Der gemeinsame Standpunkt des Rates zu diesem Vorschlag für eine Rahmenrichtlinie hat uns enttäuscht. Er ist in vielen Punkten minimalistisch, insbesondere hinsichtlich der Fristen für das Inkrafttreten zu vieler Bestimmungen sowie der Anzahl und der Durchführungsbedingungen der Ausnahmen. Das Hauptproblem liegt allerdings in der Definition des Ziels, das die Europäische Union mittels dieses Textes verfolgen möchte. Das Ziel besteht selbstverständlich in der Schaffung eines klaren allgemeinen Rahmens, der endlich die Vereinfachung des in diesem Bereich geltenden Rechts ermöglicht. Allerdings muß die Union darüber hinaus bestrebt sein, die Qualität der Oberflächengewässer und des Grundwassers zu verbessern. Es geht um die Volksgesundheit und die Trinkwasserversorgung, die Qualität und die Artenvielfalt, die Bewahrung der Landschaft und der Tierarten. In dieser Hinsicht ist der gemeinsame Standpunkt unzureichend. Ich hätte mir gewünscht, daß unser Parlament einen ehrgeizigeren Standpunkt als der Rat vertritt, aber ich hätte mir auch gewünscht, daß dieser Standpunkt glaubwürdig ist. Die Forderung nach Nullemissionen und Stopp der Verschmutzungen, einschließlich bei den von Natur aus im Wasser vorhandenen Substanzen, ist nicht realistisch. Ich zähle nicht zu den Abgeordneten, die der Ansicht sind, es sei unerläßlich, in zweiter Lesung "extremistische " Änderungsanträge zu verabschieden, und zwar mit dem einzigen Ziel, sich mit Blick auf die Verhandlungen mit dem Ministerrat einen Handlungsspielraum zu verschaffen. Im Gegenteil, ich verurteile diese inzwischen systematisch angewandte Strategie. Sie schadet unserem Parlament. Unsere Botschaften an die Bürger und den Rat sind unklar und nicht glaubwürdig. Überzogene umweltpolitische Ziele, die keinen Bezug zur Realität haben, lassen sich nicht umsetzen, denn sie können niemals erreicht werden. Möchten wir etwa diese Botschaft vermitteln? Im übrigen ist mir ein spezieller Punkt besonders wichtig: Die Mitgliedstaaten müssen, sofern sie dies möchten, darüber entscheiden können, ob sie grenzüberschreitende Wassertransfers durchführen möchten. Derartige Projekte entsprechen dem Grundsatz des Zusammenhalts und der Solidarität zwischen den Regionen, den wir stets verteidigt haben. In diesem Sinne sollte solche Projekte weitgehend von der Europäischen Union unterstützt werden, im Rahmen der Förderung der transeuropäischen Netze und der Regionalpolitik (mittels der Strukturfonds). Ich möchte daran erinnern, daß unser Parlament vor zwei Jahren einen Initiativbericht zur technischen Durchführbarkeit der transeuropäischen Wasserversorgungsnetze verabschiedet hat, und ich würde es begrüßen, wenn die Europäische Kommission das Europäische Parlament in Kürze über die Umsetzung dieses Berichts informieren könnte. Wir haben mitgeholfen, aus einem von der Sorge um die Wasserqualität in Europa getragenen Bericht ein Instrument des Handelskriegs zu machen. Wir sind uns alle einig, daß die Wasserqualität als ein erstrangiges Ziel betrachtet werden muß, vor allem aufgrund der nachteiligen Folgen, die die Entwicklung des Modells eines beschleunigten industriellen Wachstums auf die Natur hat. Es ist klar, daß die diesem Modell innewohnende Logik des privaten Nutzens unheilvoll war, weshalb das Verursacherprinzip geeignet ist, diesen Folgen zu begegnen. Aber jenseits dieser Grundsätze steht die Betrachtung des Wassers als gemeinsames Gut, das nicht den Regeln des Marktes unterworfen werden darf. Erstaunlicherweise ich vermute, in bester Absicht ist dieses ökologische Ziel zu einem Instrument des Handelskriegs gemacht worden, indem der Gesamtpreis der Anlagen und Verfahren für die entsprechende Qualität des Wassers auf die Verbraucher, vor allem auf den Agrarsektor, umgelegt wird. In Wirklichkeit wird das Wasser zu einer weiteren den Marktgesetzen unterworfenen Ware. Damit wird die Anwendung des herrschenden neoliberalen Modells auf den Bereich des Wassers vollzogen. Wenn nicht zwischen Ländern und Regionen unterschieden wird, in denen das Wasser überreichlich vorhanden ist und kein Problem darstellt, und Regionen, in denen die Trockenheit und die geringe Niederschlagsmenge es zu einem knappen Gut werden lassen und denen so die Möglichkeiten für eine minimale wirtschaftliche und soziale Entwicklung genommen werden, wird das ökologische Prinzip pervertiert, wird es zur Schleuderwaffe. Ebenso ist es gewissermaßen eine Ironie, wenn die Möglichkeit der gemeinsamen Nutzung dieses Guts, das in einigen Gebieten knapp ist, erschwert wird und diejenigen, die in wasserreichen Regionen leben, jenen in Trockengebieten Ratschläge über den sparsamen Umgang mit Wasser geben. Aufgrund dieser fehlenden Sensibilität und Solidarität war die von mir, einem Abgeordneten aus einer der trockenen, aber entwicklungsfähigen Agrarregionen des Mittelmeerraums wie der Region Murcia, abgegebene Stimme zwangsläufig die Konsequenz aus meinen Darlegungen. Im Namen der Labour-Partei im Europäischen Parlament möchte ich auf gewisse Vorbehalte unserseits hinweisen, obwohl wir den Bericht Lienemann im wesentlichen unterstützt haben. Die in dem Bericht genannte Frist bis zum Jahr 2020 ist unrealistisch und in der Praxis nicht einzuhalten, die vom Rat vorgeschlagene Frist bis zum Jahr 2034 liegt jedoch in allzu weiter Ferne. Wir sind daher der Auffassung, daß im Vermittlungsverfahren ein realistischerer Termin gefunden werden sollte. Wir haben gegen die Änderungsanträge 25 und 72 gestimmt, in denen eine minimale anthropogene Verschmutzung des gesamten Grundwassers gefordert wird. Wir halten diese Forderung angesichts der immensen Kosten und der extrem langen Zeiträume für die Wiederherstellung eines nahezu unbelasteten Zustands für unrealistisch. Dies ist der Grund für unsere Abstimmungsentscheidung. Wasser ist eine erneuerbare und begrenzt vorhandene natürliche Ressource, deren sinnvolle Nutzung von wesentlicher Bedeutung ist. Die Rahmenrichtlinie zur Wasserpolitik wird einen wichtigen Eckpunkt der Gemeinschaftspolitik in diesem Sektor darstellen. Die Ziele dieser Richtlinie sind eindeutig und ehrgeizig. Wir stimmen diesen Zielen zu. Die Richtlinie legt Umweltgrenzwerte nahe null fest. Unserer Ansicht nach wäre es jedoch sinnvoller, keine unrealistischen Fristen vorzuschreiben, die weder unsere Staaten noch unsere Industrie einhalten können. Selbstverständlich brauchen wir einen Zeitplan, aber er muß stärker gestaffelt sein. Die rechtliche Verpflichtung zur Erreichung von Nullemissionen und zum Stopp der Einleitungen bis 2020 würde nämlich einem Verbot sämtlicher identifizierter Substanzen gleichkommen. Derartige Bestimmungen könnten uns hinsichtlich der grenzüberschreitenden Einzugsgebiete vor große Probleme stellen, und im Hinblick auf die Beitrittsländer könnten sie die Erweiterung erschweren. Natürlich möchte ich hier auch einen besonderen Sektor ansprechen, dessen Entwicklung ich sehr genau verfolge, nämlich die Landwirtschaft, die zu den größten Wasserverbrauchern zählt. Sie muß - und sie beginnt bereits damit - ihre Rolle als zahlende Umweltsünderin akzeptieren, aber gleichzeitig muß man auch ihre Besonderheiten und Zwänge, insbesondere in den trockenen Weltregionen, berücksichtigen. Was die Änderungsanträge hinsichtlich der radioaktiven Stoffe anbelangt, so bin ich selbstverständlich für Kontrollen, aber diese Frage ist abhängig von der im Euratom-Vertrag geregelten Rechtsgrundlage. Bericht Andersson (A5-0033/2000) Die EDD-Fraktion konnte den Bericht Andersson nicht unterstützen. In der Begründung (Seite 15) wird u. a. erkannt: "Die unterschiedlichen Entwicklungsstufen und Traditionen der Mitgliedstaaten im Bereich der sozialen Sicherheit verhindern eine einheitliche Harmonisierung der Systeme der sozialen Sicherheit in den Mitgliedstaaten ". Der Begriff "einheitliche Harmonisierung " ist allerdings eine jener konfusen Bezeichnungen, die den betreffenden Integrationsprozeß vollständig verschleiern. Es ist auch korrekt, wie es in der Begründung heißt, daß eine Harmonisierung schädlich ist: "Eine Harmonisierung wäre außerdem schädlich, da dadurch höhere Anforderungen an schwächere Mitgliedstaaten gestellt würden und zugleich sozial entwickeltere Staaten wettbewerbsmäßig unter Druck gesetzt werden könnten, Einschnitte bei ihren sozialen Sicherheitssystemen vorzunehmen. Eine solche Harmonisierung brächte keinem Vorteile. " In Wirklichkeit wird ein soziales Modell eingeführt, das auf eine Harmonisierung - und zwar auf eine einheitliche Harmonisierung - hinausläuft. In Punkt D wird betont, daß "die Union durch Annahme echter verbindlicher und wirksamer Konvergenzkriterien für einen Mehrwert sorgen kann ", und im folgenden wird im Bericht darauf hingewiesen, daß die Entwicklung dieses Konvergenzprozesses durch Beratungen zwischen Ökofinrat und dem Rat der Sozial- und Arbeitsminister gefördert wird. Schließlich wird in Punkt 7 hervorgehoben, "daß der soziale Annäherungsprozeß von einer wirksamen und ehrgeizigen steuerrechtlichen Koordinierung begleitet sein muß ". Hier nähern wir uns dem Kern der Angelegenheit. Bei diesem Projekt der sozialen Harmonisierung handelt es sich nicht um Sozialpolitik, es ist vielmehr eine Weiterführung des WWU-Projekts der EU. Das ist für jene drei Länder von besonderem Interesse, die nicht daran teilnehmen und sich von dieser Titanic retten können, nämlich für Großbritannien, Schweden und Dänemark. Deshalb ist es wichtig zu betonen, daß wir keinen Vorschlag unterstützen können, dessen wirkliches Anliegen der Ausbau des WWU-Projekts ist Herr Präsident, ich habe für die Mitteilung der Kommission über die Modernisierung des Sozialschutzes gestimmt, weil damit endlich, wenngleich er uns noch nicht ganz zum Ziel führt, der Weg zu einer europäischen Sozial- und Rentengesetzgebung eingeschlagen wird. Ich habe die vorangegangene Erklärung zur Abstimmung mit Bedauern zur Kenntnis genommen, weil der Sinn dieses Berichts meines Erachtens darin besteht, den Älteren möglicherweise einen höheren Schutz zu bieten, obwohl die Regierungen der 15 Mitgliedstaaten ja bekanntlich die Renten so weit wie möglich senken wollen. Ich wünsche mir, daß das Europäische Parlament umgehend die Gesetzgebungsbefugnis im Bereich der Renten erhält. Die Älteren erwarten von diesem Parlament, daß es ihnen ein gutes und würdevolles Leben ermöglicht, in dem es ihnen besser geht als jetzt. Die weniger fortgeschrittenen Länder müssen dasselbe Niveau erreichen wie jene Staaten, die innerhalb der Europäischen Union einen höheren Sozialschutz bieten. Die dänischen Sozialdemokratien im Europäischen Parlament haben heute für den Bericht unseres schwedischen sozialdemokratischen Kollegen Jan Andersson über die Mitteilung der Kommission "Eine konzertierte Strategie zur Modernisierung des Sozialschutzes " gestimmt. Die Mitteilung der Kommission geht von der Durchführung der WWU aus, die durch ihre Forderung nach Stabilität und Wachstum die Voraussetzungen dafür schafft, daß die Mitgliedstaaten an ihren sozialen Sicherheitssystemen festhalten können. In dem Bericht wird festgestellt, daß durch eine Modernisierung der soziale Schutz nicht verschlechtert wird, sondern daß die vorhandenen Ressourcen besser genutzt werden. Wir möchten außerdem darauf hinweisen, daß in der Begründung gesagt wird, daß eine Modernisierung auch nicht Harmonisierung der sozialen Sicherheitssysteme bedeutet und daß eine Harmonisierung direkt schädlich wäre, da sie höhere Anforderungen an schwächere Mitgliedsländer stellen würde und im Zuge des Wettbewerbs andere zu Einschränkungen zwingen könnte. Eine solche Situation wäre für niemanden von Vorteil. Sowohl in der Mitteilung der Kommission als auch im Bericht Andersson wird hervorgehoben, daß die Verantwortung bei den Mitgliedstaaten liegt, die damit auch über den Inhalt der sozialen Sicherungssysteme entscheiden. Eine Zusammenarbeit innerhalb dieser Bereiche im Rahmen der EU soll einen Mehrwert schaffen, der sich aus dem Austausch von Erfahrungen und der gegenseitigen Bewertung der Entwicklung von Politiken im Hinblick auf die Festlegung der besten Praxis ergibt. - (SV) Der Bericht enthält unserer Ansicht nach eine Reihe von guten praktischen Vorschlägen, die wir unterstützen. Äußerst kritisch stehen wir jedoch dem Konvergenzgedanken gegenüber, der den gesamten Bericht durchzieht. Wir wenden uns insbesondere gegen die Abschnitte, in denen es um eine steuerrechtliche Koordinierung und Vorschriften für das Verhalten der Mitgliedsländer durch die Kommission geht (siehe z. B. Punkt 7). Wir möchten unterstreichen, daß der Bereich der sozialen Sicherheit in erster Linie Sache der Mitglieder sein muß, auch wenn die Erweiterung der EU eine größere Koordinierung als bisher erforderlich machen wird. Die derzeitigen Schwierigkeiten innerhalb unserer sozialen Schutzsysteme sind in erster Linie die Folge des Einnahmedefizits aufgrund von Arbeitslosigkeit, Armut und Überalterung der Bevölkerung und nicht aufgrund überhöhter Ausgaben. In dieser Situation kommt übrigens den Politiken der Europäischen Union eine hohe Verantwortung zu. Natürlich müssen wir diese Systeme anpassen. Vor allem in Frankreich muß man damit aufhören, allein dem Arbeitsmarkt die Finanzierung der Krankenversicherung und der Renten aufzulasten. Des weiteren muß der archaische Verwaltungsmodus reformiert werden, der eine Quelle für Ungerechtigkeiten, Mißwirtschaft und Verschwendung darstellt. Wir müssen insbesondere eine auf demografisches Wachstum ausgerichtete Familienpolitik betreiben, eine auf Wachstum und Wiedereroberung unseres Binnenmarkts ausgerichtete Wirtschafts-, Währungs- und Steuerpolitik, die zur Schaffung von Arbeitsplätzen beiträgt. Die Vorschläge der Kommission und des Berichts Andersson haben nichts mit Sozialpolitik zu tun, sondern sie sind ein Instrument, mit dem man Brüssel übermäßige Entscheidungsbefugnisse hinsichtlich der Finanzierung, also der Organisation und der Leistungen der sozialen Schutzsysteme der europäischen Nationen erteilt. Aus diesem Grund haben wir gegen diesen Text gestimmt. Der Sozialschutz muß vor allem Ausdruck der nationalen Solidarität sein, und er liegt in erster Linie und ausschließlich in der Zuständigkeit der Nationalstaaten. Der Sozialschutz muß auf dem Grundsatz der nationalen und gemeinschaftlichen Präferenz basieren. Andernfalls dient er lediglich der finanziellen Regelung von unerträglichen sozialen Verhältnissen, die eine Folge der Einwanderung darstellen, zu Lasten und zum Schaden der europäischen Bürger. Wir haben uns nicht an der Abstimmung zum Bericht von Jan Andersson über eine konzertierte Strategie zur Modernisierung des Sozialschutzes beteiligt. Unsere Grundeinstellung zur Europäischen Union ist positiv. Als schwedische Liberale betrachten wir die europäische Integration als Möglichkeit zur Lösung grenzüberschreitender Probleme, wie z. B. Fragen der Umwelt, des Handels, der internationalen Mobilität, der Menschenrechte und der Konfliktlösung. Hier können die Demokratien Europas der Welt zeigen, daß Zusammenarbeit zu Frieden und Wohlstand führt. Wir glauben aber auch an das Subsidiaritätsprinzip, d. h. daß die Beschlußfassung so nahe an den Betroffenen wie möglich erfolgen muß. Aus diesem Grund arbeiten wir aktiv für eine Verfassung der Europäischen Union, aus der die Verteilung der Zuständigkeiten für jeden deutlich sichtbar hervorgeht. Es muß allen Bürgern der Union absolut klar sein, daß die EU sich ausschließlich mit den Fragen beschäftigt, die sie am besten lösen kann - den grenzüberschreitenden Problemen. Alle anderen Angelegenheiten sollten auf lokaler, regionaler oder nationaler Ebene behandelt werden. Die Sozialpolitik ist ein Beispiel für ein Gebiet, auf dem die EU nur eine begrenzte Zuständigkeit besitzen sollte, außer in den Fällen, in denen es um die freie Mobilität der Menschen innerhalb der Union geht. Jeder Mitgliedstaat sollte die volle Verantwortung und das Recht der Selbstbestimmung für seine sozialen Schutzsysteme haben. Gesundheitswesen, Kinderfürsorge und Altenpflege sind eindeutige Beispiele für Bereiche, die nicht direkt grenzüberschreitend sind. Dasselbe gilt für die Beschäftigungspolitik. Wir halten ein gemeinsames europäisches rechtliches Regelwerk auf diesen Gebieten nicht für die Lösung der Probleme der sozialen Sicherheitssysteme. Für uns ist es wichtig, daß sich die Union statt dessen auf einige wenige Fragen konzentriert, bei denen wirklich Nutzen erzielt werden kann. Das hindert jedoch die Mitgliedstaaten nicht daran, zusammenzuarbeiten und Ideen auf sozialem Gebiet auszutauschen. Soziale Sicherheit und Gleichstellung stehen traditionell hoch auf der Tagesordnung der Liberalen. Darum können wir uns vielen der im Bericht Andersson aufgeworfenen Vorschlägen auf nationaler Ebene vorbehaltlos anschließen. Wir sehen voller Interesse und Zuversicht einer konzertierten Strategie zur Modernisierung der sozialen Sicherheitssysteme in Europa entgegen, die allerdings nicht von einem parallel laufenden Annäherungsprozeß getrennt werden darf: das bedeutet Modernisierung, aber auch Zusammenhalt, wie der Berichterstatter, dem wir beipflichten, in seinem Bericht herausgestellt hat. In vielen Politikbereichen wurde dieser letztgenannte Weg, obschon unter Mühen, eingeleitet, doch in vielen anderen muß er erst noch eingeschlagen werden, bevor Europa, sei es auch unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips, wirklich ein gemeinsames Haus nicht nur für die Bürger der Mitgliedstaaten, sondern auch für die Menschen der Beitrittsländer wird. Die europäischen Systeme der sozialen Sicherheit haben im übrigen stets eine positive Rolle bei der gesellschaftlichen und demokratischen Entwicklung eines jeden Volkes gespielt; und da diese Systeme heute angesichts der Fortentwicklung der Wirtschaft, der Arbeitswelt und der Bedürfnisse der Gesellschaft weiterhin als Stütze der Entwicklung wirken müssen, müssen sie selbstverständlich modernisiert werden. Gleichwohl möchten wir im wesentlichen drei Aspekte hervorheben: Erstens muß ein enger, direkt proportionaler Zusammenhang zwischen der Wirtschaftspolitik, der Beschäftigungspolitik und der Politik der sozialen Sicherheit bestehen. Zweitens geht es um die Verwaltung der Systeme der sozialen Sicherung und um deren Träger. Heutzutage werden nämlich immer umfassendere und wirksamere Maßnahmen im Bereich der zusätzlichen und ergänzenden Vorsorge ergriffen. Dies darf jedoch unserer Ansicht nach keinesfalls dazu führen, daß die Rolle der öffentlichen Hand geschwächt wird, und zwar sowohl wegen der Universalität als auch wegen der - wünschenswerten - Qualität der Grundleistungen der sozialen Sicherheit. Dies ist im Grunde genommen ein Gerechtigkeitsgrundsatz, der für das Gesundheitswesen, für die Rentensysteme, aber auch für den Sozialhilfebereich gilt, in welchem sich die öffentliche Hand der - wiewohl in neuer Form erfolgenden - strategischen Koordinierung nicht entziehen kann. Der dritte Aspekt betrifft das Subsidiaritätsprinzip, auf das sich die Union stützt. Bis heute gibt es keine gemeinsame Strategie des Sozialschutzes und der sozialen Sicherheit, und die geltenden Systeme basieren im wesentlichen auf dem Vorgehen und auf der Solidarität innerhalb der Mitgliedstaaten. Bei der Modernisierung dieser Systeme dürfen die Unterschiede zwischen den einzelnen Staaten - seien sie nun Mitglied- oder Beitrittsstaaten - in den Bereichen Wirtschaft, Beschäftigung und sozialer Schutz nicht außer acht gelassen werden. Die Modernisierung, die eng mit einem, wenngleich von unterschiedlichen Voraussetzungen ausgehenden, Annäherungsprozeß verbunden ist, muß also Entwicklungen im Sinne einer Erhöhung und nicht einer Absenkung des Sozialschutzniveaus anstreben und fördern können. Dies ist im übrigen eine Frage der Kultur, des Fortschritts und der gemeinsamen Würde der gegenwärtigen und der künftigen erweiterten Europäischen Union. Die gemeinsamen Werte der Mitgliedstaaten der Europäischen Union basieren auf Demokratie, Menschenrechten und Freiheit sowie einer sozialen Marktwirtschaft. Dieser Gesinnung muß in der Solidarität mit den schwachen Gruppen in unserer Gesellschaft und der Außenwelt Ausdruck gegeben werden. Entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip gestalten die Mitgliedstaaten ihre sozialen Sicherheitssysteme selbst. Alle Bürger der Europäischen Union sollten jedoch eine Mindestversorgung durch ein soziales Sicherheitsnetz genießen können, unabhängig davon, in welchem Land sie wohnen. Im Bericht wird eine "wirksame und ehrgeizige steuerrechtliche Koordinierung " gefordert, ohne diese näher zu definieren. Eine solche Stellungnahme bedeutet aus unserer Sicht einen zu großen Eingriff in die nationale Steuerpolitik und kann daher nicht unsere Unterstützung finden. Wir stimmen somit gegen Punkt 7 des Berichts. Der Bericht betont die soziale Dimension der europäischen Zusammenarbeit, was begrüßenswert ist. Es muß jedoch auch deutlich gemacht werden, welche Rolle die EU in Fragen der sozialen Sicherheit spielen bzw. nicht spielen sollte. Das fehlt jedoch bedauerlicherweise in diesem Bericht. Wenn man die Mitteilung der Kommission zum Sozialschutz liest, die so viele und so gute Vorsätze enthält, dann fragt man sich, ob deren Verfasser und die europäischen Arbeitnehmer wohl auf dem gleichen Kontinent, in der gleichen sozialen Realität leben. Außerdem kommt einem der Verdacht, ob diese "konzertierte Strategie zur Modernisierung des Sozialschutzes " nicht lediglich eine weitere verschleierte Form des abgestimmten Frontalangriffs auf den sozialen Schutz und die soziale Sicherheit sowie die erkämpften Rechte der Beschäftigten ist. Wir schließen uns zahlreichen Bemerkungen des Berichterstatters an, teilen jedoch in keiner Weise seinen Optimismus in bezug auf die Absichten und Pläne der Kommission und des Rates zum Sozialschutz. Die allgemeine Ausrichtung der umgesetzten Wirtschaftspolitik, der Stabilitätspakt sowie die strengen Konvergenzprogramme, die der Beschäftigung empfindlich schaden und Beschäftigungsfähigkeit sowie Flexibilität der Arbeitsverhältnisse und Arbeitsgestaltung vorantreiben, die Beschlüsse der Kommission und der EZB über die Zurückhaltung bei Lohn- und Gehaltserhöhungen sowie das Beharren auf einer rigiden Haushaltsdisziplin und der Sicherung der berüchtigten Währungsstabilität um jeden Preis lassen bei uns keine Zweifel darüber aufkommen, welche Ziele und Bestrebungen der neuen Strategie zugrunde liegen. Es geht einzig und allein darum, den Boden und die Bedingungen für die Kürzung der öffentlichen Ausgaben für die Sozialversicherung und die Flexibilisierung des Sozialschutzes an sich zu bereiten. Angesichts der Tatsache, daß die soziale Sicherheit von vielen Mächtigen immer wieder als "Kostenfaktor " und "Hindernis " für die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit bezeichnet und versucht wird, diese Kosten von den Unternehmen auf die Beschäftigten abzuwälzen - natürlich immer unter dem Vorwand, Arbeitsplätze schaffen zu wollen -, würde es uns doch sehr wundern, wenn das derzeitige Modell der ungebremsten Marktwirtschaft, der rein finanzökonomischen Betrachtungsweise aller Probleme, das voll und ganz den Interessen der Monopole angepaßt ist, das Grundrecht auf sozialen Schutz und soziale Fürsorge für die Bürger verteidigen würde. Ganz offensichtlich wird darauf hingearbeitet, die unter staatlicher Aufsicht stehenden organisierten Sozialversicherungssysteme in privatwirtschaftliche Systeme umzuwandeln, was dem Kapital weiteren Profit brächte und den Beschäftigten neue Lasten aufbürdete, die ihrerseits nicht nur in den "Genuß " gestiegener Kosten, sondern auch immer schlechterer sozialer Leistungen kämen. Die Unterstützung des unlauteren Wettbewerbs zwischen den öffentlichen und den privaten Sozialversicherungssystemen sowie zwischen den verschiedenen Systemen der Mitgliedstaaten ist nicht nur kein Argument, sondern offenbart vielmehr die politischen Absichten und den unerträglichen Druck, dem die Sozialversicherungssysteme ausgesetzt sind, die zugunsten des Privatsektors und der Gesetze des Profits zurückgedrängt oder gar völlig aufgelöst werden sollen. Bekanntlich bestimmen das Niveau und die Qualität der Beschäftigung auch die Standards der Sozialversicherungssysteme. Wie also kann von gesunden und wirtschaftlich nachhaltigen Sozialversicherungssystemen die Rede sein, wenn es Millionen Arbeitslose und Arme gibt, Millionen, die ausgegrenzt und durch die Politiken im Bereich der Arbeitsbedingungen aus der Bahn geworfen werden, wenn es Millionen in Teilzeit "beschäftigte Arme " gibt? Die soziale Sicherheit und der Sozialschutz stellen eine der größten Errungenschaften der Arbeitnehmer in Europa dar, durchgesetzt in jahrelangen Kämpfen gegen die Bestrebungen des Großkapitals und dank der ständigen Solidarität, wie sie den Arbeitnehmern nun einmal eigen ist. Im heutigen Europa der Arbeitslosigkeit und der Unterbeschäftigung ist es dringend geboten, einen weitergehenden Sozialschutz und den Ausbau der Rechte der Arbeitnehmer zu gewährleisten. Das erfordert allerdings ein anderes System der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung, als es die EU auf Grund ihrer Natur und ihres Wesens hervorzubringen in der Lage ist. Summa summarum sprechen wir uns ganz entschieden gegen die von der Kommission mit ihrer Mitteilung angestrebte "Modernisierung " des Sozialschutzsystems aus und weisen darauf hin, daß wir dem zur Debatte stehenden Bericht des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten nicht zustimmen werden. Damit sind die Erklärungen zu den Abstimmungen beendet. (Die Sitzung wird um 13.55 Uhr unterbrochen und um 15.00 Uhr wiederaufgenommen.) Nach der Tagesordnung folgt die Aussprache über die Erklärung des Rates zu den Prioritäten der Union für die nächste Sitzung der UN-Menschenrechtskommission (20. März 2000) einschließlich der Lage in China. Herr Präsident! Ich halte die Abwesenheit des amtierenden Ratspräsidenten für bedauerlich; es geht um eine Erklärung des Rates, und ich meine, daß seine Teilnahme an der Fortsetzung der Aussprache vielleicht nützlich gewesen wäre. Es erscheint mir nicht müßig, in Erinnerung zu rufen, daß die Aufnahme dieses Punktes in die Tagesordnung klar auf die von allen Fraktionen bekundete Notwendigkeit zurückzuführen ist, daß das Parlament vor der nächsten Sitzung der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen in Genf eine Aussprache durchführt, um sich bei einem für dieses Parlament so sensiblen und beliebten Thema Gehör zu verschaffen. Ich glaube, wir können nach der Erklärung der amtierenden Ratspräsidentschaft und der Kommission alle darin übereinstimmen, daß die gegenwärtige Situation auf dem Gebiet der Menschenrechte weit von dem entfernt ist, was wünschenswert wäre. Auf der Ebene der Union können wir nicht umhin festzustellen, daß die Situation nicht vollkommen zufriedenstellend ist, da zum Beispiel, obwohl die Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten ein allen Mitgliedstaaten gemeinsames Element darstellt, nicht alle ihre Folgeprotokolle von allen Staaten ratifiziert oder unterzeichnet worden sind. Ein deutlicher Nachteil auf diesem Gebiet ist auch die Tatsache, daß die Europäische Union als solche kein Unterzeichner der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten ist, mit allen zusätzlichen Schwierigkeiten, die dieser Zustand mit sich bringt. Ich hoffe, daß alle diese Probleme im Rahmen der Diskussion, die gegenwärtig über die Charta der Grundrechte der Europäischen Union geführt wird, angesprochen und behandelt werden können. Auf außenpolitischer Ebene glaube ich, daß die meisten der in unsere Entschließung aufgenommenen Punkte eine der Realität recht nahekommende Sicht vermitteln und nicht gerade Anlaß zu Optimismus geben, denn Aspekte wie die Abschaffung der Todesstrafe, die noch in vielen vorgeblich demokratischen Ländern praktizierte Folter oder die Lage der Minderheiten in vielen Teilen des Planeten erfordern eine deutliche, sichtbare und wirksame Reaktion seitens der Europäischen Union. Meiner Meinung nach enthält die Entschließung eine Reihe wesentlicher Punkte, aber ich möchte ganz besonders auf einen eingehen, und zwar auf die Notwendigkeit einer stärkeren Abstimmung zwischen der Europäischen Union und den Vereinten Nationen. In einer Welt wie der heutigen, die nicht nur im wirtschaftlichen Bereich immer stärker vom Phänomen der Globalisierung beherrscht wird, müssen wir konzertierte und koordinierte Antworten geben, damit diese auch wirksam sein können. Um diese Effektivität in unseren Aktionen zu erreichen, muß in der Praxis eine Koordinierung erfolgen, die es derzeit nicht gibt. Deshalb setzt sich dieses Parlament für den Grundsatz der Notwendigkeit der Beteiligung an der Menschenrechtskommission und anderen internationalen Foren ein, in denen diese Themen behandelt werden, und, Herr amtierender Präsident des Rates, dieses Parlament möchte an solchen Beratungen so bald wie möglich teilnehmen. Für die nächste Zeit, für den Mai, hat die Europäische Kommission die Vorlage einer Mitteilung über die Entwicklung der Rolle der Menschenrechte und der Demokratisierung in den Außenbeziehungen der Union vorgesehen. Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um die Kommission aufzufordern, diese von mir gerade angesprochene Notwendigkeit der Koordinierung unbedingt zu berücksichtigen und neue Formeln zu suchen, welche die Rolle der Europäischen Union und insbesondere dieses Parlaments auf dem Gebiet der Menschenrechte stärken können, vor allem aus einem Blickwinkel der Kohärenz, indem die positive Bereitschaft jener Drittländer anerkannt wird, die die Aufnahme der demokratischen Klausel akzeptieren. Meiner Ansicht nach sollte sich dies in allen Bereichen niederschlagen - und ich beziehe mich auch ganz besonders auf den finanziellen Bereich. Abschließend möchte ich auf die bedeutenden Beiträge verweisen, die die Zivilgesellschaft auf diesem Gebiet leisten kann, sowie auf die oft unterschätzte Rolle der zahlreichen in diesem Bereich tätigen Nichtregierungsorganisationen. Die Union muß bemüht sein, ihnen jede erforderliche Unterstützung zu geben, damit sie ihre wichtige Arbeit durchführen können. Herr Präsident, verehrte Mitglieder der Kommission, wenn dieses Hohe Haus aufgerufen ist, über das Thema Menschenrechte nachzudenken, geht es ein ernstes Risiko ein, das, wenn Sie so wollen, auch durch das Klima, in welchem wir über dieses so wichtige Thema diskutieren sollen, verdeutlicht wird. Die Abwesenheit des Rates und nahezu aller Kolleginnen und Kollegen des Parlaments läßt uns begreifen, wie groß noch immer die Kluft zwischen hehren, feierlichen und sachdienlichen Erklärungen auf formaler Ebene und der praktischen Umsetzung des Themas Menschenrechte in der täglichen Politik ist. Meines Erachtens ist dieses Parlament, angefangen bei dem Beitrag, den die Europäische Union auf dem Gipfel in Genf leisten wird, dazu berufen, diese Lücke zu schließen und nicht nur hehre Grundsätze zu verkünden, sondern auch zur Wahrhaftigkeit und sogar zur Aufrichtigkeit beizutragen. Die Menschenrechte dürfen nicht nur erörtert werden, wenn es um Kritik oder Bestrafung geht. Wir als Europäisches Parlament müssen das Thema Menschenrechte vor allem unter dem Aspekt der Verhütung behandeln. In diesem Sinne müssen wir imstande sein, eine Kultur der Rechtmäßigkeit, eine Kultur des Rechts, einen Rechtskodex nach außen zu tragen. Eine lange Periode, in der unzählige Verträge geschlossen und unterzeichnet wurden, ist meines Erachtens definitiv zu Ende. Heute gibt es viele, vielleicht zu viele, Verträge zum Thema Menschenrechte: Solange diese Verträge bloß auf dem Papier stehen, sind sie nur unnütze Reflexionen. Jetzt müssen wir zur nächsten notwendigen Phase übergehen, in der es um die tagtägliche und zwingende Anwendung der Bestimmungen unserer Verträge geht, wobei wir nicht vergessen dürfen, daß einige sehr wichtige Verträge noch in unser Recht aufgenommen werden müssen: Ich meine damit die Konferenz von Rom und die Tatsache, daß 14 von 15 Mitgliedstaaten der Union den Vertrag über den Internationalen Strafgerichtshof noch nicht ratifiziert haben. Meiner Ansicht nach müssen wir einige politische Instrumente, mit deren Hilfe wir die Qualität der Menschenrechte in der Welt beurteilen, einer Prüfung unterziehen und verändern. Häufig haben wir Instrumente verwendet, die in formaler Hinsicht zwar praktisch sein können, hinsichtlich des politischen Ergebnisses jedoch absolut untauglich sind: Ich meine den Gebrauch, und oftmals den Mißbrauch, der in den letzten Jahren mit dem Embargo betrieben wurde, sowie die zu sparsame Anwendung der Klausel betreffend die Aussetzung der Abkommen zwischen der Europäischen Union und Drittländern, sofern es dort zu Menschenrechtsverletzungen kommt. Wir müssen vor allem den Rahmen des Schutzes der Menschenrechte aktualisieren. Es besteht die Gefahr, daß die Globalisierung hauptsächlich als Nachteil gesehen wird. Gegenwärtig wird der Grundsatz der Universalität der Menschenrechte in vielen Ländern in Frage gestellt; viele Menschenrechte und das Recht auf Leben, das durch die Todesstrafe in Abrede gestellt wird, gelten als abhängige Variablen, während die häufig als nachteilig gesehene Globalisierung wirklich zu dem einzigen Netz werden könnte, das die Rechte, das Vorgehen und die Politik aller Länder zusammenhält. Deshalb müssen wir unser Betätigungsfeld im Rahmen dieser Bemühungen um den Schutz der Menschenrechte an die neuen Gegebenheiten anpassen: Ich denke dabei an die sozialen Rechte, an die Rechte der Arbeitnehmer, an die Qualität der Arbeit; an die Notwendigkeit, die Einhaltung sämtlicher von der ILO in gebotenem Maße festgelegter Kriterien zu fordern; ich denke an das Recht auf Toleranz, an das allen Minderheiten, insbesondere innerhalb der Europäischen Union, zustehende Recht, geachtet zu werden. Ich denke auch an das Recht auf Entwicklung, auf das alle Völker Anspruch haben, die wiederum eine Gemeinschaft von einzelnen Individuen sind, die als Teil ihres Volkes ebenfalls das Recht auf eine Entwicklung, auf eine in erster Linie aussichtsreiche und wachstumsorientierte Zukunft haben. All dies gehört meines Erachtens zu den Überlegungen, zu der Debatte und zu dem Beitrag, welche die Europäische auf dem Gebiet der Menschenrechte einbringen muß. Ich hoffe, die Beteiligung des Europäischen Parlaments an der Sitzung in Genf ist nicht nur eine Gelegenheit, sich darzustellen, und wird nicht nur als Forum des Zuhörens und Bezeugens genutzt, sondern vor allem zur Bekräftigung dieser Dimension der Menschenrechte, die wir ins Zentrum rücken und mit der Identität der Europäischen Union, der Nation Europa verbinden, indem wir zugleich den Grundsatz der über Zeit und Raum hinausgehenden Universalität der Menschenrechte vertreten. Das ist unsere Hoffnung, und das ist unser eindringlicher Appell, den wir, nicht nur förmlich, an unsere Regierungen richten. Herr Präsident! Auch wenn es gegenwärtig ziemlich leer hier im Saal ist, so hat das Parlament zu Fragen der Menschenrechte jedoch stets ein deutliches Profil gezeigt. Von diesem Hause aus haben wir oft unserer Sorge Ausdruck gegeben und Regime verurteilt, die ihre Bürger unterdrücken, foltern, hinrichten und diskriminieren. Dieses Engagement erzeugt Nervosität und hat Wirkung, wie wir bereits mehrfach sehen konnten. Vor zwei Wochen erhielt ich einen Brief von der chinesischen Botschaft in Brüssel, in dem man sich über die Verurteilung Chinas durch das Europäische Parlament bestürzt zeigte und auf 10 Seiten erklärte, daß unsere Kritik auf Mißverständnissen beruhe. Dieser Brief ist nur ein Beispiel dafür, daß das, was wir hier tun, nicht ungehört verklingt, sondern mit großer Aufmerksamkeit von der Außenwelt verfolgt wird. Das ist gut und zeigt die wichtige meinungsbildende Rolle des Europäischen Parlaments. Die EU besitzt ein großes Gewicht. Darum benötigen wir eine konsequente, deutliche und kohärente Politik bezüglich der Menschenrechte. Was China betrifft, so gibt es, trotz des Briefes der Botschaft, gute Gründe, sich über die Entwicklung in diesem Land Sorgen zu machen. Diese Frage wird ja in einigen Wochen zusammen mit vielen anderen auf dem Treffen in Genf behandelt werden. Der liberalen Fraktion ist sehr daran gelegen, daß die EU hier eine feste Haltung einnimmt und bei dieser Gelegenheit energisch agiert. Ich habe mich gefreut, als ich Kommissar Pattens Ausführungen zu China hörte, war aber etwas besorgt, als ich die Zweifel des Ratsvorsitzenden vernahm. Eine eindeutige Entschließung zu China wäre eine wichtige Klarstellung unserer Positionen gegenüber einem Land, in dem die Menschenrechte systematisch verletzt werden. Unter Mitgliedern der geistig geprägten, völlig friedlichen, aber nun verbotenen Falun-Gong-Bewegung, wurden erneut Messenverhaftungen vorgenommen. Es gibt Informationen über Folter, Isolierhaft und sogar Hinrichtungen. Langjährige Gefängnisstrafen werden ohne Prozeß verhängt. Hunderte Gruppenmitglieder werden in Umerziehungslager geschickt. Das sind völlig unannehmbare Vorgänge. Schikanen gibt es auch gegenüber anderen Gruppen, wie Protestanten und Katholiken. China behauptet, die Glaubensfreiheit zu achten, aber allzu viele Fälle von Gewalt und Schikanen gegenüber religiösen Führern deuten eher auf das Gegenteil hin. Ebensowenig gibt es Zeichen für eine Verbesserung der Lage in Tibet, von wo aus uns immer noch alarmierende Berichte über Folterungen, Inhaftierungen und Drangsalierungen erreichen. In China werden grundlegende Rechte mißachtet. Ebensowenig wird die Rede-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit respektiert. Auch die Informationsfreiheit gibt es nicht. China hat in den vergangenen Wochen alles unternommen, um den Zugang zum Internet zu drosseln und seine Bürger daran zu hindern, über Internet und E-Mail mit Menschen in anderen Ländern zu kommunizieren und Informationen von dort zu erhalten. Das alles zeigt, wie besorgniserregend die Lage dort ist. Natürlich gibt es verschiedene Möglichkeiten, darauf zu reagieren. Bilaterale Gespräche sind eine Möglichkeit, die allerdings nicht ausreicht. Man darf sich nicht davon täuschen lassen, wenn China fünf Minuten vor zwölf eine symbolische Geste macht, um den Anschein von Verbesserungen zu geben. Das Treffen in Genf ist eine wichtige Gelegenheit für die internationale Gemeinschaft, China gegenüber zu erklären, daß systematische Menschenrechtsverletzungen unannehmbar sind. Herr Präsident, es gehört zu den wohltuenden Eigenheiten dieses Parlaments, daß hier eine konsequente und aktive Menschenrechtspolitik betrieben wird, daß die Fahne der Menschenrechte hier hochgehalten wird, wie es Frau Malmström zum Ausdruck gebracht hat. Dennoch verschließen wir gleichzeitig die Augen vor den Problemen, die die Union selbst hat: vor der Gewalt, den sozialen Ungleichheiten, vor der Realität der vierten Welt als Teil des EU-Alltags. Vollkommen zu Recht richten wir unsere Aufmerksamkeit ganz auf jene Menschenrechtsverletzungen, die in Genf zur Debatte stehen werden. In der Rhetorik, deren wir uns bedienen, steckt jedoch häufig auch eine Selbstzufriedenheit, die hart an den nordamerikanischen Menschenrechtsnarzißmus grenzt. Es ist schlicht und einfach scheinheilig, die Menschenrechtsverletzungen in der dritten Welt aufs schärfste zu verurteilen, wenn wir nicht gleichzeitig bereit sind, den echten Flüchtlingen und Asylsuchenden, deren Lage in der Union gegenwärtig schwieriger wird, unsere Hand zu reichen. Ich meine besonders die Praxis der Rückführungsvereinbarungen, die re-admission clauses, die die Genfer Konvention gefährden und die es zu bekämpfen gilt. Wenn es uns nicht gelingt, diesen hohen menschenrechtlichen Standard für Flüchtlinge und Asylsuchende aufrecht zu erhalten, dann werden wir jenen europäischen Werten nicht gerecht, die nach der heute hier von Vaclav Havel gehaltenen Rede die europäische Identität bilden und von denen er die Achtung der Menschenrechte und die Solidarität hervorgehoben hat. Ich war mehrere Jahre in der Wahrheitsfindungs- und Aussöhnungskommission in Südafrika tätig, und es ließ einem das Herz höher schlagen, wenn man sah, unter welch schwierigen Bedingungen sich die Bevölkerung dort nach einer offeneren, multikulturellen und demokratischen Gesellschaft nach europäischem Muster sehnte. Ich befürchte nur, daß wir dabei sind, uns in die entgegengesetzte Richtung zu bewegen, hin zu einem sich abschottenden Europa und zur Apartheid. Herr Präsident, Herr Kommissar, Herr amtierender Ratspräsident, ich denke, das Problem, das wir dieses Jahr in Genf ansprechen müssen, ist sicher nicht die Todesstrafe. Wir haben in Genf bereits über drei Entschließungen zur Todesstrafe abstimmen lassen. Letztes Jahr sind wir in der Generalversammlung aufgrund eines trügerischen Vorwandes gescheitert, nämlich aufgrund von Artikel 2,7, den wir übrigens bei allen anderen Texten bedenkenlos verabschieden. Das Thema Todesstrafe sollte also in der diesjährigen Generalversammlung behandelt werden, aber mit Sicherheit nicht auf der Genfer Tagung. Der entscheidende Punkt - Herr Patten hat es bereits erwähnt, und ich danke ihm für die von ihm verfochtenen Standpunkte - ist China. Leider weichen die Standpunkte der Kommission und des Rates oder jedenfalls der Präsidentschaft erheblich voneinander ab, und das halte ich für gravierend, vor allem angesichts der starken Worte von seiten des Rates zum Thema Österreich. Ich sehe die Sache wie folgt: Was China anbelangt und in Anbetracht des totalen Mißerfolgs der Politik der Europäischen Union gegenüber China, hat der angeblich konstruktive Dialog nichts gebracht, oder schlimmer noch, er hat den Chinesen neue Argumente für die Verschärfung der Unterdrückung, die Zunahme der religiösen Unterdrückung und des Entzugs von Freiheiten (Frau Wallström hat dies im Internet dargelegt) geliefert, und zwar in allen Bereichen, in Tibet, in der Inneren Mongolei und in Ostturkestan. Es gibt keinen einzigen Bereich innerhalb der chinesischen Gesellschaft, in dem wir keine Rückschritte feststellen können. Dies ist eine klare Tatsache: China ist eine große Bedrohung, unsere große Bedrohung, der wir uns entgegenstellen müssen; China ist eine Bedrohung für den Frieden. Es ist das Gegenstück zur Demokratie, und Sie wissen genau wie ich, daß die Chinesen, daß die chinesische Führung in erster Linie kommunistisch und erst in zweiter Linie chinesisch ist. China liebt die Doppelzüngigkeit. Solange wir keinen festen Standpunkt vertreten, werden wir bei den chinesischen Behörden nichts erreichen. Meines Erachtens müssen wir nun die Gelegenheit beim Schopf fassen. Wir müssen uns der amerikanischen Initiative anschließen. Wir müssen einen konsequenten Text vorlegen. Dieser Text muß verabschiedet werden. Wir müssen tätig werden. Alle 15 Mitgliedstaaten müssen ab sofort mit sämtlichen Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen zusammenarbeiten, damit endlich eine entschiedene Verurteilung ausgesprochen wird und damit anschließend auf dieser Grundlage Spielraum für den Dialog geschaffen werden kann. Herr Präsident, ich möchte dieses Thema aus einem anderen Blickwinkel beleuchten. Wie Sie wissen, ging am Montag eine unbemannte Raumsonde in eine Umlaufbahn um den erdnußförmigen Asteroiden Eros, der nicht weit von der Erde entfernt ist. Fotos belegen, daß auf diesem Asteroiden kein Leben existiert. In größerer Entfernung existieren in unserer Galaxie, der Milchstraße, jedoch etwa 300 Milliarden Sterne, viele davon mit Planeten. Hinter der Milchstraße befinden sich 300 Milliarden anderer Galaxien mit zahllosen Sternen und Planeten. Daher ist es wahrscheinlich, daß es im Weltall Leben gibt, und daß viele dieser Lebensformen auf einer weit höheren Entwicklungsstufe stehen als wir. Wenn man sich klarmacht, daß die ersten von der Erde aus abgestrahlten Fernsehsendungen nunmehr 50 Lichtjahre weit ins Weltall vorgedrungen sind, über die uns am nächsten liegenden Sterne also hinaus, bitte ich Sie, sich kurz vorzustellen, was andere Zivilisationen im Weltall von uns denken werden, wenn sie uns sehen. Was sehen sie dann? Sie sehen einen wundervollen Planeten voller Leben, aber sie sehen auch, daß die Atmosphäre verschmutzt ist und die Erde sich erwärmt. Sie sehen, daß Wälder abgeholzt werden und Wüsten sich ausbreiten. Sie sehen, daß viele Tiere mißhandelt und seltene Tierarten für immer ausgerottet werden. Wie werden sie die derzeit herrschende Spezies, nämlich uns, sehen? Sie sehen, daß die Ressourcen des Planeten ungleich verteilt werden. Sie sehen, daß um Land gekämpft wird, daß es Medikamente zur Heilung von Krankheiten gibt, daß diese Medikamente jedoch in den Teilen der Welt, in denen sie am dringendsten benötigt werden, nicht zur Verfügung stehen, sie sehen Schulbücher, die jedoch in den am wenigsten entwickelten Gebieten der Welt fehlen, sie sehen, daß es 50 % aller Menschen auf der Erde versagt ist, je im Leben ein Telefon zu benutzen. Was sehen sie, wenn sie die Beziehungen zwischen den Menschen betrachten? Sie sehen, daß wir uns gegenseitig umbringen. Sie sehen, daß wir uns gegenseitig unsere Freiheiten beschneiden. Sie sehen unzählige regionale Kriege. Sie sehen, daß Kinder in die Armeen eingezogen werden oder als Prostituierte oder Sklaven gehalten werden. Sie sehen die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen, von Menschen unterschiedlichen Alters, von Minderheiten, von Menschen unterschiedlicher Hautfarbe, Rasse oder Religionszugehörigkeit, von Einwanderern und sogar von Nachbarn. Wir alle kennen dieses Bild. Mit der UN-Menschenrechtskonvention, die vor 50 Jahren geschlossen wurde, sollte dieses Bild korrigiert werden. Wir sollten dieses Bemühen würdigen, und ich denke, das tun wir auch. Bisher sind die Menschenrechte nur in Europa gesetzlich verankert. Einige Mitglieder des Europäischen Parlaments lehnen die Einklagbarkeit der gegenwärtig diskutierten Charta der Grundrechte ab. Diese Mitglieder sollten sich schämen! Die Menschenrechte sollten in jedem Land der Welt gesetzlich verankert sein, und wir sollten darauf hinarbeiten, dieses Ziel zu erreichen. Wie Kommissionsmitglied Patten sagte, liegt noch viel Arbeit vor uns. Wenn Sie mich nun fragten: "Was ist, wenn im Weltall kein Leben existiert, wenn wir - was ein ebenso erschreckender Gedanke wäre - die einzigen Bewohner des Universums sind? ", würde ich darauf antworten: "Sind Sie nicht auch der Meinung, daß wir unseren Kindern beibringen sollten, sich anständig zu benehmen, bevor wir sie hinausschicken, damit sie andere Planeten bevölkern? " Herr Präsident! Alle Menschenrechte sind universell, unteilbar, bedingen einander und hängen miteinander zusammen. Diesen berühmten Satz aus der Abschlußerklärung der UN-Menschenrechtskonferenz von 1993 können viele auswendig hersagen. Das ist schön. Wie ist es aber in der EU selbst um die Menschenrechtspolitik bestellt? Spiegelt sich darin diese Sicht des Zusammenhangs wider? Hat die Europäische Union überhaupt eine Menschenrechtspolitik? Mit dieser Frage ziele ich nicht auf die Mühe ab, die es die Mitgliedstaaten kostet, ihre Standpunkte bezüglich der Außenpolitik aufeinander abzustimmen und in einer Front gegen Menschenrechtsverletzungen in anderen Ländern, beispielsweise in China, aufzutreten. Nein, mir geht es um das Fehlen einer Menschenrechtspolitik in der Europäischen Union selbst. In Österreich ist eine neue Regierung unter Beteiligung einer politischen Partei gebildet worden, die schon immer eine Botschaft des Rassismus und der Intoleranz gegenüber Minderheiten verkündet hat. Hier droht also eine Gefahr für die Menschenrechte, die sich die EU auf ihre Fahne geschrieben hat. Die Reaktionen auf diese Ereignisse haben jedoch bewiesen, daß ein zusammenhängender Rahmen fehlt, in dem eine angemessene Antwort formuliert werden kann. Der allerorts zitierte Artikel 7 des Vertrags, nach dem ein Mitgliedstaat, in dem gravierende und fortwährende Menschenrechtsverletzungen festgestellt wurden, von bestimmten Rechten ausgeschlossen werden kann, ist natürlich nur ein radikales Mittel, die ultima ratio, auf die im Falle Österreichs nur bei einem Mangel an Besserung und als Warnung zurückgegriffen wird. Deshalb besteht Bedarf an einer vollwertigen Menschenrechtspolitik für die Europäische Union und von ihr, einer Politik zur Förderung und Wahrung der Menschenrechte in der EU selbst. Eine solche Politik muß verschiedene Elemente enthalten. Erstens: Es muß einen normativen Rahmen geben, in dem klipp und klar steht, welche Rechte die EU ihren Bürgern zusichern will. Mit der Ausarbeitung einer solchen Charta ist jetzt zwar begonnen worden, die Frage nach dem rechtlichen Status und der strategischen Bedeutung dieses Dokuments dürfen wir jedoch nicht länger vor uns herschieben oder gelehrten Juristen überlassen. Dies ist eine politische Frage, die von der Regierungskonferenz und von diesem Parlament eine rasche Antwort verlangt. Zweitens: Es muß ein Spektrum von Instrumenten entwickelt werden, das eine flexible response ermöglicht und uns nicht in die Lage bringt, zwischen einem Radikalmittel und einem Schlag ins Wasser wählen zu müssen. Hierbei denke ich an systematische Dokumentation und Informationsbeschaffung, professionelle Formen der Beobachtung, die Entwicklung von Aufklärungsaktionen, die Verwendung von Geldern zur Unterstützung der demokratischen Kräfte in dem betreffenden Land, den kreativeren Einsatz der Mittel der multilateralen Diplomatie, wie den organisierten Dialog, fact finding missions und was es sonst noch gibt. Drittens: Innerhalb der jeweiligen EU-Institutionen muß präzise bestimmt werden, bei wem die Verantwortung für die Menschenrechtspolitik in der Europäischen Union liegt und welche Aufgaben und Zuständigkeiten das mit sich bringt. Kommission und Rat müssen hier jeder für sich klare Verhältnisse schaffen. Für das Parlament ist das nicht mehr erforderlich, da gemäß unserer Geschäftsordnung der Ausschuß für Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten diese Zuständigkeit besitzt. Es ist jedoch merkwürdig, daß die Entschließung, mit der diese Aussprache über die Menschenrechte geschlossen werden soll, im Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten, Menschenrechte, gemeinsame Sicherheit und Verteidigungspolitik dieses Parlaments vorbereitet wurde und daß der erwähnte Ausschuß, dem ich selbst angehöre, nicht daran beteiligt wurde. Dieses Parlament ist uneinig und in Blöcke zerfallen. Um unserer Glaubwürdigkeit willen müssen wir, wenn es um die Menschenrechte geht, mit einer Stimme sprechen und dürfen nicht so tun, als seien Menschenrechte in der EU etwas anderes als Menschenrechte in anderen Teilen der Welt. Dies würde auch unserer Glaubwürdigkeit in der UN-Menschenrechtskommission zugute kommen. Herr Präsident, wie können wir erreichen, daß die Diskussionen über die Menschenrechte in anderer Form ablaufen, als es heute der Fall ist? Heutzutage sind sie ein ideologisches Instrument, das zur Unterwerfung der Völker und nicht zur Freiheit der Individuen beiträgt. Zunächst muß man jenseits des Menschen an sich, der nicht der Herrscher über das Universum ist, zu den Ursprüngen jeden echten Rechts und zu den Grundwerten der Zivilisation zurückgehen, außerhalb derer die ewige Einforderung der Rechte letztlich immer in Tyrannei und zwar in blutiger Tyrannei endet. Man sollte vor dem Hintergrund der gesamten antiken und mittelalterlichen europäischen Tradition zurückblicken auf die natürliche Ordnung des Universums, das heißt auf die Schöpfung und im weiteren Sinne natürlich auch auf die Pläne des Schöpfers. Dann wird man feststellen, daß die Rechte der Kinder nur innerhalb einer echten Familie respektiert werden, daß die Rechte der Arbeitnehmer nur innerhalb der unlängst zerschlagenen Vermittlergremien gewahrt werden, daß die Rechte der Bürger nur innerhalb souveräner Nationen respektiert werden. Zweitens sollte die Doktrin der Menschenrechte nicht länger instrumentalisiert werden, wie es heute geschieht, als eine Art ideologisches Kriegsgerät in den Händen einer Kaste, die sich das Recht herausnimmt, einseitig zu bestimmen, wer die Menschenrechte repräsentiert und wer sich außerhalb dieser Rechte bewegt, um so denjenigen, die das Einheitsdenken als politisch Andersdenkende abgestempelt hat, jegliche Legitimität und, wenn nötig, jegliche Freiheit abzusprechen. Keine Freiheit für die Feinde der Freiheit, so lautete vor zwei Jahrhunderten die Devise der Verfechter der revolutionären Schreckensherrschaft, dieser Revolution, die leider zum Vorbild für sämtliche totalitären Regimes der Neuzeit wurde. Keine Menschenrechte für die Feinde der Menschenrechte, so lautet heute die Devise derer, die die neue Weltordnung beweihräuchern, die in den Finanzkreisen, in den internationalen Institutionen, in den Medien- und Kulturnetzen und in den Bildungseinrichtungen, um nur einige zu nennen, nahezu uneingeschränkt herrschen. Was bleibt beispielsweise noch übrig vom Recht des österreichischen Bürgers auf freie Entscheidung über sein Schicksal, wenn ihm diese Entscheidung von denjenigen diktiert wird, die an seiner Stelle entscheiden, was zu tun oder zu lassen ist, und wenn seine führenden Vertreter, die aus einem legalen und rechtmäßigen Prozeß hervorgegangen sind, in beleidigender Weise empfangen werden, wie dies vor kurzem in Ihrem Land geschehen ist, Herr Ratspräsident, Herr Minister aus Portugal? Ich weiß nicht, ob er gerade anwesend ist und meine Ausführungen hört. Was bleibt noch von den Rechten der Menschen, deren Sympathien der Partei Vlaamsblok gelten, einer der größten Parteien in Flandern, wenn das belgische Parlament morgen die unglaubliche, unverschämte und schändliche Gesetzesvorlage verabschiedet, die der politische Hauptkonkurrent des Vlaamsblok, die Volksunie, eingebracht hat, um auf diese Weise schlicht und einfach die Auflösung ihrer Rivalin zu erreichen? Was bleibt noch vom Recht auf kritisches Hinterfragen unserer Geschichte, wenn Autoren und Verleger verfolgt werden, wie wir es erst gestern wieder vor dem Berufungsgericht meiner Heimatstadt Lyon erlebt haben? In diesem Fall war der junge Historiker Jean Plantin als Opfer absurder, arroganter und beleidigender Untersuchungen von seiten des Generalstaatsanwalts Jean-Olivier Viout ein klares Beispiel für das Einheitsdenken und den intellektuellen Konformismus. Welch seltsame Auffassung von den Menschenrechten, die darin besteht, den friedlichen Patriotismus auf irreführende Weise mit kriegerischem Nationalismus gleichzusetzen oder die legitimen Proteste gegen die Einwanderungspolitik mit irgendeiner Art von Fremdenfeindlichkeit und die notwendige Verteidigung der jeweiligen Identität mit Rassismus zu vergleichen! Wo bleiben die Menschenrechte der Millionen französischer Wähler des Front National, die jeglicher politischer Vertretung beraubt sind und tagtäglich - wie zuletzt am vergangenen Montag - in den staatlichen Fernsehprogrammen, die sie genauso mit ihren Steuern mitfinanzieren, verunglimpft werden, wenn die berechtigterweise wütende bloße Meinungsäußerung eines unserer Kollegen, Herrn Le Pen, als Vorwand für ungerechte Verurteilungen unter Verletzung des Rechts, der Justiz, der Gerechtigkeit und der Moral dient und man heute im Widerspruch zu den eindeutigen Rechtsvorschriften erklärt, diesem Vertreter von Millionen unserer Mitbürger solle das Mandat entzogen werden, das er aufgrund des Votums dieser Bürger und nicht aufgrund des Wohlwollens des Staates innehat. Mit einem Wort, verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich werde Ihren Ausführungen zu den Menschenrechten in Europa erst dann Glauben schenken, wenn Sie Ihren politischen Gegnern dieselben Rechte einräumen wie sich selbst. Ich werde Ihren Worten über die Menschenrechte in China erst dann Glauben schenken, wenn Sie die tatsächliche Ursache des Übels beim Namen nennen, nämlich den Kommunismus. Hören Sie auf die berühmte Stimme von Solschenitzyn, der in seinem Brief an die Amerikaner geschrieben hat, daß der Hauptgrund für die Schwäche der westlichen Gesellschaften in der Übersteigerung des rechtlichen Individualismus zu suchen ist, eines Individualismus, der in keiner Weise die Entfaltung der Person ermöglicht, sondern den Weg für die kommende Diktatur ebnet, die letztlich die schlimmste aller Diktaturen sein wird, da diejenigen, die ihr unterworfen sind, sich ihrer schrecklichen Knechtschaft nicht einmal bewußt sein werden. Herr Präsident! Der Grundsatz der universellen Menschenrechte ist zweifellos eine der wichtigsten politischen Hinterlassenschaften des 20. Jahrhunderts. Der Holocaust war vor fünzig Jahren Anlaß für die Festlegung einer Reihe von Grundrechten und ­freiheiten. Seit dem Ende des Kalten Krieges ist die Wahrung der Menschenrechte auch eine Voraussetzung für internationale Zusammenarbeit geworden. Staats- und Regierungschefs, die diese Grundsätze mißachten, werden jetzt mit internationaler Kritik, Sanktionen oder sogar Verurteilungen, wie es beispielsweise Exdiktator Pinochet erlebt, konfrontiert. Diese Entwicklungen geben Anlaß zu Hoffnung. Sie ändern jedoch nichts daran, daß der Zustand der Menschenrechte in der Welt weiterhin äußerst besorgniserregend ist. Vor allem in Kriegssituationen werden Zivilisten immer weniger geschont. Hier besteht offensichtlich ein Widerspruch. Nie zuvor in der Geschichte waren die Menschenrechte so weit entwickelt. Nie zuvor sind so viele internationale Verträge von so vielen Ländern ratifiziert worden. Dennoch werden die elementarsten Verhaltensregeln massiv verletzt und gibt es mehr Bürgerkriegsopfer als vor einem Jahrhundert. Frauen werden systematisch vergewaltigt. Kinder werden zwangsrekrutiert und im Kampf eingesetzt. Exzesse sind nicht mehr die Ausnahme, sie sind leider die Regel geworden. Das gilt heute für nicht weniger als dreißig Konflikte weltweit. Zu spät, zu selektiv und zu zersplittert, so könnte man die Menschenrechtspolitik der internationalen Gemeinschaft beschreiben. Zu spät: Sowohl in Ruanda als auch im Kosovo rannten die UN trotz der vielen Warnungen als ohnmächtige Zuschauer der Massaker den Tatsachen hinterher, wie es Präsident Havel hier heute mittag ausgedrückt hat. Aber auch fünfzig Jahre später gelingt es uns nicht, Völkermord zu verhindern. Es muß daher unbedingt weitaus mehr Aufmerksamkeit auf Monitoring und Konfliktprävention verwendet werden. Die Überwachung des Waffenhandels und eine bessere Kontrolle der Medien sind dabei von wesentlicher Bedeutung. Die Menschenrechtspolitik ist außerdem zu selektiv. Die monatelangen NATO-Bombardements im Kosovo und die Vermittlungsbemühungen im Nahen Osten stehen in scharfem Widerspruch zu der Gleichgültigkeit der internationalen Gemeinschaft gegenüber den Konflikten in Afrika. Ich kann mich nicht des Eindrucks erwehren, daß Afrika, wenn es um Menschenrechte geht, aller Rhetorik zum Trotz auf der Tagesordnung der portugiesischen Präsidentschaft nicht ganz oben steht. Das bedauere ich zutiefst. Nicht ohne Grund entsteht bei den Afrikanern der Eindruck, sie seien minderwertige Erdenbürger. Ich möchte vor einer Aufweichung der Normen bei der Beurteilung der Menschenrechtssituation in Afrika warnen, bei der man Verletzungen der Menschenrechte dort als etwas Unvermeidliches betrachtet. Die Menschenrechtspolitik ist vor allem aber zersplittert. Es gelingt uns innerhalb der internationalen Gemeinschaft und auch in Europa nicht, eine gemeinsame Strategie zu definieren. Nehmen wir beispielsweise den Sudan. Die internationale Gemeinschaft sendet widersprüchliche Signale an das Land. Großbritannien öffnet in Khartum wieder seine Botschaft. Kanada lädt die Sudanesen zu Friedensgesprächen ein. Europa drängt die Rebellen im Süden zu Verhandlungen, und gleichzeitig isolieren die Amerikaner das Regime und unterstützen die Rebellen militärisch. Es ist mehr Koordinierung erforderlich, mehr Informationsaustausch und ein kohärenteres Vorgehen, bei dem jedes Ausreizen vermieden wird. Nur dann können wir konsequent den Begründern der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte folgen. Herr Präsident, wenn wir mit Worten Probleme lösen könnten, so könnten wir alle unsere Sachen packen und nach Hause gehen. Doch leider werden auch in dem Moment, da wir im geschützten Raum dieses Hauses sprechen, überall in der freien Welt die Menschenrechte verletzt. Manchmal hören wir um so weniger, je mehr wir sprechen - Anträge: Worte; Verträge: Worte; Konventionen: Worte -, wenn wir nicht aufpassen, werden die Worte an die Stelle realer Maßnahmen treten. Worte in umfassenden und befreienden Dokumenten werden zu Verträgen und Konventionen, die häufig als Beleg für die Achtung und Einhaltung der Menschenrechte in einem Land präsentiert werden. Worte allein, gesprochen, geschrieben oder unterzeichnet, reichen jedoch nicht aus. Sehen wir uns einmal die Unterzeichner der Übereinkommen über die Menschenrechte und die Behandlung von Minderheiten an, und vergleichen wir dann, wie solche Minoritäten, Gruppen oder Einzelpersonen behandelt werden. Das Ergebnis ist schäbig und beschämend. Kann jemand mit Überzeugung behaupten, daß Frauen gerecht und gleich behandelt werden, daß Kinder Menschenrechte besitzen, daß Menschen nicht aufgrund ihrer Religion, ihres Glaubens, ihres Geschlechts, ihrer Behinderung, ihres Alters, ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Meinung, ihrer politischen Überzeugung usw. diskriminiert werden? Durch die Diffamierung von Minderheiten in der Presse und anderen Medien wird die Diskriminierung verstärkt. Selbst in der EU sind die Bürger noch immer Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt, und auch hier wird gegen unsere Konventionen verstoßen. Jeden Tag werden in der Presse Falschinformationen und Falschinterpretationen dazu benutzt, um bestimmten Minderheiten die Gleichheit vor dem Gesetz vorzuenthalten und ethnische Minderheiten zu verunglimpfen. Man kann ganz offen sagen, daß eine Hierarchie der Unterdrückung geschaffen worden ist. Solange die Menschen vor dem Gesetz nicht gleich sind, wird diese Ungleichheit zu Diskriminierung und zur Unterminierung der Menschenrechte führen. Im Erweiterungsprozeß der EU haben wir die Menschenrechte und den Schutz von Minderheiten zu Recht in den Mittelpunkt gestellt. Wir dürfen von dieser Verpflichtung nicht abweichen. Wir müssen uns jedoch auch selbst einen Spiegel vorhalten und unsere eigenen Unzulänglichkeiten erkennen. Konventionen wurden unterzeichnet, doch nun sind Taten notwendig. Ich empfehle eine kontinuierliche Überprüfung der Menschenrechtspraktiken und stetige Wachsamkeit, nicht nur außerhalb unserer Grenzen, sondern auch innerhalb der EU. Aus diesem Grund würde ich einen jährlichen Bericht der Mitgliedstaaten begrüßen, in dem jedes einzelne Land über etwaige Anschuldigungen und die diesbezüglich eingeleiteten Maßnahmen berichtet. Was in den einzelnen Mitgliedstaaten geschieht, betrifft auch jeden einzelnen von uns. Was in anderen Teilen der Welt passiert, betrifft uns ebenfalls. Pinochet in Chile ist ebenso relevant wie Haider in Österreich. Menschenrechte und Grundfreiheiten sind untrennbar miteinander verbunden. Menschenrechte existieren nicht isoliert, sie sind mit unserer Entwicklungspolitik, unserer Wirtschaftspolitik und mit unserer Außenpolitik verbunden, und sie stehen im Mittelpunkt unserer demokratischen Funktionen. Ich möchte wiederholen, was Herr Patten sagte: Wir müssen uns engagieren, wir müssen Information und Bildung ermöglichen und damit einen echten und dauerhaften Wandel bewirken. Herr Präsident! "Europa steht für Ideale, Werte und Prinzipien. Wir müssen die Geistesgeschichte Europas hervorheben und gemeinsam die Werte wiedererrichten, die Europa einen. Geistige Werte wurden von Europa aus in der ganzen Welt verbreitet. Wir müssen mit unserem Gewissen leben. " Das sagte vor drei Stunden der Präsident der tschechischen Republik, Vaclav Havel, vor diesem Hause. In einer äußerst erfrischenden Rede, die von Menschenkenntnis, Weisheit, Geschichtswissen und Einsicht in das geistige und christliche Erbe Europas zeugte, verwies er auf Inspirationsquellen für unser Engagement für Menschenwürde und Menschenrechte. Wir sollten dankbar sein, solche Staatsoberhäupter wie Vaclav Havel auf unserem Kontinent zu haben. Lassen Sie mich zwei Dinge hervorheben. Das betrifft zunächst die Zivilgesellschaft. Vaclav Havel erwähnte, daß die kommunistischen Regimes in Osteuropa die Zivilgesellschaft, Bürgerbewegungen, Kirchen und unabhängige Gewerkschaften, systematisch zerschlagen haben. Dasselbe geschieht nun in China mit der Falun-Gong-Bewegung und der katholischen und protestantischen Kirche, und es geschieht mit dem Lamaismus in Tibet. Wir dürfen nie vergessen, die Zivilgesellschaft zu verteidigen. Außerdem möchte ich das Thema Todesstrafe anführen. In der EU, ebenso wie in meinem Heimatland, Schweden, basiert die Sicht des Menschen auf Gleichheit, Einzigartigkeit und Unverletzlichkeit der Menschenwürde. Ausgehend von diesem Grundsatz muß der Mensch stets eine Chance zum Neuanfang haben. Sagen wir das den Regierungen der Vereinigten Staaten, Rußlands und auch Chinas! Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Herr Patten, aus meiner Sicht sollten sich die EU-Mitgliedstaaten in Genf vorrangig auf die Lage im Kosovo, in Mexiko, Saudi Arabien, Sierra Leone und in China konzentrieren. Was China betrifft, sollten wir uns nicht davon abhalten lassen, die Menschenrechtsfrage anzusprechen, nur weil Diskussionen darüber blockiert werden könnten. Äußerst wichtig ist jedoch, daß die EU eine geschlossene Haltung einnimmt, und die Androhung von Handelssanktionen sollte unseren Entschluß eher stärken als schwächen. Wenn jedoch die Entscheidungen, die letztendlich in Genf getroffen werden dürften, vollständig umgesetzt werden sollen, müssen der Hohen Kommissarin für Menschenrechte die notwendigen Mittel dafür zur Verfügung gestellt werden. Die finanziellen Ressourcen der Vereinten Nationen sind recht spärlich, und aus diesem Grund können viele wichtige Programme nur mit Hilfe freiwilliger Beitragszahlungen weitergeführt werden. Finanzmittel sind auch zur Unterstützung der praktischen Zusammenarbeit und der Menschenrechte, der Strategieplanung, der Festlegung von Prioritäten und der Verbesserung der Kommunikation zwischen der Gebergemeinschaft und den Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen notwendig. Deshalb hat die Hohe Kommissarin kürzlich zur Bereitstellung von jährlich 53 Millionen US-Dollar aufgerufen, damit ihre Dienststelle diese Aufgaben erfüllen kann. Die Europäische Union und die Mitgliedstaaten sollten mit gutem Beispiel vorangehen und einen beträchtlichen Teil dieser Mittel bereitstellen. Wir würden damit nicht nur die USA beschämen und zur Einhaltung ihrer Verpflichtungen in bezug auf die Finanzierung der UNO veranlassen, sondern damit auch unter Beweis stellen, daß unser Engagement für die Menschenrechte kein leeres Wort ist. Herr Präsident! Bei dieser Aussprache geht es vor allem um die Vorbereitung der jährlichen, in Kürze stattfindenden UN-Menschenrechtskonferenz und um den Einsatz der Kommission und des Rats bei dieser Konferenz. Ich möchte zunächst sagen, daß ich mit den bisherigen Beiträgen von Herrn Patten und des Herrn Ministers sehr zufrieden bin und daß ich es auch begrüße, daß sowohl China als auch Kuba zur Diskussion gestellt werden. Kuba ist immer noch eine Diktatur, die letzte in Südamerika, das dürfen wir, bei aller Sympathie, die hier und da für Kuba geäußert wird, nicht vergessen. Es ist eine Diktatur und folglich keine Demokratie. Ich möchte in meinen zwei Minuten Redezeit um Aufmerksamkeit für zwei Länder bitten, denen ich mich besonders verbunden fühle. Dies ist zunächst Indonesien. Wir sind natürlich hoch erfreut, daß Indonesien eine neue Führung hat und daß Herr Wahid und Frau Sukarnoputri die Ämter des Präsidenten bzw. der Vizepräsidentin bekleiden. Wir sind auch froh, daß sich die Lage in Timor allmählich zum Guten wendet. Auf den Molukken, einem Gebiet unweit von Timor, haben die Gewalttätigkeiten jedoch immer noch kein Ende gefunden. Dort hat es in den letzten zwei Jahren Tausende von Toten gegeben. Zehntausende sind auf der Flucht. Man hat die Dinge einfach nicht im Griff. Morgen oder übermorgen wird eine ausführliche Sendung im niederländischen Fernsehen ausgestrahlt. Man fordert dort dringend Beobachter, vor allem um festzuhalten, was genau dort geschieht, damit in jedem Fall auch für später, für die Menschenrechtskommissionen, dokumentiert wird, was passiert ist. Meine dringende Forderung lautet, und auch dieser Punkt findet sich mehrmals hier in Entschließungen: Man möge erwägen, Beobachter auf die Molukken zu entsenden. Tausende von Toten, Tausende von Verletzten, Zehntausende von Flüchtlingen sind genug. Das zweite Land, zu dem ich mich nur ganz kurz äußern werde, denn Herr Patten kennt es sehr gut, ist Burma. Es geht nicht an, daß wir zu Burma schweigen. Ich habe das Gefühl, das Land gerät langsam in Vergessenheit. Bereits seit zehn Jahren steht dort eine gewählte Präsidentin unter Hausarrest. Bereits seit zehn Jahren kann das Parlament nicht arbeiten. Viele Parlamentsmitglieder wurden umgebracht und sind geflüchtet, wenige sind in Burma geblieben. Hunderttausende Burmesen sind nach Thailand und Indien geflohen, und dennoch scheint das Land nicht mehr beachtet zu werden. Auch Burma muß wieder auf die Tagesordnung gesetzt werden, vor allem nach dem Umbruch in Indonesien. Es darf nicht sein, daß Frau Aung San Sui Kyi sich vollkommen, auch von Europa im Stich gelassen fühlt. Ich fordere daher, auch dieses Land wieder ganz oben auf die Tagesordnung zu setzen. Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Herr Kommissar! Dafür, daß sich die Europäische Union in der Welt behauptet, kann nicht nur die wirtschaftliche Macht entscheidend sein. Eines der Wesensmerkmale, die uns auszeichnen, besteht im konsequenten Verweis auf die Menschenrechte, ob nun von unserer Seite oder von seiten derjenigen, mit denen wir in Verbindung treten. Das Europäische Parlament nimmt bei der Förderung und Wahrung der Menschenrechte seit jeher einen herausragenden Platz ein. Es ist ihm gelungen, die von der Selbstbezogenheit und den "nationalen Interessen " herrührenden Grenzen zu überwinden, die bisweilen in Standpunkten von Mitgliedstaaten und sogar von anderen Organen der Europäischen Union zum Ausdruck kommen. Deshalb kann man beispielsweise feststellen, daß das Europäische Parlament niemals zugelassen hat, daß die Lage in Osttimor in Vergessenheit geriet, was möglicherweise der schlimmste Feind einer gerechten Lösung für dessen Volk gewesen wäre, das sich der indonesischen Okkupation immer widersetzt hat. Darum haben wir uns auch kürzlich gegen einen Waffenverkauf an Indonesien ausgesprochen, wobei der Rat diesen Standpunkt leider nicht berücksichtigt hat. Aber es genügt nicht, empörende Übergriffe abzuwenden oder zu beenden, die von Personen oder Institutionen gegen die Schwächsten verübt werden. Wurden Rechtsverletzungen begangen, dürfen die Täter auf keinen Fall ungestraft davonkommen, wer oder wo auch immer, sei es in Indonesien oder Angola, in Kuba, China oder Birma, ob der Täter Zivilist oder Militärangehöriger, Soldat, General oder Minister ist. In Indonesien muß Gerechtigkeit herrschen. In Osttimor muß Gerechtigkeit herrschen. Präsident Wahid benötigt unsere Unterstützung, um die schwierige Situation zu bewältigen, vor der er steht. Diese Entschließung enthält auf Initiative der EVP zum richtigen Zeitpunkt einen ausdrücklichen Hinweis auf Osttimor. Diejenigen, die verantwortlich sind für die dortigen Ereignisse - die ich als Vertreter dieses Parlaments teilweise selbst erlebt habe -, muß man aufspüren, und sie dürfen nicht straffrei ausgehen. Spricht man von Osttimor, dann muß man auch an die Lage von Zehntausenden timoresischer Flüchtlinge auf indonesischem Gebiet erinnern, wo sie unter unmenschlichen Bedingungen leben, von indonesischen Militärs und von Milizen überwacht und als Tauschobjekte benutzt werden. Das ist eine unerträgliche Situation, der dringend ein Ende gesetzt werden muß. Herr Präsident! Einige ganz kurze Anmerkungen im Namen der Ratspräsidentschaft. Zum ersten möchte ich daran erinnern, daß die Arbeit der Präsidentschaft vor allem in Koordinierung besteht, in der Suche nach gemeinsamen Positionen bei Initiativen, die die Fünfzehn im Rat beschließen müssen. Ich möchte auch darauf hinweisen, daß die Erfahrungen aus den vorherigen Sitzungen der Menschenrechtskommission - gerade aufgrund dieser Koordinierungstätigkeit der Präsidentschaften - weitreichende Möglichkeiten der Europäischen Union erkennen lassen, sich als Organisation mit einer eigenen Politik zur Geltung zu bringen, die von der Kommission umgesetzt wird. Es ist wichtig, daran festzuhalten. Ich möchte auch darauf verweisen, daß die Teilnahme des Europäischen Parlaments an den Vorbereitungsarbeiten wichtig für die kohärente Darstellung der Standpunkte der Europäischen Union zu den einzelnen Sachverhalten ist. Deshalb greift die Präsidentschaft alle Vorschläge bereitwillig auf, insbesondere alle Beiträge, die auf den Texten der eingereichten Entschließungen beruhen. Außerdem möchte ich hervorheben, daß - wie viele der Damen und Herren Abgeordneten geäußert haben - die Menschenrechtspolitik im Mittelpunkt der europäischen Identität steht und daß die Achtung der Menschenrechte als wesentlicher Grundsatz für die von der Europäischen Union betriebene internationale Zusammenarbeit anzusehen ist. Ausgehend davon ist es erforderlich, daß wir die europäische Menschenrechtspolitik mit größter Kohärenz interpretieren, woraus sich natürlich für uns die Notwendigkeit ergibt, deutliche und weitgehend unmißverständliche Positionen zu Sachverhalten zu beziehen, die wir für völlig unannehmbar halten, besonders zur Lage in China, auf die viele Damen und Herren Abgeordnete hingewiesen haben. Doch wir stellen auch fest, daß viele andere Abgeordnete über die Lage in weiteren Ländern beunruhigt sind, sei es nun Indonesien oder Timor, oder auch die Situation auf den Molukken oder in Birma, die wir zur Kenntnis nehmen müssen. Bevor ich zum Schluß komme, kann ich auch nicht umhin, mich zu einer konkreten Wortmeldung von Herrn van Hecke über die Situation der Menschenrechte in Afrika und zur Rolle und Priorität der portugiesischen Präsidentschaft zu äußern. Er hat die Aufrichtigkeit unserer Optionen in bezug auf die Priorität, die wir den Beziehungen mit der Europäischen Union beimessen, in Frage stellt. Ich möchte lediglich darauf hinweisen, daß die portugiesische Präsidentschaft in diesen knapp zwei Monaten zum erstenmal eine, wenn auch informelle Tagung des Rates der Entwicklungsminister durchführen konnte, deren Tagesordnung gerade von den Beziehungen der Europäischen Union zu Afrika bestimmt wurde. Dieses Thema hat die Entwicklungsminister der Fünfzehn veranlaßt, in Lissabon zusammenzukommen, um besonders die neue Dimension zu erörtern, die diesen Beziehungen zu geben ist. Ich möchte ferner darauf aufmerksam machen, daß wir die bedeutsamen Verhandlungen über das neue Abkommen abgeschlossen haben, das an die Stelle des Lomé-Abkommens tritt, und daß es uns in überaus komplizierten und schwierigen Verhandlungen gelungen ist, den ersten Gipfel Europäische Union/Afrika durchzuführen bzw. vorzubereiten. Deshalb war ich genötigt, eine direkte Antwort auf die diesbezügliche Frage von Herrn van Hecke zu geben. Herr Präsident, diese Debatte ist von großem Nutzen. In einem oder zwei Redebeiträgen wurde auf spezifische Fragen hingewiesen, bei denen wir uns unser Vorgehen sehr genau überlegen sollten. Frau Maij-Weggen hat zum Beispiel Indonesien und Burma erwähnt und einige wichtige Aspekte über diese beiden Länder und die dortige Menschenrechtslage angesprochen. Ich möchte kurz auf einige Themen eingehen, die sich wie ein roter Faden durch unsere Aussprache gezogen haben. Einer der ersten Redner, Herr Wuori, ging auf die heutige Rede von Herrn Havel ein. Es war eine bemerkenswerte Rede, und ich hoffe, daß Herr Gollnisch, der leider nicht mehr anwesend ist, diese Rede ebenfalls verfolgen konnte. Ich hoffe außerdem, daß, wenn es andere Lebewesen im Weltall gibt, wie Herrn Newton-Dunn vermutet, auch sie die Rede von Herrn Havel gehört haben. Herr Havel erinnerte uns daran, daß es in der Europäischen Union nicht nur um das Wachstum des BIP geht, sondern daß die Europäische Union eine Wertegemeinschaft ist, und sich dies in den Verträgen, in unseren Verpflichtungen im gesamten Bereich der Außenhilfe und ganz besonders in dem widerspiegelt, was wir beauftragt sind zu tun. Wie setzen wir nun um, was in den Verträgen relativ ausführlich zu Entwicklungshilfeprogrammen festgelegt ist? Einige Abgeordnete, Herr Ferber und Herr Cushnahan, sprachen über die Kluft zwischen den Sonntagsreden und der Realität. Herr Cashman verwies darauf, daß man Taten nicht durch Worte ersetzen könne, was in gewisser Weise durchaus richtig ist. Natürlich kann man mit Worten etwas erreichen, wie Frau Malmström sagte. Sie erklärte, sie habe einen Brief des chinesischen Botschafters erhalten, eines äußerst liebenswürdigen und hochintelligenten Vertreters und Dieners seines Landes, in dem dieser ihr mitteilte, daß sie sich irre und das Europäische Parlament mit seiner Haltung in bezug auf die Menschenrechtsfrage in China Unrecht habe. Ich denke, Frau Malmström wird nach ihrem heutigen Redebeitrag eine wahre Flut von Schreiben der chinesischen Behörden erhalten. Sie wird dann einen ganzen Aktenschrank mit Schreiben über die vermeintlich wirkliche Situation in China füllen können. Von ihr ist die Sichtweise vieler Nichtregierungsorganisationen sowie vieler Menschen wiedergegeben gegeben worden, welche die chinesische Zivilisation bewundern, über die aktuellen Ereignisse in China jedoch besorgt sind. Es ist völlig richtig zu überlegen, was wir tun können. Im ersten Redebeitrag erwähnte Herr Salafranca zwei Bereiche, in denen, abgesehen von der Tagung in Genf, Maßnahmen ergriffen werden. Eine dieser Maßnahmen ist durch die Großzügigkeit des Europäischen Parlaments im Namen der europäischen Steuerzahler möglich geworden: Der Haushalt, der uns für die Stärkung der Menschenrechte zur Verfügung steht, und in dem etwa 100 Millionen Euro für die in meinen Zuständigkeitsbereich fallenden Programme vorgesehen sind. Dieses Geld wird größtenteils an die Nichtregierungsorganisationen vergeben und dort zur Förderung der Menschenrechte und des Demokratisierungsprozesses eingesetzt werden. Wir werden gemeinsam mit dem Parlament besprechen, wie wir diese ausgabenwirksamen Programme zur Förderung der Menschenrechte in den nächsten Jahren am besten gestalten und ausrichten können. Außerdem ist da noch die Frage, auf die Herr Salafranca hingewiesen hat, der am Ende dieser kurzen, aber nützlichen Aussprache leider nicht mehr anwesend sein kann. Es geht auch um unsere Menschenrechtspolitik im allgemeinen und das Verhältnis zwischen Menschenrechten und Außenpolitik. Ich möchte das Parlament daran erinnern, daß die Kommission bis Mitte des Jahres umfassend und theoretisch gut begründet darlegen wird, weshalb die Menschenrechte in den Mittelpunkt der Entwicklungspolitik und der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik gestellt werden sollten. Dies ist von größter Bedeutung, und wäre ich davon nicht bereits überzeugt gewesen, so wäre ich nach der heutigen bemerkenswerten Rede von Herrn Havel sicherlich zu dieser Auffassung gelangt. Diese Debatte war sehr nützlich. Ich hoffe, es wird noch weitere Aussprachen wie diese geben. Ich würde es begrüßen, vor allem auch darüber zu sprechen, wie wir diese guten Absichten dort, wo es wichtig ist, in die Tat umsetzen können, dort, wo noch immer Menschen gefoltert und vergewaltigt werden, und dort, wo man den Menschen noch immer ihre Bürgerrechte vorenthält, die dieses Haus, ebenso wie ich, als selbstverständlich betrachtet. Ich habe 7 Entschließungsanträge gemäß Artikel 37 Absatz 2 der Geschäftsordnung zum Abschluß dieser Erklärung erhalten. Die Aussprache ist geschlossen. Die Abstimmung findet am Donnerstag statt. Nach der Tagesordnung folgt die gemeinsame Aussprache über: die Erklärung des Rates zum Standpunkt der Europäischen Union betreffend die Entwicklung der Zypernfrage; den Bericht (A4-0029/2000) von Herrn Brok im Namen des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, Menschenrechte, gemeinsame Sicherheit und Verteidigungspolitik zum Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Durchführung von Maßnahmen im Rahmen der Heranführungsstrategie für Zypern und Malta (KOM(1999)0535 - C5-0308/1999 - 1999/0199(CNS)). In Vertretung des Rates hat Herr Seixas da Costa das Wort. Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete! Im Namen der Ratspräsidentschaft der Europäischen Union möchte ich einige Informationen bezüglich der Wiederaufnahme der innerzypriotischen Verhandlungen und die jüngste Entwicklung in dieser Frage geben. Ich denke, es ist für alle offensichtlich, daß das, was sich Ende des vergangenen Jahres in Helsinki ereignet hat, sowie das neue Klima, das vor allem in den Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der Türkei spürbar ist, Ausdruck für einen Hintergrund auf Gemeinschaftsebene ist, von dem auch der eigentliche Rahmen der Beziehungen zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen in Zypern selbst nicht unberührt bleiben kann. Ich möchte hervorheben, daß Anfang Dezember des vergangenen Jahres in New York nach mehreren Jahren der Unterbrechung die erste neue Runde von Verhandlungen zwischen den zypriotischen Gemeinschaften des Nordens und des Südens der Insel stattgefunden hat. Diese Verhandlungsrunden waren indirekte Gespräche, die vom Sonderbeauftragten der Vereinten Nationen, Álvaro de Souto, vermittelt wurden. Eine zweite Gesprächsrunde folgte im Januar dieses Jahres, sie wurde am 31. Januar eröffnet, und der Beginn einer dritten Runde ist für den 23. Mai in New York vorgesehen. Dabei besteht die Möglichkeit, was allerdings noch nicht endgültig bestätigt ist, daß diese Gespräche direkt und kontinuierlich stattfinden können und die Arbeiten bis September dieses Jahres weitergehen. Bei diesem Gespräch kamen im wesentlichen vier inhaltliche Aspekte zur Sprache: die Fragen der Sicherheit, der Regierungsstruktur, der Gebietsbereinigungen und der Flüchtlings- und Entschädigungsproblematik als Folge der nach der Teilung der Insel entstandenen Lage. Da man sich jedoch geeinigt hatte, daß es möglich sein würde, weitere Fragen einzubeziehen, und so schlug Rauf Denktasch, der Vertreter des Nordteils der Insel, drei neue Themenkomplexe vor: die Frage der Souveränität, die Frage der vertrauensbildenden Maßnahmen und die Frage der Aufhebung des Embargos gegen Erzeugnisse aus dem Norden der Insel. In den bisherigen Gespräche gab es im wesentlichen zwei Entwicklungen: Es zeichnet sich die Möglichkeit ab, einen direkten Informationskanal zwischen der Europäischen Union und dem Nordteil der Insel einzurichten, ohne daß dies zwangsläufig eine Anerkennung dieses Inselteils als eines Gebildes mit eigener Rechtspersönlichkeit auf internationaler Ebene bedeutet. Das Ziel ist die Erleichterung der Übernahme eines gemeinschaftlichen Besitzstandes bei einem möglichen Beitritt der gesamten Insel, sollte es in der Zwischenzeit gelingen, das globale Problem der Teilung der Insel zu lösen. Die zweite Entwicklung, den uns wichtig erscheint, besteht in der Erklärung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen am Ende des ersten Gesprächstags, in der er versicherte, wenn man eine Gesamtregelung der Situation erreiche, würde das die Anerkennung der Besonderheiten des Inselnordens nach sich ziehen. Dieser Standpunkt, den der Generalsekretär der Vereinten Nationen vertreten hat, ist ein Faktor, der selbstverständlich in unsere zukünftigen Analyse einfließen muß. Hinsichtlich der dritten Verhandlungsrunde bestehen einige Erwartungen, denn derzeit werden Vorschläge für Szenarien ausgearbeitet, an denen Vertreter der Vereinigten Staaten und des Vereinigten Königreichs namentlich in den Bereichen Sicherheit und Verfassungsstruktur beteiligt sind. Sie werden aller Voraussicht nach in dieser Runde durch Vermittlung des Vertreters des Generalsekretärs der Vereinten Nationen vorgelegt, und zwar zu einem Zeitpunkt, der bereits nach dem für den 18. April angesetzten Wahlen im Norden der Insel liegt. Nach dem Vorbild der vorhergehenden Präsidentschaften hat die portugiesische Präsidentschaft der Europäischen Union außerdem beschlossen, einen Vertreter zu benennen, um Kontakte zu den verschiedenen Beteiligten an diesem Problem unterhalten zu können. Dieser Vertreter ist bereits mit allen diesen Beteiligten in Kontakt getreten und hat die Arbeiten der einzelnen Gesprächsrunden in enger Verbindung mit dem Vertreter des Generalsekretärs der Vereinten Nationen begleitet. Unser besonderes Anliegen ist es, daß die Europäische Union in dieser Frage dauerhaft ein Profil wahrt, selbstverständlich um so mehr, als Zypern ein Beitrittskandidat der Europäischen Union mit einem weit fortgeschrittenen Verhandlungsprozeß ist, was natürlich einige Erwartungen weckt und bedeutet, daß die Europäische Union in diesem Zusammenhang eine nicht unwichtige Rolle zu spielen hat. Die Orientierung, die wir bei diesem Gespräch verfolgt haben, und unsere Teilnahme an eben diesem Gespräch haben im wesentlichen darin bestanden, ein gewisses Klima des Spannungsabbaus zu nutzen, das aufgrund der wohl allgemein herrschenden Überzeugung entstanden ist, daß es notwendig ist weiterzuverhandeln, und daß die Fortführung der Verhandlungen und die Beibehaltung ihres Tempos auch für sich genommen ein wesentlicher Faktor für die Hoffnung auf eine letztlich erfolgreiche Lösung sind. Es gibt noch ein weiteres wichtiges Element, das ich schon eingangs erwähnt habe, nämlich das Interesse der Türkei, zur Vorbereitung des Nordens der Insel auf den Beitritt beizutragen. Nach unserer Auffassung müssen wir nicht nur die Schlußfolgerungen des Europäischen Rates von Helsinki mit einiger Aufmerksamkeit und Sorgfalt beurteilen, sondern auch die mögliche Bereitschaft der türkischen Behörden, zur Lösung dieser Frage beizutragen, verfolgen. Ich war selbst in Ankara, wo ich Gelegenheit hatte, in bezug darauf mit Ministerpräsident Bülent Ecevit zu sprechen. Ungeachtet dessen, daß wir um die Schwierigkeiten und um die spezielle Sensibilität und Idiosynkrasie des türkischen Herangehens an diese Frage wissen, sehe ich hier eine Gelegenheit, die man nicht ungenutzt lassen darf. Dazu bedarf es der Verknüpfung verschiedener Faktoren kombiniert, von denen einer - es wäre sinnlos, das zu verschweigen - mit der Eigendynamik des Beziehungsgefüges zwischen der Türkei und der Europäischen Union in Zusammenhang steht. Und dieses spielt für die zukünftige Entwicklung dieser Frage eine maßgebliche Rolle. Andererseits halten wir es für wichtig - auch in Verbindung damit, wie sich die Europäische Union zum Kern dieser Frage stellt -, daß der Informationsaustausch zwischen der Kommission und den Zyprioten aus dem Norden der Insel gefördert wird, ohne daß dies, und das sei klar gesagt, ohne daß dies in irgendeiner Weise eine formelle Anerkennung bedeutet. Wir sind jedoch der Ansicht, und dies dürfte auch die Auffassung der Kommission sein, daß der gesamte Heranführungsprozeß im Bereich der Besitzstandsbewertung, der auf den Prozeß einer allgemeinen Integration der Insel in die Europäische Union bei einem zukünftigen Beitritt orientiert, die frühestmögliche Beteiligung der Bevölkerungsgruppen des Nordens der Insel impliziert. Damit verbunden ist auch die Möglichkeit für die Europäische Union, bei ihrem Bemühen um die Bewertung der Beitrittsbedingungen Zugang zu Elementen zu erhalten, die es ihr gestatten, das Beitrittsvorhaben selbst zu untermauern. Außerdem ergibt sich daraus, daß wir von seiten des Rates die Beteiligung der Kommission an diesen Bemühungen fördern müssen, und ich denke, daß auch dieses Parlament daran mitwirken kann. Ich glaube, wir müssen der Kommission eine Botschaft des Vertrauens zu ihrer diesbezüglichen Rolle übermitteln. Darüber hinaus und zum Abschluß äußere ich meine Überzeugung, und das ist auch die Absicht der Präsidentschaft, daß wir die aktive Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen fortsetzen sollten, denn der Generalsekretär und die Struktur der Vereinten Nationen selbst haben es auf geschickte, kluge und sachdienliche Art verstanden, dieses Gespräch zu führen. Vor allem haben sie sich bemüht, zur Annäherung der Standpunkte zwischen den Seiten beizutragen. Wie ich eingangs sagte, ist festzustellen, daß die Schlußfolgerungen des Europäischen Gipfels von Helsinki im Dezember des vergangenen Jahres einen offenkundigen Einfluß auf die Entwicklung der Standpunkte der am Prozeß Beteiligten hatten. Die Regierung in Nikosia hat ihre Genugtuung über die Schlußfolgerungen von Helsinki geäußert, die die Möglichkeit eines Beitritts zur Europäischen Union eröffnen, auch ohne daß zuvor eine Lösung für die Teilung der Insel gefunden wurde. Ich muß jedoch auch darauf hinweisen, daß dieselben Behörden ihre Sorge über den Druck zum Ausdruck brachten, dem sie unter Umständen ausgesetzt sind, die durch diese Teilung entstandenen Fragen lösen, was natürlich einige Zugeständnisse bedingt. Dies hängt mit der Entwicklung bei der Umsiedlung von Bevölkerungsgruppen und mit der Möglichkeit zusammen, für die Umsiedlung eben dieser Bevölkerungsgruppen im Fall einer anderen Lösung für die Insel eine neue Regelung zu finden. Dagegen befürchten die zypriotischen Türken - und auch hier wäre es müßig, das zu verschweigen -, daß die Bewerbung der Türkei um Aufnahme in die Europäische Union dazu führt, daß Ankara in dieser Frage eine etwas flexiblere Position einnimmt. Unabhängig davon, daß bei dieser Annäherung möglicherweise beide Gemeinschaften solche Bedenken hegen, könnten diese Aspekte zwar eine negative Beurteilung der Lage durch die Behörden beider Seiten erlauben, aber auch der Hauptanlaß für eine gewisse Hoffnung auf eine endgültige Lösung sein. Zu dieser endgültigen Lösung wird ganz eindeutig einer der wichtigsten Faktoren beitragen, der die Beziehungen in dem Gebiet in diesem Zeitraum prägt, nämlich die äußerst vielversprechende Entwicklung der Beziehungen zwischen Athen und Ankara und die überaus wichtige Rolle, die der griechische Außenminister, Herr Georgios Papandreou, und der türkische Außenminister, Herr Ismail Cem, dabei gespielt haben. Nach unserem Dafürhalten sind jetzt in diesem Rahmen die Voraussetzungen für einen weiteren günstigen Verlauf gegeben. Wir, die Ratspräsidentschaft, werden es nicht versäumen, diese Entwicklung mit größter Aufmerksamkeit zu verfolgen und mit dem Generalsekretär und seinem persönlichen Vertreter in dieser Angelegenheit zusammenzuarbeiten. Wir werden die Gemeinschaftsorgane darüber in Kenntnis setzen, was wir tun konnten und was bei der Zusammenarbeit nicht nur auf politischer Ebene, sondern auch in bezug auf das von der Kommission im Rahmen ihres Wirkungsbereichs beim Beitrittsprozeß erreicht wurde. Insbesondere werden wir darauf aufmerksam machen, wie flexibel sich beide Seiten in dieser Frage gezeigt haben. Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Debatte heute befaßt sich mit einer Frage, die unter zwei Gesichtspunkten besonders wichtig ist. Es geht einmal um die Frage der Finanzierung für Zypern und Malta, damit sie in vollem Umfange in die Vorbeitrittsstrategie einbezogen werden können. Es geht aber auch ganz besonders um den Friedensprozeß auf Zypern und damit auch um Stabilität und Sicherheit im Mittelmeerraum. Ich möchte zunächst ein paar Worte zu der Finanzverordnung für Zypern und Malta sagen, die die Kommission im Oktober vergangenen Jahres vorgelegt hat. Ich bin Herrn Brok, dem Berichterstatter, dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses für seinen Bericht außerordentlich dankbar, der eine ausgezeichnete Grundlage für unsere Beratungen heute ist. Wir benötigen dieses Instrument. Es ersetzt die Ende 1999 ausgelaufenen Finanzprotokolle. Wir brauchen diese Instrumente, damit wir unseren finanziellen Verpflichtungen im Rahmen der Heranführungsstrategie für Malta und Zypern nachkommen können. Ich bin sehr dankbar, daß das Parlament die Kommission in den Bemühungen unterstützt, den Verordnungsentwurf so rasch wie möglich zu verabschieden. Der auswärtige Ausschuß und der Haushaltsausschuß haben eine Reihe von Änderungsanträgen eingebracht. Einen Teil davon kann die Kommission übernehmen. Ich möchte zu zwei Punkten etwas sagen, zwei Punkte, von denen ich weiß, daß sie dem Parlament besonders am Herzen liegen. Es geht zum einen um die Finanzausstattung als solche, also wieviel Geld wollen wir denn eigentlich ausgeben? Die Kommission wird ein Finanzvolumen von 95 Millionen Euro vorschlagen. Auf diese Zahl hat sich auch der Rat geeinigt. Ich weiß, daß das Parlament eine höhere Finanzausstattung wünscht, und die Gründe dafür kann ich auch verstehen. Sie dürfen mir glauben, daß ich als zuständiges Mitglied der Kommission auch gerne mehr Geld für diesen Zweck zur Verfügung hätte. Die Lage ist aber nun einmal so, daß ein höherer Betrag zur Zeit nicht konsensfähig ist. Letztlich muß die Haushaltsbehörde den endgültigen Betrag festlegen. Die zweite Frage, die hier wichtig ist, ist die Frage der Übertragung der Finanzmittel in Rubrik 7 des Haushalts. Das ist ja nur scheinbar eine technische Frage. Es ist eine sehr politische Frage. Ich selbst habe hier schon bei einer anderen Gelegenheit gesagt, daß ich diesen Gedanken für richtig halte. Ich glaube sagen zu können - ohne daß die Kommission schon eine formelle Entscheidung getroffen hätte -, daß die Kommission grundsätzlich bereit ist, dieser Überlegung zu folgen. Die Entscheidung darüber kann jedoch nicht mit dieser Verordnung erfolgen, sondern das ist erst möglich im Rahmen der vorgesehenen Revision der Finanziellen Vorausschau. Durch diese Verordnung, die sich auf den Zeitraum 2000 bis 2004 erstreckt, erhalten die beiden Bewerberländer Zugriff auf technische und finanzielle Unterstützung für die Umsetzung des gemeinschaftlichen Besitzstandes, für die Beteiligung an Gemeinschaftsprogrammen und bestimmten Einrichtungen der Gemeinschaft sowie für den Ausbau der Kapazitäten ihrer Verwaltungen und Gerichte. Vom vorgesehenen Gesamtbetrag in Höhe von 95 Millionen Euro entfallen 57 Millionen Euro auf Zypern und 38 Millionen Euro auf Malta. Im Fall Zyperns sieht der Verordnungsentwurf auch die Finanzierung von Maßnahmen vor, mit denen die Versöhnung zwischen den beiden Volksgruppen unterstützt werden soll, und zwar in der Höhe von einem Drittel des Gesamtbetrags. Ich will seitens der Kommission sicherstellen, daß die Programmierung der Mittel im Einklang mit den Prioritäten der Beitrittspartnerschaften bereits in den kommenden Wochen erfolgt. Nun noch ein paar kurze Bemerkungen zu der Entwicklung der Zypernfrage nach dem Europäischen Rat in Helsinki. Ich kann mich vollständig dem anschließen, was Herr Staatssekretär Seixas da Costa im Namen der portugiesischen Präsidentschaft hier vorgetragen hat. Wir sind in dieser Frage in einer engen und guten Zusammenarbeit. Mit Blick auf Zypern hat die Union ja immer gesagt, daß die Beitrittsverhandlungen positiv auf die Lösung des politischen Problems wirken sollen. Wir waren auch immer damit einverstanden, und ich halte es auch ganz entschieden für richtig, daß die Verhandlungen zur Lösung des politischen Problems unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen stattfinden sollen, und wir waren uns immer einig, daß die Lösung weiterhin auf eine bikommunale und bizonale Föderation abzielen soll. Es bleibt das Ziel der Europäischen Union, ein Vereintes Zypern in die Union aufzunehmen. Der Europäische Rat in Helsinki hat erneut unterstrichen, daß eine Lösung des politischen Konflikts den Beitritt Zyperns zur Europäischen Union erleichtern würde. Allerdings, wie die Präsidentschaft eben schon dargelegt hat, hat der Rat zum Ausdruck gebracht, daß dies keine Vorbedingung für den Abschluß von Verhandlungen ist. Für den Fall, daß eine politische Lösung der Zypernfrage zum Zeitpunkt des Abschlusses der Beitrittsverhandlungen noch nicht erreicht ist, wird der Rat unter Berücksichtigung aller dann relevanten Faktoren die Entscheidung über die Aufnahme Zyperns in die Union treffen. Das ist die politische Lage, die wir haben. Die Entscheidung des Europäischen Rats von Helsinki zur künftigen Gestaltung der Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der Türkei hat eine beachtliche Dynamik entfaltet. Ich möchte unterstreichen, daß hier mehrere politische Prozesse gleichzeitig verlaufen und eng miteinander verknüpft sind. Es geht einmal um das Verhältnis EU-Türkei. Es geht zum anderen um die Weiterentwicklung der griechisch-türkischen Beziehungen, und es geht um den Friedensprozeß auf Zypern. Es war schon die Rede vom window of opportunity, vom Fenster der Gelegenheit, das sich nach Helsinki auch aufgrund der griechisch-türkischen Entspannung bietet. Was können wir also tun, um dieses Fenster der Gelegenheit im Zusammenhang mit dem Zypernproblem auszunutzen? Ich glaube, daß wir einen klugen und zurückhaltenden Ansatz wählen müssen. Wenn wir zu forsch an diese Sache herangehen, werden wir Erwartungen wecken, die nicht erfüllbar sind, sondern ich bin für einen klugen, der jeweiligen Situation entsprechenden, schrittweisen Ansatz. Das erste, was wir tun können und wollen, ist, den Dialog und die Kommunikation zwischen den beiden Gemeinschaften auf Zypern zu verstärken. Das ist eine Überlegung, die von unseren griechischen und türkischen Partnern unterstützt wird. Wir wollen also die sogenannten bikommunalen Aktivitäten wiederbeleben, vor allem also bikommunale Aktivitäten zwischen jungen Menschen. Wir wollen uns auch verstärkt um eine bessere Information der türkisch-zypriotischen Gemeinschaft über die Ziele der Union kümmern. Ich bin fest davon überzeugt, daß ein besseres Verständnis des Vertrages, ja ein besseres Verständnis dessen, was die Europäische Union eigentlich ist und was sie will, daß das dazu beitragen kann, Ängste und Vorurteile abzubauen. Ich werde Mitte März nach Zypern reisen. Es wird dabei mein Ziel sein, einen Beitrag dazu zu leisten, daß beide Gemeinschaften vom Vorteil einer neuen Zusammenarbeit überzeugt werden. Wir haben in der neuen Finanzverordnung wiederum Mittel für diesen Zweck vorgesehen. Diese Mittel sind nicht unbeträchtlich. Ich halte es für ganz wichtig, daß wir an beide Seiten appellieren, endlich die Schatten der Vergangenheit zu überwinden und schrittweise eine neue Form der Zusammenarbeit und schließlich des Zusammenlebens zu entwickeln. Die Gespräche im Rahmen der Vereinten Nationen haben im Dezember in New York und Anfang Februar in Genf stattgefunden. Sie werden im Mai in die vielleicht entscheidende dritte Runde gehen. Es soll in der Tat so lange verhandelt werden, bis eine Lösung gefunden ist, oder zumindest weitreichende Fortschritte bei den großen Fragen, die die Präsidentschaft eben bereits dargelegt hat, gefunden sind. Was ist dabei die Rolle der Kommission? Es ist interessant, festzustellen, daß alle an diesem Prozeß Beteiligten die Rolle der Europäischen Union für zentral halten. Alle am Prozeß Beteiligten suchen den Kontakt und suchen die Zusammenarbeit mit uns. Allen Beteiligten ist klar, daß der Friedensprozeß und die Übernahme unseres gemeinsamen Besitzstandes untrennbar miteinander verbunden sind und nicht in einen Widerspruch zueinander geraten dürfen. Ich muß sagen, daß auch ich die Zusammenarbeit mit dem Generalsekretär der Vereinten Nationen und seinem Sonderbeauftragten in dieser Frage außerordentlich hoch schätze und sagen kann, daß sie vertrauensvoll und reibungslos verläuft. Die Schlußfolgerung ist also berechtigt, daß seit Helsinki eine stärkere Dynamik in die Lösung der Zypernfrage gekommen ist. Viel weiter würde ich im Augenblick in der Beurteilung nicht gehen wollen. Die Entscheidung der Union, die Beitrittsverhandlungen zu beginnen und zügig fortzuführen, um so auch als Katalysator für die Lösung des politischen Problems zu dienen, scheint mir immer noch der richtige Weg zu sein. Jedenfalls sehe ich keine auch nur annähernd vernünftige Alternative zu diesem Weg und kann deshalb nur sagen, daß die Kommission an der Linie festhalten wird, bis zum Ende der Beitrittsverhandlungen auch an der Lösung des politischen Problems mitzuwirken und die Beitrittsverhandlungen selbst als ein wichtiges Instrument zur Lösung des Konflikts zu nutzen. Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich bedanke mich sehr für die beiden Mitteilungen und die Erklärungen, die der Herr Kommissar Verheugen bereits zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Durchführung von Maßnahmen im Rahmen der Heranführungsstrategie gemacht hat. In der Tat müssen wir Malta und Zypern als zwei Kandidaten betrachten, die politisch und auch von der Heranführungsstrategie her gleichberechtigt mit den 10 übrigen Staaten behandelt werden müssen, mit denen bilaterale Verhandlungen begonnen wurden. Daß es dabei außerordentlich hilfreich wäre, wenn es gelingen würde, bezüglich des zypriotischen Problems eine Lösung zu finden, darüber besteht sicherlich bei niemandem in diesem Hause Zweifel, und daß die Europäische Union ihren Beitrag dazu leisten sollte, ist auch klar. Wenn es gelingen würde, im Rahmen dieser Verhandlungen zu erreichen, daß ein vereinigtes Zypern in dem Sinne, wie der Herr Kommissar es charakterisiert hat, der Europäischen Union beitreten könnte, wäre das ein großer Erfolg. Auf der anderen Seite müssen wir natürlich auch deutlich machen, daß es andere Optionen gibt, damit nicht die Möglichkeit besteht, Linkisches herzustellen, das uns am Ende des Tages in Schwierigkeiten bringt, die uns in der gesamten Erweiterungsfrage in Handlungsunfähigkeit und Blockaden treiben. An diesen unterschiedlichen Optionen wird schon deutlich, daß dies im Rahmen der gesamten Erweiterung eines der delikatesten, wenn nicht am Ende des Tages das delikateste Problem sein wird, bei dem wir vielleicht die größten politischen Schwierigkeiten zu erwarten haben. Ich halte es dabei für außerordentlich wichtig, daß diese Heranführungsstrategie auch in einer Weise betrieben wird, daß in Zypern bereits die beiden communities zusammengeführt werden. Zypern ist, wie auch Malta, im Vergleich zu den übrigen Beitrittskandidaten insgesamt ein relativ reiches Land, aber dennoch muß es eine gewisse Gleichbehandlung geben. Diese Gleichbehandlung bezüglich Zypern sollte auch genutzt werden, damit das wirtschaftliche und soziale Gefälle zwischen dem griechischen und dem türkischen Teil nicht noch größer wird und am Ende des Tages durch das Größerwerden des Gefälles die Einigungsmöglichkeiten noch geringer werden. Aus diesem Grunde hat diese Heranführungsstrategie, glaube ich, eine ganz besondere Bedeutung. Lassen Sie mich deswegen in aller Kürze auf die Punkte zu sprechen kommen, die aus der Sicht des Parlaments wichtig sind. Ich danke der Kommission, daß sie bezüglich der Einordnung in die Kategorie B-7 hier eine klare Stellung bezogen hat, soweit sie das beim bisherigen Beschlußstand machen konnte. Ich hoffe, daß auch der Rat den entsprechenden Sprung machen und diese Erklärungen abgeben wird, denn für das Europäische Parlament ist es völlig klar, daß dies eine politische Frage ist. Daraus geht Gleichartigkeit und Gleichrangigkeit in der Heranführungsstrategie hervor, und gleichzeitig soll erreicht werden, daß Zahlen bis 2004 insgesamt genannt werden können, damit auch hier die Verläßlichkeit, die Klarheit und die Wahrheit eines Haushalts gewährleistet sind. So wie dies bisher gehandhabt wurde, ist es mit einem normalen Haushaltsverfahren nicht in Übereinstimmung zu bringen. Ich meine, daß es wichtig ist, daß das Europäische Parlament dennoch für dieses Jahr positiv mitgewirkt hat, weil wir diesen Ländern keine Nachteile entstehen lassen wollen und wir aus diesen Gründen zu den notwendigen Beschlüssen für den Haushalt 2000 bereit waren, aber das kann eben nur für dieses Jahr gelten. Deswegen wäre es wichtig, daß die Ratspräsidentschaft im Rahmen der Beratungen über diesen Bericht eine entsprechende Mitteilung verfaßt, die es uns ermöglicht, diese Frage in ein geordnetes Verfahren überzuführen, damit dieser aus meiner Sicht unnötige Streit beendet wird. Ich habe großes Verständnis dafür, daß es hier aufgrund der Agenda 2000 und der Gelder, die zur Verfügung stehen mögen, mathematische Probleme geben mag. Ich will auch deutlich zum Ausdruck bringen, daß man über die Zahl von 130 Millionen, die in meinem Bericht genannt wird, vielleicht sogar verhandeln kann. Es wurde von diesem Hause auch ein Änderungsantrag für morgen eingereicht, der von einem anderen Betrag ausgeht, zumal, wie ich sagte, diese Länder doch einen relativ hohen Entwicklungsstand haben. Dennoch muß für den vorhersehbaren Zeitraum eine Sicherheit dieser Länder vorhanden sein, sie müssen wissen, was sie in Wirklichkeit zu erwarten haben, und dies muß sich auch in der Planbarkeit im Europäischen Parlament als Teil der Haushaltsbehörde widerspiegeln. Herr Ratspräsident, ich weiß, daß Sie stets guten Willens sind in der Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament. Ich hoffe, daß es der Rat insgesamt auch sein wird und Sie uns in diesen Fragen die richtigen Antworten geben können. Herr Präsident, zu den Erklärungen des Rates und der Europäischen Kommission möchte ich folgendes sagen: Ich sehe durchaus, wie sensibel Sie, Herr Ratspräsident, an dieses Thema herangehen, und welche Bemühungen um Kontakte mit der türkisch-zyprischen Seite Sie unternehmen. Vielleicht wäre es jedoch klarer und korrekter, wenn auch das von Ihnen verwendete Vokabular keinen Zweifel daran ließe, daß Sie keinesfalls eine - wie auch immer geartete - indirekte Anerkennung im Sinn haben, auch wenn Sie betont haben, dies käme unter keinen Umständen in Frage. Ich würde beispielsweise nicht von der Regierung in Nikosia sprechen. Das ist die zyprische Regierung, Herr Ratspräsident, nicht die Regierung in Nikosia. Diese Regierung hat einen Modus vorgeschlagen, wie die türkisch-zyprische Seite beteiligt werden kann. Der Rat und die Kommission sollten die türkisch-zyprische Seite nunmehr drängen, sich institutionell in den Rahmen der Verhandlungen einbinden zu lassen, die von der Republik Zypern unternommen werden. Andererseits hat die Art und Weise, wie die Frage des Auslaufens der Protokolle und der Heranführungsstrategie bislang behandelt wurde, in uns einige Zweifel geweckt. Ich kann nicht nachvollziehen, warum für diese beiden kleinen Länder eine Ausnahme gemacht werden soll, warum es hier zu Konflikten zwischen den Organen kommen bzw. warum das Parlament Druck ausüben mußte, damit die Mittel auf Kapitel 7 für die Heranführungsstrategie übertragen werden. Ist es denn wirklich möglich, daß die Europäische Union zwei kleine Länder am Rande der Union so behandelt, die sie einerseits braucht, die andererseits aber auch alle Voraussetzungen mitbringen, um vollwertige Mitglieder der EU zu werden und die eigentlich sogar schon der Wirtschafts- und Währungsunion beitreten könnten? Ich stimme dem Kommissar zu, daß es sich hier um eine politische Entscheidung handelt, eine politische Entscheidung, die nicht allzu schwerfallen dürfte, Herr Ratspräsident, wenn man die enormen Vorteile bedenkt, vor allem aber die Unterstützung, damit die beiden Gemeinschaften wieder einen Staat bilden, damit es zu einer substantiellen Wiederannäherung - eine erste Annäherung zwischen den beiden Gemeinschaften hat es ja schon gegeben - kommt und die Republik Zypern endgültig von den Besatzungstruppen befreit wird. Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, im Rahmen des Anhörungsverfahrens befassen wir uns heute mit einem Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Durchführung von Maßnahmen hinsichtlich der Heranführungsstrategie für Zypern und Malta. Dieser Vorschlag ist mit demjenigen vergleichbar, der bereits für andere Beitrittsländer unterbreitet wurde, und nach seiner Umsetzung wird er die kürzlich ausgelaufenen Finanzprotokolle ersetzen. Die Instrumente zur Heranführung sollen einen technischen und finanziellen Beitrag zu den Bemühungen der Beitrittsländer darstellen, die Erfordernisse des acquis communautaire zu erfüllen. Die Überprüfung durch die Kommission hat nämlich gezeigt, daß Zypern und Malta - obwohl diese Länder von der Weltbank zu den Staaten mit hohen Einkommen gezählt werden - bei der Umsetzung des Gemeinschaftsrechts auf dieselben Schwierigkeiten stoßen wie die MOEL, und zwar aufgrund ihrer unzureichenden Kapazitäten der Verwaltungen und Gerichte. Anläßlich der Prüfung des hervorragenden Berichts von Herrn Brok im Ausschuß wurde darauf hingewiesen, daß diese beiden Länder für horizontale Maßnahmen von regionalem Interesse auch in den Genuß der MEDA-Haushaltslinie kommen können. Ich bitte den Kommissar um ausdrückliche Bestätigung dieses Punktes. Was Zypern anbelangt, so sei angemerkt, daß ein Teil der in den Instrumenten vorgesehenen technischen und finanziellen Hilfen für die Annäherung der griechischen und türkischen Volksgruppen sowie für die endgültige Lösung des Problems der Inselspaltung vorgesehen ist. Die Erklärungen des Rates und der Kommission zur Zypernfrage waren somit in besonderem Maße angebracht, und ich möchte dem Ratspräsidenten und Herrn Kommissar Verheugen meinen Dank aussprechen. Seit dem 4. Juli 1990, dem Datum des ersten Beitrittsgesuchs Zyperns, hat das Europäische Parlament immer wieder mittels zahlreicher Entschließungen eine politische Lösung auf der Grundlage des internationalen Rechts und der entsprechenden Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen eingefordert. Noch im April 1999 hat das Parlament seinen Standpunkt bekräftigt, der besagt, daß der Beitritt Zyperns der gesamten Insel zugute kommen und eine politische Lösung erleichtern muß, daß er jedoch nicht von dieser Lösung abhängig gemacht werden darf. Mit anderen Worten, die politische Lösung darf den Beitritt nicht als Geisel benutzen. Diese beiden Prozesse laufen getrennt voneinander ab. Dieser eindeutige Standpunkt unseres Parlaments hat damals einige Kontroversen ausgelöst. Daher ist es zu begrüßen, daß der Europäische Rat von Helsinki die Spekulationen beendet hat, indem er in seinen Schlußfolgerungen feststellte: "Sollte bis zum Abschluß der Beitrittsverhandlungen keine Lösung erreicht worden sein, so wird der Rat über die Frage des Beitritts beschließen, ohne daß die vorgenannte Lösung eine Vorbedingung darstellt ". Da dieser Punkt geklärt ist, müssen wir nun hoffen, daß sich die Verbesserung der Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der Türkei sowie der griechisch-türkischen Beziehungen in positiver Weise auf die türkische Volksgruppe auf Zypern auswirkt und daß sie sich nicht länger weigert, eigene Vertreter zu den Beitrittsverhandlungen zu schicken. Die Präsenz dieser Vertreter würde keineswegs die endgültige politische Lösung vorwegnehmen. Ganz im Gegenteil. Sie würde eine Aufwertung der Interessen aller Beteiligten ermöglichen, zu einem Zeitpunkt, an dem Zypern mit seiner Einbindung in die Europäische Union vor einem entscheidenden Wendepunkt in seiner Geschichte steht. Herr Präsident, ich möchte mich der Freude der anderen Berichterstatter darüber anschließen, daß sich die Möglichkeiten für eine Weiterentwicklung auf Zypern verbessert haben, da sich das Verhältnis zwischen der Türkei und der EU sowie zwischen der Türkei und Griechenland gebessert hat. Wir sollten von seiten der EU allerdings einen konstruktiven Beitrag dazu leisten. Ich bin, wie bereits erwähnt, auch der Meinung, daß bestimmte Probleme der Haushaltsordnung gelöst werden müssen. Es ist die Rede von einem Heranführungszuschuß, der in Kategorie sieben gehört. Im vergangenen Jahr hat das Parlament ausnahmsweise seine Zustimmung dazu gegeben, daß diese Mittel der Kategorie vier zugeordnet werden. Dadurch werden die beiden beitrittswilligen Länder anders behandelt als die beitrittswilligen Länder aus Mittel- und Osteuropa, was gemäß den Erklärungen des Gipfeltreffens von Helsinki nicht sein darf. Es müssen also Mittel für die Kategorie sieben zur Verfügung gestellt werden, verbunden mit einer Revision der finanziellen Perspektiven. Das ist der springende Punkt. Hauptsache ist, daß die Mittel für den Heranführungszuschuß für Zypern und Malta der Kategorie sieben entnommen werden und daß die finanziellen Perspektiven überarbeitet werden. Wenn der Rat dies nicht tut, verstößt er gegen seine eigenen Beschlüsse vom Dezember in Helsinki. Was den Betrag angeht, der im Bericht Brok erwähnt wird, 130 Mio. Euro, so möchte ich auch im Namen der liberalen Fraktion sagen, daß wir einen Betrag festlegen müssen, daß wir über die Höhe dieses Betrags verhandeln müssen. Entscheidend ist, daß ein mehrjähriges Programm in der richtigen Kategorie erstellt wird, so daß mit der Planung für Zypern und Malta begonnen werden kann. Herr Präsident! Über die Bedeutung der Finanzhilfen für Zypern und Malta ist man sich weitgehend einig. Die große Frage ist jedoch, aus welcher Rubrik des Haushalts diese Hilfe finanziert werden soll. Rat und Kommission schlagen vor, die Protokolle unter Rubrik 4 fallen zu lassen. Das entspricht dem Haushaltsbeschluß des Parlaments vom Dezember vorigen Jahres. Davon abweichend schlägt der Berichterstatter jetzt vor, Zypern und Malta in Rubrik 7 unterzubringen. Der Haushaltsausschuß schlägt sogar vor, die Genehmigung des Berichts Brok zu verschieben, bis der Rat zusagt, die Höchstbeträge für Rubrik 7 aufzustocken. Das ist eine äußerst riskante Strategie. Ohne Abstimmung im Parlament können die Finanzprotokolle nämlich nicht starten. Zypern und Malta werden so die Benachteiligten in einem politischen Spiel zwischen Rat und Parlament über die Höhe der Obergrenzen. Außerdem, was sind Höchstbeträge wert, wenn sie bei jeder neuen Aktion erhöht werden? Deshalb plädiere ich dafür, die 15 Millionen Euro gemäß dem Vorschlag der Kommission der Rubrik 4 zuzuordnen. Über die Kredite für die nächsten Jahre kann ein Mehrjahreshaushalt der Kommission im Laufe des Jahres Aufschluß geben. Herr Präsident, überall auf der Welt bemüht man sich darum, langandauernde Konflikte zu lösen und die Volksgruppen zusammenzubringen, die durch die Geschichte oder durch alte Stammesfehden und Feindschaften getrennt wurden. Nun ist die Zeit gekommen, da wir unsere Kraft und Zeit darauf verwenden sollten, den Zyprioten dies- und jenseits der "grünen Grenze " bei der Lösung eines Konflikts zur Seite zu stehen, der schon viel zu lange andauert. Wir wissen, daß wir behutsam vorgehen müssen, um Zypern erfolgreich in die Europäische Union zu führen, und durch die in Helsinki getroffenen Entscheidungen, zu denen auch der Beschluß gehört, der Türkei den Beitrittsstatus zu verleihen, erhält diese Debatte eine neue Dimension. Ich hoffe, daß die Entscheidungen von Helsinki zu Fortschritten in der Zypernfrage führen werden, und daß damit eine neue Zeit der Hoffnung für Zypern anbricht. Ich würde es begrüßen, wenn die Türkei nun eine konstruktive Rolle in der Zypernfrage spielen würde. Ich freue mich, daß sowohl der Rat als auch die Kommission die Bemühungen der UNO um die Aufnahme von Annäherungsgesprächen zwischen den beiden Volksgruppen in Zypern begrüßen, durch welche Aussöhnung und Vertrauensbildung zwischen diesen gefördert werden sollen. Ich begrüße die Unterstützung der Kommission für das aus zwei Zonen und zwei Volksgruppen bestehende, föderal aufgebaute Zypern, für das sich die Vereinten Nationen schon so lange einsetzen, und an dessen Aufbau sowohl die griechische als auch die türkische Seite in Zypern mit aller Kraft arbeiten sollten. Ich freue mich über das politische Tauwetter in den Beziehungen zwischen der griechischen und der türkischen Regierung. Meine Hoffnung ist, daß dies sich positiv auf die Zypern-Gespräche auswirken wird. Ich hoffe zudem, daß die Beihilfen, die Zypern im Rahmen der Beitrittsvorbereitung zur Verfügung stehen, teilweise dazu genutzt werden, diese Versöhnung und die Stärkung des Vertrauens zu fördern, und daß beide Seiten der getrennten Volksgruppen in Zypern dieses Geld in dem Geiste annehmen und verwenden werden, in dem es gegeben wird. Wir alle in den europäischen Institutionen - im Parlament, im Rat und in der Kommission - sollten unser möglichstes tun, um Zypern bei der Suche nach einer friedlichen Lösung zu helfen, durch welche die beiden Volksgruppen, die über so viele Jahre getrennt waren, wieder zusammengeführt werden können. Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einen herzlichen Dank an die Ratspräsidentschaft, an den amtierenden Ratspräsidenten Herrn Seixas da Costa und an Herrn Kommissar Verheugen für ihre Ausführungen zu Zypern. Ich begrüße es sehr, daß beide betont haben, daß die Europäische Union sich stärker um die Lösung der Zypernfrage bemühen will. Denn wir wissen alle, daß es unannehmbar ist, daß diese Insel seit 1974 geteilt ist, daß seit mehr als 26 Jahren rund 38 % von Zypern durch die Türkei besetzt ist. In der Vergangenheit sind alle Versuche, zu einer friedlichen Lösung des Zypernproblems zu kommen, an der unnachgiebigen Haltung der türkischen Seite bzw. der türkisch-zypriotischen Führung gescheitert. Aber so, wie das auch aus ihren Worten deutlich wurde, denke ich, stehen wir am Beginn dieses Jahres 2000 in einer vielleicht neuen Situation und haben unter Umständen neue Chancen. Wir sehen zum einen die neuen Aktivitäten der Vereinten Nationen, die bereits angesprochen wurden; wir sehen neue Aktivitäten der US-Regierung, wir sehen die deutliche Annäherung zwischen der Türkei und Griechenland. Doch insbesondere, so glaube ich, müßte nach den Ratsbeschlüssen von Helsinki ein Durchbruch erwartet werden können. Die Union hat die Türkei in Helsinki in den Kreis der Beitrittsländer aufgenommen. Zugleich ist entschieden worden, daß die Lösung des Zypernproblems keine Vorbedingung für den Beitritt Zyperns zur Union ist, was - der Kollege Poos hat darauf verwiesen - eigentlich schon klare Position der Union und auch des Parlamentes war, was in verschiedenen Resolutionen bestätigt wurde. Die Türkei weiß also nach Helsinki unmißverständlich, daß sie kein Vetorecht beim Zypernbeitritt hat und daß die weitere Vertiefung ihrer Beziehungen zur Europäischen Union auch mit der Lösung der Zypernfrage eng verknüpft ist. Es ist daher wirklich sehr zu hoffen, daß kluge Politiker in Ankara die Chance erkennen, die eine Beendigung der türkischen Besatzung auf Zypern auch für die Türkei selbst mit sich bringt. Ich hoffe wirklich sehr, daß - wie dies hier angesprochen wurde - dieses Fenster der Möglichkeiten oder Gelegenheiten wirklich weit geöffnet wird und daß auch Vertreter des Rates und der Kommission weiter in Ankara in dieser Richtung arbeiten. Denn im Gegensatz zur Kollegin Frassoni bin ich nicht der Meinung, daß die Zypernfrage allein eine Frage der Volksgemeinschaften, sondern sehr wesentlich eine Frage der türkischen Politik ist. Ich denke, wir können davon ausgehen, daß der Beitrittsprozeß Zyperns in die EU unumkehrbar ist. Und wir hoffen alle, daß ein vereinigtes Zypern beitreten kann. Deshalb noch eine Frage zur Klarstellung an Sie, Herr Ratspräsident: Sie haben von der Beteiligung der türkisch-zypriotischen Seite gesprochen. Gibt es irgendwelche Signale, daß die türkisch-zypriotische Seite auf das Angebot der zyprischen Regierung oder auf das der Europäischen Kommission eingehen will und dieses Angebot, sich an den Gesprächen zu beteiligen, aufnehmen will? Zum zweiten Punkt: Ich begrüße es sehr, daß wir uns in dieser Woche anhand des Brok-Berichtes - und herzlichen Dank, Herr Berichterstatter, für diesen Bericht - auch mit den finanziellen Aspekten der Heranführungsstrategie für Zypern und Malta beschäftigen. Denn es ist dringend erforderlich, daß nach dem Auslaufen der Finanzprotokolle mit Zypern und Malta hier finanzielle Hilfen für die Anpassung an den gemeinschaftlichen Besitzstand zur Verfügung gestellt werden. Beide Länder sind ganz sicher nicht die ärmsten der Beitrittskandidaten. Doch die Anpassungsleistungen sind auch für Zypern und Malta gravierend. Zypern rechnet mit einem finanziellen Aufwand von rund 850 Millionen Euro, das entspricht knapp 12 % des eigenen Bruttoinlandsproduktes für die Anpassungsleistung zwischen 1999 und 2002. Deshalb hat sich der Ausschuß für Auswärtige Angelegenheiten für eine Aufstockung der vorgesehenen 95 Millionen Euro ausgesprochen. Und ich hoffe sehr, daß wir hier doch wirklich Möglichkeiten haben, diesen Betrag zu erhöhen. Für die Zyprioten, die griechischen wie die türkischen, ist zu hoffen, daß erhebliche Mittel abfließen können für die vorgesehenen Maßnahmen zu bikommunaler Zusammenarbeit, die Herr Kommissar Verheugen ja angesprochen hatte, um das Ziel der Wiederannäherung der beiden Volksgruppen zu erreichen. Ich habe eine letzte Frage an den Kommissar Verheugen: Haben Sie Signale, daß bikommunale Kontakte auf Zypern jetzt besser möglich sind, als sie seit Luxemburg waren? Dort gab es ja keine Möglichkeiten mehr, weil Denktasch es untersagte. Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, werter Herr Ratspräsident und werter Herr Kommissar Verheugen! Die Verordnung für die Beitrittshilfen ist nicht gerade ein Aushängeschild für kohärente Arbeit der Kommission. Dieses Zusammenbasteln von Hilfskonstruktionen hinterläßt bei mir eher den Eindruck von Dilettantentum. Das betrifft sowohl die inhaltliche Ausformung als auch den finanztechnischen Aspekt. Damit können wir, glaube ich, den Bürgerinnen und Bürgern in Zypern und Malta schwerlich die Beitrittsaktivitäten von seiten der Union als Beweis dafür präsentieren, daß es sich lohnt, beizutreten. Vaclav Havel hat heute richtig gesagt, daß die Europäische Union in ihrer politischen Qualität daran gemessen wird, was sie dem oder der Einzelnen bringt. Aus Sicht der Bürgergesellschaft ist es entscheidend, was eine Verordnung bringt. Mit dieser Verordnung kann man diesbezüglich nicht gerade einen Besenstiel gewinnen. Sie enthält Fremdbestimmungsparagraphen und ist vorläufig, und damit läßt sich nicht glänzen. Die Qualität einer Beihilfe wird an folgenden Maßstäben gemessen: Ist sie dezentral, ist sie transparent, ist sie bürgernah und funktioniert sie? Nichtsdestotrotz, für die geteilte Insel Zypern ist diese Heranführungsstrategie insgesamt verbunden mit einer großen politischen Herausforderung. Aus meiner Sicht ist die Aufgabe der Europäischen Union, alle Instrumente und auch dieses einzusetzen, um zu einer politischen Konfliktlösung auf der Insel beizutragen. An dieser Stelle muß ich sagen, daß auch gerade der Änderungsantrag des Europäischen Parlaments mir hier ganz wichtig ist. Auch von seiten der Kommission und von seiten des Rates werden heute sehr hoffnungsvolle Reden gehalten. Ich bin sehr, sehr froh, daß wir da in eine Richtung gehen. Ich denke, es ist wirklich die Präferenzoption, mit einer Friedenslösung auf Zypern dieses Land in die Europäische Union aufzunehmen. Herr amtierender Ratspräsident, Herr Kommissar! Nach Meinung der Kommunistischen Partei Griechenlands besteht das Hauptproblem Zyperns nicht in seinem Beitritt zur Europäischen Union, sondern in der nun schon 26 Jahre andauernden Besetzung von 40 % des zyprischen Territoriums durch die Türkei. Die Zukunft des zyprischen Volkes liegt in der Einheit dieses kleinen Landes, unabhängig von der ethnischen Herkunft jedes Zyprioten. Die einzig akzeptable und zukunftsträchtige Lösung, die keine Handhabe für ausländische Interventionen wie jene zuläßt, die alle Probleme der letzten fünfzig Jahre verursacht haben, ist ein vereinigtes und föderatives Zypern, wie es auch in den Resolutionen des UN-Sicherheitsrates vorgesehen ist. Der Schlüssel zur Lösung des Zypernproblems liegt bei der türkischen Regierung, die die unnachgiebige Haltung des türkisch-zyprischen Führer Rauf Denktasch unterstützt und ermutigt. Die Europäische Union mit ihrem vorgeblichen Interesse an der Freiheit und den Menschenrechten hat sich ihrerseits aber nie rühren lassen, weder durch die Tragödie des zyprischen Volkes noch durch das Problem der griechisch-zyprischen wie der türkisch-zyprischen Flüchtlinge, weder durch die gewaltsame Änderung der Bevölkerungszusammensetzung in Nordzypern noch durch die massive Ansiedlung von Türken in den besetzten Gebieten. Sogar in diesem Saal sprach der Vertreter des Rates vom Nordteil Zyperns und nicht von den besetzten Gebieten. Der jüngste Beschluß von Helsinki, der Türkei den Beitrittsstatus zu geben, ohne daß diese auch nur das geringste Zugeständnis hinsichtlich der Besetzung Zyperns gemacht hätte, zum Beispiel indem sie ihre dortige militärische Präsenz verringert oder Ammochostos zurückgibt, ermutigt die türkische Seite auf beispiellose Weise, auf ihrer unnachgiebigen Position zu beharren. Nicht zufällig erklärte der türkische Ministerpräsident Bülent Ecevit unmittelbar nach Helsinki, das Zypernproblem sei schon 1974 gelöst worden. Dieser Rückhalt für die starre Haltung der Türkei trägt ganz sicher nicht zur Annäherung der beiden Gemeinschaften bei den direkten Gesprächen unter der Schirmherrschaft des UN-Generalsekretärs bei. Das Volk Zyperns hat auf seinem Weg zum Beitritt schon viel eingebüßt, und es wird noch mehr verlieren. Die Übernahme des gemeinschaftlichen Besitzstandes hat der zyprischen Wirtschaft, insbesondere der Landwirtschaft, erhebliche Probleme verursacht. Sie erfordert den Ausverkauf des öffentlichen Sektors, und sie dereguliert und zerstört das entwickelte System der sozialen Solidarität in diesem Land. Herr Präsident, verzeihen Sie, aber der französischen Kabine ist soeben bei dem Beitrag von Herrn Alyssandrakis ein kleiner Übersetzungsfehler unterlaufen, und zwar bei dem heikelsten Wort der gesamten Debatte. Ich möchte nicht, daß es hier zu Mißverständnissen kommt. In der französischen Übersetzung soll Herr Alyssandrakis gesagt haben: "die konföderative Lösung ist die beste ". Herr Alyssandrakis hat aber eindeutig gesagt, "die föderative Lösung ist die beste ". Diese Klarstellung ist äußerst wichtig, Herr Präsident. Vielen Dank für die Klarstellung, Herr Wurtz. Herr Präsident, Malta und Zypern unterscheiden sich sehr stark von den Ländern auf dem europäischen Festland. Die maltesischen Bürger haben es zum Beispiel hervorragend verstanden, in einem ungünstigen geographischen und geopolitischen Umfeld zu überleben. Ihr Erfolg beruht im wesentlichen auf ihrem Unternehmungsgeist, ihrer Dynamik und ihrer Flexibilität. Malta besitzt eine erfolgreiche Leicht- und Schwerindustrie, einen aufstrebenden Finanzdienstleistungssektor, eine leistungsfähige Landwirtschaft, eine blühende Tourismusindustrie und ein breites Spektrum von Beschäftigungsmöglichkeiten, und das alles, obwohl Malta praktisch über keinerlei natürliche Ressourcen verfügt. Ich bin daher sicher, daß eine Insel wie Malta mit ihren 340 000 Einwohnern die starren wirtschaftlichen und rechtlichen Strukturen des Festlands mit einer tausendmal größeren Bevölkerung nicht übernehmen kann. Wenn ich nun das vorgeschlagene Instrument betrachte, sehe ich kein Mittel, mit dem man zwei Völker in die Arme von Mutter Europa holen könnte. Die Lage ist eher mit einem schwarzen Loch im Weltall vergleichbar, das die Masse so kraftvoll anzieht, daß nicht einmal Licht nach außen dringen kann. Wir sollten nicht versuchen, diese Inselbewohner mit Geld dazu zu bringen, bei der eigenen Zerstörung mitzuhelfen, und ihnen Geld zu geben, damit sie Gesetze übernehmen, die ihrer Kultur so fremd sind wie ein schwarzes Loch für die Erde. Die EU sollte Zypern und Malta in Ruhe lassen. Ich habe den Eindruck, daß in Malta nur die politische Klasse ein Interesse daran hat, und ich werde dem maltesischen Volk die Daumen drücken, daß es auch diesmal wieder der Gewinner sein wird. Herr Präsident, wir haben hier den äußerst seltenen Fall, daß die Stellungnahmen der Kollegen in diesem Parlament, und zwar auf allen Seiten, eine nahezu vollständige Übereinstimmung in der Zypernfrage, genauer gesagt im Hinblick auf den Heranführungsprozeß für Zypern und Malta, erkennen lassen. Wir sind uns also offensichtlich alle des sogenannten politischen Problems Zyperns bewußt. Gleichzeitig verleiht diese Tatsache sowohl dem Rat als auch der Kommission erheblichen Rückhalt, so daß die von allen europäischen Parteien und allen Völkern zum Ausdruck gebrachte Kraft in deren politische Möglichkeiten zur Lösung des Problems einfließen kann. Helsinki war ein historisches Ereignis, ein historischer Wendepunkt, ein historischer neuer Ansatzpunkt. Wenn manche aus welchem Grund auch immer meinen, das dort erreichte Gleichgewicht sei der Ausgangspunkt für neue Verhandlungen andernorts, wenn manche mit ihrer Haltung diesen Komplex aus Tatsachen und Balancen destabilisieren, dann machen sie einen tragischen Fehler. Die Bedingungen sind reif. Was nun von der Europäischen Kommission, vom Rat und von allen gefordert wird, ist unaufgeregte Entschlossenheit, eine unaufgeregte Entschlossenheit zur Fortsetzung der Beitrittsverhandlungen sowohl mit Zypern als auch mit Malta ohne Tricks und Kniffe, denn von allen Kandidaten sind sie letzten Endes am besten auf den Beitritt vorbereitet. Diese Entschlossenheit muß allen Seiten, die möglicherweise eine andere als die von uns allen vertretene Auffassung haben, signalisieren, in welche Richtung es geht. Der Bericht Brok ist in dieser Hinsicht ein nützliches Instrument, und es ist wirklich ein wenig bedauerlich, daß wir zu diesem guten Bericht nicht mehr sagen können, weil er politisch von der Stellungnahme des Rates und der Kommission überlagert wird, da alle gemeinsam an der Aussprache teilnehmen. Auf jeden Fall hängt es nun von Ihnen ab, wie es weitergeht. Die künftige Entwicklung liegt aber insofern auch in unseren Händen, als wir Sie mit Entscheidungen und Möglichkeiten ausstatten. Was nun den Bericht Brok betrifft, so sind Zypern und Malta die letzten Inseln im Mittelmeer, und wenn ich mich nicht irre auch Europas, die noch nicht Mitglied der Europäischen Union sind. Das hat durchaus eine tiefergehende Bedeutung, denn ans Mittelmeer und auf seine Inseln - auch ich stamme übrigens von einer Insel - kommen doch die Nordeuropäer hauptsächlich, um ihren Sommerurlaub zu verbringen oder gar um dort zu wohnen. Insofern sind die Insel der Aphrodite, wie Zypern auch heißt, und die Pirateninsel, wie wir Insulaner Malta auch liebevoll nennen, zwei Juwele, die wir rasch der Europäischen Union zuführen sollten. Sie sind wirtschaftlich sehr stark, haben ausgebaute ökonomische Beziehungen und sind letzten Endes ein Bereich, an dem sich der politische Wille der Europäischen Union ablesen läßt. Angesichts der hier herrschenden Einmütigkeit muß ich wohl nicht viel Worte machen und will mit einer kurzen Bemerkung an den amtierenden Ratspräsidenten schließen: Seine Stellungnahme wies durchaus einige Merkwürdigkeiten auf. Ich hoffe, daß dies nur der Übersetzung zuzuschreiben ist und daß er die von mir angesprochenen Punkte in seiner Erwiderung richtigstellt. Herr Präsident, da ich der letzte Redner bin, möchte ich eine Frage an Herrn Seixas da Costa und Herrn Verheugen stellen, wenn Herr Verheugen denn seine Kopfhörer aufsetzen und allen Rednern Gehör schenken würde. Es geht um zwei Gemeinschaften, aber es geht nicht hauptsächlich um die beiden Gemeinschaften. Wie bereits von vielen Rednern gesagt wurde, herrscht ein Besatzungsregime. Ein Land, das in den Kreis der Beitrittskandidaten zur Europäischen Union aufgenommen wurde - die Türkei - hält einen Teil eines anderen Beitrittskandidaten besetzt. Es handelt sich dabei um 40 Quadratkilometer, und die Berliner Mauer steht heute in Nikosia. Die künftige Entwicklung hängt nicht nur von den Gesprächen zwischen Denktasch und dem Präsidenten der Zyprischen Republik ab. Ich möchte vor allem von Herrn Seixas da Costa, aber auch von Herrn Verheugen wissen, welche diesbezüglichen Aspekte der Rat auf dem Assoziationsrat gegenüber der türkischen Regierung ansprechen und inwieweit er einen auf Abzug der Truppen, aber auch auf einen Beitrag der türkischen Regierung zur Lösung des Zypernproblems drängen wird. Ich erinnere daran, daß der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg vor kurzem die türkische Regierung wegen der Enteignung griechischer Vermögen verurteilt hat - nicht etwa Denktasch, nicht etwa etwas, das juristisch gar nicht existiert, nämlich die "Türkische Republik Nordzypern ", sondern die türkische Regierung. Ich frage Sie: Welche Punkte werden auf dem Assoziationsrat im Hinblick auf einen Beitrag der Türkei zur Lösung des Zypernproblems angesprochen? Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich habe sehr aufmerksam verfolgt, was hier gesagt wurde, ganz besonders einige sehr gefühlsbetonte Worte zur Zypernfrage, vor allem in Verteidigung der jetzt in Zypern herrschenden Rechtmäßigkeit, die die Europäische Union anerkennt, indem sie die betreffenden Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen in dieser Angelegenheit anerkennt. Dabei, Herr Abgeordneter Wurtz, hüllt sich der Rat keineswegs in zweideutiges Schweigen: Der Rat steht hier voll und ganz zu seiner Einschätzung der Lage in Zypern. Im übrigen waren ja gerade diese Lage und diese Einschätzung Anlaß für die Beschlüsse, die er Ende 1997 in Luxemburg traf, als man entschied, die ersten Schritte in einem Beitrittsprozeß der Republik Zypern zur Europäischen Union zu gehen. Ich möchte, daß die Damen und Herren Abgeordneten verstehen: Unabhängig von den mehr oder weniger emotionalen Stellungnahmen zu diesen Fragen sind die Regierungen - und damit meine ich alle Regierungen - im internationalen Verhandlungsalltag in der Regel gezwungen, eine etwas flexiblere Haltung einzunehmen. Wir brauchen die emotionaleren Stellungnahmen, damit sie uns weiterhin das Szenarium der Auswirkungen all dieser Fragen auf der menschlichen Ebene vor Augen führen. Wir müssen uns aber auch im klaren sein, daß man durch Besonnenheit in den politischen Positionen und Flexibilität in der Verhandlungsführung zu Lösungen kommen kann, die es gestatten, die erheblichen Meinungsverschiedenheiten zu überwinden, die im Grunde in der Vergangenheit etliche Tragödien heraufbeschworen haben. Unabhängig von der Schuldfrage - wir sind nicht hier, um eine Liste der Schuldigen aufzustellen, dies ist in den betreffenden Resolutionen der Vereinten Nationen klar gesagt -, glaube ich, daß wir emotionslos und mit mehr Besonnenheit die Chancen nutzen müssen, die sich mit den neuen Gegebenheiten eröffnen. Der Europäische Rat von Helsinki hatte den Mut, einige Entscheidungen zu treffen, und ich meine, daß diese Entschließungen in mehreren Abschnitten bereits eine angemessene Einschätzung dieser Chancen darstellen, derzufolge, wie ich zu Beginn meiner ersten Wortmeldung sagte, neue Gelegenheiten offenstehen. Wir können in dieser Verhandlungsphase, einer schwierigen, heiklen Phase, nicht konkrete Ergebnisse erreichen, indem wir uns die Spannungen zunutze machen. Vielmehr müssen wir auf unserem Weg durch diskrete Arbeit zur Unterstützung des Sonderbeauftragten des Generalsekretärs der Vereinten Nationen in dieser Angelegenheit weiter vorankommen. Die Europäische Union hat hierzu eine ganz klare Haltung bezogen, meine Damen und Herren Abgeordnete, und es dürfte wenig sinnvoll sein, einige Sätze, die sich in der Rede des Rates oder in irgendeiner anderen Stellungnahme finden lassen, zweideutig auszulegen. Hier in diesem Parlament geht es uns nicht darum, was politisch korrekt ist. Uns geht darum, was international gerecht ist, und um die konkreten Positionen, die der Rat in dieser Sache im Laufe der Zeit und konsequent bezogen hat und die auch die Europäische Kommission mit Sorgfalt, mit Aufmerksamkeit und auf pragmatische Weise verfolgt. Wenn man in diesem Augenblick von der Notwendigkeit spricht, die Bevölkerung Nordzyperns an einem Informationsaustausch zu beteiligen, insbesondere auf dem Weg zu einem künftigen Beitritt der Republik Zypern zur Europäischen Union, müssen wir verstehen, daß wir auf der Suche nach praktischen Formeln sind, die uns helfen, Hindernisse für eine politische Lösung zu überwinden. Wir suchen keine Vorwände, und wir wollen durch praktische Lösungen keinesfalls irgendwelche Modelle schaffen, die eine politische Anerkennung darstellen. Aus meiner Sicht hat der Rat der Europäischen Union im Laufe der Zeit hier eindeutig unter Beweis gestellt, daß dies nicht sein Einstellung ist. Die Entscheidungen wurden vom Rat mit großem Verantwortungsbewußtsein getroffen. Die Ereignisse in Helsinki sprechen da unserer Meinung nach eine sehr deutliche Sprache. Die Art, wie wir mit der Republik Zypern bei ihrem Beitrittsprozeß zur Europäischen Union in Verbindung getreten sind, wird von den Behörden der Republik Zypern selbst ausdrücklich als positiv beurteilt. Es hat keinen Sinn, unseren Absichten einen zweiten Sinn zu unterstellen oder dies zu versuchen. Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen sehr herzlich danken für diese Debatte, die ich insgesamt als eine ermutigende und unterstützende Debatte empfunden habe, die zeigt, daß es im Hause eine große Einigkeit mit der Politik der Mitgliedstaaten und auch der Kommission gibt. Ich will aber ein paar Klarstellungen, die erwünscht worden sind, gerne noch vornehmen. Erstens, was die Sache mit den Rubriken 4 und 7 angeht. Das ist ganz einfach: In Berlin, bei dem großen Agenda 2000-Paket, ist für die ost- und mitteleuropäischen Beitrittsländer, die sich in einem Transformationsprozeß befinden, eine besondere Rubrik geschaffen worden, nämlich eben die berühmte Rubrik 7, und nur für diese Länder. Malta, Zypern und die Türkei waren da nicht vorgesehen. Frau Kollegin Schroedter hatte das als einen Mangel an Kohärenz bezeichnet. Sie müßten vielleicht einmal den damaligen Ratspräsidenten, der Ihnen ja nicht so fern steht, fragen, wie es zu diesem von Ihnen vermuteten Mangel an Kohärenz gekommen ist. Ich bin auch ein bißchen daran beteiligt gewesen. Ich glaube das nicht, sondern der Grund für diese Entscheidung war, daß man ein besonderes Instrument haben wollte für die ost- und mitteleuropäischen Staaten, die unter anderen Bedingungen in dem Beitrittsprozeß stehen als Malta und Zypern. Gleichwohl habe ich gesagt, ich verstehe die Argumente, die hier vorgetragen werden, und die Kommission wird sich bemühen, diesen Wünschen Rechnung zu tragen, aber da es sich hier nun einmal um die Agenda 2000 und die Finanzielle Vorausschau handelt, können wir das nicht ohne eine Änderung dieser Finanziellen Vorausschau machen. Das ist bisher natürlich noch gar nicht möglich gewesen. Zur Klarstellung: Wenn wir das rüberheben von Rubrik 4 auf Rubrik 7, hat das in der Gesamtbalance des Haushalts keine Auswirkungen. Wenn wir das machen, würde Rubrik 7 entsprechend erhöht, Rubrik 4 aber entsprechend vermindert werden. Die Vorstellung, man könnte das zusätzlich zu Rubrik 7 machen und Rubrik 4 lassen wie sie ist, läßt sich nicht realisieren. Auch das Parlament kann kein Geld ausgeben, das es nicht hat, jedenfalls nicht, solange wir keine Druckmaschine im Keller stehen haben, mit der wir Euronoten drucken können! Was jetzt den Friedensprozeß in Zypern angeht und die Verbindung der Beitrittsverhandlungen, so will ich noch einmal sagen, daß es immer so gewesen ist, daß die Beitrittsverhandlungen einen direkten Bezug dazu hatten. Es ist immer so gewesen, daß die Kommission und der Rat sich bemüht haben, die beiden Gemeinschaften auf Zypern zu gemeinsamen Projekten zu bewegen. Das ist bisher - wie Sie wissen - nicht gelungen, und ich bin gefragt worden, ob es Signale gibt. Frau Kollegin Rothe, ich will es einmal so ausdrücken: Ich bin davon überzeugt, daß die Rahmenbedingungen sich deutlich verbessert haben, solche Einigungen zu erreichen. Zusagen habe ich im Augenblick nicht. Das erwarte ich auch nicht, bevor wir nicht in direkte Gespräche eingetreten sind. Die werden erst etwas später kommen. Die Rahmenbedingungen haben sich dadurch verändert, daß durch die Helsinki-Entscheidungen eine ganze Reihe von Dingen möglich geworden sind, die bisher nicht möglich waren, sich vor allen Dingen natürlich die politischen Strategien der Beteiligten massiv verändert haben. Ich war immer der Meinung, daß die alte Linie, zu sagen, Zypern wird unter allen Umständen nur dann aufgenommen, wenn der politische Konflikt gelöst ist, daß diese Linie eine Schwachstelle hat, nämlich die, daß sie keinen überzeugenden Anreiz bietet für die türkische Gemeinschaft auf Zypern, sich wirklich zu beteiligen, denn bei dieser Strategie brauchte die türkische Gemeinschaft ja nichts anderes zu tun, als sich zurückzulehnen und zu warten. Eine Mitgliedschaft Zyperns wäre dann nicht in Frage gekommen. Jetzt muß sie ernsthaft mit dem Risiko rechnen, daß die Integration Zyperns in die Europäische Gemeinschaft vollzogen wird, mit den daraus erwachsenden Chancen für Wohlstand und Sicherheit für die griechische Gemeinschaft, während die ohnehin im Wohlstandsniveau weit zurückliegende türkische Gemeinschaft weiter zurückfallen würde. Also ist der Anreiz, den Beitrittsprozeß mit der Lösung des Konflikts zu verbinden, nach meiner festen Überzeugung nach Helsinki sehr viel stärker geworden. Das war auch die Idee, die dahintersteckte. Es ist nach wenigen Wochen, Frau Kollegin, noch zu früh, hier jetzt schon ein Urteil abzugeben, aber ich habe jedenfalls keinen Anlaß anzunehmen, daß die neue Linie scheitern wird. Dafür gibt es auch keinen Anlaß. Es gibt noch keinen Anlaß zu sagen, wir schaffen das, aber ich kann wirklich deutlich sagen, die Voraussetzungen dafür, daß wir einen Schritt weiterkommen werden, haben sich wesentlich verbessert. Letzter Punkt: Im Gespräch mit der Türkei spielt die Zypernfrage natürlich eine Rolle. Ich habe bei meiner Begegnung mit dem türkischen Außenminister vor wenigen Wochen in Brüssel selbstverständlich die Türkei um eine positive und konstruktive Haltung in dieser Frage gebeten. Ich weise nur auf eines hin: Wir können nicht hundertprozentig sicher sein - ich jedenfalls bin es nicht -, daß man bloß in Ankara auf einen Knopf drücken muß, und dann läuft die Sache in Zypern! So einfach ist das schon lange nicht mehr, sondern wir werden uns schon intensiv im Gespräch mit den beiden Gemeinschaften bemühen müssen, sie dazu zu bringen, zu einer Verständigung zu kommen. Das tun wir, die Mittel und Programme dafür sind da. Ich brauche - ich muß Ihnen das deutlich sagen - diese Finanzverordnung, die hier zur Entscheidung vorliegt, damit wir überhaupt anfangen können. Die Finanzverordnung ist der rechtliche Rahmen dafür, daß die in den Beitrittspartnerschaften mit Malta und Zypern vorgesehenen Prioritäten angefaßt werden können. Ich kann nichts beginnen, solange wir das nicht haben, weil mir die rechtliche Grundlage fehlt. Wenn der beklagte Mangel an Kohärenz etwa mit diesem Punkt etwas zu tun haben sollte, so muß ich sagen, daß diese Verordnung nur ein Rechtsrahmen ist und weiter nichts. Die Ausfüllung dieses Rechtsrahmens finden Sie in den Prioritäten der Beitrittspartnerschaften, die im vergangenen Jahr beschlossen wurden von Kommission und Rat und die jetzt in der entsprechenden Programmierung und in dem Management der Projekte umgesetzt werden. Ich würde ganz im Gegenteil sagen: Es gibt viele Bereiche in der europäischen Politik, wo man einen Mangel an Kohärenz beklagen kann. In diesem Fall möchte ich doch für die Kommission und den Rat auch in Anspruch nehmen, daß wir eine sehr klare, transparente und kohärente Politik entwickelt haben. Herr Präsident, Herr Ratspräsident! Nachdem uns der Herr Kommissar in außerordentlich kohärenter Weise dargelegt hat, daß die mangelnde Kohärenz in der Zuständigkeit des damaligen Ratspräsidenten und seines Europa-Staatsministers lagen, könnten Sie uns und dem Herrn Kommissar vielleicht helfen, damit dieser Beschluß hier gefaßt werden kann. Eine hilfreiche Lösung wäre, wenn Sie meine Fragen zur Finanziellen Vorausschau bis 2004 und zur Rubrik B7 positiv beantworten oder zumindest zum Ausdruck bringen würden, daß - wie auch der Herr Kommissar in der Kommission versuchen wird, dies hinzubekommen - die portugiesische Ratspräsidentschaft die Absicht hat, die mangelnde Kohärenz von damals durch eine solche Anstrengung auszugleichen. Herr Präsident! Ich denke, die Frage, die der Herr Abgeordnete und mein Freund Elmar Brok aufgeworfen hat, wird von seiten des Rates sorgfältig geprüft werden. Ich glaube, die an der vorhergehenden Präsidentschaft geübte Kritik ist nicht angemessen. Meiner Ansicht hat die vorhergehende Präsidentschaft bei der Definition der Finanziellen Vorausschau eine ausgezeichnete Arbeit geleistet, unabhängig von den Personen, die daran beteiligt waren. Jedenfalls ist dies eine wichtige Frage, und wir werden auf Ratsebene auf jeden Fall die diesbezüglichen Vorschläge der Kommission unterstützen. Herr Ratspräsident, ich habe verstanden; der Kollege Brok hat eigentlich eine noch früher zurückliegende Präsidentschaft gemeint. Herr Präsident! Ich hatte Herrn Kommissar Verheugen eine konkrete Frage über das Finanzierungsinstrument Meda gestellt, die er jedoch nicht beantwortet hat. Ich möchte Ihn herzlich darum bitten, denn von seiner Antwort hängt auch das Abstimmungsverhalten über verschiedene Änderungsanträge ab, die uns vorliegen. Lieber Herr Poos, ich bitte um Entschuldigung. Es gab genau an der Stelle, wo Sie mir die Frage gestellt hatten, eine Unklarheit. Also bei Meda ist es so, daß Malta und Zypern an den überregionalen Programmen teilnehmen können, an den länderspezifischen nicht, weil die Einkommen zu hoch sind. Vielen Dank, Herr Kommissar Verheugen! Die Aussprache ist geschlossen. Die Abstimmung findet am Donnerstag statt. Nach der Tagesordnung folgt die Fragestunde (B5-0009/2000). Wir behandeln die Anfragen an den Rat. Anfrage Nr. 1 von (H-0022/00): Betrifft: Kontrolle des Zugangs von Öltankern zu Gewässern der Gemeinschaft Welche Maßnahmen wird der Rat in Zusammenhang mit der Havarie des Tankers ERIKA vor der französischen Küste, der eine Ölpest verursacht hat, ergreifen, um den Zugang von Tankern, die unter Billigflagge fahren und die Sicherheitsvorschriften der Gemeinschaft nicht einhalten, zu den Gemeinschaftsgewässern zu kontrollieren? Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete! Am 24. Januar hat sich der Rat mit den Folgen des Schiffbruchs des Tankers ERIKA im vorigen Monat befaßt. Zu jener Zeit hat der Rat seine Besorgnis zur Sicherheit von Tankern und den daran zu knüpfenden Umweltschutz geäußert und damit im übrigen die Empörung der Öffentlichkeit über die katastrophalen Auswirkungen dieses Ereignisses artikuliert. Der Rat hat sich diesen Fragen und der Notwendigkeit zusätzlicher Maßnahmen in diesem Bereich nicht verschlossen. Seinerzeit wurde betont, daß es wichtig sei, daß der Rat auf Gemeinschaftsebene und auch im Rahmen seiner eigenen Arbeit bei den internationalen Organisationen neue Maßnahmen ergreift. Bekanntlich sind nach dem Gemeinschaftsrecht in seiner aktuellen Form die Hafenbehörden verpflichtet, Kontrollen an Bord aller ausländischen Schiffe vorzunehmen, auch derjenigen, die unter Billigflagge fahren, und sie festzuhalten, falls sie die internationalen Normen nicht erfüllen. Es gibt eine diesbezügliche Richtlinie von 1995. Was die Zukunft anbelangt, so hat der Rat festgestellt, daß der gegenwärtig auf Kommissionsebene stattfindende Denkprozeß bald in eine Mitteilung über die Tankersicherheit und neue Vorschlägen dazu münden muß, wie sich die Kontrollen verstärken und der Qualifikationsstand der Kontrollorgane verbessern lassen. Ebenfalls vorgesehen ist die Forderung nach einer stabileren Bauweise der Tanker, die Gemeinschaftshäfen häufig anlaufen. Da diese Dossiers im Rat der Verkehrsminister weiterbehandelt werden, kann ich im Namen des Rates nur die Information geben, daß wir den Vorschlägen stets größte Priorität einräumen werden, die die Kommission - worauf alles hindeutet - in diesem aus unserer Sicht für den Umweltschutz wichtigen Bereich vorlegen muß. Natürlich ist dann auch dieses Parlament aufgerufen, sich ebenfalls zu diesen Vorschlägen zu äußern, da es sich hier um Angelegenheiten handelt, die der Mitentscheidung unterliegen. Ich freue mich, daß der Rat diese Frage als Gegenstand der Reflexion betrachtet. Der Herr Ratspräsident kommt aus einem Land, Portugal, das von solchen Situationen direkt bedroht ist. Wenn wir zu viel reflektieren, könnte es geschehen, daß hier bis zum nächsten Sommer ein Öltanker unter ähnlichen Bedingungen vor der Algarve strandet, die portugiesische Tourismusindustrie des Sommers zerstört, mit etwas Glück bringen die Meeresströmungen die Verschmutzung bis zur Insel Madeira - da sie in dieser Richtung verlaufen ­, und darüber hinaus vernichtet er auch den Tourismus der Kanarischen Inseln. Ist der Herr Ratspräsident nicht der Ansicht, daß man aufhören sollte nachzudenken und daß man strenge Maßnahmen in diesem Bereich einleiten sollte? Dabei ist zu berücksichtigen, daß wir heute schon über die Mittel verfügen, um solche Öltanker auf hoher See zu kontrollieren. Natürlich ist es mit der Erika eine komische Geschichte. Ein Schiff mit französischem Eigner, unter Malteser Billigflagge, einer Hindu-Besatzung, einer auf Sizilien von Italien ausgestellten Seetauglichkeitsbescheinigung, und die letzten Inspektion wurde wohl in Bulgarien vorgenommen. Das Schiff sank, und der Kapitän sah, daß es unterging und den nächsten Hafen nicht erreichen würde. Ich glaube, so etwas darf nicht zugelassen werden. Der Schaden kann für Ihr Land, Herr Präsident, und für meins, Spanien, gewaltig sein. Herr Abgeordneter, ich teile Ihre Sorgen durchaus, und ich kann Ihnen nur sagen, daß sich ein Küstenstaat wie das Land der Präsidentschaft selbstverständlich in dieser Sache große Sorgen macht - auch, weil es keine eigenen Tanker hat. Doch der Ordnungsrahmen, in dem wir leben, ist nun einmal so. Der Ordnungsrahmen ist die Richtlinie von 1995, und sie enthält eine Reihe von Regelungen, die einen Spielraum bieten, der gegebenenfalls konsequenter genutzt werden sollte. Auf diesem Gebiet müssen wir entsprechend den Verhältnissen in der Welt arbeiten, das heißt, wir reagieren auf Tatsachen. In Anbetracht des Ernstes derartiger Situationen müssen wir noch froh sein, daß es wenigstens eine Reaktion und eine Stellungnahme der Behörden in der Weise gibt, daß man über die gesetzlichen Grundlagen in diesem Bereich nachdenken will. Die Kommission ist auf diesem Gebiet guten Willens, sie plant die Umsetzung der Richtlinie von 1995 voranzutreiben. Der Rat beabsichtigt, diese Angelegenheit im Rahmen des Rates für Verkehr vorrangig zu behandeln, wir wollen hier so schnell wie möglich vorankommen. Wir erwarten auch, daß sie in diesem Europäischen Parlament mit dem gleichen Tempo behandelt wird, wenn sie ihm im Rahmen des Mitentscheidungsverfahrens vorgelegt wird. Herr Präsident, in der finnischen Stadt Kotka liegt zur Zeit ein mit Chemikalien beladenes Schiff, das unter einer Billigflagge fährt. Das Schiff ankert außerhalb des Hafens, da sein Zustand ein Sicherheitsrisiko für den Hafen und die umliegende Gegend darstellt und da die Untersuchung seines Zustandes mangels eines Geldgebers nicht zu Ende geführt werden kann. Verfügt die EU über irgendwelche Möglichkeiten, ein einheitliches Kontrollsystem zu schaffen, bei dem die Bezahlung der Kontrollen für Schiffe, die unter Billigflagge fahren und die die Zahlung selbst nicht tätigen können, aus Mitteln der Gemeinschaft gewährleistet werden kann? Frau Abgeordnete, wie Sie sicher verstehen, verfüge ich in diesem Moment nicht über die notwendigen Informationen, um Ihnen eine konkrete Antwort zu geben. Die mir vorliegenden Informationen haben mit der Richtlinie von 1995 zu tun, die keine Maßnahmen in diesem Sinne vorsieht. Jedenfalls wird es der Rat nicht versäumen, Ihnen eine konkrete Antwort über die Handlungsmöglichkeiten bei dem von Ihnen angeführten Fall zu geben. Anfrage Nr. 2 von (H-0024/00): Betrifft: Säuglingssterblichkeit im Kosovo Gemäß den jüngsten den Vereinten Nationen von der Weltgesundheitsorganisation übermittelten Zahlen ist im Kosovo die höchste Säuglingssterbeziffer Europas zu verzeichnen; fast 50 % der Frühgeburten sterben, während aufgrund des Krieges ein steiler Anstieg der Fehlgeburten zu verzeichnen ist und die Kinder, die trotz allem bis zum Ende ausgetragen werden, körperlich nicht so gut entwickelt sind. Kann der Rat - angesichts der humanitären Hilfe der Europäischen Union und der Bemühungen des Sonderbeauftragten Bernard Kouchner - angeben, welche Maßnahmen getroffen wurden, um im Kosovo das Recht der Frauen auf Mutterschaft sowie die Gesundheit der Schwangeren, der Wöchnerinnen und der Säuglinge zu schützen? Herr Präsident! Die von der Frau Abgeordneten Karamanou gestellte Frage ist eine äußerst ernste Frage, und man darf diese Tatsache nicht verheimlichen. Wir sind uns der schwierigen und dramatischen humanitären Lage im Kosovo und des Problems der in diese Region umgesiedelten, aus dem Kosovo stammenden Personen vollkommen bewußt, die sich insbesondere auf die Gesundheit der Kinder und auf die Sterblichkeitsziffern auswirkt. Es ist wohl offensichtlich, daß sich die Europäische Union eindeutig an den Aktionen der humanitären Hilfe der Staatengemeinschaft beteiligt hat. Bekanntlich trägt die Europäische Gemeinschaft mit insgesamt 378 Millionen Euro allein für die Provinz Kosovo bei, und dazu kommen noch die nationalen Beiträge der einzelnen Mitgliedstaaten. Dieser Beitrag umfaßt verschiedene Projekte in den Gesundheitsbereichen und im Gesundheitswesen sowie in der Wassersanierung. Außerdem leistet die Europäische Union bekanntlich einen finanziellen Beitrag zu den Kosten des Hochkommissariats der Vereinten Nationen für Flüchtlinge, der sich 1999 auf 66,3 Millionen Euro belief. Ich nehme an, die Frau Abgeordnete weiß, daß die Weltgesundheitsorganisation aufgrund der notwendigen Arbeitsteilung zwischen den internationalen Gebern mit der Wiederherstellung des Gesundheitssektors im Kosovo beauftragt wurde. Wie aus den Berichten dieser Organisation hervorgeht, ist sie sich der schlimmen Situation hinsichtlich der Gesundheit der Kinder vollkommen bewußt. Sie hat ihre Bemühungen auf die Verbesserung der elementaren Bedingungen in den Entbindungsheimen und Krankenhäusern konzentriert. Wir sind uns jedoch bewußt, daß diese Situation bei weitem noch nicht zufriedenstellend gelöst ist und daß sie eine Dynamik und ein Ausmaß besitzt, die nicht nur für die Gesundheit der Kinder, sondern auch für andere Gesundheitsbereiche mit Folgen verbunden ist. Diese Situation ist politischer Art, es ist keine rein technische Situation, sie hat mit der Klärung der politischen Lage zu tun, weil hier Faktoren wirken, die man ebenfalls nicht verschweigen darf und die sich in der bis heute festzustellenden Unfähigkeit der Staatengemeinschaft widerspiegeln, im Kosovo eine funktionierende multiethnische Gesellschaft durchzusetzen, was für die bisherigen Möglichkeiten einer Verbesserung des Gesundheitswesens in dieser Region verheerende Auswirkungen hatte. Herr Ratspräsident, ich danke Ihnen für Ihre Antwort, die die gestrigen Aussagen von Kommissar Patten zu diesem Thema ergänzt. Jedoch hat sich der Betrag von 378 Millionen Euro, der - wie Sie sagten - im Jahre 1999 gewährt wurde, de facto als völlig unzureichend für die Schaffung elementarer menschenwürdiger Bedingungen im Kosovo erwiesen, insbesondere was die Gesundheitsversorgung betrifft. Meinen Sie nicht, daß allein die hohe Kindersterblichkeit ein Kainsmal, eine Schande für den europäischen Kontinent darstellt, die uns alle mobilisieren sollte, effizientere und großzügigere Hilfe zu leisten? Sicher war die Lage auch vor den Bombardements nicht allzu rosig, ganz im Gegenteil, aber nach der NATO-Intervention trat ganz eindeutig eine Verschlechterung im natürlichen Umfeld und im humanitären Bereich ein. Wäre es nicht ein moralisches Gebot, zu versuchen, menschenwürdige Bedingungen für die leidgeprüften Bewohner des Kosovo zu schaffen und vor allem unsere Zusagen ihnen gegenüber einzuhalten? Frau Abgeordnete, ich erkenne an, daß alle bisher im Kosovo auf diesem Gebiet unternommenen Anstrengungen nicht ausreichen. Und ich meine, keiner von uns hat hierüber den geringsten Zweifel. Ich möchte diese Frage nicht mit Ihren Anmerkungen zu der Zeit "vor " oder "nach " der NATO-Intervention verbinden, wir werden in dieser Fragestunde zu einem späteren Zeitpunkt wahrscheinlich noch über dieses Thema sprechen. Aber ich möchte Ihnen sagen, die Europäische Union ist sich dessen bewußt, daß die finanziellen Mittel, die sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten für den Kosovo bereitgestellt hat, das Machbare waren. Wir müssen verstehen, daß wir unsere Verantwortung in dieser Region mit der gesamten Staatengemeinschaft teilen. In diesem Verantwortungsbereich spielt die Europäische Union eine bestimmte Rolle, doch wir können nicht den Anspruch erheben, Strukturen schnell wiederherzustellen, die, wie es die Frau Abgeordnete zutreffend sagte, auch in der Zeit vor der militärischen Aktion im Kosovo nicht die besten waren. Außerdem scheint es mir nicht so, Frau Abgeordnete, daß die militärischen Aktionen im Kosovo zu einer so massiven Zerstörung der Strukturen des Gesundheitswesens beigetragen haben, daß sie sich auf die Lage, wie wir sie jetzt erleben, direkt ausgewirkt hätten. Was wir derzeit erleben, hat im wesentlichen mit der dramatischen Situation der umgesiedelten Bevölkerungen zu tun, mit einer Reihe wirtschaftlicher Faktoren und mit dem Niveau der Befriedigung der elementaren Bedürfnisse im Gesundheitswesen infolge der allgemeinen Deregulierung der Organisationsstruktur der Verwaltung im Kosovo. Diese zentrale Frage liegt der ganzen gegenwärtigen Situation zugrunde. Wenn wir das politische Problem nicht lösen, was im Rahmen der betreffenden Resolution der Vereinten Nationen geschehen muß, dann gibt es keine Lösung für das Problem der Kindergesundheit und auch nicht für andere Entwicklungsbereiche dieser Region. Ich möchte die Debatte doch auf die Lage in Mitrovica erweitern. Dort hat die internationale Gemeinschaft mit der Mithilfe Europas das Krankenhaus wieder aufgebaut. Es liegt jedoch im nördlichen Teil der Stadt, so daß sich der Zugang zu dem Krankenhaus für die Kosovo-Albaner äußerst schwierig gestaltet. Demnach sind die Kosovo-Albaner von jeder medizinischen Hilfe ausgeschlossen. Da das auch in anderen Orten im Land so ist, entstehen Spannungen zwischen Kosovo-Albanern und Serben gibt, vertraut niemand niemandem mehr und wollen Albaner nicht von Serben versorgt werden und umgekehrt. Ich verstehe, wenn Sie sagen, und zwar zu Recht, die Europäische Union müsse in einem größeren internationalen Verband arbeiten. Aber wo werden Sie den Schwerpunkt legen? Was werden Sie tun, um zu erreichen, daß auch die Kosovo-Albaner in einem Krankenhaus, unter anderem in dem von Mitrovica, behandelt werden können? Herr Abgeordneter, das Mitrovica-Problem ist wohlbekannt. Es handelt sich um eine sehr spezifische Situation mit hochgradigen Spannungen zwischen den Volksgruppen, die in anderen Gebieten des Kosovo glücklicherweise nicht die gleiche Gefährlichkeit erreichen. Ich verstehe die Sorge des Herrn Abgeordneten vollkommen. Ich möchte ihm jedoch sagen, daß Bernard Kouchner bei seinem Vorgehen in dieser Angelegenheit einer Linie gefolgt ist, nämlich das zu bewahren, was der betreffenden Resolution der Vereinten Nationen zugrunde liegt, d. h. zu versuchen, Voraussetzungen für multiethnische Strukturen zu schaffen, die einschließlich der verschiedenen Verwaltungsebenen den einzelnen Gemeinschaften dienen können. Ich finde, daß wir bei dieser Frage keine voreiligen Urteile über die Verantwortungen fällen sollten, weil mehrere Hauptakteure auftreten. Die Lage in Mitrovica ist beklagenswert, sie wird von spezifischen Spannungen geprägt, und ich glaube, in den letzten Stunden wurden positive Maßnahmen für die Sicherheit in diesem Gebiet getroffen. Ich möchte Ihnen allerdings sagen, daß wir zu unserem Bedauern keine Kapazitäten für Polizeikräfte haben - das hat mit den Beiträgen der Mitgliedstaaten zu tun -, um das gewährleisten zu können, was wir uns bei den Maßnahmen nach der militärischen Aktion vorgenommen hatten, das heißt den Aufbau von Mechanismen der Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Volksgruppen, die ausreichend sicher sind und insbesondere den Zugang zu den Krankenhauseinrichtungen betreffen. Anfrage Nr. 3 von (H-0027/00): Betrifft: Anklage der NATO vor dem Internationalen Kriegsverbrechertribunal Menschenrechtsorganisationen, wie "Human Rights Watch " (Beobachtungsstelle für Menschenrechte) in den USA haben im Zusammenhang mit den Luftangriffen im Kosovo und in Serbien bereits erhebliches Belastungsmaterial gegen die NATO gesammelt, um Klage beim Internationalen Kriegsverbrechertribunal in Den Haag einzureichen. Auf der Grundlage dieser Angaben, von denen einige bereits dem oben genannten Gericht vorgelegt wurden, wird die NATO schwerwiegender Verstöße gegen das internationale humanitäre Recht und vorsätzlicher Tötungen beschuldigt. Ist der Rat der Ansicht, daß derartige Vorwürfe dem Urteil des Internationalen Kriegsverbrechertribunals überlassen werden müssen, um einer ausführlichen richterlichen Untersuchung unterworfen zu werden? Wie gedenkt der Rat im Fall einer gerichtlichen Untersuchung der Vorwürfe gegen die NATO mit dem Generalsekretär/Hohen Vertreter der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik zu verfahren, der während des entscheidenden Zeitraums das Amt des Generalsekretärs der NATO bekleidete? Gibt es ein Verfahren, um ihn von seinen Aufgaben zu entbinden, bis die Vorwürfe gerichtlich geprüft worden sind? Herr Präsident! Die Frage des Herrn Abgeordneter Alexandros Alavanos regt zu allgemeinen Überlegungen an. Der Rat hat bereits mehrmals seine Überzeugung bekundet, daß die Anwendung strenger Maßnahmen, die von der NATO ergriffen wurden, notwendig und gerechtfertigt war, um extremistischen und verantwortungslosen Aktionen entgegenzutreten, die eine klare Verletzung der Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen darstellten. Ich verstehe, daß man zum Vorgehen der NATO und zu dessen Rechtmäßigkeit unterschiedlicher Meinung sein kann. Jedermann ist frei, derartige Standpunkte zu vertreten. In meiner Heimat vertraten die einzelnen Parlamentsfraktionen unterschiedliche Meinungen. Die Dinge waren nun einmal so und nicht anders. Jedenfalls gibt es den klaren Standpunkt des Rates dahingehend, daß die von der Organisation des Nordatlantikpakts in der Bundesrepublik Jugoslawien durchgeführten Luftangriffe mit dem Ziel erfolgten, die vom Belgrader Regime im Kosovo heraufbeschworene menschliche Katastrophe zu beenden. Dieses Ziel wurde formell und umfassend durch den Standpunkt des Rates "Allgemeine Angelegenheiten " am 8. April in Luxemburg zum Ausdruck gebracht. Diese Maßnahmen der NATO, das muß gesagt werden, wurden nicht leichtfertig ergriffen, sondern als letztes Mittel, als klar wurde, daß die Möglichkeiten einer Verhandlungslösung ausgeschöpft waren und daß die Belgrader Behörden ihre Streitkräfte konzentrierten, um die Kosovo-Albaner aus ihrer Heimat zu vertreiben. Der Herr Abgeordnete hat sicher erfahren, daß die Anklägerin Del Ponte bei ihrem kürzlichen Besuch im Hauptquartier der NATO betont hat, das Internationale Tribunal sei verpflichtet, allen erhobenen Anklagen nachzugehen, einschließlich derjenigen, die gegen die NATO, insbesondere von kanadischen Pazifistengruppen, vorgebracht wurden. Diese obligatorische Prüfung erfolge in dem Maße, wie man diese Anklagen erhebe. Jedenfalls habe ich eine Erklärung der Frau Anklagevertreterin bei mir, in der sie sagt, daß gegenwärtig vom Büro des Anklägers des Internationalen Kriegsverbrechertribunals für das ehemalige Jugoslawien keine Ermittlungen gegen die NATO durchgeführt werden und daß es kein formelles Untersuchungsverfahren über das Vorgehen der NATO im Kosovo-Konflikt gebe. Alle Informationen, die man in den letzten sechs Monaten sowohl von Einzelpersonen als auch von Gruppen erhalten habe, um eine Untersuchung der NATO-Aktionen während des Kosovo-Konflikts zu beantragen, wurden vom Ankläger registriert. Der Ankläger wird selbstverständlich alle sonstigen Informationen prüfen und zu gegebener Zeit mitteilen, ob Anlaß zum Handeln besteht. Die Anklägerin hat bisher entschieden, auf strafrechtlichem Gebiet keine dieser Anfragen gegen die NATO aufzunehmen. Ich danke dem amtierenden Ratspräsidenten, kann ihm jedoch nicht zustimmen, daß mit der Intervention der NATO eine humanitäre Katastrophe gestoppt werden sollte, denn auch gegenwärtig haben wir eine humanitäre Katastrophe im Kosovo. Auf die Hölle von Milosevic ist die Hölle der UCK und der NATO-Truppen gefolgt. Auch der amtierende Ratspräsident kann feststellen, daß die Hälfte der Anfragen, auf die er heute zu antworten hat, das Kosovo betreffen. Dennoch hat er selbst zugegeben, daß die Frage des Ermittlungsverfahrens gegen die NATO beim Internationalen Kriegsverbrechertribunal, das kanadische und andere Friedensorganisationen angerufen haben, noch offen ist. Meine Frage, auf die der amtierende Ratspräsident noch nicht geantwortet hat, lautet: Wenn eine solche richterliche Untersuchung eingeleitet wird, bei der im wesentlichen, vielleicht neben anderen wahrscheinlich Schuldigen, Herr Solana, der gegenwärtige Hohe Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union, vernommen wird, wenn also die Generalanwältin des Gerichtshofes der Meinung ist, ein solches Verfahren sollte eingeleitet werden, müßte Herr Solana dann nicht zumindest solange von seinem Amt entbunden werden, bis seine Unschuld erwiesen ist? Herr Abgeordneter! Falls man eine derartige Klage gegen die NATO erhebt und falls man diese Klage personalisiert und gegen Javier Solana richtet, müssen wir uns vergegenwärtigen, daß Javier Solana zum damaligen Zeitpunkt ein Amt ausübte und heute ein Amt ausübt. Die Funktionen, die er heute wahrnimmt, stehen in keinerlei Verbindung zu den Funktionen während seiner Zeit als NATO-Generalsekretär. Solange es nicht von seiten einer internationalen Justizbehörde irgendeine Beschuldigung gibt, die einen individuellen Straftatbestand bei Javier Solana rechtfertigen kann, was bei weitem nicht der Fall ist, wird die Europäische Union in dieser Sache selbstverständlich keine Stellungnahme abgeben. Herr Präsident, ich glaube, Herr Alavanos verwechselt die NATO und Herrn Milosevic. Herr Milosevic gehört vor das Kriegsverbrechertribunal, und der NATO sollten wir den Sacharow-Preis verleihen! Aber ich habe eine ganz andere Frage an den Rat. Wie sieht es mit dem Aufbau von Verwaltung und Justiz und vor allem der Polizei im Kosovo aus? Das haben Sie vorhin angedeutet, da stehen wir vor einer Katastrophe, und es wird nichts getan. Da muß ein rasches Vorgehen geplant werden! Zunächst möchte ich sagen, daß ich den Prioritäten bei der Feststellung der persönlichen Verantwortungen zustimme, auf die der Herr Abgeordnete hingewiesen hat. Was den Aufbau der Justiz im Kosovo betrifft, so hatten wir mehrfach Gelegenheit, von Bernard Kouchner selbst zu hören, welche großen Schwierigkeiten er beim Aufbau eines Verwaltungsapparats und einer Justizstruktur hat. Wie man weiß, wurden die ersten Schritte bereits vor mehreren Monaten unternommen. Bekannt sind die Schwierigkeiten, vor allem finanzieller Art, mit denen sich Bernard Kouchner auseinandersetzen mußte, als er diesen Verwaltungsapparat aufbaute. Vor allem kennt man die besondere Schwierigkeit bei der Bereitstellung von Polizeikräften für die alltägliche öffentliche Sicherheit. Diese Verantwortung, Herr Abgeordneter, muß auf jeden Fall im Rahmen der Europäischen Union berücksichtigt werden, und ich möchte Ihnen sagen, daß diese Frage beim Rat "Allgemeine Angelegenheiten ", der am Montag getagt hat, wiederholt zur Sprache kam, als es um die Behandlung des Kosovo-Problems ging. Es wurden Erklärungen abgegeben und mehrere Mitgliedstaaten nachdrücklich aufgefordert, ihren Verpflichtungen zur Bereitstellung von Polizeikräften, die sie übernommen hatten, nachzukommen. Einige Mitgliedstaaten berufen sich darauf, daß sie militärische Kräfte vor Ort haben und die Polizeikräfte nicht so schnell vervollständigen können, wie es wünschenswert wäre und wozu sie sich verpflichtet hatten. Man ist sich jedoch vollkommen bewußt, daß dieser Umstand die Arbeit von Bernard Kouchner und die Regulierung und Normalisierung der Verwaltungsstruktur im Kosovo erheblich in Gefahr bringt, ganz besonders in bezug auf den Justizbereich und den Polizeischutz. Das hat eindeutig und selbstverständlich verhängnisvolle Auswirkungen auf die Möglichkeiten, das gemeinsame Wirken der Volksgruppen zu regeln. Wir alle sind uns bewußt, daß wir, wenn nicht kurzfristig Maßnahmen ergriffen werden, Spannungen wie jenen entgegengehen können, die wir vor wenigen Stunden erlebt haben, und daß sich derartige Spannungen in anderen Gebieten des Kosovo möglicherweise wiederholen. Diese Frage stellt sich natürlich hauptsächlich im Rahmen der NATO, doch die Europäische Union kann ihr ohne weiteres folgen, weil sie den NATO-Standpunkt in diesen Fragen teilt. Ich möchte folgendes klarstellen: Das ist die Position des Rates, damit es in dieser Sache keine Mißverständnisse gibt. Der Herr Abgeordnete ist sich bewußt, daß es als erstes Schwierigkeiten mit der Auswahl von Zielen bei einer militärischen Aktion gibt, insbesondere, wenn sie mit Luftstreitkräften durchgeführt wird, und er ist sich auch bewußt, daß es eine Reihe von Zielen gibt, die keine militärischen Ziele, sondern Ziele im Infrastrukturbereich sind, bei denen man das Funktionieren des Militärapparats verhindern will. Hier betreten wir ein Terrain, eine Grauzone, bei der mir der Herr Abgeordnete sagen wird, daß es sich um zivile Ziele handele, wie etwa Brücken, Straßen- oder Eisenbahninfrastrukturen, während andere sagen werden, das seien militärische Ziele, weil diese Ziele als Unterstützung für die militärischen Strukturen bei Angriffshandlungen dienen, wie etwa jenen, die die Streitkräfte von Herrn Milosevic damals auf dem Gebiet des Kosovo durchführten. Diese unterschiedliche Auffassung vom Wesen einiger Ziele trennt uns. Leider gab es auch, wie dies während der Militäraktionen im Kosovo allgemein anerkannt wurde, zivile Sektoren, insbesondere mit Infrastrukturbereichen verbundene Sektoren, die direkt mit der Bevölkerung zu tun hatten, und sogar Wohngebiete, die von Aktionen der NATO-Luftstreitkräfte getroffen wurden. Das ist bekannt, das geschieht in jedem Krieg, und der Kosovo-Krieg ist kein sauberer Krieg, kein vorbildlicher Krieg, sondern ein möglicher Krieg. Nur daß er auch ein notwendiger Krieg war; er war nicht nur ein möglicher, sondern auch ein notwendiger, von der ganzen Staatengemeinschaft geführter Krieg, um einer ganz und gar unannehmbaren und vollkommen verwerflichen Aggression ein Ende zu bereiten. Herr Abgeordneter, unabhängig von den Urteilen, die wir im nachhinein fällen können - es ist leicht, im nachhinein ein Urteil zu fällen, wenn keine Taten ausgeführt werden -, denke ich, wenn man sich die Vorgänge in Bosnien-Herzegowina vor Augen führt und auch die Straffreiheit der Täter in Bosnien-Herzegowina und die Verlängerung dieser Straffreiheit als Auslöser für die Lage in Bosnien-Herzegowina, dann kommen wir vielleicht zu einem etwas weniger vernichtenden Urteil über die NATO-Militäraktion im Kosovo. Anfrage Nr. 4 von (H-0028/00): Betrifft: Türkische Blockade gegen Armenien Durch das am 12. Oktober 1999 unterzeichnete Partnerschafts- und Kooperationsabkommen fördert die Europäische Union aktiv die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zu Armenien. Was unternimmt der Rat in Anbetracht dieser Tatsache, um die türkische Regierung zur Aufhebung der Wirtschaftsblockade gegen Armenien zu veranlassen? Ist es nicht an der Zeit, daß die türkische Regierung die Wirtschaftsblockade gegen Armenien aufhebt? Herr Präsident! Die von der Frau Abgeordneten gestellte Frage steht im Zusammenhang mit einem regionalen Konflikt und - für eine unmittelbare Interpretation - der grundlegenden Frage, ob es in bezug auf Armenien und die Türkei eine ausschließlich bilaterale Beziehung gibt. Es liegt auf der Hand, daß dieser gesamten Angelegenheit die Grundproblematik Nagorny-Karabach und auch der Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan zugrunde liegt, der natürlich Auswirkungen hat, weil Aserbaidschan privilegierte Beziehungen zur Türkei unterhält. Ich möchte jedoch über die Frage der Beziehungen der Europäischen Union zu Armenien sagen, denn sie kann für uns von Belang sein, daß das Inkrafttreten des Partnerschafts- und Kooperationsabkommens im Juli 1999 und die erste Tagung, die wir im Oktober des vergangenen Jahres durchgeführt haben, Ausdruck der Bedeutung sind, die die Europäische Union den Beziehungen zu Armenien beimißt. Eines dieser Ziele besteht in der Ausweitung der Handelsbeziehungen, vor allem auf dem Gebiet Handel und Investitionen, und in der Möglichkeit, daß wir mit Armenien angesichts seiner wichtigen Rolle im subregionalen Maßstab einen bilateralen politischen Dialog führen. Wie schon gesagt, ist das Nagorny-Karabach-Problem nach wie vor eine wesentliche Frage, die es zu lösen gilt und unter der die Stabilität im Südkaukasus leidet. Nach unserer Auffassung müssen vorrangig alle Maßnahmen intensiviert werden, die einer Lösung für diesen Konflikt dienlich sind. Die Europäische Union hat Schritte eingeleitet, um diesen Prozeß voranzubringen. Natürlich sind wir uns auch dessen bewußt, daß die Türkei in dieser Angelegenheit eine konstruktive Haltung einnehmen und eine wichtige Rolle spielen muß. Im Dezember 1999 wurde die Türkei bekanntlich als Beitrittskandidat für die Europäische Union zugelassen. Um dieser neuen Sachlage Rechnung zu tragen, wird der politische Dialog mit der Türkei intensiviert. Als Vertreter der Präsidentschaft der Europäischen Union war ich unmittelbar nach dieser Entscheidung in Ankara. Wir haben die türkischen Behörden wissen lassen, daß es jetzt in erster Linie darauf ankommt, unseren politischen Dialog zu verstärken und vor allem die bedeutende Position zu nutzen, die die Türkei selbst im regionalen Rahmen besitzt, vor allem in bezug auf Zentralasien und den Kaukasus. In diesem Bezugsrahmen, der nach unseren Vorstellungen in politischen Angelegenheiten mit der Türkei zunehmend Vorzugscharakter tragen soll, namentlich eben hinsichtlich der Region, zu der sie gehört, und ihrer wichtigen geostrategischen Lage, werden wir uns um eine Annäherung der Positionen in internationalen Fragen bemühen. Wir erwarten eine konstruktive und positive Haltung von der Türkei. Vor allem erwarten wir, daß die Türkei im Rahmen des politischen Dialogs im Vorfeld dieses möglicherweise zur Aufnahme von Verhandlungen führenden Prozesses sich den Erklärungen der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik anschließt. In diesem Fall meine ich, daß die Türkei nicht umhin kann, unsere Sichtweise zu akzeptieren, nämlich daß es notwendig ist, das Nagorny-Karabach-Problem einer vertretbarem Lösung zuzuführen, die den legitimen Gesichtspunkten sowohl der armenischen ebenso wie der aserbaidschanischen Position gerecht wird. Herr Präsident! Ich möchte dem Vertreter der Ratspräsidentschaft für seine Antwort danken. Allerdings bin ich ein wenig traurig, daß man das zunächst zwar bilateral sieht, aber letztendlich doch ein großes Dreiecksverhältnis besteht. Wir geben Partnerschaftsmittel und haben Kooperationsabkommen, um Armenien zu helfen, und trotzdem kann die Hilfe ja gar nicht wirksam werden, weil die Türkei eine Wirtschaftsblockade durchführt, so daß viele Dinge für die Armenier überhaupt nicht vorangehen können. Mit der Türkei wird wegen des möglichen Beitritts verhandelt, und es ist doch in unser aller Interesse, daß jeder Staat, der Mitglied werden will, auch an seiner Grenze mit seinen Nachbarn freundschaftliche Beziehungen unterhält. Können Sie nicht auf die Türkei stärker Einfluß nehmen, um hier eine friedliche Entwicklung zu ermöglichen, um den Armeniern eben auch eine Entwicklung zu ermöglichen, die für das Fortkommen der Zusammenarbeit notwendig ist? Frau Abgeordnete, Sie haben ganz recht, wenn Sie sagen, daß wir die Beziehungen zur Türkei eben dafür nutzen müssen, daß das genannte Land in dieser Situation eine konstruktive Rolle spielen kann und vor allem Teil der Lösung und nicht mehr Teil des Problems ist. Gerade weil ja die Türkei in ihren Beziehungen zur Europäischen Union einen neuen Weg eingeschlagen hat und weil sich die Türkei nun auch mit der Notwendigkeit konfrontiert sieht, eine Antwort auf die Positionen der Europäischen Union im Bereich der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik geben zu müssen, werden wir - das braucht man nicht zu verheimlichen - die Absichten der Türkei in bezug auf die Prioritäten der Europäischen Union in ihren Außenbeziehungen prüfen. Selbstverständlich gehören auch die Beziehungen zu Armenien, belegt durch das im vergangenen Jahr geschlossene Abkommen einen, zu diesen Außenbeziehungen. Wir denken, daß die Türkei, wenn sie die Grundwerte der Europäischen Union und den allgemeinen Rahmen der Beziehungen der Europäischen Union teilen will - und unabhängig der speziellen bilateralen Verhältnisse, die sie mit anderen Land haben kann -, sich generell entsprechend den Grundnormen verhalten, die die Europäische Union in ihren Außenbeziehungen zugrunde legt. Wir gehen im übrigen davon aus, daß diese Frage in naher Zukunft einen der Schwerpunkte in den bilateralen Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der Türkei bilden wird. Da sie ähnliche Themen betreffen, werden die Anfragen Nr. 5 und 6 gemeinsam beantwortet. Anfrage Nr. 5 von (H-0031/00): Betrifft: Verschärfung der Lage im Kosovo Der Völkermord an den Serben und an anderen ethnischen Gruppen im Kosovo außer der albanischen geht weiter und nimmt noch größere Ausmaße an. Selbst Herr Kouchner erklärte vor kurzem, daß die politische Lage und die Sicherheitslage im Kosovo alles andere als gut sei. Außerdem wird darauf hingewiesen, daß die UN-Resolution 1244 nicht angewendet wird und daß insbesondere gegen ihre Bestimmungen verstoßen wird, die Garantien für alle Einwohner des Kosovo enthalten. Vielmehr werden die extremen, separatistischen Kräfte ermuntert, was darin gipfelt, daß der ehemalige UCK-Führer, H. Thaqi, zum "vorläufigen Ministerpräsidenten " des Kosovo ernannt und die UCK zur "Schutztruppe für das Kosovo " erklärt wurde. Was gedenkt der Rat angesichts dieser Lage zu tun, damit die UN-Beschlüsse und insbesondere die Resolution 1244 zur Anwendung kommen und eine Abtrennung der Provinz Kosovo von Serbien verhindert wird? Anfrage Nr. 6 von (H-0122/00): Betrifft: Ethnische Säuberungen an Serben im Kosovo Seit dem Ende der Bombardierung Jugoslawiens durch die NATO und die EU mit dem Argument, die ethnischen Säuberungen an Kosovoalbanern durch Serben zu verhindern, und seit der Stationierung der KFOR am 12. Juni 1999 wurden 200 000 im Kosovo lebende Serben vertrieben und 768 umgebracht. Diese ethnische Säuberung ist also weitaus "gründlicher " als die, die von den Serben durchgeführt wurde. In den letzten Tagen wurden Serben von Mitgliedern kosovoalbanischer Mafiagruppen wieder einmal ungestraft umgebracht. Welchen Entschluß wird der Rat fassen, um diesen ethnischen Säuberungen ein für alle Mal ein Ende zu setzen und die Achtung der Menschenrechte für die gesamte Bevölkerung des Kosovo, unabhängig von Rasse und Glauben, zu gewährleisten? Herr Präsident! Wie ich schon bei einer vorhergehenden Frage sagte, ist die Situation im Kosovo besorgniserregend, womit sich auch der Rat "Allgemeine Angelegenheiten " am vergangenen Montag beschäftigt hat. Dieser Rat betonte seine Unterstützung für die Bemühungen der UNMIK und des Vertreters des Generalsekretärs, Herrn Bernard Kouchner, vor allem bei der Schaffung einer Übergangsverwaltungsstruktur im Kosovo in der Weise, daß - was keine leeren Worte sein sollen - die Einbindung aller Kräfte garantiert sein wird, namentlich derjenigen, die sich bisher einer Beteiligung an dieser Übergangsstruktur verweigert haben. Der Hohe Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Union, Javier Solana, trug diesem Ministerrat für Allgemeine Angelegenheiten eine Bewertung der Lage vor, und man erwartet von ihm Vorschläge zu diesem Thema, insbesondere interne Anpassungsmaßnahmen, die nicht nur eine gewisse Flexibilisierung der Beziehungen zwischen den Volksgruppen erlauben, sondern auch - wie ich bereits bei einer anderen Frage erwähnte - die Einrichtung neuer Polizeistrukturen und den Aufbau von Systemen, die es ermöglichen, eine bedauerliche Fehlentwicklung der Situation im Kosovo bei Einflußnahmen, Drogenhandel und Kriminalität zu verhindern. Bisher ist es den dortigen Kräften nicht gelungen, diesen Zustand zu überwinden. Aus diesem Grund, Herr Abgeordneter, liegt es auf der Hand, daß der Ministerrat bezüglich der aktuellen Lage im Kosovo nach wie vor zutiefst beunruhigt ist. Besondere Sorge bereitet ihm der Exodus der serbischen Bevölkerung und anderer ethnischer und religiöser Minderheiten (gelegentlich kommen diese Minderheiten zu kurz, wenn man von den Diskriminierungen im Kosovo spricht) aus dem Kosovo, und er äußert seine Betroffenheit und Beunruhigung angesichts des Ausmaßes der Gewalt, die weiterhin zwischen den Volksgruppen festzustellen ist. Wie ich schon bei einer anderen Frage Gelegenheit hatte zu sagen, ist der erneute Ausbruch von Feindseligkeiten in Mitrovica lediglich ein weiteres Beispiel für die Schwierigkeit, das über Jahrzehnte hinweg angestaute Mißtrauen zu überwinden. Offenbar befinden wir uns nur in einer Phase eines Prozesses, der in der Vergangenheit mehrere Phasen durchlaufen hat, und ich meine, daß wir diese Phase stets ausgehend von der bisherigen Entwicklung beurteilen müssen. Der Ministerrat der Europäischen Union hat mehrfach sein Interesse an der Schaffung eines demokratischen und multiethnischen Kosovo gemäß den Festlegungen der Resolution 1244 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zum Ausdruck gebracht, vor allem auch an der wünschenswerten, ungehinderten und sicheren Rückkehr aller Flüchtlinge. Für uns, Herr Abgeordneter, und das möchte ich ganz klar sagen, bleibt diese Resolution 12/44 unabhängig von allen Zweifeln, die sich möglicherweise im Zusammenhang mit ihr ergeben, auch künftig das zentrale Element unserer Einstellung in bezug auf diese Region. Was die Geschehnisse betrifft, die einen Verstoß gegen die Resolution darstellen, so möchte ich sagen, daß der Rat alle Akte der Gewalt, Verfolgung und Intoleranz verurteilt, wer auch immer die Täter sind. Als Reaktion auf die aktuelle Lage hat sich der Rat mit Nachdruck für die Einrichtung der Mission der Vereinten Nationen im Kosovo, der UNMIK, eingesetzt. Er hat sich an ihrem Haushalt beteiligt und die Verantwortung für den sogenannten "vierten Pfeiler der UNMIK ", den Wiederaufbau und die wirtschaftliche Gesundung, übernommen. Bei der Bewertung der bisher von der UNMIK erreichten Fortschritte muß man sich die außerordentlich schwierige Lage vor Augen führen, in der diese Instanz arbeitet, also die hohe Zahl der Flüchtlinge und Vertriebenen, denen man die Rückkehr ermöglichen mußte, die Zerstörung des größten Teils der Infrastrukturen, die in allen Teilen der Bevölkerung des Kosovo noch immer weit verbreitete Radikalisierung, der Zusammenbruch der Wirtschaft, das völlige Fehlen von Einnahmen durch den Staat und dazu noch der Zerfall der Verwaltungsstrukturen auf Gemeinde­ und Provinzebene sowie des Justiz- und Polizeiapparats als Folge des Krieges und einer zehn Jahre währenden Vernachlässigung nach der Aufhebung der Autonomie des Kosovo durch Belgrad. Das ist ein wichtiger Faktor, allen muß nach wie vor deutlich bewußt sein, daß es die Änderung des Status des Kosovo in der Republik Jugoslawien war, der zu einer Verschärfung der ethnischen Spannungen und damit letztlich zur gegenwärtigen Situation führte. Man darf diese Sache nicht vergessen, damit auch die früheren Taten der historisch Verantwortlichen nicht in Vergessenheit geraten. Unter diesen Umständen - denke ich - hat die UNMIK gemeinsam mit den anderen beteiligten internationalen Organismen und Organisationen bei bestimmten in der Resolution 12/44 genannten Zielen einiges erreicht. Gleichwohl sind wir von einer halbwegs zufriedenstellenden Lage noch weit entfernt. Der Rat unterstützt zudem die Entscheidung des Sonderbeauftragten Bernard Kouchner, einen - wie er ihn nannte - Gemischten Rat der Übergangsverwaltung einzusetzen, der alle Bevölkerungsgruppen des Kosovo einbeziehen soll. Die Europäische Union hat an die Serben des Kosovo appelliert, ihren Boykott dieser Körperschaft zu überdenken, damit auf diesem Wege zur Herausbildung eines multiethnischen Gebiets beizutragen und sich einen Platz in den entstehenden Verwaltungsstrukturen zu sichern. Mit dem Ziel, bei der Bekämpfung der multiethnischen Gewalt mitzuhelfen und ein Klima der Sicherheit zu schaffen, das notwendig ist, um zu verhindern, daß die Kosovaren der nichtalbanischen Volksgruppen die Provinz verlassen, unterstützt die Europäische Union andererseits auch die Anstrengungen der UNMIK, eine zivile kosovarische Polizei aufzubauen. Obwohl wir bereits einen bedeutenden Beitrag geleistet haben, müssen wir feststellen, daß es den Mitgliedstaaten der Europäischen Union bisher, wie ich sagte, nicht gelungen ist, Polizisten in diese Polizei zu entsenden. Dies hat sich als äußerst negativ für das Funktionieren einer öffentlichen Sicherheitsstruktur erwiesen. Wie ich bereits sagte, bemühen sich die Mitgliedstaaten entsprechend den Schlußfolgerungen des Rates "Allgemeine Angelegenheiten " vom 24. Januar derzeit, zusätzliches Polizeipersonal zu finden. Der jüngste Rat "Allgemeine Angelegenheiten " hat diese Position bekräftigt. Die Verstärkung der Polizeikräfte ist zugleich eine wichtige Aufgabe im Zusammenhang mit der wachsenden Bedrohung, die vom organisierten Verbrechen ausgeht. Die Kommission beabsichtigt, den Kampf gegen das organisierte Verbrechen in ihr Hilfsprogramm 2000 für den Kosovo aufzunehmen, und fordert die Mitgliedstaaten auf zu prüfen, welche zweckdienliche Hilfe sie in diesem Bereich leisten können. Unserer Meinung nach hängt die Lösung der Kosovo-Frage - und es hat keinen Sinn, hier besonders skeptisch zu sein - in nicht unerheblichem Maße auch mit dem Problem der Stabilisierung der Nachbarländer zusammenhängt. Wenn sie nicht gelingt, ist es zwecklos zu glauben, daß man es schafft, die Probleme des Kosovo zu bewältigen. Kann die politische Lage in Albanien nicht stabilisiert werden - und zur Zeit liegen Vorschläge auf dem Tisch, die Kommission solle prüfen, ob sich Albanien gegebenenfalls in Richtung auf ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen entwickelt -, wird keine Stabilisierung der Lage in der Ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien erreicht und können in den übrigen Gebieten Ex-Jugoslawiens keine integrierten Modelle umgesetzt werden, dann wird es nicht möglich sein, zu eigenständigen Lösungen für den Kosovo zu gelangen. Die allgemeinen Rahmenbedingungen in der Region und für die Durchsetzung des Stabilitätspaktes werden über die Lösung der Situation im Kosovo entscheiden. Herr Präsident, verzeihen Sie, aber wenn man den Vertreter des Rates so reden hört, fragt man sich doch wirklich, wie weit die Heuchelei, das Gewährenlassen und die Mitschuld noch getrieben werden. Im Hause des Gehängten redet man nun wirklich nicht vom Strick, wie ein Sprichwort bei uns sagt. Jugoslawien war ein friedliches Land, ein Garant für Stabilität und Frieden. Nach den Interventionen der NATO und zunächst Deutschlands kam es zu den bekannten Ereignissen. Verantwortlich ist also nicht die Regierung in Belgrad, sondern die NATO, verantwortlich sind die Imperialisten mit ihren Interventionen. Wie sieht es heute aus? Die Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrats wurde in jeder Hinsicht mißachtet, was beweist, daß dies eine Falle war. 350 000 Serben, Zigeuner und Angehörige anderer Nationalitäten außer den Kosovoalbanern sind vertrieben, 900 ermordet, 800 entführt worden. Acht Monate danach wird die Resolution des Sicherheitsrats immer wieder brutal mit Füßen getreten. So wurde die UCK zum Beispiel nicht nur nicht innerhalb von drei Monaten entwaffnet, wie in der Resolution eigentlich vorgesehen, sondern entgegen den Behauptungen von Herrn Kouchner im Europäischen Parlament im Gegenteil mit moderner Ausrüstung ausgestattet und zum "Kosovo-Schutzkorps " ernannt. Weil der Minister Herrn Kouchner erwähnte, möchte ich abschließend darauf verweisen, daß letzterer mit seinen 25 Befehlen auch die Souveränität Jugoslawiens sowie die Resolution des Sicherheitsrates mißachtet. Er hat eine separate Währung eingeführt, ein eigenes Gerichtswesen ... (Der Präsident unterbricht den Redner.) Sehen wir den Tatsachen doch ins Auge, Herr Präsident. Ich glaube, der Herr Abgeordnete hat keine Frage vorgetragen, sondern Überzeugungen zum Ausdruck gebracht. Als erstes die Überzeugung, die ich hier vor diesem Parlament zur Kenntnis nehme, daß Belgrad nicht für die im Kosovo entstandene Lage verantwortlich sei. Ich möchte dies klarstellen, denn es handelt sich um eine Erklärung, die ihre Bedeutung hat und aus der sich ergibt, daß das imperialistische Vorgehen der NATO für die im Kosovo entstandene Lage verantwortlich ist. Eine einzigartige Sichtweise - allerdings nicht ganz einzigartig, weil sie auch von den serbischen Behörden geteilt wird -, aber dem Herrn Abgeordneten ist sicher klar, daß es andere, davon abweichende Auffassungen gibt. Und daß die Staatengemeinschaft und der Ministerrat der Europäischen Union eine Sichtweise vertreten, die sich von der Ihrigen unterscheidet. Wenn nun die Resolution 12/44 ein Täuschungsmanöver ist, Herr Abgeordneter, dann verstehe ich auch nicht, warum Sie dann der Meinung sind, alle Verletzungen dieses Täuschungsmanövers seien als negativ anzusehen. Möglicherweise ist die Resolution 12/44 nicht vollkommen, doch sie war die Resolution, die man erreichen konnte, um eine bestimmte Situation ein Ende zu setzen. Diese Resolution stieß bei ihrer Durchsetzung wahrscheinlich aus dem einfachen Grund auf Schwierigkeiten, weil sie ein Klima der Stabilität voraussetzt, zu dem auch Herr Milosevic und sein Regime nicht beigetragen haben. Ich erkenne an, und wir alle erkennen das ebenfalls an, daß das Verhalten bestimmter kosovoalbanischer Kräfte im Kosovo ebensowenig besonders wünschenswert und rühmlich war. Ich meine, in bezug darauf ist Herr Bernard Kouchner so aufgetreten, daß er diese Situation und dieses Verhalten konkret an die Öffentlichkeit gebracht hat. Denken wir nicht, Herr Abgeordneter, daß die Schuld nur auf einer Seite liegt, und denken wir nicht, daß wir die Vergangenheit vergessen dürfen, wenn wir uns mit den jetzigen Gegebenheiten befassen. Diese Gegebenheiten, und das gilt besonders für den Balkan - das wissen Sie, Herr Abgeordneter, besser als ich - haben alle mit der Vergangenheit und mit zahlreichen historischen Konstellationen zu tun. Dabei gibt es nicht nur "reines Theater ". Diese Situationen sind, denke ich, sehr eindeutig, und wir alle müssen die entsprechenden Schlüsse ziehen und die Verantwortung für unser Schweigen in der Vergangenheit angesichts des Verhaltens von Herrn Milosevic übernehmen, als er im Kosovo ungestraft tun konnte, was er wollte, vor allem ab dem Zeitpunkt, als er dessen Autonomiestatus aufhob. Ich möchte dem Herrn Minister für seine Antwort danken, aber auch daran erinnern, daß statistisch gesehen heute im Kosovo mehr Gewalt verübt wird als vor den Bombardements der NATO. Es ist besorgniserregend, daß die Bombardierungen die Situation verschärft haben, und es müßte zugeben, daß das Vorgehen der NATO und der Europäischen Union, als sie diese Maßnahme ergriffen, falsch war. Der Herr Minister hat mit vollem Recht - da stimme ich ihm zu - über die Schuld Belgrads gesprochen, aber man darf nicht vergessen, daß die Geheimdienste der USA, Deutschlands, Frankreichs, Italiens und Großbritanniens der UCK, einer Mafia, Waffen und Geld geliefert haben, um beizutragen, daß es Probleme in diesem Gebiet gibt. Deshalb sind wir alle schuldig. Ich möchte Ihnen eine Zusatzfrage wegen ihres Bezugs zum Gesamtkontext stellen. Sind Sie nicht der Meinung, daß es vorteilhaft wäre, die Blockade gegen Serbien aufzuheben, damit es eine größere wirtschaftliche Normalität in dem Gebiet gibt und auch der Kosovo als Provinz Serbiens davon profitiert? Ich möchte sagen, Herr Abgeordneter, daß ich große Schwierigkeiten habe, danach zu urteilen, was geschehen wäre, wenn etwas nicht geschehen wäre. Sie, Herr Abgeordneter, können genausowenig wie ich wissen, was gegenwärtig im Kosovo geschehen würde, was im Kosovo hätte geschehen können, hätte die NATO keine Luftangriffe durchgeführt. Und ob die von Herrn Milosevic und seiner Regierung verübten aggressiven und sich ausweitenden Handlungen, die seinerzeit immer gravierende Folgen hatten, nicht zu einem weitaus schlimmeren Ergebnis geführt hätten als das, was man heute im Kosovo erlebt ... In der Frage der Aufhebung der Sanktionen denken wir, Herr Abgeordneter, daß die Europäische Union gegenüber Jugoslawien eine Haltung eingenommen hat, bei der sie die jeweilige Situation differenziert bewertet. Wir haben ein Programm "Energie für Demokratie " durchgeführt, um die von demokratischen Kräften verwalteten Gemeinden Jugoslawiens zu fördern und zu unterstützen. Im Rat "Allgemeine Angelegenheiten " vom letzten Montag haben wir positiv auf die Bitte der demokratischen Kräfte Serbiens an uns reagiert, das Luftverkehrsembargo sowohl für internationale Flugzeuge als auch für Flugzeuge der jugoslawischen Fluggesellschaft aufzuheben. Das sind Signale des guten Willens der Europäischen Union in bezug auf die Situation in Serbien. Wir dürfen folgendes nicht außer acht lassen: Ein Ergebnis läßt sich nicht erreichen, indem man den serbischen Behörden, deren Verhalten, insbesondere im innerstaatlichen Bereich der Menschenrechte, vor allem bei der Wirkungsweise des innerstaatlichen politischen Systems Serbiens, nach wie vor zutiefst beklagenswert sind - und ich hoffe, daß Sie, Herr Abgeordneter, mir in bezug auf die demokratische Situation jenes Landes zustimmen -, bestimmte Erleichterungen gewährt, indem man Zeichen ohne Gegenleistung setzt. Wir werden Serbien bei Erleichterungen und bei der Aufhebung von Sanktionen in dem Maße die notwendigen Zeichen geben, wie dieses Land auf internationaler Ebene und in seinen Beziehungen sowohl zu den Nachbarstaaten als auch innerhalb seines eigenen Territoriums sich so verhält, wie es unserer Auffassung nach den Grundprinzipien entspricht, nach denen sich die Staatengemeinschaft und das Verhalten der Rechtsstaaten auf internationaler Ebene zu richten haben. Herr Präsident, ich bin kein Freund von Milosevic und dessen Regierung. Dennoch habe ich größte Zweifel an der Legitimierung des NATO-Einsatzes gegen Jugoslawien im Kosovo-Konflikt, zum einen wegen des fehlenden Beschlusses des UN-Sicherheitsrates, zum anderen, weil ich der Meinung bin, man hätte diesen Einsatz vermeiden können, wenn man in Rambouillet keine unerfüllbaren Forderungen im Hinblick auf die Souveränität Serbiens gestellt hätte Die derzeitige Lage im Kosovo, in dem nun die ethnische Säuberung von Serben und Roma vollzogen ist, spricht für sich selbst. Sollte die NATO nicht zumindest ihren Fehler einräumen und die Verantwortung für die absichtliche Bombardierung des Gebäudes der Belgrader Fernsehstation und den Tod von über 20 zivilen Journalisten übernehmen, denn dies ist für die Art und Weise, wie dieser Krieg geführt wurde, nach wie vor ein schwerer moralischer Makel und wird nun möglicherweise zu einer beschämenden Anklage wegen Kriegsverbrechen gegen unsere westlichen Staats- und Regierungschefs führen? Herr Abgeordneter! Was die Standpunkte der Europäischen Union anbelangt, da gibt es keine selektive Beurteilung, Interpretation und Analyse darüber, was militärische Ziele sind, insbesondere der Maßnahmen gegen eine bestimmte Art von Infrastrukturen, die dem politischen und propagandistischen System von Herrn Milosevic als Stütze dienten. Deshalb kann ich Ihnen nicht sagen, ob wir mit einer konkreten NATO-Aktion einverstanden waren oder nicht. Sie gehören zu einem Gesamtplan, mit dem wir einverstanden sind. Einige dieser Handlungen mögen fragwürdig sein, und einige wurden sogar von der NATO selbst als bedauerlich bezeichnet. Andere wiederum lassen sich mit taktischen Gründen rechtfertigen, d. h. sie sollten Herrn Milosevic daran hindern, seine innerstaatliche Propagandakampagne fortzusetzen. Jedenfalls möchte ich im Namen des Rates kein Werturteil über eine bestimmte NATO-Handlung auf militärischem Gebiet abgeben. Herr amtierender Ratspräsident, da ich mich in der Geschichte des Balkans auskenne, möchte ich Sie daran erinnern, daß die Völker Jugoslawiens jahrzehntelang friedlich zusammengelebt haben. Die Destabilisierung begann vor ungefähr zehn Jahren mit der Auflösung Jugoslawiens, bei der die Europäische Union eine entscheidende Rolle gespielt hat. Das Verbrechen Jugoslawiens bestand darin, als einziges Balkanland weder der NATO noch der Europäischen Union angehören zu wollen. Was nach den Luftangriffen noch stand, wird nun von der angeblich entwaffneten UCK zerstört, und zwar unter den Augen der KFOR, die sich immer deutlicher als Besatzungsmacht zu erkennen gibt. Täglich kommen neue Verbrechen gegen Menschen, die keine Kosovoalbaner sind, aber auch gegen das kulturelle Erbe des Kosovo und Hunderte Verstöße gegen die UN-Resolution 1244 ans Licht. Am besten wäre es meines Erachtens, der Rat beendete die Besetzung dieses Teils Jugoslawiens und suchte eine für alle Seiten akzeptable Lösung, die die ethnischen Besonderheiten der Region, vor allem aber das Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten eines unabhängigen Landes respektiert. Ich respektiere die Meinung und das Wissen des Herrn Abgeordneten über die Balkanregion, obwohl es mir, ehrlich gesagt, schwer fällt zu verstehen, inwieweit die Achtung der Besonderheiten der Region in puncto politische Stabilität eine Lösung für das Problem sein kann. Wenn wir nämlich die demokratische Stabilität der Region betrachten, könnte man sagen, daß die Ursache für die jetzige Lage im Zerfall Jugoslawiens zu finden ist. Doch wir wollen hier nicht auf die Beurteilung einer internationalen Entwicklung eingehen. Ich möchte aber sagen, daß Jugoslawien nun einmal war, was es war, im Sinne einer gewissen Vereinbarung einiger ethnischer Unterschiede auf der Ebene eines Staates, wobei dieser Staat allerdings - und darüber muß man sich im klaren sein - in einem politischen Rahmen blieb, der unter dem Aspekt der demokratischen Vertretung bei weitem keinen Idealzustand darstellte. Die Teilung Jugoslawiens ist wahrscheinlich eine historische Tatsache, der wir uns stellen müssen, unabhängig von den Fehlern, die es hier oder da geben mag. Wir sind keineswegs der Auffassung, daß der Abzug der internationalen Streitkräfte zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Lösung sein könnte. Vielmehr wäre er die zum Zusammenbruch führende Lösung. Herr Präsident, ich war etwas enttäuscht über die Antwort des Ratsvorsitzenden auf die Frage meines Kollegen. Wenn wir betonen, daß Europa ein Europa der Werte sein soll, darf das keinesfalls dazu führen, daß die Mittel die Ziele heiligen. Wenn zivile Ziele beschossen und zerstört werden, und wenn dabei Zivilisten getötet werden, ist das in jedem Fall ein Verstoß gegen das Gesetz. Ein solches Vorgehen sollte auch nicht von denjenigen unter uns verteidigt werden, die das Milosevic-Regime aus tiefster Seele ablehnen. Aber das ist eigentlich nicht meine Frage. In meiner Frage geht es um die politischen Gefangenen, die derzeit in Serbien festgehalten werden. Im Moment sind meines Wissens etwa 5 000 Kosovaren als politische Gefangene in Serbien inhaftiert. Meine Frage an den amtierenden Präsidenten besteht aus zwei Teilen. Erstens, ist dem Rat klar, daß diese Menschen festgehalten werden und kümmert sich der Rat um das Schicksal dieser Gefangenen? Zweitens, was sollte aus der Sicht des Rates in dieser Sache unternommen werden? Herr Abgeordneter! Ich möchte mich zunächst zu Ihrer Anmerkung äußern. Ich habe keinen Angriff auf Zivilisten verteidigt. Ich habe gesagt und in einer vorhergehenden Antwort erklärt, daß es zivile Ziele gibt, die mit Bauten in Verbindung stehen, die Gegenstand einer militärischen Aktion sind. Herr Abgeordneter, Sie wissen genauso gut wie ich, daß einige militärische Handlungen nicht nur gegen militärische Ziele, sondern auch gegen zivile Ziele und Bauten gerichtet sind und die militärischen Aktionen unterstützen sollen. Bei der Frage, was ein rechtmäßiges Ziel ist oder nicht, handelt es sich augenscheinlich um eine Grauzone. Wie ich schon sagte, geben wir keine Werturteile zu speziellen Handlungen ab. Wir geben ein allgemeines Werturteil über das Vorgehen der NATO ab, und dieses allgemeine Werturteil ist positiv, und wir vertreten eine gemeinsame Auffassung zu diesem Vorgehen der NATO. Was die politischen Häftlinge in Serbien anbelangt, so ist offensichtlich, Herr Abgeordneter, daß ich, wenn ich sage, daß sich Herr Milosevic in Serbien heutzutage nicht entsprechend den internationalen Normen der Ethik und Moral einer Gesellschaft verhält, damit genau das Verhalten von Herrn Milosevic nicht nur gegenüber seinen eigenen Mitbürgern meine, sondern auch die Umstände, die Herr Milosevic fortbestehen läßt, vor allem im Hinblick auf politische Häftlingen, Angriffe auf die demokratischen Rechte, Angriffe auf das Recht der Opposition auf Zugang zu den Massenmedien, Angriffe auf die Handlungsmöglichkeiten, die den Nichtregierungsorganisationen insbesondere bei der Verteidigung der Menschenrechte zu gewähren sind. Das alles ist aber nur eine von vielen Seiten des höchst unheilvollen Wirkens von Herrn Milosevic innerhalb der jugoslawischen Gesellschaft, und natürlich ist die Europäische Union angesichts dieser Situation nach wie vor beunruhigt. Gerade deshalb hält die Europäische Union so lange an den Sanktionen fest, wie sich Jugoslawien auf internationaler Ebene nicht entsprechend den Werten verhält, die wir bewahren müssen. Anfrage Nr. 7 von (H-0035/00): Betrifft: Ausarbeitung der Grundrechtecharta Die europäischen Bürger begrüßen die Ausarbeitung der Grundrechtecharta, hoffen jedoch zugleich, daß diese Charta den Herausforderungen Europas im 21. Jahrhundert gerecht wird. Kann der Rat folgende Fragen beantworten: Welche Ansicht vertritt er zum Inhalt der Charta? An welche Bürger ist die Charta gerichtet (nur an Bürger der Europäischen Union oder - im Hinblick auf die Erweiterung - an Bürger aller europäischen Länder einschließlich der Migranten usw.)? Wird die Charta die sozialen Errungenschaften der Europäischen Union einbeziehen oder hat sie einen umfassenderen programmatischen Charakter? In welcher Weise wird verfahren, um die Gleichstellung von Männern und Frauen klar herauszustellen? Soll die Charta in den Vertrag über die Europäische Union einbezogen werden? Unter allen Vorhaben, an denen wir im Rahmen der Europäischen Union auf institutioneller Ebene arbeiten, gehört die Charta der Grundrechte zu den verheißungsvollsten. Bekanntlich geht die Charta auf eine Entscheidung des Europäischen Rates von Köln zurück. Sie erscheint uns als ein grundlegendes Element für die Bildung einer Art ethischen Pfeiler in der Europäischen Union und für die Notwendigkeit, daß die Europäische Union auf dem Weg zu einer Werteeinheit ihre Dimension nicht nur im inneren Bereich festigen kann, sondern gestützt auf einen gemeinsamen Wertekomplex auch ihre Selbstdarstellung nach außen begründet. Das hat in der Union der Fünfzehn natürlich eine große Bedeutung. Vor vier oder fünf Monaten hätten wir vermutlich nicht gedacht, daß diese Bedeutung so groß wäre. Heute sehen wir das vielleicht schon etwas anders, oder zumindest einige von uns sehen das anders. Sie besitzt auch in der erweiterten Union eine große Bedeutung, namentlich im Bereich der zukünftigen politischen Kulturen. Nun zum Inhalt der Charta: Bekanntermaßen befindet sich die Charta noch in der Diskussion. Die Gruppe, die sie vorbereitet, und die sich jetzt Konvention für die Charta der Grundrechte der Europäischen Union nennt, ist erst zweimal zusammengekommen. Auf dieser Grundlage müssen mehrere Probleme zur Sprache gebracht werden. Zunächst einmal muß man wissen, ob der Text eine Deklaration sein oder verbindliche Wirkung haben soll. Zweitens die Frage des Inhalts der Charta: Ob es sich nun um ein verbindliches Dokument handelt oder nicht - auch das Problem des Inhalts stellt sich, also ob es sich um eine Sammlung aller Grundsätze handelt, die die Mitgliedstaaten der Union vertreten und in ihren innerstaatlichen Verfassungsordnungen verankert haben, oder um ein neues Korpus, das gewissermaßen das gemeinsame Modell innerhalb der Union sein kann. Danach folgt ein grundlegendes Problem, das im übrigen Teil der Frage ist und das ich für höchst bedeutsam halte, das allerdings ebenfalls noch ungelöst ist. Es geht darum, ob diese Charta für Unionsbürger oder für in der Union niedergelassene Bürger von Drittländern gilt. Auch diese Frage verlangt nach einer Antwort. Andererseits stellt sich nicht zuletzt ein höchst bedeutsames Problem, nämlich das Problem der Hierarchie der Rechtsordnungen, der Vereinbarkeit zwischen der Rechtsordnung des Gerichtshofs von Straßburg und der Rechtsordnung des Gerichtshofs von Luxemburg. Dieses Problem muß bei der Festlegung der Charta der Grundrechte gelöst werden. Außerdem spricht die Frau Abgeordnete die Frage der Sozialrechte an. Nun, hierbei wird es notwendig sein, ein gemeinsames Terrain zu finden. Als Vertreter der portugiesischen Delegation möchte ich Ihnen sagen, daß die wirtschaftlichen und sozialen Rechte unserer Auffassung nach ein wesentliches Besitztum der Europäischen Union sind und zu jeder Charta der Europäischen Union und zu jedem anderen Korpus von Werten der Europäischen Union gehören müssen. Ich weiß nicht, ob alle diese Meinung teilen. Nun zur letzten Frage, dem Problem der Gleichstellung von Männern und Frauen in der Europäischen Union. Ich bin überzeugt, daß dies einer der Aspekte ist, die in dieser Charta mit Sicherheit größte Aufmerksamkeit genießen werden, vor allem, da wir während der Gespräche zum Vertrag von Amsterdam selbst schon eine bestimmte Auffassung dazu vertraten. Das, was im Vertrag von Amsterdam zum Ausdruck gebracht wurde, stellt bezogen auf die Festlegungen in Maastricht einen qualitativen Sprung dar. Schließlich zur Einbeziehung der Charta in den Vertrag der Europäischen Union: Gegenwärtig stehe ich der Arbeitsgruppe vor, die die Vorbereitungsgruppe der Regierungskonferenz anleitet. Es liegt im Interesse der portugiesischen Präsidentschaft dafür Sorge zu tragen, und wir halten das für wünschenswert, daß die Charta in den neuen Vertrag der Europäischen Union Eingang findet und diese Frage unverzüglich an die Regierungskonferenz weiterzuleiten ist, sobald diejenigen, die sie ausarbeiten - wie Sie wissen, fällt die Charta nicht in das Ressort des Rats, sondern gehört zu einer Konvention mit einem gewählten Vorsitzenden, der Vertreter des Europäischen Parlaments, der nationalen Parlamente, der Regierungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission angehören - alles einvernehmlich festgelegt haben und die Charta vorliegt. Dabei geht es um einen Prozeß, den wir nicht steuern, sondern lediglich durch einen stellvertretenden Vorsitzenden der Konvention begleiten, der zugleich der Vertreter der Präsidentschaft der Europäischen Union in dieser Gruppe ist. Ich danke dem amtierenden Ratspräsidenten für seine Ausführungen, in denen er bestimmte Probleme angesprochen, aber auch Gewißheiten in bezug auf den Verlauf der Arbeiten zum Ausdruck gebracht hat. Sicher verstehen Sie den Hintergrund meiner Anfrage, denn der Rat ist ein politisches Organ der Europäischen Union, und die Bürger Europas, Männer wie Frauen, wollen wissen, wie ein demokratisches und soziales Modell des Europa des 21. Jahrhunderts seiner Meinung nach aussehen soll. Ich möchte ergänzend fragen, ob Sie als portugiesische Präsidentschaft planen, auch die Rechte der Kinder als eigenständiger Individuen in die zu diskutierenden Themenbereiche sowie die Rechte, die in die Charta aufgenommen werden, einzubeziehen. Frau Abgeordnete! Wie ich bereits sagte, üben wir keine Kontrolle über den Gestaltungsprozeß der Grundrechtscharta aus. Das obliegt den Personen, die dieser Gruppe angehören. Die betreffende Angelegenheit wird dem Rat erst zugeleitet, wenn es einen Konsens über den Wortlaut der Charta gibt. Zu den Rechten der Kinder möchte ich jedoch sagen, daß dieser Punkt zur Zeit vor allem im Europarat und in einer Reihe von einschlägigen internationalen Dokumenten, die wir unterzeichnet haben, behandelt wird. Dieses Thema muß zur Grundrechtscharta gehören. Das ist mit Sicherheit eine Orientierung, die meine Regierung selbst auf jeden Fall im Rahmen der Charta der Grundrechte vorbringen wird. Das werden wir prüfen, wie auch eine Reihe anderer Vorschläge, die wir zu diesem Thema haben. Ich weiß nicht, inwieweit diese Vorschläge aufgegriffen werden können. Ich gehe jedoch davon aus, daß dieses Thema nicht allzu kontrovers angesehen wird, und es dürfte sich wohl lediglich um eine Sammlung dessen handeln würde, was heute ein vereinbarter Korpus von Rechten ist, deren Einbeziehung in die Charta und Anwendung in der Union unserer Ansicht von Grund auf gerechtfertigt wäre. Ich erinnere die Damen und Herren Abgeordneten daran, daß gemäß den Richtlinien für diese Sitzungen die Anfragen knapp und in einer Form abgefaßt sein müssen, die eine kurze Antwort gestattet. Sie wissen, daß es eine Delegation des Parlaments unter dem Vorsitz des Abgeordneten Méndez de Vigo und einen Ausschuß für konstitutionelle Fragen gibt, wo diese Themen ausgiebig beraten werden können. Deshalb bitte ich Sie, die Fragen und auch die Antworten ganz kurz zu halten. Andernfalls würden wir irgendwie den gesamten Prozeß der Ausarbeitung der Grundrechtecharta ersetzen. Ich stelle fest, daß der Herr amtierende Ratspräsident bereit ist, alles zu beantworten, aber ich muß darüber wachen, daß in dieser Sitzung Anfragen gestellt und Antworten gegeben werden. Das Wort hat Herr Rübig. Herr Präsident, vierzehn Mitgliedstaaten haben bilaterale Sanktionen gegen einen Mitgliedstaat verhängt, weil dort eine demokratisch gewählte Regierung gebildet wurde. Beide Parteien waren schon einmal an der Regierung beteiligt. Bis heute liegen keine Rechtsverletzungen vor. Sind präventive Sanktionen mit der Menschenrechtscharta vereinbar? Wäre ein Vetorecht des Ratsvorsitzenden bei nationalen Regierungsbildungen mit der Grundrechtscharta vereinbar? Ist der Aufruf zu gewalttätigen Demonstrationen mit der Grundrechtscharta vereinbar? Herr Abgeordneter! Als amtierender Ratspräsident kann ich Ihnen keine Antwort geben, und das aus dem einfachen Grund, weil die Stellungnahme des portugiesischen Ministerpräsidenten im Namen von vierzehn Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf bilateraler Ebene und nicht als Präsident der Europäischen Union erfolgte. Ich möchte jedoch sagen, daß der Komplex von Präventivmaßnahmen, die diese Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf strikt bilateraler Ebene durchgeführt haben, Schritte einschließt, die, ich würde sagen, einen auf diplomatischer Ebene politisch vorbeugenden Charakter tragen. Wir halten sie für voll und ganz gerechtfertigt und meinen, daß sie dem entgegenkommen, was gegenüber dem Auftreten einer Partei und von Vertretern einer Partei angemessen wäre, die uns - so scheint es - als Beteiligte an einer Regierung der Europäischen Union keine Garantien dafür geben, daß sie die Ziele der Union erfüllen können. Ich möchte auf dieses Thema im Namen der Präsidentschaft der Europäischen Union nicht weiter eingehen, denn hier geht es um eine Intervention meiner Regierung, die auf Bitten von vierzehn Mitgliedstaaten und im Zusammenwirken mit ihnen und nicht als Vorsitz der Europäischen Union erfolgt ist. Herr Präsident, ich habe die Ehre, zu der Gruppe zu gehören, welche die Charta ausarbeitet, und ich werde daher nicht vom Rat verlangen, Mutmaßungen über den Inhalt der Charta anzustellen oder Auskunft darüber zu geben, ob die Charta programmatischen Charakter oder Rechtsverbindlichkeit erhalten soll. Ich wüßte gerne, was mit dem Entwurf der Charta geschieht, den die Arbeitsgruppe erstellt. Wird der Rat diesen Entwurf als Dokument betrachten, das er in der vorliegenden Form akzeptieren muß oder behält sich der Rat vor, dieses Dokument nach Belieben zu verändern? Wird der Rat dieses Dokument einfach billigen oder ablehnen, oder wird er das Recht haben, den Entwurf der Charta umzuformulieren? Die Antwort ist weder ja noch nein. Ich weiß es nicht, Herr Abgeordneter, das wird von der Entscheidung abhängen, die auf Ratsebene getroffen wird. Anfrage Nr. 8 von (H-0042/00): Betrifft: Die Gewährung von Ausfuhrkreditbürgschaften und ihre Rolle im Zusammenhang mit dem Bau des Ilisu-Dammes in der Türkei Bei dem G8-Treffen in Köln wurde die OECD aufgefordert, die Festlegung gemeinsamer Standards für die Gewährung von Ausfuhrkrediten vorzubereiten. Diese Kredite können nämlich so eingesetzt werden, daß sie den Wettbewerb verzerren bzw. daß fragwürdige Vorhaben unterstützt werden. Wird die EU die Festlegung gemeinsamer Standards in einer führenden Rolle vorantreiben? Daß dies notwendig wäre, zeigte sich kürzlich an der Erklärung der britischen Regierung, daß sie beabsichtige, einer am Bau des Ilisu-Dammes in der Türkei beteiligten Gesellschaft einen Ausfuhrkredit zu gewähren. Die Weltbank hat beschlossen, dieses Projekt nicht zu finanzieren, dessen Folgen wären, daß 20.000 Kurden umgesiedelt werden, daß die Süßwasserversorgung in Syrien und im Irak möglicherweise eingeschränkt wird sowie daß Umweltschäden entstehen. Wie steht der Rat zu der Beteiligung europäischer Regierungen und Gesellschaften an diesem Vorhaben? Zu der von der Frau Abgeordneten Caroline Lucas gestellten Frage. Diese Frage muß unter zwei Gesichtspunkten bewertet werden: erstens dem des Exportkreditsystems im allgemeinen, zweitens in bezug auf das angeführte Vorhaben selbst. Was den allgemeinen Aspekt betrifft, so muß man darauf hinweisen, daß die Gruppe der Acht nicht die OECD aufgefordert hat, wie die Frau Abgeordnete in ihrer Frage andeutet, gemeinsame Standards für die Gewährung von Exportkrediten aufzustellen. Diese Standards gibt es heute schon. Das Übereinkommen über Richtlinien für staatlich verbürgten Exportkredite ist in der OECD bereits seit 1978 in Kraft. Mit diesen Richtlinien wird ja das Anliegen verfolgt, die ordnungsgemäße Verwendung der staatlich verbürgten Exportkredite mittels Transparenz und Disziplin zu prüfen. Wie Sie wissen, sind die meisten OECD-Länder diesem Übereinkommen schon beigetreten, und auch die Europäische Gemeinschaft selbst - und nicht die einzelnen Mitgliedstaaten - gehört ihm gemäß den Bestimmungen von Artikel 133, des früheren Artikels 113 des Vertrags der Europäischen Union an. Dieses Übereinkommen wurde schrittweise verbessert und vervollkommnet. Die Europäische Union möchte in diesem Prozeß auch künftig als Bindeglied fungieren, weil dies ihrer Auffassung nach im Bereich der internationalen Wirtschaftsbeziehungen von höchster Bedeutung ist. Im Hinblick auf die G8 und laut Ziffer 32 des Kommuniqués des Gipfels von Köln vom Juni 1999 werden wir mit der OECD bei gemeinsamen, die Umweltverträglichkeit betreffenden Leitlinien für die Exportsicherungsanstalten zusammenarbeiten. Unser Ziel ist, diese Arbeit bis zum G8-Gipfel im Jahre 2001 abzuschließen. Die G8 erkennt also auf diese Weise die Bedeutung des Problems der Exportkredite, der Umweltverträglichkeit und der laufenden Arbeiten in der OECD in dieser Sache an. 1999 hat der Ministerrat der OECD, an dem ich teilnahm, die Fortschritte begrüßt, die bei der Ausarbeitung eines OECD-Übereinkommens über den Austausch von Umweltinformationen bei Großvorhaben in bezug auf staatlich verbürgte Exportkredite erreicht wurden, und dazu aufgefordert, die Arbeiten fortzuführen, um die gemeinsamen Plattformen zu stärken. Für den nächsten, in diesem Jahr stattfindenden Ministerrat erwartet er einen Bericht über die bis dahin erzielten Fortschritte. In diesem Prozeß und in dieser Diskussion spielen die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, wie Sie wissen, eine maßgebende Rolle. In bezug auf den eigentlichen und konkreten Punkt des Ilisu-Damms ist zu sagen, daß Gespräche zwischen den türkischen Behörden und den Stellen laufen, deren Exportkreditanstalten potentielle Anbieter von Exportkreditgarantien für die Zulieferer des Vorhabens sind und die ja entschieden haben, die sozialen, kulturellen und ökologischen Auswirkungen dieses Vorhabens hinreichend zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang hat außerdem ein Vertreter des Vereinigten Königreichs im Dezember 1999 erklärt, er wolle dafür sorgen, daß die Exportkreditgarantien von der Absicherung solcher Fragen abhängig gemacht werden, wie die Frau Abgeordnete sie in ihrer Frage genannt hat. Die Frage einer Exportkreditgenehmigung stellt sich im Rahmen des Vorhabens nicht. Da die Weltbank nicht um die Finanzierung des Vorhabens gebeten wurde, muß man darauf hinweisen, daß es nicht um eine ablehnende Entscheidung zur Finanzierung durch diese Bank geht. Eine solche Ablehnung könnte doch nur erfolgen, wenn die Finanzierung beantragt worden wäre. Die Beteiligung der Regierungen und der Einrichtungen für staatliche verbürgte Exportkredite der Mitgliedstaaten am Vorhaben des Ilisu-Damms in Übereinstimmung steht selbstverständlich im Einklang mit den Auflagen und den politisch-rechtlichen Verpflichtungen, die auf der Ebene der Europäischen Union, der OECD und der Gruppe der Acht von den ihr angehörenden Ländern übernommen wurden. Es mag sein, daß mit der Vereinbarung dieser gemeinsamen Standards bereits 1978 begonnen wurde, aber die Tatsache, daß die britische Regierung ein Projekt durchzuführen beabsichtigt, das massive Umweltschäden verursachen wird, beweist, daß dieser Prozeß bisher nicht sehr erfolgreich war. Ich möchte Sie bitten, mir eine Frage im Hinblick auf die Investitionen von EU-Unternehmen in den EU-Bewerberländern zu beantworten. Der Grund für meine Frage ist das Thema Kohärenz, über das heute morgen diskutiert wurde. Einerseits fordern wir von den Bewerberländern, bei den Umweltvorschriften den Acquis der Europäischen Union zu übernehmen, und trotzdem fördern die Mitgliedstaaten gleichzeitig Investitionen in diesen Ländern, die dort schwerwiegende negative Folgen für die Umwelt verursachen werden. Können Sie uns darüber informieren, ob in einer der Diskussionen, die Sie erwähnten, das spezielle Thema der Investitionen in den Bewerberländern bereits behandelt wurde? Frau Abgeordnete, ich war bei der von Ihnen erwähnten Aussprache nicht zugegen. Ich möchte Ihnen sagen, daß der Rat diesen Teil Ihrer Frage erst zu einem späteren Zeitpunkt schriftlich beantworten kann. Anfrage Nr. 9 von (H-0044/00): Betrifft: Durch das Entwicklungsprojekt der Drogheda Port Company verursachte Umweltprobleme und die Rolle des Rechnungshofs Ein ernster Konflikt zwischen dem Umweltschutz und dem Interesse an einer strukturellen Entwicklung hat sich in dem Gebiet von Boyne Estuary, Irland, in Verbindung mit einem Entwicklungsprojekt der Drogheda Port Company ergeben. Das betreffende Gebiet ist aufgrund der Richtlinie über wildlebende Vogelarten als Schutzgebiet ausgewiesen worden, und es wird geprüft, ob es aufgrund der Richtlinie über Lebensräume zu einem besonderen Schutzgebiet erklärt werden soll, da es sich um ein Gebiet von internationaler Bedeutung handelt. Viele örtliche und europäische Verbände haben das Projekt scharf kritisiert. In anderen Regionen der Union gibt es ähnliche Fälle, in denen die EU-Finanzierung von Entwicklungsprojekten im Widerstreit mit der Umweltverträglichkeit der zu begünstigenden Maßnahmen steht. Ist der Rat nicht der Ansicht, daß dem Rechnungshof mehr Ressourcen zur Verfügung gestellt werden sollten, um ähnliche Entwicklungsmaßnahmen, bei denen Konflikte mit Umweltinteressen entstehen, zu untersuchen oder zu prüfen? Welche Maßnahmen beabsichtigt der Rat zu ergreifen, um die Prüfungs- und Bewertungsbefugnisse der europäischen Organe in ähnlichen Fällen zu erweitern? Zur Frage der Frau Abgeordneten möchte ich zuallererst darauf hinweisen, daß die Aufgabe des Rechnungshofes im Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft festgelegt ist. Gemäß Artikel 246 dieses Vertrages nimmt der Rechnungshof die Rechnungsprüfung war, prüft hierzu die Rechnung über alle Einnahmen und Ausgaben der Gemeinschaft sowie die Ordnungsmäßigkeit und Rechtmäßigkeit der zugrundeliegenden Vorgänge und sorgt für die Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung. Dies ergibt sich auch aus Artikel 248. Der Rechnungshof verfügt daher bereits jetzt über alle notwendigen Instrumente, um seiner Aufgabe nachzukommen. In bezug auf den Vorschlag der Frau Abgeordneten, die Mittel des Rechnungshofes aufzustocken, vertritt der Rat die Auffassung, daß alle Unionsorgane im Rahmen des Gemeinschaftshaushalts über finanzielle Mittel verfügen, die es ihnen gestatten, ihre jeweiligen Aufgaben ordnungsgemäß wahrzunehmen. In einigen Fällen wäre es wahrscheinlich wünschenswert, daß diese Mittel erhöht werden könnten, doch es gibt haushaltsmäßige Beschränkungen, wie auch die Frau Abgeordnete weiß. Bei dieser Gelegenheit möchte ich daran erinnern, daß der Haushalt der Europäischen Union vom Rat und von diesem Parlament in gemeinsamem Einverständnis angenommen wird. Deshalb hat der Rat keine Möglichkeit, die dem Rechnungshof vom Vertrag zugewiesene Aufgabe zu verändern. Würde man den EU-Rechnungshof mit zusätzlichen Finanzmitteln ausstatten, so wäre dieses Geld gut angelegt, denn der Rechnungshof würde sicherstellen, daß umweltgefährdende Projekte nicht mit EU-Mitteln gefördert werden. Seit Jahren wird die strategische Bewertung der Auswirkungen von Plänen und Programmen auf die Entwicklung durch den Rat blockiert. Ich möchte Sie in Ihrer Eigenschaft als Ratsvorsitzender fragen, ob Sie diesen äußerst wichtigen Vorschlag nun vorantreiben werden? Könnten Sie ferner dafür sorgen, daß die Strukturfonds, die im vorliegenden Entwurf nicht erwähnt sind, wieder aufgenommen werden? Bitte erläutern Sie uns, was Sie in Ihrer Position als derzeitiger Ratsvorsitzender in dieser Sache, die seit Jahren durch den Rat blockiert wird, unternehmen können. Dies ist sehr wichtig. Wenn die potentiellen Konflikte zwischen Umweltschutz und Strukturentwicklung regelmäßig vom EU-Rechnungshof bewertet würden, wäre dies von großem Nutzen, denn der Rechnungshof könnte hier sehr gute Arbeit leisten. Die Berichte des Rechnungshofs sind sehr genau und äußerst wichtig. Auf diese Weise könnten wir solche Konflikte in Zukunft verhindern. Frau Abgeordnete! Das von Ihnen aufgeworfene Problem steht zum großen Teil mit Fragen im Zusammenhang, die in die Zuständigkeit der Kommission fallen. Darum liegt es bei ihr zu prüfen, ob bestimmte Entwicklungsprojekte den im Umweltbereich geltenden Bestimmungen entsprechen. Diese Fragen muß die Kommission konkret beantworten. Ich kann Ihnen zu dem von Ihnen genannten konkreten Fall keine vollständigere Antwort geben. Anfrage Nr. 10 von (H-0053/00): Betrifft: Statut für die Mitglieder des Europäischen Parlaments Der Rat und das Europäische Parlament bemühen sich um Einigung auf ein Statut für die Mitglieder des Europäischen Parlaments. Eine der Fragen, die es dabei zu klären gilt, ist die Frage, ob die Mitglieder die gleichen Bezüge erhalten und wo sie Steuern bezahlen sollen. Berichten der Medien zufolge ist die portugiesische Präsidentschaft der Auffassung, daß alle Mitglieder gleichhohe Steuern an die EU zahlen sollen. Dies steht im Widerspruch zur Auffassung einiger Mitgliedstaaten, die die Mitglieder im eigenen Land besteuern wollen. Kann die portugiesische Präsidentschaft ihre Haltung in dieser Frage erläutern? Ich glaube, der portugiesischen Präsidentschaft der Europäischen Union ist dieses Thema besonders willkommen, denn ich nehme an, daß die Klärung des Problems eines Statuts der Mitglieder des Europäischen Parlaments im Arbeitsprogramm einer Präsidentschaft erstmals als Priorität formuliert wird. Die portugiesische Präsidentschaft hat die Durchsetzung dieses Statuts als eine ihrer Prioritäten vorgestellt, wie dies übrigens auch die Präsidentin des Europäischen Parlaments beim Europäischen Rat in Helsinki getan hat. Somit besteht zwischen uns ein vollkommenes und umfassendes gemeinsames Interesse, diese Angelegenheit einer positivem Lösung zuzuführen. Mit diesem politischen Willen bemühen wir uns deshalb, die großen Leitlinien eines Kompromisses zu ermitteln und haben die entsprechenden Arbeiten bereits in Gang gesetzt. Dieser Kompromiß muß - daran sei erinnert - gemäß Artikel 190 die einhellige Zustimmung durch den Rat und die Billigung dieses Parlaments finden, dem die Annahme dieses Statuts obliegt. Die Präsidentschaft hat intensive Kontakte mit zahlreichen Gesprächspartnern in diesem Parlament und mit der Gruppe aufgenommen, die es beauftragt hat, die Verhandlungen mit dem Rat durchzuführen. Ich selbst hatte am Rande der Januarsitzung erstmals Gelegenheit zu einem Treffen mit dieser Gruppe. Zur Fortführung dieser Kontakte plane ich eine baldige zweite Zusammenkunft. Die Aussprachen wurden auch in den zuständigen Instanzen des Rates der Europäischen Union mit größter Intensität weitergeführt. In einem Geiste der Offenheit für eine höhere Flexibilität und in dem Maße, wie wir uns alle dessen bewußt sind, welche Bedeutung dies vor allem für die öffentliche Meinung besitzt, darf ich wohl erklären, daß die Ausarbeitung dieses Statuts ein grundlegendes Element für die Wahrung der Würde der Funktion eines Abgeordneten des Europäischen Parlaments und zugleich der notwendigen Transparenz und guten Verwaltung der öffentlichen Mittel ist. Um nun konkret auf die vom Herrn Abgeordneten gestellte Frage zu kommen, möchte ich hervorheben, daß ein neues Statut nur sinnvoll ist, wenn es gegenüber der gegenwärtigen Situation einen Fortschritt darstellt und die größtmögliche Gleichstellung der Inhaber gleichartiger Ämter gewährleistet. Diesen Standpunkt vertritt die portugiesische Präsidentschaft von Anfang an. Ihre Vermittlerrolle verpflichtet sie jedoch, alle im Rat vertretenen Auffassungen zu berücksichtigen, und dem Herrn Abgeordneten ist ja nicht unbekannt, daß bestimmte Delegationen Schwierigkeiten mit der Steuerfrage haben. Wie die Lösung letztlich auch aussieht - unter dieser Voraussetzung muß sie in jedem Falle auf dem Boden der demokratischen Gesetzlichkeit stehen und gleichzeitig für alle Mitgliedstaaten ungeachtet ihrer jeweiligen nationalen Empfindlichkeiten annehmbar sein. Ich kann versprechen, daß die Präsidentschaft in dieser Sache mit höchstem Engagement vorgehen wird, indem sie bis zum Ende ihrer Amtszeit in einem Klima größter Transparenz und größter Offenheit gegenüber den Damen und Herren Abgeordneten daran arbeiten wird. Gemeinsam mit den Ratsmitgliedern wird sie alle erdenklichen Anstrengungen unternehmen, insbesondere mit jenen, die erhebliche Schwierigkeiten damit hatten, den im letzten Jahr eingebrachten Vorschlag zu akzeptieren, um zu einer vernünftigen Kompromißlösung zu gelangen, die gleichzeitig dem Statut der Mitglieder dieses Parlaments die notwendige Würde verleihen kann. Herr Präsident! Ich danke dem Ministerrat für diese Antwort und möchte gerne zwei Zusatzfragen stellen, die mit der Besteuerung der Abgeordneten in Zusammenhang stehen. Nach meiner Grundeinstellung sollten wir Steuern in dem Land zahlen, in dem wir leben, in dem unsere Familien leben und in dem wir die öffentlichen Dienstleistungen nutzen. Ich möchte die Ratspräsidentschaft fragen, ob es eigentlich irgendein Argument dafür gibt, warum wir keine Steuern in unseren Heimatländern zahlen sollten, so wie es andere Menschen tun? Gibt es irgendeinen Grund dafür, warum wir eine besondere Vergünstigung erhalten sollten, nur weil wir Abgeordnete sind? Das ist meine erste Frage. Meine zweite Frage lautet: Könnte die portugiesische Präsidentschaft eine Lösung akzeptieren, die in der Steuerfrage unterschiedliche Verfahrensweisen für Abgeordnete verschiedener Nationalität bedeutet, oder wollen Sie eine Lösung, die für die Abgeordneten aller Länder gleich aussieht? Herr Abgeordneter! Auf keinen Fall will ich es diesem Parlament gegenüber an Achtung fehlen lassen, und insbesondere aus Achtung vor den Fragen des Herrn Abgeordneten möchte ich mir erlauben, auf deren eingehende Beantwortung zu verzichten. Wir befinden uns inmitten recht schwieriger Verhandlungen, und die Schwierigkeit läßt sich daran ablesen, wie sich die Ratspräsidentschaft der Europäischen Union in einem speziellen Zusammenhang in Verbindung mit bestimmten Situationen äußert. Und das hat natürlich Auswirkungen, weil es von anderen Ratsmitgliedern gelesen wird. In dieser Phase der Gespräche möchte ich um Entschuldigung bitten, weil ich nicht direkt auf die mir gestellten konkreten Fragen antworte. Gestatten Sie mir darum zu bitten, daß wir in Kürze nach unseren Ergebnissen beurteilt werden, wenn wir uns um eine konkretere Lösung bemühen. Dann werde ich mit größter Freude in dieses Parlament kommen, um zu antworten und die Schwierigkeiten zu erläutern, die ich möglicherweise hatte, sollte ich kein Ergebnis erreicht haben, oder um mich mit allen Damen und Herren Abgeordneten zu freuen, wenn dieses Ergebnis erreicht wurde. Kann der amtierende Ratspräsident erläutern, ob er nach den wenigen Stunden, die er mit den Mitgliedern des Europäischen Parlaments in diesem Haus zusammengearbeitet hat, schon eine Vorstellung darüber hat, wieviel die Arbeit der Mitglieder wert ist und welche Bezüge diese erhalten sollten? Herr Abgeordneter! Da diese Debatte über die Bezüge im Europäischen Parlament nicht allein in Ihrem Land geführt wird und sogar bis in meine Heimat hineinreicht, bin ich genau darüber im Bilde, was die Bezüge der Damen und Herren Abgeordneten des Europäischen Parlaments wert sind. Ich bin mir also dieser Problematik vollkommen bewußt. Herr Präsident! Ich möchte Ihnen für die gegebene Antwort danken und eine weitere Frage stellen, die etwas der von Herrn Sjöstedt ähnelt. Wir kommen beide aus Schweden. In unserem Land werden Steuern hauptsächlich in Form von Gemeindesteuern erhoben, da die gesellschaftlichen Dienstleistungen, die bei uns recht umfassend sind, auf lokaler Ebene bereitgestellt werden. Ein Problem bei uns ist das mangelnde Vertrauen für Politiker, und nicht zuletzt für die Europapolitiker dieses Parlaments. Was glauben Sie, wie das Vertrauen für uns Politiker aussähe, wenn wir das Recht erhalten würden, die sozialen Dienstleistungen - Schulen, Gesundheitsfürsorge usw. in Anspruch zu nehmen, ohne dafür Steuern zu zahlen, ohne uns an der Finanzierung zu beteiligen? Welche Auswirkungen hätte Ihrer Ansicht nach ein solches System auf das Vertrauen für uns Politiker? Das ist eine Frage, Herr amtierender Ratspräsident, von der ich nicht weiß, ob Sie sie beantworten müssen, da sie wirklich philosophisch ist. Aber wenn Sie das Feld der Philosophie betreten möchten, nur zu! Nein, Herr Präsident, ich fühle mich nicht versucht, das Feld der Philosophie zu betreten. Das sind grundlegende Fragen, die mit der Form des Abgeordnetenstatuts selbst und mit seiner Rolle im Rahmen der politischen Gesellschaft zusammenhängen. Ich will mich nicht auf eine solche Diskussion einlassen, weil ich den Eindruck habe, sie könnte - um einen französischen Ausdruck zu benutzen - dazu dienen, à préjuger über die Beurteilung, die die portugiesische Präsidentschaft im Rahmen der Verhandlungen, an denen sie beteiligt ist, zum Abgeordnetenstatut vornimmt. Ich möchte Sie bitten mir zu gestatten, daß ich dazu keinen Kommentar abgebe. Da die Zeit für die Fragestunde mit Anfragen an den Rat ausgeschöpft ist, werden die Anfragen Nr. 11 bis 35 schriftlich beantwortet. Damit ist die Fragestunde mit Anfragen an den Rat beendet. (Die Sitzung wird um 19.05 unterbrochen und um 21.00 Uhr wiederaufgenommen.) Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten, im Namen des Europäischen Parlaments habe ich die große Ehre, Herrn Václav Havel, Präsident der Tschechischen Republik, aufs allerherzlichste willkommen zu heißen. Ebenfalls möchte ich Frau Havel herzlich begrüßen, die auf der Tribüne Platz genommen hat. Frau Havel, seien sie herzlich willkommen. (Beifall) Sie sind nicht zum ersten Mal Gast in unserem Parlament. Vor fast sechs Jahren, im März 1994, haben Sie bereits einmal auf der Plenartagung in Straßburg gesprochen, und viele, oder vielmehr diejenigen unter uns, die zu dieser Zeit schon Abgeordnete waren, haben Ihre Ansprache noch sehr gut in Erinnerung. Sie haben sich unmittelbar nach Inkrafttreten des Vertrags von Maastricht für eine Stärkung der europäischen Werte, die Schaffung einer ethischen Dimension Europas und die Öffnung der Union gegenüber den Staaten Mittel- und Osteuropas ausgesprochen. Man kann sagen, daß Sie für viele Bürger, und nicht allein in Ihrem Land, dieses Europa der Werte verkörpern, dem wir uns erklärtermaßen verbunden fühlen. Nach zwei Wahlen zum Europäischen Parlament und einer erneuten grundlegenden Reform der Verträge der Europäischen Union haben sich die Beziehungen zwischen der Union und der Tschechischen Republik äußerst dynamisch entwickelt. Ein Assoziierungsabkommen trat in Kraft, ein Gemeinsamer Parlamentarischer Ausschuß Europäisches Parlament-tschechisches Parlament wurde gebildet. 1996 hat Ihr Land seinen offiziellen Antrag auf Beitritt zur Union gestellt, und 1998 wurden die Beitrittsverhandlungen offiziell aufgenommen. Der europäische Integrationsprozeß sowie der Erweiterungsprozeß haben seit dem Fall des Eisernen Vorhangs einen beeindruckenden Aufschwung erfahren. Mit dem Ende der künstlichen Teilung Europas wurde eine neue Ära eingeleitet. Wir stehen heute vor einer historischen Herausforderung, und allen Europäer eröffnen sich neue Perspektiven. Herr Präsident, Sie stehen ohne Frage für diese Entwicklung. Sie haben einst die Charta 77 ins Leben gerufen und unterzeichnet, eine Bewegung für die Verteidigung der Menschenrechte, die während einer dunklen Periode in der Geschichte Ihres Volkes die Grundwerte repräsentierte und einforderte. Für die Verteidigung der Freiheit und der Würde des Menschen wurden Sie von einem kommunistischen Regime zu fast fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Aber Sie verloren niemals die Hoffnung und die Geschichte hat Ihnen Recht gegeben. Es ist zehn Jahre her, daß während der "samtenen Revolution " die Forderung Havel na HRAD laut wurde. Seit nunmehr zehn Jahren sind Sie Präsident zunächst der demokratischen Tschechoslowakei und später der Tschechischen Republik. Die Aussöhnung mit Ihren Nachbarn war und ist für Sie noch immer ein bedeutendes Ziel, das Sie mit Entschiedenheit und Durchhaltevermögen verteidigt haben. Sie sind ein Europäer ersten Ranges. Heute bereitet sich Tschechien auf seinen Beitritt zur Union vor. Sie werden mir sicher zustimmen, Herr Präsident, und die Erfahrung hat es uns mittlerweile gelehrt, daß der Erweiterungsprozeß der Union nicht immer ohne Hindernisse ist, und dies gilt für beide Seiten. Die Tschechische Republik muß bedeutende Anstrengungen unternehmen, um alle Beitrittsbedingungen zu erfüllen. Die Europäische Union ihrerseits muß ihre Organe und ihre Politiken auf die Erweiterung einstellen. Mit der Agenda 2000 hat sie diesbezüglich schon einen großen Schritt nach vorne gemacht. Der nächste Schritt, also die institutionelle Reform, wird in diesem Jahr mit der Eröffnung der neuen Regierungskonferenz eingeleitet. Das Europäische Parlament ist dort ein gleichberechtigter Partner. Wir als Abgeordnete tragen die Verantwortung, eine höchstmögliche Offenheit und Transparenz des Erweiterungsprozesses zu gewährleisten, damit die Bürger der Europäischen Union und die Bürger der Tschechischen Republik zum geeigneten Zeitpunkt und über ihre gewählten Vertreter dem Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Union zustimmen. Herr Präsident, ich habe nun die große Freude, Ihnen das Wort zu erteilen. (Beifall) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, sehr verehrte Damen und Herren, es stellt sich immer wieder die Frage, ob die Seele der Europäer, neben ihrem Gewissen und dem Gefühl der nationalen Zugehörigkeit von einem europäischen Bewußtsein erfüllt ist. Mit anderen Worten, fühlen sich die Europäer wirklich europäisch, oder handelt es sich eher um einen abstrakten Begriff, ein theoretisches Konstrukt, mit dem ein geographischer Umstand zu einer Geisteshaltung erhoben werden soll? Diese Frage wurde unter anderem durch die Debatte darüber aufgeworfen, welchen Teil ihrer Souveränität die Nationalstaaten den gemeinschaftlichen Organen der Europäischen Union übertragen können und müssen. Einige verweisen darauf, daß sich die Situation mit der Verdrängung einer deutlich empfundenen nationalen Zugehörigkeit durch eine kaum empfundene europäische Zugehörigkeit, die gar als Trugbild wahrgenommenen wird, nur zum Negativen wenden kann. Wie aber steht es nun um unsere europäische Identität? Wenn ich in mich hineinhorche und mich frage, inwiefern ich mich als Europäer fühle und was mich mit Europa verbindet, dann bin ich zunächst ein wenig überrascht: warum stelle ich mir diese Frage erst jetzt, unter dem Druck bestimmter Themen und aktueller politischer Aufgaben. Warum habe ich sie mir nicht schon seit langem gestellt, zu der Zeit als ich begann, mich in der Welt zurechtzufinden und über sie sowie über mich selbst nachzudenken? Nahm ich meine Zugehörigkeit zu Europa nur als äußeren, wenig bedeutenden Umstand wahr, der keinen Anlaß zu Sorge oder auch Beunruhigung gab? Oder betrachtete ich im Gegenteil meine europäische Identität als selbstverständlich und meinte nicht, sie hinterfragen, prüfen oder Schlußfolgerungen daraus ziehen zu müssen? Die zweite Möglichkeit ist wahrscheinlicher: alles, was mir jemals etwas bedeutete, war auf so selbstverständliche Weise europäisch, daß es mir niemals in den Sinn kam, es als solches zu betrachten. Ich habe es ganz einfach nicht als notwendig erachtet, es so zu nennen und, allgemeiner ausgedrückt, mein Denken dem Namen eines Kontinents zuzuordnen. Oder besser: ich habe das Gefühl, daß ich mir in meiner Kindheit sogar ein wenig lächerlich dabei vorgekommen wäre, wenn ich geschrieben oder erklärt hätte, daß ich Europäer bin, daß ich auf europäische Weise erlebe und denke, ja mich mehr oder weniger direkt auf Europa zu berufen. Dies wäre mir sehr pathetisch und vermessen erschienen; ich hätte es als eine hochmütigere Art dieses Patriotismus empfunden, der mich bei den Nationalpatrioten immer gestört hat. Mit anderen Worten: ich war auf so offensichtliche und natürliche Weise Europäer, daß ich nicht darüber nachgedacht habe. Und dies trifft ohne Zweifel auf die Mehrzahl der Europäer zu: tief in ihrem Innern sind sie Europäer, aber sie sind sich dessen nicht bewußt, sie bezeichnen sich selbst nicht so und sind in Meinungsumfragen ein wenig erstaunt, wenn sie sich lautstark zu ihrer europäischen Identität bekennen sollen. Eine bewußte europäische Identität scheint in Europa über keine lange Tradition zu verfügen. Dies ist meines Erachtens kein positives Element, und ich nehme mit Freude zur Kenntnis, daß unsere europäische Identität heute allmählich und deutlich aus dem Meer der "selbstverständlichen " Auffassungen auftaucht. Wenn wir dieses Konzept hinterfragen, darüber nachdenken und uns an einer Beschreibung seines Wesens versuchen, tragen wir auf bedeutende Weise zur Wahrnehmung unserer selbst bei. Dies gewinnt an Bedeutung angesichts der multikulturellen und multipolaren Welt, in der wir leben, in der die Fähigkeit, unsere Identität wahrzunehmen die wichtigste Bedingung für eine gutes Zusammenleben mit anderen Identitäten ist. Wenn allerdings Europa bis heute so wenig besorgt um seine eigene Identität ist, ist dies ohne Zweifel vor allem darauf zurückzuführen, daß es sich zu Unrecht mit der Welt gleichsetzt oder zumindest für etwas Besseres als der Rest der Welt hält und es nicht als notwendig erachtet, sich über die Anderen zu definieren. Natürlich hat dies fatale Auswirkungen auf das praktische Verhalten. Über die europäische Identität nachzudenken heißt, sich zu fragen, welche Wertvorstellungen, welche Ideale oder Grundsätze sich mit dem Begriff Europa verbinden, was also charakteristisch für Europa ist. Es bedeutet aber noch viel mehr. Es beinhaltet ebenfalls, und hier kommen wir zum Kern der Sache, eine kritische Prüfung dieses Ganzen. Da gelangt man schnell zu der Erkenntnis, daß zahlreiche europäische Traditionen, Werte oder Grundsätze ausgesprochen mehrdeutig sind und daß die Mehrheit von ihnen ins Verderben führen kann, wenn sie übertrieben, ausgenutzt oder mißbraucht werden. Wenn Europa in eine Phase des Nachdenkens über sich selbst eintritt, heißt das, daß es sich nicht mehr losgelöst von den Anderen betrachten will, aber auch, daß es in seinem Innern nach den Dingen sucht, die gut sind, sich bewährt haben und zukunftsträchtig sind. Vor sechs Jahren hatte ich zum ersten Mal die Ehre, vor diesem Hause zu sprechen, und ich habe damals auf die Notwendigkeit hingewiesen, der geistigen Dimension, der Bedeutung der Werte der europäischen Integration mehr Gewicht zu verleihen, und ich habe meine Befürchtungen bezüglich der Tatsache offenbart, daß das geistige, historische, politische und zivilisatorische Element des europäischen Einigungswerks auf gefährliche Weise von technischen, wirtschaftlichen, finanziellen und verwaltungstechnischen Fragen überlagert werden könnte, mit dem Risiko, die Öffentlichkeit vollständig zu verunsichern. Damals hatte meine Bemerkung einen provokativen Beigeschmack, und ich war mir nicht sicher, ob mich das Europäische Parlament nicht ausbuhen würde. Nichts dergleichen ist geschehen, und heute stelle ich mit Freude fest, daß dieselben Worte keinesfalls mehr provokativ erscheinen. Die dramatischen Veränderungen der letzten zehn Jahre in Europa, seit dem Fall des Eisernen Vorhangs, sowie die immer deutlicher hervortretende Notwendigkeit einer Erweiterung der Europäischen Union, die sich immer mehr beschleunigende wirtschaftliche Integration und die Vielzahl neuer Gefahren der heutigen Zeit sind Elemente, durch die die Europäische Union zwangsläufig zu einer Öffnung geführt wurde, mit dem Ziel, zu einem neuen und intensiveren Nachdenken über sich selbst und zu einer neuen Definition und Suche nach den Werten, die es verbinden und seiner Existenz Sinn verleihen, zu finden. Manchmal wird gesagt, daß diese Suche zu spät erfolge, daß die kulturelle und politische Integration, das Nachdenken über sich selbst vor der wirtschaftlichen Integration hätten geschehen müssen, mit anderen Worten, das Pferd wurde beim Schwanz aufgezäumt. Ich halte dieses Urteil nicht für angemessen. Nach dem zweiten Weltkrieg sah sich das westliche demokratische Europa den Erinnerungen an die Schrecken der zwei Weltkriege und der Gefahr der Ausdehnung der totalitären kommunistischen Herrschaft gegenüber. Zu dieser Zeit war es beinahe überflüssig, über zu erhaltende Werte zu sprechen. Sie sprangen ins Auge. Stattdessen galt es, den Westen sozusagen technisch zu vereinigen, und zwar so schnell wie möglich, um das mögliche Aufkommen, ja die Verbreitung einer Diktatur, aber auch das Wiederaufflammen alter nationaler Konflikte zu vermeiden. Dies trifft zweifellos auch auf mein Gefühl der europäischen Identität zu: da es für mich seit vielen Jahren - ja Jahrzehnten - derart normal gewesen ist, kam es mir nicht einmal in den Sinn, mich direkt darauf zu berufen. In Westeuropa war alles, das es zu schützen galt, so offensichtlich, daß man dort nicht das Bedürfnis verspürte, es in Worte zu fassen, zu analysieren, eingehend zu betrachten oder auf politische und institutionelle Tatsachen zu übertragen. Und ebenso wie ich erst heute dazu gekommen bin, mich zu fragen, ob ich mich als Europäer fühle, und über die Bedeutung nachzudenken, so sah sich auch das im Aufbau befindliche demokratische Europa zweifellos durch die historischen Ereignisse der letzten zehn Jahre dazu gezwungen, eben darüber nachzudenken, worauf sich sein Einigungswerk und seine Ziele gründen. Die großartigen europäischen Werte - wie sie von der bewegten geistigen und politischen Geschichte Europas geprägt und die in anderen Teilen der Welt übernommen wurden - immerhin einige von ihnen - sind, so möchte ich sagen, eindeutig: die Achtung des Individuums, seiner Freiheiten, seiner Rechte und seiner Würde, der Grundsatz der Solidarität, die Gleichheit vor dem Gesetz und die Rechtsstaatlichkeit, der Schutz aller ethnischen Minderheiten, die demokratischen Institutionen, die Gewaltenteilung der Legislative, Exekutive und Judikative, der politische Pluralismus, die Achtung von Privatbesitz und freiem Unternehmertum, die Marktwirtschaft und die Entwicklung der Zivilgesellschaft. Der aktuelle Zustand dieser Werte spiegelt sicherlich auch zahlreiche Erfahrungen des modernen Europa wider, darunter die Tatsache, daß sich unser Kontinent zu einem multikulturellen Schnittpunkt ersten Ranges entwickelt. Erlauben Sie mir aus Gründen, die ich Ihnen erläutern werde, bei einem dieser Grundwerte zu verweilen. Es geht um die Zivilgesellschaft. In der heutigen westlichen Welt, also der euroamerikanischen Welt, bildet eine reich strukturierte, offene und dezentrale Zivilgesellschaft, die auf dem Vertrauen in die Eigenständigkeit ihrer Bürger und ihrer zahlreichen Verbände beruht, die Grundlage des demokratischen Staates und die Gewähr für seine politische Stabilität. Wenn die Europäische Union in Kürze ihre Tore für die neuen Demokratien öffnet, was für sie meines Erachtens von existentiellem Interesse ist, dann ist es bedeutend, wenn nicht sogar entscheidend, daß sie in diesen Ländern den Wiederaufbau und die Entwicklung der Zivilgesellschaft unterstützt. Es ist kein Zufall, daß die kommunistische Diktatur kurz nach ihrer Machtübernahme nichts Eiligeres zu tun hatte, als das feine Geflecht der Zivilgesellschaft zu zerreißen, um sie schließlich ganz zu zerstören. Denn sie wußte sehr wohl, daß sie niemals wirklich Kontrolle über die Bevölkerung erlangen würde, solange die verschiedenen Strukturen der Zivilgesellschaft, die von unten gewachsen waren, weiterhin funktionierten. Was von einer wirklichen Zivilgesellschaft übrigblieb, existierte oder entwickelte sich im direkten oder indirekten Widerstand weiter. Die europäischen Werte haben daher nicht wegen sondern trotz des politischen Systems in diesem Bereich überlebt. Die Selbststrukturierung einer Gesellschaft kann natürlich nicht von oben diktiert werden. Aber es lassen sich ein ihrer Entwicklung förderliches Umfeld und vorteilhafte Bedingungen schaffen. Die Unterstützung der neuen Demokratien sollte daher in einem größeren Rahmen erfolgen: einer Vertiefung und dauerhaften Stärkung der Zivilgesellschaft auf gesamteuropäischer Ebene. Je unterschiedlicher, differenzierter und verflochtener die einzelnen zivilen Strukturen in Europa sein werden, desto besser sind die neuen Demokratien auf ihren Beitritt vorbereitet, desto schneller wird in ihrem Innern der Grundsatz des Vertrauens in die Bürger und der Subsidiarität Einzug halten, was zu einer Förderung der Stabilität beitragen wird. Aber das ist nicht alles: die Grundfeste der Europäischen Union in ihrer Eigenschaft als überstaatliche Gemeinschaft wird umso stabiler sein. Ganz konkret erfordert dies unter anderem und vor allem, daß einige Aufgaben der sozialen Solidarität den Gebietskörperschaften und Einrichtungen ohne Erwerbszweck oder öffentlichen Rechts übertragen werden. Je niedriger die Ebene ist, auf der die Mittel umverteilt werden, desto transparenter und wirtschaftlicher wird dieser Ausgleich sein, und desto besser wird er die unterschiedlichen Bedürfnisse der Gesellschaft decken, die vom Zentrum aus schwer auszumachen sind, und umso authentischer wird die soziale Solidarität sein, da sie direkter an konkrete Personen oder deren Verbände gebunden ist. Eine echte Solidarität zwischen den Bürgern, den sozialen Gruppen, den Gemeinden und den Regionen ist daher der beste Nährboden für diese Solidarität, die nur der Staat als Ganzes geben kann, vermittelt werden kann. Und ein Solidaritätsinstrument in einem so großen überstaatlichen Gefüge wie der Europäischen Union verlangt ein weitaus solideres, vielfältigeres ziviles Fundament. Die Lebensfähigkeit der Europäischen Union hängt demnach unter anderem und wahrscheinlich vor allem davon ab, wie ihre Bürger den Geist des Europabürgerschaft aufnehmen. Bestandteil dieses neuen europäischen Zugehörigkeitsgefühl muß natürlich eine wachsende Sensibilisierung für alle Symptome oder Ausdrucksweisen nationaler Egoismen, von Fremdenhaß oder rassistischer Intoleranz sein. Die Beschwichtigungspolitik, die in München in eine Kapitulation vor dem Bösen mündete, ist eines der bittersten Kapitel der modernen europäischen Geschichte. Diese Erfahrung lehrt uns, wachsam zu sein. Das Böse muß im Keim erstickt werden, und dies kann nicht nur von seiten der Regierungen geschehen. Das Verhalten der Regierungen muß sich aus dem Verhalten der Bürger ergeben. Der Wunsch nach Sicherheit ist ein weiterer Ausdruck der sozialen Solidarität. Dies ist Aufgabe des Staates oder einer supranationalen Organisation. Die Europäische Union hat intensiv mit der Ausarbeitung eines neuen sicherheitspolitischen Konzepts begonnen. Diese Politik sollte sich durch eine schnelle Entscheidungsfindung und eine ebenso zügige Umsetzung auszeichnen. Dies erscheint mir äußerst wichtig. Darüber hinaus ist es dafür höchste Zeit. Die jüngsten Ereignisse in Jugoslawien sprechen eine deutliche Sprache. Meines Erachtens hat die Intervention der NATO mehrere Dinge deutlich gemacht. Erstens kann der Respekt vor dem Leben und der menschlichen Würde sowie das Bedürfnis nach Sicherheit in Europa gegebenenfalls die Notwendigkeit einer Intervention außerhalb der Grenzen der Union erfordern. Je stärker das Mandat für eine solche Intervention ist, desto besser natürlich. Aber es ist leider ebensogut eine Situation denkbar, in der das Mandat der UNO fehlt, obwohl die Intervention im Interesse vieler, ja ganz Europas und der gesamten menschlichen Zivilisation wäre. Ich bin mir nicht sicher, ob Europa noch vor kurzem schon bereit gewesen wäre, sich einer derart unheilvollen Möglichkeit zu stellen. Es ist dieser Bereitschaft mittlerweile zweifellos einen Schritt nähergekommen, zumindest auf psychologischer Ebene. Ich denke, es sollte diese Gelegenheit unverzüglich nutzen, um sich auch materiell und technisch darauf einzustellen. Zweitens bedarf es im Bereich der Sicherheitspolitik noch größerer Anstrengungen. Im Kosovo und in Serbien, wie auch in Bosnien-Herzogowina und an anderen Orten im ehemaligen Jugoslawien, hätten nicht tausende von Menschenleben und unzählige Werte geopfert werden müssen, wenn die internationale Gemeinschaft in der Lage gewesen wäre, früher, zu Beginn des Konflikts, auf angemessene Weise zu reagieren. (Beifall) Leider ist trotz der Aufrufe, der Warnungen vor den möglichen oder drohenden Schrecken nichts passiert. Ein möglicher oder vorstellbarer Grund mag die Sorge um die unterschiedlichsten eigenen und materiellen Interessen sein und die Unfähigkeit der Regierungen, für eine gute Sache und im Namen des Gemeinwohls Risiken einzugehen. Drittens haben die Vereinigten Staaten in diesem Fall die entscheidende Rolle gespielt, und es ist sehr gut möglich, daß ohne ihre Energie die internationale Gemeinschaft in ihrer Unfähigkeit zu handeln noch heute den Schrecken gegenüberstände, die zur Intervention im Kosovo geführt haben. Doch Europa kann sich nicht ewig auf die Vereinigten Staaten verlassen, vor allem nicht, wenn es sich um ein europäisches Problem handelt. Es muß in der Lage sein, eine Lösung zu finden und die Situation eigenständig zu meistern. In der heutigen Welt, in der sich kleine Einheiten rechtmäßig zu internationalen oder supranationalen Gemeinschaften zusammenschließen, wäre es undenkbar, daß die Europäische Union weiterhin als anerkannter Bestandteil der Weltordnung existiert, ohne daß sie in der Lage ist, sich auf ein Mittel zur Verteidigung der Menschenrechte zu einigen, und dies nicht nur auf ihrem eigenen Gebiet, sondern auch innerhalb ihres Aktionsradius, also in dem Raum, der eines Tages zur Union gehören könnte. Meines Erachtens ist die Erweiterung der Europäischen Union, wie ich es gerade gesagt habe, für sie selbst von existentiellem Interesse. Erlauben Sie mir, diese Überzeugung nochmals zu unterstreichen. Es mag sich um die Erfahrungen eines Mannes handeln, der vierzig Jahre unter dem Joch des Kommunismus und davor unter der Naziherrschaft gelebt hat, oder auch um die besonderen Erfahrungen des Bewohners eines Landes in der Mitte Europas, die im Laufe der Jahrhunderte zum Kreuzweg der unterschiedlichsten geistigen Strömungen und europäischen geopolitischen Interessen und sogar zum Ausgangspunkt von mehr als nur einem europäischen Konflikt geworden ist. Dies führt mich zu der festen Überzeugung, daß Europa die einzige politische Einheit mit unteilbarer Sicherheit ist. Die Idee von zwei europäischen Teilen, die Seite an Seite leben, die Idee eines demokratischen Europas, das stabil, wohlhabend und auf dem Weg der Integration ist, und eines weniger demokratischen, weniger stabilen und weniger wohlhabenden Europas halte ich für völlig illusorisch. Sie gleicht dem Gedanken, auf Dauer in einem Zimmer zusammenzuleben, dessen eine Hälfte überflutet ist und die andere nicht. Europa ist, so differenziert es auch sein mag, unteilbar, und alles Schlimme, was ihm passieren mag, hat Aus- und Rückwirkungen auf den Rest. In seiner Eigenschaft als politische Einheit hat Europa heute eine Chance, die es niemals im Verlauf seiner bewegten Geschichte gehabt hat: die Möglichkeit, sich ausgeglichen, friedlich und nach dem Grundsatz der Gleichheit und der Beteiligung aller zu organisieren. Nicht mehr Gewaltakte der Mächtigen gegenüber den weniger Mächtigen, sondern Verständigung und allgemeiner Konsens, seien diese auch noch so mühsam und schwer zu erlangen, sollten den großen Grundsatz der Gestaltung und der Stabilität im Europa des nächsten Jahrtausends darstellen. Dabei verstehe ich unter Europa den Kontinent in seiner Gesamtheit. Wir alle wissen, daß der Erweiterungsprozeß der Europäischen Union mit einer dauerhaften und kühnen Reform ihrer Institutionen einhergehen muß. Ich bin der Überzeugung, daß die Regierungskonferenz realistische Vorschläge einbringen wird, durch die die Entwicklung der Europäischen Union in die richtige Richtung gelenkt wird. Dennoch glaube ich nicht, daß die institutionellen Veränderungen innerhalb der Europäischen Union hier zu Ende sein können. Dies wird meines Erachtens ganz im Gegenteil der Beginn eines sehr langen Prozesses sein, der möglicherweise Jahrzehnte in Anspruch nimmt. Er sollte von dem ständigen Anliegen geprägt sein, die Entscheidungsfindung innerhalb der Europäischen Union zu beschleunigen, zu vereinfachen und transparenter zu gestalten. Lassen Sie mich, auf zwei konkretere Punkte hinweisen, die ich schon mehrfach erwähnt habe und die in meinen Augen zur Realisierung dieser Zielsetzungen in der weiteren Zukunft beitragen könnten. Erstens sollte sich die Europäische Union früher oder später eine umfassende, klare und für alle verständliche Verfassung geben ... (Beifall)eine Verfassung, die alle Kinder Europas ohne große Probleme in der Schule lernen können. Diese Verfassung würde üblicherweise zwei Teile umfassen. Der erste Teil enthält die grundlegenden Rechte und Pflichten der Bürger und der europäischen Staaten, die Grundwerte, auf denen das vereinigte Europa basiert, die Bedeutung und das Ziel des europäischen Einigungswerks. Im zweiten Teil werden die wichtigsten Institutionen der Europäischen Union, ihre Hauptzuständigkeiten und ihre Wechselbeziehungen beschrieben. Das Vorhandensein eines solchen Grundgesetzes würde nicht automatisch eine grundlegende Verwandlung der Union der Staaten in der uns bekannten Form in einen riesigen Bundesstaat nach sich ziehen, vor dem sich die Euroskeptiker fürchten, sondern würde lediglich den Bewohnern eines in der Entstehung begriffenen Europas die Möglichkeit geben, sich eine genauere Vorstellung vom Wesen der Europäischen Union zu machen. Auf diese Weise könnten sie sie besser verstehen und sich mit ihr identifizieren. (Beifall)Eines der wichtigen Themen, das oft und zu Recht im Zusammenhang mit den institutionellen Reformen der Union genannt wird, ist die Frage, wie sich die kleinen Mitgliedstaaten der Union gewiß sein können, daß sie nicht von den Großen an den Rand gedrängt werden, während gleichzeitig die Größe der einzelnen Staaten berücksichtigt wird. Eine Möglichkeit scheint mir die Schaffung einer zweiten Kammer des Europäischen Parlaments zu sein. Zwar würde diese natürlich nicht direkt gewählt, jedoch würden die einzelnen Parlamente Vertreter, sagen wir drei pro Staat, entsenden. Während die erste Kammer, also das heutige Parlament, die Größe der Mitgliedstaaten widerspiegelt, würde die zweite ihre ausgeglichene Gewichtung stärken, da alle Mitgliedstaaten dort über die gleiche Zahl von Vertretern verfügen würden. In diesem Fall müßte die Kommission zum Beispiel nicht nach nationaler Zugehörigkeit zusammengesetzt sein, und die nationalen Parlamente könnten auf viel effektivere Weise einbezogen werden. Wie auch immer die Entwicklung oder das Ergebnis der institutionellen Reform oder der angeregten Reform aussehen mag, eines scheint mir klar zu sein: ein Dissens oder fehlender Konsens über die institutionellen Angelegenheiten darf die Entwicklung der Europäischen Union nicht hemmen. Dann hätte eine zu lange Verzögerung der Erweiterung möglicherweise weitaus gefährlichere Auswirkungen als ein möglicher Fehlschlag der institutionellen Reform . Meine Damen und Herren, die technische Zivilisation, die ein Kind Europas ist und mittlerweile unseren gesamten Planeten erfaßt hat, wurde in starkem Maße von Elementen der euroamerikanischen Gesellschaft beeinflußt. Europa trägt daher eine ganz besondere Verantwortung für den Zustand dieser Gesellschaft. Dennoch darf diese Verantwortlichkeit niemals wieder die Form eines gewaltsamen Exports seiner eigenen Werte, Ideen oder Güter in den Rest der Welt annehmen. Europa könnte ganz im Gegenteil endlich mit sich selbst beginnen und als Beispiel vorangehen, dem die anderen folgen können, aber nicht müssen. Die gesamte moderne Betrachtungsweise des Lebens unter dem Blickwinkel des Wachstums und unaufhörlichen materiellen Fortschritts, der auf dem Selbstverständnis des Menschen als Herr des Universums beruht, bildet die traurige Kehrseite der europäischen geistigen Tradition. Diese Betrachtungsweise des Lebens bestimmt auch den bedrohlichen Charakter der heutigen Zivilisation. Wer sonst, wenn nicht dieser Teil der Welt, der die Entwicklung in diese Richtung, sprich den freien Fall unserer Zivilisation ausgelöst hat, sollte sich dieser Bedrohung entschlossen entgegenstellen? An dieser Zeitenwende ist es meines Erachtens Aufgabe Europas, mutig über die Ambivalenz seiner Rolle in der Welt nachzudenken, zu verstehen, daß wir die Welt nicht nur die Menschenrecht gelehrt, sondern ihr auch den Holocaust gebracht haben, daß wir sie nicht nur geistig in die industrielle Revolution und die Informationsgesellschaft geführt, sondern auch dazu getrieben haben, im Namen der Anhäufung materieller Reichtümer die Natur zu mißhandeln, Raubbau an ihren Ressourcen zu betreiben und die Luft zu verschmutzen. Wir müssen begreifen, daß wir sicherlich den Weg für eine gigantische Entwicklung in Wissenschaft und Technik geebnet, dafür jedoch einen sehr hohen Preis gezahlt haben: den der Verdrängung einer ganzen Reihe bedeutender und komplexer menschlicher Erfahrungen, die sich im Verlauf von Jahrtausenden angesammelt haben. Europa muß mit sich selbst beginnen. Es kann sparen, sich Beschränkungen auferlegen, in Übereinstimmung mit seinen besten geistigen Traditionen die höhere kosmische Ordnung als etwas akzeptieren, dem wir nicht gewachsen sind, und auch die moralische Ordnung als ihre Konsequenz anerkennen. Bescheidenheit, Entgegenkommen, Freundlichkeit, die Achtung vor dem, was wir nicht verstehen, das tiefe Gefühl der Solidarität mit den Anderen, die Achtung alles Andersartigen, die Bereitschaft, Opfer zu erbringen oder gute Taten zu vollbringen, die erst in der Ewigkeit belohnt werden, in der uns allezeit ganz leise im Unterbewußtsein begleitenden Ewigkeit: dies alles sind Werte, auf denen das europäischen Einigungswerk beruhen könnte und sollte. Europa hat teilweise oder komplett die schlimmsten Ereignisse des 20. Jahrhunderts auf dem Gewissen: die zwei Weltkriege, den Faschismus und das totalitäre kommunistische System. Innerhalb des letzten Jahrhunderts gab es in Europa aber auch drei positive Ereignisse, wenngleich diese nicht ausschließlich ein europäisches Werk sind: das Ende der Kolonialherrschaft in der Welt, der Fall des Eisernen Vorhangs und der Beginn des Europäischen Einigungswerks. In meinen Augen wartet eine vierte bedeutende Aufgabe auf Europa: es muß versuchen, durch seine Existenz zu beweisen, daß es möglich ist, sich der großen Gefahr zu stellen, die seine mit Widersprüchen behaftete Zivilisation über diese Welt gebracht hat. Ich wäre glücklich, wenn mein Heimatland an alledem als gleichberechtigter Partner teilhaben könnte. (Die Mitglieder des Parlaments erheben sich und spenden dem Redner lebhaften und langanhaltenden Beifall) Herr Präsident, im Namen des Europäischen Parlaments möchte ich Ihnen sehr herzlich für die starke Botschaft danken, die Sie uns übermittelt haben, der Beifall meiner Kollegen zeugt davon. Ich möchte Ihnen danken: Sie haben zu Recht daran erinnert, daß die nationalen Zugehörigkeiten durchaus mit der europäischen Zugehörigkeit vereinbar sind. Darüber hinaus haben Sie uns unter Berufung auf Ihre persönliche Erfahrung gezeigt, daß die europäische Zugehörigkeit nicht auf Befehl entsteht, sondern sich spontan und auf natürliche Weise entwickelt. Ich habe Ihre Worte zur Kenntnis genommen, und wir alle sind uns dieser Tatsache aufs deutlichste bewußt. Sie haben heute erneut Ihre Treue gegenüber den Grundsätzen unter Beweis gestellt, die Ihr Handeln immer bestimmt haben, den Grundwerten. Sie haben uns Ihre Worte aus dem Jahre 1994 ins Gedächtnis gerufen, die sie selbst als ein wenig provokativ bezeichnet haben, aber manchmal tragen Utopien Früchte, und wir konnten gemeinsam ermessen, welchen Weg wir zurückgelegt haben. Schließlich haben Sie auch zur rechten Zeit auf die Rolle und die Bedeutung der Zivilgesellschaft nicht nur in den Beitrittsländern, sondern in jedem Land der Europäischen Union hingewiesen, wenn es darum geht, den Bürgern neues Vertrauen zu geben und der sozialen Solidarität, ohne die wir nicht auskommen, zu neuem Aufschwung zu verhelfen. Lassen Sie mich abschließend auf etwas hinweisen, das sich mir von all Ihren Worten am tiefsten eingeprägt hat, nämlich daß Sie uns vor allem daran erinnern wollten, daß das europäische Einigungswerk über die wirtschaftlichen Gesichtspunkte hinaus ein Werk des Geistes gewesen ist. Natürlich möchten wir dieses Werk gemeinsam mit Ihnen mit aller Kraft weiterführen. Vielen Dank, Herr Präsident. (Die feierliche Sitzung wird um 12.40 Uhr geschlossen) Nach der Tagesordnung folgt der Jahresbericht (A5-0032/2000) von Herrn Corrie im Namen des Ausschusses für Entwicklung und Zusammenarbeit über die Ergebnisse der Arbeit der Paritätischen Versammlung AKP-EU im Jahr 1999. Herr Präsident, ich wollte diesen Bericht eigentlich um 9.00 Uhr morgens und nicht erst um 21.00 Uhr vorstellen. Ich hoffe, die Anzahl der im Plenum anwesenden Mitglieder sagt nichts über das Interesse an der Entwicklungsarbeit aus. Es ist üblich, den Mitgliedern dieses Parlaments den Bericht über die Arbeit der Paritätischen Versammlung AKP-EU vorzulegen, und ich werde heute abend diese erfreuliche Aufgabe übernehmen. Ich kann erneut über zwei sehr erfolgreiche Sitzungen berichten, von denen eine in Straßburg und die andere in Nassau stattfand. Bei diesen Sitzungen wurde in mehrfacher Hinsicht eine Ära abgeschlossen und der Beginn einer neuen Zeit eingeläutet. Die Paritätische Versammlung AKP-EU ist eine einzigartige Institution in der Weltpolitik. Wo sonst kommen 86 Staaten zusammen, um über Themen von gemeinsamem Interesse zu diskutieren? Bei der letzten Sitzung in Straßburg führte Lord Plumb den Vorsitz. In Anerkennung der immensen Arbeit, die er in einer schwierigen Zeit geleistet hat, ernannte ihn das Präsidium der Versammlung in Nassau zum Ehrenpräsidenten. Wir wünschen ihm für seinen Ruhestand alles Gute. Beide Sitzungen standen unter dem Zeichen der Verhandlungen über das Nachfolgeabkommen von Lomé, und ich freue mich auf die Unterzeichnung eines neuen Abkommens und dessen rasche Ratifizierung durch alle beteiligten Länder. Ich erinnere mich, daß damalige Kommissionsmitglied Marin bei der letzten Halbzeitbilanz, als ich Berichterstatter war, sagte, diese Überprüfung sei die letzte. Nun, er hatte Unrecht, und ich danke Herrn Lowe und seinen Mitarbeitern, die hinter den Kulissen eine so erfolgreiche Arbeit geleistet und damit zum Abschluß eines neuen Abkommens unter äußerst schwierigen Umständen beigetragen haben. Ich war außerdem sehr erfreut über den Bericht von Kommissionsmitglied Nielson heute morgen, der sich unermüdlich für ein gutes Verhandlungsergebnis eingesetzt hat. Ich möchte ihm meine besondere Anerkennung für seinen Erfolg aussprechen. Ich möchte auch Frau Kinnock und ihrer Arbeitsgruppe für die enorme Arbeit danken, die sie geleistet haben, damit ein Nachfolgeabkommen von Lomé möglich wurde. Ich bin sicher, daß der Bericht von Frau Kinnock und der Bericht über die regionale Zusammenarbeit und Integration wesentlich zum Ergebnis dieser Verhandlungen beigetragen haben. Ich danke auch den Arbeitsgruppen über die kleinen Inselstaaten und den Klimawandel sowie der Follow-up-Gruppe Fischerei für ihre ausgezeichneten Berichte. Wir hatten Gelegenheit zu Fragestunden mit dem Rat und der Kommission sowie dem AKP-Rat, und ich möchte allen diesen Institutionen für ihr Interesse an unserer Arbeit danken. Bei beiden Sitzungen stand die Beseitigung der Armut im Mittelpunkt. In der verabschiedeten Entschließung haben wir bekräftigt, daß die Armut einen Verstoß gegen die Menschenrechte darstellt. Außerdem wird darin unterstrichen, wie wichtig es ist, die Unterscheidungen zwischen den Geschlechtern zu beseitigen. Wenn ich auf meinen Reisen durch Afrika sehe, wieviel Arbeit von den Frauen geleistet wird, wünschte ich, mehr Frauen wären in hohen Regierungs- oder Präsidentenämtern vertreten. Vielleicht könnte dann dem Betrug, der Korruption und der Mißwirtschaft Einhalt geboten werden, die in einigen Ländern grassieren, und die gestoppt werden müssen. Wie üblich, wurde in zahlreichen Debatten über die Länder gesprochen, in denen Krieg herrscht. Ich habe Äthiopien und Eritrea besucht, um mir selbst ein Bild über die Lage vor Ort machen zu können. Die OAU bemüht sich nach Kräften, eine friedliche Lösung des Konflikts herbeizuführen. Äthiopien besteht jedoch nach wie vor auf der Klärung bestimmter Fragen, und die humanitäre Situation ist in beiden Ländern sehr ernst. Wir haben in Nassau mit Freude zur Kenntnis genommen, daß ein Handelsabkommen mit Südafrika geschlossen worden ist, wenn auch erst nach vierjährigen Verhandlungen. Hierin spiegelt sich die Problematik der Kohärenz zwischen der EU und den Entwicklungsländern wider, die dann bei den WTO-Gesprächen in Seattle kulminierte. Viel muß noch getan werden, um die Entwicklungsländer von den Vorzügen der Globalisierung und weltweiter Freihandelsabkommen zu überzeugen. In Nassau wurden zwei interessante Debatten geführt, eine zu Ost-Timor und die andere zu Kuba. Kuba hat derzeit einen Beobachterstatus inne, doch soviel ich weiß, hat das Land nun seinen Wunsch nach einer Aufnahme in die AKP geäußert. Ich bin davon überzeugt, daß alle Nationen im AKP-Gebiet, welche die Anforderungen im Hinblick auf die Demokratie, die Menschenrechte, die Staatsführung und eine unabhängige Justiz erfüllen können, willkommen sind. Ich sehe den Entwicklungen in Kuba mit großem Interesse entgegen. Herr Dalmau, der stellvertretende kubanische Außenminister, brachte in einer Rede vor der Paritätischen Versammlung seine Ansichten klar zum Ausdruck. Herr Da Costa vom Nationalen Widerstandsrat Timors hielt eine sehr ergreifende Rede, in der er den Wunsch Ost-Timors ausdrückte, ebenfalls in die Gruppe der AKP-Staaten aufgenommen zu werden, sobald es als Staat anerkannt ist und über eine eigene Regierung verfügt. Wir müssen Ost-Timor mit aller Kraft bei der Erreichung dieses Ziels unterstützen. Die Menschenrechte sind innerhalb der Paritätischen Versammlung AKP-EU ein so wichtiges Anliegen, daß Gemeinsame Vizepräsidenten ernannt wurden, die speziell damit beauftragt wurden, die Frage der Menschenrechte genau zu verfolgen und der Versammlung darüber zu berichten. Eine Reihe von Fällen wurden angesprochen, darunter der Einsatz von Kindersoldaten im Sudan, wohin viele Kinder aus den Nachbarstaaten verschleppt worden sind. Ich wurde zu Beginn der fünften Wahlperiode zum europäischen Kopräsidenten gewählt, Herr Clair aus Mauritius ist der neue AKP-Kopräsident. Ich trete für eine Reihe von Änderungen in unserer Versammlung ein, die insbesondere nach der Unterzeichnung des neuen Abkommens im Mai erforderlich werden. Wir brauchen eine höheres Maß an Gleichberechtigung zwischen unseren AKP-Partnern und unseren europäischen Mitgliedern, und das "Wir-Sie-Syndrom " muß überwunden werden. Erstens trete ich für eine Paritätische Versammlung ein, der gewählte Mitglieder aus den AKP-Ländern und keine Botschafter oder Minister der jeweiligen Regierungen als Delegierte angehören. Dies gehört zum neuen Abkommen. Zweitens sind nach dem neuen Abkommen regionale Versammlungen in den sechs Regionen möglich, durch die wir in Zukunft sehr viel gezielter arbeiten können. Diese Versammlungen sind der Paritätischen Versammlung nachgeordnet. Eine regionale Debatte, die äußerst produktiv war, hat bereits in Nassau in der Karibik stattgefunden. Eine weitere regionale Debatte soll im westafrikanischen Abuja folgen. Ich möchte die Paritätische Versammlung so umwandeln, daß sie nicht mehr ein reiner Klub zum Diskutieren ist, sondern eine Werkstatt, in der an der Verbesserung der Lebensbedingungen für alle Menschen in den Entwicklungsländern gearbeitet wird. Ich möchte der Zivilgesellschaft eine lautere Stimme verleihen. Um dies zu erreichen, müssen wir die Korruption überwinden und dieses Ziel direkt angehen. Wir müssen die Staaten belohnen, die sich um eine verantwortungsvolle Staatsführung bemühen. Wir sollten aber auch hart gegen jene Staaten vorgehen, in denen Korruption herrscht oder in denen die von uns geforderten pluralistischen Regierungen verfassungsrechtlich verhindert werden. Ich freue mich über die Entwicklung in Simbabwe. Die europäischen Steuerzahler werden nicht länger zulassen, daß ihr Geld veruntreut wird. Ein Wind des Wandels muß Afrika erfassen, neue Standards müssen gesetzt und eingehalten werden. Die Paritätische Versammlung sollte zusammen mit der Kommission bei der Überwachung der gesetzlichen Verankerung der verantwortungsvollen Staatsführung, der Menschenrechte und der Demokratie eine führende Rolle übernehmen. Ich bin sicher, daß die gewählten Delegierten der EU und der AKP-Staaten dieser Aufgabe gewachsen sind. Ich bitte Sie, diesen Bericht zu unterstützen. Herr Präsident! Zunächst möchte ich dem Kollegen Corrie zu seinem ausgezeichneten und umfassenden Bericht gratulieren. Grundlage aller Überlegungen der Entwicklungspolitik muß die Beachtung der Menschenrechte und der Kampf gegen die Armut sein. Wenn denn Armut bekämpft werden muß, so steht die Absenkung der Mittel für den Bereich der Entwicklungshilfe in vielen Mitgliedstaaten und in der EU hierzu in krassem Widerspruch. Beim Stichwort Finanzierung muß mit dem Blick in die Zukunft die Paritätische Versammlung mit zusätzlichen Mitteln versehen werden, die dazu dienen, etwa Wahlbeobachter auf Anforderung der AKP-Staaten entsenden zu können. Die EU muß sich in Zukunft bei der Abstimmung der Entwicklungsprojekte zum einen vielseitiger orientieren, zum anderen mit den Einzelstaaten besser absprechen, um effizienter zu arbeiten und die Mittel effektiver einzusetzen. Ein Beispiel wäre der Bereich der Bildung, der in den AKP-Staaten in Zukunft besonders förderungswürdig und förderungsbedürftig ist. Wenn man etwa an die rasante Entwicklung der Möglichkeiten von Bildung und Technologie über das Internet denkt, so ergeben sich hier völlig neue Hilfsmittel, die Entwicklungsländer mit ihren derzeit noch bescheidenen Mitteln an die Globalität, nicht die Globalisierung heranzuführen. Hier sehe ich eine zukünftige Aufgabe der EU, nämlich dadurch in den AKP-Staaten zur Bildung eines Mittelstandes beizutragen, der in der Lage ist, als Hilfe zur Selbsthilfe zu fungieren. Als Beispiel kann man an dieser Stelle die Problematik in Nigeria sehen, wo aus aller Welt Fertigprodukte der Industrie importiert wurden, jedoch die Wartung mit erheblichem Finanzaufwand durch ausländische Handwerker erfolgt. Die entsprechende Ausbildung der nigerianischen Bevölkerung könnte für die Bildung eines Mittelstandes hier wegweisend sein. Die in dem Bericht deutlich herausgearbeitete und dringend erforderliche zukünftige Optimierung der Arbeitsmethoden ermöglicht insbesondere durch die angedachten Regionaltagungen ein besseres Eingehen auf die besonderen unterschiedlichen Probleme der Entwicklungsländer, für die die Hilfe der EU gezielter vorbereitet und dann realisiert werden kann. Vielen Dank, Herr Zimmerling. Wenn ich richtig informiert bin, sprechen Sie zum ersten Mal in diesem Hause. Es ist Ihre Jungfernrede, und dazu möchte ich Sie beglückwünschen. Sie ist sehr gut verlaufen. Herr Präsident, meine Damen und Herren! Man kann es nicht oft genug wiederholen: Das Lomé-Abkommen stellt seit 1975 einen wesentlichen Pfeiler der europäischen Entwicklungszusammenarbeit dar und hat in vielerlei Hinsicht Pilotfunktion. Mit dem Grundsatz der Partnerschaftlichkeit und der Parität sowie der parlamentarischen Begleitung durch die Paritätische Versammlung ist es ein Weltmodell. Passend zum Jubiläumsjahr, in dem wir das 25-jährige Bestehen der Lomé-Zusammenarbeit begehen können, stehen wir vor dem Abschluß eines neuen und weiterentwickelten Partnerschaftsabkommens, das auch die Paritätische Versammlung zu einer echten parlamentarischen Versammlung auf beiden Seiten aufwertet. Ich möchte mich daher bei der Rückschau nicht auf das Jahr 1999 beschränken; zu dem hat der Berichterstatter, Herr Corrie, in hervorragender Weise Stellung genommen. Vieles von dem, was uns heute bewegt, ist das Ergebnis fundamentaler Transformationsprozesse seit Ende der 80er Jahre in allen Teilen der Welt. Das hat auch in den Entwicklungsländern heftige Erschütterungen ausgelöst. Die Nachbeben halten an. Die AKP-Zusammenarbeit ist ein dynamischer Prozeß. Von Lomé I bis Lomé VI hat es stetige Fortschritte der Vertragsinhalte gegeben. Gleichzeitig hat sich die Zahl der Partnerstaaten auf jetzt 71 erheblich vergrößert. Insbesondere die Erweiterung um Namibia und Südafrika hat alle, die daran Anteil genommen haben, sehr bewegt. Soeben hat Kuba an die Tür geklopft, und wenn Kuba mit in die AKP-EU-Gemeinschaft aufgenommen wird, bedeutet das einen folgenreichen Schritt, der sich auch in Kuba selbst nicht ohne Veränderungsprozesse vollziehen wird. Die AKP-Zusammenarbeit bleibt also höchst spannend, nicht nur wegen der neuen Akzente in der neuen Übereinkunft. Armutsbekämpfung und die Förderung nachhaltiger wirtschaftlicher, kultureller und sozialer Entwicklung sind wichtige Zielsetzungen im Bemühen um den Aufbau demokratischer, auf Achtung der Menschenrechte beruhender Gesellschaften in den AKP-Ländern. Das schließt eine Stärkung der demokratischen Institutionen ein. Die Geschichte der Paritätischen Versammlung bezeugt diesbezüglich eindrucksvoll eine positive Entwicklung. Saßen früher von seiten der AKP-Länder vor allem Regierungsmitglieder bzw. Regierungsbeamte oder Botschafter am Tisch, sind unsere Gesprächspartnerinnen und ­partner von heute schon für mindestens drei Viertel gewählte Abgeordnete der Parlamente. Wir sollten ein großes Fest feiern, wenn es demnächst 100 % sein werden, wie es ja mit dem neuen Abkommen gewollt ist. Die fortschreitenden Demokratisierungsprozesse, die sich im Gegensatz zu den diversen Krisenbildungen weitgehend unbemerkt vollziehen, werden leider viel zu wenig wahrgenommen. Eine Spezialität der multilateralen AKP-Zusammenarbeit ist die regionale Kooperation bzw. Integration. Ein Wunsch von der langen Liste der Wunschliste des Europäischen Parlamentes wird erfüllt werden: Die Paritätische Versammlung wird demnächst auch Regionaltagungen abhalten können. Wir haben das schon gehört. Eine verstärkte regionale Kooperation kann das Aufbrechen ethnischer, wirtschaftlicher, sozialer oder religiös bedingter Konflikte verhindern helfen, also eine präventive Wirkung haben. Aus dem gleichen Grund hat das Europäische Parlament seit jeher für die Beteiligung der Zivilgesellschaft an den Entscheidungsprozessen sowie am Kooperationsmanagement geworben und die Bedeutung dezentraler Zusammenarbeit hervorgehoben. Die im neuen Abkommen vorgesehene Verstärkung der Kontakte zwischen der Paritätischen Versammlung und den Sozialpartnern ist ein weiterer Schritt in die richtige Richtung. Bleibt der Wehrmutstropfen, daß der europäische Entwicklungsfonds noch immer nicht in den europäischen Haushalt integriert ist. Ich hoffe, daß es nicht weitere 25 Jahre dauert, bis wir auch hier endlich zum Erfolg kommen. Herr Präsident. Ich gratuliere Herrn Corrie zu seinem Bericht. Das Lomé-Abkommen ist seit über 25 Jahren ein Beweis für die echte Partnerschaft zwischen der EU und den AKP-Staaten. Daß es angesichts der großen Widerstände aus vielen Lagern, auch von seiten der WTO, überhaupt weitergeführt wird, ist ein besonderer Erfolg. Natürlich darf das neue Abkommen nicht nur an seiner bloßen Existenz gemessen werden, sondern an dem Grad, zu dem es zur Verpflichtung der EU in bezug auf die Beseitigung der Armut und das Erreichen der internationalen Entwicklungsziele beitragen kann. Daran gemessen, wird eine Reihe schwerwiegender Mängel in den neuen Regelungen deutlich. So ist das Abkommen zum Beispiel besonders für die AKP-Staaten enttäuschend, deren Ausfuhrerlöse kurzzeitigen Schwankungen unterliegen. In einer Marathon-Verhandlung im Dezember wurde ein Kompromiß gefunden, nach dem die am wenigsten entwickelten Länder, die Binnen- und die Inselstaaten bereits bei einem Rückgang der Ausfuhrerlöse von mindestens 2 % Beihilfen erhalten und nicht erst bei einem Rückgang von 10 % wie die anderen AKP-Staaten. Auf der Abschlußsitzung der Verhandlungen behauptete die EU jedoch, sie hätte einer Einbeziehung der Binnen- und Inselstaaten in die Gruppe der Länder, die bereits ab einem Schwellenwert von 2 % Beihilfen erhalten, niemals zugestimmt. Diese Änderung hat nun insbesondere für die Windwardinseln verheerende Folgen, denn sie gehören zum einzigen Gebiet unter den AKP-Staaten, das durch die neuen Regelungen wohl ganz massiv benachteiligt werden wird. Dies ist besonders bedauerlich, da die Windwardinseln zu den kleinsten und ärmsten AKP-Staaten zählen und nun den höchsten Preis für dieses neue Lomé-Abkommen zahlen müssen. Im Handelsbereich hat der Druck der WTO zugunsten der Gewährleistung der WTO-Kompatibilität des Lomé-Abkommens mittlerweile den Gedanken der sogenannten regionalen Abkommen über wirtschaftliche Partnerschaften oder Freihandelsabkommen stark befördert. Die Entwicklungsländer, die nicht zu den am wenigsten entwickelten Ländern gehören, stehen unter großem Druck, diese Regelungen zu akzeptieren. Dennoch ist schon heute klar, daß viele Länder auch nach einem Übergangszeitraum nicht in der Lage sein werden, ihre Märkte dem kalten Wind des Freihandels zu öffnen, ohne dadurch ihre eigene Wirtschaft zu zerstören. Wir müssen daher besonders wachsam sein, damit echte Alternativen für die Länder sichergestellt werden, die noch nicht in der Lage sind, Freihandelsabkommen zu schließen. Wir müssen sicherstellen, daß Strategien zur Förderung der regionalen Integration innerhalb der AKP eigenständig verfolgt werden. Schließlich sollten sich die EU und die AKP-Staaten in einer neuen Handelsrunde gemeinsam für eine Reform von Artikel 24 des GATT-Abkommens einsetzen, um auf diese Weise ausdrücklich regionale, nicht auf Gegenseitigkeit beruhende Handelsabkommen zwischen Ländergruppen mit unterschiedlichen strukturellen und wirtschaftlichen Entwicklungsstufen zu ermöglichen. Das Abkommen von Lomé ist Ausdruck einer einzigartigen Partnerschaft. Wenn es jedoch tatsächlich Wirkung zeigen soll, muß es über die Diskussionen im Kontext von Lomé hinaus erweitert werden und eine Beteiligung der WTO sowie eine Partnerschaft in allen anderen internationalen Verhandlungsforen beinhalten. Herr Präsident, ich muß an dieser Debatte kritisieren, in welcher Form diese armen Länder Afrikas, der Karibik und im Pazifikraum behandelt werden, von denen man zu behaupten wagt, sie würden vom Lomé-Abkommen profitieren. Selbst auf der Ebene der reinen Handelsbeziehungen hat das Lomé-Abkommen diese Länder in keiner Weise geschützt; ihr bereits geringer Anteil am Handel mit Europa wurde sogar noch halbiert. Dies spiegelt das zunehmende Ungleichgewicht zwischen den EU-Ländern und den AKP-Ländern wider. Das Lomé-Abkommen nützt vor allem einigen großen Industrie- und Finanzkonzernen, die diese Länder weiter ausbeuten und ihre wirtschaftliche Abhängigkeit aufrechterhalten, insbesondere ihre Abhängigkeit von den ehemaligen Kolonialmächten. Was die sogenannte Entwicklungshilfe anbelangt, so dient diese Hilfe offenbar nicht der Entwicklung, denn die Unterentwicklung der Mehrzahl dieser Länder nimmt eher noch zu, als daß sie abnimmt, wenn diese Hilfe nicht sogar nur eine versteckte Subvention zu Gunsten der europäischen Exportindustrie darstellt. Diese Hilfe ist vor allem ein Geldsegen für das jeweils herrschende Regime, ohne daß die bedürftige Mehrheit der Bevölkerung einen Vorteil davon hätte. Selbst wenn diese Mittel in korrekte Bahnen gelenkt würden, so wären sie doch nicht ausreichend, um die am dringendsten erforderlichen Infrastrukturen in den Bereichen Gesundheit, Bildung oder Trinkwasserversorgung zu finanzieren. Seit einigen Jahren reduzieren die Großmächte den Umfang dieser bereits lächerlichen Finanzmittel. Der Gipfel des Zynismus ist erreicht, wenn sie dies unter dem Vorwand der Nichteinhaltung der Menschenrechte oder wegen Korruptionsverdacht tun. Aber wer protegiert denn diese Regimes, die der Korruption Vorschub leisten, wenn nicht die Regierungen der reichen Länder? Man schließt nämlich die Augen vor den Machenschaften der größten Korruptionsverbrecher wie etwa der großen Konzerne im Erdölsektor, der Wasserversorgung oder der öffentlichen Bauwirtschaft, gegen die man allerdings mit aller Strenge vorgehen könnte, da sich ihre Firmensitze hier in Europa befinden. Die Debatte darüber, entweder das Lomé-Abkommen mit seinen Quoten und seinem Protektionismus zu verlängern oder im Gegenteil die besonderen Beziehungen zwischen der Europäischen Union und den AKP-Ländern im Namen des Freihandels schrittweise abzubauen, ist eine heuchlerische Debatte zwischen zwei verschiedenen Formen der fortgesetzten Ausplünderung und Verarmung dieser Länder. Ich wende mich gegen eine unwürdige und unmenschliche Organisation, die hunderte Millionen menschlicher Wesen buchstäblich vor Armut krepieren läßt, um den Reichtum einer Minderheit zu mehren. Bereits ein Bruchteil der enormen Reichtümer, die diese großen Konzerne angehäuft haben, würde den armen Ländern die Möglichkeit geben, aus ihrem Elend herauszukommen, aber solange man es nicht wagt, diese kapitalistischen Großkonzerne zur Verantwortung zu ziehen, verschleiert man lediglich die echten Probleme. Herr Präsident, ich spreche Herrn Corrie, Kopräsident der Paritätischen Versammlung AKP-UE, dem die schwierige Aufgabe zuteil wurde, einen Bericht über ein so kompliziertes Gremium wie die AKP-EU-Versammlung zu erstellen, meinen Dank aus. Ich werde mich in meinen Ausführungen lediglich auf einige Punkte beschränken, denen ich grundlegende Bedeutung beimesse. Meines Erachtens muß das Europäische Parlament energisch fordern, daß die Versammlung eine echte parlamentarische Versammlung ist, d. h. es muß bei den AKP-Ländern nachdrücklich darauf dringen, daß sie sich durch Mitglieder der nationalen Parlamente vertreten lassen, um das demokratisch Gefüge in den AKP-Staaten zu stärken. Ich möchte nun etwas zur Debatte beisteuern, indem ich mich der Globalisierung und der WTO zuwende, die von den AKP-Ländern als riesige Gefahr für ihre Entwicklung gesehen werden. Ich halte zwar eine Übergangsfrist für die AKP-Staaten für erforderlich, doch ebenso notwendig ist es, daß sie im Rahmen der neuen Logik der Regionalisierung der Beihilfen nicht nur in den Bereichen Landwirtschaft und Fischerei unterstützt werden, sondern auch bei der Erschließung ihrer mineralischen Ressourcen und ihrer Bodenschätze, deren Abbau mitunter mit geringem wirtschaftlichen Nutzen für die AKP-Länder selbst erfolgt. Der dritte Punkt betrifft die Bemühungen, die das Europäische Parlament - über eine paritätische Arbeitsgruppe innerhalb der Paritätischen Versammlung - zur Stabilisierung der Haushalte der AKP-Staaten unternehmen muß, und zwar durch eine qualifizierte Auswahl der Bilanzposten, um eine wirtschaftliche, vor allem aber eine soziale Entwicklung zu gewährleisten, sowie durch Überwachung der gegebenenfalls in den AKP-Ländern betriebenen Einkommens- und Steuerpolitik. Wir müssen der Bevölkerung der AKP-Länder ein Vorrecht einräumen, indem wir ein Verhältnis zu ihren Regierenden aufbauen und letzteren voll bewußt machen, daß die Entwicklungshilfe der Europäischen Union für das Volk bestimmt ist und nicht für eventuelle Führungsklüngel, die in einigen Ländern die Verwaltung sämtlicher innerer und äußerer Ressourcen an sich gerissen haben. Der vierte Punkt betrifft schließlich die Verhütung von Stammesfehden und zwischenstaatlichen Konflikten, der unsere ständige Sorge gelten muß und die in gewissem Maße sowohl durch eine starke und überzeugende diplomatische Offensive als auch durch die von mir erläuterten Vorschläge erreicht werden kann. Herr Präsident! Ich mache mir die positive Einschätzung des Berichts zu eigen, die meine Kollegin Karin Junker vorhin zum Ausdruck gebracht hat, und möchte hinzufügen, daß Herr Corrie seine Arbeit als Kopräsident der Paritätischen Versammlung AKP-EU mit einem wirksamen und unparteiischen Auftritt aufgenommen hat, der unsere ganze Anerkennung verdient. Mein Beitrag wird sich auf einen punktuellen Sachverhalt beschränken, der sich vor einigen Tagen zum Teil als Folge der Ereignisse ergeben hat, auf die der Bericht hinweist, über den wir hier debattieren. Ich meine die am 2. Februar von Kuba zum Ausdruck gebrachte Absicht, sich als vollberechtigtes Mitglied der Gruppe der AKP-Länder anzuschließen. An der letzten Tagung der Paritätischen Versammlung AKP-EU in Nassau nahm eine kubanische Delegation teil, und vor dem Plenum sprach der stellvertretende Außenminister Dalmau, mit dem eine lebhafte Debatte geführt wurde, an die sich zahlreiche Gesprächen mit vielen von uns anschlossen. Nach Nassau besuchte eine Delegation unseres Parlaments unter Leitung von Herrn Corrie selbst und vom Vorsitzenden des Ausschusses für Entwicklung und Zusammenarbeit, Joaquín Miranda, Havanna, wobei eine Reihe von recht aufschlußreichen Meinungsaustauschen geführt wurde. Ich habe den Eindruck, daß diese Mission des Europäischen Parlaments der letzte Anstoß war, der unsere kubanischen Freunde von der Zweckmäßigkeit überzeugte, bei den Mechanismen der Zusammenarbeit mit der Europäischen Union einen Schritt nach vorn zu tun. Wir stehen vor einer Situation von erheblicher politischer Bedeutung, und ich hoffe, daß wir im Europäischen Parlament die angemessene wohlwollende Sichtweise und eine großzügige Haltung seitens der Union fördern, damit im kürzestmöglichen Zeitraum eine positive Antwort auf die Bestrebungen Kubas gegeben wird. Das wird zumindest aus drei Gründen wichtig sein. Zunächst wird es für Kuba wichtig sein, für seine Entwicklung und für das Wohl seines Volkes und um endgültig die von den USA verhängte Blockade zu durchbrechen, die wiederholt vom Europäischen Parlament und von den Vereinten Nationen verurteilt wurde. Zweitens müssen wir beachten, daß die Bewerbung Kubas von allen AKP-Ländern gefördert worden ist. Wenn seitens der Europäischen Union positiv auf die Empfehlung unserer Partner reagiert wird, werden wir einen Beweis für die Achtung und Wertschätzung gegenüber unseren Partnern liefern, der positive Auswirkungen in dem gesamten Rahmen unserer Zusammenarbeit mit ihnen haben wird. Man darf auch nicht den Wert einer Entscheidung, wie der von mir vorgeschlagenen, als Beweis der Kohärenz und der Autonomie der Europäischen Union und ihrer Nichtunterwerfung gegenüber jedwedem Druck verkennen. Durch die Aufnahme Kubas in die AKP-Gemeinschaft werden wir beweisen, daß wir kein in der unwürdigen Dynamik des paying but not playing verhaftetes Europa sind und daß wir, als wir uns über die Ungereimtheiten, wie das Helms-Burton-Gesetz entrüsteten, dies nicht heuchlerisch taten, sondern mit der Bereitschaft, bis zur letzten Konsequenz zu handeln. In einigen Wochen wird die Paritätische Versammlung AKP-EU erneut tagen, und ich bin sicher, daß dabei dieses Thema behandelt wird. Es wäre wünschenswert, daß die Vertretung des Europäischen Parlaments dabei die kubanischen Pläne unterstützt, wie dies ohne Zweifel die Parlamentarierkollegen aus den AKP-Ländern tun werden. Kuba wird natürlich, genauso wie jeder andere Partner, alle vorgesehenen Bedingungen erfüllen müssen. Das wissen die Kubaner, und sie werden es sicher auf sich nehmen. Es muß auch klar sein, daß man von Kuba nicht mehr verlangen wird, als man von anderen Partnern verlangt hat. Wir begrüßen den Beitrittswillen Kubas, und Kuba möge in unserem Kreis willkommen sein. Ich sage das aus ganzem Herzen, aber auch in der tiefen Überzeugung, daß, so wie die Blockade nichts anderes als Elend und als Folge davon Verkrampfung und Verhärtung seitens der Kubaner hervorgebracht hat, die Integration, die wir hier unterstützen, und die sich daraus ergebende Prosperität ihren Ausdruck in der Entspannung und Öffnung finden werden, die wir alle wünschen und aus der wir alle, in erster Linie das kubanische Volk, Nutzen ziehen werden. Herr Präsident! Ich möchte zunächst ebenfalls dem Berichterstatter, Herrn Corrie, für einen ausgezeichneten Bericht danken, der meiner Ansicht nach sehr gut die Arbeit der Paritätischen Versammlung AKP-EU im Jahr 1999 beschreibt und zusammenfaßt. Meine Redezeit ist jedoch begrenzt und ich möchte eigentlich nur zwei Fragen aufgreifen: Das betrifft erstens die Bekämpfung der Armut, die sich meiner Meinung nach langsam zu einer peinlichen Geschichte für die EU und ihre Mitgliedstaaten entwickelt. Obwohl man sich sowohl im Vertrag, als auch auf den UN-Konferenzen von Rio und Kopenhagen verpflichtet hat, zur Ausrottung der Armut in der Welt beizutragen, kürzt man in der Praxis den Haushalt für die Entwicklungshilfe, was im Gegensatz zu den abgegebenen Erklärungen steht. Wir müssen dieser Tendenz entgegenwirken und den Worten auch Taten folgen lassen. Der Anfang wäre eine Schuldenabschreibung. Ich würde es gerne sehen, wenn wir eine führende Rolle in diesem Prozeß spielen würden. Zweitens sprechen wir in vielen Zusammenhängen davon, daß die AKP-Länder die Grundlagen der Demokratie erlernen müssen. In Punkt 2 und 3 der Entschließung wird gefordert, die Arbeitsmethoden im Rahmen des neuen Übereinkommens weiterzuentwickeln und zu optimieren. Die AKP-Länder sollen aufgefordert werden, unterschiedliche politische Meinungen zu Wort kommen zu lassen. Das halte ich für sehr gut und kann es bedingungslos unterschreiben. Wir müssen uns jedoch auch fragen, wie wir selbst mit der Demokratie umgehen. Wie funktioniert sie innerhalb der Delegation des Europäischen Parlaments zur Paritätischen Versammlung AKP-EU? Im Gegensatz zur Verfahrensweise der Ernennung von Berichterstattern im Europäischen Parlament und den parlamentarischen Ausschüssen, gibt es in der Delegation zu dieser Paritätischen Versammlung keinerlei Regeln dafür. Die beiden großen Fraktionen teilen alle Berichte, Diskussionsgrundlagen usw. unter sich auf. Zur Änderung dieser undemokratischen Verfahrensweise haben wir, die Verts/ALE-Fraktion, den Änderungsantrag 6 eingebracht, in dem wir fordern, daß die Berichterstatter und Verfasser der Diskussionsgrundlagen sowie die Mitglieder der Arbeitsgruppen nach eindeutigen demokratischen Regeln ernannt werden. Dabei sollten auch die kleinen Fraktionen und der Grundsatz der Vertretung beachtet werden. Herr Präsident, Herr Kommissar, Herr Berichterstatter, liebe Kollegen! Auch ich möchte zunächst den Herrn Abgeordneten Alexander Corrie zu der Akribie und Bestimmtheit im Aufbau seines Berichts beglückwünschen. Die Stellungnahme des Europäischen Parlaments zu den Arbeiten der Paritätischen Versammlung AKP-EU war zusammen mit dem unstrittigen Beitrag zur Erreichung der Kohärenz in der Politik und der Rolle der Europäischen Union in den Bereichen Entwicklung und Zusammenarbeit von großer Bedeutung. Hervorzuheben ist die bedeutsame, zunehmend parlamentarische Rolle der Paritätischen Versammlung bei der Festigung der Beziehungen zwischen der Europäischen Union und den AKP-Staaten. Angesichts dieses positiven Vorgehens wäre es in jeder Hinsicht wünschenswert, die Paritätische Versammlung mit einem Haushalt auszustatten, der mit der Anhebung der Qualität ihrer Arbeit im Einklang steht. Hinsichtlich der Organisation dieser Paritätischen Versammlung stimmen wir mit dem Vorschlag des Berichterstatters überein, in den sechs Regionen des Abkommens - der Karibik, dem pazifischen Raum und den vier afrikanischen Regionen - regionale parlamentarische Versammlungen einzuführen. Diese Regionalversammlungen würden die Maßnahmen in den entsprechenden Gebieten begleiten. In allen Aussprachen der Paritätischen Versammlung war die Armut ein gemeinsames Thema und deren Ausmerzung das vorrangige Ziel der Entwicklungspolitik der Europäischen Union. Erinnert sei an die Erfüllung der laut Entschließung der Tagung in Nassau von der internationalen Gemeinschaft beschlossenen quantifizierten Verpflichtungen zur Verringerung der Armut. Gefordert sind Zusammenhalt und Aktionen. Das nächste Lomé-Abkommen muß die Investition in das Bildungswesen spezifizieren und die regionale Zusammenarbeit und die Einbeziehung der einheimischen Stellen fördern. Die Einbeziehung der einheimischen Stellen ist überaus wichtig. In einem breiteren Kontext sehe ich die Umwandlung der Schulden der armen Länder in Programme zur Beseitigung der Armut und für eine nachhaltige Entwicklung sowie die Bekämpfung von Betrügereien und Korruption als vorrangig an. Wir müssen mit konkreten und geschlossenen Maßnahmen fortfahren. Die Bewohner in den armen Ländern beginnen, die Hoffnung zu verlieren. Ich bitte die Kommission, Schritte im Sinne eines raschen Beitritts von Ost-Timor zum Lomé-Abkommen zu unternehmen, um so - neben anderen Maßnahmen - die Beseitigung der Armut zu befördern und seine wirtschaftliche, kulturelle und soziale Entwicklung zur Festigung der Demokratisierung im Lande zu voranzubringen. Abschließend möchte ich es nicht versäumen, die Ratspräsidentschaft zum kommenden Europa-Afrika-Gipfel zu beglückwünschen und alle Teilnehmer aufzurufen, zur Durchführung von praktischen Maßnahmen zum Wohle der Entwicklung, des Friedens, der Demokratie und der Beseitigung der Armut in den unterentwickelten afrikanischen Ländern beizutragen. Herr Präsident, ich möchte die Gelegenheit nutzen und dem Berichterstatter für den ausgezeichneten Bericht danken. Gleichzeitig möchte ich mich bei der Paritätischen Versammlung AKP-EU für ihre Arbeit im Jahr 1999 bedanken. Ich freue mich auch, Ihnen bestätigen zu können, daß ich an der nächsten Sitzung der Paritätischen Versammlung teilnehmen werde, die im März in Nigeria stattfinden wird. Die Kommission möchte der Paritätischen Versammlung gerne eine wichtigere Rolle zuweisen, insbesondere im Hinblick auf die Förderung eines intensiveren politischen Dialogs mit unseren Entwicklungspartnern. Die Kommission stimmt dem Berichterstatter zu, daß die Bekämpfung der Armut nach wie vor das wichtigste Ziel der Entwicklungspolitik ist und immer eine Schlüsselrolle haben wird. Um sich entwickeln zu können, müssen die Länder allerdings aktiv in das globale Wirtschaftssystem einbezogen werden. Was den Handel mit unseren Entwicklungspartnern angeht, möchte die Kommission garantieren, daß bei jeder neuen Maßnahme die besonderen wirtschaftlichen und sozialen Beschränkungen der AKP-Länder berücksichtigt werden. Frau Lucas erwähnte, daß das Stabex- und Sysmin-System fortgeführt werden sollte. Ich bin nicht dieser Meinung. Dieses System hat sich nicht als effektiv erwiesen, da es in Wirklichkeit nur sehr wenigen der 71 Länder nutzt. Ich halte es für zu langsam. Daher ist es verständlich, daß die Entwicklungsländer das neue System begrüßen, da es flexibler sein wird. Im Hinblick auf den zukünftigen Beitritt von Ländern zum Abkommen von Lomé - z. B. von Osttimor - kann ich nur wiederholen, was ich neulich im Ausschuß des Europäischen Parlaments für Entwicklung und Zusammenarbeit gesagt habe, nämlich daß die Tür offen ist. Die Antragsteller selbst entscheiden darüber, ob sie anklopfen wollen. Danach nehmen wir Stellung dazu. Was den Antrag Kubas auf Beitritt zum Abkommen von Lomé angeht, stellt die Kommission fest, daß die AKP-Staaten gemäß ihrer jüngsten Erklärung den Antrag Kubas unterstützen. Die EU war schon immer der Ansicht, daß gegenüber Kuba eine konstruktive Haltung angebracht ist, wie es im Gemeinsamen Standpunkt der EU zum Ausdruck kommt. Man muß allerdings zugeben, daß die Verhandlungen schwierig sein werden. Was die Elfenbeinküste angeht, kann ich mitteilen, daß der Gesamtbetrag von 28 Mio. Euro zurückgezahlt worden ist, wie dies nach Überprüfung der fínanziellen Unregelmäßigkeiten vereinbart wurde. Was die Finanzierung des Europäischen Entwicklungsfonds über den Haushalt angeht, kann ich sagen, daß dies zur Zeit überprüft wird. Die Kommission ist dafür, wir können zum gegenwärtigen Zeitpunkt aber keine weiteren Angaben zu Zeitpunkt und Vorgehensweise machen. Über Artikel 366A kann ich sagen, daß während der Verhandlungen über ein neues Partnerschaftsabkommen ein neues Verfahren zur Behandlung von Verletzungen der Menschenrechte, der demokratischen Prinzipien und des Rechtsstaatsprinzips eingeführt wurde. Wie es zur Zeit aussieht, wird das Parlament nach Annahme des Vertrags von Amsterdam auf der Grundlage von Artikel 300 über alle Entscheidungen informiert werden, und die Kommission wird auch weiterhin die Beschlüsse des Parlaments in dieser Sache beachten. Es ist nicht vorgesehen, das Zustimmungsverfahren im Parlament im Zusammenhang mit solchen Beschlüssen anzuwenden. Dazu wäre nämlich eine Änderung des vor kurzem beschlossenen Vertrags von Amsterdam notwendig. Abschließend eine Anmerkung zum Südafrika-Abkommen, das vom Berichterstatter ebenfalls erwähnt worden ist. Ich freue mich - fast möchte ich sagen, ich bin glücklich - Ihnen heute abend zum Ende dieser Diskussion mitteilen zu können, daß der südafrikanische Präsident heute die Lösung der offenen Probleme zugesagt hat, wie dies Südafrika vom Außenministerrat der EU letzten Montag vorgeschlagen wurde. Der "Grappa-Krieg " ist also zu Ende. Es herrscht Frieden, und wir sehen einer Zusammenarbeit mit Südafrika gemäß den gemeinsamen Träumen und Werten entgegen, die schon seit langem unser Verhältnis hätten bestimmen sollen. Ich halte das für einen schönen Abschluß der Debatte, die insgesamt recht positiv war, und mich möchte mich noch einmal beim Berichterstatter und beim Parlament für die Zusammenarbeit bedanken, die es insbesondere in diesem Zusammenhang im Verhältnis zu den Ländern der Dritten Welt gegeben hat. Vielen Dank, Herr Kommissar. Die Aussprache ist geschlossen. Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt. Nach der Tagesordnung folgt der Bericht (A5-0031/2000) von Herrn Swoboda im Namen des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, Menschenrechte, gemeinsame Sicherheit und Verteidigungspolitik über die Empfehlung der Kommission für einen Beschluß des Rates zur Ermächtigung der Kommission, ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien auszuhandeln (SEC(1999)1279 - C5-0166/1999 -1999/2121(COS)). Herr Präsident, lieber Kommissar Patten, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht heute um ein Land, das wahrlich schwierige Zeiten durchgemacht hat, ein Land, das aber aus eigener Kraft, mit eigenem Willen und sicherlich auch mit der Unterstützung der internationalen Gemeinschaft eine sehr gute Entwicklung genommen hat. Wenn daher die Europäische Union, Rat und Kommission vorschlagen - und das Parlament schließt sich diesem Vorschlag, nehme ich an, morgen an - ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen als erstes in Südosteuropa, im Balkanbereich - ich traue mich durchaus, diesen Begriff zu verwenden - abzuschließen, dann ist das in erster Linie ein Dank oder die Anerkennung dafür, daß FYROM/Mazedonien sich selbst eine gute Position erarbeitet hat, wirtschaftlich, aber natürlich vor allem auch politisch gesehen, angesichts des Krieges in der Nachbarschaft und auch im Verhältnis zur eigenen Minderheit. Denn eine Minderheit von 33 oder auch 35 % im eigenen Land zu haben, ist auch angesichts der Umgebung, in der sich dieses Land befindet, keine Kleinigkeit. Das Land und seine Politiker - sicherlich unterschiedlich da und dort - haben immer eine sehr gute Arbeit geleistet, und das soll anerkannt werden. Die Kommission schlägt uns vor, gemeinsam mit dem Rat ein Abkommen abzuschließen. Ich möchte einige wenige Bemerkungen machen, nämlich betreffend jene Bereiche, in denen es vielleicht ein wenig differenziertere Anschauungen gibt, obwohl ich auch in diesem Zusammenhang die Arbeit und das Interesse des Kommissars Patten für FYROM/Mazedonien und für die gesamte Region in besonderem Ausmaß herausstreichen und auch anerkennend erwähnen möchte. Erstens: Der regionale Ansatz. Ich glaube, der regionale Ansatz ist, wenn er richtig verstanden wird, wichtig und notwendig. Es muß die Bereitschaft zur Zusammenarbeit bestehen. Wenn er nicht gewissermaßen als Zwang verstanden wird, sondern als Bereitschaft, als Möglichkeit, die von jedem Land genutzt werden soll, dann ist dieser Ansatz richtig. Nur, wenn wir nach FYROM/Mazedonien schauen, dann sehen wir, daß in der Nachbarschaft einige Länder sind, mit denen diese Zusammenarbeit z. B. in wirtschaftlicher Hinsicht sehr schwierig ist, wie mit dem Kosovo und Albanien, oder politisch schwierig ist, wie zum Beispiel mit Jugoslawien. Andererseits hat sich die Zusammenarbeit mit Bulgarien, insbesondere auch die mit Griechenland, positiv entwickelt, auch das soll anerkannt werden. In diesem Zusammenhang muß die Europäische Union sich überlegen - sie hat bereits Anfang dieser Woche damit begonnen -, wie das Nachbarland Jugoslawien - ohne auch nur irgendetwas an der Kritik an diesem furchtbaren Regime zurückzunehmen - trotz allem in die regionale Zusammenarbeit einbezogen werden kann. Ich werde daher morgen einen Änderungsantrag stellen, mit dem wir dafür eintreten, daß die Sanktionen auf das Regime konzentriert werden, andererseits jedoch gewisse Erleichterungen für die Bevölkerung und auch für die Wirtschaft im Sinne der wirtschaftlichen Kooperation gegeben werden. In diesem Sinne bin ich dankbar - ich darf das hier erwähnen, da ich aus einem Land komme, durch das die Donau fließt - für Überlegungen, die die Kommission, d. h. Kommissar Patten, aber auch Vizepräsidentin Palacio anstellen, mit der ich vor kurzem in Budapest war, nämlich die Donau wieder schiffbar zu machen, um auch in dieser Region wieder ein Minimum an wirtschaftlichem Aufschwung zu ermöglichen, was insbesondere natürlich auch für Rumänien wichtig wäre. Ich vertrete die Auffassung, daß dieser regionale Ansatz, wenn er richtig verstanden wird, nämlich als eine Methode, um auch in der Region selbst etwas zum wirtschaftlichen Aufschwung beizutragen, der richtige Weg ist. Wie gesagt, er darf nicht als Zwang empfunden und auch nicht als Vorbedingung gestellt werden. Zweitens: Ich möchte ganz klar und deutlich sagen, wir wollen, daß FYROM/Mazedonien der Weg in die Europäische Union offen steht und angeboten wird. Wir halten es für eine Illusion zu glauben, daß es sinnvoll wäre, jetzt einen Beitrittsantrag zu stellen, aber wir halten es auch für falsch zu meinen, darüber reden wir irgendwann einmal später. Jetzt will Mazedonien/FYROM die Antwort haben, daß es vom Grundsatz her diese Möglichkeit haben wird, wenn es soweit ist. Das Land fürchtet, gewissermaßen auf ein Abstellgleis gestellt zu werden. Es sieht in der ganzen Umgestaltung der Förderungsinstrumente die Gefahr, nicht mehr der letzte Waggon eines Zuges zu sein, der sich Richtung Europa bewegt, sondern daß sich dieser Zug in Europa weiterbewegt und es auf einem Abstellgleis landet. Aber ich glaube, auch dafür hat Kommissar Patten Verständnis. Ich bitte ihn wirklich mit allem Nachdruck, auch das in den entsprechenden Gesprächen klar zu machen. Drittens: Ich glaube, Mazedonien/FYROM hat - bisher jedenfalls - gezeigt, daß es auch fähig ist, mit den Instrumenten gut umzugehen. Auch wenn es hier natürlich Umstellungen gibt, wird Mazedonien/FYROM auch weiterhin zeigen, daß viele von den Aufgaben, die heute noch in Brüssel erledigt werden, in Zukunft in Skopje, in dem Land selbst entwickelt werden können. Ich hoffe, daß die Kolleginnen und Kollegen dem zustimmen können, daß wir diese Anträge als Zeichen des guten Willens gegenüber FYROM/Mazedonien annehmen. Herr Präsident! Seit Beginn der Jugoslawienkriege hat die Republik Mazedonien - ich benutze am liebsten diese Kurzbezeichnung - eine konstruktive und friedenserhaltende Rolle gespielt. Wir erinnern an die damaligen Vorschläge der Regierungen von Mazedonien und Bosnien-Herzegowina, die auf ein gewaltfreies Herauslösen aus der jugoslawischen Föderationsstruktur abzielten. Unsere mazedonischen Freunde haben also immer eine recht positive Rolle gespielt. Aus diesem Grund muß hier gesagt werden, daß Mazedonien nicht einfach Gegenstand, sondern vielmehr Ursprung unseres sogenannten Stabilisierungsstrebens ist. Dem damaligen Präsidenten Gligorow ist dies als besonderes Verdienst anzurechnen, und auch der derzeitige Präsident hat sich bereits so sehr als Präsident aller mazedonischen Bürger profiliert, daß sich die Europäische Union nur glücklich schätzen kann, einen solchen Gesprächspartner auf dem Balkan zu haben. Trotz dieser offensichtlichen Gründe für eventuelle Spannungen im Land haben die beiden Bevölkerungsgruppen einen vernünftigen modus vivendi gefunden, und die Aussichten auf eine vertretbare Lösung der verbleibenden Probleme sind günstig. Vor allem haben mir gerade in Mazedonien seinerzeit auch Angehörige der Bevölkerungsgruppe der Roma gesagt, es gefalle ihnen dort eigentlich ganz gut. Das hatte ich von den Roma in Europa nur selten gehört. Im Hinblick auf die Probleme Mazedoniens verdienen Hochschuleinrichtungen für die albanischsprachige Bevölkerung besondere Aufmerksamkeit. Der Zugang zu Hochschulen, mit denen man sich auch in gewisser Weise verbunden fühlt, ist ein wichtiges Mittel für die Emanzipation von Bevölkerungsgruppen - als Absolvent einer protestantischen Universität in Amsterdam spreche ich hier aus eigener Erfahrung. Sonst hätte ich vielleicht niemals studiert. Eine solche Verbundenheit und eine solche Hochschulbildung sind auch für die Entwicklung des Rechtsstaats und für das zu Recht erwähnte gesellschaftliche Mittelfeld, das in solchen Ländern gestärkt werden muß, von Bedeutung. In dem Abkommen mit Mazedonien muß außerdem Ersatz für die Schäden vorgesehen sein, die dieses Land durch das von uns gegen Serbien verhängte Embargo erlitten hat, das uns nichts kostet, die Nachbarstaaten Serbiens dafür aber um so mehr. Vor allem im Hinblick auf die Nachbarstaaten würden wir es begrüßen, wenn wir hier einen anderen Kurs einschlagen könnten. Es ist nur recht und billig, wenn wir uns jetzt gründlich mit der Unterstützung für Mazedonien befassen. Wir werden daher den Änderungsantrag der Liberalen uneingeschränkt unterstützen, in dem gefordert wird, die Hilfe nicht an die Interessen der Geberstaaten zu binden, denn mit den Hilfsgeldern für den Wiederaufbau müssen wir der Wirtschaft in Mazedonien und in der Region so viele Chancen wie möglich geben. Zu der Region zähle ich auch Bulgarien und Rumänien, denn es ist meines Erachtens ein taktischer und psychologischer Fehler, nur von den fünf Staaten des ehemaligen Jugoslawien plus Albanien zu sprechen. Es geht uns darum, daß die Wirtschaft in der gesamten Region wieder auf eigenen Füßen stehen kann. Das können wir mit den Hilfsgeldern erreichen. Das Abkommen mit Mazedonien muß als die Öffnung der Tür der Europäischen Union für einen Beitritt des Landes betrachtet werden können, wenngleich dieser noch in weiter Ferne liegt. In der Zwischenzeit muß unsere Politik ständig von dem Bestreben getragen sein, die Rechtsetzung in Mazedonien möge sich tatsächlich mit der in den Mitgliedstaaten decken. Das muß unsere Politik bis hin zur Benennung der Hilfsprogramme für Mazedonien widerspiegeln. In diesem Zusammenhang sei das PHARE-Programm erwähnt. Die Bezeichnung der Republik ist wegen der griechischen Empfindlichkeiten noch immer ein Problem. Ich gehe davon aus, daß die Mitgliedstaaten sich zunehmend frei fühlen werden, die in ihrer Sprache auf die Republik zutreffende Bezeichnung zu verwenden. Wenn manche Länder bei "ehemaliges Jugoslawien" bleiben wollen, dann ist das ihre Sache, andere brauchen sich nicht dazu verpflichtet zu fühlen. Man kann uns nicht fortwährend unter Druck setzen. Daher unterstütze ich den fundierten Bericht von Herr Swoboda - wir sind von ihm nichts anderes gewöhnt -, und daher auch meine anerkennenden Worte über die achtbare Republik Mazedonien. Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, gestatten Sie mir zunächst, dem Berichterstatter, Herrn Swoboda, meine persönliche Anerkennung für die Qualität seiner Arbeit auszusprechen. Heute geben wir eine befürwortende Stellungnahme zur Einleitung von Verhandlungen über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Republik Mazedonien ab. Wir tun dies in dem Bewußtsein, daß dieser Beschluß, der erste überhaupt, der sich auf diese Region bezieht, konkret in eine vollkommen neue Phase unserer Beziehungen zum Balkan eingebettet ist. Er ist selbst ein Faktor dieser neuen Phase bzw. einer Politik, die in der zukünftigen Integration dieser Region in die Europäische Union die einzige Möglichkeit für eine friedliche Lösung ihrer Konflikte sieht. Unsere Zustimmung zu den Verhandlungen, wie sie in der Begründung des Berichterstatters vorgeschlagen wird, fußt auf unserer Überzeugung, daß es richtig ist, in der Politik der Union sowohl eine regionale Dimension als auch die spezifische Würdigung der Anstrengungen und Ergebnisse der einzelnen Mitgliedstaaten bei der Angleichung an den gemeinschaftlichen Besitzstand miteinander zu kombinieren. Diese doppelte Zielsetzung muß meines Erachtens verfolgt werden. Deshalb müssen zum einen die sich beispielsweise auf die Infrastrukturen beziehenden Programme unterstützt, die Schaffung einer Freihandelszone - für die es noch zu früh ist - vorbereitet sowie Formen der wirtschaftlichen und kommerziellen Zusammenarbeit zwischen den Balkanländern gefördert werden, und zum anderen ist es abgebracht, jetzt mit der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien ein Vorbild für eine engere Integrationspolitik zu schaffen. Im übrigen kommen wir aus verschiedenen Gründen nicht umhin, eine positive Stellungnahme abzugeben. Wie wir im Rahmen unserer Missionen in Skopje, in der ehemaligen Republik Jugoslawien, feststellen konnten, sind die Fortschritte im wirtschaftlichen Bereich, auf dem Weg zur Demokratie und auf dem - in der Balkanregion recht schwierigen und konfliktreichen - Gebiet des Zusammenlebens verschiedener Volksgruppen beachtlich; andererseits wurde dort für den Krieg im benachbarten Kosovo sowohl durch Bereitstellung von Logistik für die NATO-Streitkräfte als auch durch die sinkenden Exporte nach Nordeuropa ein hoher Preis bezahlt. Abschließend möchte ich betonen, daß diese Entwicklungen zweifellos schwierig, unbeständig und unsicher sind und unsererseits ständige Wachsamkeit in bezug auf die verschiedenen Etappen verlangen, die durch regelmäßige und gezielte Kontrollen zum Ausdruck kommen muß. Herr Präsident, Herr Kommissar, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte an dieser Stelle zum Ausdruck bringen, daß die Aufnahme von Verhandlungen mit der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien von der Fraktion der Liberalen, der Demokraten und der Reformer Europas lebhaft und zuversichtlich begrüßt wird. Ich hege die starke Hoffnung, daß dieses Abkommen in seinen vom Berichterstatter, Herrn Swoboda, umrissenen Grundzügen als Beispiel dienen möge und schnellstens auf andere Länder, insbesondere auf Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Montenegro, Kosovo, und sobald wie möglich auch auf Serbien ausgedehnt wird. Unserer Überzeugung nach sind eine rasche Einleitung dieser Verhandlungen und deren zügiger Abschluß der einzige Weg, um Frieden in der Region zu schaffen - jenen Frieden, der seit Beendigung des Krieges im Kosovo nicht automatisch eintrat - und damit zu verhindern, daß erneut Bedingungen für weiteren Zerfall entstehen und Chaos und Gewalt wieder um sich greifen, was zur Instabilität in Europa, wenn nicht gar in der Welt, führt. Wenn die Gewährleistung von Frieden und Sicherheit der Hauptgrund für den gegenwärtigen mutigen Prozeß der Erweiterung der Union um die osteuropäischen Länder ist, so muß dies um so mehr für die Beziehungen zu Albanien und zu den Ländern der ehemaligen Republik Jugoslawien gelten. Deshalb muß diese Art parallele Südosterweiterung, wie sie durch die hier diskutierten Abkommen dargestellt wird, entschlossen weiterverfolgt werden. In diesem Sinne haben wir, beinahe provokatorisch, einen Änderungsantrag eingebracht, um die Übertragung der Zuständigkeiten für Südosteuropa vom Bereich Außenbeziehungen auf den Bereich Erweiterung anzuregen. Der zügigeren und unmittelbaren Einbindung Südosteuropas in das Leben der EU-Institutionen dient auch unser Vorschlag, eine begrenzte Anzahl von durch die nationalen Parlamente in das Europäische Parlament entsandten Beobachtern zuzulassen und beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften sowie bei der Europäischen Kommission die Mitarbeit von Personal aus diesen Ländern zu ermöglichen. Um jedoch die Entwicklung der Region zu einer demokratischeren Gesellschaft mit einer stärkeren marktwirtschaftlichen Basis zu fördern, müssen nach unserem Dafürhalten insbesondere sofortige konkrete Schritte unternommen werden, um den Kampf gegen die Korruption zu verstärken und die Wirksamkeit der internationalen Wiederaufbau- und Entwicklungshilfe zu erhöhen. Hierzu haben wir einige Änderungsanträge eingereicht, die das Parlament hoffentlich übernehmen wird: Erstens sollte der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien eine völlige Zollbefreiung für ihre Ausfuhren in die Europäische Union sowie ein Ausgleich für die schrittweise Senkung der ihrerseits auf EU-Erzeugnisse erhobenen Zollgebühren angeboten werden, sofern eine gemeinsame Zollkontrolle an den Grenzen Mazedoniens akzeptiert wird; zweitens sollte die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien durch eine entsprechende finanzielle Unterstützung dazu angeregt werden, ihre Währung stufenweise an den Euro zu koppeln, was ein erster Schritt zur Anpassung der gesamten mazedonischen Wirtschaft an EU-Bedingungen wäre und darüber hinaus darauf abzielt, jede mögliche Korruption im Bankwesen zu unterbinden; drittens sollte die notwendige internationale Hilfe und Unterstützung für die Region und damit auch für Mazedonien eindeutig multilateralen Charakter haben und von keinerlei direkten Verpflichtung des Empfängerlandes gegenüber dem Geberland abhängig gemacht werden. Wir hoffen, daß mit diesem Abkommen alle angestrebten Ziele erreicht werden, doch dürfen wir uns nicht vormachen, Frieden, Stabilität und Wohlstand in Südosteuropa könnten verwirklicht werden, ohne sich mit Themen auseinanderzusetzen, die viel weitreichendere Probleme betreffen, die wir zu lösen versuchen: Damit meine ich den künftigen verfassungsmäßigen Status des Kosovo, die notwendige Einbeziehung Serbiens in den Aussöhnungsprozeß der Region und - warum nicht - die Neuerörterung der Beziehungen zwischen der Europäischen Union, der NATO und der UNO im Lichte des neuen Gleichgewichts, das zwischen humanitärer Einmischung und staatlicher Souveränität gefunden werden und meines Erachtens selbst zu einer Änderung der UN-Charta führen muß. Herr Präsident, Herr Kommissar! Der Kosovokrieg hat enorme Spannungen verursacht. Das gilt vor allem für das Verhältnis zwischen der Europäischen Union und dem westlichen Balkan. Seitdem sind die Erwartungen hier wie dort sehr hoch. Dort, auf dem Balkan, weil, ob uns das nun paßt oder nicht, neben der Bitte um direkte Unterstützung auch die Frage aufgeworfen wird: Was will Europa nun letztlich von uns? Gibt es eine Perspektive auf Mitgliedschaft? Diese Frage ist in all diesen Ländern präsent. Aber auch hier, in der Europäischen Union, erwartet man viel. Dies könnte der erste Test für eine wirklich gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik sein. Gelingt es der Union, erstmals gemeinsam aufzutreten und eine gemeinsame Politik für eine so schwierige Regelung zu führen? Es ist auch die Frage, ob die Europäische Union ihre Lektion im Zusammenhang mit Hilfsleistungen aus den schlechten Erfahrungen in Bosnien und den etwas besseren Erfahrungen im Kosovo gelernt hat. Können wir es angesichts der Erfahrungen in Mazedonien und in vier anderen Ländern noch besser machen? Vor diesem Hintergrund sehr hoher Erwartungen kann ich wohl ohne zu übertreiben sagen, daß dieser erste Schritt, das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit Mazedonien, von wesentlicher Bedeutung ist. Es ist nicht der einzige Beitrag der Union. In Kürze debattieren wir über den Stabilitätspakt, das CARA-Programm und die kurzfristige Finanzierung. Jetzt sprechen wir über die Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen, die mittelfristige Perspektive. Meines Erachtens ist dieses erste Abkommen mit Mazedonien besonders wichtig, denn es ist ein Modell. Ich bin davon überzeugt, daß sich die anderen vier Länder fragen: Was wird geschehen? Wie wird sich die Europäische Union gegenüber Mazedonien verhalten? Werden sie das, was sie mit Mazedonien machen, auch mit uns tun? Wegen dieses Modellcharakters ist dieser erste Schritt so bedeutsam. Mazedonien ist auch in anderer Hinsicht ein Modellfall - der Berichterstatter hat explizit darauf hingewiesen -, nämlich im Bereich interethnische Verhältnisse. Wir dürfen die Situation hier nicht beschönigen. Bei den Präsidentschaftswahlen hat sich gezeigt, daß es noch einige Probleme gibt, aber verglichen mit dem Rest der Region könnte man von einem mazedonischen Modell sprechen. Es wäre viel gewonnen, wenn es uns gelänge, das Modell gemeinsam mit Mazedonien in die übrigen Länder des westlichen Balkans zu exportieren. Der Beispielcharakter gilt auch für die regionale Zusammenarbeit. Ich stimme dem Berichterstatter vollkommen zu, daß dort ein Gleichgewicht gefunden werden muß zwischen der Ermutigung zur regionalen Zusammenarbeit auf der einen und der Öffnung zu Bulgarien und Griechenland auf der anderen Seite. Wenn wir diesen ersten Schritt richtig machen, ist schon sehr viel gewonnen. Wenn wir Fehler begehen, geht noch viel mehr verloren. Herr Präsident! Lassen Sie mich zunächst feststellen, daß es für mich keine Probleme gibt, dem sehr fundierten Bericht grundsätzlich zuzustimmen. Ich will lediglich auf eine Frage hinweisen, die in dem Bericht meiner Meinung nach fehlt und die für Mazedonien und für die Effektivität der finanziellen und anderen Unterstützung der EU ein großes Problem darstellt. Ich spreche von den Sanktionen gegen Jugoslawien. Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen: Auch ich halte eine wirkungsvolle Auseinandersetzung mit dem Milosevic-Regime für erforderlich. Aber erstens treffen diese Sanktionen in umfangreicher und negativer Weise auch viele der Nachbarstaaten, darunter Mazedonien, die ohnehin in schwierigster wirtschaftlicher Situation sind. Zweitens wird unter Verletzung humanitärer Gesichtspunkte und politisch kontraproduktiv die gesamte jugoslawische Bevölkerung für Milosevic und seinen Zirkel haftbar gemacht. Ich meine daher, wie im Änderungsantrag 10 formuliert, daß unser heutiges Thema uns veranlassen sollte, eine schnelle Beendigung dieser Sanktionspolitik zu fordern. Herr Präsident, sehr geehrte Kollegen! Der Krieg im Kosovo mußte nicht beendet werden, um zu dem Schluß zu gelangen, daß es nach mehreren Kriegen auf dem Territorium des ehemaligen Jugoslawiens mit ihren unzähligen negativen Folgen für die Stabilität auf dem Balkan einer globalen und dauerhaften Strategie für die gesamte Region bedarf, um Frieden und Stabilität in Südosteuropa zu gewährleisten. Diese Strategie, die mit dem am 10. Juni 1999 in Köln beschlossenen Stabilisierungspakt Gestalt annahm, sieht zwar die südosteuropäische Region als ein Ganzes, erkennt jedoch gleichzeitig die Vielfalt und Verschiedenartigkeit in der Entwicklung der einzelnen, zu ihr gehörenden Länder an. Der Beitrag der Europäischen Union im Rahmen des Stabilitätspaktes, der im sogenannten Stabilisierungs- und Assoziierungsprozeß zum Ausdruck kommt, besteht in der Umsetzung des 1996 von der Europäischen Gemeinschaft für die fünf Länder in der Region - Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Bundesrepublik Jugoslawien, ehemalige jugoslawische Republik, ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien und Albanien - aufgestellten Regionalkonzeptes, dessen wichtigster Aspekt die Schaffung von politischen und wirtschaftlichen Bedingungen zur Unterstützung der Umsetzung des Friedensabkommens von Dayton ist, das so zur regionalen Stabilität beitragen sollte. Die Herstellung von Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien auf einer völlig neuen Grundlage und die Eröffnung einer Perspektive für dieses Land zu seiner vollständigen Integration in die Strukturen der Europäischen Union durch das im Stabilisierungs- und Assoziierungsprozeß vorgesehene Konzept sind daher ein wichtiger Beitrag zur Stabilität auf dem Balkan. Voraussetzung dafür ist die Bereitschaft der Länder, eine Reihe von bestimmten Bedingungen zu akzeptieren. Perspektivisch gesehen senden wir ihnen ein politisch relevantes Signal, daß sie möglicherweise eines Tages zu uns gehören, selbstverständlich unter Achtung ihrer jeweiligen Souveränität. Ohne sich falschen Illusionen hinzugeben: Das Mandat, das wir der Kommission heute erteilen, kann nach Zustandekommen des Abkommens zu einem ersten großen Schritt in Richtung Frieden und Stabilität in dieser leidgeprüften Region werden, deren Völker ja bereits zweifelsfrei bewiesen haben, daß sie danach streben können, zu unserem Raum der Freiheit und Entwicklung zu gehören. Genug des Leids, das sie unter dem sowjetischen Joch ertragen mußten und des Preises, den sie später bezahlen mußten, weil sie gezwungen waren, sich dem kommunistischen Block anzuschließen. Nach dem, was wir wissen, ist die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien vom politischen und ökonomischen Standpunkt her in der Lage, mit der Europäischen Union neue vertragliche Beziehungen einzugehen, die über das seit dem 1. Juni 1998 geltende Kooperationsabkommen hinausgehen, das in der Praxis auf die Achtung der Nationen der Gemeinschaft, insbesondere in Schlüsselbereichen des Binnenmarktes, gerichtet ist. Die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien muß wahrlich noch große Anstrengungen unternehmen. Wenn wir jedoch an die bereits im Rahmen des Kooperationsabkommens durchgeführten politischen und wirtschaftlichen Reformen denken und berücksichtigen, daß in bestimmten Bereichen Übergangsfristen zugestanden werden müssen, dann wird dieses Land in der Lage sein, die Bedingungen für ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zu erfüllen. Indem wir der Annahme beipflichten, daß ihre Entwicklung ein Faktor für die Stabilität in der Region ist, indem wir den Verhandlungsauftrag in dem uns vorgeschlagenen Sinne definieren und hervorheben, daß es sich um ein bilaterales Abkommen mit der Europäischen Union handelt, stimmen wir mit dem Berichterstatter überein, wenn er unterstreicht, daß dies die erste konkrete Umsetzung einer integrierten und langfristig angelegten Strategie für Südosteuropa ist und daß sich die Frage stellt, wie der Balkan auf lange Sicht strukturiert sein wird, damit Frieden und Stabilität gewährleistet sind. In diesem Zusammenhang besitzen die verschiedenen hier zur regionalen Zusammenarbeit hergestellten Bezüge ganz sicher einen politischen Stellenwert. Dieses Abkommen kann und soll sogar in bezug auf die anderen Länder der Region exemplarisch sein. Eben darin liegt seine besondere Bedeutung. Hier geht es doch darum, daß diesem gesamten Prozeß ein wirklicher politischer Wille der Europäischen Union zur Annäherung an diese Länder zugrunde liegt. Wir verkennen nicht, daß in einigen von ihnen Prozesse einer demokratischen Stabilisierung stattfinden, in anderen die demokratische Staatsgewalt sich noch Bahn brechen muß und in wieder anderen das herrschende Gleichgewicht von der militärischen Präsenz in dem Gebiet abhängig ist. Doch diese Länder wissen von nun an, daß sie nach der Überwindung ihrer Schwierigkeiten eine Brücke beschreiten können, auf der sie zu einer wirklichen Verbindung mit der Europäischen Union gelangen können. Herr Präsident, Herr Kommissar, verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich werde mich nicht dem einstimmigen Chor meiner Kollegen anschließen. Meines Erachtens ist dieser Bericht ein kleines Meisterwerk an Heuchelei. Im Absatz 4 wird vom Vorbildcharakter dieses Abkommens gesprochen. Bekanntlich gibt es von Litauen bis zur Türkei 13 Beitrittskandidaten sowie ein schwarzes Loch in Europa, nämlich den Balkan, und wir möchten diese Länder glauben machen, dieses Abkommen sei außergewöhnlich, während wir ihnen gleichzeitig den Kandidatenstatus verweigern. In Punkt 11 ist von symbolhaften Maßnahmen die Rede, die an die Stelle des politischen Abkommens treten könnten, also der politischen Perspektive, die der Kandidatenstatus repräsentiert. Dieser Bericht ist aber nicht nur ein Meisterwerk an Heuchelei, verehrte Kolleginnen und Kollegen, sondern auch eine Absurdität, denn wenn die Verhandlungen morgen beginnen, wird dieses Abkommen in einem Jahr unterzeichnet, und es kann in drei Jahren in Kraft treten. Und ich bitte Sie, einmal darüber nachzudenken, daß sie von seiten der Balkanstaaten innerhalb der nächsten drei Jahre weder von Kroatien noch von Mazedonien oder Bosnien ein ordnungsgemäßes Beitrittsgesuch erhalten werden. Herr Racan hat vor einigen Tagen für Ende 2000 das formale Beitrittsgesuch Kroatiens angekündigt. Ich bin sicher, daß wir noch weitere Beitrittsgesuche erhalten werden, und dann wird diese schöne Arbeit, dieses schöne intellektuelle Konstrukt in sich zusammenfallen, weil es von den Ereignissen eingeholt worden ist, wie wir in den letzten 20 Jahren von sämtlichen Ereignissen in Ex-Jugoslawien eingeholt worden sind. All dies wäre nicht gravierend, wenn es in dieser Region Europas nicht die bekannten Probleme gäbe, wenn es nicht die Probleme gäbe, die zwar bereits angegangen wurden, die die neue mazedonische Regierung aber noch nicht gelöst hat, wie etwa das schwierige Zusammenleben der mazedonischen Mehrheit und der albanischen Minderheit und die damit verbundenen Probleme im Kosovo; wenn es die bekannten wirtschaftlichen Probleme nicht gäbe, die Nachbarschaftsstreitigkeiten mit einer besonders starken Mafia in Serbien; wenn es nicht dieses Problem mit einem Veto gäbe, das man an sich schon anprangern müßte, das Veto Griechenlands, das es diesem Land nach fast zehn Jahren immer noch verwehrt, sich bei seinem Namen zu nennen; und ich hoffe, die Dolmetscher haben nicht den Begriff FYROM verwendet, als ich von Mazedonien gesprochen habe. All dies ist vollkommen absurd. Meines Erachtens ist dies in erster Linie ein Angriff auf unsere griechischen Kollegen und auf die griechischen Bürger. Dieses Problem muß dringend gelöst werden. Und schließlich konnte ich aufgrund eines glücklichen Zufalls einen Brief des mazedonischen Präsidenten Georgiewski an Herrn Fischler vom 8. März lesen, in dem Herr Georgiewski gemäß Artikel O, heute Artikel 49 des Vertrags, um Aufnahme Mazedoniens in die Europäische Union bittet. Warum hat uns der Rat nicht darüber informiert? Warum hat uns die Kommission nicht über dieses formale Gesuch von seiten Mazedoniens informiert? Herr Präsident, Herr Kommissar! Vom Balkan gibt es in politischer Hinsicht nicht nur Negatives zu berichten. Man muß auch die durchaus positiven Entwicklungen in der Republik Mazedonien in den letzten, kritischen Jahren sehen. Die schreckliche Eskalation ethnischer Gewalt im benachbarten Kosovo hat nicht auf das Territorium Mazedoniens übergegriffen. Es ist paradox, aber wahr: Der Krieg auf dem Amselfeld, dem Kosovo Polje, hat genau das Gegenteil bewirkt, nämlich einen deutlichen Abbau des gefährlichen Mißtrauens zwischen der mazedonischen Bevölkerungsmehrheit und der albanischen Minderheit. Aus der Sicht der ersteren verhielt sich letztere während der internationalen Explosion des Kosovokonflikts loyal gegenüber dem gemeinsamen Staat. Und von der albanischen Minderheit aus gesehen sind die Mazedonier und der mazedonische Staat ihren nachbarschaftlichen Verpflichtungen gegenüber der bis aufs äußerste gequälten albanischen Bevölkerungsmehrheit des Kosovo in großzügiger Weise nachgekommen. Dieses bemerkenswerte Resultat der Kriegshandlungen im Kosovo kann daher zu Recht gleichsam als zweite Staatsgründung der Republik Mazedonien bezeichnet werden. Der ausgewogene, lobenswerte Bericht von Herrn Swoboda schließt ganz konkret an dieses überraschende und erfreuliche Ergebnis an. Die Europäische Union weiß also, was sie in Mazedonien zu tun hat: Sie muß diesem neuen regionalen Zufluchtsort für unzählige Kriegsflüchtlinge dabei helfen, seiner Rolle als treibende Kraft in dem beabsichtigten Stabilitätspakt auf dem Balkan angemessen gerecht zu werden. Herr Präsident, ich kümmere mich seit acht Jahren um Mazedonien, und ich möchte gerne Herrn Dupuis widersprechen. Es ist keine Heuchelei, was wir hier tun. Wir sind an einem guten Zeitpunkt angelangt, und ich glaube, die Mazedonier freuen sich darüber. Seien Sie bitte nicht so häßlich und gießen ihnen hier Wasser in den Wein. Ich denke, wir sollten positiver an diese Sache herangehen. Mazedonien hatte keinen Krieg. Aber es hat unter dem Krieg in der Nachbarschaft und unter den Sanktionen gelitten, und es leidet noch unter den Sanktionen, die zu Recht über die Nachbarländer verhängt wurden. Es hat unendlich unter dem Flüchtlingsstrom im Kosovo-Krieg gelitten. Darum muß man auch sagen, daß die Entwicklung in Mazedonien erstaunlich kontinuierlich demokratisch verlaufen ist. Es ist ein Land, das im Inneren schwierige interethnische Probleme zu bewältigen hat und diese zunehmend erfolgreich löst. Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, daß wir Mazedonien zu einer vorbildlichen Minderheitengesetzgebung und deren Handhabung beglückwünschen können, und daß die konsequente Einbindung der 30 % albanischer Bevölkerung in das Regierungshandeln, in die Regierungspolitik und in die Gesellschaft Voraussetzung für das friedliche Miteinander in Mazedonien ist. Ich freue mich, daß der Wunsch, den Herr Swoboda in seinem Bericht ausgedrückt hat, Anfang März in Erfüllung geht, daß also die EU-Delegation dort unten endlich entsteht, daß wir dort unten endlich aufgewertet werden als Europäische Union. Ich finde, daß der Beginn dieser Verhandlungen des Stabilitäts- und Assoziierungsprozesses die logische Schlußfolgerung einer gedeihlichen und guten Entwicklung in diesem Lande sind. Im Rahmen unseres politischen Engagements muß Mazedonien endlich praktisch erfahren, daß seine eigene begrüßenswerte regionale Kooperation von uns auch belohnt wird mit tatsächlicher Inangriffnahme regionaler Projekte. Ich will nur zwei kleine nennen: Die schnelle Lösung des Problems am Grenzübergang zum Kosovo in Blace und die Verwirklichung des Korridors 8, also von Albanien über Mazedonien nach Bulgarien. Ich finde, der Bericht des Herrn Kollegen Swoboda ist hervorragend, und ich kann mich ihm voll und ganz anschließen. Herr Präsident! Auch ich möchte Herrn Swoboda meine Glückwünsche zu seinem Bericht aussprechen. Es ist zu begrüßen, daß hier so viele den von ihm gewählten Ansatz unterstützen. Es geht darum, die Stabilität in der Region strukturell anzugehen, und das ist auch der Inhalt des Abkommens mit der Republik Mazedonien, das wir heute behandeln. Während die tatsächliche Ausführung des Stabilitätspakts noch auf den Weg gebracht werden muß, hat die Kommission bei der Entwicklung des neuen Instruments, dem Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen, schnell gearbeitet. Damit wird mit der vertragsmäßigen Stabilisierung der Länder des ehemaligen Jugoslawiens begonnen. Es geht um die Länder, die noch nicht für ein Heranführungsabkommen in Frage kommen. Das vorliegende Abkommen ist eigentlich eine Art "Vor-Vor-Abkommen ", aber mit der Perspektive einer künftigen Mitgliedschaft. Diese Einbindung von Ländern über aktive Verträge ist ein sehr gutes Instrument, sofern die darin festgelegten Vereinbarungen energisch umgesetzt werden, damit die erhoffte Stabilisierung auch eintritt. Mazedonien ist nach wie vor ein potentielles Pulverfaß und hat als solches eine Geschichte. Es hat aber den Ehrgeiz, sich dieses Images zu entledigen. Dazu bedarf es innerer Stabilität. Die neue Regierung wird darauf angesprochen werden, und das Abkommen kann eine Agenda für Reformen sein, einschließlich der direkten Mitwirkung und Gleichstellung der albanischen Minderheit. Das Land braucht nun vor allem Ruhe, um Ordnung im Inneren zu schaffen und den Weg zu mehr Wohlstand zu finden. Wir, die Sozialdemokraten, appellieren an die Opposition, sich dieser Auffassung entsprechend zu verhalten. Sie muß das hier so vielgepriesene Mazedonien-Modell mittragen. Das Land braucht aber auch und vor allem Stabilität nach außen. Was nützt innere Stabilität, wenn die Umgebung instabil ist? Diese Stabilität ist in den Beziehungen zu Jugoslawien, Kosovo, Albanien und Bulgarien erforderlich. Die Region muß zur Kenntnis nehmen, daß Mazedonien existiert und auch weiterhin bestehen wird. Externe Stabilität bedeutet offene Grenzen und regionale Zusammenarbeit. Minderheiten und Mehrheiten müssen Raum für menschlichen und kulturellen Austausch erhalten. Die Stabilität Mazedoniens ist eng mit der Entwicklung in den Nachbarländern verzahnt. Das Kosovo-Problem ist bekannt, dort ist die internationale Gemeinschaft massiv präsent. Anscheinend wird der Faktor Albanien unterschätzt. Nach Ansicht der Union ist die Zeit für ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit diesem Land noch nicht reif. Wann aber dann? Gerade die Argumente, mit Mazedonien ein Abkommen zu schließen und mit Albanien noch nicht, erfüllen uns mit so viel Besorgnis, daß eine abwartende Haltung der Union gegenüber Albanien wirklich nicht akzeptabel ist. Welche Position bezieht die Kommission in dieser Frage? Jugoslawien ist ebenso eine Schwachstelle in der Stabilität und stellt damit eine Bedrohung für ein stabiles Mazedonien dar. Wir müssen abwarten, was dort geschieht. Die Stimmung in Belgrad ist von Tag zu Tag schwerer einzuschätzen. Wir unterstützen jedoch den Beschluß des Rats, den Schwerpunkt der Sanktionen zu verlagern. Damit wird zumindest endlich ernsthaft versucht, der Opposition, die sich auf eine neue Runde von Demonstrationen vorbereitet, den Rücken zu stärken. Was wird die Union weiter in diese Richtung unternehmen, sollte der Forderung der Opposition - vorgezogene Wahlen - stattgegeben werden? Was können wir noch zur Unterstützung dieser Opposition tun und unternehmen? Herr Präsident, Herr Kommissar! Der Kosovo war hoffentlich der letzte Fall, in dem das Völkerrecht dahingehend ausgelegt werden konnte, daß ein diktatorischer Führer Minderheiten auf die abscheulichste Art und Weise verfolgen konnte, unter Hinweis darauf, daß es "innerhalb der eigenen Nation " geschieht. Als die USA und die NATO sowie letztendlich auch die EU reagierten, war es bereits spät, sehr spät. Viel Leid hätte vermieden werden können, wenn u. a. die EU deutlicher und früher reagiert hätte. Darum haben wir, die Europäische Union, nun eine besondere Verantwortung für die Hilfe, Unterstützung und den Aufbau auf dem Balkan. Unser letztendliches Ziel muß es sein, für alle Länder Südosteuropas die Voraussetzungen für eine wirtschaftliche, handelspolitische und politische Integration in die übrige EU zu schaffen. Ein fruchtbarer Boden für die Demokratie in diesem vom Kriege verheerten Teil Europas wird am besten durch Handel und durch wirtschaftliche Integration geschaffen. Wir Liberalen sind bereit, wie Paolo Costa sagte, in dieser Frage sehr weit zu gehen und schnell fortzuschreiten. Darum begrüßen wir mit größter Befriedigung den Vorschlag für ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit Mazedonien, der jetzt vorgelegt wurde und danken Herrn Swoboda für einen sehr guten Bericht. Mazedonien verdient unsere Unterstützung, nicht zuletzt wegen der aufopferungsvollen und uneigennützigen Arbeit, die das mazedonische Volk und seine Führer während des Kosovokrieges geleistet haben. Wenn Mazedonien sich nun aus dem verheerenden Gestrüpp des Kommunismus und Nationalismus befreit, ist es unsere Pflicht, hier sehr deutlich zu agieren und zu helfen. Dasselbe müssen wir für die anderen Länder auf dem Balkan tun. Das gebietet unsere Verantwortung als EU. Herr Präsident, lassen Sie mich die Abgeordneten in diesem Zusammenhang daran erinnern, - nicht zuletzt mit Blick auf eine Diskussion am heutigen Abend - daß der Mann, der die Hauptverantwortung trägt für Krieg, menschliche Erniedrigung, Mord und die Vertreibung unschuldiger Menschen aus ihren Häusern, immer noch an der Spitze von Rest-Jugoslawien, Serbien, steht. Dieser Mann, der des Völkermordes angeklagt ist und vor das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag gestellt werden sollte, ist immer noch auf freiem Fuß. Ich spreche von Milosevic. Solange Milosevic an der Macht ist und Serbien keinen demokratischen Weg einschlägt, solange wird es eine ständige Bedrohung für den Frieden auf dem gesamten Balkan geben - auch für Mazedonien. Herr Präsident, das auf den Weg gebrachte Abkommen stellt die erste konkrete Umsetzung des Stabilitätspakts für Südosteuropa dar. Die Bedingungen dieses Abkommens, die im Bericht Swoboda akzeptiert werden, sind ganz sicher nicht auf den Frieden, sondern auf die stärkere politische und wirtschaftliche Manipulation des Landes, auf die Kontrolle seines natürlichen Reichtums, auf die maximale Ausbeutung seiner Arbeitskräfte sowie auf die weitere Nutzung der FYROM als Brückenkopf gegen die Länder und Völker der Region ausgerichtet, die sich der neuen Weltordnung widersetzen. Zum Ausgleich dafür wird ein Beitritt zur Europäischen Union in Aussicht gestellt. Der Bericht akzeptiert diese Zielsetzungen ebenso wie die Südosteuropapolitik der Europäischen Union generell. Bezeichnenderweise wird die FYROM im Bericht zu ihrer konstruktiven Haltung während der NATO-Angriffe beglückwünscht, und es werden Loblieder auf ihre friedensunterstützende Rolle angestimmt, weil sie die Stationierung von NATO-Truppen auf ihrem Territorium zuließ. Natürlich verschweigt man die Empörung, die das Volk mit machtvollen Kundgebungen während der NATO-Bombardements zum Ausdruck gebracht hat. Weil sowohl der Stabilitätspakt als auch der Stabilisierungs- und Assoziierungsprozeß, den die Europäische Union für die Länder der Region in Gang gebracht hat, unseres Erachtens dort neue Probleme verursachen, neues Leid über die Völker bringen und die Vormachtstellung der amerikanischen und europäischen Imperialisten weiter stärken werden, stimmen wir gegen den Bericht und bringen damit unsere Solidarität mit dem Volk der FYROM zum Ausdruck. Herr Präsident, Herr Kommissar! Eines der Hauptziele des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens zwischen der Europäischen Union und der Ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien ist die Sicherung der Stabilität und des Friedens in der Region, was natürlich die Entwicklung und den Ausbau gutnachbarschaftlicher Beziehungen zwischen den betroffenen Ländern voraussetzt. Ich möchte Sie nicht im einzelnen mit dem Problem des Namens der FYROM behelligen, das bekanntlich Differenzen mit Griechenland verursacht hat und den Gegenstand von Verhandlungen darstellt, die seit nunmehr über vier Jahren auf der Grundlage entsprechender Beschlüsse des Sicherheitsrates sowie einer vertraglichen Verpflichtung beider Seiten gemäß Artikel 5 des sogenannten Interimsabkommens von 1995 unter der Schirmherrschaft des UN-Generalsekretärs zwischen beiden Ländern geführt werden. Ich halte jedoch die Bemerkung für angebracht, daß von europäischer Seite anläßlich der bevorstehenden Verhandlungen und des Abschlusses des Assoziierungsabkommens der Regierung in Skopje deutlich gemacht werden sollte, daß sie den entsprechenden konstruktiven politischen Willen erkennen lassen muß, positiv zu einem erfolgreichen Abschluß der Gespräche in New York beizutragen. Eine solche Forderung der EU sowie gleichzeitig der Hinweis auf die Schwierigkeiten, die eine eventuelle Nichtbeilegung der noch offenen Frage für den Abschluß und die Umsetzung des Assoziierungsabkommens mit sich bringen dürfte, wird von der Regierung in Skopje hoffentlich mit der gebotenen Aufmerksamkeit zur Kenntnis genommen und gewürdigt. Auf die erwiesenermaßen kompromißbereite Haltung Griechenlands in bezug auf das angesprochene Problem einerseits und die generell und auch praktisch demonstrierte Absicht und Bereitschaft aller Partner der Europäischen Union einschließlich Griechenlands, den Weg der FYROM in das Vereinigte Europa zu erleichtern und zu ebnen, andererseits sollte die Regierung in Skopje auch entsprechend reagieren. Das vor allem dank der praktischen Bestimmungen des Interimsabkommens gesicherte reibungslose Funktionieren der alltäglichen Beziehungen und Kontakte sowie die Verständigung zwischen der FYROM und Griechenland sowohl auf bilateraler als auch auf multilateraler Ebene entspricht nämlich meines Erachtens noch nicht in genügendem Maße den Voraussetzungen und Kriterien gutnachbarschaftlicher Beziehungen, die die Verhandlungen über ein Assoziierungsabkommen und sein Abschluß unter anderem erfordern. Diese Bedingung kann vielmehr nur dann als erfüllt betrachtet werden, wenn sich die Beziehungen der FYROM zu allen Nachbarstaaten de jure vollständig normalisiert haben. In Verbindung mit den erforderlichen Fortschritten in bestimmten innenpolitischen Fragen hinsichtlich der Minderheiten sowie der demokratischen Institutionen würde dies das Bild der politischen Reife abrunden, das die FYROM ansonsten in der Tat bietet und das engere Beziehungen zu unserer europäischen Familie als wünschenswert erscheinen läßt. Herr Präsident, mit dem heute zur Debatte stehenden Abkommen, das Herr Swoboda erläutert hat und das wir hoffentlich morgen billigen werden, wird nach dem Stabilitätspakt für die Region der zweite politisch begrüßenswerte Schritt getan. Es gibt noch einen kleinen Schritt, der mit der teilweisen Aufhebung des Embargos gegen Jugoslawien zu tun hat, die unsere fünfzehn Regierungen vor kurzem beschlossen haben. Seit ungefähr zehn Jahren kommt die Region nicht zur Ruhe. Zehn Jahre sind, historisch und vor allem auch politisch gesehen, eine sehr lange Zeit. Insofern muß wohl objektiv von einem Fehlschlag gesprochen werden. Das Abkommen, über das wir morgen abstimmen und das zur Stabilität der Region beiträgt, weist daher de facto in die richtige Richtung. Die FYROM ist eigentlich das ehemalige Jugoslawien im Kleinformat - unabhängig davon, wo die eine oder andere Minderheit stärker vertreten ist. Es ist also äußerst positiv zu werten, daß sie bislang jeglicher Einflußnahme aus dem weiteren Umfeld widerstanden hat, und keinesfalls darf irgend jemand von uns, kein Staat, keine Politik, keine Auffassung, in dem Bemühen, andere Probleme im Innern dieser kleinen Republik zu lösen, die durchaus ausbaufähige Institutionen hat und sich zu einer wirklichen Demokratie entwickeln kann, Abspaltungsbewegungen fördern. In der Region wurden im Laufe der Zeit verschiedene politische Konzepte umgesetzt. Die Europäische Union muß nun darauf achten, daß sie nicht, und sei es aus Unbedachtheit, dazu beiträgt, daß anderswo Bananenrepubliken entstehen. Auf der Suche nach Bündnispartnern in dieser Region dürfen wir nicht jedesmal die erstbesten nehmen - das sollte klar sein. Vielmehr gilt es, jene auszuwählen, die gemäßigt und aufgeschlossen sind und deren Haltung für Frieden und Stabilität in der Region bürgt. Ich hoffe und wünsche, ja ich bin mir sogar sicher, daß die Europäische Union mit Überlegung und den nunmehr ergriffenen Maßnahmen in der gesamten Region allmählich das für sie selbst notwendige Umfeld schafft. Machen wir uns nichts vor: Ein Europa, dessen einer Teil auf Grund von Streitigkeiten, von verschiedenen Fehlinterpretationen, auf Grund von Widersprüchen und nationalistischen Konflikten zurückbleibt, kann auch in seinem Kern niemals das von ihm selbst angestrebte Niveau erreichen. Als Grieche möchte ich bestimmten Kollegen, die vor mir gesprochen haben, sagen, daß viele Beiträge nichts, aber auch gar nichts mit der aktuellen Situation zu tun hatten. Sie haben die neuen Bedingungen, die sich in der Region - vielfach auf Initiative Griechenlands - herausgebildet haben, die neuen positiven Bedingungen, überhaupt nicht wahrgenommen. Griechenland ist nämlich das Land auf dem Balkan, das am engsten mit der FYROM zusammenarbeitet und die besten Beziehungen zu ihr pflegt, was erheblich zur Stabilität in der Region beigetragen hat. Ich erwähnte dies nur, damit Sie sich ein Bild machen können. Dies ist eine äußerst interessante Grundsatzdebatte über den Balkan als Ganzes. Das breite Themenspektrum hat der Debatte zwar nicht geschadet, aber ich hoffe, Sie werden verstehen, daß ich mich weitgehend auf den Bericht konzentrieren werde, denn es gibt einige sehr wichtige Punkte, auf die ich eingehen möchte. Ich freue mich, die Position der Kommission zu diesem Bericht erläutern zu können. Der Bericht ist sehr hilfreich. Herr Swoboda und seine Kollegen haben hervorragende Arbeit geleistet. Wir sind sehr dankbar für seine Sachkompetenz und die seiner Kollegen, von denen einige heute abend hier im Plenum anwesend sind: Frau Pack, Herr Lagendijk und andere. Ich freue mich, daß unsere Beziehungen mit der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien insgesamt so gut sind. Ich hoffe, Herr Dupuis - und sein Dolmetscher - wird mir verzeihen, wenn ich den Ausdruck entente cordiale hierfür verwende. Sie sind auch das Verdienst unseres hervorragenden Vertreters der Europäischen Union in Mazedonien. Er ist ein großer Freund des Parlaments und leistet für die Kommission ausgezeichnete Arbeit. Die bevorstehende Aufnahme von Verhandlungen über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen ist der beste Beweis für unsere guten Beziehungen. Auch die Kooperation der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien beim Wiederaufbau des Kosovo ist ein Beleg dafür. Ich danke den Behörden in Mazedonien für die Unterstützung, die sie in den letzten Wochen bei der Bewältigung der großen Probleme im Bereich der Stromversorgung im Kosovo geleistet haben. Ebenso wie den Damen und Herren Abgeordneten ist auch mir bewußt, welche stabilisierende Rolle dieses Land während des Balkankonflikts gespielt hat, insbesondere im Hinblick auf die Integration der albanischen Minderheit in das politische und soziale Leben des Landes. Vor einigen Wochen hatte ich Gelegenheit zu einem Treffen mit dem neuen Präsidenten Georgievski, und ich war ebenso wie andere sehr beeindruckt von seinem Engagement für eine multi-ethnische und pluralistische Gesellschaft. Ich möchte nun über den Stand der Verhandlungen berichten, die, wie Herr Lagendijk sagte, von anderen Ländern in dieser Region mit großem Interesse verfolgt werden. Der Rat hat am 24. Januar dieses Jahres seine Verhandlungsvorgaben für ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien verabschiedet. Dies ist der wichtigste Schritt im Stabilisierungs- und Assoziierungsprozeß der westlichen Balkanregion, der von der Kommission im Mai 1999 in Gang gesetzt wurde. Lassen Sie mich die wichtigsten Elemente der Verhandlungsdirektiven kurz erläutern. So sollen in das Abkommen Regelungen für die Einrichtung eines politischen Dialogs mit der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien aufgenommen werden. Dazu gehören Vorkehrungen für eine erweiterte regionale Zusammenarbeit sowie die Einrichtung künftiger Freihandelszonen zwischen den Ländern der Region. Ich möchte jedoch klarstellen, daß keinerlei Bestrebungen zur Wiederherstellung des Staates Jugoslawien bestehen. Dazu gehört auch die Aussicht auf die Schaffung einer Freihandelszone zwischen der Europäischen Union und der anderen Seite innerhalb von zehn Jahren nach Inkrafttreten des Abkommens. Weitere Bereiche betreffen die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, die Niederlassungsfreiheit und den freien Dienstleistungs- und Kapitalverkehr. Ein Element besteht in der Verpflichtung der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien, die eigenen Rechtsvorschriften an den gemeinschaftlichen Besitzstand anzugleichen, insbesondere in den Schlüsselbereichen des Binnenmarkts. Ebenfalls enthalten sind Bestimmungen über die Zusammenarbeit mit der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien in einer ganzen Reihe von Bereichen, unter anderem Justiz und Inneres. In der Kommission werden zur Zeit die notwendigen Vorbereitungen getroffen, um im März mit den Verhandlungen beginnen zu können. Ich werde die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien in der zweiten Märzwoche besuchen. Es ist meine Hoffnung, daß ich den Prozeß dann bereits in Gang setzen kann, obwohl die offiziellen Verhandlungen erst kurz danach beginnen werden. Während meines Besuchs werde ich außerdem, wie von den Damen und Herren Abgeordneten sowie von anderen empfohlen, den Status unserer Vertretung in der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien aufwerten. Der Abschluß der Verhandlungen ist für Dezember dieses Jahres geplant, doch hängt dies in hohem Maße vom guten Willen und der Entschlossenheit der Verhandlungspartner ab. Das Abkommen könnte in drei bis vier Jahren in Kraft treten, wenn man die für die Ratifizierung in den Parlamenten der Mitgliedstaaten erforderliche Zeit mit einbezieht. Ich möchte noch kurz auf eine Reihe anderer Punkte im Entwurf des Entschließungsantrags eingehen. Wir akzeptieren, daß das Abkommen bis zu einem gewissen Grad als Muster für ähnliche Vereinbarungen dienen sollte, obwohl natürlich berücksichtigt werden muß, daß wir es mit unterschiedlichen Ländern mit eigener Identität und eigenen Anliegen zu tun haben. Ich bin ebenso wie viele andere der Auffassung, daß wir jedes Land bei der Entwicklung seiner Beziehungen zur Union entsprechend dem jeweiligen Entwicklungsstand behandeln und nicht alle zur Anpassung an das Tempo des langsamsten Landes verpflichten sollten. Dies war nie unsere Absicht. Die Tatsache, daß wir die Verhandlungen zuerst und vor allen anderen mit der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien aufnehmen, zeigt, daß wir differenzieren können und dies auch tun. Im Hinblick auf die im Bericht erwähnte Regionalhilfe sind wir ebenfalls der Meinung, daß unsere technische und finanzielle Unterstützung unter anderem auch Projekten mit grenzüberschreitender oder regionaler Dimension zugute kommen sollte. Wir befürworten, daß in das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen eine Evolutionsklausel zur Beitrittsperspektive aufgenommen werden soll. Eine solche Klausel spiegelt die in den Schlußfolgerungen des Europäischen Rates von Köln festgelegte Position der Europäischen Union im Hinblick auf ihre Beziehungen zu den Ländern des westlichen Balkans wider. Wir halten die größtmögliche Dezentralisierung unserer Hilfsprogramme ebenfalls für notwendig. Wie den Abgeordneten bekannt ist, erarbeiten wir derzeit eine neue Verordnung in bezug auf die Unterstützung der Europäischen Union für die Länder des westlichen Balkans, um die Verwaltung der Programme zu vereinfachen und zu rationalisieren und alle Maßnahmen in einer Verordnung zusammenzufassen. Ich weiß, daß man in der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien und andernorts über das Ende des Programms PHARE in diesen Ländern, insbesondere auch über die Aufgabe des Namens PHARE, besorgt ist. Ich nehme die Ausführungen der Mitglieder zu diesem Thema mit beträchtlicher Besorgnis zur Kenntnis. Diese Problematik werde ich mir noch einmal anschauen, obwohl ich darauf hinweisen möchte, daß es bei zwei PHARE-Programmen dann wirklich zur Verwirrung kommen kann. Ich möchte jedoch betonen, daß unsere Unterstützung für die Integration der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien und seiner Nachbarstaaten in die europäische Familie, unabhängig vom Namen des Programms, größer ist als je zuvor. Sicher teilen die Mitglieder dieses Hauses meine Freude darüber, daß Mazedonien dieses Stadium in relativ kurzer Zeit erreicht hat. Ich hoffe, daß die anderen Länder der Region ihre Bemühungen verstärken werden, um ähnliche Fortschritte erreichen zu können. Ich freue mich auf die weiteren Debatten, die wir in den nächsten Jahren über dieses Thema führen werden, und ich hoffe, daß dabei die Erfolge unserer Bemühungen auf dem Balkan im Mittelpunkt stehen werden, denn für mich ist der Balkan ein Prüfstein für das, was Europa vor seiner eigenen Haustür leisten kann. Vielen Dank, Herr Kommissar Patten. Die Aussprache ist geschlossen. Die Abstimmung findet morgen um 12 Uhr statt. Nach der Tagesordnung folgt der Bericht (A5-0021/2000) von Frau Frassoni im Namen des Ausschusses für konstitutionelle Fragen über die Vereinbarung zwischen dem Europäischen Parlament und der Kommission über die Modalitäten der Anwendung des neuen Beschlusses des Rates vom 28. Juni 1999 - "Komitologie " (1999/468/EG). Herr Präsident, mit der Annahme dieser Vereinbarung zwischen dem Europäischen Parlament und der Kommission über die Modalitäten der Anwendung des Beschlusses des Rates betreffend die Komitologie bringen wir eine Materie unter Dach und Fach, die das Parlament und einige leidenschaftliche Verfechter dieses Themas, die über die verschiedenen Institutionen der Europäischen Union verstreut sind und von manchen unverhohlen als Masochisten bezeichnet werden, etwa zwei Jahre lang beschäftigt hat. Seit 1993 haben die Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse und insbesondere das unergründliche und sogar dubiose Ausschußsystem Zwietracht und Mißtrauen zwischen den Institutionen gesät, die sich ernsthaft auf das Gesetzgebungsverfahren auszuwirken drohten. Deshalb haben die Institutionen der Europäischen Union nach Aufnahme der Erklärung Nr. 31 in den Amsterdamer Vertrag eine umfassende Verhandlungs- und Konsultationstätigkeit entfaltet, die schließlich in den neuen Beschluß des Rates mündete, mit dem das alte System zwar in wesentlichen Teilen, für uns jedoch nicht zufriedenstellend geändert wird. Insbesondere wird mit dem Beschluß ansatzweise ein Kontrollrecht des Parlaments, d. h. die Möglichkeit eingeführt, die "Alarmglocke zu läuten ", wenn eine Maßnahme zur Durchführung eines nach dem Mitentscheidungsverfahren erlassenen Rechtsakts gegen die der Kommission übertragene Durchführungsbefugnis verstößt. Im Laufe der langwierigen interinstitutionellen Verhandlungen, in die das Parlament dank der Arbeit der Berichterstatterin, Frau Adelaide Aglietta, aktiv einbezogen war, bestand das Ziel darin, daß das Europäische Parlament und die Kommission eine interinstitutionelle Vereinbarung über die Modalitäten der Anwendung bestimmter Aspekte des neuen Beschlusses abschließen. Dies einerseits, um bestimmte Punkte zu klären, die der Rat nicht bereit war, in den Beschluß aufzunehmen, und andererseits, um das Informations- und Kontrollsystem hinsichtlich der Durchführungsmaßnahmen präziser zu regeln. Im Rahmen des Trilogs vom 6. Oktober 1999 in Straßburg billigten die Präsidentin des Europäischen Parlaments und der Kommissionspräsident den Vorschlag, diese Vereinbarung rasch abzuschließen. Wir meinen, daß wir diese Verpflichtung eingehalten haben, was uns jedoch relativ leicht fiel, da während der gesamten Verhandlung mit der Kommission ein Klima des Vertrauens und der gegenseitigen Achtung herrschte. In der Vereinbarung werden im wesentlichen zwei Punkte behandelt: Das ist zum einen die Unterrichtung des Europäischen Parlaments als conditio sine qua non für die tatsächliche Ausübung seines Interventionsrechts gemäß Artikel 8 des Beschlusses. Diese Unterrichtung erfolgte bisher auf Papier und unsystematisch und war oftmals, teilweise auch durch die Schuld des Parlaments selbst, für unsere Dienste unbrauchbar. Von nun an wird diese Unterrichtung durch ein elektronisches System mit dem Namen CIRCA sichergestellt, zu dem das Europäische Parlament Zugang hat und das nicht nur für uns, sondern auch - da bin ich mir sicher - für die Kommission eine echte Neuerung darstellt. Zum anderen werden in Artikel 8 des Ratsbeschlusses weder das Verfahren noch die Frist genannt, innerhalb derer das Europäische Parlament die "Alarmglocke läuten ", d. h. seine begrenzte Kontrollbefugnis ausüben muß. In Punkt 6 und 7 der Vereinbarung ist festgelegt, daß das Europäische Parlament im allgemeinen seine mit Gründen versehene Entschließung im Plenum annimmt und über eine Frist von einem Monat verfügt, um von seinem Interventionsrecht vor Annahme des Entwurfs einer Durchführungsmaßnahme durch die Kommission Gebrauch zu machen. Allerdings sind wir uns alle bewußt, daß es nicht immer möglich ist, einen Monat zu warten, bevor eine Durchführungsmaßnahme erlassen wird. Deshalb ist in der Vereinbarung ausdrücklich ein Dringlichkeitsverfahren vorgesehen, in dessen Rahmen der zuständige Ausschuß tätig werden kann. Abschließend möchte ich hervorheben, daß wir abwarten müssen, wie die Vereinbarung in der Praxis funktioniert, ehe wir beurteilen können, ob es sich nun um eine gute Vereinbarung handelt oder nicht. Das Europäische Parlament wird sich mit ihm jetzt noch nicht zur Verfügung stehenden Instrumenten ausstatten müssen, um einen wirksamen Ablauf der Durchführungsverfahren und eine effektive Kontrolle zu sichern, und die Kommission wird eine Neuordnung einiger ihrer Verfahren akzeptieren müssen, um eine wirksame Kontrolle und eine tatsächliche Unterrichtung des Parlaments zu gewährleisten. Schließlich sei daran erinnert, daß die wirkliche Lösung der Komitologieprobleme für das Europäische Parlament in jedem Falle und grundsätzlich in der Änderung des laut Vertrag für die Durchführung der Vorschriften vorgesehenen Verfahrens sowie in der schrittweisen Abschaffung der Ausschüsse liegt, deren Existenz eine Abnormität ist, durch welche die Durchführungsbefugnis der Kommission stark eingeschränkt wird und die Gesetzgebungsbefugnisse des Europäischen Parlaments beeinträchtigt werden können. Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Komitologie ist ein Begriff, mit dem die meisten Menschen nichts anfangen können, und die wenigsten wissen, was darunter zu verstehen ist. Es erinnert an Geheimbünde und Konspirationen, und so war es auch früher. Nichts anderes verbirgt sich aber dahinter als die Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse. Die Modalitäten dieser Durchführungsbefugnisse bestehen in einer begrenzten Zahl von Ausschußverfahren. Bis zum Vertrag von Amsterdam gab es circa 20 Variationen dieser Ausschußverfahren, was weder zur Klarheit der Durchführung der Gesetzgebung beitrug noch zur Transparenz für die Bürger. Im Gegenteil, selbst das Europäische Parlament wurde über eine lange Zeit nicht einmal informiert. Der erste Fortschritt bei dem Erkämpfen von mehr Transparenz in diesem Ausschußdschungel bestand für das Europäische Parlament darin, wenigstens über das informiert zu werden, was die Europäische Kommission im Rahmen dieser verschiedenen Ausschüsse alles zu regeln beabsichtigt. Dies geschah 1988 im Rahmen des Briefwechsels Plumb/Delors. Ein weiterer Schritt in Richtung Transparenz und Beteiligung des Europäischen Parlaments war dann der sogenannte modus vivendi am 20. September 1994, in welchem dem Parlament nicht nur die Informationen, sondern eine gewisse Einspruchsmöglichkeit zugestanden wurde. Damit erhielt das Parlament auch Kontrollmöglichkeiten. Mit dem Vertrag von Amsterdam hat sich die Lage insofern entscheidend verbessert, als die Zahl der Ausschußverfahren - so wie es das Europäische Parlament lange gefordert hatte - drastisch auf drei Verfahren begrenzt wurde, nämlich das Verwaltungsverfahren, das Regelungsverfahren und das Beratungsverfahren. Die dem Europäischen Parlament in der Vergangenheit zugestandenen Informations- und Kontrollrechte müssen auch jetzt nach dem Vertrag von Amsterdam durch eine interinstitutionelle Vereinbarung erneut festgeschrieben werden. Unsere Berichterstatterin, Frau Frassoni, hat eine sehr sorgfältige Arbeit geleistet und aufgezeigt, welche Fragen im Rahmen dieser interinstitutionellen Vereinbarung geklärt und welche Verwaltungsverfahren innerhalb des Parlaments gegebenenfalls geändert werden müssen. Ein Hauptproblem ist der Zeitfaktor. Wenn das Europäische Parlament informiert wird, muß es in der Regel innerhalb einer sehr kurzen Frist von vier Wochen Stellung nehmen, wenn es dies wünscht. Bei Fragen, die die Gesundheit und Sicherheit der Menschen in der Europäischen Union betreffen, muß die Europäische Kommission als Hüterin der Verträge und einzige Institution, der das Initiativrecht zusteht, in der Lage sein, sehr kurzfristig, notfalls innerhalb weniger Stunden oder Tage, zu reagieren. Trotzdem muß das Recht des Europäischen Parlaments auf Information und gegebenenfalls auch Reaktion gewahrt bleiben. Für diese Schwierigkeiten zeigt unsere Berichterstatterin sehr brauchbare Lösungen auf, die ich mit meiner Fraktion nur voll unterstützen kann. Ich habe nur noch eine Bitte. Im deutschen Text der Ziffer 2 ist etwas mißverständlich übersetzt, und ich bitte dringend um Klärung, auch nachher durch diejenigen, die für den Druck zuständig sind. Es müßte statt "weitergeführt werden müssen " meiner Meinung nach "erhalten bleiben müssen " heißen. Das ist im deutschen Text nicht so klar. Ich möchte bitten, daß das noch einmal überprüft wird. Ansonsten danke ich unserer Berichterstatterin sehr herzlich. Das ist eine schwierige Materie, und ich hoffe, daß wir sie so hingebracht haben, daß wir jetzt besser damit umgehen können. Herr Präsident, ich gratuliere der Berichterstatterin zu ihrem Bericht. Ich möchte hinzufügen, daß die versöhnliche Haltung von Frau Frassoni ein ebenso begrüßenswerter Wandel ist, wie ihre Bereitschaft, Kompromisse mit den anderen Institutionen zu schließen. Was die Regierungskonferenz betrifft, so repräsentiert Frau Frassoni jene, die die Franzosen "les pures et dures " nennen: keine Kompromisse, keine Verhandlungen mit den anderen Institutionen, wir blockieren lieber die gesamte Konferenz als von unseren Positionen abzuweichen. Dennoch ist Frau Frassoni bereit, die erreichten Fortschritte zu akzeptieren, die keineswegs mit der ursprünglichen Position des Parlaments zur Frage der Komitologie übereinstimmen. Ich möchte daran erinnern, was hier auf dem Spiel steht. Das Parlament kritisierte im wesentlichen vier Punkte des Ausschußwesens, wie es vor dem neuen Beschluß des Rates und der Ergänzung durch diese interinstitutionelle Vereinbarung bestand. Erstens ist das gesamte System undurchsichtig. Es ist nicht transparent, Hunderte von Ausschußsitzungen finden statt, die Tagesordnungen sind nicht bekannt, und niemand weiß, wer in den Ausschüssen sitzt. Hier wird das vereinbarte neue System eine echte Verbesserung bewirken. Wir werden erfahren, wer in den jeweiligen Ausschüssen vertreten ist. Wir werden darüber informiert werden, wann die Sitzungen stattfinden. Wir werden die Tagesordnungen erhalten. Wir werden die Dokumente erhalten, die an die Ausschußmitglieder verteilt werden. Das ganze System wird trotz seiner weiterhin komplizierten Natur offener und transparenter werden. Dies ist also zumindest ein Fortschritt. Unser zweiter Kritikpunkt ist, daß das System die Kommission stark eingeschränkt hat. Wir verabschieden die Rechtsakte der Europäischen Union, die Kommission hat die Aufgabe, sie umzusetzen, und dann besteht da ein System, das die Kommission behindert und die Umsetzung erschwert - hier ist insbesondere das sogenannte "Contre-filet "Verfahren zu erwähnen, nach dem der Rat die Kommission auch dann mit einfacher Mehrheit blockieren konnte, wenn er selbst keine Alternative zur betreffenden Durchführungsmaßnahme vorzuweisen vermochte. Auch hier sind nun endlich Fortschritte erreicht worden. Der Rat kann Durchführungsmaßnahmen nach Ablauf der dreimonatigen Frist nicht mehr endlos blockieren, wenn dafür keine qualifizierte Mehrheit vorhanden ist, das heißt mit anderen Worten, wenn nicht ein großer Teil der im Rat vertretenen Mitgliedstaaten diese Maßnahme ablehnt. Dies ist ein vernünftigeres System. Auch dies ist als Fortschritt zu werten. Was unsere anderen beiden Kritikpunkte betrifft, sind wir jedoch weniger zufrieden. Wir kritisieren zum einen das System, daß die Kommission nur durch einen von den Mitgliedstaaten oder dem Rat eingesetzten Ausschuß überwacht, überprüft oder wenn Sie so wollen, kontrolliert wird, und eine Kontrolle durch das Parlament nicht stattfindet. Die Legislative, der Rat und das Parlament, sollten gleichberechtigt sein. Wir übertragen der Kommission Durchführungsbefugnisse, und dann ist es nur ein vom Rat oder den Mitgliedstaaten ernanntes Gremium, das als Schiedsrichter agiert und die Kommission stoppen und eine Durchführungsmaßnahme anhalten kann. Über Befugnisse gleichen Ranges verfügt das Parlament nicht. Im neuen System sollen uns nun solche Befugnisse übertragen werden. Wir werden alle Entwürfe der Durchführungsmaßnahmen, die an einen Ausschuß weitergeleitet werden, zum gleichen Zeitpunkt wie dieser Ausschuß erhalten. Wir werden Gelegenheit haben, die Entwürfe zu prüfen, darüber zu diskutieren und Fragen dazu zu stellen. Wir werden jedoch nur dann offiziell bei der Kommission intervenieren können, wenn wir der Meinung sind, daß diese die ihr übertragenen Durchführungsbefugnisse überschritten hat. Anders gesagt, wir können gegen eine Durchführungsmaßnahme vorgehen, bei der die Befugnisse der Kommission überschritten werden, im Hinblick auf den Inhalt dieser Maßnahme haben wir jedoch keine Einflußmöglichkeit. In einer Demokratie sollte das Parlament jedoch auch die Möglichkeit haben, den Inhalt in Frage zu stellen. Wir haben ja nicht vor, das ständig zu tun. Wir wollen uns nicht in die Durchführungsentscheidungen einmischen, es ist jedoch eine demokratische Sicherheitsmaßnahme, daß wir diese Möglichkeit in den wenigen Fällen haben, in denen dies unbedingt erforderlich erscheint. Diese Möglichkeit fehlt im neuen System oder ist zumindest nur ansatzweise vorhanden. Unser vierter Kritikpunkt ist, daß eine Durchführungsmaßnahme, die im Komitologie-Verfahren blockiert worden ist, nicht an beide Legislativorgane zurückverwiesen wird, sondern nur an den Rat, der das Recht hat, eine alternative Maßnahme zu erarbeiten. Dies ist nicht korrekt. Beide Organe - der Rat und das Parlament - verabschieden die Rechtsvorschriften, durch die der Kommission Durchführungsbefugnisse übertragen werden. Wenn Durchführungsmaßnahmen rückverwiesen werden, sollte dies nicht nur an ein Organ, sondern an beide erfolgen. Insgesamt sind durch dieses System einige Verbesserungen erreicht worden. Die zusätzlichen Aspekte, die sich aus der interinstitutionellen Vereinbarung mit der Kommission ergeben, sind begrüßenswert, sie ändern jedoch nichts an dem grundlegenden Beschluß des Rates. Sogar hier haben wir freiwillig - dies ist nicht automatisch geschehen -, als Teil des gesamten Kompromisses auf die Vereinbarung Plumb/Delors verzichtet. Wir waren bereit, auf diese Bestimmungen zu verzichten. Wir werden sehr genau verfolgen müssen, was durch diese Vereinbarung bisher abgedeckt war, durch den neuen Beschluß jedoch nicht voll abgedeckt ist. Wir müssen sehr wachsam sein. So ist es also ein Schritt nach vorn. Meine Fraktion akzeptiert dies nur widerstrebend als Schritt nach vorn. Wir sind nicht so kompromißbegeistert wie Frau Frassoni. Wir sehen die Grenzen und sind sicher, daß dieses Thema in einigen Jahren wieder auf der Tagesordnung stehen wird. Wenn wir eine demokratische Union mit größtmöglicher Transparenz wollen, werden wir uns erneut mit diesem Thema beschäftigen müssen. Herr Präsident! Ich möchte zunächst der Berichterstatterin, Frau Frassoni, für die geleistete Arbeit danken. Fragen der Komitologie zu bearbeiten, ist niemals einfach. Frau Schleicher ist auf eine Art "Ausschußmagie " eingegangen, von der wir immer gesprochen haben. Mit Sicherheit ist der Prozeß infolge früherer Entscheidungen, die letztendlich rationalisiert werden müssen, immer sehr kompliziert gewesen. Meiner Meinung nach stellt das Übereinkommen, das wir zwischen Kommission und Parlament erreicht haben, eine eindeutige Rationalisierung des Prozesses dar. Aus unserer Sicht genügt es den grundlegenden Interessen des Parlaments. Herr Corbett hat seine Bedenken vorgetragen. Er sagt, daß sie sich teilweise erledigt haben und teilweise auch nicht. Ich möchte sagen, daß diejenigen, die die Kommission ausräumen konnte, ausgeräumt wurden. Was Herr Corbett anspricht, sind andere Voraussetzungen, die durch die Entscheidung des Rates nicht abgedeckt sind, über die wir aber auch leider nicht hinausgehen können. Wo sind wir vorangekommen? Ohne jeden Zweifel in einem grundsätzlichen Punkt, der von Frau Frassoni hervorgehoben wurde und der darin besteht, daß wir ein automatisches Informationssystem haben. Dieses automatische Informationssystem wird die beiden Vorgänge ermöglichen, die für das Parlament von besonderem Interesse sind: einerseits Informationen über die Arbeit der Ausschüsse, ihre Zusammensetzung, Tagesordnungen, Beschreibungen usw., andererseits das droit de regard bei konkreten Beschlüssen. Ich glaube, das ist ein guter Pakt. Ein guter Pakt, der ohne jeden Zweifel die Transparenz des Prozesses verbessern wird. Davon ausgehend werden die Dinge einfacher sein. Die Vereinbarung, zu der wir heute gelangt sind, darf aber nicht als Rückschritt gegenüber der Vereinbarung Plumb/Delors angesehen werden. Herr Corbett hat diesen Punkt angesprochen, aber es ist wahr, daß das neue Modell als Folge der neuen Situation anders ist, viel komplexer und nach unserer Meinung viel kohärenter. Wir haben die Arbeit bereits aufgenommen und hoffen, daß sie ausgezeichnete Ergebnisse bringen wird. Außerdem denken wir, daß andere Fortschritte ebenfalls positiv sind. Wir gehen in gewisser Weise über Vereinbarungen hinaus, die bereits hinfällig sind, und versuchen, mit dem System zur Neuanpassung der alten Verfahren an die neue Situation alles zu bereinigen, was aus der Vergangenheit offen geblieben ist. Aus der Sicht der Kommission halten wir es für eine gute Vereinbarung, für die wir den Abgeordneten, die daran gearbeitet haben, speziell Frau Frassoni, danken möchten. Wir hoffen, daß mit diesem neuen Klima das angestrebte Ergebnis erreicht worden ist, das in einer größeren Transparenz und einer besseren Kenntnis der Beschlüsse der Kommission als Exekutive besteht. Vielen Dank, Herr Kommissar Solbes Mira. Die Aussprache ist geschlossen. Die Abstimmung findet morgen um 12 Uhr statt. Nach der Tagesordnung folgt die Aussprache über den Bericht (A5-0013/2000) von Herrn Knörr Borràs im Namen des Ausschusses für Wirtschaft und Währung über einen Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 3605/93 über die Anwendung des dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit (KOM(1999) 444 - C5-0174/1999 - 1999/0196(CNS)) Herr Präsident! Ich freue mich, auch den spanischen Kommissar, Herrn Solbes, begrüßen zu können, den ich bei mehr als einer Gelegenheit innerhalb und außerhalb dieses Parlaments zu seiner ausgezeichneten Arbeit beglückwünscht habe, die er im Königreich Spanien im Zusammenhang mit der europäischen Konvergenz geleistet hat. Der Vorschlag zur Änderung dieser Verordnung über die Anwendung des dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit wirft eine begründete Frage hinsichtlich der Anpassung des Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen ESVG 95 auf, das, wie Sie wissen, das vorherige, 1979 eingeführte Rechnungssystem ersetzt. Vor allem wirft er eine Frage auf zum Auftreten neuer Kategorien von Finanzprodukten, zur Kohärenz bei der Berechnung von Proportionen zwischen dem öffentlichen Defizit und dem Bruttoinlandsprodukt im Rahmen dieses Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen von 1995 und schließlich zur Berücksichtigung der Bedeutung der Berechnung der "Zinszahlungen " und ihrer Kohärenz entsprechend dieser neuen Methodik. Der Vorschlag für eine Verordnung verfolgt meines Erachtens das Ziel, die Definitionen und die Bewertungen einiger Wirtschaftsvorgänge zu aktualisieren, die bei der Berechnung des Defizits zu berücksichtigen sind, wie im Vertrag von Maastricht dargelegt, in dem die maximalen Prozentsätze festgelegt werden, die das Defizit der öffentlichen Verwaltungen im Verhältnis zum BIP zu Marktpreisen in den einzelnen Staaten umfassen darf. Bisher berechneten die Staaten dieses BIP gemäß der Methodik des ESVG 79. Die letzte Veranlagung, die uns vorliegt, wurde im September 1999 übermittelt und bezieht sich auf das Rechnungsjahr 1998. Wenn die vorliegende Verordnung angenommen wird, wird demzufolge die Mitteilung vom März 2000, die erste Veranlagung des Defizits des Rechnungsjahres 1999, bereits nach diesem neuen System erfolgen. Wie bekannt, haben die Mitgliedstaaten ihre Schuldigkeit getan - wenn man das so ausdrücken kann -, sie haben ihre nationalen Gesamtrechnungen gemäß dem ESVG 95 berechnet und erstellt und ihre entsprechenden Veranlagungen bereits veröffentlicht. Dies setzte neben der Einführung der neuen Methodik die nominale Überprüfung der Mehrheit der Aggregate und Rechnungsvorgänge voraus, sowohl wegen der genannten methodischen Veränderungen als auch aufgrund der in die Schätzungen aufgenommenen besseren statistischen Information. Selbstverständlich können diese Veränderungen die öffentlichen Defizite im Rahmen der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung der Mitgliedstaaten verändern. Ich möchte ganz kurz sagen, welches die fünf Bereiche sein können, in denen die wichtigsten Veränderungen auftreten werden. Erstens die Anpassungen bei der Abgrenzung dessen, was als Institutioneller Sektor der öffentlichen Verwaltungen gemäß dem ESVG 95 verstanden wird. Dies ist wichtig, weil das öffentliche Defizit Bezug nimmt auf das, was gegebenenfalls sämtliche öffentlichen Verwaltungen erzielen. Das Fehlen von präzisen Kriterien für seine Definition würde bei den Veranlagungen der öffentlichen Defizite der Mitgliedstaaten zu Abweichungen führen. Zweitens entspricht das öffentliche Defizit - oder gegebenenfalls der öffentliche Überschuß - dem jeweiligen benannten Bedarfssaldo oder der Finanzierungsfähigkeit des Sektors Öffentliche Verwaltungen des ESVG 95. Drittens entsprechen die öffentlichen Investitionen den Bruttoanlageinvestitionen des Sektors Öffentliche Verwaltungen gemäß dem ESVG 95. Viertens werden gemäß dem ESVG 95 der öffentliche Schuldenstand wie auch die sich aus diesen Passiva oder Aktiva ergebenden Ströme oder Zinsen definiert. Fünftens und letztens ist das Aggregat, auf das das öffentliche Defizit Bezug nimmt, das Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen gemäß der Definition des Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen von 1995. Letzten Endes ist dieser Vorschlag der Kommission meiner Ansicht nach eine korrekte und konkrete Anpassung der im System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen von 1995 festgelegten Kriterien, dem ich folglich in seiner Gesamtheit zustimme, so wie er von der Kommission dargelegt wurde. Herr Präsident, Herr Kommissar, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich am Beginn gleich sagen, daß meine Fraktion diesen Vorschlag begrüßt, weil dadurch die statistische Basis für eine an Stabilität und realem Wachstum orientierte Wirtschafts- und Währungsunion harmonisierter, unmittelbar vergleichbar und exakter gestaltet wird. Wir haben die verschiedenen Bereiche schon gehört. Für mich ist entscheidend, daß von nun an die statistischen Angaben verläßlicher und vergleichbarer sind. Dies ist notwendig, weil wir uns aufeinander verlassen können müssen: die verschiedenen Organe der Europäischen Union und alle Mitgliedstaaten innerhalb der Währungsunion. Eine Anpassung des Verfahrens ist aus zweierlei Gründen wichtig. Erstens, für den Binnenmarkt. Verläßliche und unmittelbar vergleichbare Daten und Statistiken sind allgemein für eine exakte Darstellung der Situation und der Entwicklung in einem Binnenmarkt von großer Bedeutung. Zweitens für die Wirtschafts- und Währungsunion. Die Verordnung aus dem Jahre 93 über die Anwendung des Protokolls muß mit der Methodik des europäischen Systems der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung auf nationaler und regionaler Ebene in Einklang gebracht werden. Dies ist für eine korrekte und zuverlässige Feststellung der Defizite unentbehrlich. Diese Anpassung wird eine präzisere Beurteilung der Defizite und der Schuldenstände in den Mitgliedstaaten ermöglichen. Diese technische Anpassung wird sehr konkrete Auswirkungen auf die tatsächliche Stellung der Länder haben, da die Daten entsprechend dem öffentlichen Defizit automatisch verändert werden. Ich begrüße es auch, daß die Veranlagung der Defizite für das Rechnungsjahr 1999, die im März 2000 veröffentlicht werden soll, bereits nach dem neuen ESVG erstellt wird, das heißt, daß die Analyse auf aus wirtschaftlicher Sicht relevanten, konsolidierten Aggregaten basiert. Lassen Sie mich aber diese Debatte kurz auch dazu verwenden, an alle Regierungen und politischen Parteien zu appellieren, alles zu tun, damit das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit nie eingeleitet werden muß. Es ist gut, daß es das Verfahren gibt. Das Verfahren ist notwendig, weil es unseren Kriterien die notwendige Ernsthaftigkeit und Glaubwürdigkeit verleiht. Die Bürger fragen: Was ist, wenn die Kriterien nicht erfüllt sind? Mit den Verfahren und mit anderen Maßnahmen können wir den Beweis erbringen, daß wir es mit den Kriterien und mit uns selbst ernst meinen. Ein zweiter wesentlicher Punkt ist die Frage, daß wir alles daran setzen müssen, nicht nur die übermäßigen Defizite zu verhindern, sondern öffentliche Defizite müssen weiter gesenkt werden. Ich weiß, wovon ich spreche, und lassen Sie mich zum Schluß sagen, warum ich so froh bin, daß wir die Debatte führen! In meinem eigenen Land haben wir gerade eine Debatte darüber, ob die Angaben, die der frühere Finanzminister über das Defizit gemacht hat, der tatsächlichen Realität entsprechen. In meinem eigenen Land, in Österreich, waren 1995 Neuwahlen notwendig, um die Maastricht-Kriterien zu erfüllen und den politischen Partner zum Umdenken zu bewegen. Ich muß auch sagen, daß im Jahr 2000, da soviel über uns gesprochen wird, die Koalitionsverhandlungen mit der SPÖ - ich sage, leider - gescheitert sind, weil das ausgehandelte Spar- und Konsolidierungsprogramm von der sozialistischen Partei zu Fall gebracht wurde. Nicht zuletzt deshalb mußte die neue Regierung in Österreich gebildet werden, weil die ÖVP weiterhin ein Garant für den Stabilitätskurs sein will, weil die ÖVP weiterhin die Einhaltung der Maastricht-Kriterien und die Reduzierung des öffentlichen Defizits, so wie wir das hier vereinbart haben, gewährleisten will. Herr Präsident! Es ist erfreulich, wenn statistische Daten nicht nur verläßlich, sondern auch vergleichbar sind. Vor allem für die europäische Integration und die Vollendung des Binnenmarktes ist das von großer Bedeutung. Darum liegt uns hier ein politisch gehaltvoller Bericht vor, zu dem wir den Berichterstatter aufrichtig beglückwünschen. Der Bericht gibt auch Anlaß zu einigen politischen Anmerkungen. Der Stabilitätspakt ist ein Faktum in Europa. Alle am Euro teilnehmenden Länder haben sich mit diesem Stabilitätspakt verpflichtet, mittelfristig einen Haushalt anzustreben, der ausgewogen ist oder einen geringen Überschuß aufweist. Das heißt natürlich nicht, bei einem ungünstigen Konjunkturverlauf dürfe es nicht etwas mehr oder weniger sein, aber lang- und mittelfristig muß ein Gleichgewicht oder ein Überschuß vorliegen. Je gefestigter die Position der teilnehmenden Länder wird, desto stärker wird der Euro sein. Dadurch wird eine Überschreitung der Dreiprozentnorm selten auftreten, auch nicht unter ungünstigen Konjunkturbedingungen, so lautet zumindest die Argumentation. Wir sind immer der Meinung gewesen, daß diese Kriterien unbedingt erfüllt werden müssen. Das ist sehr wichtig, damit die WWU auch künftig erfolgreich ist. Die strikte Einhaltung des Stabilitätspakts kann so zur Entstehung einer Stabilitätskultur in allen WWU-Mitgliedstaaten beitragen. Einige Mitgliedstaaten haben einmalige Maßnahmen ergriffen, um die Kriterien erfüllen zu können. Unserer Ansicht nach muß die Haushaltspolitik der Mitgliedstaaten gewissenhaft kontrolliert werden, damit Maßnahmen immer im Sinne der Kriterien getroffen werden. Eine Abschwächung darf nicht hingenommen werden. Außerdem sind wir der Auffassung, daß eine weitere Lastensenkung und die Reduzierung der Staatsschulden zu den Prioriäten gehören muß. Die Lasten werden nämlich noch immer auf die nächsten Generationen abgewälzt. Herr Präsident! Zunächst vielen Dank an den Berichterstatter für die von ihm geleistete ausgezeichnete Arbeit. Es war ein Thema, das hohe Fachkenntnisse erforderte, und ich glaube, daß Herr Knörr es mit großer Präzision und hoher Professionalität behandelt hat. Ich würde mir nicht anmaßen, den Inhalt unseres Vorschlags besser als er zusammenzufassen; ich möchte nur eine kleine zusätzliche Bemerkung dahingehend machen, daß es außer der Anpassung an das ESVG 95 zwei kleine technische Veränderungen gibt, die Herr Knörr sehr gut kennt und die die Zinsen und die Bewertung des Schuldenstands in ausländischer Währung betreffen. Ich sage das nur als Anmerkung, damit die Betrachtung des Prozesses vollständig ist. Zweitens möchte ich Herrn Knörr für die Schnelligkeit danken. Er hat eine wirklich gute Arbeit in einem sehr kurzen Zeitraum durchgeführt. Dies ist ein wichtiges Thema wegen einiger Aussagen, die wir später gehört haben. Es stimmt, daß wir mit dieser Regelung nicht erreichen wollen, daß die Statistiken zuverlässig und vergleichbar sind - das sind sie bereits -, sondern daß sie noch zuverlässiger und noch besser vergleichbar sind. Die Tatsache, daß das Parlament seine Entscheidung so zügig getroffen hat, wird es uns erlauben, die Zahlen des Monats März bereits auf der Grundlage dieser neuen Kriterien zu berechnen. Davon ausgehend wird das Endergebnis meiner Ansicht nach besser sein. Die Zahlen werden zuverlässiger und besser vergleichbar sein, und ich glaube, daß sich die von einigen von Ihnen angesprochenen Bedenken im Hinblick auf die Einhaltung des Stabilitätspakts besser ermessen lassen. Diese Verordnung ist rein instrumentell. Mit ihr gehen wir nicht auf den Inhalt des Problems ein, den einige von Ihnen angesprochen haben. Den Inhalt des Problems müssen wir jedoch als erfaßt betrachten. Der Stabilitätspakt existiert, wir werden seine Einhaltung durch die einzelnen Mitgliedstaaten weiterhin kontrollieren, auch unter solchen Bedingungen, wie wir sie gegenwärtig haben, daß die Ergebnisse in sämtlichen Mitgliedstaaten, in denen wir die Situation hinsichtlich der Stabilität des öffentlichen Defizits analysiert haben, eindeutig positiv sind. Aber wir glauben, daß man in der Wachsamkeit nicht nachlassen darf. Wir müssen in dieser Richtung beharrlich bleiben, weil sie uns als grundlegend erscheint. Deshalb möchte ich Ihnen nochmals - und damit beende ich meinen Beitrag - für Ihre Hilfe danken, damit wir die Messung der Stabilität mit erhöhter technischer Sicherheit und mit besserer Vergleichbarkeit durchführen können. Vielen Dank, Herr Kommissar Solbes Mira. Die Aussprache ist geschlossen. Die Abstimmung findet morgen um 12 Uhr statt. Nach der Tagesordnung folgt die Aussprache über den Bericht (A5-0020/2000) von Herrn Cederschiöld im Namen des Ausschusses für die Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten über den Entwurf eines Rahmenbeschlusses des Rates über die Verstärkung des strafrechtlichen Schutzes gegen Geldfälschung im Hinblick auf die Einführung des EURO (5116/1999 - C5-0332/1999 - 1999/0821(CNS)). Herr Präsident, sehr geehrte wenige, aber um so herzlicher willkommen geheißene Kollegen! Man sollte glauben, daß zu dieser Stunde nur ein unwichtiges Thema behandelt wird, aber das ist nicht der Fall. Es handelt sich hier um eine handfeste und konkrete Frage, um unsere gemeinsame Währung. Wie viele in diesem Saal wissen, daß diese Währung gefälscht wird und wir hier völlig unannehmbare Verhältnisse haben? Wir können nicht zulassen, daß unsere gemeinsame Währung durch Fälschungen an Kraft verliert. Darum haben die EZB, ECOFIN, EUROPOL, OLAF sowie der für Rechtsfragen zuständige Kommissar erkannt, daß schnell gemeinsame Gegenmaßnahmen ergriffen werden müssen, um die Lücken in der derzeitigen Gesetzgebung zu schließen. Man vergißt leicht, daß die alten Währungen noch 20 Jahre nach der Einführung der neuen Währung eingetauscht werden können. Darum müssen auch diese Währungen in den strafrechtlichen Teil dieses Aktionsprogramms einbezogen werden. Dieser Zusatz wurde vom Parlament gefordert. Der Rat hätte dem Parlament auch für das letzte Dokument zu diesem Thema die vorgeschriebene dreimonatige Frist einräumen sollen, aber wir wissen alle, wie dringend diese Maßnahmen unter Dach und Fach gebracht werden müssen. Auch wenn diese Frage im März im Rat beschlossen werden soll, besteht für das Parlament Anlaß, jetzt Stellung zu dem Entwurf zu nehmen, damit die Mitgliedstaaten auch den Standpunkt des Parlaments bei dem im März zu fassenden Beschluß mit in Betracht ziehen können. Wenn irgendein Land Schwierigkeiten machen sollte, würde es damit eine Verantwortung für die Währung auf sich laden, die es sowohl moralisch als auch finanziell haftbar machen sollte, wenn es dadurch zu Verzögerungen kommen sollte. Ein solches Agieren würde eine Menge Badwill bedeuten. Am 1. Januar 2002 ist der Euro im Umlauf. Dann muß die gesamte Union den gleichen Schutz haben, einen Schutz, der Fälschungen verbietet, nicht nur von in Umlauf befindlichen Geldmitteln, sondern auch von solchen, die erst noch in Umlauf gebracht werden. Es ist wichtig, in allen Ländern rechtzeitig einen strafrechtlichen Schutz zu haben, der für alle in etwa gleich aussieht. Die Kommission hat Aufklärungsmaßnahmen, präventive Maßnahmen, Erfahrungsaustausche sowie strafrechtliche Maßnahmen vorgeschlagen, die allerdings eine gewisse Rechtsangleichung voraussetzen, indem die niedrigste annehmbar Höchststrafe für Geldfälschungen auf acht Jahre festgelegt wird. Auch der Handel mit Falschgeld und der Besitz von Fälscherausrüstung wird unter Strafe gestellt. Wir erhalten dadurch einfach ein Mindestniveau für die Höchststrafe. Die Stückelungen des Euro sind bekannt. Moderne Computerausrüstung kann großen Schaden anrichten, wenn wir uns nicht schützen. Das Parlament hat eine Reihe von Änderungsanträgen zum vorliegenden Entwurf eingebracht, u. a. zur Gerichtsbarkeit, da man für dieselbe Straftat nur in einem Land angeklagt und verurteilt werden darf. Auch Sanktionen gegen Unternehmen, die in Fälschungen verwickelt sind, wurden auf unsere Veranlassung hin aufgenommen. Die Beitrittskandidaten werden aufgefordert, sich ebenfalls an diese Bestimmungen anzupassen. Der Rat und die Kommission haben zwei Jahre benötigt, um diesen Vorschlag vorzulegen. Darum ist es absolut notwendig, jetzt im März zu einem Beschluß zu kommen. Die Angelegenheit zu verzögern oder sogar Schäden für den Euro zu riskieren, wäre unverantwortlich und außerdem ein Verrat an den Bürgern, die die neuen, unbekannten Geldscheine verwenden sollen. Es wird vor allem damit gerechnet, daß die Falschmünzer in den Ländern außerhalb der Euro-Zone agieren, wo die neue Währung weniger stark im Bewußtsein ist. Darum umfassen die Schutzmaßnahmen auch diese Länder, deren Gesichtpunkten großes Gewicht beigemessen wurde. Aus diesem Grund kann der Vorschlag in seiner Beachtung der verschiedenen Interessen als solidarisch und auf Gegenseitigkeit beruhend bezeichnet werden, was auch verpflichtend ist. Nun muß sich der Rat im März versammeln und einen Beschluß fassen. Ich danke Ihnen, sehr geehrte Kollegen, daß Sie mir zugehört haben. Einen Dank auch an diejenigen, die zu einer schnellen Behandlung dieser Frage beigetragen haben. Ich denke da besonders an die PSE-Fraktion. Herr Präsident, liebe Kollegen! Zunächst möchte ich der Berichterstatterin Frau Abgeordnete Charlotte Cederschiöld zu diesem Bericht gratulieren, der ein hervorragender Ausgangspunkt für die Verstärkung des strafrechtlichen Schutzes gegen Geldfälschung im Hinblick auf die Einführung des Euro ist. Der Euro wird am 1. Januar 2002 in Umlauf gebracht und dann zu einer der weltweit wichtigsten Leitwährungen werden. Aufgrund seiner Bedeutung im Weltmaßstab wird der Euro der Gefahr einer Fälschung oder Verfälschung in besonders hohem Maße ausgesetzt sein. Im vorliegenden Entwurf eines Rahmenbeschlusses werden daher eine Reihe von Mindestregelungen festgelegt, und es wird der Versuch unternommen, das Strafrecht auf diesem Gebiet zu harmonisieren und seine Umsetzung durch jeden Mitgliedstaat einfacher und effizienter zu gestalten. Darüber hinaus sieht er vor, den strafrechtlichen Schutz des Euro durchzusetzen, noch bevor dieser in Umlauf gebracht wird, wodurch in einigen Mitgliedstaaten eine Gesetzeslücke geschlossen wird. Ich möchte die Berichterstatterin ausdrücklich darin unterstützen, daß es notwendig ist, diesen strafrechtlichen Schutz auf die nationalen Währungen zu erweitern, die auch, nachdem sie aus dem Umlauf genommen wurden, weiter umgetauscht werden können. Jeder Mitgliedstaat muß die Einführung wirksamer, zweckgemäßer und abschreckender strafrechtlicher Sanktionen für die im Entwurf des Rahmenbeschlusses als Straftat vorgesehenen Handlungen gewährleisten. Was den Vorschlag anbelangt, für Haftstrafen eine Höchstgrenze von acht Jahren festzulegen, so wird es meiner Ansicht nach keinerlei Probleme in bezug auf mein Land geben, das, obwohl zur Zeit in unserem Strafgesetzbuch für Geldfälschungsdelikte eine Höchststrafe von fünf Jahren vorgesehen ist, bereits seine Bereitschaft signalisierte, eine entsprechende Änderung vorzunehmen. Zum anderen möchte ich hier, wie dies unsere Berichterstatterin bereits aus den von ihr genannten Gründen getan hat, an die wenigen Mitgliedstaaten appellieren, die noch über einige Geldvorräte verfügen. Sie sollten diese auflösen, damit man kurzfristig zu einer diesbezüglichen Entscheidung gelangen kann. Herr Präsident! Mit diesem Entwurf eines Rahmenbeschlusses liegt erstmalig ein gemeinsamer Vorschlag für eine strafrechtliche Regelung vor, die in allen 15 Mitgliedstaaten gleichzeitig zur Anwendung kommt. Damit gehen wir weitere Schritte in Richtung des Ziels, die Europäische Union als Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu entwickeln und zu gestalten, wie dies in Tampere angestrebt wurde. Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich brauche nicht zu wiederholen, was die Frau Berichterstatterin gesagt hat, auch nicht, was der Kollege Coelho bereits ausgeführt hat. Das ist nämlich alles richtig und zutreffend. Der Euro kann leicht gefälscht werden. Wir befinden uns in einer gefährlichen Übergangsphase, in der strafrechtlich ein - ich glaube, in der Geschichte des Geldwesens - wohl einzigartiges Phänomen auftritt, nämlich daß ein noch gar nicht vorhandenes Geld, das noch nicht in Umlauf ist, sondern nur als Buchgeld vorhanden ist, dennoch bereits gefälscht werden kann, daß aber aufgrund der Tatsache, daß es noch nicht als Währung in Umlauf ist, der Straftatbestand der Geldfälschung zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirksam werden kann. Ein ganz kompliziertes Problem. Das heißt, man kann, wenn wir nicht schnell handeln, - da hat die Kollegin Cederschiöld recht - jetzt schon ein paar falsche Euros machen und eventuell für deren Inumlaufbringung nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Für manch einen, erlaube ich mir an Rande zu sagen, mag das eine attraktive Aussicht sein. Was tut die Europäische Union nun dagegen? Eine Menge von richtigen Dingen, die die Kollegin Cederschiöld beschrieben hat, aber das Parlament muß im Zusammenhang mit dem, was sie beschrieben hat, weniger zum Inhalt des Rahmenbeschlusses, auch weniger zum Bericht, den die Kollegin Cederschiöld dazu verfaßt hat, etwas sagen, sondern zu den Verfahren, die angewendet werden. Das Europäische Parlament ist vom Rat, der mit weitem Abstand undemokratischsten Institution in Europa, in einer Art und Weise konsultiert worden, die dem Begriff der Demokratie Hohn spricht. Wir haben einen Text zur Konsultation übermittelt bekommen, an dem der Rat selbst über einen sehr langen Zeitraum gebastelt hat, übrigens nur zu Teilen mit Erfolg - da komme ich gleich noch drauf zu sprechen. Das Europäische Parlament soll nun innerhalb von drei Monaten zu diesem komplexen, schwierigen, teilweise widersprüchlichen Papier des Rates Stellung nehmen. Es ist nur dem ungeheuren Einsatz der Kollegin Cederschiöld zu verdanken sowie dem Verzicht des Europäischen Parlaments, von seinem demokratischen Recht Gebrauch zu machen, in ausreichender Zeit und unter Verfügbarkeit aller Texte in allen Sprachen seine Konsultationsverfahren durchzuführen, daß wir jetzt in der vom Rat gewünschten zeitlichen Vorgabe zu einer Stellungnahme und damit zu der im März anstehenden Beschlußfassung kommen können. Bei einem so wichtigen Thema, wie dem der Geldfälschung oder des Schutzes vor der Geldfälschung und der strafrechtlichen Harmonisierung, die dafür notwendig ist, kann man eigentlich nicht in diesem Schweinsgalopp arbeiten, den uns der Rat abverlangt. Deshalb will ich für meine Fraktion hier in aller Deutlichkeit sagen: Wir haben mit der Kollegin Cederschiöld lange darüber diskutiert, ob es sinnvoll ist, so zu arbeiten. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, daß es nicht so ist, aber angesichts der Wichtigkeit des Gegenstandes haben wir uns darauf geeinigt, das Verfahren so zu akzeptieren. Der vorliegende Rahmenbeschluß ist ganz ohne Zweifel ein Fortschritt. Nur, die eigentlich vom Rat gewünschte Rechtssicherheit - das hat die Kollegin Cederschiöld schon ausgeführt - wird am Ende nicht vollständig erreicht, weil bei den angestrebten Mindeststandards, dem Mindeststandard der Strafbarkeit und vor allen Dingen auch der Anwendung der gleichen Strafrechtsnormen in allen Mitgliedsländern - auch in denen, die den Euro noch nicht eingeführt haben, in denen aber theoretisch gefälscht werden könnte -, diese Defizite nicht behoben worden sind. Sie sind unter anderem deshalb nicht behoben worden, weil der Rat wie üblich nicht über seinen eigenen Schatten springen kann und es auch bei diesem Rahmenbeschluß vorzieht, gerade im Bereich der justitiellen Zusammenarbeit weiterhin auf der Ebene der Regierungszusammenarbeit zu verharren. Deshalb ist - das will ich hier zitieren - dieser Rahmenbeschluß auch nur eine Ergänzung eines internationalen Abkommens, das schlappe 71 Jahre alt ist, nämlich das Abkommen vom 20. April 1929 zur Bekämpfung der Falschmünzerei und der dazugehörigen Protokolle. Das heißt, das, was wir jetzt bei dem Euro an justitieller Grundlage zu seinem Schutz erarbeiten, erfolgt nicht dort, wo es eigentlich hingehören müßte, nämlich im Bereich des Gemeinschaftsrechts, sondern es erfolgt als Ergänzung internationaler Übereinkommen, die 71 Jahre alt sind. Ob das die Zukunft der Europäischen Union, der Justizzusammenarbeit in der Europäischen Union sein kann, das überlasse ich der Bewertung der hier anwesenden Festversammlung. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit, die Sie mir bei unserem gemeinsamen Nachtprogramm geschenkt haben! Herr Präsident, mit der Einführung des Euro könnten goldene Zeiten für Falschmünzer anbrechen. Die Bürger, die auf einen Schlag jeglichen Bezug zu Währungen verlieren werden, könnten allzu leichtfertig falsche Euro akzeptieren, da ihnen die echten noch nicht richtig vertraut sind. So ist es ganz normal, daß der Rat beunruhigt ist und Sanktionen, vor allem strafrechtlicher Art, gegen derartige Vergehen vorsehen möchte, die in allen europäischen Ländern zur Anwendung kommen sollen. Zu diesem Zweck hätte sich der Rat sicher mit einer einfachen Entschließung begnügen können, in der er den Mitgliedstaaten die Verabschiedung entsprechender nationaler Gesetze empfiehlt. Dieses Vorgehen hätte ich persönlich für sinnvoller gehalten. Aber der Rat hat es, wahrscheinlich aufgrund mangelnden Vertrauens in den Eifer mancher Mitgliedstaaten, vorgezogen, ein zwingenderes Rechtsinstrument auf europäischer Ebene umzusetzen, nämlich den Rahmenbeschluß. Hier beginnen nun aber die Schwierigkeiten, denn das Strafrecht fällt in den Zuständigkeitsbereich der nationalen Souveränität, und der Vertrag von Maastricht sah, wohl um den Wähler nicht zu überfordern, in diesem Fall keine genauen Bestimmungen für den Euro vor. Der vorliegende Entwurf für einen Rahmenbeschluß stellt also den Versuch dar, diese Lücke zu vertuschen, indem man sich auf die Artikel 31 Buchstabe und 34 Absatz 2 Buchstabe b des Vertrags bezieht. Meines Erachtens ist dies jedoch nicht angebracht. Artikel 31 sieht nur in bestimmten, streng begrenzten Fällen minimale gemeinsame Bestimmungen bei Straftaten vor, wie beispielsweise im Falle von organisierter Kriminalität, Terrorismus oder Drogenhandel. Falschmünzerei zählt nicht dazu. Was Artikel 34 anbelangt, der aus dem Vertrag von Amsterdam hervorgegangen ist, so definiert er lediglich die neue Form des Rahmenbeschlusses, der aber natürlich nur bei den bereits bestehenden Zuständigkeitsbereichen der Union zur Anwendung kommt. Somit sind wir wieder bei dem ersten Problem angelangt. Mit anderen Worten: Der Rat hat es nicht geschafft, diesen Text auf eine glaubwürdige rechtliche Basis zu stellen. In gewisser Weise ist dies die nachträgliche Strafe für die fehlende Aufrichtigkeit, als er vor Jahren den Wählern den Vertrag von Maastricht vorgestellt hat. Ich möchte aber auch noch eine Überlegung allgemeinerer Art anschließen. Vor einiger Zeit mußten wir uns in fast jeder Sitzung mit einem oder mehreren Berichten über Grundsatzfragen zum Euro befassen. Aber seit einem Jahr ist dies nicht mehr der Fall. Wir erhalten nur noch einige kurze technische Berichte, so den über das Falschgeld. Die Mitteilung der Kommission über ihre strategischen Ziele 2000-2005, über die wir in dieser Woche diskutiert haben, enthielt kein Wort zu diesem großen Themenkomplex, außer einem einzeiligen Hinweis darauf, daß die Euromünzen und ­scheine ab dem 1. Januar 2002 in Umlauf gebracht werden sollen. Dies ist wirklich sehr dürftig. Zahlreiche inhaltliche Probleme sind jedoch noch nicht gelöst. Zu nennen wären hier beispielsweise das beunruhigende Desinteresse der Öffentlichkeit, die Definition von währungspolitischen Zielen, die sich ausschließlich auf die Inflationsbekämpfung beschränken, die seltsame Verknüpfung mit einem währungspolitischen Föderalismus ohne einen haushalts- oder steuerpolitischen Föderalismus, der Status der derzeitigen Beitrittskandidaten innerhalb der Euro-Zone, wenn sie Mitgliedstaaten werden, die Ratlosigkeit der internationalen Märkte angesichts dieser Währung ohne homogene Verankerung in der Bevölkerung usw. Hinzu kommt, daß die Investoren, die Dollar verkauft haben, um Euro zu kaufen, seit dem 1. Januar 1999 20 % Verlust gemacht haben, beim Kauf von Obligationen 40 % und sogar 55 %, wenn sie Yen gegen Euro eingetauscht haben. Herr Präsident, für diese glücklosen Investoren sind sogar echte Euro gleichbedeutend mit Falschgeld. All dies sind gewaltige Probleme, die aber hier tabu zu sein scheinen. Ich möchte an die Ausführungen meines Vorredners anknüpfen. Es drängen sich einige prinzipielle Fragen auf, da man davon ausgehen muß, daß die strafrechtliche Regelung eine nationale Angelegenheit ist. Das Strafrecht gehört zur kulturellen Tradition der jeweiligen Gesellschaft, und es ist sehr schwierig, sich auf gemeinsame Definitionen dieser juristischen Grundbegriffe zu einigen. Ich schätze die Arbeit von Frau Cederschiöld, und ich möchte ihren Vorschlag aufgreifen - im Zusammenhang mit dem Gipfeltreffen von Tampere - gemeinsame Definitionen und Regeln für strafbare Handlungen und gemeinsame Sanktionen aufzustellen. Sie möchte diese Sanktionen gemeinsam ausarbeiten, um zu einem kohärenten Strafrechtssystem in Bezug auf Vergehen zu gelangen, die für die EU von besonderer Relevanz sind. Das Problem besteht jedoch darin, daß es dafür keine gesetzliche Grundlage gibt, und zwar aus gutem Grund. Strafrechtliche Sanktionen gehören nämlich in die nationale Zuständigkeit. In diesem Zusammenhang möchte ich den Vertretern der Kommission und des Rates folgende Fragen stellen: Ist die Rechtsgrundlage, auf die Sie sich berufen, ausreichend? Meiner Meinung nach verstößt sie eindeutig gegen Artikel 34, Abs. 2, Buchstabe b, und geht weit über diesen hinaus. Dort werden die rechtlichen Grundlagen für sogenannte Rahmenbeschlüsse festgelegt, die für die Mitgliedstaaten im Hinblick auf die beabsichtigten Ziele bindend sind, wo es jedoch den nationalen Behörden überlassen wird, die Art und die Maßnahmen der Durchführung festzulegen. Der vorliegende Rahmenbeschlußentwurf sieht vor, daß die Pflichten der Mitgliedstaaten detailliert festgelegt werden, es gibt keine Wahlmöglichkeiten die Mittel und die Durchführung betreffend. Das überschreitet meiner Ansicht nach den Rahmen der gesetzlichen Grundlage. Ich bitte die Kommission und den Rat um eine Antwort, denn ich halte es für einleuchtend, daß Artikel 31 keine gesetzliche Grundlage bietet. Herr Präsident, Frau Kommissarin! Ich möchte zuerst einmal der Berichterstatterin recht herzlich gratulieren und danken und auch darauf verweisen, daß sie in ihrem Bericht ja nicht nur den Entwurf des Rahmenbeschlusses begrüßt hat, sondern auch einige Änderungen, die auch in den verschiedenen Wortmeldungen aufgezeigt wurden, einige Änderungen als Ergänzung und Verbesserung des Textes vorgeschlagen hat, die wir jetzt nicht alle ausführen können. Es geht auf jeden Fall darum, die Erfolgsgeschichte des Euros fortzuschreiben, und wir müssen alles tun, damit diese Erfolgsgeschichte nicht durch zu geringe Maßnahmen gegen Fälschungen - und erste Versuche sind uns bekannt - beschädigt oder in Frage gestellt wird. Wir haben alle darauf hingewiesen, daß die Phase der Umstellung auch Unsicherheiten und Gefahren bedeutet. Daher hat neben der Arbeit gegen Fälschungen, neben einer ordnungsgemäßen Durchführung der Bestimmungen, natürlich auch die geplante Informationskampagne eine wesentliche Rolle zu spielen, der wir uns noch sehr intensiv zu widmen haben. Es geht aber auch um Fragen der Kooperation. Wir brauchen eine Definition der präzisen Zuständigkeiten zwischen der EZB, den nationalen Zentralbanken, der Kommission und Europol in bezug auf alle die Fälschung des Euro betreffenden Fragen. Ich frage mich auch, ob es nicht notwendig wäre, ein interinstitutionelles oder EU-Gremium zu schaffen, das für die Koordination der Zusammenarbeit zuständig ist. Damit im Zusammenhang steht auch die Schaffung eines Frühwarnsystems, das rund um die Uhr arbeitet, sowie die Einrichtung eines gemeinsamen Informationssystems für den raschen Datenaustausch zwischen den zuständigen Behörden. Neben dem Bericht, den wir begrüßen, sind viele Fragen aufgetaucht, die noch zu klären sind. Ich hoffe, daß die Debatte, die wir hier führen, noch zu manchen Klarstellungen führt. Herr Präsident, sehr geehrte Berichterstatterin, sehr geehrte Abgeordnete! Wie sicher ist der Euro? Das ist ja eine Frage, die von der Bevölkerung sehr häufig gestellt wird. Diese Frage wird natürlich mit Näherrücken des 1.1.2002 um so dringlicher gestellt werden, des Termins, an dem in den Geldbörsen der Euro sein wird. Die Frage, wie sicher der Euro ist, betrifft eben nicht nur die Stabilität der Währung und den Außenwert0 der Währung, sondern sie betrifft eben auch die Frage des Schutzes des Euro vor Fälschungen. Auch das bewegt die Bevölkerung, denn dieses Geld wird ja, wie zu Recht gesagt wurde, eben für die Bürgerinnen und Bürger neu sein, sowohl optisch neu sein als auch von der Frage der Handhabung her. Es wird natürlich auch eine neue Tatsache sein für alle Bürgerinnen und Bürger der Mitgliedstaaten, daß ihre Währung in einem so viel größeren Gebiet gültig ist und eben auch als Leitwährung über Europa hinaus. Auch daran wird man sich erst gewöhnen müssen. So ist es klar, daß die Frage gestellt wird, was die EU unternimmt, um den Euro vor Geldfälschung zu sichern. Darum geht es ja zu dieser späten Stunde. Es ist eigentlich wirklich ein Thema, das bürgernah ist. Insofern ist es bedauerlich, daß es zu so später Stunde stattfindet. Aber es muß ja sein. Selbstverständlich befaßt sich die Europäische Zentralbank schon sehr lange mit dem Thema. Die Zentralbank ist ja für die technische Fälschungssicherheit zuständig. Die Kommission hat - auch darauf wurde schon hingewiesen - im Sommer 1998 eine Mitteilung vorgelegt, in der die verschiedensten Bereiche aufgelistet wurden, in denen Maßnahmen notwendig sind, nämlich im Bereich der Information, im Bereich der Fortbildung - ein wichtiger Punkt -, im Bereich der Zusammenarbeit zwischen den Euro-Staaten und natürlich der Zusammenarbeit darüber hinaus und im Bereich der strafrechtlichen Maßnahmen. Darum geht es bei dem vorliegenden Rahmenbeschluß. Frau Berichterstatterin, ich möchte mich im Namen der Kommission sehr herzlich bei Ihnen bedanken, und vor allen Dingen möchte ich mich auch beim Parlament dafür bedanken, daß Sie innerhalb dieser kurzen Zeit bereit waren, die Stellungnahme zu erarbeiten. Ich weiß das sehr wohl zu schätzen. In dem Rahmenbeschluß geht es darum, daß die Mitgliedstaaten eine gleiche Definition von Geldfälschungsdelikten anwenden. Das ist natürlich immer die erste Voraussetzung, die gleichen Definitionen zu haben, um überhaupt zu gleichem Handeln zu kommen, und es geht, wie betont wurde, im wesentlichen darum, daß der Schutz des Euro schon vor seiner physischen Einführung sichergestellt ist. Natürlich ist die Kommission auch dankbar dafür, daß durch die schnelle Entscheidung des Europäischen Parlaments - und ich hoffe, daß so abgestimmt werden wird - auch der Rahmenbeschluß jetzt möglichst schnell in Kraft treten kann, damit die Umsetzungsschritte eingeleitet werden können. Die Kommission ist ja aufgefordert und wird zur ersten Hälfte des nächsten Jahres einen Bericht darüber vorlegen, wie es denn mit der Umsetzung in den Mitgliedsstaaten steht, ob tatsächlich auch die Ernsthaftigkeit des Themas sich dann im entsprechenden Handeln niederschlägt. Es wurde darauf hingewiesen, daß dieser Rahmenbeschluß eben ein Beschluß im Bereich des Strafrechts ist. Insofern muß man diese Neuerung, diesen Schritt anerkennen, auch wenn Sie, Herr Schulz, darauf hingewiesen haben, daß insgesamt durch die Ergänzung dieses ziemlich alten Abkommens der Schritt nicht allzu mutig ist. Zu Ihrer Frage, ob die Kommission der Meinung ist, daß der Rahmenbeschluß auf einer ausreichenden Rechtsgrundlage gemäß dem Vertrag beruht: Die Kommission ist der Meinung, daß hier die richtige Grundlage Anwendung findet. Der Rahmenbeschluß wird allerdings dann in der Folgezeit durch weitere Rechtsakte ergänzt werden müssen. Die Kommission wird einen Verordnungsvorschlag zur Zusammenarbeit aller zuständigen Behörden und zur Zusammenarbeit mit Europol vorlegen. Dieser Vorschlag soll eine Pflicht der Zusammenarbeit vorsehen und die Pflicht der nationalen Behörden regeln, Fälle von Geldfälschung an Europol zu melden und beschlagnahmtes Falschgeld der Europäischen Zentralbank zur Identifikation und zur Klassifizierung vorzulegen, um dann eben wirksam Maßnahmen diesbezüglich ergreifen zu können. Zu der Frage der Koordination der verschiedenen Maßnahmen: Seit Anfang 1998 arbeitet die Kommission und hier jetzt in der Folge OLAF mit den entsprechenden Experten der Mitgliedstaaten, der Europäischen Zentralbank, von Europol zusammen, um effektiv Fälschungen des Euro schon im Vorfeld bekämpfen zu können. Von seiten der Kommission wurde auch vor wenigen Wochen - und Sie, Herr Karas, hatten eben darauf hingewiesen - der Vorschlag für eine Informationskampagne über den Euro vorgelegt mit einer vorgeschlagenen Mittelausstattung von immerhin 32 Millionen Euro. Das ist ja ein Mittelvolumen, das sehr wirksam eingesetzt werden kann, also ein großes Mittelvolumen; und natürlich wird es bei dieser Informationskampagne auch an ganz wichtiger Stelle um die Sicherheit des Euro vor Fälschung gehen. Ich denke, daß diese Debatte auch dazu beiträgt, daß alle Geldfälscher, die glauben, daß zu so später Stunde ihre Stunde gekommen sei, weil die EU nicht mehr wacht, durch diese Debatte kurz vor Mitternacht eines Besseren belehrt werden! Vielen Dank, Frau Kommissarin Schreyer. Die Aussprache ist geschlossen. Die Abstimmung findet morgen um 12 Uhr statt. (Die Sitzung wird um 23.50 Uhr unterbrochen.)