Sehr geehrter Herr Präsident des Rates, sehr geehrter Herr Präsident der Kommission, meine Damen und Herren, vor kaum 50 Jahren, als ich erstmals ins Elsaß kam, wo heute unser Parlament tagt, war Europa zutiefst erschüttert, zerstört und entzweit durch die Folgen der Konflikte eines halben Jahrhunderts und des zweiten Weltkriegs. Im Osten waren 10 europäische Staaten hinter dem eisernen Vorhang verschwunden; im Südwesten litten Spanien und Portugal unter dem Joch diktatorischer Herrschaft. Dennoch verfügte eine Handvoll Europäer zu diesem Zeitpunkt über den Mut und die Weitsichtigkeit, die notwendig waren, um den Kurs zu ändern und Konfrontation durch Verständnis zu ersetzen, das so tief ging, daß es statt gelegentlicher Allianzen oder bloßer Zusammenarbeit auf der Verfolgung des gemeinsamen Interesses durch ebenfalls gemeinsame demokratische Institutionen gründete. Die nach diesem neuen Kurs zurückgelegte Wegstrecke ist sehr lang, die Ergebnisse übertreffen alle Erwartungen. Die 6 Gründungsmitglieder sind auf 15 angewachsen, die den größten bekannten Wohlstandsraum bilden. Der Fall der Berliner Mauer und das Ende des Kalten Krieges haben es Millionen von Europäern erlaubt, ihre Freiheit wiederzuerlangen und trotz aller bekannten Schwierigkeiten entschlossen den Weg der Integration zu beschreiten. Unser Gemeinschaftsmodell findet Nachahmer auf anderen Kontinenten. Wenn nun aber das europäische Aufbauwerk trotz der jeder menschlichen Konstruktion innewohnenden Mängel und Defekte erfolgreich ist, warum sind unsere Mitbürger dann beunruhigt? Warum zweifeln sie, bekunden Desinteresse oder offene Ablehnung in einer Phase, in der die Regierungen der Mitgliedstaaten und die Institutionen der Union ehrgeizige Pläne verfolgen, um sie zu beteiligen und ihren Sorgen und Interessen Rechnung zu tragen? Zweifellos handelt es sich hier um ein wohlbekanntes Phänomen: Wir tendieren dazu, die überwundenen Schwierigkeiten zu vergessen und die Erfolge angesichts der gegenwärtigen Probleme geringzuschätzen. Sicherlich sind die Probleme nicht weniger geworden: 18 Millionen Arbeitslose, eine Wirtschaft, die nur langsam aus der Stagnation herauskommt, und eine steigende Anzahl von Europäern, die unter sozialer Ausgrenzung leiden, sind mehr als genug Gründe für unsere Mitbürger, sich zu fragen, wohin wir steuern und warum. Ich bin mir bewußt, daß ich in dieser ersten Ansprache als Präsident diese Fragen keinesfalls erschöpfend beantworten kann. Daher setze ich mir ein bescheideneres Ziel: Ich möchte daran erinnern, daß die Europäische Union ein wesentliches Ziel verfolgt: die Wahrung des Friedens , wozu es unerläßlich ist, daß sie weiter verbessert und gestärkt wird. Die Notwendigkeit eines europäischen Bundes zur Wahrung des Friedens wurde bereits in der SchumanErklärung vom 9. Mai 1950 proklamiert und hat in diesen 46 Jahren nicht an Gültigkeit verloren. Vielleicht glauben einige, daß die Gefahr eines Weltkriegs gebannt ist, international wurden aber weder Krieg noch Gewalt ausgemerzt.Bosnien, Ruanda, Burundi, Zaire, Somalia und viele weitere tragische Vorgänge erinnern uns tagtäglich daran. Die Europäer nehmen es immer weniger hin, daß sich die Union als unfähig erweist, in diesen Konflikten zu intervenieren, um sie zu verhindern oder zumindest den Frieden wiederherzustellen. Es genügt nicht, vorzugeben, daß sie nicht mehr tun kann, weil ihr die Kompetenzen fehlen. Wir müssen zugeben, daß der im Maastrichter Vertrag für die Außen- und Sicherheitspolitik vorgegebene Kooperationsmechanismus ein eindeutiger Fehlschlag und es unerläßlich ist, ihn so rasch wie möglich durch einen effizienteren, das heißt gemeinschaftlicheren, weniger von Regierungszusammenarbeit geprägten zu ersetzen, wie dieses Parlament es so oft gefordert hat. Warum mehr gemeinschaftliche und weniger Regierungszusammenarbeit.Weil beim Aufbau eines vereinten Europas der gemeinschaftliche Weg, das möchten wir noch einmal wiederholen, das Synonym für Effizienz ist, die Regierungszusammenarbeit hingegen für Verwässerung, Zögerlichkeit und schlußendlich Mißerfolg steht. Der Vergleich der Entwicklung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft einerseits und der Europäischen Freihandelszone andererseits reicht bereits aus, dies zu belegen. Die Schwierigkeiten bei der Verwirklichung des zweiten und dritten Pfeilers des Unionsvertrags haben es erneut bewiesen. Europa darf sich nicht nur mit dem Frieden in Drittländern befassen. Auch im Innern leiden wir unter Phänomenen wie Terrorismus, organisiertem Verbrechen, Kinder- oder Drogenhandel. Diese Geißeln können unmöglich von jeder Nation allein effizient bekämpft werden; in vielen Fällen reicht nicht einmal die einfache Zusammenarbeit von Richtern und Polizei aus. Um dem gemeinsamen Markt des Verbrechens wirksam entgegenzutreten, benötigen wir einen wirklichen europäischen Rechts- und Polizeiraum. Es erscheint klar, daß die breite Mehrheit der Regierungen der Mitgliedstaaten bereit ist, diese Frage auf der Regierungskonferenz ernsthaft anzugehen. Dieser gute Wille allein reicht jedoch nicht aus, wenn die gemeinschaftlichen Institutionen angesichts der Widerstände einiger erneut an den Rand gedrängt werden. Das Parlament hat wohlüberlegte Vorschläge formuliert, um allmählich die Vergemeinschaftung der Aspekte der Justizund Innenpolitik zu verwirklichen, die nicht auf dem Wege der Zusammenarbeit bewältigt werden können. Die Mitgliedstaaten würden eine riesige Verantwortung auf sich laden, wenn sie sich als unfähig erweisen sollten, ihre nationale Souveränität zu vergemeinschaften, um Probleme zu lösen, die in so hohem Maße Frieden und Sicherheit unserer Bürger beeinflussen. Dieser Frieden, meine Damen und Herren, hängt auch in unserer Union davon ab, daß ein breiter sozialer Konsens darüber besteht, wie die Früchte der Arbeit und des Reichtums zu verteilen sind. Ein Konsens, der aus einem langen Kampf resultiert, der den Arbeitnehmern harte Opfer abverlangt hat, bis die oft gewaltsamen Konfrontationen dem allgemeinen Bewußtsein Platz machten, daß Dialog und Verständigung zwischen den Sozialpartnern das beste Mittel sind, entschiedene Fortschritte im Hinblick auf eine wachsende soziale Gerechtigkeit zu erzielen. Der riesige Anschub, den der gemeinsame Markt für die Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten bedeutete, war zweifellos ein wichtiger Faktor für die Verwirklichung dieser, vom Gedanken des Wohlstandsstaats geprägten Situation, die den von mir erwähnten Konsens so erleichtert. Die Notwendigkeit, weltweit mit anderen Wirtschaftsmächten zu konkurrieren, und die Umwälzungen infolge der Verwirklichung des Binnenmarkts erfordern in dieser Phase die Anpassung des Wohlstandsstaates an die neuen Umstände. Vielleicht, indem die Rolle der sozialen Akteure stärker als die der öffentlichen Behörden ausgeweitet wird, in jedem Fall jedoch, was ich betonen möchte, durch die Beibehaltung der Grundzüge des Systems, unseres europäischen Sozialmodells, das wir keinesfalls aufgeben wollen. Ein Modell, das auf einem heiklen Gleichgewicht zwischen den drei Werten jeder wirklich demokratischen Gesellschaft beruht: Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit oder Solidarität. Keiner davon kann geopfert werden, ohne daß die Demokratie leidet und der soziale Friede gefährdet wird. Sehr geehrte Damen und Herren, unser Parlament muß darüber wachen, daß diese Werte die Entwicklung des europäischen Aufbauwerks und die Funktionsweise der gemeinschaftlichen Institutionen bestimmen, beginnend logischerweise in dieser Kammer In dem Schreiben, das ich mit der Bitte um Ihre Stimme an Sie gerichtet habe, habe ich einige Vorschläge formuliert bzw. Leitlinien empfohlen, insbesondere zur Notwendigkeit, den Kontakt mit unseren Wählern zu verbessern, den Mitgliedern eine breitere Plattform zu gewähren und unsere Debatten zu beleben. Gleichzeitig sollten wir uns ein einheitliches Statut zum Ziel setzen, das der unumstrittenen Notwendigkeit einer Gleichbehandlung derer, die die gleichen Aufgaben erfüllen, entspricht. Dessen Inexistenz hat uns erhebliche Nachteile verursacht. Ich werde heute nicht im einzelnen auf diese und andere Fragen der Organisation des Parlaments eingehen, möchte Sie nichtsdestotrotz aber nachdrücklich um Ihre Unterstützung für mehr Transparenz und Effizienz unserer Tätigkeit ersuchen, da ich mir bewußt bin, daß ohne diese Unterstützung die besten Absichten jedes Präsidenten zum Scheitern verurteilt wären. Es ist absolut unverzichtbar, daß die Arbeit dieses Parlaments tagtäglich von mehr Qualität, Transparenz, Klarheit und Mitwirkung geprägt werden muß, wenn wir wollen, daß die hier geleistete Arbeit die Besorgnis der Bürger der Union zerstreut. Allerdings wäre es ein unverzeihlicher Irrtum, unsere Anstrengungen auf die notwendigen Veränderungen zu beschränken, um nur eine reibungslose interne Funktionsweise unserer Institution zu erreichen: das eigentliche Ziel ist die Annäherung des Parlaments an die Bürger. In diesem Sinne begrüße ich die wichtigen Fortschritte, die während der Amtszeit meines Vorgängers, Klaus Hänsch, erreicht wurden, der mir in nicht wenigen Fällen als Beispiel dienen wird. Von den Anstrengungen zur Annäherung an unsere Bürger in den nächsten zweieinhalb Jahren, von unserer Fähigkeit, auf ihre Sorgen und Probleme einzugehen, wird es in hohem Maße abhängen, daß sie die Europawahlen 1999 als politisch wichtiges Datum betrachten, das die künftige Ausrichtung des europäischen Aufbauwerks beeinflussen kann. Sehr geehrte Damen und Herren, wir sind hier, um die Europäer zu vertreten, und für die Europäer ist es notwendig, daß die Union ihnen dient, um eine immer freiere, gleichere und solidarischere Gesellschaft zu schaffen. Dies kann nur erreicht werden, wenn wir mit Würde die drei Herausforderungen bewältigen, denen wir uns gegenübersehen: Erstens die Aktualisierung der Gemeinschaftsinstitutionen auf der Regierungskonferenz. Ich habe zuvor auf einige Grundaspekte verwiesen, dabei dürfen wir jedoch auch nicht die Notwendigkeit außer Acht lassen, daß alle Institutionen sich anpassen müssen, um transparent, demokratisch und effizient in einer Union zu funktionieren, die bereits 15 Mitglieder zählt und deren Mitgliederzahl sich bald weiter erhöhen wird. Diese Anpassung wird nicht erfolgreich sein, wenn wir einer bereits äußerst komplizierten Struktur weitere Organismen oder Mechanismen der Regierungszusammenarbeit hinzufügen.Unsere Mitbürger verstehen das komplizierte System der Pfeiler, die Verfahren und Rechtsgrundlagen, die unsere Union heute charakterisieren, nicht und sind dazu auch gar nicht in der Lage. Sie sind an ein einfaches Schema gewöhnt: eine Kammer oder zwei, die Gesetze erlassen, eine Exekutive, die regiert, einige Gerichte, die urteilen und für die Einhaltung der Gesetze sorgen; all dies kodifiziert in Texten, deren Sprache verständlich ist. Von diesem Schema abzuweichen, bedeutet die Gefährdung der demokratischen Legitimität, die Entfernung vom Rechtsstaat und die Hinwendung zum Mißerfolg. Leider ist Europa eine Angelegenheit fachspezifischer Minderheiten geworden; Fortschritte lassen sich nicht ohne die Unterstützung der Europäer erzielen, diese wird jedoch nicht gegeben sein, wenn sie nicht Institutionen erkennen können, die sie verstehen, leiten und kontrollieren können. Die zweite Herausforderung, die wir bewältigen müssen, ist die Wirtschafts- und Währungsunion. Nicht nur die Währungsunion: wir werden zwar eine einheitliche Währung haben, jedoch nicht nur eine Währung. Auch eine gemeinsame Wirtschaftspolitik, da die Gemeinschaftsinstitutionen die großen Leitlinien der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten, der von Anfang an an der Währungsunion beteiligten und der ihr später beitretenden, vorgeben werden. Unser Parlament hat in diesem Zusammenhang eine ganz besondere Aufgabe zu erfüllen: Es muß erreichen, daß diese Leitlinien den Bedürfnissen oder Interessen unserer Mitbürger entsprechen, daß die zur Sanierung unserer Volkswirtschaften geleisteten Opfer zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zur Ausmerzung der sozialen Ausgrenzung führen. Auf diesem Gebiet gibt es viele Möglichkeiten zur Zusammenarbeit mit den nationalen Parlamenten bei der Suche nach Möglichkeiten und Politiken, die eine Umkehr der Tendenz zu dieser dualen Gesellschaft gestatten, die wir keinesfalls zulassen dürfen.-Meine Damen und Herren, die dritte der großen Herausforderungen, die wir bewältigen müssen, ist die Erweiterung der Union um die anderen Europäer, die Länder unseres Kontinents, die sich uns noch nicht anschließen konnten. Heutzutage ist das einzige wirklich historische Ziel für die europäischen Nationen die Organisation eines starken und demokratischen Europas, das weltweit zur Friedenssicherung beitragen kann.Dazu müssen wir alle eine Union bilden, die in bezug auf politischen, sozialen und geographischen Zusammenhalt beispielhaft ist. Ein reiner Unterbau, ein Markt, der ausschließlich von dem Willen geprägt ist, wirtschaftliche Vorteile auf Kosten anderer zu erlangen, reichen nicht aus; notwendig sind vielmehr eine Gemeinschaft, Bemühungen um das gemeinsame Interesse unter Führung demokratischer Institutionen und geprägt von einem entschlossenen Integrationswillen. Dies ist zweifellos eine weitere der entscheidenden Herausforderungen, denen sich die Regierungskonferenz gegenübersieht, die den Bürger so stark beschäftigende Fragen wie die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, das möchte ich wiederholen, und der sozialen Ausgrenzung, die Umwelt und die Gesundheit der EU-Bürger sehr ernst nehmen muß. Von uns, meine Damen und Herren, hängt es ab, diesen Kampf unablässig fortzusetzen, die Öffentlichkeit zu mobilisieren und Wege für die Zukunft zu eröffnen. Ich kann Ihnen nur versprechen, daß ich keine Anstrengung scheuen und für Ihre Initiativen und Empfehlungen immer offen sein werde. Dies in dem Vertrauen um das Wissen, daß dieses Parlament wie die guten Seeleute immer die aktuellen günstigen oder widrigen Winde zu nutzen wußte, um den Hafen zu erreichen, der noch kaum zu erkennen war. Unsere Mitbürger kämpfen heute gegen die Finsternis der Ungewißheit. Wie die Europäer auf den Karavellen von Christoph Kolumbus schauen sie besorgt und zweifelnd auf uns. Unsere Aufgabe ist es, die Richtigkeit des Kurses zu bekräftigen, ihn entschieden zu verfolgen und ihnen zu zeigen, daß wir in der gegenwärtigen Dunkelheit bereits die Morgendämmerung erahnen. Dieses historische Ziel, und hiermit beende ich meine Rede, ist ohne eine Stärkung der Rolle unseres Parlaments nicht zu verwirklichen. Kant erkannte zutreffend, daß der Kampf für das Parlament der Kampf für die Freiheit ist. Gestern, heute und immer wird es auch der Kampf für Gleichheit und Solidarität, für eine friedliche Zukunft sein. Die Protokolle der Sitzungen von Freitag, 13. Dezember 1996, Montag, 13. Januar und Dienstag, 14. Januar 1997 sind verteilt worden. Gibt es Einwände? Herr Präsident, im Protokoll vom 13. bin ich nicht auf der Anwesenheitsliste verzeichnet, wahrscheinlich aufgrund meiner Zerstreutheit. Vielen Dank, Herr Colom i Naval. Wir werden das überprüfen lassen. Herr Präsident! Im Protokoll vom 13. Januar heißt es, ich sei zum Mitglied des Europäischen Parlaments bestimmt worden. Tatsächlich wurde ich aber gewählt . Im Vereinigten Königreich folgt, selbst wenn ein Sitz in der Mitte der Wahlperiode des Europäischen Parlaments nachzubesetzen ist, nicht der nächste Bewerber auf der Liste einer Partei, sondern es findet eine Nachwahl statt. (Beifall) Vielen Dank, Herr Corbett. Ich zweifle nicht daran, daß die Regierungskonferenz Ihre Bemerkung von eben berücksichtigen wird, wenn sie beschließt, die uns allen so am Herzen liegende Frage eines einheitlichen Wahlverfahrens zu behandeln. Herr Präsident! Auf Seite 9 des Protokolls heißt es, Herr Falconer habe erklärt, daß noch nie eine Wahl stattgefunden habe. Richtig müßte es heißen "diese Wahlen" , weil ich damit die Wahl der Vizepräsidenten meinte. Zweitens ist im Protokoll nicht erwähnt, daß ich entsprechend Ihrer Aufforderung Einwände gegen das Verfahren erhoben habe, die Sie dann aber übergingen. Vielen Dank, Herr Falconer. Wir nehmen das zur Kenntnis. Ich hatte lediglich darauf hingewiesen, daß Sie Ihren Einwand nicht zu dem Augenblick vorbrachten, in dem ich die Frage gestellt hatte, obwohl ich natürlich Ihren Protest bemerkt hatte. Herr Präsident, in der Anwesenheitsliste des Protokolls vom Montag fehlt mein Name, obwohl ich anwesend war. Wir nehmen das zur Kenntnis, Herr Herman. Ich nehme auch an, daß Sie bei der Abstimmung Ihre Stimme abgegeben haben, also muß es dort im Protokoll stehen. Herr Präsident! Darf ich Sie daran erinnern, daß im Dezember ein Mitglied des Hauses dabei beobachtet wurde, wie es bei einer Abstimmung seine Stimme unter Verwendung der Karte eines anderen Mitglieds dieses Hauses zweimal abgab, was es gegenüber dem Haus auch zugab. Bekanntlich wurde nach einer Diskussion in diesem Hause das Präsidium mit dieser Angelegenheit, die ein schwerwiegendes Fehlverhalten darstellt, befaßt. Ich möchte Sie bitten, uns zu berichten, welche Beschlüsse das Präsidium dieses Parlaments in bezug auf dieses grobe Fehlverhalten hier im Hause gefaßt hat. Sehr gut, Frau Green. Sehr gern lese ich Ihnen allen zur Kenntnisnahme die beiden letzten Absätze des Protokolls des Präsidiums vor, obwohl allgemein bekannt sein dürfte, daß das Protokoll des Präsidiums ein öffentliches Dokument ist, das an alle Abgeordneten verteilt wird. Ich lese die französische Fassung des Textes vor. " Das Präsidium hört Ausführungen des Präsidenten, der daran erinnert, daß das Präsidium gemäß Artikel 22 Absatz 3 der Geschäftsordnung für die Fragen im Zusammenhang mit der Durchführung der Plenarsitzungen zuständig ist, daß die im Plenum von Frau Fontaine getroffene Entscheidung die rückwirkende Anwendung einer Sanktion gegen Herrn Pasty gemäß Artikel 110 der Geschäftsordnung nicht gestattet, und das Präsidium über seine Absicht unterrichtet, Herrn Pasty ein Schreiben zu übermitteln, darin die Schwere der Vorfälle zu betonen und die Mißachtung der elementaren Grundsätze der parlamentarischen Demokratie zu bedauern, die dem Ansehen und der Würde des Parlaments abträglich ist; was eine etwaige Bekanntgabe im Plenum anbelange, so liege dies im Ermessen des Sitzungspräsidenten; nimmt nach Anhörung von Frau Fontaine, Sitzungspräsidentin zum Zeitpunkt des betreffenden Vorfalls, und nach Anhörung der Stellungnahmen der Mitglieder des Präsidiums den Beschluß des Präsidenten zur Kenntnis, ein Schreiben an Herrn Pasty zu richten und darin auf die absolute Notwendigkeit hinzuweisen, die Bestimmungen der Artikel 117 und 110 der Geschäftsordnung einzuhalten und für deren Einhaltung Sorge zu tragen." Also erinnere ich Sie daran, daß die Entscheidung des Präsidiums lediglich folgendes besagt: " nimmt nach Anhörung von Frau Fontaine, Sitzungspräsidentin zum Zeitpunkt des betreffenden Vorfalls, und nach Anhörung der Stellungnahmen der Mitglieder des Präsidiums den Beschluß des Präsidenten zur Kenntnis, ein Schreiben an Herrn Pasty zu richten und darin auf die absolute Notwendigkeit hinzuweisen, die Bestimmungen der Artikel 117 und 110 der Geschäftsordnung einzuhalten und für deren Einhaltung Sorge zu tragen." Herr Präsident! Ein Antrag zum Verfahren. Diese Beschlüsse des Präsidiums werfen verschiedene Fragen auf. Erstens ist nach meiner Auffassung aufgrund der Auslegung des Vorgangs durch das Präsidium eindeutig erwiesen, daß die damals amtierende Präsidentin die Geschäftsordnung nicht richtig ausgelegt hat, denn das grobe Fehlverhalten des betreffenden Mitglieds hätte mit seinem sofortigen Ausschluß geahndet werden müssen. Nachdem nun das Präsidium mit dem Fall befaßt wurde und es erklärt hat, es könne nicht rückwirkend handeln, steht fest, daß ein Ausschluß wegen der falschen Auslegung der damals amtierenden Präsidentin nicht möglich ist. Dies ist höchst bedauerlich, und meine Fraktion ist der Auffassung, daß sie in Zukunft - gleichgültig, wo ein Mitglied, das auf diese Weise betrügt, in diesem Hause sitzt, sei es auf der Linken oder auf der Rechten -den sofortigen Ausschluß des Mitglieds verlangen wird, und zwar dann, wenn sich der Vorfall ereignet. Wir werden uns mit nichts anderem zufriedengeben. Zweitens möchte ich Sie bitten, zu bestätigen, daß das Schreiben dem betreffenden Mitglied zugesandt wurde, und dieses Schreiben hier im Hause zu verlesen, damit jedermann erfährt, was einem Mitglied, das sich ein Fehlverhalten in diesem Hause hat zuschulden kommen lassen, im Namen des Parlaments mitgeteilt wurde. Herr Präsident, ich möchte betonen, daß das Präsidium unseres Hauses selbstverständlich für diese Angelegenheit zuständig ist. Aufgrund der von Frau Green ergriffenen Initiative haben Sie die Beschlüsse des Präsidiums bekanntgegeben. Ferner haben Sie unserem Haus den Inhalt des Schreibens, den das Präsidium an Herrn Pasty geschickt hat, bekanntgegeben. Die Verlesung dieses Schreibens, d. h. der beiden Absätze, die wir gehört haben, stellt meines Erachtens eine Veröffentlichung des Ordnungsrufs gegenüber dem betreffenden Abgeordneten dar, was an sich natürlich eine Art von Ordnungsmaßnahme bedeutet. Herr Präsident, alle Kollegen wissen, daß die Auslegung der Geschäftsordnung immer heftige Diskussionen auslöst. Das ist oft auch innerhalb des Präsidiums der Fall. Wir hatten eine sehr lange Debatte zu diesem Thema. Ich kann der Ansicht von Frau Green nicht zustimmen; sie weiß, wie sehr ich sie schätze, aber in diesem Fall bin ich nicht ihrer Meinung. Es ist meiner Ansicht nach schlicht und ergreifend falsch, wenn gesagt wird, Frau Fontaine habe die Geschäftsordnung falsch interpretiert. Die Geschäftsordnung gab ihr zwar die Möglichkeit, das betreffende Mitglied des Parlaments mit einem Ausschluß zu bestrafen, überließ diese Entscheidung jedoch ihrem Ermessen. In der Geschäftsordnung steht kann . Der Präsident kann, Frau Green, er ist nicht verpflichtet. Im Laufe einer außerordentlich komplizierten Sitzung, bei der wir bereits recht erschöpft waren, ist die damalige Sitzungspräsidentin nach einer Diskussion auch mit dem Parlament zu der Auffassung gelangt, die Frage sei an das Präsidium zu verweisen. Sie hat die Geschäftsordnung nicht falsch angewandt, sie war nicht verpflichtet, Herrn Pasty auszuschließen, und wir sollten hier nicht den Eindruck erwecken, Frau Fontaine habe falsch gehandelt. Sie hat die Entscheidung getroffen, die sie für notwendig hielt, um die Sitzung an diesem Tag ordnungsgemäß zu Ende zu führen; die Frage, Frau Green, ist dann ans Präsidium weitergeleitet und dort geprüft worden. Ich kann Ihnen da nicht zustimmen, Sie irren sich; schauen Sie in die Geschäftsordnung, da steht kann , sie war also nicht verpflichtet. Wenn Sie noch einmal einen Blick in die Geschäftsordnung werfen, werden Sie das bestätigt finden; wir führen hier eine lange Debatte, Herr Kerr sitzt ja neben Ihnen, wir haben die gebotenen Schlußfolgerungen gezogen, und der Präsident hat den Brief an Herrn Pasty verfaßt, denn die Frist, über die Anwendung des Artikels über den Ausschluß zu debattieren, war bereits abgelaufen. Das ist ein schwieriges und heikles Thema, weil hier das Ansehen eines der Mitglieder dieses Hauses und das Ansehen des Hauses selbst berührt sind. Ich höre gerade, daß wir die fünf Abgeordneten anhören müssen, die ums Wort gebeten haben. Danach hat dann Frau Green noch einmal ums Wort gebeten. Bevor ich ihr das Wort erneut erteilen werde, werde ich darlegen, wie der Präsident diese Frage sieht. Herr Präsident! Ein Antrag zum Verfahren. Ich war anwesend, als sich der betreffende Vorfall ereignete, und ich erlebte damals zum ersten Mal, daß ein Mitglied offen zugab, sich bei der Abstimmung nicht richtig verhalten und zweimal abgestimmt zu haben, und sich dafür entschuldigte. Möglicherweise war die Entschuldigung nicht formgerecht, aber er wirkte doch arg zerknirscht. Ich möchte nicht mit Gegenbeschuldigungen aufwarten. Da die Abstimmung über den Zimmermann-Bericht eine sehr heikle Angelegenheit war und die Ergebnisse der einzelnen Abstimmungen häufig sehr knapp ausfielen, frage ich mich, ob dies Einfluß auf die Gültigkeit der Abstimmung über den Bericht selbst hatte. Haben wir Anspruch auf eine zweite Abstimmung über diesen Bericht, da ich nicht weiß, wie Frau Baldi abgestimmt hätte, wenn sie anwesend gewesen wäre, und da wir nicht wissen, ob Herr Pasty die Stimmabgabe für Frau Baldi in ihrem Sinne vorgenommen hat. Ebensowenig wissen wir, wie oft dieser Fall vorgekommen ist, da er erst zugegeben wurde, als Herr Tomlinson darauf aufmerksam machte. Viele von uns sahen, was da vor sich ging, aber zugegeben wurde es erst, als der Vorsitz darauf hingewiesen wurde. Diese Fragen müssen geklärt werden. Frau Malone, eines muß ganz klar sein: Das Ergebnis einer Abstimmung, das vom Präsidenten verkündet worden ist, kann nicht mehr abgeändert werden. In diesem Fall haben die Dienststellen des Parlaments darüber hinaus nachgewiesen, daß das Ergebnis das gleiche gewesen wäre, sei diese Stimme nun unzulässigerweise abgegeben worden oder nicht. Das Abstimmungsergebnis hätte sich um eine Stimme verschoben, aber das Ergebnis an sich wäre das gleiche gewesen. Ich wäre Ihnen also dankbar, wenn Sie nicht länger auf diesem Thema beharren würden. Seinerzeit wurde eine Entscheidung getroffen, und niemand hat damals die Gültigkeit der Abstimmung in Frage gestellt. Damit bleibt das Ergebnis der Abstimmung, das Frau Fontaine bekannt gegeben hat, ein für allemal bestehen. Herr Präsident, was das Ergebnis dieser Abstimmung betrifft, so möchte ich Sie ersuchen, es hier vor dem Plenum nochmals bekanntzugeben. Wenn ich richtig informiert bin, war dieser Änderungsantrag sehr umstritten und wurde mit einer Mehrheit von nur einer Stimme, also der Stimme von Frau Baldi, die nicht im Saal anwesend war, angenommen, was bedeutet, daß ohne diese Stimme der Änderungsantrag nicht angenommen worden wäre, da es dazu keine Mehrheit gegeben hätte. Daher ist die Angelegenheit natürlich umso unerfreulicher. Es handelte sich um einen sehr umstrittenen Änderungsantrag. Mir ist absolut unverständlich, daß gegenüber Herrn Pasty keine weitergehenden Ordnungsmaßnahmen ergriffen werden, um derartige Mißstände in diesem Haus für die Zukunft zu verhindern. Ich möchte Sie ersuchen, das Ergebnis der Abstimmung hier nochmals laut und deutlich bekanntzugeben, damit wir alle wissen, ob Sie tatsächlich recht haben. Es handelte sich um eine namentliche Abstimmung, so daß dies möglich ist. Frau van Dijk, ich möchte Sie bitten, das zu bedenken, was der Präsident eben gesagt hat. Ich habe zunächst daran erinnert, daß die Dienststellen des Parlaments daran erinnert haben, daß die zur Diskussion stehende Handlung das Ergebnis der Abstimmung nicht beeinflußt hat. Dann habe ich auf eine Verfahrensregel hingewiesen: Wenn das Ergebnis einer Abstimmung bekanntgegeben worden ist, kann es nicht mehr abgeändert werden. Und ich bitte Sie auch zu berücksichtigen, daß es im Protokoll des folgenden Tages keinerlei Reklamationen bezüglich dieser Abstimmung gab. Herr Präsident, bei derartigen Diskussionen ergreife ich zwar nicht gerne das Wort, doch handelt es sich hier um eine ernste Angelegenheit, bei der es um das Ansehen unseres Hauses geht. Bei der betreffenden Abstimmung war ich persönlich nicht anwesend und möchte daher zu den Vorgängen am Donnerstag der letzten Tagung keine Stellungnahme abgeben. Ich möchte etwas zur Geschäftsordnung sagen. Weder Artikel 117 noch Artikel 110 enthalten einen Hinweis auf Aufgaben des Präsidiums, so daß sämtliche in dieser Aussprache vorgebrachten Verweise auf eine Rolle des Präsidiums nicht geschäftsordnungskonform sind. In der Geschäftsordnung wird nur von der Rolle des Präsidenten gesprochen. Daher, Herr Präsident, habe ich eine direkte Bitte an Sie. In Artikel 110 der Geschäftsordnung heißt es, daß in Fällen wie dem vorliegenden der Präsident nach einer feierlichen Mahnung dem Parlament vorschlagen kann, seine Mißbilligung eines solchen Verhaltens des Mitglieds auszusprechen. Darf ich das, was Sie soeben gesagt haben, als feierliche Mahnung an unseren betroffenen Kollegen gemäß Artikel 110 der Geschäftsordnung sowie in dem Sinne verstehen, daß Sie die Verantwortung, die Sie nach unserer Geschäftsordnung tragen, übernommen haben? Ich möchte Sie um eine Klärung dieser Frage ersuchen. Bevor ich Frau Fontaine das Wort erteile, möchte ich auf die Frage antworten, die mir Frau van Dijk direkt gestellt hat. Ich beziehe mich auf Artikel 110, denn Artikel 117 verweist ja auf Artikel 110 und ist mit einer Auslegung versehen, die eben besagt, daß ein Fall nach 117 gemäß 110 zu behandeln ist. In Artikel 110 heißt es: " Bei sehr schwerwiegenden Verstößen gegen die Ordnung kann der Präsident - kann , daß heißt, der Sitzungspräsident hat das Recht, es zu tun oder auch nicht zu tun - dem Parlament nach einer feierlichen Mahnung sofort oder später, jedoch spätestens am folgenden Sitzungstag - es muß also der gleiche oder der nächste Tag sein - vorschlagen, eine Rüge zu erteilen, die die unverzügliche Verweisung aus dem Plenarsaal und den Ausschluß für zwei bis fünf Tage zur Folge hat" . Damit ist klar, daß der Sitzungspräsident seine Befugnisse je nach Schwere des Verstoßes einsetzt. Ich kann mich erinnern, denn ich war ja anwesend, daß aus dem Plenum der Vorschlag kam, die Angelegenheit an den Ausschuß für Geschäftsordnung zu verweisen, doch beantragte niemand damals die Verweisung des betreffenden Abgeordneten aus dem Saal, sondern man war der Auffassung, daß sich das Präsidium mit der Frage beschäftigen sollte. Vielleicht dachten die Kollegen nicht mehr an die zeitliche Begrenzung, doch verstehe ich die Sache so - und das ist eine Befugnis des Präsidenten oder des Ausschusses für Geschäftsordnung -, daß nach Ablauf dieser zwei Tage es gemäß der Geschäftsordnung nicht mehr möglich ist, Artikel 110 und diese Ordnungsmaßnahme anzuwenden. Meine Sicht der Dinge stimmt übrigens mit der von Präsident Hänsch zu Protokoll gegebenen Auslegung überein. Wir haben also die gleiche Auffassung. Doch kann ich Ihnen heute sagen, daß ich dem Ausschuß für Geschäftsordnung das Protokoll des heutigen Tages übersenden werde, damit er, falls er dies für erforderlich hält, diese Interpretation überprüfen kann. Einstweilen sind jedoch sowohl Präsident Hänsch als auch ich der Auffassung, daß Artikel 110 eine ganz klare zeitliche Grenze zieht. Und mehr noch, denn ich darf Sie daran erinnern, daß es in Absatz 2 von Artikel 110 heißt: " Das Parlament entscheidet über diese Ordnungsmaßnahme zu dem vom Präsidenten festgelegten Zeitpunkt entweder während der Sitzung, in der die betreffenden Vorkommnisse stattgefunden haben, oder an einem der drei folgenden Sitzungstage" . Doch muß die Ordnungsmaßnahme selbstverständlich am gleichen Tag oder am nächsten Tag vorgeschlagen worden sein. Daher können weder Präsident Hänsch noch das Präsidium in Ausübung ihrer Befugnisse in diesem Fall die Ordnungsmaßnahme veranlassen. Ich wiederhole noch einmal: Wenn die Auffassung besteht, daß daran etwas zu ändern ist, dann hat diese Änderung auf dem dafür geeigneten Weg zu erfolgen, also über den Ausschuß für Geschäftsordnung. Daher war das Präsidium - dessen Protokoll ich gelesen habe - der Meinung, daß Präsident Hänsch in Ausübung seiner Befugnisse zum Zweck der Aufrechterhaltung der Ordnung während der Sitzungen durchaus berechtigt war, sich mit einem Schreiben an den betreffenden Abgeordneten zu wenden. Sie bitten mich nun um Verlesung dieses Briefes. Ich möchte Sie darauf hinweisen, daß ich, wenn ich den Brief von Präsident Hänsch verlese, auch die Erwiderung von Herrn Pasty vorlesen muß, und das aus einem ganz einfachen Grund: Ein Beschuldigter hat stets das Recht gehört zu werden, und natürlich ist diese Verteidigungsmöglichkeit auch in der Geschäftsordnung vorgesehen. Angesichts dieser Situation und in Anbetracht der Tatsache, daß die Geschäftsordnung nichts darüber aussagt, ob der Brief vorgelesen werden muß oder nicht, überlasse ich der Versammlung die Entscheidung über Verlesen oder Nicht-Verlesen der Briefe. Herr Präsident! Ich habe gleich zu Beginn deutlich angezeigt, daß ich zu sprechen wünschte. Ich möchte zwei wichtige Bemerkungen machen. Was den Artikel 110 der Geschäftsordnung angeht, so ist die Lage völlig eindeutig. Mit dieser Geschäftsordnung haben wir uns lange Zeit befaßt, und das eigentliche Problem besteht in der Auslegung der Formulierung "am darauffolgenden Sitzungstag" durch das Präsidium. Der darauffolgende Sitzungstag, das ist heute - die erste Gelegenheit, die wir haben, uns mit der Angelegenheit zu beschäftigen. Aus der Geschäftsordnung geht eindeutig hervor, daß das Parlament entscheidet. Wir alle wissen, daß das Prinzip "ein Mann, eine Stimme" für die Arbeit dieses Parlaments von entscheidender Bedeutung ist, und ich muß Ihnen sagen, Herr Präsident - und ich hoffe, daß Sie sehr aufmerksam zuhören -, daß Sie schon der fünfte Präsident des Europäischen Parlaments sind, dem gegenüber ich dieses Thema zur Sprache bringe. Seit zwölf Jahren ist in diesem Parlament eine Praxis gang und gäbe, die von manchen Leuten scherzhaft als "Klavierspielen" bezeichnet wird. Zum ersten Mal hat nun eine Untersuchung durch das Präsidium stattgefunden, bei der ein Mitglied ermittelt wurde, das schließlich - widerstrebend - sein Fehlverhalten zugab. Die andere wichtige Bemerkung ist die, daß dieses Europäische Parlament mit einem erheblichen Kostenaufwand Vertreter als internationale Beobachter in die ganze Welt entsendet - zum Beispiel nach Afrika und Osteuropa. Erst vor einer Woche bin ich als Vertreter der Sozialistischen Fraktion zusammen mit Herrn Stasi von der Fraktion der Europäischen Volkspartei und Frau André-Léonard von der Liberalen Fraktion aus dem Tschad zurückgekehrt, wo die ersten Mehrparteien-Parlamentswahlen stattfanden. Unser Hauptanliegen als Beobachter war es, sicherzustellen, daß es keinen Betrug gab und daß kein Wähler seine Stimme mehr als einmal abgab. Wenn wir es nicht schaffen, unserer eigenen Geschäftsordnung Geltung zu verschaffen, werden sich einige von uns hier im Europäischen Parlament an die Völkergemeinschaft, auch an die Paritätische Versammlung des LoméAbkommens, wenden, um die demokratische Praxis in unserem Hause selbst untersuchen zu lassen. Vielen Dank, Herr McGowan. Ich frage nun die Versammlung, ob ich die fraglichen Briefe vorlesen soll. (Das Parlament beschließt das Verlesen der Briefe.) Damit werde ich also jetzt die Briefe vorlesen. Herr Präsident! Es freut mich sehr, daß Sie das Schreiben verlesen werden. Gestatten Sie mir die Bemerkung, daß es nach meiner Ansicht ganz und gar unangebracht wäre, wenn Sie einen Briefwechsel verlesen würden. Wir bitten Sie als Präsidenten dieses Hauses, ein Schreiben zu verlesen, das vom Präsidenten dieses Hauses an ein Mitglied gesandt wurde. Sollte es zu einem Briefwechsel zwischen Ihnen und dem betreffenden Mitglied kommen, so ist dies eine ganz andere Sache. Wir wollen den Wortlaut des Schreibens hören, das der Präsident aufgrund des Vorfalls in jener Plenarsitzung verfaßt hat. Das Präsidium kann sich dann mit den Konsequenzen befassen. Frau Green, bei aller Achtung vor Ihrer Meinung muß ich doch sagen, daß der Präsident darüber beschließt, worüber abgestimmt wird, und der Präsident achtet auch darauf, daß jeder einzelne Abgeordnete sich verteidigen kann. Wenn sich ein Abgeordneter mit einem Brief gegen ihn erhobene Beschuldigungen verteidigt, dann müssen wir als Demokraten seine Erwiderungen wenigstens anhören. Danach kann dann jeder nach seinem Belieben entscheiden, aber ich kann auf keinen Fall einem unserer Kollegen das Wort verweigern, der sich gegen eine Anschuldigung verteidigen möchte, und ich werde dies nicht tun. Ich werde nunmehr die beiden Briefe verlesen. " An Herrn Jean Claude Pasty, Mitglied des Europäischen Parlaments. Sehr geehrter Herr Abgeordneter, Die Präsidentin der Sitzung, in diesem Fall Frau Nicole Fontaine, hat mich davon unterrichtet, daß Sie bei der Abstimmung über den Bericht von Frau Zimmermann über den Schutz von Minderjährigen am Donnerstag, 12. Dezember 1996, - um Ihre Worte zu benutzen -doppelt abgestimmt haben. Es handelt sich hierbei um einen offensichtlich schwerwiegenden Vorfall, da Artikel 117 der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments bestimmt, daß "das Abstimmungsrecht... ein persönliches Recht" ist und die "Mitglieder... ihre Stimme einzeln und persönlich" abgeben. Ich habe die Stellungnahmen der Mitglieder des Präsidiums eingeholt und muß Ihnen im Lichte der Bestimmungen der Artikel 117 und 110 sowie aufgrund der vor allem in Artikel 19 festgelegten Aufgaben des Präsidenten leider erklären, daß Ihr Verhalten in der Sitzung am Donnerstag, 12. Dezember 1996, einen Verstoß gegen Artikel 117 darstellt und als schwere Störung der Sitzung zu betrachten ist. Darüber hinaus sehe ich mich veranlaßt, Sie formell daran zu erinnern, daß ein Mißbrauch des Wahlrechts in unserem Parlament gegen die elementarsten Grundsätze der parlamentarischen Demokratie verstößt und daher zwangsläufig dem Ansehen des Hauses sowie der Würde seiner Mitglieder schweren Schaden zufügt. Mit vorzüglicher Hochachtung, ... " Ich habe folgendes Antwortschreiben von Herrn Pasty erhalten: " Herr Präsident, Ihr Vorgänger, Herr Hänsch, hat mir ein Schreiben mit Datum vom 9. Januar 1997 unter dem Zeichen Nr. 00090 bezüglich der Abstimmung über den Bericht von Frau Zimmermann über den Schutz von Minderjährigen am Donnerstag, 12. Dezember 1996, zukommen lassen, dessen Formulierung ich nicht akzeptieren kann. Der Wortlaut dieses Schreibens wirft nämlich ein ernstes ethisches Problem auf, da er den Eindruck erweckt, daß ich absichtlich doppelt abgestimmt habe. Dies wäre tatsächlich außerordentlich ernst, doch habe ich nur einen einfachen technischen Fehler begangen, für den ich volle Verantwortung übernehme, wie ich in der Sitzung erklärt habe. (Unruhe) Dieses Schreiben des Präsidenten Hänsch stellt aufgrund dessen, was zwischen den Zeilen steht, sowie der angegebenen Richtung in meinen Augen eine sehr schwerwiegende Verleumdung durch den Präsidenten des Parlaments dar. Ich muß mich daher fragen, welches die wahren Motive für die Abfassung dieses Textes sind und welchen Gebrauch man davon machen will. (Unruhe) Daher bitte ich Sie, die Möglichkeit zu prüfen, das Dokument für ungültig zu erklären und durch ein Schreiben zu ersetzen, dessen Inhalt mehr der Wirklichkeit entspricht. Mit vorzüglicher Hochachtung..." Selbstverständlich kann und darf der Präsident einen Brief, der abgeschickt worden ist, nicht für ungültig erklären. Dieser Brief ist abgeschickt und beantwortet worden. Daher könnte man sich höchstens für eine Rückverweisung der Angelegenheit an den Geschäftsordnungsausschuß entscheiden, um zu hören, wofür sich dieses Gremium als rechtliche Lösung in einem solchen Fall entscheidet. Ich habe zwei Wortmeldungen zu diesem Thema erhalten. Danach werden wir mit der Tagesordnung fortfahren. Herr Präsident, ich will diese Debatte auf keinen Fall in die Länge ziehen, aber da ich in dieser heiklen Situation mit der schwierigen Aufgabe des Vorsitzes betraut war, scheint es mir geraten, meinen Kollegen ein paar Erläuterungen zu geben. Wie Sie sich erinnern werden, ereignete sich dieser Vorfall während der letzten Dezembersitzung vor den Weihnachtsferien. Etliche meiner Kollegen verlangten eine Überprüfung, dem ich auch sofort Folge geleistet habe. Diese Prüfung führte zu dem Ihnen bekannten Ergebnis. Wie Herr Anastassopoulos in seiner besonders guten Formulierung sagte, ist der Text von Artikel 110 der Geschäftsordnung ausgesprochen verständlich abgefaßt. Der Präsident kann die Verweisung aus dem Saal vornehmen. Das ist eindeutig, und das Verb "kann" hat doch wohl in all unseren Sprachen die gleiche Bedeutung. Ich hielt es aus Gründen, die selbstverständlich in Frage gestellt werden können, nicht für erforderlich, die sofortige Verweisung des betreffenden Kollegen aus dem Saal vorzunehmen. Ich möchte Sie, Herr de Vries, lediglich daran erinnern, daß Punkt 3 von Artikel 22 der Geschäftsordnung besagt: " das Präsidium regelt die Fragen im Zusammenhang mit der Durchführung der Tagungen" . Deshalb hielt ich es für geraten, den Vorschlag zu befolgen, der mir - wenn ich mich recht erinnere, und ich glaube, das Protokoll wird es bestätigen - von Herrn Tomlinson gemacht wurde, nämlich die Frage dem Präsidium vorzulegen. Das schien mir in einer dermaßen heiklen Situation ein sehr vernünftiger Vorschlag. Deshalb habe ich den Fall sogleich an das Präsidium weitergeleitet. Sie können sehen, daß es keine Verzögerung gab, denn schon bei der nächsten Präsidiumssitzung, der letzten, die unter Herrn Hänsch als Präsidenten stattfand, wurde die Frage geprüft, und es kam zu den Ihnen bekannten Ergebnissen. Ich möchte Frau van Dijk sogleich versichern, daß wir selbstverständlich untersucht haben, ob das Abstimmungsergebnis über den betreffenden Änderungsantrag, es ging um Antrag Nr. 13 zu Frau Zimmermanns Bericht, anders ausgefallen wäre. Das war zum Glück nicht der Fall. Das war alles, was ich dazu sagen wollte, liebe Kollegen. Herr Präsident! Ich möchte mit größtem Nachdruck erklären, daß ich das Verhalten oder die Entscheidung von Frau Fontaine als der amtierenden Präsidentin nicht im geringsten in Frage stelle. Ich bin vielleicht mit ihrer Auslegung nicht einverstanden, stelle aber keineswegs in Frage, daß sie entsprechend der Geschäftsordnung gehandelt hat, und ich weiß das heldenhafte Eintreten von Herrn Anastassopoulos für seine Kollegin im Präsidium zu schätzen. Ich habe am Verhalten von Frau Fontaine nicht das geringste auszusetzen, auch wenn ich mit ihrer Auslegung nicht einverstanden sein mag. Ich bin jedoch entsetzt über das Schreiben von Herrn Pasty, das Sie verlesen haben. Was damals hier im Hause geschah, wurde eindeutig von zahlreichen Mitgliedern dieses Hauses gesehen. Es ereignete sich nicht irgendwo in einem privaten Raum, wo eine andere Auslegung des Vorfalls möglich gewesen wäre. Niemand kann an seinem Platz und dann an einem anderen Platz abstimmen und behaupten, das sei rein zufällig geschehen! Das ist völlig unannehmbar, Herr Präsident. Es liegt ein eindeutiger Verstoß gegen die Geschäftsordnung vor. Hätte sich das betreffende Mitglied - dessen Namen ich, wie Sie bemerkt haben werden, in meinen einleitenden Bemerkungen nicht genannt habe - im Anschluß an das Schreiben von Präsident Hänsch gegenüber dem Haus unzweideutig entschuldigt, hätten wir die Sache auf sich beruhen lassen. Jetzt aber muß ich Sie fragen, wie Sie sich als Präsident dieses Hauses angesichts des Angriffs eines einzelnen Mitglieds, das dabei beobachtet wurde, wie es bei einer Abstimmung betrügerisch handelte, auf das Präsidium dieses Hauses zu verhalten gedenken. Ihre Integrität als Präsident und unsere Integrität als Mitglieder stehen auf dem Spiel. Frau Green, ich habe der Versammlung vorgeschlagen, und die Versammlung war damit einverstanden, auch den Brief von Herrn Pasty zu verlesen, so wie man die Verteidigungsschrift eines jeden Menschen verlesen würde, und diese Verteidigung darf keinesfalls eingeschränkt werden. Die Verlesung dieses Schreibens bedeutet für mich auf keinen Fall, daß wir das, was eines unserer Mitglieder zu seiner Verteidigung vorbringt, akzeptieren oder billigen. Ich habe doch sehr deutlich erklärt, worauf sich das Präsidium geeinigt hatte, und woran sich Präsident Hänsch in seinem Vorgehen vollkommen gehalten hat, und daher brauche ich nicht zu wiederholen, was das Präsidium dieses Parlaments seinerzeit gesagt hat. Wir haben es hier natürlich mit einer heiklen Frage zu tun. Als ein Sitzungspräsident, anstatt eine Entscheidung zu treffen, die Angelegenheit lieber an das Präsidium verwies, stellte sich die Frage und stellt sich immer wieder die Frage, welches das hierfür zuständige Gremium ist, und mit welchem Verfahren der Fall angemessen abzuschließen ist. In diesem Fall ist das zuständige Gremium der Ausschuß für Geschäftsordnung. Ich werde also diesen Fall an den Ausschuß für Geschäftsordnung verweisen, damit dieser in Ermangelung von Präzedenzfällen anhand dieses Falles gegebenenfalls die einschlägigen Vorschriften verbessern kann. Heute gibt es dazu nichts weiter zu sagen, und ich betrachte den Fall als abgeschlossen. Herr Martens, Sie bekommen sofort das Wort, aber bitte kommen Sie nicht wieder auf den Fall zurück. Ich möchte ganz kurz zwei Bemerkungen vorbringen: ich war bei der Abstimmung im Saal anwesend. Es stimmt, daß Herr Tomlinson vorgeschlagen hatte, das Präsidium mit der Angelegenheit zu befassen. Frau Fontaine tat dies mit Einwilligung des Parlaments. Zweitens: Ihre Entscheidung, die Angelegenheit an den Geschäftsordnungsausschuß zu überweisen, ist meines Erachtens richtig. Vielen Dank, Herr Martens. Damit sind die Protokolle genehmigt. Herr Präsident, ich melde mich bereits seit einer halben Stunde zur Geschäftsordnung, aber Sie haben ständig der Abgeordneten Green das Wort erteilt, die mehr als eine halbe Stunde lang über ihre eigenen Angelegenheiten gesprochen hat. Nun möchte auch ich etwas zur Geschäftsordnung sagen, denn auch ich bin Mitglied dieses Parlaments. Auch wenn wir am rechten Rand sitzen, müssen wir das Wort genauso wie alle anderen erhalten! Frau Muscardini, das Thema ist abgeschlossen, und wir werden die Diskussion jetzt auch nicht wieder eröffnen. Herr Präsident, mir geht es um den Beamten, der zu Ihrer Rechten sitzt und der vielleicht in dieser Richtung nicht gut sieht. Er hat mich jedoch fünf oder sechsmal angeschaut. Ich fordere, in diesem Haus genauso wie die anderen das Wort zu erhalten, denn sonst werden wir hier nicht von der Stelle weichen! Frau Muscardini, in einer ersten Runde habe ich allen Rednern, die darum gebeten hatten, das Wort erteilt. Herr Präsident, ich möchte mich nicht an der Aussprache beteiligen, sondern etwas zur Geschäftsordnung, zur Arbeitsordnung und nicht zur Diskussion sagen! Frau Muscardini, die Beamten informieren den Präsidenten, der die Sitzung in der Art und Weise leitet, die ihm angemessen erscheint. Er kann sich natürlich irren, doch versucht er, in der Tagesordnung voranzukommen. Das Ergebnis des zweiten Wahlgangs bei der Wahl der Quästoren liegt vor: Anzahl der Abstimmenden: 449 Weiße oder ungültige Stimmzettel: 13 Abgegebene Stimmen: 436 Absolute Mehrheit: 219 Es erhielten: Herr Bardong: 225 Stimmen Herr Killilea: 182 Stimmen Herr Paasio: 216 Stimmen Herr Viola: 171 Stimmen Herr Bardong hat die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen erhalten: Ich beglückwünsche diesen Kollegen zu seiner Wahl. Zwei Quästorensitze sind noch zu besetzen. Damit wird ein dritter Wahlgang erforderlich. Ich darf die Damen und Herren Abgeordneten daran erinnern, daß im dritten Wahlgang die Wahl der noch zu besetzenden Sitze mit relativer Mehrheit erfolgt. Stimmzettel und Umschläge sind verteilt worden. Da nur noch zwei Sitze zu besetzen sind, können Sie nicht mehr als zwei Namen angeben. Bei Stimmengleichheit werden die ältesten Kandidaten als gewählt erklärt. (Die Wahl wird durchgeführt.) Ich darf die Stimmenzähler bitten, sich zur Stimmauszählung in den Saal 3 in der zweiten Etage zu begeben. Nach der Tagesordnung folgt die gemeinsame Aussprache über: den Bericht des Rates und die Erklärung der Kommission zur Tagung des Europäischen Rates vom 13./14. Dezember in Dublin-die Erklärung des amtierenden Präsidenten des Rates zu dem Tätigkeitshalbjahr der irischen Präsidentschaft und den Ergebnissen der Konferenz der Welthandelsorganisation vom 9. bis 13. Dezember 1996 in Singapur.Das Wort hat der amtierende Ratsvorsitzende, Herr Bruton. Herr Präsident! Zu Beginn möchte ich Sie zu Ihrer Wahl beglückwünschen und auch Herrn Hänsch meine Anerkennung für seine ausgezeichnete Arbeit in der Zeit aussprechen, in der er das Amt innehatte, das Sie nun übernommen haben. Der vor kurzem zu Ende gegangene Vorsitz Irlands in der Europäischen Union war durch eine sehr enge Zusammenarbeit mit dem Parlament geprägt. Es fanden rund 40 gesonderte Treffen zwischen irischen Ministern als Vertretern der Ratspräsidentschaft und verschiedenen Ausschüssen des Parlaments statt. Ich glaube, es kann mit Fug und Recht behauptet werden, daß sich die irische Präsidentschaft als Erfolg erwiesen hat. Wenn dem so ist, dann deshalb, so meine ich, weil wir von der Präsidentschaft aufmerksam zugehört haben, was das Parlament zu sagen hatte, und uns nach besten Kräften bemühten, das demokratische Mandat, das Sie vertreten, in konkretes Handeln auf der Ebene des Rates umzusetzen. Ebenso waren wir sehr darauf bedacht, im Verlauf unserer Präsidentschaft alles daranzusetzen, daß die Bürger Europas den Sinn unseres Tuns wirklich verstehen und sich damit identifizieren konnten, daß sie sich sagen würden: Dies bedeutet uns etwas. Aus diesem Grunde prägten wir gleich zu Beginn der Präsidentschaft vier Leitsätze, die in allgemeinverständlicher Sprache zusammenfassen sollten, worin unser Ziel bestand. Sie lauteten: sichere Arbeitsplätze in Europa, sicherere Straßen in Europa, stabiles Geld in den Taschen und Börsen der Europäer und Frieden für Europa, zwischen Europa und seinen Nachbarn und auch unter seinen Nachbarn. Ich freue mich, sagen zu können, daß wir in den sechs Monaten bei jedem dieser vier Themen - von denen jedermann in Europa begreift, daß sie für ihn und sein Leben etwas bedeuten - Fortschritte erzielt haben. In dem Bericht, den ich heute dem Parlament erstatte, werde ich auf diese vier Themen noch zurückkommen. Zunächst kann zum Thema des stabilen Geldes mit Fug und Recht gesagt werden, daß wir beim Dubliner Gipfel wesentliche Fortschritte bei der Vorbereitung auf die Wirtschafts- und Währungsunion gemacht haben. Insbesondere die Einigung über den Stabilitäts- und Wachstumspakt sowie die Einigung über den neuen Wechselkursmechanismus und den rechtlichen Status des Euro, die am Ende der irischen Präsidentschaft erzielt wurden, stellten einen bedeutenden Schritt hin zu stabilem Geld in den Taschen und Börsen der Europäer dar. Meinem Kollegen, dem Ministerpräsidenten von Luxemburg, Jean-Claude Juncker, möchte ich besondere Anerkennung für den Beitrag aussprechen, den er bei der Dubliner Tagung zu dem leistete, was wir erreicht haben. In der Frage sichererer Straßen in Europa waren wir besonders erfolgreich. Dabei hatten wir es mit einem Problem zu tun, das die Europäer stark beschäftigt: mit dem Gefühl der Sicherheit, das sie wegen des organisierten Verbrechens empfinden bzw. eben nicht empfinden, wenn sie aus dem Haus gehen, oder sogar, wenn sie sich daheim aufhalten. Wir alle wissen, daß das Ausmaß der Gewaltverbrechen zunimmt. Möglicherweise ist bei der absoluten Zahl der gemeldeten Verbrechen keine Zunahme zu verzeichnen, wohl aber erleben wir eine zunehmende Gewalttätigkeit im Zusammenhang mit den Verbrechen, die verübt werden. Ein Großteil dieser Gewalttaten geht auf den steigenden Handel mit verbotenen Drogen zurück. Ich freue mich, sagen zu können, daß wir im Verlauf der irischen Präsidentschaft bei den Bemühungen, die Straßen und nicht zuletzt die ländlichen Gebiete Europas für unsere Bürger sicherer zu machen, ein gutes Stück vorangekommen sind. Wir haben eine Entschließung zum schwerwiegenden Handel mit verbotenen Drogen verabschiedet. Wir haben ein gemeinsames Handeln mit dem Ziel der Annäherung der Gesetze und Praktiken von Polizei, Zoll und Verwaltung bei der Bekämpfung der Drogenabhängigkeit und des Handels mit verbotenen Drogen vereinbart. Wir haben ein Fünfjahresprogramm vereinbart, mit dem wir derzeit Drogenabhängigen helfen wollen, ihre Drogenabhängigkeit und das Ausmaß der Drogenabhängigkeit zu verringern, und wir haben ein Programm für eine engere Zusammenarbeit zwischen unseren Zollbehörden und der Geschäftswelt im Kampf gegen Drogen vereinbart, so daß sich das grenzenlose Europa, das wir geschaffen haben, nicht ohne weiteres für kriminelle Zwecke ausnutzen läßt. Darüber hinaus faßten wir mit der Vereinbarung, einen umfassenden Bericht über das organisierte Verbrechen in Auftrag zu geben, der der niederländischen Präsidentschaft im April dieses Jahres vorgelegt werden soll, einen sehr wichtigen Beschluß. Das andere wichtige Ziel ist die Sicherheit der Arbeitsplätze in Europa. Dies stellt im eigentlichen Sinn die größte Herausforderung von allen dar. Wenn Menschen drogenabhängig sind und wegen ihrer Drogenabhängigkeit einen Markt für Kriminelle entstehen lassen, so liegt das häufig daran, daß sie ihr Leben anders nicht erträglich zu gestalten wissen. Sie haben keinen Arbeitsplatz, keine Hoffnung, kein Gefühl der Würde, sie finden keinen Sinn in ihrem Leben, und um all dies vergessen zu können, nehmen sie Drogen. Schaut man sich zum Beispiel den Heroinkonsum in Dublin - der Stadt, die mir am vertrautesten ist - an, so stellt man fest, daß ein enger Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der Langzeitarbeitslosigkeit in einem bestimmten und genau einzugrenzenden geographischen Bereich und dem Ausmaß des Heroinmißbrauchs besteht. Der Heroinmißbrauch ist auf die Gegenden mit hoher Langzeitarbeitslosigkeit begrenzt. Weiche - andere - Drogen sind überall anzutreffen, aber bei Heroin besteht ein unmittelbarer, enger Zusammenhang mit der Langzeitarbeitslosigkeit. Dies zeigt, daß es eine Verbindung zwischen dem Problem der Arbeitslosigkeit und zahlreichen anderen Problemen gibt, denen sich unsere Gesellschaft gegenübersieht. Wir haben die Dubliner Erklärung zur Beschäftigung verabschiedet. In dieser Erklärung wird festgestellt, daß die Hauptverantwortung für die Schaffung von Arbeitsplätzen letzten Endes in erster Linie bei den Regierungen der Einzelstaaten liegt, in der Praxis aber bei der Marktwirtschaft. Sie liegt bei den Unternehmen und bei jedem einzelnen; im letzteren Fall gilt es die eigene Ausbildungskapazität zu verbessern, um größere Beschäftigungschancen zu haben, während die Unternehmen ihre Märkte ausweiten müssen, damit sie eine größere Zahl von Mitarbeitern benötigen. Wer glaubt, daß politische Institutionen das Beschäftigungsproblem lösen können, gibt sich einer Illusion hin. Sie sind dazu nicht in der Lage, weder die nationalen noch die europäischen Institutionen. Wir dürfen keine Erwartungen wecken, die der Realität nicht standhalten. Erklärungen zur Beschäftigung bergen ein gewisses Risiko in sich. Wir geben uns einer Selbsttäuschung hin, wenn wir meinen, wir Politiker könnten das Beschäftigungsproblem lösen, indem wir Erklärungen verabschieden oder gar erhebliche Summen ausgeben. Wir können es nicht. Wir können vielleicht die Rahmenbedingungen verbessern, wir können vielleicht das Umfeld verbessern, in dem die Entscheidungen getroffen werden, die zur Schaffung von Arbeitsplätzen führen. Die wirkliche Bürde der Verantwortung aber ruht auf den Schultern der Menschen selbst. Meiner Ansicht nach betreffen die wichtigsten Maßnahmen, die wir auf dem Gebiet der Beschäftigung ergreifen können, die Aus- und die Fortbildung. Darin sehe ich die größte Herausforderung für die Europäische Union. Die Ausbildung ist ein Gebiet, aus dem sich die Europäische Union traditionell herausgehalten hat und für das nach ihrer Auffassung vorrangig die Einzelstaaten zuständig sind. Bei der Berufsausbildung hingegen sind wir von jeher sehr aktiv. Aber kann man in unserer Zeit wirklich noch eindeutig zwischen Berufsausbildung und Bildung unterscheiden? Dient nicht jede Berufsausbildung auch der Bildung, und haftet nicht in gewissem Sinne jeder Bildung auch eine Ausbildungsdimension an? Wenn wir es mit unseren Bemühungen, den Europäern bessere Beschäftigungschancen zu verschaffen, ernst meinen, müssen wir in gewissem Sinne darüber reden, wie wir ihre Kenntnisse und Fertigkeiten, ihre Bildung und ihre geistige Einstellung verbessern können. In zunehmendem Maße entscheidet in einer modernen Welt, die von der Informationstechnologie und Fortschritten in der Wissenschaft gesteuert wird, nicht die Fähigkeit einer Person, etwas zu tun, darüber, welche Beschäftigungschancen diese Person hat; dies hängt vielmehr von ihrer Fähigkeit ab, zu denken, sich mitzuteilen, Gegebenheiten in einen bestimmten Zusammenhang zu bringen und Informationen zu verarbeiten. Dies ist entscheidend für die Beschäftigungschancen, die jemand hat. Im Erwerb dieser Fähigkeit kann man niemanden ausbilden, man muß die Menschen dazu erziehen, sie zu besitzen - sie dazu erziehen, wenn Sie so wollen, zu der Stärke zu finden, die bereits in ihnen vorhanden ist, sie dazu erziehen, sich klarzumachen, daß die meisten von uns nur 10 % ihres Potentials nutzen, und sie ermutigen, die restlichen 90 % zu entdecken. Darin besteht die Herausforderung der Beschäftigung in Europa: die Europäer dazu zu ermutigen, mehr Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten zu haben. Dies ist die große Herausforderung auf dem Gebiet der Beschäftigung. Ich teile zwar die Enttäuschung des Parlaments darüber, daß wir keine Mittel für die Transeuropäischen Netze bereitgestellt haben, aber wir sollten nicht so tun, als sei dies die entscheidende Frage im Zusammenhang mit der Beschäftigung: Dies ist nicht der Fall! Das Problem der Beschäftigung für die Europäer - der Beschäftigungsmöglichkeiten für die Europäer - bis ins 21. Jahrhundert hinein wird auf dem Gebiet der Bildung und Ausbildung entschieden. Schließlich möchte ich noch auf die vierte der von mir erwähnten Prioritäten eingehen: ein friedliches Europa und Frieden zwischen Europa und seinen Nachbarn sowie in der Umgebung Europas. Mit Fug und Recht kann gesagt werden, daß Europa im Verlauf der irischen Präsidentschaft als Ergebnis des ersten Dubliner Gipfels stärkere Anerkennung als Akteur im Nahost-Friedensprozeß fand. Es freut mich, daß wir - möglicherweise zum Teil als Ergebnis der Mitwirkung Europas - jetzt endlich den Punkt erreicht haben, an dem heute vormittag ein Abkommen über Hebron zwischen Ministerpräsident Netanjahu und Präsident Arafat paraphiert werden konnte. Auch in unseren Beziehungen zu den Vereinigten Staaten war während der irischen Präsidentschaft eine qualitative Verbesserung zu verzeichnen. Die Entscheidung des Präsidenten der USA, die Anwendung von Kapitel 3 des Helms-Burton-Gesetzes auszusetzen, läßt sich unmittelbar auf den Erfolg des Gipfeltreffens zwischen der Europäischen Union und den USA vor Weihnachten zurückzuführen. Wir übergeben die Präsidentschaft an die Niederlande, eines der Gründungsmitglieder der Europäischen Union. Ich bin fest davon überzeugt, daß sie ausgezeichnete Arbeit leisten werden - sie sind ja schon dabei. Es ist sehr wichtig, daß wir alles in unseren Kräften Stehende tun, um dafür zu sorgen, daß der Vertrag in Amsterdam abgeschlossen wird. Wenn er nicht wie vorgesehen in Amsterdam abgeschlossen wird, verzögert sich der gesamte Erweiterungsprozeß, und alle strategischen Überlegungen, die sich daraus ergeben, bleiben unbehandelt. Uns allen ist bewußt, daß der Zeitpunkt, zu dem Wahlen in verschiedenen Ländern stattfinden, für die Beschlußfassung von Bedeutung ist. Wenn aber Entscheidungen getroffen werden müssen - und sie müssen getroffen werden -, ist es möglicherweise besser, sie innerhalb eines Monats zu treffen, anstatt vier Monate dazu zu brauchen. Ich bin nicht der Ansicht, daß viel dafür spricht, die Agonie noch zu verlängern. Wir wissen, daß einige der Beschlüsse, die auf unserem Tisch liegen, für uns alle unangenehm sein werden - wobei dies selbstverständlich nicht für jedes Land dieselben Beschlüsse sein werden. Wir können die Arbeit genausogut in Amsterdam erledigen, anstatt sie hinauszuschieben, und ich hoffe, daß dies geschieht. Ich möchte meine kurzen Ausführungen hier mit der Bemerkung beenden, daß Europa meiner Meinung nach in den letzten drei, vier Jahren nach innen geschaut hat: Wir haben beim Vorhaben einer einheitlichen Währung, beim Vorhaben eines neuen Vertrages, beim Vorhaben des einheitlichen Binnenmarktes nach innen geschaut. Unser Denken ist sehr nach innen gewandt, und zwar zwangsläufig, weil wir, solange wir nicht im eigenen Haus Ordnung zu schaffen vermögen, nicht in der Lage sind, nach außen hin tätig zu werden. Ich hoffe jedoch, daß die nächste Phase der Entwicklung Europas mehr der Außenwelt zugewandt sein wird, sobald wir erst einmal unsere Angelegenheiten geregelt haben. Die Welt steht vor großen philosophischen, kulturellen und ethischen Herausforderungen, bei deren Bewältigung Europa eine bedeutende Rolle spielen kann und sollte. Wenn ich die größte Herausforderung nennen sollte, die sich den europäischen Politikern gegenwärtig stellt, so ist dies nicht die Frage, mit welchen Instrumenten wir die Probleme der einheitlichen Währung angehen wollen oder wie das Verhältnis zwischen Parlament und Kommission oder zwischen Rat und Parlament genau beschaffen ist. Solche Fragen sind für uns alle hier wichtig, aber für unsere Bürger sind sie vielleicht nicht so wichtig. Wichtig ist dies: Verstehen unsere Bürger das philosophische, ethische und kulturelle Projekt, das wir im Hinblick auf das 21. Jahrhundert planen? Erkennen wir das ethische Problem, das uns durch die gewaltige Zunahme der Bevölkerung in Afrika erwächst, das Problem, das auf uns dadurch zukommt, daß Europa, diese immer kleiner werdende Insel der Seligen, rundum von armen Menschen umgeben ist? Erkennen wir die ethischen Fragen, die sich im Hinblick darauf ergeben, wie wir so viele Ressourcen auf der Welt aufbrauchen, und gibt es für uns ein Mittel, dem zu begegnen? Wenn wir das Bevölkerungswachstum in den nächsten 50 Jahren hochrechnen, wird uns klar, daß wir nicht so weitermachen und auch anderen Ländern nicht erlauben dürfen, so weiterzumachen. Es tickt, wenn Sie so wollen, eine demographische und Umweltzeitbombe, die wir unbedingt entschärfen müssen, und wir müssen uns zu einem Verständnis bequemen, das es uns ermöglicht, dies zu tun. Mit Hilfe der Technik haben wir einen globalen Markt geschaffen: Geld kann jetzt in Sekundenschnelle von einem Teil der Welt zu einem anderen bewegt werden. Wie wir alle aber wissen, beruhen Märkte nicht nur auf Regeln, sondern auch auf einem allen gemeinsamen Ethos. Wenn das gemeinsame kulturelle Verständnis der Geschäftsgrundlagen fehlt, ist auf Dauer kein Geschäft möglich. Gibt es ein globales Ethos? Ist das Verständnis für das Geschäftsethos weltweit vorhanden, oder wird der globale Marktplatz, den wir geschaffen haben, zu einem Raum bar jeglicher ethischer Grundsätze, wo Menschen einander ohne Rücksicht auf die Folgen bloß ausbeuten? Machen wir uns dies bewußt, während wir unausweichlich auf immer höhere Einnahmen für Leute zustreben, die in bezug auf ihre Fähigkeit, diesen globalen Markt auszunutzen, ohnehin ganz oben an der Spitze stehen? Machen wir uns bewußt, daß dies bedeutet, daß es noch eine große Zahl von Menschen gibt, die weit dahinter zurückbleiben? Stimmt es nicht, daß die Globalisierung irgendwie zur ungerechten Verteilung der Einkommen in Europa beiträgt? Und wie ist es dadurch um die Solidarität bestellt, deren die Europäer so sehr bedürfen, um ein Gefühl der Identität, ein Gefühl der Bürgergemeinschaft zu verspüren? Hat das tiefere Bewußtsein dessen, was wir sind, die globale Realität eingeholt? Jeder von uns hat, wenn man nur gründlich genug bohrt, ein Bewußtsein dessen, was er ist: irischer, französischer, britischer, schottischer Patriot oder was immer es sei. Ist dieses Bewußtsein dessen, was wir sind - dieses ganz auf die Nation gerichtete Bewußtsein dessen, was wir sind -, wirklich eine aussagekräftige Form der Definition für eine Welt, die jetzt eine globale ist, in der sich Angehörige einer Volksgruppe körperlich innerhalb von 24 Stunden und im Rahmen ihrer Geschäfte innerhalb einer Millisekunde von einer Kultur in die andere begeben können? Diese Art des Selbstverständnisses, diese kulturelle Identität, die wir noch aus der Vorkriegszeit herübergerettet haben, ist der Welt, die wir auf dem globalen Marktplatz geschaffen haben, nicht wirklich angemessen. Wenn erst die Regierungskonferenz vorüber und die einheitliche Währung eingeführt ist - keine leichte Aufgabe, wie ich zugeben muß -, wird sich die geistige Auseinandersetzung in Europa in den Bereich des Philosophischen, des Kulturellen und des Ethischen verlagern. Wenn sie sich in diesem Bereich bewegt, wird die Öffentlichkeit weitaus stärker an Europa interessiert sein, als dies heute der Fall ist. Die Kluft zwischen den Bürgern und den Institutionen wird kleiner werden, denn dann werden wir über Dinge reden, die die Menschen selbst beschäftigen, und wir werden Europa mit Begriffen definieren, die unmittelbar das philosophische Verständnis betreffen, wie es die Menschen von der Bedeutung ihres Daseins haben. Darin besteht die Herausforderung für Europa in den Jahren, die vor uns liegen. (Beifall) Herzlichen Dank, Herr Bruton, für Ihre Ausführungen und Ihre freundlichen einführenden Worte für diesen Präsidenten. Das Wort hat Herr Santer in Namen der Kommission. Herr Präsident, Herr Premierminister, meine Damen und Herren, es ist eine erfreuliche Aufgabe, eine Bilanz der irischen Präsidentschaft zu ziehen. Wieder einmal hat ein kleines Land seine Fähigkeit, eine große Präsidentschaft zu führen, unter Beweis gestellt. Die irische Präsidentschaft hat viele Initiativen ergriffen. Sie hat ihre Zielsetzungen mit reiflicher Überlegung geplant. Ich kann nicht alle ihre Ziele aufführen, was wohl auch nicht nötig ist, denn das Ergebnis ihrer Bemühungen ist sehr gut an der Tagesordnung des Europäischen Rats von Dublin abzulesen, der diesen Termin zu einem bedeutenden Ereignis macht. Wir müssen dies nun, einen Monat danach, am Maßstab unserer großen Zielsetzungen für die Europäische Union beurteilen. Hat der irische Einsatz zu Fortschritten auf dem Wege einer immer engeren Union zwischen den Völkern Europas geführt? Hat er etwas zur Annäherung der Union an die Europäer beigetragen? Hat er schließlich Grundsteine für die Zukunft der Gemeinschaft im Hinblick auf die bevorstehende neuerliche Erweiterung gelegt? Meine Antwort auf diese drei Fragen lautet: Ja!- Aber dem will ich sogleich hinzufügen, daß Europa noch mehr braucht. Wir müssen weitergehen, wir müssen unser Ziel immer weiter verfolgen. Das gilt sowohl für die gemeinsame Währung als auch für die Beschäftigung und die Zusammenarbeit im Bereich des Inneren und der Justiz. Das gilt aber auch für die Regierungskonferenz, die nun in ihre letzte Phase eingeht. Herr Präsident, ich habe immer gesagt, daß die einheitliche Währung kommen wird, und daß sie innerhalb der geplanten Frist kommen wird. Die Gipfelkonferenz von Dublin hat den Weg dorthin weiter geebnet. Das ist eine sehr positive Botschaft. Die beiden Verordnungen über die rechtliche Stellung des Euro sind grundsätzlich angenommen worden und können jetzt abgeschlossen werden. Die erste wird ab diesem Jahr in Kraft treten, und die zweite ab 1998, wenn der Ministerrat sich darüber ausgesprochen hat, welche Mitgliedstaaten der Eurozone angehören werden. Der Europäische Ministerrat hat dem neuen Wechselkursmechanismus zugestimmt, der für Einheit im Binnenmarkt zwischen den Ländern, die sich ab 1. Januar 1999 an dem Euro beteiligen werden, und denen, die sich nicht daran beteiligen werden, sorgen soll, das heißt zwischen den sogenannten "ins " , den "prä-ins " und denen, die wir als "out " bezeichnen. Es ist der Vereinbarung über den Stabilitätspakt für Wachstum gelungen, die letzten Unklarheiten zu beseitigen. Dadurch sind die guten Zukunftsaussichten der Währungsunion noch verbessert worden. Wir haben zu dem erforderlichen Kompromiß gefunden, und es ist ein guter Kompromiß. Jetzt sind die Haushaltspolitiken in einen angemessenen Rahmen eingefügt worden. Das beweist, daß der politische Wille nicht nachläßt, was auch die fortwährenden Bemühungen der Mitgliedstaaten im Bereich ihrer eigenen Haushalte zeigen. Auch in dieser Hinsicht kann ich Ihnen meine anfängliche Überzeugung bestätigen: mit einer Rückkehr des Wachstums und bei unveränderten Bemühungen der Mitgliedstaaten wird am 1. Januar 1999 eine große Anzahl Mitglieder zur Eurozone gehören. Die Vereinbarung, die über den Stabilitätspakt für Wachstum eingegangen wurde, ist also das beste Zeichen im Währungsbereich, das aus dieser Ratsversammlung hervorgeht. Es regt unseren Optimismus an. Dies Zeichen ist übrigens auch von allen Protagonisten der Wirtschaft und des Finanzwesens in Europa und im Rest der Welt wahrgenommen worden. Ein jeder weiß jetzt, daß ab dem 1. Januar 1999 mit dem Euro zu rechnen ist. Es ist ein erfreulicher Zufall, daß der Entwurf der zukünftigen Euro-Banknoten dieser Europäischen Ratsversammlung vorgelegt wurde. Es hat dem einheitlichen Geld ein Gesicht verliehen. Es hat gezeigt, wie konkret unser Projekt ist, das alle Europäer angeht und ein Instrument im Kampf für die Beschäftigung darstellt. Ich will es einmal ganz klar sagen: Für mich ist die europäische Währung kein Selbstzweck, sie ist eine der Waffen, die uns für den Kampf um die Beschäftigung rüsten. Herr Präsident, unsere Bemühungen im Bereich der Beschäftigung dürfen keine Möglichkeit außer Acht lassen. Darin besteht der eigentliche Zweck des Vertrauenspaktes für die Beschäftigung. Nichts, was die Beschäftigung begünstigen könnte, darf unterlassen werden. Ich kann die irische Präsidentschaft, die keine Mühe gescheut hat, nur beglückwünschen. Die Erklärung von Dublin über die Beschäftigung ist der Beweis. Es hat eine ausgezeichnete und fruchtbare Zusammenarbeit zwischen der Kommission und dieser Präsidentschaft gegeben, die den Zielsetzungen des Vertrauenspaktes für die Beschäftigung gewidmet war. Ich hatte diesen Pakt dazu gedacht, alle europäischen Protagonisten auf allen Ebenen ans Werk zu setzen. Wir haben Beweise, daß dieses Konzept im Begriff ist, sich zu verwirklichen, und diese Beweise sind ein starker Anreiz, um weiter noch zu gehen. Zunächst die Mitgliedstaaten, denen die Einführung von Reformen obliegt. Wenn sie sich, darüber hinaus, miteinander verständigen und ihre Bemühungen koordinieren, hätte man einen europäischen Multiplikatoreffekt. Wie in den Schlußfolgerungen von Essen vorgesehen, hat der Ministerrat den zweiten gemeinsamen Bericht über die Beschäftigung verabschiedet. Das ist ein weiterer Schritt in einem gemeinsamen Einsatz, ebenso wie der Beschluß, den Ausschuß für die Beschäftigung und den Arbeitsmarkt zu schaffen, dem mit der Unterstützung des Rates beim Entwurf und der Inkraftsetzung einer europäischen Beschäftigungsstrategie eine wichtige Rolle zukommen soll. Wir müssen auf dem Wege der Modernisierung unserer Wirtschaften immer gemeinsam vorgehen. Und, anstatt den Mißmut zu pflegen, sollten wir denen, die Initiativen ergreifen und etwas unternehmen, Anerkennung zollen! Die Bürger dort draußen unternehmen etwas, deshalb wurden auch die Territorialpakte in den Regionen Europas so begrüßt. Der Europäische Rat hat beschlossen, ihrer sechzig einzuleiten und zu finanzieren. Auch die Sozialpartner sind in Bewegung geraten und zum ersten Mal in der Geschichte der Gemeinschaft haben Gewerkschaften und Arbeitgeber dem Europäischen Rat eine gemeinsame Erklärung unterbreitet. Sie verhandeln jetzt auf europäischer Ebene über Arbeitsorganisation und Flexibilität. Die gleiche Priorität wie der Vertrauenspakt für die Beschäftigung hat für uns der Binnenmarkt. Ich will nicht alle Fortschritte aufzeigen, die unter der irischen Präsidentschaft getätigt worden sind. Wir haben nicht nur den Binnenmarkt, diesen gemeinsamen Markt, weiter auszubauen, sondern müssen auch sein gesamtes Potential nutzen. Es gibt noch erhebliche Ressourcen im Bereich des Wachstums und der Beschäftigung. Daher habe ich mich für den Europäischen Rat von Amsterdam im Juni zur Unterbreitung eines Aktionsplans mit genauen Zeitvorgaben verpflichtet, damit dieses Ziel noch vor dem 1. Januar 1999 erreicht wird. Ich will dem Binnenmarkt mit klaren, prioritären Vorschlägen, die alle noch vorhandenen Schwachpunkte beseitigen, zu einer neuen Dynamik verhelfen. Wir müssen auch für die Erfüllung aller Kriterien sorgen, die das gute Funktionieren dieses Marktes gewährleisten. So sollten wir, um sein gesamtes Potential zu nutzen, zum Beispiel dafür sorgen, daß die Unternehmen gut über die neuen Möglichkeiten, die sich ihnen bieten, unterrichtet sind. Es ist der Präsidentschaft gelungen, das dritte mehrjährige Programm für kleine und mittlere Unternehmen verabschiedet zu bekommen. Dazu gratuliere ich ihr. Denn die KMU haben eine wesentliche Aufgabe bei der Beschäftigung zu erfüllen. Sie müssen sich bewußt sein, daß der Binnenmarkt auch ihnen ein Betätigungsfeld bietet, nicht nur den großen Unternehmen. Herr Präsident, wenn es einen Bereich gibt, wo die irische Präsidentschaft einen beispielhaften Beitrag geleistet hat, so ist es der von Justiz und Innerem. Der Kampf gegen die Drogensucht ist nicht nur eine Priorität für die Bürger, es ist auch eine irische Priorität gewesen, und Dublin hat uns gezeigt, daß es eine Priorität für Europa ist. Zum Zweck verstärkter Zusammenarbeit auf dem Gebiet Justiz und Inneres sind vier Programme verabschiedet worden: GROTIUS, SHERLOCK, VOISIN und STOP. Wenn diese Programme noch dies Jahr eingeleitet werden können, verdanken wir diesen Fortschritt dem Einsatz Irlands. Dasselbe gilt für den Kampf gegen das organisierte Verbrechen. Es kennt keine Grenzen. Das wissen wir. Unsere Staaten müssen sich solidarisch verhalten und das auch unter Beweis stellen. Der Rat hat die Einrichtung eines hochrangigen Gremiums beschlossen. Es soll ein Aktionsprogramm mit eng begrenztem zeitlichen Rahmen entwerfen. Ich stelle in diesem Zusammenhang einen gewissen Fortschritt der Einstellung fest. Das könnte ein gutes Omen für die Regierungskonferenz sein, weshalb eine solche Entwicklung jetzt auch die Form konkreter Aktionen annehmen sollte. Ich weiß, daß Sie meine Überzeugung teilen. Wenn wir uns endlich mit den für diesen Kampf nötigen Mitteln ausrüsten, werden die Europäer es merken. Jetzt möchte ich, Herr Präsident, zu dem kommen, was über die institutionelle Zukunft der Union entschieden wird. Nach sechs Monaten intensiver Arbeit verfügen wir nun über einen Text der Präsidentschaft, der auf diesem Gebiet mehr Klarheit geschaffen hat. Man muß der irischen Präsidentschaft Anerkennung zollen. Sie hat es verstanden, in den vergangenen sechs Monaten die bestmögliche Methode zu wählen und zur Anwendung zu bringen. Ich habe auch das Engagement Ihrer Vertreter, Frau Guiguou und Herr Brok, zur Kenntnis genommen, und bin froh, daß die Ansichten des Europäischen Parlaments und der Kommission in vielen Punkten übereinstimmen. Aber wir sollten uns keine Illusionen machen. Wir sind noch weit davon entfernt, in diesen Texten eindeutige Reaktionen auf die Wünsche der Bürger und die Schwierigkeiten der Erweiterung aufgenommen zu haben. Das wird die Aufgabe der niederländischen Präsidentschaft sein, worüber wir heute nachmittag noch sprechen werden. Herr Präsident, meine Damen und Herren, Sie wollten auch, daß wir über die Ergebnisse der Ministerkonferenz von Singapur sprechen. Sie sind im großen und ganzen positiv. Die Europäische Union hat erreichen können, daß die im Laufe der Uruguay-Runden eingegangenen Verpflichtungen neuerdings, so wie wir es wollten, bestätigt wurden, aber nicht so erweitert wurden, wie es namentlich die Textil- und Agrarprodukte exportierenden Länder wollten. Die Erklärung von Singapur über Multilateralismus und nicht-Diskriminierung im Bereich der Dienstleistungen ist ermutigend, und dasselbe gilt auch für das Abkommen über Erzeugnisse der Informationstechnik und die politische Verpflichtung bezüglich der Telekommunikation. Ich sollte auch den Absatz nicht unerwähnt lassen, den die ministerielle Erklärung der Initiative zugunsten der am wenigsten entwickelten Länder gewidmet hat, denn es war den Bemühungen der Kommission in Singapur zu verdanken, daß die Initiative nicht einfach ad acta gelegt wurde. Allerdings stimmt es auch, daß es weder bei der Frage der Beziehungen zwischen Umwelt und Handel, noch bei den fundamentalen Sozialstandards zu dem von der Kommission erhofften Durchbruch gekommen ist. Ich bin immer noch überzeugt, daß sich unsere Vorstellungen in Zukunft weiter entwickeln lassen werden, was übrigens bereits auf zwei weitere neue Themenbereiche zutrifft, an denen der Union sehr gelegen ist. Ich meine die Beziehungen zwischen Handel und Investitionen, sowie Handel und nationalen Wettbewerbsbestimmungen. Herr Präsident, es wird häufig, allzu häufig behauptet, die Europäer mißtrauten dem europäischen Gedanken. Dieser Meinung kann ich mich nicht anschließen. Ich bin zutiefst überzeugt, daß die Europäer weiter an Europa glauben. Mag sein, daß sie jetzt große Erwartungen stellen, weil man ihnen dies Europa über Jahre hin allzu sehr als ein Ideal präsentiert hat. Ich sehe es nicht so. Wir müssen uns an die Wirklichkeit halten, wir müssen unter Beweis stellen, daß die Union den Europäern nützt. Dann werden wir auch ihre Unterstützung zurückgewinnen! Das ist mein politisches Credo, und es war auch das Irlands. Die Resultate liegen vor der Hand! Die niederländische Präsidentschaft wird denselben Weg einschlagen, wir werden heute nachmittag noch darüber sprechen. Europa kann dabei nur gewinnen! Herr Präsident! Im Namen der Sozialistischen Fraktion möchte ich den irischen Premierminister John Bruton heute hier im Hause begrüßen und ihm bei dieser Gelegenheit zu der ausgezeichneten Arbeit der irischen Regierung während der sechs Monate, die sie die Präsidentschaft der Europäischen Union innehatte, danken und ihn auch beglückwünschen. Irland übernahm die Präsidentschaft in einem kritischen Augenblick, als der auf der Ebene zwischen den Regierungen stattfindende Prozeß in eine Flaute geraten war, als eine konzertierte Anstrengung notwendig war, um ihn wieder in Schwung zu bringen. Es mag zwar sein, daß der beim zweiten Dubliner Gipfel beschlossene Vertragsentwurf meiner Fraktion in zahlreichen Punkten Anlaß zur Kritik gibt - dazu werden sich im weiteren Verlauf dieser Aussprache noch die Fachleute meiner Fraktion äußern -, doch gibt es kaum Zweifel daran, daß das - von Erfolg gekrönte - Engagement Irlands für die Ausarbeitung eines Vertragsentwurfs, in dem viele der Kernbereiche, die Gegenstand von Beratungen sind, erscheinen, eine beträchtliche Leistung darstellt, vor allem dann, wenn man die sehr deutlichen Meinungsverschiedenheiten bedenkt, die zwischen den Mitgliedstaaten der Union bei heiklen Themen bestehen: Flexibilität und Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit; Beschäftigung und die soziale Dimension; der dritte Pfeiler und der Kampf gegen die Drogen; internationales Verbrechen und Terrorismus; die Entwicklung einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik; die Erweiterung der Union und vieles, vieles mehr. Irland übernahm die Präsidentschaft auch in einer Zeit, in der im Hinblick auf den Zeitplan für die Wirtschafts- und Währungsunion Handeln angesagt war, einer Zeit, da das Konzept der WWU in vielen Mitgliedstaaten angegriffen wurde und es einfacher und wesentlich bequemer gewesen wäre, das Gas wegzunehmen und darauf zu warten, daß die Herausforderung von den nachfolgenden Präsidentschaften angenommen würde. Meine Anerkennung gilt Ruairi Quinn, der während der irischen Präsidentschaft als amtierender Präsident des Rates der Wirtschafts- und Finanzminister fungierte und der entschlossen war, nicht den leichten Weg zu gehen, sondern seine Vorhaben durchzusetzen, eine Einigung über den Stabilitätspakt herbeizuführen, die letzten rechtlichen Voraussetzungen für den Euro und die Struktur des neuen EWS herzustellen, all dies in einer Zeit, in der die irische Präsidentschaft einen vollgepackten Zeitplan für Ratstagungen und die leidige Frage des Unionshaushalts für 1997 zu bewältigen hatte und zugleich noch eine ganze Reihe anspruchsvoller Treffen mit diesem Parlament durchführte. Meine Anerkennung gilt in diesem Zusammenhang der Arbeit von Herrn Mitchell, der heute morgen hier anwesend ist. Die Präsidentschaft traf auch mit den Ausschüssen und Fraktionen dieses Parlaments zusammen, während sie daneben natürlich auch noch Irland regierte und an dem beschwerlichen Prozeß beteiligt war, wahren Frieden und wahre Versöhnung in Nordirland zu erreichen. Vielleicht sollten wir gerade auf Irland mit seiner florierenden Wirtschaft, seinem expandierenden Potential und seinem sich entfaltenden Selbstvertrauen schauen, wenn wir uns fragen, warum eines der kleinsten Länder der Union als Präsidentschaft der Union so gut abgeschnitten hat. Anders als es beim großen Nachbarn des Landes der Fall ist, ist sich die irische Regierung - und die Ausführungen von Herrn Bruton heute morgen haben uns dies deutlich gemacht - der europäischen Perspektive bewußt. Irland beteiligt sich aktiv an den Prozessen, die in der Europäischen Union stattfinden, und zwar nicht nur in einem sehr aufs Praktische gerichteten Sinn, sondern über eine verstandesmäßige Prüfung der Zukunftsaussichten und des Platzes von Irland in der Welt. Dafür haben die Ausführungen von Herrn Bruton einen eindrucksvollen Beweis geliefert. Ich möchte kurz auf die außenpolitische Agenda der Union in den letzten sechs Monaten eingehen. Irland hat auch auf diesem schwierigsten aller Gebiete eine wohlbedachte und nachdenkliche Rolle gespielt. Wir haben hier im Parlament Außenminister Dick Spring zu seiner intelligenten und einfühlsamen Wahrnehmung der Rolle Europas im Nahost-Friedensprozeß beglückwünscht. Die irische Präsidentschaft hat - wiederum im Gegensatz zu einigen Staatschefs in der Union - mit einer Reife gehandelt, die das Ansehen der Union erhöht hat, und wir danken dem Premierminister auch dafür. Wir auf dieser Seite des Hauses sind der Auffassung, daß Ihre Präsidentschaft ein Erfolg war. Das soll selbstverständlich nicht heißen, daß wir mit jeder Ihrer Entscheidungen oder Erklärungen einverstanden wären, und das würde Herr Bruton auch gar nicht von uns erwarten. Ganz und gar nicht, aber wir vermögen zu erkennen, daß die irische Präsidentschaft wirkungsvoll und tüchtig im Zeichen eines unerschütterlichen Eintretens für die europäischen Ziele und mit Integrität durchgeführt wurde. Sie hat den Boden für die niederländische Präsidentschaft bereitet und bewiesen, daß Europa international eine Rolle spielen kann. Eine solche Rolle ist gegenwärtig von maßgeblicher Bedeutung. Der amtierende Ratspräsident wird sich erinnern, daß die Europäische Union auf der Konferenz in Barcelona, auf der die Mittelmeerpolitik der Union aus der Taufe gehoben wurde, eine den Nahost-Friedensprozeß fördernde Rolle spielte. Wie sicherlich wir alle begrüße auch ich die Unterzeichnung des Hebron-Abkommens am heutigen Tage. Angesichts der derzeitigen Spannungen im östlichen Mittelmeerraum bietet sich der Union jetzt die Gelegenheit, erneut ihre fördernde Rolle unter Beweis zu stellen und das Forum der Mittelmeerkonferenz dazu zu benutzen, alle in die derzeitigen Spannungen Verwickelten - die Türkei, Griechenland und Zypern, alle am Mittelmeerprozeß Beteiligten und im Verpflichteten - zusammenzubringen. In Kürze werden die Außenminister, unter ihnen auch der irische, im Rahmen der Mittelmeerkonferenz zusammentreten, um Sicherheitsfragen zu erörtern. Ich fordere sie nachdrücklich auf - und ich hoffe, Sie als scheidende Präsidentschaft, als die Sie ja der Troika der Europäischen Union angehören, werden sie ebenfalls nachdrücklich auffordern -, ihren erheblichen diplomatischen und politischen Einfluß geltend zu machen, um sowohl die Spannungen als auch das höchst gefährliche Wettrüsten einzudämmen, das sich inzwischen im östlichen Mittelmeerraum beschleunigt hat. Wir sollten das nunmehr seit zwei Jahren auf der Tagesordnung stehende Thema der Entmilitarisierung auf der Insel Zypern mit ebensoviel Kraft und Energie weiterverfolgen, wie jetzt für das Wettrüsten im östlichen Mittelmeer aufgewendet werden. Abschließend möchte ich sagen, daß die irische Präsidentschaft ein solides Fundament für die nachfolgenden Präsidentschaften im Hinblick auf die Regierungskonferenz und die WWU geschaffen und gezeigt hat, daß wir mit einer einfühlsamen Diplomatie aufwarten können, die ein Bewußtsein dafür hat, was Europa tun kann, und für die Rolle, die es in der Welt von heute spielen kann. Dafür danken wir der Präsidentschaft. Herr Präsident, der Europäische Rat von Dublin sowie die irische Ratspräsidentschaft waren ein beachtenswerter Erfolg. Wie der Kommissionspräsident vorhin sagte, hat sich einmal mehr gezeigt, daß die Vertreter eines kleinen Landes großartige Vorsitzende des Europäischen Rates sein können. Das gilt ohne Zweifel für John Bruton und seine Minister, die ihren Auftrag sehr erfolgreich und mit starker europäischer Überzeugung erfüllt haben. Der Euro wurde jetzt auf den Weg gebracht, und zwar nicht nur, weil ab 2002 die sieben Euro-Banknoten in einem Großteil der Länder in Umlauf gebracht werden sollen, sondern auch, weil in Dublin der "Stabilitätspakt" beschlossen wurde. Dieser Stabilitätspakt stellt unseres Erachtens keine Zwangsjacke für unsere Volkswirtschaften dar. Wir sind im Gegenteil der Überzeugung, daß die Zinssätze dadurch gesenkt sowie wirtschaftliches Wachstum und Beschäftigung damit gefördert werden. Daher ist es höchste Zeit, daß unsere Mitbürger davon überzeugt werden, daß gerade die Wirtschafts- und Währungsunion die beste Waffe gegen die Arbeitslosigkeit darstellt, durch die unsere Gesellschaft weiterhin in solch dramatischer Weise untergraben wird, und deshalb bedeutet die von Ihnen, Herr Präsident, beim Europäischen Rat in Dublin erzwungene Erklärung zur Arbeitslosigkeit meines Erachtens einen echten Durchbruch. Ich kenne ein wenig die Verhältnisse beim Europäischen Rat, und daher haben Sie einen echten Durchbruch erzielt, was einen großartigen Erfolg darstellt. In Dublin wurde ferner beschlossen, daß die Finanzminister gegenüber der Europäischen Zentralbank eine Art gemeinsame Wirtschaftsregierung bilden werden. Sie müssen die Außenbeziehungen der Europäischen Union mit anderen Währungszonen und insbesondere der Dollarzone festlegen. Mit der einheitlichen Währung wird es den Europäern also möglich sein, die Währungsturbulenzen, durch die in ganzen Sektoren unserer Wirtschaft Störungen hervorgerufen werden, in erheblichem Maße zu beschränken. Der irischen Präsidentschaft ist es auch gelungen, die Verhandlungen über die Regierungskonferenz in eine politische Phase eintreten zu lassen. Nach einem Erfolg der Regierungskonferenz in Amsterdam wird mit der Erweiterung begonnen werden müssen. Für die Stabilität und Sicherheit unseres Kontinents ist die Erweiterung von entscheidender Wichtigkeit. Von den Völkern in Mittel- und Osteuropa werden hohe Erwartungen gehegt. Wenn es auf dem Gipfel in Amsterdam jedoch nicht gelingen wird, die Europäische Union effizient und demokratisch zu gestalten, wäre es unverantwortlich, solche Verhandlungen über eine Erweiterung aufzunehmen. Aus diesem Grund müssen sehr delikate Themen wie Zusammensetzung der Kommission, Befugnisse des Europäischen Parlaments, Stimmverhältnisse, Mehrheitsentscheidungen im Rat sowie Befugnisse des Gerichtshofs geregelt werden. Die europäische Diplomatie muß zu einem echten Instrument der Zusammenarbeit und gemeinsamer Sicherheit werden. Das Ziel einer europäischen Verteidigung muß verwirklicht werden. Trotz der außenpolitischen Erfolge Ihrer Präsidentschaft muß ich jedoch feststellen, daß die in Dublin beispielsweise zu den Beziehungen mit Rußland, zu den Konflikten in der Region der Großen Seen oder zur Lage im ehemaligen Jugoslawien vertretenen Standpunkte noch nicht einer echten gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik entsprechen. Da es an politischem Willen fehlt, und da die vitalen Interessen der Europäer auf internationaler Ebene nicht aus einer gemeinsamen Sicht gesehen werden, sind die Voraussetzungen dafür, daß die Europäische Union zu einer wirklichen Macht wird, die auf gleicher Ebene wie die USA auf der Weltbühne mitspielen kann, noch immer nicht erfüllt. Auch bei der Regional- und Agrarpolitik sowie bei der Finanzierung der Europäischen Union sind Anpassungen erforderlich. Eine Anpassung der Finanzierung ist deshalb erforderlich, da bei einigen Mitgliedstaaten nicht der Eindruck entstehen darf, daß sie für die Erweiterung Kosten zu tragen haben, die eine Benachteiligung bedeuten. Die bemerkenswerten Fortschritte hinsichtlich einer echten gemeinsamen Polizei, einer Art europäischer FBI sowie eines europäischen Rechtsraums, wie sie auch bei einigen nationalen Ministerien anerkannt werden, stellen gute Vorzeichen für eine gemeinsame Bekämpfung von Terrorismus, Drogenhandel und internationaler Kriminalität dar. Auch hierfür muß der irischen Präsidentschaft Anerkennung gezollt werden. Jegliche Initiative für ein gemeinsames Vorgehen auf dem Gebiet der Justiz und der inneren Sicherheit, die einer demokratischen Kontrolle unterworfen werden sollen, wird mit unserer Unterstützung rechnen können. Von wesentlicher Bedeutung für die kommenden Monate ist die Tatsache, daß durch das von Ihnen vorgelegte Dokument die Verhandlungen erstmals in eine politische Phase getreten sind. Ich hoffe, daß der seinerzeitige Elan nicht in Vergessenheit gerät und daß die niederländische Präsidentschaft das Steuer im gleichen Geiste übernehmen wird; darüber werden wir jedoch in Kürze sprechen. Ich möchte Sie sowie auch die Kommission zu den Ergebnissen des Gipfels in Dublin herzlich beglückwünschen. Zunächst, Herr Präsident, möchte ich Sie zu Ihrer Wahl beglückwünschen und Ihnen für Ihre Amtszeit allen erdenklichen Erfolg wünschen. Cuirimse céad mile fáilte roimh Taoiseach na h'Eireann agus Aire Gnothai na h'Eorpa ata anseo chun deire oifiguil a chuir le Uachtaranacht Eireann don Comphphobail. Ich heiße den scheidenden amtierenden Ratspräsidenten und seinen Minister für europäische Angelegenheiten Gay Mitchell bei ihrem offiziellen Besuch im Europäischen Parlament, mit dem die Unionspräsidentschaft Irlands zu Ende geht, herzlich willkommen. Wir alle sind über den Erfolg der irischen Präsidentschaft sehr erfreut. Dem Taoiseach, seinen Kollegen in der Regierung und den vielen hundert Mitarbeitern, die dazu beigetragen haben, sagen wir ein herzliches Dankeschön; wir sind sehr stolz auf Sie, weil Sie gute Arbeit geleistet haben. Es freut mich auch, sagen zu können, daß der Gipfel in Dublin zu den erfolgreicheren Gipfeltreffen der letzten Jahre gehörte. Bei den vier wichtigsten Prioritäten, die von der irischen Präsidentschaft zu Beginn ihrer Amtszeit genannt und vom Parlament gebilligt wurden, waren substantielle Fortschritte zu verzeichnen. Es waren dies die einheitliche Währung, der Kampf gegen Kriminalität und Drogen, die Regierungskonferenz und eine Strategie gegen die Arbeitslosigkeit. Die Einführung einer einheitlichen Währung in weniger als zwei Jahren ist nun auf gutem Wege, der Stabilitäts- und Wachstumspakt bewirkt, daß die Finanzmärkte, die Investoren und die Allgemeinheit darauf vertrauen können, daß der Euro eine stabile Währung und nicht infolge kurzfristiger politischer Entscheidungen einer oder mehrerer Regierungen innerhalb der neuen Währungszone Schwankungen ausgesetzt sein wird. Ich begrüße die in Dublin erzielten Fortschritte hinsichtlich der Stärkung der Zusammenarbeit zwischen den Ländern der Europäischen Union bei der Bekämpfung des organisierten Verbrechens und des internationalen Drogenschmuggels. Der illegale Drogenhandel ist an einem großen Teil des Elends in unseren jeweiligen Ländern und an Verbrechen gegen Menschen und Sachen schuld. Den Drogenkonsum zu finanzieren heißt, daß zahlreiche Mitbürger in ständiger Sorge um ihre persönliche Sicherheit leben. Diejenigen, die letzten Endes für die Lieferung der illegalen Drogen verantwortlich sind, welche jetzt in den einschlägigen Kreisen überall in der Union erhältlich sind, arbeiten seit langem im internationalen Maßstab; um ihre Umtriebe wirksam eindämmen zu können, ist ebenfalls ein abgestimmtes internationales Vorgehen erforderlich. Die Union sollte aus ihrem Jahreshaushalt Mittel bereitstellen, um Schmuggler dort abfangen zu können, wo die Drogen in die Union gebracht werden, um den Vertrieb der zur Herstellung von Drogen verwendeten Stoffe in der Union zu kontrollieren und um den Geldwäschemethoden der Drogenbarone auf die Schliche zu kommen. Der Änderungsentwurf für die Verträge, der dem Dubliner Gipfel von der Regierungskonferenz vorgelegt wurde, stellt eine solide Grundlage für die abschließende und umstrittenste Phase der Verhandlungen über einen neuen Vertrag dar. Die beim Gipfel erzielte Einigung über den Änderungsentwurf für die Verträge bedeutete einen entscheidenden Durchbruch, für den den Beteiligten, vor allem dem Regierungsvertreter Noel Dorr wegen der führenden Rolle, die er dabei spielte, ein besonderes Wort des Danks gebührt. Zu den bei diesen Verhandlungen noch zu klärenden Fragen gehört die Anzahl der künftig zu ernennenden Europäischen Kommissare. Es ist von entscheidender Bedeutung, die politische Legitimität der Kommission in allen Mitgliedstaaten und in den Augen der Wähler in den Einzelstaaten aufrechtzuerhalten. Auf die Dauer wird dies nur möglich sein, wenn jedes Land über einen vollwertigen Sitz im Kommissarskollegium verfügt. Eine zweite institutionelle Frage, die noch entschieden werden muß, betrifft die künftige Handhabung der Präsidentschaft des Ministerrates. Es sind Stimmen laut geworden, daß den kleinen europäischen Ländern die Mittel und die Fähigkeit fehlten, die mühselige Aufgabe auf sich zu nehmen, den Vorsitz über die Angelegenheiten der Union zu führen, und daß das gegenwärtige Verfahren, die Präsidentschaft alle sechs Monate zu wechseln, abgeschafft werden sollte. Nun, die Leistungsbilanz der irischen Präsidentschaft in den letzten sechs Monaten und vor allem beim Dubliner Gipfel wie auch die der vorangegangenen irischen Präsidentschaft läßt klar erkennen, daß kleinere Mitgliedstaaten sehr wohl eine wirksame und erfolgreiche Präsidentschaft organisieren und in vielen Fällen Vereinbarungen zustande bringen können, die von größeren Mitgliedstaaten während ihrer Präsidentschaft nicht erreicht werden können. Nach der Erfahrung der letzten sechs Monate spricht alles dafür, das gegenwärtige Rotationsverfahren bei der Ratspräsidentschaft beizubehalten. Herr Präsident! Im Namen der Liberalen Fraktion möchte ich zunächst Sie beglückwünschen und auch dem Taioseach und seinen Kollegen in der Regierung zu der ausgezeichneten Handhabung der sechsmonatigen Unionspräsidentschaft Irlands gratulieren. Dieser Zeitraum war von der Konzentration auf die Sache, harter Arbeit und großem Erfolg gekennzeichnet. Auf die wirkungsvollste und entschiedenste Art, die möglich war, wurden damit diejenigen Lügen gestraft, die meinen, daß es in Zukunft keine zwischen sämtlichen Mitgliedstaaten rotierende Präsidentschaft mehr geben sollte. Sie, Taoiseach, haben über jeden Zweifel hinweg - und im Falle Irlands nicht zum ersten Mal - die Fähigkeit der kleineren Mitgliedstaaten unter Beweis gestellt, ihrer Verantwortung vollauf gerecht zu werden, und haben damit viele der Kritiker aus den Mitgliedstaaten widerlegt, die energisch eine Änderung verfechten. Ich möchte auch dem öffentlichen Dienst in Irland meine Anerkennung aussprechen, der es trotz seiner zahlenmäßig geringen Größe geschafft hat, die Herausforderung zu bewältigen, die von der Vorbereitung und Wahrnehmung der Präsidentschaft sowie häufig auch vom Vorsitz bei den 2000 und mehr Sitzungen ausging, welche fester Bestandteil der Arbeit der Präsidentschaft sind. Angesichts der Ungewißheit, die das Thema vor dem zweiten Dubliner Gipfel umgab, bestand das bedeutendste politische Ergebnis von allen vielleicht in der Einigung über den Stabilitätspakt als Teil der notwendigen Vorbereitungen auf die Wirtschafts- und Währungsunion. Nicht genug damit, daß die irische Präsidentschaft eine Einigung über den rechtlichen Status des Euro und die Grundsätze des neuen Wechselkursmechanismus herbeiführte, sie erhielt zugleich auch die Bewegung hin zur einheitlichen Währung aufrecht und verlieh ihr neue Kraft. Auch in diesem Fall wurde die Fähigkeit der kleineren Mitgliedstaaten, als ehrliche Makler tätig zu werden und zwischen den größeren Staaten zu vermitteln, eindrucksvoll deutlich gemacht und, wie bereits anerkennend festgestellt wurde, mit der Unterstützung des luxemburgischen Ministerpräsidenten von der irischen Präsidentschaft unterstrichen. Enttäuscht ist die Liberale Fraktion jedoch über die bisher nur schleppenden und halbherzigen Fortschritte bei einer Reihe von Liberalisierungsdossiers, insbesondere bei der Telekommunikation und der Post. Dieses Versagen ist nicht der Präsidentschaft unmittelbar anzukreiden, sondern eher dem kollektiven Willen des Rates selbst. Schlimmer noch ist, daß daraus das Unvermögen spricht, die Wettbewerbsdynamik einer offeneren globalen Wirtschaft - über die sich der Taoiseach so beredt geäußert hat - wirklich zu erkennen. Dies ist ein Thema, das, wenn wir uns nicht darum kümmern, Europa auf lange Sicht Arbeitsplätze kosten wird, statt sie zu schützen, wie viele Befürworter des gegenwärtigen Status quo zu glauben scheinen. Im Bereich der Regierungskonferenz hat die irische Präsidentschaft ihr größtes Vermächtnis hinterlassen. Der Entwurf für einen neuen Vertrag zeichnet sich sowohl durch Ehrgeiz als auch durch Realismus aus und gereicht seinem Hauptautor, Herrn Noel Dorr, zur Ehre. Allerdings sind wir enttäuscht, daß auf der institutionellen Ebene und in der Frage der Flexibilität keine größeren Fortschritte erzielt wurden. Es wäre verhängnisvoll, wenn wir am Ende in unausgegorene oder schlechtüberlegte Lösungen hineingedrängt würden, ohne in gebührender Weise über sie nachdenken und sie erörtern zu können, denn dies wird für unsere tatsächliche Fähigkeit, die Erweiterung zustande zu bringen, entscheidend sein - auch dies ein Punkt, den der Taoiseach völlig zu Recht als die nächste große Herausforderung nach Abschluß der Regierungskonferenz bezeichnet hat. Herr Präsident, zwar hat unsere Fraktion zur Zeit kein irisches Mitglied, nur eine assoziierte Partei, die auch an der irischen Regierung beteiligt ist, doch möchte auch ich im Namen unserer Fraktion der irischen Mannschaft des Vorsitzes in der Europäischen Union unseren Dank aussprechen. Herr Bruton hat sich in tiefgründiger und brillanter Weise über Europa geäußert, und sein Europaminister hat in den Beziehungen zum Europäischen Parlament wahrhaft beispielhaft gearbeitet. Dessenungeachtet muß ich jedoch im Namen meiner Fraktion auch sagen, daß wir besorgt und ein wenig enttäuscht sind von den Ergebnissen des Gipfels, obwohl ich natürlich weiß, daß die niederländische Präsidentschaft sich bemühen wird, die Mitglieder des irischen Vorsitzes in noch besserem Licht erscheinen zu lassen. Warum nun aber diese Besorgnis und diese Enttäuschung? Weil uns die Vorschläge für die Reformen der Institutionen mit Blick auf ein besseres Funktionieren der Institutionen und auf ihre Demokratisierung und vor allem mit Blick auf die Erweiterung als zu schwach erscheinen. Sehr zufrieden sind wir natürlich mit dem neuen Kapitel über Beschäftigung, doch vermissen wir einen Hinweis auf den Erhalt der öffentlichen Dienste oder auf ein Instrumentarium zur Schaffung neuer Arbeitsplätze. Wir bedauern, daß in der Frage der Unionsbürgerschaft kein wirklicher Fortschritt erzielt worden ist und haben den Eindruck, daß die wichtigsten Entscheidungen über die Reform erst in allerletzter Minute getroffen werden, ohne Transparenz und ohne Information der Bürger oder der Vertreter der Bürger, die so nicht ihrer Verantwortung entsprechend darüber beraten können. Nicht einverstanden sind wir mit einigen Aussagen zu Beschäftigung und Maßnahmen der Haushaltssanierungspolitik. Wir können nicht erkennen, daß die harte Politik zur Sanierung der Haushalte in Zusammenhang mit der Einführung des Euro automatisch die Produktion steigert und die Beschäftigungslage verbessert. Hierin sind wir anderer Meinung. Wir glauben nämlich, daß die Arbeitslosigkeit und damit in Zusammenhang auch die Finanzspekulation zunehmen wird. In Europa sollten Finanzgeschäfte mit spekulativem Hintergrund steuerpflichtig sein. Es gibt nun zwar neue Beschäftigungsmöglichkeiten im Sektor Umwelt oder im sozialen Bereich, doch reichen sie nicht aus. Wir halten nochmaliges Überdenken der dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion für erforderlich, nochmaliges Bedenken der Auswirkungen auf einige Volkswirtschaften und einige Gesellschaften. Und wir bleiben bei unserer abweichenden Meinung zum Sinn des Paktes für Stabilität und Wachstum. Letztendlich wird dieser Pakt für Stabilität und Wachstum die künftige Haushaltspolitik der Mitgliedstaaten bedingen und dürfte einigen Mitgliedstaaten erhebliche Schwierigkeiten bereiten. Beim Thema Europa der Bürger unterstützen wir die Bekämpfung des Drogenhandels - wobei eigentlich mehr gegen das Weißwaschen dieses Schwarzgeldes aus dem Drogengeschäft angegangen werden sollte - und bedauern, daß keine Entscheidung über die Gründung einer Europäischen Beobachtungsstelle gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit gefallen ist. Außenpolitisch können wir uns voll und ganz den Darlegungen zu Palästina anschließen und bedauern die Toleranz und das übertriebene Verständnis für die türkische Regierung. Die türkische Regierung verdient es mit Blick auf ihren Umgang mit den Menschenrechten nicht, so behandelt zu werden, denn sie tritt diese Rechte ihrer Bürger und insbesondere die des kurdischen Volkes ständig mit Füßen. Wir hätten uns auch konkretere Maßnahmen gegenüber Kuba gewünscht, damit es zu einer Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und Kuba mit allen gegenseitigen Garantien im Hinblick auf eine weitere Demokratisierung kommen kann. Herr Präsident Bruton, meine Redezeit ist leider abgelaufen, Sie sollen aber wissen, daß wir unsere Kritik als loyale Kritik verstehen, und wir hoffen, daß Ihre gute Arbeit auf der Regierungskonferenz Früchte trägt. Ganz ohne Ironie könnte man sagen: Möge Gott uns erhören und uns in dieser schwierigen Zeit unterstützen, denn allein in die Institutionen können wir nicht vertrauen. Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, werte Herren von Rat und Kommission! Erinnern wir uns an Dezember! Wie haben wir uns gefreut, Herr Santer, auf die Geschenke, die wir in Dublin bekommen sollten! Dann ist es ganz feierlich geworden - ich habe es ja auch nur im Fernsehen gesehen - und die Bescherung kam. Die europäischen Weihnachtsmänner haben ihre Säcke geöffnet und dann vor laufender Kamera ausgepackt. Erinnern wir uns: John Major war zufrieden, weil er alles bekommen hat, was er wollte. Herr Chirac hat gesagt, Dublin hat uns das Bild eines neuen Europas beschert. Kanzler Kohl hat ganz jahreszeitgemäß von der Karawane gesprochen, die weiterzieht. Die Herren John Bruton und Jacques Santer haben dankenswerterweise an die gedacht, die ausgeschlossen sind, und haben gesagt, daß die Arbeitslosigkeit unerträglich hoch sei und daß sie keine Grenzen respektiere. Es muß schon fast stutzig machen, daß alle so weihnachtlich glücklich und zufrieden waren. Mir ist in diesem Zusammenhang ein anderer Satz eingefallen, ein ganz anderer Satz, ein wahrhaftiger Satz. Den hat aber auch nicht ein Gipfelrepräsentant, sondern jemand ganz anderes gesagt. Dieser Satz lautet, ich zitiere: " Politik kann man hier definieren als die Durchsetzung wirtschaftlicher Zwecke mit Hilfe der Gesetzgebung." Kein Regierungsrepräsentant, nein, es war Kurt Tucholsky 1919, der diesen Satz gesagt hat, so als hätte er 1996 beim irischen Nachmittagsgipfel mit am Tisch gesessen. Pointiert und sehr präzise drückt dieser Satz aus, was aus dem bitter nötigen und groß angekündigten Reformwerk tatsächlich geworden ist. Ein Projekt, das der Wirtschaft das Wirtschaften noch leichter macht. Ein Projekt, in dem die Grundrechte aller auf bloße Wünsche reduziert und - John Bruton hat es gesagt - irgendwie auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben werden, und ein Projekt, in dem die Teilhabe der osteuropäischen Staaten an Europa sich auf die Rolle des Hilfspolizisten bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität beschränkt. Natürlich, es ging in Dublin um Wachstum. Für Wachstum bin ich auch, und wie, aber für ein ganz anderes Wachstum! Ich bin nicht für mehr Profite und mehr ökologische Zerstörung, sondern für mehr Demokratie, für mehr soziale Gerechtigkeit, für mehr ökologische Vernunft, für mehr Europa, also für Gesamteuropa, und das miteinander verbunden und nicht hintereinander gesetzt. Dieses Europa braucht dringend ein demokratisches und rechtsstaatliches Fundament zum Nutzen seiner Bürgerinnen und Bürger. Davon spricht auch das Papier zur Regierungskonferenz, aber nur in seinem Titel. Der Text selber hat mit Demokratie nur noch herzlich wenig zu tun: nicht mehr Transparenz, nicht mehr Mitsprache, nicht mehr Teilhaberechte und nicht mehr demokratische Kontrolle. Ich frage Sie, ist es nicht doppelzüngig, wenn sich die Regierungschefs zu Hause als europäische Demokraten gerieren und in Dublin antidemokratische Umtriebe goutieren? Der Stabilitätspakt von Dublin ist in Wahrheit eine Art Betriebsverfassung, man könnte sagen, der EU-Aktiengesellschaft, und die gehorcht eisernen Stabilitätsgesetzen, so ganz nach dem Motto: Erstens, der Standort EU ist unantastbar, ihn zu schützen und zu fördern ist die oberste Verpflichtung. Zweitens, die ungestörte Ausübung von ökonomischen Interessen ist gewährleistet. Niemand darf gegen sein Gewissen zum Umweltschutz, zum Schutz von sozialen und demokratischen Rechten gezwungen werden. Alles weitere regeln EUROPOL und der Euro, so ganz, als wären Euro und EUROPOL tatsächlich der Türöffner, das Patentrezept gegen alle Probleme und als würden diese beiden Errungenschaften den Bürgern tatsächlich nutzen. Wer Europa wirklich will, darf das so nicht wollen! (Beifall ) Herr Präsident, liebe Kollegen, da nun der Europäische Rat von Dublin die europäische Währung endgültig ins Rollen gebracht hat, erlauben Sie mir, hier nur über die Arbeit der Regierungskonferenz zu sprechen. Wie wir schon im Dezember in einer Entschließung sagten, hat der von der irischen Präsidentschaft abgeänderte Vertragsentwurf, zu dem man ihr übrigens gratulieren muß, den großen Vorteil, eine Bestandsaufnahme der Regierungskonferenz darzustellen, die von einer völligen Blockierung im Bereich der institutionellen Reformen geprägt ist und dem völligen Mangel an Fortschrittswillen seitens gewisser Regierungen. Meine Fraktion vertritt die Ansicht, daß sich niemand den Luxus gestatten kann abzuwarten, wenn er nicht Gefahr laufen will, daß es im letzten Augenblick zu einem Kuhhandel mit unsicheren und unvorhersehbaren Resultaten kommt und - ärger noch - die Erweiterung aufs Spiel setzen will, was an sich schon ernst genug wäre, sondern auch die Zukunft der Union ganz generell. Wir sind der Überzeugung, daß unser Parlament eine Strategie entwerfen sollte, die über seine Aufgabe, Vorschläge zu unterbreiten, hinausgeht, wobei es diese natürlich ebenfalls weiterverfolgen muß. Worin sollte nun die politische Strategie unserer Versammlung in den uns verbleibenden sechs Monaten bestehen, ganz abgesehen von der vorzüglichen Arbeit unserer beiden Beobachter und der Abstimmung über unsere Entschließung? Diese Frage ist umso berechtigter, als kein Verfahren der Zustimmung zum Ergebnis der Verhandlungen für uns vorgesehen ist. Es scheint mir sinnvoll, daran zu erinnern, daß sich das Parlament bereits bei der letzten Erweiterung darauf festgelegt hatte, keine zusätzlichen Erweiterungen ohne eine weitreichende institutionelle Reform zuzulassen. Das bedeutet unter anderem wirkliche Mitentscheidung des Europäischen Parlaments zusammen mit dem Ministerrat, Verzicht auf Einstimmigkeit, die Verankerung der Kommission im Mittelpunkt des institutionellen Systems der Union und eine Bestimmung über verstärkte Zusammenarbeit, damit in Zukunft Blockierungen jeder Art oder Handlungsunfähigkeit vermieden werden. Abschließend möchte ich Sie, Herr Präsident Santer, allen Ernstes auffordern, dafür zu sorgen, daß sich die Kommission in diesem Kampf dem Parlament anschließt. Die Kommission ist doch Hüter der Verträge. Sie würde eine schwere Verantwortung auf sich nehmen, wenn sie die Öffentlichkeit und die Staaten nicht über die Gefahren einer Erweiterung aufklären würde, der nicht eine wahre institutionelle Reform vorangeht. Herr Präsident, der Europäische Rat von Dublin hat wieder einmal die Gegensätze zum Vorschein gebracht, die zwischen den Staaten, für die die Währung nicht mehr als ein Instrument der Wirtschaftsregulierung ist, und denen, die sie in den Mittelpunkt ihrer Politik stellen, besteht. Wenn sich gewisse französische Führungskräfte den deutschen Vorgaben anschließen, die eine Neubewertung der Handelsbilanzen befürworten und einer Politik des Wiederaufschwungs der globalen Nachfrage vorziehen, begehen sie einen folgenschweren strategischen Fehler und geraten in einen großen wirtschaftlichen Widerspruch. Welches Interesse hätte es denn - nicht nur für Frankreich, sondern auch für die Vereinigten Staaten und Großbritannien -, das Entstehen eines massiven Blocks in Mitteleuropa unter der Kontrolle eines deutschen Staates anzuregen, den eine traditionelle Politik der Machtausgewogenheit ohne weiteres imstande wäre zu zügeln? Das europäische Aufbauwerk hat sich in seinem Wesen geändert. Die Utopien von Jean Monnet haben sich in einen Raum verstreuter Rivalitäten aufgelöst, in einen Riesenpoker, dessen Einsatz die Hegemonie in Europa ist. Eine neue Strategie, um ein altes Ziel zu erreichen! Andererseits neigt der Stabilitätspakt, dem man zweckdienlich den Ausdruck Wachstum hinzugefügt hat, zur Einführung eines Wirtschaftsmodells, das die Mitgliedstaaten in ein außerordentlich starres und beengendes Korsett einbindet. Damit schreibt man ihnen nicht nur die Währungspolitik vor, sondern auch ihre Haushaltspolitik, die Steuer- und Sozialpolitik, so daß man eigentlich von der gesamten Politik sprechen kann. Es gibt in der Welt des Unternehmertums keine Aktiva, die nicht mit Vorteilen einhergehen. General De Gaulle hat gesagt, französische Politik werde nicht an der Börse gemacht. Diejenigen, die behaupten, alles müsse dem Markt überlassen bleiben, führen in Wirklichkeit die Politik anderer. Angesichts dieser offenkundigen Wahrheit haben sich die Teilnehmer der Konferenz von Dublin mit mäßigem Wachstum und Auslagerung abgefunden, obwohl sie wissen, wie nachteilig sich solch eine Politik des Laissez faire auf die Beschäftigung und den sozialen Zusammenhalt auswirkt. Meine Damen und Herren, Sie wissen, daß die Bedingungen für den Anschluß an die Einheitswährung im Jahre 1997 bei weitem nicht erfüllt werden, und daß die wahre Entscheidung nicht vor den französischen Parlamentswahlen von 1998 fallen wird. Das französische Volk kann jederzeit, ungeachtet der getroffenen Entscheidung, auf dem Wege der Volksbefragung über Europa zu Rate gezogen werden. Das ist etwas, was Sie nicht ändern können! Herr Präsident! Zunächst möchte ich den Taoiseach, den Tánaiste, Herrn De Rossa sowie Minister Mitchell und die Angehörigen des öffentlichen Dienstes in Irland dazu beglückwünschen, daß sie ein für allemal den Nachweis erbracht haben, daß eine kleine Nation nicht nur die Verantwortung übernehmen kann, die EU-Präsidentschaft auszuüben, sondern auch dafür, daß es sich seiner Aufgabe mit großem Erfolg zu entledigen versteht. In den letzten sechs Monaten hat die irische Präsidentschaft die Bewegung hin zu einer einheitlichen Währung beschleunigt, sie hat eine integrierte europäische Beschäftigungsstrategie herausgearbeitet, die die makroökonomische Politik und die Strukturreform umfaßt, sie hat die Grundlage für bedeutsame Initiativen geschaffen, durch die eine wirksame europäische Zusammenarbeit beim Kampf gegen das organisierte Verbrechen im allgemeinen und den Drogenhandel im besonderen gewährleistet wird, und, was ebenso wichtig ist, sie hat uns den bemerkenswert einfachen und lesbaren Vertragsentwurf mit der Darstellung der Alternativen vorgelegt, die sich uns eröffnen. Im Zuge des Nachdenkens über diese Alternativen wurde von der Kommission und den Mitgliedstaaten das neueste europäische Schlagwort.in die Debatte geworfen, welches da Flexibilität lautet. Stellt dieses jüngste Konzept die ideale Soforthilfe dar, dank der wir unsere Schwierigkeiten überwinden können, oder ist es ein trojanisches Pferd, das dem Zweck dient, die Entwicklung hin zu einer letzten Endes föderalen Union zu vereiteln? Ich fürchte, letzteres trifft zu, vor allem dann, wenn damit ein System einhergeht, das eine Vielzahl von Ausstiegsklauseln und eine potentielle Zersplitterung anstelle einer einheitlichen Zielsetzung zuläßt. Im Interesse der Integrität der Union ist es notwendig, daß alle, die daran glauben, gemeinsam auf demselben Weg und in dieselbe Richtung voranschreiten, wie sie von unseren Gründervätern klar und deutlich vorgegeben wurde. Diese Kernintegrität ist wichtiger als eine Seelenmassage für die nationalistischen Egos widerspenstiger Mitgliedstaaten, die ein Hindernis für den Fortschritt sind und es bleiben werden. Es kann nicht als Entschuldigung gelten, daß wir den Marsch in Richtung auf die Union dadurch zum Stehen bringen, indem wir wichtige Grundsätze opfern, um den einen oder anderen Neinsager unter den Mitgliedstaaten zum Mitgehen zu bewegen. Wir sollten der Erfahrung von Maastricht eingedenk sein. Wir haben unser Engagement für die Sozialcharta und die einheitliche Währung abgeschwächt, um einen Konsens zu erzielen. Der Preis für die Aufweichung unserer Position bestand jedoch nicht in allgemeiner Übereinstimmung, sondern in Ausstiegsklauseln und einem abgeschwächten Text. Aus diesen Gründen betrachte ich John Majors Definition der Flexibilität vom Anfang dieser Woche mit Argwohn. Sie ist ein Anzeichen dafür, daß es einer Mehrheit der Mitgliedstaaten gestattet werden könnte, mit der engeren Integration weiterzumachen, sofern die damit nicht einverstandenen Mitgliedstaaten dem zustimmen. Dies ist keine Flexibilität, das ist die Diktatur einer Minderheit über eine Mehrheit. Diese entscheidende Frage muß eher früh als spät angegangen werden. Das höchste Ziel der Union, das von der überwältigenden Mehrheit der Mitgliedstaaten angestrebt wird, kann nicht endlos zum Gegenstand von Erpressungen gemacht werden. Wer unsere Sichtweise nicht teilt, dem sollte ein für allemal klargemacht werden, daß wir nicht die Absicht haben, Strukturen für eine Vielzahl von Ausstiegsklauseln zu schaffen. Statt dessen werden wir Strukturen schaffen, die ihnen den vollständigen Ausstieg ermöglichen, falls sie dies wünschen, und es uns übrigen erlauben, unsere gemeinsame Vision von einem vereinten Europa ungehindert weiterzuverfolgen. Ich hoffe, daß das Motto der niederländischen Präsidentschaft "Einstieg oder Ausstieg" lauten wird. Herr Präsident, liebe Kollegen, Herr Ratspräsident, der Gipfel von Dublin wird wahrscheinlich immer ein bedeutsamer Schritt auf dem Wege der Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion zum geplanten Termin, d.h. dem 1. Januar 1999, bleiben - eines der wichtigen politischen Ziele für Europa. Daher scheint es an der Ordnung, die vortreffliche Arbeit anzuerkennen, die unter Ihrer Führung, Herr Präsident, während der vergangenen sechs Monate der irischen Präsidentschaft stattgefunden hat. Abgesehen von bedeutenden Fortschritten im Währungsbereich, hat die irische Präsidentschaft gemäß den Prioritäten, die sie sich gesetzt hatte, einen breiten Konsens darüber zustandegebracht, welche Richtung in Zukunft im Bereich der Beschäftigungspolitik eingeschlagen werden soll und über eine bessere Koordinierung zukünftiger Aktionen im Kampf gegen den Drogenhandel, das organisierte Verbrechen, den Terrorismus und die sexuelle Ausbeutung von Minderjährigen. Deshalb müssen wir die irische Präsidentschaft zu den ausgezeichneten Resultaten beglückwünschen und ihr für die Bemühungen danken, die sie auf diesen Zweck verwendet hat. Zweifellos wird der Abschluß des Stabilitäts- und Wachstumspakts, der als eine entscheidende Etappe bei der Einführung der einheitlichen Währung gilt, aufgrund seiner Auswirkungen auf das zukünftige europäische Aufbauwerk das markanteste Ergebnis dieses Gipfels darstellen. Eine Gallup-Umfrage, die in vier Ländern der Europäischen Union durchgeführt wurde, nämlich in Deutschland, dem Vereinigten Königreich, Frankreich und Italien, zeigt, daß unsere Mitbürger sich sehr wohl bewußt sind, was auf dem Spiel steht, und daß sie es befürworten oder mit Besorgnis wahrnehmen. Der Einsatz ist nämlich nicht nur ein technischer oder wirtschaftlicher, sondern er ist im allereigensten Sinne ein politischer. Die Einführung einer gemeinsamen Währung, des Euro, zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist eine Probe aufs Exempel, der wir uns nicht entziehen können. Entweder dieser Prozeß gelangt nicht zum Abschluß, und das europäische Aufbauwerk bleibt in dem Stadium stecken, in dem es sich heute befindet, d.h. ein großer Markt, eine Zollunion, die jedoch dazu neigt, sich immer mehr in eine riesige Freihandelszone aufzulösen, offen und allen Winden des Mondialismus ausgesetzt; oder der Prozeß verläuft erfolgreich, und die Europäische Union, gestärkt durch Solidarität und neue Zwänge, die sich aus einer Währungsunion ergeben, wird zu einer wahren internationalen Wirtschaftsmacht, bevor sie in einem neuen institutionellen Rahmen auch eine politische Macht wird. Es geht hier nicht allein um eine Entwicklung, sondern um eine wirklich veränderte Vorgehensweise beim Aufbau von Europa. Wenn diese Änderung gelingen soll, muß der Reformprozeß der europäischen Organe, der zur Zeit bei der Regierungskonferenz zur Debatte steht aber noch nicht wirklich in Gang gesetzt worden ist, damit Schritt halten. Nun ist es an der niederländischen Präsidentschaft, die Führung zu übernehmen und dafür zu sorgen, daß der Gipfel von Amsterdam im Bereich der Institutionen das Gegenstück zu dem wird, was der Gipfel von Dublin für die Währung war. Herr Präsident, ich möchte meinerseits der irischen Regierung meine Glückwünsche für die vortreffliche Art, in der sie die Präsidentschaft wahrgenommen hat, aussprechen. Ich möchte die eine Minute meiner Redezeit dem institutionellen Aspekt widmen. Wie aus dem Schlußkommuniqué von Dublin zu ersehen ist, wurde diese Thematik tatsächlich kaum zur Sprache gebracht, was uns auch nicht zu verwundern braucht, da von der irischen Präsidentschaft hierzu wenig Vorschläge unterbreitet wurden, da ihrer Überzeugung nach die wichtigsten, die heikelsten institutionellen Fragen erst bei den Schlußverhandlungen behandelt werden sollen. Das bedeutet, daß möglicherweise viel erhofft werden kann, daß gleichzeitig aber auch viel befürchtet werden muß und daß wir in jedem Fall sehr wachsam sein müssen. Ein Punkt, bei dem Wachsamkeit geboten ist, ist die Gefahr, daß unter den dritten Pfeiler fallende Angelegenheiten aus diesem dritten Pfeiler herausgenommen, jedoch nicht gänzlich auf den ersten Pfeiler übertragen werden und somit in einen institutionellen Bereich gelangen, der jeglicher parlamentarischen Kontrolle entzogen ist. Herr Präsident, alle Treffen des Europäischen Rats haben ihre Geschichte oder Geschichten und einige werden in die Geschichte eingehen. Das Gipfeltreffen von Dublin hatte offensichtlich seine Geschichten. Vor allem die Geschichte der Ereignisse davor, vor allem die vorherige Zusammenkunft in Nürnberg und das entsprechende Schreiben Kohl/Chirac, das das Dokument der irischen Präsidentschaft - ein anderes Ereignis davor - in den Schatten stellte, das das Ende einer Präsidentschaft war, die verdienstvoller Weise versucht hatte, die sozialen Aspekte aufzuwerten. Auch das Treffen des ECOFIN-Rats, der viel Material zur politischen Entscheidungsfindung, für Grundsatzentscheidungen und technische Begründungen lieferte und die Geschichten der Erklärungen der Hauptverantwortlichen in den Regierungen der Mitgliedstaaten, die gleichzogen und klare Optionen trafen, wie sonst selten im Vorfeld von Gipfeltreffen, bei denen Entscheidungen anstehen. Ich weiß nicht, ob Dublin aufgrund seiner Geschichten in die Geschichte der Gipfeltreffen eingehen wird, aber es scheint, daß viel technisches Terrain urbar gemacht wurde, während man auf die Gelegenheit gewartet hat, politische Entscheidungen zu treffen und es gab viele Empfehlungen für den Europäischen Rat dieses Semesters in Holland. Der Stabilitätspakt und die verstärkte Konvergenz werden als Themen bleiben, wenn Dublin in die Geschichte eingehen wird, denn es wurden die Prinzipien eines Stabilitäts- und Wachstumspakts angenommen, der, wie es Claudia Roth sehr richtig nannte, ein Rezessionspakt ist, denn er definiert die Voraussetzungen, unter denen die Rezession ein als übermäßig angesehenes Defizit entschuldigen kann. Und alles, was die Erweiterung und die Beschäftigung angeht, wurde vertagt, denn die Erweiterung darf den Schritt zur Einheitswährung, der für entscheidend gehalten wird, nicht stören, als ob die Arbeitslosen und die so oft bestätigte Priorität der Prioritäten warten könnte und müßte. Einmal mehr blieb die Realökonomie ausgespart, die soziale Situation, wie sie von den Menschen erlebt wird, der soziale Kampf, der vor den getroffenen Optionen nicht halt macht, die sich anschicken, solche Hindernisse zu umgehen, die man gerne vermindert hätte. Aber sie sind nicht kleiner geworden. Sie werden die Zukunft dieses "Baus" prägen, sie werden entscheidend für die Geschichten und die Geschichte der zukünfigen Gipfeltreffen sein. Herr Präsident! Ich möchte hier unseren Taoiseach, Herrn Bruton, willkommen heißen und die irische Präsidentschaft einschließlich unserer Beamtenschaft zu der harten Arbeit beglückwünschen, die sie in ihrem Verlauf geleistet haben. Ich bin für die rotierende Präsidentschaft, sie sollte beibehalten werden. Nach diesen Vorbemerkungen möchte ich jedoch sagen, daß ich mit dem Ergebnis nicht einverstanden bin. Meiner Ansicht nach hat nichts, was die irische Präsidentschaft unternommen hat, die Bemühungen unterbunden, die Europäische Union zu einer militärischen Supermacht zu machen, oder die Erweiterung der Kluft zwischen Reich und Arm aufgehalten, die wahrscheinlich das Ergebnis der WWU sein dürfte. "Die Europäische Union zum Nutzen ihrer Völker anpassen" lautet der Titel des Dokuments, in dem die geplanten Änderungen am Vertrag dargelegt werden. Dieser Titel ist völlig irreführend. In einigen Änderungen am Abschnitt des Dokuments, der sich mit der Sicherheit beschäftigt, ist eine stärkere Militarisierung der Europäischen Union vorgesehen. Davon würden nur die Rüstungsfabrikanten profitieren. Es ist eine Tragödie, daß es der irischen Regierung nicht gelang - ja, nicht einmal versuchte -, angemessene Sicherheitsklauseln zum Schutz der irischen Neutralität in die Änderungsentwürfe aufnehmen zu lassen, und gar nicht erst die Aufnahme des Ziels der Abrüstung in den Vertrag vorschlug. Vielmehr würde als Folge der Änderungsentwürfe das Verhältnis der Europäischen Union zur über Atomwaffen verfügenden Westeuropäischen Union verstärkt, und es würde der Weg für die letztendliche Verschmelzung der beiden Organisationen geebnet. Der in Dublin ausgehandelte Stabilitätspakt für die WWU ist kein Anlaß zur Freude, obwohl die verstärkte Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zu den erklärten Zielen der irischen Präsidentschaft gehörte. Ihr blieb nur die Rolle der zweiten Geige hinter dem alles andere verdrängenden Streben, eine Einigung über den Euro zu erzielen. Finanzminister Quinn hat die WWU als ein grundsätzlich politisches Vorhaben bezeichnet, aber er war nicht imstande, irgendeinen damit verbundenen politischen Nutzen zu benennen oder die Befürchtungen zu zerstreuen, daß sich dadurch nur die Kluft zwischen Reich und Arm vergrößern wird. Nach meiner Meinung wäre es ein Akt des Wahnsinns, wenn Irland der WWU beiträte, während Großbritannien, wie es mehr und mehr den Anschein hat, draußenbleibt. Weniger als ein Drittel des irischen Handels wird mit den wahrscheinlichen Gründerländern der WWU abgewickelt, während 70 % auf Großbritannien und die übrige Welt entfallen. Herr Präsident! Auch ich möchte den Taoiseach begrüßen und ihm für die wunderbaren, spontanen Ausführungen danken, die er heute hier gemacht hat. Glückwünsche sind, glaube ich, schon ausgesprochen worden. Sie sehen, Taoiseach, welchen Respekt die Mitglieder hier im Hause für Ihre und die Leistung Ihrer Kollegen während der irischen Präsidentschaft hegen. Sie müssen sich dadurch sehr ermutigt fühlen. Ich bin sehr stolz auf das, was Sie erreicht haben, und Sie sollten zu Recht stolz auf eine ausgezeichnete Leistung sein. Ich denke, daß dieser Gipfel von vielen als voller Erfolg gewertet wird. Ich möchte nur drei Bereiche herausgreifen. Erstens: Die irische Präsidentschaft war mit der Aufgabe betraut worden, den Entwurf eines Vertrags auszuarbeiten, der Maastricht ersetzen soll. Sie haben dies nicht nur, wie zugesagt, rechtzeitig erledigt, sondern Sie haben auch ein 140seitiges Dokument vorgelegt, das - anders als beim gegenwärtigen Vertrag - auch für den einfachen Bürger leicht lesbar ist und das er, was am allerwichtigsten ist, beim ersten Lesen verstehen kann. Zweitens: Aus dem Entwurf geht hervor, daß bei der Regierungskonferenz Fortschritte in einer Reihe wichtiger institutioneller Fragen gemacht worden sind. An vorderster Stelle steht dabei die Anerkennung der Notwendigkeit einer weiteren Demokratisierung der Beschlußfassung. Ich begrüße besonders die Verpflichtung, das Verfahren der Mitentscheidung zu verbessern und dadurch die beiden gesetzgeberischen Zweige der Europäischen Union, den Ministerrat, der die Mitgliedstaaten vertritt, und uns hier im Europäischen Parlament, die wir das Volk vertreten, auf eine wirklich gleichberechtigte Grundlage zu stellen. Ich begrüße ebenfalls die Verpflichtung, den Umfang des Verfahrens der Mitentscheidung auszuweiten. Ich bin mir jedoch bewußt, daß dies nur grundsätzliche Verpflichtungen sind. Sie müssen mit Substanz angefüllt werden. Ich hoffe, daß der von der irischen Präsidentschaft an den Tag gelegte Ehrgeiz, der im Vertragsentwurf kulminierte, nun rechtzeitig bis zum Amsterdamer Gipfel erfüllt werden kann. Der zweite Hauptbereich, in dem Erfolge zu verzeichnen waren, war zweifellos die WWU. Zahlreiche Redner haben bereits darauf hingewiesen. Fortschritte wurden beim neuen Europäischen Währungssystem, beim Rechtsstatus des Euro sowie beim Stabilitäts- und Wachstumspakt gemacht. Wäre es bei diesen Beschlüssen nicht mit rechten Dingen zugegangen, wäre das gesamte WWU-Projekt untergraben worden. Es ist wichtig, daß diesen Erfolgen jetzt weitere Maßnahmen folgen, durch die die demokratische Kontrolle gestärkt, die Rechte des Verbrauchers geschützt und die einfachen Leute umfassend über die Umstellung auf die einheitliche Währung unterrichtet werden, damit die Propheten des Untergangs nicht recht bekommen. Wenn die WWU das Vertrauen der Allgemeinheit erringen soll, muß das geschehen. Die Erläuterungen müssen verfügbar, sie müssen klar und sie müssen von aufgeschlossenen Medien verbreitet werden. Schließlich möchte ich auch die Dubliner Erklärung zur Beschäftigung begrüßen. Diese Erklärung stellt eins der bedeutendsten Zeichen dar, das ich als Abgeordneter je dafür erlebt habe, daß unsere Forderungen die Führung des Europäischen Rates beeinflussen können. Herr Santer wird Ihnen erzählen, daß wir hier immer und immer wieder über die Beschäftigung reden. Jetzt erleben wir Taten in Gestalt dieser Dubliner Erklärung zur Beschäftigung. Der Erklärung müssen jetzt konkrete Taten folgen, wie sie in speziellen Instrumenten, realistischen Zielsetzungen und wirksamen Zeitplänen vorgegeben sind. Die Europäische Union muß auf eine stärkere Koordinierung der Beschäftigungspolitiken und auf eine wachstumsorientierte makroökonomische Politik hinarbeiten. Die niederländische Präsidentschaft muß spezifische Maßnahmen zur Verbesserung der Bildung, für eine gezieltere Ausbildung sowie Beschäftigungsinitiativen im Rahmen der Gemeinschaft folgen lassen und der Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen sowie dem lebenslangen Lernen Priorität einräumen. Taoiseach, Sie haben die Bedeutung von Ausbildung und Bildung und den Zusammenhang mit dem Drogenkonsum in Städten wie beispielsweise Dublin erwähnt. Ich schätze es hoch ein, daß Sie die Forderungen und Bedürfnisse der einfachen Leute wirklich verstehen. Ich möchte Sie erneut beglückwünschen und Ihnen alles Gute wünschen. Es freut mich, daß die irischen Medien in diesem Monat in beachtlicher Stärke hier vertreten sind. Ich hoffe, daß sie in die Heimat berichten und der irischen Öffentlichkeit einen Eindruck davon verschaffen werden, in welch hohem Ansehen unsere Führung hier steht. Herr Präsident, es gibt eine Reihe von zentralen Punkten, anhand deren sich der Dubliner Gipfel und das Dublin vorbereitende Dokumente testen lassen. Ihr erster ist Transparenz. Was haben wir in dieser Hinsicht erreicht? Artikel 189b über die Mitentscheidung bei gemeinsamen Rechtsvorschriften, aber keine wirklichen Fortschritte! Was den Grundsatz der Nähe angeht, findet sich eine Aussage über den Ausbau des acquis communautaire . Keine einzige Entscheidung aber gibt es, der, was von Santer mehrfach für wünschenswert erklärt wurde, an die Mitgliedstaaten zurückfiele. Alsdann Demokratie: In einer Reihe von Bereichen, die wir noch nicht kennen, gibt es die Mitentscheidung, aber alles in allem weniger parlamentarische Demokratie, weil die EU mehr Befugnisse erhält. Beschäftigung: Es werden Fördermaßnahmen ergriffen, aber es wird kein einziger Arbeitsplatz als Ersatz für die geschaffen, die durch die Anpassung an die dritte Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion verlorengehen. Erweiterung: Hier besteht angeblich die Aussicht, daß einige wenige reiche mittel- und osteuropäische Staaten oder die reichsten von ihnen im Jahr 2005 werden beitreten können, keine Rede ist dagegen von einer alsbaldigen Erweiterung, an der alle beteiligt wären. Umwelt: Es werden hübsche Statements abgegeben, wirkliche Veränderungen aber bleiben aus, abgesehen davon, daß das Vorgehen des Gerichtshofs, der die Umweltgarantie für gesetzeswidrig erklärt und in eine Ausnahmeregelung verwandelt hat, in deren Gefolge die Kommission jede Abweichung in den Mitgliedstaaten anerkennen muß, jetzt in der Tat bestätigt worden ist. In Wirklichkeit handelt es sich also um Rückschritte. Bei den sechs von Dänemark angeführten zentralen Bereichen oder Punkten gibt es also keinerlei Fortschritte. Demgegenüber bekommen wir all das, was wir durchaus nicht haben wollten: Unionsbürgerschaft, Polizei, Streitkräfte, gemeinsame Währung, alles Machtmittel eines Bundesstaates, weswegen es Sie kaum überraschen wird, Herr Präsident, daß ich alledem nicht zustimmen kann. Herr Präsident, liebe Kollegen, ich möchte drei Fragen im Zusammenhang mit der Debatte von heute morgen aufwerfen. Ich finde nicht, daß die irische Präsidentschaft soviel Grund zu Selbstzufriedenheit hat. Die Währungspolitik, auf die sie so stolz ist, kommt uns ausgesprochen teuer zu stehen, und der Beschäftigungspakt stößt sich in dem durch die Währungsunion vorgeschriebenen engen Rahmen an den Marktkräften. Das wahre Problem, die Unterbewertung des Dollars, wird überhaupt nicht erwähnt. Auch was die Sicherheit betrifft, war von Erfolg die Rede. Ich stelle fest, daß 1950 auf französischem Grundgebiet 250 000 Verbrechen und Delikte stattfanden und sich ihre Zahl im Jahre 1995 auf 4, 5 Millionen belief. Die gleiche Entwicklung ist in den meisten europäischen Ländern zu finden, und auch in diesem Jahr konnte kein wesentlicher Rückgang verbucht werden. Der Präsident sagte soeben, eine gewisse Menge der Kriminalität und vor allem auch des Bedarfs an Rauschgift sei durch schlechte Lebensbedingungen zu erklären. Ich dagegen glaube, daß die schlechten Lebensbedingungen vielmehr auf diese Glamour-Kultur zurückzuführen sind, diesen kalten, frostigen Glanz, der das Bedürfnis nach menschlicher Wärme mißachtet, das Familienbande, religiöse und patriotische Gefühle erfüllen, Begriffe, die allzu sehr vernachlässigt werden. Herr Präsident, die Präsidentschaft der letzten sechs Monate, die im doppelten Sinne des Wortes in der Dublin II Konferenz gipfelte, war die eines kleinen Landes. Als Luxemburger freue ich mich über den Erfolg der irischen Präsidentschaft, denn es zeigt uns, wenn das überhaupt nötig ist, daß politisches Engagement für Europa weder von der Größe noch von der Einwohnerzahl eines Landes abhängt. Nebenbei erwähnt, freue ich mich auch darüber, daß Herr Bruton hier der Rolle des Luxemburger Premierministers bei dem Kompromiß über die Währungsunion in Dublin seine Anerkennung ausgesprochen hat. Der irische Erfolg sollte uns zeigen, daß das System der rotierenden Präsidentschaft immer noch ein gutes ist. Es gibt jedem Mitgliedstaat, ob klein oder groß, Gelegenheit, sein Engagement für Europa und seine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen, und das ungeachtet des Umfangs seiner Verwaltung. Ich glaube, daraus könnte man eine Lehre für die institutionellen Debatten im Rahmen der Regierungskonferenz ziehen. Herr Präsident, das europäische Aufbauwerk ist ein langsamer Prozeß, der Geduld erfordert. Man sollte Illusionen über qualitative Sprünge vermeiden. So hat der Gipfel von Dublin zum Beispiel keine Lösung im Bereich der Beschäftigung gebracht. Präsident Santers Vertrauenspakt für die Beschäftigung, den wir im Europäischen Parlament begrüßt haben, hat nicht die notwendigen politischen Impulse erhalten, und auch die Pläne der großen transeuropäischen Netze nicht, wie Herr Bruton uns in Erinnerung gebracht hat. Wir als Sozialisten halten weiterhin an der Überzeugung fest, daß die Beschäftigung das Kernstück der europäischen Zukunft darstellt. Dabei handelt es sich zweifellos, wie Herr Bruton sagte, um ein philosophisches Konzept, eine Entscheidung zugunsten einer Weltanschauung. Nicht der Profit wird die Rettung Europas sein, sondern Investitionen, Berufsausbildung, und ich stimme dem, was der irische Premierminister über ihre Bedeutung gesagt hat, zu. Umweltschutz und Sozialnormen werden Europas Rettung sein. Wir als Bürger verstehen nicht, wie der Kapitalismus, um ein so großes Wort zu benutzen, im Laufe des 20. Jahrhunderts im nationalen Rahmen sozusagen zivilisiert werden konnte, und warum das nicht auch in einem europäischen Rahmen möglich sein soll. Herr Präsident, die Beschäftigung, Sozialstandards, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt, all das bildet für uns Sozialisten ein unteilbares Ganzes. Zum Abschluß möchte ich den Bemühungen der irischen Präsidentschaft auf dem Gebiet der inneren Sicherheit noch besondere Anerkennung zollen. Wir als Sozialisten sind dafür, daß ein großer Teil dessen, was wir den dritten Pfeiler nennen, in den Gemeinschaftsbereich eingeht, und wir unterstützen die Bemühungen zukünftiger Präsidentschaften, der niederländischen und anschließend der luxemburgischen, in dieser Richtung. Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch ich möchte mich bei der irischen Ratspräsidentschaft bedanken. Sie, Herr Taoiseach, haben persönlich ein hohes Maß an Interesse und Initiative zum Erfolg der Präsidentschaft beigetragen. Aber ich möchte mich persönlich auch für die gute Zusammenarbeit bei Gay Mitchell und Noel Dorr bedanken, die gerade für das Europäische Parlament in ihrer Arbeits- und Regierungskonferenz wichtige Beiträge geleistet haben. Die irische Ratspräsidentschaft hat den Weg für das letzte halbe Jahr der Verhandlungen im Bereich der Regierungskonferenz geebnet. Die Einigung über die letzten noch zu lösenden Probleme im Bereich der Währungsunion hat jetzt die Köpfe frei gemacht, so daß man sich auf die Regierungskonferenz konzentrieren kann. Die Währungsunion ist der letzte Eckstein in der wirtschaftlichen Integration. Nun muß der Weg zu mehr politischer Integration beschritten werden. Ich bin der Auffassung, daß diese Währungsunion ein Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit Europas ist, ein Beitrag zu mehr Stabilität und auch ein Beitrag zur Schaffung von Arbeitsplätzen, und ich kann nicht sehen, Herr de Gaulle, daß diese Währungsunion zur Dominanz eines Landes führt, sondern diese Währungsunion teilt die Verantwortung zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union in einer sinnvollen Art und Weise auf und führt nicht zu einer Dominanz. Die irische Ratspräsidentschaft hat in ihrem Papier zur Regierungskonferenz aus der Sicht des Parlaments einen wichtigen Schritt vollzogen. Sie hat nämlich einen Vertragstext vorgelegt, wonach die Mitentscheidung die generelle Regel der legislativen Entscheidungsprozedur sein soll. Wir wollen hoffen, daß darüber unter der niederländischen Ratspräsidentschaft auf dieser Grundlage inhaltlich und methodisch verhandelt wird. Es ist in dem Papier auch gesagt worden, daß die qualifizierte Mehrheitsentscheidung, die wir brauchen, um die Handlungsfähigkeit und Erweiterungsfähigkeit der Union zu erreichen, ausgebaut werden soll. Deutschland und Frankreich haben in ihrem Brief den Vorschlag gemacht, daß dies auch die generelle Regel werden soll, von der es speziell aufgeführte Ausnahmen gibt, das heißt die Umkehrung des Prozesses. Wenn wir diese beiden Konzepte zusammenführen könnten, wäre das der Durchbruch der institutionellen Reform, die wir dringendst brauchen. Ich kann viele andere Dinge nicht mehr ansprechen, gerade auch die Leistungen hinsichtlich des Vorranges in der dritten Säule, im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik. Lassen Sie mich wegen der Kürze der Zeit nur noch zwei Punkte nennen. Wir müssen darauf achten, daß es nicht zu einer Entparlamentarisierung kommt - hier sitzen das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente in einem Boot - und daß es nicht zu einer neuen dritten Kammer kommt. Vor allen Dingen möchten wir feststellen, daß wir nur dann von einem Erfolg der Regierungskonferenz sprechen können, wenn das Europäische Parlament das volle Haushaltsrecht bekommt. Das wird für uns ein wesentlicher Punkt, wenn wir die Ergebnisse dieser Regierungskonferenz prüfen werden. Herr Präsident, die sechs Monate der irischen Präsidentschaft waren eine Zeit intensiver und fruchtbarer Arbeit. Der Europäische Rat in Dublin hat in positiver Weise die vier wichtigsten Prioritäten aufgezeigt, die die irische Präsidentschaft am Anfang ihrer Amtszeit gesetzt hat. Unsere Fraktion zollt dem Beifall und möchte die Abgeordneten nochmals daran erinnern. Einige Punkte möchte ich hier nennen: die Verabschiedung einer wichtigen Reihe von Maßnahmen im Bereich der Justiz und innere Angelegenheiten; die erzielten Fortschritte im Bereich der WWU, wie zum Beispiel die Verabschiedung der Struktur des neuen Wechselkursmechanismus; das Abkommen über den Rechtsrahmen für den Euro; die Verabschiedung der Grundsätze und wesentlichen Bestandteile des Stabilitäts- und Währungspakts, die die Haushaltsdisziplin in der WWU garantieren sollen; die wichtigen Ergebnisse zur Wachstums- und Beschäftigungsstrategie, die zu einer Erklärung über die Beschäftigungssituation als ein gemeinsames Programm geführt haben, in dem ein breites Spektrum von Maßnahmen auf einzelstaatlicher und Gemeinschaftsebene festgelegt wird, die synergetisch die makroökonomischen und Strukturpolitiken in den Beschäftigungs- und Wachstumsprogrammen der Mitgliedstaaten fördern sollen; auf Veranlassung des Europäischen Rates von Florenz die Veröffentlichung eines Rahmenentwurfs der Verträge, der sich auf die drei Hauptziele stützt, die Union den Bürgern näher zu bringen, die GASP zu stärken und auszuweiten, um die Kohärenz und die Wirksamkeit zu erhöhen, und im Hinblick auf die Ausweitung ein reibungsloses Funktionieren der Institutionen und der Effizienz des Entscheidungsfindungsprozesses zu garantieren. Dieses Dokument ist eine gesunde Grundlage für die nachfolgenden Verhandlungen und ermöglicht durch eine tiefergehende Prüfung des Gleichgewichts und des Kompromisses die Umsetzung der Ziele und Wünsche, die in den Vorworten enthalten sind, und somit den von der Regierungskonferenz festgesetzten Termin - den Juni 1997 - einzuhalten und einen neueren und moderneren Vertrag zur Union vorzulegen, der die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts und in erster Linie die künftige Ausweitung auf sich nehmen kann. Herr Präsident, der irischen Präsidentschaft gehören noch andere Verdienste, die ich jedoch aus Zeitgründen nicht aufzählen werde. Sie hat jetzt ihr Amt an die Niederlande weitergegeben. Wir sollten deshalb in diesen folgenden sechs Monaten alle gemeinsam einen fruchtbaren, klaren und kohärenten Beitrag zur Schaffung Europas leisten. Herr Präsident, aus Zeitmangel werde ich mich auf eine kurze und damit unvollständige politische Bewertung der Ministerkonferenz in Singapur beschränken. Es kann allgemein gesagt werden, daß die Bilanz dieser Konferenz positiv war. Die Welthandelsorganisation ist aus dieser Konferenz verstärkt hervorgegangen. Eines der großen Verdienste lag ohne Zweifel darin, daß ein multilaterales Abkommen über die Informationstechnologie zustande kam, dem Sektor der Gegenwart und der Zukunft, bei dem es heute bereits weltweit um ein Volumen von 400 Milliarden Dollar geht. Wichtig ist ohne Zweifel die Einrichtung einer Arbeitsgruppe für öffentliche Ausschreibungen. Dadurch wird es ermöglicht, daß weitere Vorschläge in den Bereichen Wettbewerb, Investitionen und Transparenz öffentlicher Ausschreibungen ausgearbeitet werden können. Leider müssen wir auch feststellen, daß bei Themen, die u. a. zu den von uns festgelegten Schwerpunktbereichen gehörten, keine oder nur geringe Fortschritte erzielt wurden. Im Umweltbereich ist festzustellen, daß überhaupt nichts erreicht wurde. Schlimmer noch, dieses Thema wurde so gut wie nicht zur Sprache gebracht. Bei den Sozialklauseln verhält es sich so, daß, wenn wir die von uns vertretenen Positionen als Ausgangspunkt nehmen, sehr wenig erreicht wurde. Unsere Bemühungen waren jedoch nicht völlig ergebnislos. Die Tatsache, daß die Sozialklausel und insbesondere der Verweis auf Mindestarbeitsnormen in das Schlußkommuniqué aufgenommen wurden, darf angesichts der sehr starken Opposition seitens der Entwicklungsländer als ein Sieg betrachtet werden. Auf institutioneller Ebene wird dadurch, daß das Europäische Parlament erstmals seit Entstehen des GATT vor Ort seine Vorschläge unterbreiten konnte, die Rolle, die wir bei der allgemeinen Beschlußfassung der Europäischen Union besitzen, verstärkt. Zutreffend bleibt allerdings, daß die Position des Parlaments auf einer solchen Konferenz nicht klar ist. Unter anderem hat das Parlament nicht die Möglichkeit, eine ernsthafte Kontrolle über die Kommission auszuüben. Dieser Aspekt verdient für die Zukunft unsere volle Aufmerksamkeit, insbesondere im Lichte der Überarbeitung der Verträge und der nächsten Konferenz der Welthandelsorganisation. Herr Präsident, der Gipfel von Dublin war ein weiterer Schritt hin zu einer Europäischen Union der Armut und der Arbeitslosigkeit. Die Repräsentanten der Mitgliedländer der Union haben die tiefe Enttäuschung, aber auch die enorme Empörung der europäischen Bürger ignoriert und den gegen die Völker gerichteten Stabilitätspakt gebilligt; ihnen waren die dramatischen Konsequenzen für das Geflecht der Produktivkräfte, die Beschäftigung und den sozialen Schutz in allen Ländern, vor allem aber in den ärmeren Ländern gleichgültig; sie beharrten auf der Durchsetzung der sogenannten Sanierungspolitiken, das heißt der rigiden einseitigen Sparpolitik, der weiteren Deregulierung des Arbeitsmarkts und der strengen haushaltspolitischen Anpassung an die Maastrichter Vorgaben, die das Wachstum abwürgt. Der Gipfel von Dublin trägt zur weiteren Militarisierung der Europäischen Union bei und schürt so die Ängste der Völker Europas, die für Frieden und sozialen Wohlstand, für die Beseitigung der Relikte des Kalten Krieges wie der NATO und der Westeuropäischen Union kämpfen, der Völker, die fordern, durch nationale und verbindliche Volksabstimmungen ihrer Meinung Geltung zu verschaffen und selbst über die Zukunft Europas zu bestimmen. Bezüglich der Erweiterung, Herr Präsident, möchte ich darauf verweisen, daß die sich abzeichnende Absicht der Präsidentschaft, über den eventuellen Beitritt Zyperns zur Europäischen Union nicht ausschließlich mit der legalen zyprischen Regierung zu verhandeln, mich äußerst besorgt stimmt, und diese meine Bedenken werden noch verstärkt durch das fortgesetzte Schweigen der institutionellen Organe der Europäischen Union zu den Drohungen türkischer Regierungsvertreter und Militärs, militärisch gegen Zypern vorzugehen, wenn dieses seine Verteidigungsmacht weiter ausbaut. Die Europäische Union muß die aggressive Haltung und diese Aktivitäten der Türkei unmißverständlich verurteilen. Herr Präsident, jeder weiß, daß die WTO eine wichtige Rolle bei der ordentlichen Regelung des internationalen Handels spielen soll. Somit stellt die Konferenz von Singapur einen unbestreitbaren Fortschritt dar, der dem Zweck dient, die Übereinkommen zu definieren, die zum Fortschritt der Menschheit beitragen sollen. Aber diese Konferenz hat sehr verschiedene Ansätze und Vorstellungen zum Vorschein gebracht, namentlich bei der Frage der Sozialstandards. Zu glauben, es reiche aus, wenn man dies Problem in einer Abschlußerklärung unterstreicht, und daß das genügt, um sein Gewissen zu beruhigen..., oder zu glauben, daß es ausreicht, dies Problem an die internationale Arbeitsorganisation weiterzureichen unter dem Vorwand, man dürfe den internationalen Handel und die sozialen Rechte nicht durcheinanderbringen, ist gelinde ausgedrückt nicht sehr seriös, besonders wenn man weiß, wie begrenzt die Eingriffsmöglichkeiten dieser Institution sind. Ein solches Verhalten ist für mich mit einer Flucht nach vorn zu vergleichen, die vor allem die politische Absicht gewisser Regierungen der Union verdeutlicht, die Frage der Sozialstandards bei der WTO zu ersticken. Ich urteile streng über eine Union, die nicht imstande war, eine geeinte Front zu bilden. In dieser Frage haben nicht alle ins gleiche Horn geblasen, was die Manöver gewisser Entwicklungsländer erleichtert hat. Ich urteile so streng über das, was die Union getan hat, weil sie Besseres hätte leisten können und müssen, damit im Rahmen der WTO eine Arbeitsgruppe zum Thema Sozialstandards gegründet wurde. Herr Präsident, ich bin mir klar, daß es kein leichtes ist, bei so schwierigen Konferenzen wie der von Singapur den besten Kompromiß zustande zu bringen, aber ich finde es doch schockierend und selbst schmerzlich, daß die Industrienationen imstande waren, die Informationstechniken, Whisky und Kognak gegen die Ausbeutung - zuweilen bis hin zu ihrem Tod - von Millionen Kindern durch die Arbeit einzutauschen, wo doch die Zahl der Opfer laufend weiter steigt, wie die ILO selbst zugibt. Sie werden meine Reaktion, bei der es darum geht, daß der Mensch mehr gilt als finanzieller Gewinn, verstehen, diese Reaktion, die auch den demokratischen, solidarischen und humanistischen Werten treu ist. Ich hoffe von ganzem Herzen, daß die Union kräftige Schritte gegen jegliche Mißachtung der Menschenrechte bei der Arbeit einleitet, und daß sie nicht zögert, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, wenn eindeutige Fälle von Verstoß gegen diese Rechte bekannt werden, wie in Birma und anderswo. So bieten sich uns zwei Möglichkeiten: Entweder es gelingt uns, soziale Normen bei der WTO einzuführen, oder wir werden es mit zahlreichen sozialen Unruhen in Ländern zu tun bekommen, die als politisch und sozial stabil gelten. Was jetzt in Südkorea geschieht, sollte uns eine ernste Warnung sein. Herr Präsident! Der irische Vorschlag beinhaltet Themen von größter Wichtigkeit. Das wurde schon vielfach diskutiert, und ich möchte Wiederholungen vermeiden. Wer sollte den skizzierten Programmen, etwa in den Fragen der Grundrechte, der Freizügigkeit, der Stärkung der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und der verstärkten Verbrechensbekämpfung grundsätzlich nicht zustimmen? Auch die Bürger, die uns unser Mandat erteilt haben - und um einer Nachfrage von Herrn Brok zuvorzukommen, das ist ein Drittel der österreichischen Wähler -, auch diese Bürger wissen um die Bedeutung all dieser Werte und daß an deren Erhaltung und Verbesserung ständig gearbeitet werden muß. Sie wissen aber auch, daß zu den im Papier näher erörterten grundlegenden Fragen weitgehender Konsens unter den Mitgliedstaaten und ihren Vertretern besteht. Was Sie nicht wissen, ist, was die Regierungskonferenz aus dem Vertrag insgesamt machen wird, d.h., inwieweit sich dieser Vertrag danach von jenem unterscheiden wird, dem sie ihre Zustimmung erteilt haben. Wir bedauern daher, daß, wie wir vielfach gehört haben, aus taktischen Erwägungen für die Zukunft Europas wichtige materielle, vor allem aber auch institutionelle Fragen ungelöst geblieben sind und deren Behandlung hinausgeschoben wurde. Wir glauben nicht, daß wir der Besorgnis der Bürger vor der zukünftigen Entwicklung entgegenwirken und die propagierte Transparenz erreichen, wenn wir sie im Ungewissen lassen. Eher wird ihre Sorge vor einem zunehmenden Zentralismus dadurch verstärkt sowie auch durch Äußerungen wie die unseres Kommissars Fischler in einer österreichischen Tageszeitung, daß er eine Einbindung des Europäischen Parlaments in die Entscheidung über sein Budget schlichtweg ablehne. Sorgen in diese Richtung lösen aber auch die geplante Erweiterung der Mehrheitsentscheidung und der Umstand aus, daß der Vorsitz in seinen Schlußfolgerungen zu Dublin II vorschlägt, die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Verwendung des Euro auf Artikel 235 EGV zu stützen, wie das in zunehmendem Maße wahrzunehmen und in einer Studie des Herrn Bandet auch nachgewiesen ist, und womit die Neigung der Gemeinschaft dokumentiert wird, ungeachtet des formalen Bekenntnisses zur Subsidiarität, auf fragwürdiger Rechtsgrundlage jene Kompetenz für sich in Anspruch zu nehmen, die ihr nach unserer Auffassung nicht zukommt. Herr Präsident, auch ich möchte der irischen Präsidentschaft ganz herzlich zu der Erfüllung einer Aufgabe gratulieren, die sie zu einem schwierigen Zeitpunkt in der Geschichte der Union übernommen und zu einem guten Abschluß geführt hat. Dank ihrer Arbeit konnten einige Leitlinien festgelegt werden, die die Grundlagen sein können, auf denen in der abschließenden Verhandlungsphase die Regierungskonferenz aufbaut, auf die ich mich als Vorsitzender des Institutionellen Ausschusses dieses Parlamentes beschränken möchte. Das Parlament hat zur Konferenz und zu den Institutionen in zwei Berichten, aus denen Entschließungsanträge wurden, eindeutig Stellung bezogen: dem Bericht Martin - Bourlanges und dem Bericht Dury - Maij-Weggen. Die Kollegen im Parlament kennen sie, und auf sie berufe ich mich. Die vom Gipfel in Dublin verabschiedeten Leitlinien zeichnen den Weg für diese letzte Verhandlungsphase vor. In Anbetracht des Wunsches des Parlaments, der Regierungskonferenz bei der Lösung ihrer Aufgabe behilflich zu sein, müssen wir jedoch auf einige Schwächen, einige Unklarheiten und einige Lücken in diesem Dokument hinweisen. Eine Schwachstelle ist beispielsweise die Erweiterung des Mitentscheidungsverfahrens. Die Regierungskonferenz ist hier zwar auf dem richtigen Weg, doch ist bisher nur wenig entschieden und festgezurrt worden. Die Frage der Mehrheiten im Rat ist noch nicht angegangen worden, obwohl es sich sowohl in der augenblicklichen Situation der Union wie auch, in noch stärkerem Maße, bei Erweiterungen um ein zentrales Thema handelt. Ebensowenig hat es bisher deutliche Fortschritte bei der Verbesserung der Beschäftigungslage gegeben, einem Thema, das eine offene Wunde der modernen Gesellschaft und ganz ohne Zweifel auch der Union ist. Ferner sind Lücken, allzu schüchternes Vorgehen und Unklarheiten festzustellen. So wird zum Beispiel die Außenpolitik mit ihren Instrumenten nur zaghaft umrissen, und auch die Rolle der Kommission in diesem ZUsammenhang wird nicht ganz klar. Es gibt auch keine klaren Definitionen für die GASP. Auch bei der Unionsbürgerschaft fehlen die so wichtigen Definitionen; statt dessen werden Andeutungen gemacht. Unklarheiten bestehen bezüglich der verstärkten Zusammenarbeit und der Flexibilität, also zweier Konzepte, die nicht nur eine Union mit 15, sondern eine Union mit mehr als zwanzig Mitgliedern möglich machen werden. Es bleibt zu hoffen, daß in diesem letzten Halbjahr, dem niederländischem Halbjahr, intensiv daran gearbeitet und derartige Unklarheiten beseitigt werden. Schließlich findet sich auch keine eindeutige Aussage zu den Beziehungen zwischen den nationalen Parlamenten und dem Europäischen Parlament in diesen Leitlinien des irischen Vorsitzes, denen wir trotzdem große Bedeutung beimessen und zu denen wir die irische Präsidentschaft noch einmal beglückwünschen. Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte noch einige Worte zur SingapurKonferenz hinzufügen. Ich stelle immer wieder mit einer gewissen Überraschung fest, wie es uns im Europäischen Parlament gelingt, bei einer großen Konferenz wie Dublin und einer erfolgreichen Konferenz wie Singapur weniger den Erfolg zu würdigen als ihn durch überzogene Forderungen herabzusetzen. Wir müssen doch als Europäisches Parlament auch einmal in der Lage sein, positive Ergebnisse zu würdigen, damit die Menschen draußen, wenn sie uns zuhören, sehen, daß es vorangeht, anstatt immer die ganze negative Skala zu verwenden. Wem nutzt das, und wenn die einzelnen Redner dann hinterher einmal feststellen, wer ihnen dafür dankt, werden sie auch feststellen: höchstens sie sich selber, und das noch nicht einmal zu Recht. Wir haben miteinander eine Konferenz in Singapur erlebt, gegenüber der von vornherein große Skepsis herrschte. Es war eine erste Überprüfungskonferenz, auf der 150 Länder im Konsensverfahren Beschlüsse faßten. Die 15 Länder der Europäischen Union, vertreten durch die Stimme des Rates und vor allen Dingen der Kommission, konnten nichts ausrichten, wenn ein Land, sei es Albanien oder ein anderes, sagte: Nein, das will ich nicht. Unter diesen Umständen ist diese Konferenz ein wesentlicher positiver Meilenstein im Hinblick auf die weitere Entwicklung der WTO gewesen. Dieses möchte ich hier feststellen, und außerdem möchte ich dem Rat sagen: Ich freue mich, daß es funktioniert hat, daß wir mit einer Stimme in Singapur aufgetreten sind. Das war das Verdienst von Sir Leon Brittan, dem ich besonders herzlichen Dank sagen möchte für sein engagiertes Auftreten in engem Kontakt mit immerhin 15 verschiedenen Ministern, die sich der Tatsache untergeordnet haben, daß sie der Kommission die Stimme überlassen haben. Ich finde auch, daß wir - soweit es möglich war - als Parlament dort gut integriert waren. Wir sind dorthin gefahren, um teilzunehmen, und dies sollten wir auch in Zukunft fortsetzen. Ich bin grundsätzlich dafür dankbar, auch wenn Parlamente nie all das erreichen, was sie sich wünschen. Große Zufriedenheit müssen wir auch im Hinblick auf die Ergebnisse empfinden. Der Abschluß eines Abkommens über Informationstechniken mit einer Weichenstellung für eine zukünftige Regelung in der Telekommunikation ist ein historisches Ereignis im Hinblick auf die Fortentwicklung des Welthandels. Es wird zu Wohlstand beitragen, den freien Handel fördern, und wir alle können das außerordentlich positiv sehen, sollten das aber auch erwähnen. Abschließend folgendes: Natürlich sind die Schwellen- und die Entwicklungsländer in einer außerordentlich schwierigen Situation. Jeden Tag lesen wir, was es für Unruhen gibt in diesen Ländern, wie die soziale Armut dort zunimmt, und daß dort die Sorge besteht, daß wir durch Umweltstandards, Sozialstandards ihre Wettbewerbsfähigkeit schmälern wollen, ist verständlich. Es bedarf einer Mund-zu-Mund-Beatmung, eines wirklich täglichen Versuchs, diese Länder zu überzeugen, daß es in ihrem eigenen Interesse liegt, daß wir miteinander vorankommen. Singapur war eine erfolgreiche Konferenz. Wir können als Europäische Union stolz sein, daß wir dabei waren, und ich kann nur sagen: Weiter in dieser Entwicklung, dann werden wir unser Ziel eines freien Welthandels auch langfristig erreichen. Herr Präsident! Auch ich möchte mich zu Singapur äußern, und nach meiner Ansicht hätten wir über dieses wichtige Thema eine gesonderte Aussprache durchführen sollen. Ich möchte insbesondere auf China und Taiwan eingehen. China hätte Grund zur Klage, wenn nach erfolgreich verlaufenen Wirtschaftsverhandlungen politische Einwände gegen seinen Beitritt erhoben würden. Dieselbe Logik muß für Taiwan gelten. Die Wirtschaftsverhandlungen über den Beitritt Taiwans zur WTO könnten leicht abgeschlossen werden, möglicherweise innerhalb von Wochen. So sollte es geschehen. Taiwan, einer bedeutenden Handelsmacht und wichtigen Demokratie, sollte der Beitritt ermöglicht werden. Es bekommt den Handelsabkommen der Welt nicht gut, wenn die Republik China weiterhin ausgeschlossen bleibt, weil die Volksrepublik China dies verlangt. Der Unterschied zwischen "Republik" und "Volksrepublik" ist in diesem Fall wie der Unterschied zwischen einer Jacke und einer Zwangsjacke. Selbstverständlich muß auch die Volksrepublik dazugehören - sobald bestimmte Grundvoraussetzungen erfüllt sind. Dadurch würde die WTO gestärkt, und die Reformen in China erhielten Auftrieb. Mit der neuen China-Politik von Präsident Clinton sind die Positionen der USA und Europas einander viel näher. Wir in der ELDR-Fraktion fordern unsere Unterhändler nachdrücklich auf, ihre Bemühungen zu verdoppeln, um eine Lösung für diese Probleme zu erreichen. Wenn sie in Singapur nicht erörtert wurden, möchten wir wissen, warum nicht. Herr Präsident, erst Dublin, dann Singapur liegen hinter uns. In Dublin ist der Pakt für Haushaltseinsparungen verabschiedet worden. Nach einem halben Jahrhundert des Keynesianismus hat man uns erklärt, Reichtum sei die Folge des Märchens von der Haushaltsausgewogenheit. Ich habe alle statistischen Serien der amerikanischen öffentlichen Haushalte des 19. Jahrhunderts und die der europäischen Finanzen durchforstet und bin dabei auf keinen einzigen ausgeglichenen Haushalt gestoßen. Es stimmt, daß ein Stabilitätspakt mit Strafrecht im Haushaltsbereich verabschiedet worden ist, der Sanktionen für Völker zuläßt, die im Zustand haushaltsmäßiger Trunkenheit verfahren. Außerdem haben wir die uns für 1999 zugesagte Einheitswährung und eine Sozialklausel in Form einer Skizze, als ob das Land des Adam Smith, der für die Misere der Nationen überall verantwortlich war, in einem Atemzug zum Ultraliberalismus zurückkehren und von Sozialem sprechen könne. Zum Glück gab es Singapur. In Singapur konnte ganz offensichtlich eine Katastrophe vermieden werden, denn die Frage der Landwirtschaft sollte wieder auf den Tisch kommen. Das ist nicht passiert. Aber, Herr Santer, fangen wir nur nicht wieder mit Punta del Este an! Die Vereinigten Staaten haben das Fair-Gesetz angenommen. Sie haben im April 1996 die Produktion von den Beihilfen getrennt und machen sich jetzt zu einem Kraftakt im Hinblick auf die Wiederaufnahme der Verhandlungen Ende des Jahres 2000 bereit. Verlieren wir keine Zeit, Herr Santer! Es stimmt, Herr Ratspräsident, daß Sie uns gesagt haben, es sei ein Raum der Weltanschauung geschaffen worden. Das war der große Beitrag von Dublin. Aber ich möchte Sie dennoch daran erinnern, daß Descartes in Frankreich zur Welt kam, in den Niederlanden veröffentlicht wurde, und daß er nach Schweden ging, um zu sterben. Auch er hatte mit Spinoza einen philosophischen Raum erfunden, vor Dublin. Herr Präsident! Ich möchte die irische Präsidentschaft und vor allem den Premierminister und den irischen Finanzminister zu den Fortschritten beglückwünschen, die bei der Wirtschaftsund Währungsunion erzielt wurden. Meiner Ansicht nach wird der Dezember 1996 als Wasserscheide für den gesamten Prozeß der Wirtschafts- und Währungsunion betrachtet werden. Dies war der Wendepunkt, an dem die Wirtschafts- und Währungsunion von einem bloßen Bestreben der Europäischen Union zu einer echten Wirklichkeit wurde. Er wird einmal als wichtiger Punkt in der Geschichte Europas gelten. Ich möchte mich jetzt aber dem Stabilitäts- und Wachstumspakt zuwenden. Vergessen wir nicht, daß er Stabilitätsund Wachstumspakt heißt. Es ist von größter Bedeutung, daß die in Dublin erzielte Einigung so umgesetzt wird, wie sie schriftlich festgehalten wurde. Ich hoffe, daß alle, die diese Einigung über den Stabilitäts- und Wachstumspakt unterschrieben haben, ihn in der Form einhalten werden, wie er schriftlich verankert wurde, und daß es keine Verzögerungstaktik von seiten der Mitglieder des Währungsausschusses oder der Zentralbankiers noch gar von seiten bestimmter Finanzminister aus den großen Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit dem Ziel geben wird, den in Dublin erreichten Kompromiß über den Pakt zu untergraben. Sollte irgendwann der Versuch unternommen werden, diese Vereinbarung zu ändern und sie weniger strikt zu gestalten, wird dieses Parlament dies aufs schärfste verurteilen. Es ist wichtig, daß der irische Premierminister und die nun beginnende niederländische Präsidentschaft diese Vereinbarung einhalten. Zweitens möchte ich auf eine Bemerkung des irischen Premierministers, Herrn Bruton, über die Rolle der Regierung bei der Schaffung von Arbeitsplätzen und der Belebung der Wirtschaft eingehen. Angesichts der ausgezeichneten Partnerschaft zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor in Irland, wenn es darum geht, die sehr hohen Wachstumsraten der letzten Jahre in Irland in vollem Ausmaß zu verwirklichen, hat mich die Aussage des Premierministers, in einer Marktwirtschaft gebe es nur wenig Handlungsspielraum für die Regierung, arg enttäuscht. Dem Multiplikatoreffekt der öffentlichen Investitionen kommt für die Belebung des Wachstums und der Beschäftigung eine ganz wesentliche Rolle zu. Wenn Sie sich einmal die irische Wirtschaft anschauen, Herr Premierminister, so stellen Sie fest, daß die öffentlichen Investitionen in Ihrer eigenen Wirtschaft für die Wachstumsraten, die Sie in den letzten Jahren erzielt haben, von ganz und gar entscheidender Bedeutung waren. Aus diesem Grunde brauchen wir eine konzertierte Aktion auf europäischer Ebene: eine gemeinsame Wirtschaftspolitik, vor allem auf dem Gebiet der öffentlichen Investitionen, damit wir die Wachstumsraten hochschnellen lassen und das Problem der Arbeitslosigkeit angehen können. Mein letzter Punkt bezieht sich auf die zentralisierte Währungspolitik, die wir derzeit betreiben, und auf unser Handeln in der Wirtschaftspolitik. Meine Bemerkung richtet sich an Präsident Santer und an den irischen Premierminister. Im Verlauf des Jahres 1997 ist es von absolut wesentlicher Bedeutung, daß sich der Rat, die Kommission und dieses Parlament bemühen, einen Mechanismus als Gegengewicht zu der zentralisierten Währungsautorität der Europäischen Zentralbank zu schaffen, damit es in der Europäischen Union in irgendeiner Form eine wirtschaftspolitische Kontrolle gibt. Dadurch wird der Wirtschafts- und Finanzausschuß der Finanzminister aufgewertet, die Rolle der Europäischen Kommission wird gestärkt, und das Europäische Parlament erhält eine stärkere Aufsichtsbefugnis. Darin muß unser Ziel für 1997 bestehen. Ich hoffe, daß die Kommission und der Rat entsprechende Vorschläge unterbreiten werden. Herr Präsident! Wie so viele meiner Vorredner möchte ich die irische Präsidentschaft zu ihrer erfolgreichen Amtszeit beglückwünschen und hinzufügen, daß der Erfolg kleinerer Länder, die nur über begrenzte Mittel verfügen, um so größere Anerkennung verdient. Ich möchte Herrn Bruton, dem Taioseach , Herrn Spring, dem Tánaiste , und Herrn Mitchell meine Anerkennung aussprechen, die allesamt sehr hart gearbeitet und in höchstem Maße zu diesem Erfolg beigetragen haben. Ich möchte heute auch die Tatsache würdigen, daß sich Herr Bruton nicht nur in seiner Amtszeit als amtierender Ratspräsident dem europäischen Ideal verschrieben hatte. Er hat sich die ganze Zeit für das europäische Ideal eingesetzt und sich als hart arbeitender und gut informierter Befürworter der Europäischen Union hervorgetan. Es ist besonders wichtig, dies gerade jetzt festzustellen. In seiner Neujahrsbotschaft, die er in seinem eigenen Land an sein eigenes Volk richtete, nannte er als eines seiner drei Ziele, auf die Schaffung eines föderalen Europas hinzuarbeiten. Für uns ist es hier innerhalb der Institutionen leichter, sich für diese Dinge einzusetzen; von uns wird dies geradezu erwartet. In den unmittelbar vor uns liegenden Jahren müssen wir drei wichtige Aufgaben erledigen. Ich meine damit die Regierungskonferenz, die einheitliche Währung und die Erweiterung. Einige dieser Dinge, vor allem die Erweiterung, werden sich nicht erreichen lassen, ohne daß die Menschen, die jetzt in der Europäischen Union sind, Opfer bringen. Wenn wir in diesem Bereich Erfolg haben wollen, kann uns dies nicht dadurch gelingen, daß wir Vereinbarungen zwischen unseren eigenen Institutionen - dem Rat, dem Parlament und der Kommission - treffen. Wir müssen die Öffentlichkeit in den Einzelstaaten für unsere Sache gewinnen. Den nationalen und regionalen Parlamenten kommt eine sehr wichtige Rolle zu. Deshalb gilt meine ganze Hochachtung der Arbeit, die der derzeitige irische Premierminister, Herr Bruton, schon seit langen Jahren im Dienste des europäischen Ideals im irischen Kontext leistet und bei der er von Herrn Mitchell so trefflich unterstützt wird. Ich möchte kurz etwas zu der Bemerkung von Frau McKenna sagen, daß die Europäische Währungsunion eine schlechte Sache sei und daß sich Irland nicht daran beteiligen solle. Sie begründete dies mit den Handelsströmen zwischen Irland und dem Vereinigten Königreich sowie dem übrigen Europa. Sie hat dabei längst überholte Zahlen verwendet. Heute exportieren wir 40 % unserer Güter in die Kernländer der Europäischen Union und 28, 5 % nach Großbritannien. Ich möchte sie daran erinnern, daß wir in den 170 Jahren der Währungsunion mit Großbritannien geringere Fortschritte gemacht haben als in den 17 Jahren der Währungsvereinbarungen mit den Ländern der Europäischen Union. Herr Präsident, ich hoffe, daß Sie es mir nicht übelnehmen werden, doch werden die Ergebnisse der irischen Präsidentschaft und des Gipfels in Dublin von mir vor allem daraufhin bewertet, inwieweit sie für die niederländische Präsidentschaft einen Ausgangspunkt bilden, insbesondere, was das Thema Arbeitslosigkeit betrifft. Ohne der irischen Präsidentschaft daraus einen Vorwurf machen zu wollen, möchte ich doch feststellen, daß über diesen Themen so viel Nebel lagert, daß nicht gesagt werden kann, es sei nun genügend Klarheit geschaffen worden, so daß bei der niederländischen Präsidentschaft nichts mehr schiefgehen könne. Unsere Absicht bei der Schaffung dieses Beschäftigungskapitels bestand darin, daß auf jeden Fall zwischen der Währungspolitik einerseits und der Politik im Hinblick auf wirtschaftliches Wachstum, Schaffung von Arbeitsplätzen und Zusammenhalt in der Gemeinschaft andererseits ein Gleichgewicht hergestellt werden sollte. Wenn wir das Ergebnis Ihrer Präsidentschaft betrachten, so ist jedenfalls festzustellen, daß in dem Entwurf eines Vertrags ein solches Gleichgewicht nicht besteht. Gemäß dem unterbreiteten Vorschlag muß die Beschäftigungspolitik mit den wirtschaftspolitischen Leitlinien im Einklang stehen; das ist das Einzige, was darüber gesagt wird, doch muß auch der umgekehrte Fall gelten. Genau um diesen Punkt geht es jetzt. Es kann nicht ausschließlich eine Wirtschafts- und Währungspolitik weiterbetrieben werden, wenn nicht gleichzeitig die Auswirkungen mitberücksichtigt werden, die sich für die Beschäftigung ergeben, und zwar nicht nur für die Menschen, die bereits einen Arbeitsplatz besitzen, sondern für die vielen Millionen, die außerhalb des Arbeitsprozesses stehen und die trotz der Finanzoperationen der letzten Jahre noch immer keine Beschäftigung gefunden haben. Ich hoffe, daß eine solche Tatsache jetzt einmal klarer bis zu den Gipfelgesprächen durchdringt. Es gibt also noch eine Menge zu tun, vor allem weil der Vorschlag der niederländischen Präsidentschaft praktisch an demselben Übel leidet. Die Aufnahme des Essener Verfahrens in den Vertrag, wie dies nun offensichtlich beabsichtigt wird, ist völlig unzureichend. Zudem sind ein Zeitplan, konkrete Ziele sowie Indikatoren erforderlich. Erst dann wird es uns möglich sein, den Erklärungen ihren unverbindlichen Charakter zu nehmen. Abschließend möchte ich noch etwas zu den einleitenden Bemerkungen von Herrn Bruton sagen, der sich in starkem Maße für mehr Aus- und Fortbildung aussprach. Zunächst handelt es sich hier um eine vernünftige Forderung, sei es auch nur deswegen, weil die Mitgliedstaaten ihre Ausgaben für Aus- und Fortbildung in den letzten Jahren drastisch gekürzt haben. Das hat übrigens auch viel mit der WWU sowie jetzt mit dem Stabilitätspakt zu tun. Es sei mir jedoch gestattet, einen wissenschaftlichen Bericht anzuführen, der gestern in meinem Land veröffentlicht wurde, und in dem darauf hingewiesen wird, was Aus- und Fortbildung auch für die sogenannte employability bedeutet: es wird dadurch kein einziger Arbeitsplatz geschaffen. Ich zitiere an dieser Stelle Frau Papandreou - eines der vorhergehenden Kommissionsmitglieder -, die hier in diesem Hause sagte: Es gibt heute in Europa Menschen, die bereits sechs- bis siebenmal aus- und fortgebildet wurden und die noch immer auf einen Arbeitsplatz warten. Diese Tatsache wird ständig negiert; es wird ständig die Ansicht vertreten, durch Aus- und Fortbildung, durch wirtschaftliche Stabilität würden automatisch Arbeitsplätze geschaffen. Ohne eine auf die konkrete Schaffung von Arbeitsplätzen ausgerichtete flankierende Politik ist dies jedoch Unsinn. Ich möchte, daß sich der Stabilitätspakt von Herrn Santer in erster Linie hierauf konzentriert. Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich wende mich dem dritten Pfeiler zu, den Ergebnissen, die Dublin diesbezüglich bisher gezeitigt hat, und den Erwartungen, die wir für die Regierungskonferenz haben. Unser wichtigstes Vorhaben in diesem Bereich ist Europol. Im Maastrichter Vertrag war alles bereits verabredet, wurde dann in langwierigen Verhandlungen über die Konvention verschleppt, und ist nun in den Ratifizierungsverfahren der nationalen Parlamente stecken geblieben. Es ist ein Skandal, daß Europol noch nicht arbeitet. Die nationalen Parlamente sind jetzt aufgefordert, das ihre zu tun, damit Europol die Möglichkeit zur Arbeit gegeben wird. Zweiter Punkt: Es verbreitet sich die Überzeugung, daß Europol mindestens mittelfristig eigene Handlungsfähigkeit benötigt. Nicht um nationale Polizeien auszuhebeln, aber um optimale Verhandlungsmöglichkeiten zu haben; nicht als europäisches FBI, aber wohl als eine europäische Polizeibehörde, die für bestimmte schwerwiegende Verbrechen zuständig ist, die europäische Dimensionen aufweisen. Dieser Weg - von diesem Parlament übrigens bereits vorgezeichnet - muß von der Regierungskonferenz eingeschlagen werden. Dritter Punkt: Wir alle fordern die Vergemeinschaftung wesentlicher Teile des dritten Pfeilers. Dabei geht es vor allem um Asyl und Zuwanderung. Dies ist richtig. Wenn die Grenzen in Europa fallen, werden wir nur mit einem gemeinschaftlichen Asylrecht Erfolg haben. Wenn wir aber dieser Meinung sind, dann müssen wir uns jetzt die Mühe machen, ein gemeinsames Asylrecht auszuarbeiten. Ein materiell gemeinsames Asylrecht ist also die dritte Forderung, die sich als Konsequenz aus Dublin ergibt. Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich teile die Auffassung des Kollegen Nassauer nicht immer, aber heute muß ich ihm in vollem Umfang zustimmen. Denn in der Tat ist es eines der beschämendsten Ergebnisse des Dubliner Gipfels - und das liegt nach meinem Dafürhalten nicht an der irischen Ratspräsidentschaft, sondern an der Blockadehaltung einiger Mitgliedsregierungen - daß Europol zwar immer groß angekündigt wird als die Organisation, die demnächst die organisierte Kriminalität in Europa effizient bekämpfen könne. Tatsächlich ist es aber so, daß bei Europol außer vollmundigen Ankündigungen nichts herauskommt. Europol sollte das Allheilmittel zur Bekämpfung der Drogenkriminalität sein. Bekämpft Europol denn die Drogenkriminalität? Nein! Europol sollte das Allheilmittel zur Bekämpfung der Nuklearkriminalität sein, ein Thema, das übrigens völlig aus der öffentlichen Diskussion verschwunden ist. Gibt es eigentlich keinen Nuklearschmuggel mehr in Europa? Wahrscheinlich nicht, denn die Bundestagswahl in Deutschland ist ja vorbei. Europol sollte ein Mittel sein, um den sexuellen Mißbrauch von Kindern zu bekämpfen, wurde auf dem letzten Gipfel in Dublin gesagt. Es wäre übrigens dringend erforderlich, daß dort gehandelt wird. Aber gehandelt wird nicht. Wir wissen in diesem Parlament seit geraumer Zeit, daß in den Mitgliedstaaten die nationalen Souveränitätsvorbehalte - um die geht es nämlich letztendlich - wichtiger sind als eine effiziente europäische Kriminalitätsbekämpfung. Wir haben in unserer Fraktion keine Hoffnung, daß sich im Ministerrat oder in den Mitgliedsregierungen die Haltung ändert. Wir setzen auf Sie, Herr Kommissionspräsident! Es wäre an Ihnen, Initiativen zu ergreifen, z.B. indem Sie einmal exemplarisch die Mitgliedstaaten auffordern, Ihren Kommissionsdienststellen, die im dritten Pfeiler tätig sind, die operationellen Mittel zur Verfügung zu stellen, damit wenigstens sie effizient arbeiten können. Ich denke an die UCLAF, die Betrugsbekämpfungseinheit, die viel stärker aktiv werden könnte gegen die organisierte Kriminalität. Wenn die Kommission, statt immer nur abzufeiern, was auf den Gipfeln angeblich beschlossen wird, in Wirklichkeit aber nicht beschlossen worden ist, sich entschließen könnte, die Mitgliedsregierungen einmal zu fordern und zu sagen: Geht endlich mal die Bekämpfung der organisierten Kriminalität nicht mit Worten, sondern mit Taten an, dann könnten Sie, Herr Santer, unseres Beifalls sicher sein. Aber den haben Sie nicht, wenn Sie immer solche Erklärungen abgeben, wo Sie sagen, was alles beschlossen worden ist, aber dann nicht in die Tat umgesetzt wird. Haben Sie mehr Mut, dann ist das Parlament auf Ihrer Seite. Herr Präsident! Die Republik Irland gehört nicht zu den größten Mitgliedstaaten der Europäischen Union, was die Fläche betrifft, aber sie gehört zu den größten, was ihre Erfolge betrifft. Hohes Engagement, Fähigkeit und die vitalen Anstöße der Ratspräsidentschaft der Regierung John Bruton sind allen Respekt wert. Sie haben Brücken des Verständnisses gebaut, konkrete Ergebnisse eingefordert, statt nur die üblichen wortreichen aber inhaltsarmen Erklärungen abzugeben. Ist dieses "Doping" durch Dublin auch in dem Bereich erfolgt, der oberste Priorität hat, nämlich im Kampf gegen die über 18-millionenfache Arbeitslosigkeit? Es ist gelungen, das Bewußtsein der Mitgliedstaaten weiter zu schärfen, Maßnahmen zu bündeln, um Wirkung zu erzielen. Dazu gehören: erstens, die spezielle Unterstützung der Problemzielgruppen Langzeitarbeitslose, arbeitslose Frauen und Jugendliche, auch durch Beschäftigungsinitiativen auf lokaler und regionaler Ebene; zweitens, die deutliche Steigerung der Qualität in der Aus- und Fortbildung, um fit zu sein für den internationalen Wettbewerb und sehr viel flexibler und mobiler; drittens, die Umsetzung der vereinbarten Programme für die kleinen und mittelständischen Unternehmen, deren gesunde Strukturen und Innovationsfähigkeit neue Arbeitsplätze schaffen werden. Freilich stehen wir erst am Anfang des notwendigen Abbaus administrativer und steuerlicher Hürden. Und noch eines: Der Vertrauenspakt von Jacques Santer hat immer mehr Unterstützung gefunden. Das Aufeinanderzugehen der Mitgliedstaaten, erfolgreich erprobt vor zwei Jahren in Essen, jetzt dokumentiert in der Erklärung von Dublin, ist der beste Weg zu mehr gemeinsamer Verantwortung, Koordination und Kooperation auf europäischer Ebene. Einem künftigen Beschäftigungskapitel im Vertrag, das Substanz hat, steht immer weniger entgegen. Herr Präsident! In den zwei Minuten meiner Redezeit möchte ich mich kurz auf einen Aspekt des Ergebnisses der WTO-Konferenz in Singapur konzentrieren, und zwar auf die Frage der Einhaltung international anerkannter arbeitsrechtlicher Mindestnormen im Rahmen von Welthandelsabkommen. In diesem Zusammenhang möchte ich dem irischen Handelsminister Enda Kenny meine Anerkennung für seine tatkräftigen Bemühungen aussprechen, in dieser Angelegenheit eine im Zeichen des positiven Konsenses stehende Position der Union in Singapur herbeizuführen. Es war keine einfache Aufgabe, nahmen doch einige unserer eigenen Mitgliedstaaten, nicht zuletzt das Vereinigte Königreich, eine ablehnende Haltung gegenüber der bloßen Erwähnung von arbeitsrechtlichen Mindestnormen in der Schlußerklärung ein. Manche werden über den Abschnitt in der Schlußerklärung, der die Arbeitsnormen betrifft, enttäuscht sein, weil darin im Grunde nur die Verpflichtung bekräftigt wird, daß derartige Normen grundsätzlich ihre Berechtigung haben, die Rolle der ILO unterstrichen und die Notwendigkeit einer weiteren Zusammenarbeit zwischen den Sekretariaten der ILO und der WTO in dieser Angelegenheit festgestellt werden. Das Thema hat innerhalb des WTO-Rahmens nicht den Rang einer operationellen Angelegenheit, und in dieser Hinsicht teile ich die Enttäuschung von Herrn Sainjon. Aber als Teilnehmer der Konferenz in Singapur, wo ich die Feindseligkeit einer Reihe von entwickelten wie auch von Entwicklungsländern gegen die bloße Erwähnung dieser Dinge hautnah erleben konnte, bin ich nicht so sehr enttäuscht, sondern teile die Auffassung von Willy De Clercq, unserem Delegationsleiter dort, der meinte, die Tatsache, daß dieses Thema nicht aus den Verhandlungen ausgeklammert wurde, sei an sich schon als Erfolg zu werten. Es konnte verhindert werden, daß die Flamm erlischt. Das reicht nicht aus. Die Sozialistische Fraktion fordert Kommission und Rat auf, bei ihrer Vorbereitung auf die nächste Ministerkonferenz - und mit ihr muß jetzt begonnen werden - den Ausgangspunkt, über den wir nunmehr verfügen, zu nutzen, um sicherzustellen, daß Fortschritte bei den arbeitsrechtlichen Mindestnormen sowie bei den Umweltschutzbestimmungen erzielt werden, und um sicherzustellen, daß es im Welthandel gerecht und frei zugeht. Ich möchte der irischen Präsidentschaft für ihre wertvolle Arbeit in diesem Bereich aufrichtig danken. Herr Präsident! Zunächst möchte ich die irische Präsidentschaft zu der ausgezeichneten Arbeit, die sie in den letzten sechs Monaten geleistet hat, und zu ihrer ausgezeichneten Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament, vor allem auf dem Gebiet des Umweltschutzes und der internationalen Zusammenarbeit, wie sich in Singapur gezeigt hat, beglückwünschen. Herr Präsident, leider ist in Singapur in Bezug auf die Umwelt nichts geschehen. Das Europäische Parlament stellt schon seit zwei Jahren das Fehlen von Entscheidungen zur Verbindung zwischen Umweltpolitik und den GATTNormen fest. In Singapur hat die Delegation des Europäischen Parlaments unter der brillanten Leitung von Willy Declercq auf allen Foren erklärt, daß sie es nicht akzeptieren kann, daß die Welthandelsorganisation weiterhin dreißig Jahre internationalen Umweltrechts ignoriert, daß sie den Gesetzescharakter der Abkommen ignoriert, die den Transport von gefährlichen Gütern und den Giftmülltourismus bekämpfen, die Ozonschicht schützen oder die Klimaveränderungen verringern sollen. Wir können die Heimlichkeit nicht weiter dulden, mit der die WTO vorgeht und die Art und Weise, wie sie die Nichtregierungsorganisationen behandelt. Und wir wollen der Kommission ein Wort zum wichtigen "Dossier" Handel und Umwelt in Bezug auf die Fangeisen sagen. Sir Léon Brittan hat erreicht, daß die Kommission den Willen des Ministerrats und dieses Parlaments zur Nichtanwendung des geltenden Gesetzes - der Verordnung 91 - ignoriert, den Wunsch dieses Parlaments ignoriert und den des Umweltrats vom Dezember ignoriert. Herr Präsident Santer, Sie dürfen sicher sein, daß wir dieses Verhalten der Kommission in Bezug auf Handel und Umwelt und namentlich in Bezug auf die Fangeisen tadeln werden. Herr Präsident! Zu Recht hat die irische Präsidentschaft die Erfolge bei der Vorbereitung der Währungsunion herausgestellt. Das ist zu begrüßen. Endlich können wir uns auch darüber klar werden, wie groß die internationale Dimension der Währungsunion sein wird, denn wir brauchen stabile monetäre Rahmenbedingungen, auch auf internationaler Ebene, weil ja das Bretton-Woods-System zusammengebrochen ist. Wir können nicht unsere Volkswirtschaften in den Würgegriff der Spekulation geraten lassen, genauso wenig wie wir Handel und Wirtschaft allein den Märkten überlassen dürfen. In diesem Sinne war die Singapur-Konferenz sicherlich eine erfolgreiche Konferenz, was die weitere Marktöffnung und die weiteren Liberalisierungsfortschritte angeht. Unseres Erachtens bleibt jedoch sehr viel zu tun - auch für diese Europäische Union -, um die Forderungen des Europäischen Parlaments mit Nachdruck zu verfolgen. Das sind insbesondere die weiteren Fortschritte bei der Realisierung eines fairen Welthandels. Wir haben ein viel zu gering ausgeprägtes Regelwerk, nicht nur im Bereich Soziales und Umwelt, sondern auch im Bereich der internationalen Wettbewerbsordnung. Wir können nicht innerhalb der Europäischen Union eine Gesetzgebung gegen Monopole und Kartelle erlassen und gleichzeitig diese Kartelle und Monopole auf internationaler Ebene erst wieder möglich machen und sie stabilisieren. Von daher brauchen wir eine internationale Wettbewerbsordnung, die hilft, den fairen Welthandel zu verwirklichen. Das gilt auch für den anderen Bereich. Europa muß hier, anders als in Singapur, mit einer Stimme sprechen. Eine Präsidentschaft, eine Kommission können nichts durchsetzen, wenn in Singapur deutlich wird, daß die Europäische Union in der Frage dieses Regelwerks zerstritten ist. Hier muß es Fortschritte geben. Es darf nicht so sein, daß die Orientierung in die Richtung geht, daß der freie Welthandel deswegen weiterhin so erfolgreich ist und zum Wachstum der Volkswirtschaften beiträgt, weil er auf der Ausbeutung der Menschen und der Ausplünderung der Natur und der Ressourcen beruht. Wir können doch heute den Beschäftigungsgipfel von Lyon nicht einfach nur so abtun. Die Äußerungen der Staats- und Regierungschefs der G7, daß wir die Chancen der Globalisierung nutzen sollen, kann ich nur als zynisch betrachten, wenn die Menschen und unser Planet die Opfer einer solchen Politik sind. Deswegen brauchen wir das, was GATT und WTO immer gewollt haben: einen fairen Welthandel mit einem Regelwerk, wie wir es als Europäisches Parlament schon immer gefordert haben. Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen allen für Ihre freundlichen Bemerkungen über die irische Präsidentschaft und besonders für das wohlverdiente Lob für Staatsminister Gay Mitchell danken, der im Namen der irischen Präsidentschaft die Beziehungen zum Parlament wahrgenommen hat. Ich möchte zum Abschluß nur vier Bemerkungen machen. Es ist das zweite Mal in meinem Leben, das ich vor dem Europäischen Parlament gesprochen habe; das erste Mal geschah dies im September. Damals herrschte in der Aussprache ein Geist des Pessimismus und der Kritik am Erscheinungsbild Europas vor. Die Atmosphäre in dieser Aussprache ist eine völlig andere. Es ist eine positive Aussprache, in der zwar gefordert wird, Europa müsse mehr tun, doch sind diese Forderungen von der Zuversicht geprägt, daß Europa imstande ist, mehr zu tun. Diese Veränderung der Atmosphäre in der Zeit von September bis Januar ist ein großes Verdienst der Leitung des Parlaments, und sie ist auch ein Zeichen für die Gesundheit Europas. Zweitens: Der Vertragsentwurf, der von der irischen Präsidentschaft in Dublin vorgelegt wurde, ist ein Vertrag für die Menschen. Es ist ein Vertrag für die Bürger Europas. Es ist kein Vertrag nur für ein Wirtschaftsgebilde. Er enthält Bestimmungen über ein entschlosseneres Vorgehen gegen Kriminalität und Drogen. Er enthält zum ersten Mal Bestimmungen über die Gewährleistung der Menschenrechte für den einzelnen. Mit ihm findet zum ersten Mal das Konzept der dauerhaften Entwicklung, einer Sache, die für uns alle, die wir uns mit der Umwelt beschäftigen, von großer Bedeutung ist, Eingang in den Vertrag. Er verstärkt die Vorschriften im Vertrag, die den Verbraucherschutz im Gegensatz zum Schutz des Produzenten betreffen. Mit ihm wird auch ausdrücklich zum ersten Mal eine Position der Gleichberechtigung von Europäischem Parlament und Ministerrat beim Verfahren der Mitentscheidung geschaffen. Diese Punkt zeigen, daß dieser Vertrag Europa näher an seine Bürger heranbringt. (Beifall) Damit komme ich zu meinem dritten Punkt. Dieser Vertrag muß ratifiziert werden. Er wird nur dann ratifiziert werden, wenn die Bürger erkennen, daß er für sie etwas Wertvolles enthält. Wie sich in der Aussprache gezeigt hat, ist dies keine Angelegenheit, bei der wir uns zufrieden zurücklehnen können. Wann immer wir über den Vertrag diskutieren, ist es sehr wichtig, uns stets daran zu erinnern, daß wir die Sprache des Vertragesso umsetzen müssen, daß die Menschen tatsächlich veranlaßt werden, ihren Fernseher auszuschalten, vom Essen mit ihrer Familie aufzustehen und sich zu einem Wahllokal irgendwo in Europa zu begeben und mit Ja zu stimmen. Dazu bedarf es einer Anstrengung auf dem Gebiet der Kommunikation. Wir müssen ihn nicht nur richtig hinbekommen, wir müssen ihn auch vereinfachen und etwas daraus machen, das eine emotionale Botschaft enthält, auf die die Menschen positiv reagieren. Dies ist die politische Herausforderung, die sich uns stellt. Schließlich teile ich ganz entschieden die Auffassung all der Abgeordneten, die - insbesondere im Hinblick auf Europol - darauf hingewiesen haben, daß es nicht ausreicht, einen Vertrag oder eine Erklärung zu verabschieden, wenn die Ratifizierung und Durchführung in den Mitgliedstaaten nicht von der gleichen Entschlossenheit gekennzeichnet sind wie der politische Wille, zunächst die Bestimmung zu verabschieden. In dieser Hinsicht muß das Parlament wachsam bleiben für den Fall, daß einzelne Mitgliedstaaten abtrünnig werden sollten. Ich akzeptiere jegliche Kritik an den Mitgliedstaaten, die sich auf die Umsetzung von Erklärungen bezieht. Unsere Bilanz ist nicht berauschend, und häufig ist die Bilanz derjenigen, die sich am beredtesten für die Verabschiedung gemeinsamer europäischer Standpunkte einsetzen, am schlechtesten, wenn es um die Umsetzung in konkrete Taten geht, und häufig haben diejenigen, die sich bei der Verabschiedung gemeinsamer europäischer Standpunkte am kritischsten und langsamsten verhalten, die beste Bilanz vorzuweisen, was die Umsetzung in die Wirklichkeit angeht. (Lebhafter und anhaltender Beifall) Ich habe gemäß Artikel 37 Absatz 2 der Geschäftsordnung neun Entschließungsanträge erhalten . Die Abstimmung findet am Donnerstag um 12.00 Uhr statt. Die Aussprache ist geschlossen. Ich gebe das Ergebnis des dritten Wahlgangs bei der Wahl der Quästoren bekannt: Anzahl der Abstimmenden: 464 Weiße oder ungültige Stimmzettel: 9 Abgegebene gültige Stimmen: 455 Es erhielten: Herr Killilea: 194 Stimmen Herr Paasio: 214 Stimmen Herr Viola: 169 Stimmen Als Ergebnis des dritten Wahlgangs erkläre ich die Abgeordneten Paasio und Killilea zu Quästoren des Europäischen Parlaments und beglückwünsche sie herzlich zu ihrer Wahl. Gemäß Artikel 16 der Geschäftsordnung wird die Rangfolge der Quästoren durch die Reihenfolge ihrer Wahl bestimmt. Nach der Tagesordnung folgt die Abstimmung über den Vorschlag für einen Beschluß (B40028/97) von acht Fraktionen zur Zahl und zahlenmäßigen Zusammensetzung der parlamentarischen Ausschüsse. Änderungsantrag 1 wurde zurückgezogen. Das Wort hat Herr Fabre-Aubrespy zur Geschäftsordnung. Herr Präsident, zu Änderungsantrag 1, von dem Sie gerade sprachen, möchte ich den Kollegen danken, die sich zusammen mit mir zu seiner Unterschrift bereitgefunden hatten, sowie der EVPFraktion, die es allen Fraktionen ermöglicht, im Ausschuß für Geschäftsordnung, Wahlprüfung und Fragen der Immunität vertreten zu sein, indem sie einen ihrer Sitze zur Verfügung gestellt hat. Die Frage, die durch den Änderungsantrag aufgeworfen wurde, war die der Vertretung aller politischen Fraktionen in den Ausschüssen. Ich glaube, Sie sollten den Geschäftsordnungsausschuß über die seit einigen Jahren eingeführte Praxis unterrichten, die darin besteht, gewisse Ausschüsse zu neutralisieren und damit meines Erachtens gegen Artikel 135 der Geschäftsordnung zu verstoßen. Denn dieser sieht doch eine ausgewogene Vertretung in den Ausschüssen durch alle politischen Fraktionen und unabhängige Abgeordnete vor, ohne Unterschied zwischen den Ausschüssen, die nicht neutralisiert werden, und denen, die als neutralisiert gelten. Es ist nicht normal, daß die Konferenz der Vorsitzenden irgendeinem parlamentarischen Ausschuß, in dem eine politische Fraktion nicht vertreten ist, einen Vorschlag unterbreiten kann, das gilt natürlich besonders für den Geschäftsordnungsausschuß. Ich glaube, daß dieser Punkt geklärt werden sollte, damit Artikel 135 so ausgelegt wird, wie es sich gehört. Vielen Dank, Herr Fabre-Aubrespy. Ich werde über Ihren Vorschlag nachdenken. Doch wissen Sie als aktives, stellvertretendes Mitglied des Ausschusses für Geschäftsordnung so gut wie ich, daß jeder Abgeordnete und jede Fraktion diesem Ausschuß die Fragen unterbreiten kann, die er oder sie für angebracht halten. Ich lasse nun über den Vorschlag für einen Beschluß insgesamt abstimmen. (Das Parlament nimmt den Vorschlag für einen Beschluß an.) (Die Sitzung wird um 13.00 Uhr unterbrochen und um 15.00 Uhr wiederaufgenommen.) Nach der Tagesordnung folgt die Erklärung des amtierenden Präsidenten des Rates zum Tätigkeitsprogramm der niederländischen Präsidentschaft einschließlich der Lage in Serbien. Das Wort hat Herr Van Mierlo, amtierender Präsident des Rates. Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten, " Europa ist die Wiege der Demokratie" , wie von uns gerne gesagt wird. Niemand wird jedoch leugnen, daß zwischen dem Prozeß der europäischen Integration und dessen demokratischer Legitimation noch immer eine Lücke klafft. Wie eine solche Lücke, ein solches Defizit auch immer zu erklären sein mag, so werden wir dadurch herausgefordert, uns der Notwendigkeit einer Lösung stets bewußt zu sein. In einem solchen Bewußtsein trete ich heute vor dieses Parlament. Es ist für mich eine große Ehre, in Ihrer Mitte sein zu dürfen, vor allem, da Sie gestern einen neuen Präsidenten gewählt haben. Darf ich Sie, Herr Präsident, zu Ihrer Wahl gratulieren und Ihnen in Ihrem neuen Amt auch viel Kraft und Weisheit wünschen. Möge durch unsere heutige Begegnung der Grundstein für eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Rat und Parlament im nächsten Halbjahr gelegt werden. Das Programm der niederländischen Präsidentschaft wurde als nüchtern bezeichnet. Das ist richtig, aber unvollständig. Wir sind nämlich nüchtern, weil wir ehrgeizig sind. Wir sind nicht bei unseren Zielsetzungen, sondern aufgrund dieser Zielsetzungen bescheiden. Für nationale Prioritäten gibt es weder Zeit noch Platz. Es besteht eine europäische Tagesordnung und nur sie, und ich kann mir im Augenblick kein ehrgeizigeres Ziel vorstellen, als mit einer solchen Tagesordnung die Ergebnisse zu erreichen, die Europa benötigt. In einem solchen Bewußtsein haben die Niederlande jedenfalls das Programm ihrer Ratspräsidentschaft für das kommende Halbjahr erstellt. Die von unseren irischen Vorgängern geleistete Arbeit stellt dabei eine wichtige Stütze dar. Der schriftliche Text des Programms unserer Präsidentschaft wurde Ihnen bereits übermittelt. Bei meiner mündlichen Einleitung werde ich mich auf die wichtigsten politischen Herausforderungen beschränken. Wir sind versucht, Jahrhundertwenden eine weitaus größere Bedeutung beizumessen als die der bloßen Weiterführung einer Zahlenreihe. Wie dem auch sei, Tatsache ist jedenfalls, daß die bevorstehende Jahrtausendwende mehr oder weniger mit tiefgreifenden Veränderungen in Europa zusammenfällt, durch die die Trostlosigkeit der finstersten Zeiten dieses Jahrhunderts endlich überwunden werden kann. Es handelt sich nicht lediglich um einen naturgesetzlichen Prozeß, sondern um eine historische Chance, die ergriffen, und der Gestalt gegeben werden muß. Eine solche Chance dürfen wir uns nicht entgehen lassen. Jahrelang wurde über das Dilemma bei der Frage nach dem Verhältnis zwischen Vertiefung und Erweiterung diskutiert, d. h. der Frage, was Priorität verdient. Aufgrund der jüngsten europäischen Geschichte besitzt eine solche Diskussion nicht mehr den Charakter unverbindlicher Überlegungen. Niemand kann sich mehr hinter der Alternative entweder Vertiefung oder Erweiterung verschanzen, in der heimlichen Erwartung, daß die Alternative weniger aussichtsreich sein wird. Der Fall der Berliner Mauer bedeutete für uns das historische Gebot zur Erweiterung. Gleichzeitig haben wir festgestellt, daß ohne parallele Vertiefung eine Erweiterung nicht möglich ist. Die Alternative wurde also zu einem sowohl als auch. Es steht die größtmögliche Erweiterung der Europäischen Union bevor, durch die der Union endlich zu recht die Bezeichnung "europäisch" verliehen werden kann. Gleichzeitig arbeiten wir an der größtmöglichen Vertiefung des politischen Integrationsprozesses, die je stattfinden wird; ich denke dabei an die vorgesehene Schaffung der Wirtschafts- und Währungsunion. Wir haben uns gefragt, zu welchem Zeitpunkt in der Geschichte der europäischen Integration wir die Verantwortung für die Ratspräsidentschaft wohl übernehmen werden. Das erfolgt nun gerade für den Zeitraum, in dem sich jene beiden Veränderungen in unserem europäischen Entwicklungsprozeß vollziehen werden, nämlich Erweiterung sowie Verwirklichung der Währungsunion. Europa ist dafür jedoch noch nicht gerüstet. Daher verfolgt die niederländische Präsidentschaft ein doppeltes prioritäres Ziel, nämlich Abschluß eines Vertrages in sechs Monaten, durch den es uns gleichzeitig ermöglicht wird, diese beiden Veränderungen auch bewältigen zu können. Unser primäres Anliegen ist daher der Abschluß der Regierungskonferenz sowie die Vorbereitung auf die WWU und die Erweiterung. Ferner stellen sich einige außenpolitische Themen, die so gewichtig und für Europa von solch lebenswichtiger Bedeutung sind, daß ihre Behandlung für uns unumgänglich ist und es sich hier somit nicht mehr um fakultative Prioritäten handelt, sondern um ein Muß. Zunächst möchte ich etwas zur Regierungskonferenz, zur WWU und zur Erweiterung sagen. Die Regierungskonferenz ist also im Lichte des 21. Jahrhunderts zu sehen, eines Jahrhunderts, in dem es ein ungeteiltes Europa geben wird. Unsere Bemühungen sind darauf ausgerichtet, an einer Regierungskonferenz zu arbeiten, die rechtzeitig sowie mit einem substantiellen Ergebnis abgeschlossen werden kann. Eine solide Grundlage dafür wurde von unseren irischen Vorgängern gelegt. Aber auch durch Beiträge anderer Länder - Frankreich, Deutschland, Portugal und die Benelux-Staaten - werden hierfür wichtige Impulse verliehen. Das Europäische Parlament leistet einen aktiven Beitrag, sowohl in Form der von ihm verabschiedeten Entschließungen zu den auf der Regierungskonferenz behandelten Themen, als auch durch die konstruktive Präsenz seiner beiden Mitglieder, Herrn Brok und Frau Guigou, in der Verhandlungsgruppe. Es werden noch große Anstrengungen erforderlich sein, und zwar zunächst auf den heiklen Gebieten, in denen es noch wenig Fortschritte gibt, beispielsweise auf dem weiten Feld institutioneller Reformen. Ich denke an die Erweiterung der Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit, an das Verhältnis zwischen den einzelnen Institutionen, darunter das Europäische Parlament. Auch über ein so heikles Thema wie Flexibilität wird von jetzt an konkreter diskutiert werden müssen. Flexibilität ist das Schlüsselwort, durch das der anscheinende Gegensatz zwischen Erweiterung und Vertiefung behoben werden muß. Durch die Fähigkeit zu einem flexiblen Vorgehen muß für diese beiden Ausgangspunkte Raum geschaffen werden. Ohne Flexibilität wird eine wesentlich erweiterte Union erstarren. Flexibilität stellt jedoch auch ein Mittel dar, mit dem sparsam und behutsam umgegangen werden muß. Eine zu große Dosis eines solchen Mittels würde die Union nämlich sprengen. Auf intellektueller Ebene wird es sich hier zweifellos um das schwierigste Problem der Regierungskonferenz handeln, so wie die Institutionen in politischer Hinsicht das schwierigste Problem darstellen werden. In beiden Bereichen werden sofortige Maßnahmen erforderlich sein, damit die weißen Flecken im irischen Entwurf so schnell wie möglich gefüllt werden. Die bei anderen Themen bereits erzielten Fortschritte müssen fortgesetzt werden. So zeichnet sich zu meiner Freude eine Entwicklung zu größeren Gesetzgebungsbefugnissen für dieses Parlament ab, die unsere nachhaltige Unterstützung finden. Das gilt auch für die Verstärkung Ihrer Rolle bei der Ernennung der Kommission. Muß das Demokratiedefizit der Europäischen Union nicht von zwei Seiten her gefüllt werden? Damit erhebt sich die Frage, ob und wie die europäische Funktion der nationalen Parlamente verstärkt werden kann, ohne daß dies zu Lasten des Europäischen Parlaments geht. Wir sind uns zwar darin einig, daß dem Handeln der Europäischen Union auf internationaler Bühne endlich die Effizienz und Kohärenz verliehen werden müssen, die ihrem Gewicht entsprechen. Ein solcher Konsens bedeutet jedoch nicht, daß es keine Schwierigkeiten bei der Verwirklichung einer echten europäischen Außenpolitik geben wird. Worin liegt hierfür der eigentliche Grund? Bei der üblichen Antwort wird auf die erheblichen Gegensätze verwiesen, die zwischen den nationalen Interessen bestehen. Sind diese jedoch so groß, wie stets angenommen wird? Bei näherer Betrachtung handelt es sich meines Erachtens neben einigen wirklichen Interessengegensätzen auch um konstruierte Gegensätze nationaler Interessen. Geht es bei Letzteren nicht in erster Linie um die Wahrung nationaler Identität? Wenn dies der Fall ist, erfolgt damit das Umgekehrte dessen, was wir anstreben: nicht die Politik wird des Interesses wegen gemacht, sondern das Interesse wird der Politik wegen "konstruiert" . Laßt uns in einem solchen Bewußtsein dem lähmenden Prinzip der Einstimmigkeitsregel zu Leibe rücken. Auch die Verbesserung der Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres - jenem entscheidend wichtigen Gebiet unserer inneren Sicherheit - muß rechtzeitig auf die Tagesordnung der Regierungskonferenz gesetzt werden. Gegen die zunehmende grenzüberschreitende Kriminalität und den illegalen Drogenhandel ist die Möglichkeit eines effizienten Vorgehens der Europäischen Union erforderlich. Bestimmend hierfür ist übrigens nicht nur das Ergebnis der Regierungskonferenz. Vom Europäischen Rat in Dublin wurden verschiedene Vorschläge für Maßnahmen entwickelt, mit denen wir beginnen werden und bereits begonnen haben. Für eine Verstärkung der praktischen Zusammenarbeit zwischen den einzelstaatlichen Behörden auf diesen Gebieten sind noch längst nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Die Ausgestaltung eines neuen Vertrags tritt jetzt in die entscheidende Phase. Ein neuer Vertrag wird nur zustandekommen, wenn von Allen Anstrengungen dazu unternommen werden, und zwar nicht etwa um der "Ehre von Amsterdam" willen, wenngleich es unser ehrgeiziges Ziel ist, Amsterdam zu einem Erfolg werden zu lassen. Die Wirtschafts- und Währungsunion befindet sich irreversibel auf dem Weg zur dritten Stufe. Aufgrund eines entsprechenden Paktes für Stabilität und wirtschaftliches Wachstum, aufgrund einer über die Struktur eines neuen Wechselkursmechanismus und den Rechtsrahmen für den Euro bestehenden Übereinstimmung ist ein solider und stabiler Euro in Sicht. Die niederländische Präsidentschaft wird Alles unternehmen, um die Dynamik und Glaubwürdigkeit des Prozesses aufrechtzuerhalten, und zwar in erster Linie dadurch, daß die politischen Beschlüsse, die auf den von mir soeben genannten Gebieten in Dublin getroffen wurden, sorgfältig durchgeführt werden. Lassen Sie mich vor allem klar und deutlich unseren Standpunkt zu einer Mitgliedschaft darlegen; dieser Standpunkt ist ganz einfach: jedes Land, das die Kriterien erfüllt, ist herzlich willkommen, und zwar je mehr Länder, desto besser. Die Erweiterung der Union um Länder Mittel- und Osteuropas sowie des Mittelmeerraums erfordert große Anstrengungen seitens dieser Länder, aber nicht weniger von unserer Seite. Für mich steht fest, daß eine Union ohne solide Grundlagen eine nächste wesentliche Erweiterung nicht ohne Schaden überstehen wird. Der Kern unserer eigenen Vorbereitung für die Union liegt also darin, daß auf der Regierungskonferenz ein substantielles Ergebnis erzielt werden muß. Darin besteht auch die Hauptaufgabe unserer Präsidentschaft. Für einen EU-Beitritt müssen die Kandidatenländer intensive Vorbereitungen treffen, vor allem im Hinblick auf die Möglichkeit einer effektiven Teilnahme am Binnenmarkt. Der Beitritt erfordert auch eine möglichst breite Unterstützung in den betroffenen Ländern. Eine solche Unterstützung ergibt sich nicht durch rein technische Abstraktionen, sondern durch einen echten, intensiven Dialog, durch den sich gegenseitige Vorstellungen begegnen. So werden Erwartungen an Realitäten geprüft. Der Nachteil des strukturierten Dialogs, wie er jetzt von uns geführt wird, besteht darin, daß er keine Struktur besitzt und auch keinen Dialog darstellt. Daher wird es unser Bestreben sein, einem solchen Gedankenaustausch mehr Inhalt zu verleihen, indem wir uns auf ein oder zwei Probleme beschränken, zu denen ausführliche Vorgespräche geführt werden. Das gilt für die Integration in ihrer vollen Dimension, vom Binnenmarkt bis zu Themen wie Rechtsstaat und good governance . Nun noch ein Wort zur Erweiterung. Ein friedlicher, demokratischer und wohlhabender europäischer Kontinent im nächsten Jahrhundert bedeutet heute nicht mehr eine Vision, sondern stellt einen politischen Auftrag dar, damit die kommende Erweiterung zu einem Erfolg wird. Zweifellos wird der Verhandlungsprozeß kompliziert, mühsam und langwierig sein, doch muß dabei von der Frage ausgegangen werden, die in unserer europäischen Kultur fest verwurzelt ist, nämlich wie läßt sich der Grundsatz der "Chancengleichheit" mit der Realität ungleicher Möglichkeiten in Einklang bringen? Ich bin mir dessen bewußt, daß, wenn für das Zypernproblem keine dauerhafte Lösung gefunden wird, dies für die Erweiterung insgesamt eine nicht geringe Belastung bedeuten kann. In diesem Bewußtsein, aber auch im Hinblick auf den Beitritt Zyperns selbst werden wir dafür Sorge tragen, daß durch intensive Gespräche mit allen Beteiligten, und natürlich auch mit der Türkei, von der Union jetzt Alles unternommen wird, um eine solche Lösung herbeizuführen. Wir haben bereits erste Gespräche geführt, und zwar auch mit den Vereinigten Staaten und den Vereinten Nationen. Wichtig ist, daß die Zusammenarbeit im Rahmen einer einzigen Tagesordnung erfolgt, daß es also keine versteckten Tagesordnungen der verschiedenen Beteiligten gibt. Ich hoffe, daß auch Sie den Beziehungen zu diesem Land unter einem solchen Aspekt die erforderliche Aufmerksamkeit schenken werden. Soweit zur Regierungskonferenz, zur WWU und zur Erweiterung, die wir als ein strategisches Dreieck betrachten. Damit lassen wir es jedoch nicht bewenden. Die Welt um uns herum wartet nicht auf so etwas wie den Ausgang einer Regierungskonferenz, ebensowenig die Bürger und die Wirtschaft. Daher werden wir der ständigen Weiterentwicklung unserer Politik, der Gesetzgebung, der Gestaltung unserer Union volles Augenmerk widmen. Sie haben in dem Programm für unsere Präsidentschaft gelesen, wie wir das zu tun gedenken. Intern stehen wir heute und auch in Zukunft vor großen Herausforderungen: Schaffung neuer Arbeitsplätze, Beschäftigung unter annehmbaren Arbeitsverhältnissen, persönliche Sicherheit, Schutz unserer kostbaren Umwelt. Zur Bekämpfung des Rassismus müssen in diesem Jahr zusätzliche Anstrengungen unternommen werden. Das wirtschaftliche Fundament der Integration - ihr treues Arbeitstier - ist und bleibt der Binnenmarkt. Wir müssen ständig darum besorgt und bemüht sein, daß dieser Binnenmarkt wirklich funktioniert. Wir dürfen diesen Markt nicht isoliert betrachten. Es geht nicht nur um mehr Markt angesichts der bevorstehenden einheitlichen Währung, sondern auch um den zwischen Markt, Umwelt und dem menschlichen Aspekt bestehenden Zusammenhang. Im außenpolitischen Bereich ist unsere ständige Aufmerksamkeit gefordert: erstens, weil die zahlreichen blutigen regionalen Konflikte uns nicht gleichgültig bleiben dürfen; zweitens, weil die Interessen der wirtschaftlichen Großmacht, wie sie die Union darstellt, Wachsamkeit erfordern; ferner schließlich auch deswegen, weil das Verhältnis zwischen Politik und Wirtschaft in den internationalen Beziehungen viel komplizierter geworden ist. Zum Kern unseres außenpolitischen Handelns gehört auch, daß wir uns ständig aktiv für Demokratie und Menschenrechte einsetzen. Diese Werte bilden nämlich das Herzstück dessen, was europäische Kultur heißt. Aber auch aus funktionellen Gründen stellt sich in zunehmendem Maße die Notwendigkeit einer Menschenrechtspolitik auf europäischer Ebene. Es ist schwieriger geworden, eine solche Politik nur auf bilateraler Ebene effektiv zu betreiben. Der Einsatz für Menschenrechte und Demokratie muß auch Bestandteil einer umfassenden und kohärenten Politik der Konfliktverhütung und -bekämpfung bilden. Ich nenne noch einige wichtige regionale Herausforderungen. Zunächst der Friedensprozeß im Nahen Osten, bei dem heute erstmals seit langer Zeit wenn nicht ein Durchbruch, so doch deutliche Fortschritte zu vermelden sind. Das heute Nacht geschlossene Abkommen über Hebron stellt auf dem Weg zu einem gerechten und stabilen Frieden einen wichtigen Schritt dar, durch den dem Friedensprozeß die dringend erforderlichen neuen Impulse verliehen werden können. Es ist erfreulich, daß im Vorfeld dieses Abkommens von der Europäischen Union gezeigt wurde, daß sie in enger Zusammenarbeit mit den betroffenen Parteien und den Vereinigten Staaten einen wesentlichen Beitrag zum Friedensprozeß leisten kann. Ein solcher Beitrag darf sich nicht auf die wirtschaftliche Unterstützung des Prozesses beschränken. Auch hier ist eine Trennung zwischen Wirtschaft und Politik nicht möglich. Ohne wirtschaftliche Unterstützung durch die Europäische Union würde der Verhandlungsprozeß deutlich in Gefahr geraten. Daraus leitet die Union das Recht und die Pflicht ab, bei dem Prozeß eine aktive politische Rolle zu spielen, die zwar nicht in erster Linie darin besteht, daß sie bei den Verhandlungen als Vermittler auftritt, die aber deswegen nicht weniger politischer Art ist. Diese Tatsache wird durch die positive Würdigung der Rolle unseres Sonderbeauftragten, Herrn Moratinos, durch sämtliche betroffenen Parteien unterstrichen. Ich möchte bei dieser Gelegenheit auch die große Wertschätzung der Ratspräsidentschaft für seinen Einsatz und seine Effizienz aussprechen. Im ehemaligen Jugoslawien spielt die Europäische Union eine ausgeprägtere politische Rolle, da die diplomatischen und humanitären Anstrengungen durch die militärische Beteiligung zahlreicher Mitgliedstaaten ergänzt wird. Um das Tempo bei der Verwirklichung des Friedens halten zu können, sind große Aufmerksamkeit und viel Phantasie erforderlich. Ausgangspunkt bilden dabei die kürzlich in London gefaßten Beschlüsse des Peace Implementation Council . Ich wurde aus Ihrer Mitte darum ersucht, zu dem vorliegenden Entschließungsantrag Ihres Parlaments zur Bundesrepublik Jugoslawien Stellung zu nehmen. Zwar möchte ich nicht der Abstimmung über diesen Entschließungsantrag vorgreifen, doch kann ich Ihnen versichern, daß die Zielsetzung Ihres Entschließungsantrags von der Präsidentschaft unterstützt wird. Der Rat hat die Schlußfolgerungen des GonzalesBerichts mehrfach eindeutig unterschrieben und Präsident Milosevic aufgefordert, die Ergebnisse der Wahlen vom 17. November anzuerkennen. Ich mache derzeit eine Rundreise in sämtliche Mitgliedstaaten, um die Botschaft der Präsidentschaft zu übermitteln und von ihnen auch zu erfahren, welches für sie die spezifischen Ausgangspunkte sind. Natürlich kommt dabei überall die Lage in Belgrad zur Sprache. Bei den Ansichten über die Lage in Belgrad besteht große Einmütigkeit. Ich war auch von Anfang an bereit - und bin es noch immer -, mich nach Belgrad zu begeben, sobald wir das Gefühl haben, daß dort etwas wirklich Produktives erreicht werden kann. Einen solchen Augenblick möchte ich allerdings sorgfältig aussuchen. Die jüngsten Berichte, die uns aus Belgrad erreichen, scheinen darauf hinzudeuten, daß Milosevic - wenn auch nur schrittweise - den an ihn gerichteten Aufforderungen, vor allem den Appellen seitens der Demonstranten, Folge leistet. Der Weg zur Demokratisierung in der Bundesrepublik Jugoslawien ist allerdings noch lange, und solange in Serbien kein zufriedenstellendes Ergebnis erzielt wurde, wird die Welt weiterhin Druck auf Milosevic ausüben und ihre Unterstützung der Opposition und der Studentenbewegung aufrechterhalten müssen. Der als post-Barcelona-Prozeß bezeichnete Plan stellt ein vernünftiges Konzept dar, d. h. er ist für die Stabilität im Mittelmeerraum im weiten Sinne vielversprechend. Die Ausführung dieses Plans hängt allerdings in starkem Maße vom Ausgang bestehender regionaler Konflikte ab, nicht zuletzt des Friedensprozesses im Nahen Osten. Die niederländische Präsidentschaft wird jedenfalls die Weiterentwicklung des post-Barcelona-Prozesses nachhaltig unterstützen. Eine Art Rollenverteilung, wie sie sich im Rat zwischen nördlichen und südlichen Mitgliedstaaten - die südlichen für die Erweiterung im Mittelmeerraum und die nördlichen für die Osterweiterung - zu entwickeln droht, wird von uns nicht akzeptiert. Die Stabilität im Mittelmeerraum betrifft alle Länder der Union! Die Nachbarn Spaniens, Italiens und Griechenlands sind die Nachbarn von uns, den nördlichen Ländern. Daher stellt es ein besonderes Privileg dar, als nördliches Land einem solchen Standpunkt dadurch Ausdruck verleihen zu können, daß die Ko-Präsidentschaft beim Barcelona-Prozeß von ihm sehr sorgfältig und mit großem Engagement ausgeübt wird. Gute transatlantische Beziehungen bleiben die Grundlage unserer Außenpolitik. Auch hier handelt es sich wiederum um einen Bereich, dem auf keinen Fall weniger Aufmerksamkeit geschenkt werden darf. Diese Beziehungen sind nämlich nicht mehr so selbstverständlich wie noch zu Zeiten des Kalten Krieges, als wir von den Atomwaffen und den Amerikanern völlig abhängig waren. Wer an solchen Beziehungen und an deren Aufrechterhaltung interessiert ist, wird sie hegen und pflegen und darin investieren müssen. Der transatlantische Dialog darf nicht nur auf business and economics beschränkt werden, da es in manchen Situationen von entscheidender Wichtigkeit sein kann, daß Amerikaner und Europäer auf der internationalen Bühne gemeinsam auftreten. Europa und Amerika sind in einer Welt, in der es zahlreiche Quellen der Instabilität gibt, dringend aufeinander angewiesen. Auf so vielen Gebieten - ob es sich um das Welthandelssystem, die Bewältigung regionaler Krisen oder den Umgang mit Rußland handelt -, stellt eine enge transatlantische Zusammenarbeit den einzigen Schlüssel zum Erfolg dar; eine fehlende Kooperation bürgt dagegen für Mißerfolge. Wo Kultur und Interessen übereinstimmen, müssen wir unsere Kräfte vereinen, beispielsweise zur Verteidigung unserer gemeinsamen Werte, zu denen auch die Menschenrechte gehören. Wo hier Differenzen bestehen, muß die Möglichkeit erhalten bleiben, daß darüber gesprochen wird und daß sie behandelt werden. Aus diesem Grund müssen der transatlantische Dialog sowie die Ausführung des Aktionsplans Europäische Union-Vereinigte Staaten aktiv unterstützt und gefördert werden. Angesichts der dramatischen Situation in der afrikanischen Region der Großen Seen müssen von der Europäischen Union selbstverständlich Anstrengungen unternommen werden. Neben einer Fortsetzung der humanitären Hilfe werden diese Anstrengungen in zunehmendem Maße auf Konfliktverhütung und Konfliktbekämpfung ausgerichtet sein müssen. Auch zu diesem Thema sind wir mit den Amerikanern bereits im Gespräch, um die Möglichkeit eines effektiven gemeinsamen Vorgehens zur Lösung dieses sehr schwierigen Problems zu prüfen. Daß ich hiermit noch nicht sämtliche außenpolitischen Bereiche, denen wir unsere Aufmerksamkeit schenken müssen, genannt habe, ist mir zwar wohlbewußt; gleichwohl möchte ich jetzt zum Schluß kommen und noch einige Betrachtungen dazu anstellen, daß sich der Charakter der europäischen Integration geändert hat. Europäische Integration wurde lange Zeit von vielen als eine "technische Abstraktion" betrachtet. Bei den politischen Diskussionen auf nationaler Ebene spielte dieses Thema vorwiegend eine nebensächliche Rolle. Mit dem Zusammenbruch des Kommunismus und durch "Maastricht" ist Europa in den Mittelpunkt der nationalen Politik sämtlicher Mitgliedstaaten gerückt. Traditionell innenpolitische Themen erhielten, ob man will oder nicht, eine europäische Dimension. Durch eine solche Entwicklung hat sich der Charakter der Integration drastisch verändert. "Europa" wurde mehr oder weniger mit einer "dort in Brüssel" erstellten technischen Tagesordnung identifiziert. Heute wird Europa in zunehmendem Maße zu einer Addition nationaler politischer Empfindungen. Das ist zwar ein äußerst schwieriger, unvermeidlicher, aber meines Erachtens nicht nur negativer Prozeß! Schwierig deswegen, weil die Interaktion zwischen europäischer und nationaler Politik, zwischen Demokratie auf europäischer und nationaler Ebene wesentlich komplizierter geworden ist. Ist nicht aber auch die Gestaltung der nationalen Politik immer komplizierter geworden? Wir sollten uns in diesem Punkt doch nichts weismachen! Ich denke oft, daß die Krise in Europa und die Ohnmacht, die wir in Europa empfinden, die Summe jener Ohnmacht auf nationaler Ebene ist, die bedeutet, daß, wenn wir in Brüssel verhandeln, kein "Wechselgeld" besitzen. Wir verfügen in unseren eigenen Ländern über zu wenig Spielraum, um mit einer Botschaft zurückkehren zu können, die für die eigenen Bürger unangenehm ist. Eine solche Entwicklung ist schwierig und unvermeidlich, doch weist sie auch einen positiven Aspekt auf. Sie ist ein Indiz für den Reifeprozeß der Integration. Wozu nützt nämlich die europäische Integration, wenn sie nicht in der innersten Überzeugung unserer europäischen Bürger wurzelt? Wenn sie nicht Themen berührt, die zu Herzen gehen? Die Bürger identifizieren sich nun einmal vorläufig leichter mit ihrem eigenen Staat und ihrer eigenen Region, doch wird ihnen in zunehmendem Maße bewußt - und spüren sie dies täglich am eigenen Leibe -, daß es zahlreiche Herausforderungen gibt, denen dieser eigene nationale Staat nicht mehr gewachsen ist. Beide, der Bürger und Europa, haben immer mehr die Augen aufeinander gerichtet. Gleichwohl stehen sie sich noch immer allzu fremd einander gegenüber. Präsident Vaclav Havel, der 1994 in diesem Hause eine beeindruckende Rede hielt, hatte diese Problematik ebenfalls vor Augen. Bei der Lektüre des Maastrichter Vertrags war Havel darüber verwundert, daß für eine Gruppe von untereinander so verschiedenen Ländern gemeinsame Spielregeln festgelegt wurden. Er war von einer solch genialen Konstruktion zwar beeindruckt, seine Schlußfolgerung jedoch lautete: My reason has been spoken to, but not my heart (Zwar wurde mein Verstand, nicht aber mein Herz angesprochen). Zwischen dem toten Buchstaben des Vertrags und der lebendigen Realität der europäischen Integration besteht zwar ein Unterschied, doch bleibt die Tatsache, daß es sich bei der Union um eine Konstruktion handelt und sie von vielen auch als eine Konstruktion empfunden wird. Ob es jemals möglich sein wird, für Europa als Konstruktion so etwas wie Enthusiasmus zu verlangen, erscheint mir noch sehr fraglich. Hat uns dieses europäische Jahrhundert nicht die nötige Lehre über das ambivalente Verhältnis erteilt, das zwischen Pathos, Ratio und Krieg besteht? Liegt nicht gerade in einer solchen Lehre die raison dʼêtre , die Daseinsberechtigung für die als europäische Integration bezeichnete Konstruktion? Erforderlich ist, daß sich die Europäer mit der Politik auf europäischer Ebene identifizieren, allerdings in Form eines, wie ich es nennen möchte, rationalen Pathos. Ein solcher Pathos kann natürlich nicht erzwungen werden, nicht durch ein "Katz- und Maus" -Spiel zwischen den Hauptstädten untereinander sowie mit "Brüssel" oder durch Konkurrenz zwischen europäischer und nationaler Demokratie-Ebene und ganz und gar nicht durch hochgeschraubte europäische Forderungen. Solche Forderungen führen nur dazu, daß sie zwangsläufig nicht erfüllt werden können, wodurch sie im voraus Unzufriedenheit hervorrufen. Mit der Ebene, auf der der Ehrgeiz der sogenannten Realpolitik angesiedelt ist, wird das Ziel jedoch ebensowenig erreicht. Eine Identifizierung mit Europa kann sich nur entwickeln, wenn eine solche europäische Konstruktion ihre Aufgaben überzeugend zu erfüllen weiß und nur wenn sie eine demokratische Legitimation in weitem Sinne besitzt. Das heißt also auch dadurch, daß sie transparent und zugänglich ist. Auch eine aufrichtige, offene und sorgsam geführte grenzüberschreitende Diskussion zwischen nationalen Politikern ist einer Identifizierung mit Europa förderlich. Eine solche Notwendigkeit ergibt sich aufgrund der zunehmenden Europäisierung der - wie ich es nenne - nationalen Empfindungen. Müssen wir nicht miteinander eine Art neue Kultur entwickeln? Der Vertrag braucht schließlich meines Erachtens nicht das Herz anzusprechen, doh könnte seine Lektüre wesentlich verständlicher werden. Die Europäische Union stellt eine Konstruktion, eine einmalige Interaktion zwischen supranationaler Ebene und den nationalen Mitgliedstaaten dar. Einmalig auch in dem Sinne, daß es fast leichter ist, zu sagen, was die Europäische Union nicht ist als was sie tatsächlich ist. Europa ist in den Augen der Außenwelt in stärkerem Maß existent als in der Wahrnehmung der Europäer. Klarzumachen, was die Union wirklich ist und was sie vor allem kann und sein muß , stellt für sämtliche Teilnehmer am europäischen Integrationsprozeß, nicht nur innerhalb der europäischen Organe, sondern auch bei unseren nationalen Regierungen und unseren nationalen Parlamenten, einen Auftrag dar. Hierum wird jedenfalls die niederländische Präsidentschaft bemüht sein. (Beifall) Herr amtierender Ratspräsident, herzlichen Dank für Ihre Glückwünsche und Ihre Rede. Das Wort hat Herr Van den Broek im Namen der Kommission. Herr Präsident, im Namen von Präsident Santer und der gesamten Kommission möchte ich der interessanten Einleitung von Minister Van Mierlo, zu der ich ihn und seine Mannschaft beglückwünsche, noch einige Worte hinzufügen. Wie Sie wissen, ist es Präsident Santer zu seinem Bedauern nicht möglich, heute nachmittag hier in unserer Mitte zu sein, da seine Anwesenheit im BSEUntersuchungsausschuß dieses Parlaments erforderlich ist. Herr Präsident, ich kann mich kurz fassen. Am 7. Januar dieses Jahres hat die gesamte Kommission Den Haag besucht, um die Pläne der niederländischen Ratspräsidentschaft zu besprechen, und es war erfreulich, bei diesen eingehenden und sehr fruchtbaren Gesprächen festzustellen, daß zwischen den festgelegten Prioritäten völlige Übereinstimmung besteht, was übrigens selbstverständlich und auch nicht überraschend ist. Von uns allen wird anerkannt, daß die niederländische Präsidentschaft in den nächsten sechs Monaten vor einer äußerst schwierigen Aufgabe stehen wird, da nicht nur von einer Priorität gesprochen werden kann, sondern es sich um mehrere Prioritäten handelt, wobei ein besonderer Schwerpunkt vielleicht auf jener Regierungskonferenz liegt, von der wir alle so viel erwarten, und bezüglich derer ich, was ihren Erfolg unter der niederländischen Ratspräsidentschaft betrifft, mein vollstes Vertrauen aussprechen möchte. Niederländische Präsidentschaften haben übrigens mit Regierungskonferenzen gewisse Erfahrungen, und ich darf daran erinnern, daß auch der Maastrichter Vertrag 1991 nicht ohne Geburtswehen das Licht der Welt erblickte. Zweifellos wird auch der Weg nach Amsterdam mit Schwierigkeiten gepflastert sein, doch ist er der Mühe wert. Den Ausführungen von Minister Van Mierlo konnten wir auch entnehmen, daß die niederländische Präsidentschaft sehr motiviert und der tiefen Überzeugung ist, daß ohne einen erfolgreichen Abschluß der Regierungskonferenz im Juni Europa nicht voran-, sondern zurückschreiten wird. Hinsichtlich der Erweiterung verspricht auch die Kommission, bis Mitte des Jahres alle vorbereitenden Dokumente für den Erweiterungsprozeß bereitzustellen. Dies betrifft die Stellungnahmen zu den zehn Beitrittsanträgen aus den mittel- und osteuropäischen Ländern, einschließlich der baltischen Staaten, sowie das Dokument über die Auswirkungen der Erweiterung auf die einzelnen politischen Bereiche, insbesondere die Gemeinsame Agrar- und die Regionalpolitik. Dies bedeutet ferner, daß ein neuer finanzieller Rahmenvorschlag für die Finanzierung der Union nach 1999 erforderlich sein wird und daß ein umfassendes Strategie-Dokument vorgelegt werden muß, in dem die politischen Folgen der Erweiterung sowie die Szenarios für den Erweiterungsprozeß selbst darzulegen sind, was die Verhandlungen betrifft, d. h. die Frage, wie diese geführt werden sollen und wie Übergangsfristen zu regeln sind. Die Kommission wird also parallel zu den Bemühungen der Ratspräsidentschaft auch ihren eigenen Beitrag leisten. Das gilt natürlich ebenfalls für andere wichtige Themen wie Wirtschafts- und Währungsunion sowie den geplanten Beitrag der Kommission zur weiteren Diskussion und insbesondere zur institutionellen Diskussion im Rahmen der Regierungskonferenz, bei der auch wir dem Thema "Flexibilität" - und ich schließe mich den Ausführungen von Herrn Van Mierlo zu diesem Punkt gerne an - besondere Aufmerksamkeit schenken. Sie können von der Kommission in Kürze eine schriftliche Stellungnahme dazu erwarten. Es wurde von der Beschäftigung gesprochen, worüber ich erfreut bin. Sie wissen, wie sehr sich Kommissionspräsident Santer als auch die Kommission verpflichtet fühlen, im Zusammenhang mit der Frage der Beschäftigung weiterhin auf dem Mehrwert zu bestehen, der sich bei einer Konvergenz der Politik in diesem Punkt, der Beschäftigungspolitik, ergibt. Auch hierzu wird die Kommission in Amsterdam präzisere Vorschläge unterbreiten, u. a. in Form eines Aktionsplans, durch den dafür Sorge getragen werden soll, daß die Freizügigkeit in unserem gemeinsamen Binnenmarkt weiter vollendet wird. Im außenpolitischen Bereich werden die genannten prioritären Ziele von uns unterstützt. Mit Herrn Van Mierlo bin ich darin einig, daß es noch viel mehr Prioritäten gibt als sie aus zeitlichen Gründen hier genannt werden können. Angesichts des vorliegenden Entschließungsantrags und der darin an die Kommission gerichteten Fragen möchte ich jedoch noch kurz ein Wort zur Lage in Belgrad sagen. Selbstverständlich - und auch hier schließe ich mich den Ausführungen von Herrn Van Mierlo an - besteht die Union einschließlich der Kommission darauf, daß Präsident Milosevic den Empfehlungen des González-Ausschusses ausnahmslos folgt. Ebenso ist es für die Kommission selbstverständlich, daß solange dies nicht der Fall ist und einer Reihe weiterer Bedingungen des Dayton-Abkommens nicht entsprochen wurde, zwischen der Europäischen Union und Belgrad keine formellen Beziehungen hergestellt werden können und es nicht möglich ist, Kooperationsabkommen zu schließen, technische Unterstützung zu leisten oder Belgrad Handelspräferenzen einzuräumen, wofür wir zwar Vorschläge vorbereitet haben, die jedoch in Anbetracht der gegenwärtigen politischen Situation im Augenblick noch nicht zur Debatte stehen. Ich möchte Herrn Van Mierlo nochmals zu seiner Einführung beglückwünschen und ihm im Namen von Kommissionspräsident Santer und der gesamten Kommission volle Unterstützung zusagen. Wir sehen einer engen Zusammenarbeit mit der Ratspräsidentschaft entgegen. Herr Präsident, es ist für mich eine Ehre und auch ein Vergnügen, im Namen der Sozialistischen Fraktion zur Begrüßung der niederländischen Präsidentschaft einige Bemerkungen vorbringen zu können. Von meiner Fraktion werden große Erwartungen in diese Präsidentschaft gesetzt, und durch die heutigen Ausführungen von Minister Van Mierlo werden solche Erwartungen meines Erachtens auch unterstützt; es besteht für uns aber auch kein Zweifel an der europäischen Gesinnung der niederländischen Regierung und insbesondere Ihrer Person, Herr Van Mierlo. Nun werden Freunde jedoch nicht nur gelobt. Freundschaft verträgt auch Kritik, und daher möchte ich jetzt einige kritische Bemerkungen anbringen. Zunächst muß der Überbrückung der zwischen Europa und seinen Bürgern bestehenden Kluft - wie auch Ihnen wohlbewußt ist - größere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Das Europa der Bürokratie, der bei Nacht und Nebel abgehaltenen Sitzungen der Ministerräte, der undurchsichtigen und uneinsehbaren Vereinbarungen, ein solches Europa läßt die Herzen der Niederländer und der europäischen Bürger nicht höher schlagen. Daher erwarten wir von der niederländischen Präsidentschaft mehr Offenheit, einen größeren und besseren Einblick in die Beschlußfassung des Rates sowie auch eine engere Konsultation des Europäischen Parlaments. Daß wir uns bisweilen nach Stockholm begeben müssen, um in Erfahrung zu bringen, was im Rat erfolgt ist, ist doch eigentlich absurd. Die Niederlande mit ihrer offenen und demokratischen Tradition haben hier einen Auftrag zu erfüllen, und das gilt auch für jene anderen Kritikpunkte, insbesondere die schlechte Finanzverwaltung der Mittel der Union. Parlament, Kommission und Rat müssen gemeinsam für einen sparsamen und korrekten Gebrauch dieser Mittel Sorge tragen. In dem niederländischen Programm vermissen wir konkrete Vorschläge für eine verbesserte Kontrolle. Das gilt, wie ich Ihnen sagen muß, auch für die Mitglieder dieses Parlaments selbst. Es ist ein europäisches Statut für sämtliche Mitglieder des Europäischen Parlaments erforderlich. Eine solche Forderung wird von uns bereits seit zehn Jahren gestellt, und meines Erachtens ist hierbei eine Mitarbeit des Rates erforderlich. Wir erwarten, daß die Präsidentschaft noch in diesem Jahr entsprechende Initiativen zur Verwirklichung eines solchen Statuts ergreifen wird. Die Europäische Union bedarf des Rückhalts. Die Bürger müssen wieder an das europäische Projekt glauben. Eine der Möglichkeiten dazu besteht darin, daß die Union intern ihr Haus in Ordnung bringt, was auch durch eine klare Politik, durch konkrete und sichtbare Ergebnisse möglich ist. Der Einsatz der Präsidentschaft auf dem Gebiet der Beschäftigung wird von uns selbstverständlich begrüßt, denn in Europa müssen neue Arbeitsplätze geschaffen werden. In einem großen Teil der Mitgliedstaaten der Union beträgt die Arbeitslosenquote über 10 %, was natürlich zu entsprechenden Aktionen seitens der Gewerkschaften führt. Die Losung "WWU ist gleichbedeutend mit Arbeitslosigkeit" ist zwar falsch, aber ebenso falsch ist es, wenn monetaristische Ziele blind verfolgt werden. Förderung von Investitionen in Humanressourcen, weitere Verkürzung der Arbeitszeit, mehr Möglichkeiten für kürzere oder längere Beurlaubungen für Betreuung, Fort- und Weiterbildung oder Umschulung, zu all diesen Punkten liegen Pläne vor, die erst noch ausgeführt werden müssen. Für die Europäische Union stellt sich hier in Ergänzung zu den in den Mitgliedstaaten ergriffenen Maßnahmen eine zusätzliche Aufgabe. Auch auf dem Gebiet der Justiz und des Inneren ist in stärkerem Maße eine europäische Gemeinschaftspolitik erforderlich. Es handelt sich hier par excellence um einen Bereich, um den die Bürger besorgt sind. Es geht um den Kampf gegen internationale Kriminalität, um Drogen-, Rassismus- und Betrugsbekämpfung sowie um die Asylpolitik. In Maastricht wurden Pläne für eine Vergemeinschaftung des dritten Pfeilers ausgearbeitet, doch habe ich den Eindruck, daß bisher das Gegenteil erfolgte, denn wir erleben jetzt gerade, daß die zwischenstaatliche Zusammenarbeit verstärkt wird, was nicht hingenommen werden kann. Wir haben also Kritik zu üben, doch möchte ich auch einige positive Bemerkungen vorbringen. Was zur Umweltpolitik gesagt wird, wird von uns sehr begrüßt. Auf umweltpolitischem Gebiet stehen zahlreiche Themen an, und das gilt auch für die Entwicklungszusammenarbeit. Daß sowohl auf dem Gebiet der Umwelt als auch der Entwicklungszusammenarbeit ein koordinierter, integrierter Ansatz festgelegt wurde, finden wir großartig. Zu den Ausführungen des Ministers über die Regierungskonferenz werde ich nichts sagen, da wir damit selbstverständlich vollkommen einverstanden sind. Europa ist unseres Erachtens aus dem Gleichgewicht gekommen, und es ist volle Aufmerksamkeit erforderlich, um das Gleichgewicht wiederherzustellen: Gleichgewicht zwischen Nord und Süd, auch in finanzieller Hinsicht, Gleichgewicht zwischen europäischem Eigeninteresse und internationaler Solidarität. Es sind Anstrengungen erforderlich im Hinblick auf die WWU, aber auch im Hinblick auf die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Erhaltung der Natur sowie die Chancengleichheit. Natürlich heißt auch die Ausübung einer Präsidentschaft, wie uns bestens bewußt ist, daß nach einem Gleichgewicht gesucht werden muß und daß es keine Entgleisung geben darf. Wenn sich der Gleichgewichtskünstler jedoch nicht traut und stehen bleibt, stürzt er unwiderruflich ab. Minister Van Mierlo, ich wünsche Ihnen Mut und Inspiration auf dem dünnen Seil, und ich hoffe, Sie im Juli im Namen der Sozialistischen Fraktion mit kräftigem Beifall begrüßen zu dürfen. Herr Präsident, trotz der konstruktiven Ausführungen zu Europa, zu denen ich Minister Van Mierlo beglückwünschen möchte, hat die niederländische Präsidentschaft nicht unter einem allzu günstigen Stern begonnen. An der unnötigen und sinnlosen Diskussion über ein an sich gemäßigtes irisches Dokument zur gemeinsamen Bekämpfung der internationalen Drogenkriminalität hat sich gezeigt, daß es an Einsicht in die von anderen Mitgliedstaaten vertretenen Positionen fehlt und daß es in unserem eigenen Haus keine Koordination gibt. Ich hoffe aufrichtig, daß es beim weiteren Verlauf der Ratspräsidentschaft besser gehen wird, auch schon deswegen, weil in der Vergangenheit die Präsidentschaft der Europäischen Union von den Niederlanden stets vorzüglich ausgeübt wurde. Wir haben in diesem Punkt also einen guten Ruf zu verlieren. 1991 gelang es der vorhergehenden niederländischen Regierung endlich, den Vertrag von Maastricht und den Vertrag für die Wirtschafts- und Währungsunion zu einem Abschluß zu bringen. Es handelte sich hier um eine großartige Leistung von Ex-Ministerpräsident Lubbers, Ex-Minister Van den Broek, der heute hier anwesend ist, und von Ex-Minister Kok. Daß die Niederlage des Black Monday , über die in Brüssel und in Straßburg schon längst nicht mehr gesprochen wird, für unser Land offensichtlich soviel schwerer wiegt als der Doppelerfolg vom Dezember 1991, ist eigentlich sonderbar. Handelt es sich hier um Masochismus, um die Angst vor einem Mißerfolg? Ich hoffe, daß es sich nicht um Letzteres handelt, denn das ist ein schlechtes Zeichen. Das niederländische Programm enthält wenig Neues, wenig Kreatives und wenig Unternehmerisches. Die Niederlande ergreifen offensichtlich keine Initiativen, sie erledigen die laufenden Tagesgeschäfte. Mut und Inspiration scheinen etwas zu fehlen. Als wichtigste zu erledigende Aufgabe gilt der Abschluß der Regierungskonferenz. Worin liegen für uns Christdemokraten hier die wichtigsten Kriterien? Woran werden wir das Ergebnis messen? Unseres Erachtens muß zunächst in dem neuen Vertrag klar gemacht werden, was die europäische Bürgerschaft beinhaltet. Wir möchten, daß der Vertrag in diesem Punkt eine wesentliche Ergänzung erfährt. Unseres Erachtens darf auf dem Hoheitsgebiet der Union kein einziger Bürger diskriminiert werden, weder wegen seiner Rasse, seiner Herkunft, seiner Religion, seines Geschlechts, seiner Farbe, seiner Veranlagung noch wegen einer Behinderung. Wir möchten also einen Artikel 1 wie in der niederländischen Verfassung, der dann in dem Europäischen Vertrag von Amsterdam aufgenommen werden soll. Ferner möchten wir, daß die europäischen Institutionen gezwungen werden, ihre bürokratische und technokratische Arbeitsweise zu ändern im Hinblick auf ein offenes, transparentes und demokratisches Funktionieren. Wir wollen ein allgemeines Recht der Bürger auf Information, Bestimmungen über eine offen gestaltete Politik auf europäischer Ebene sowie normale Zuständigkeiten für das Europäische Parlament, denn es ist zu absurd, daß dieses Parlament, nachdem es seit 18 Jahren direkt gewählt wird, noch immer nicht sämtliche Befugnisse besitzt. Der Harmonisierung der Flut absurder Rechtsdetails betreffend Mähmaschinen, Abmessungen von Bananen und Erdbeeren sowie den Fettgehalt in Schokolade muß Einhalt geboten werden. Geelhoed hatte in den Niederlanden absolut recht mit der Feststellung, daß wir uns auf die wirklich wichtigen Probleme, auf die großen internationalen Probleme unserer heutigen Zeit, auf die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, der Umweltverschmutzung, der internationalen Kriminalität sowie des Drogen- und Waffenhandels konzentrieren müssen. Von Europol wird zwar bei gestohlenen Autos gefahndet, jedoch noch immer nicht bei entführten Kindern. Ferner sind - und meines Erachtens hat Frau d'Ancona darin absolut recht - zusätzliche Anstrengungen erforderlich, um Betrügereien besser unter Kontrolle zu bringen. Weshalb wird die Zusammenarbeit zwischen nationalen Rechnungshöfen und dem Europäischen Rechnungshof nicht verbessert? Auf außenpolitischem Gebiet ist ein effizienteres Handeln erforderlich. Praktisch verhält es sich heute so, daß wir wie ein Dorf mit fünfzehn Feuerwehren reagieren, die endlos beraten, bevor sie ausrücken, um einen Brand zu löschen; dabei ist es gar nicht so abwegig, daß die Vereinigten Staaten uns überholen und oftmals an einem bestimmten Brandherd bereits anwesend sind, bevor die Europäische Union mit ihren Beratungen überhaupt fertig ist. Hier liegen die Veränderungen, die wir in der Europäischen Union anstreben. Ich bin allerdings über die Haltung der niederländischen rotgefärbten Regierung beunruhigt, da in einer Reihe entscheidend wichtiger Fragen offensichtlich kein Einvernehmen besteht. Wie steht es um die Beschlußfassung? Hält die VVD noch immer bei einer Reihe von Punkten an einem Veto fest, während von den übrigen Partnern qualifizierte Mehrheiten befürwortet werden? Ist die VVD eigentlich noch immer gegen eine Beschäftigungspolitik, während Minister Melkert beabsichtigt, Initiativen auf diesem Gebiet zu ergreifen? Wie steht es um den demokratischen Gehalt der Union, wenn es um die von dem roten Kabinett vertretenen Standpunkte geht? Stimmt es, daß sich die VVDMinister im Kabinett einer Erweiterung der Haushaltsbefugnisse widersetzt haben, so daß nur unsere Gesetzgebungsbefugnisse erweitert werden und nicht die Befugnisse im Bereich des Haushalts? Ist es tatsächlich zutreffend, daß die Hälfte des Gemeinschaftshaushalts weiterhin auf undemokratische Weise aufgestellt wird, und zwar auch in Zukunft? Was sodann die Außenpolitik anbelangt, so möchte die VVD hier keine Erweiterung der Zuständigkeiten der Union, während sie von anderen Partnern für richtig befunden wird. Solche Probleme und Meinungsverschiedenheiten bedeuten für die niederländische Präsidentschaft eine große Schwäche. Wie läßt sich eine sinnvolle, kreative und mutige Tagesordnung erstellen, wenn im eigenen Land solche Meinungsverschiedenheiten bestehen? Das niederländische Programm enthält daher nicht viel Neues, Kreatives und Unternehmerisches. Die EVP ist für Erneuerungen in der Europäischen Union sowie für Solidarität mit den mittel- und osteuropäischen Ländern. Wir sind für Einheit in der Vielfalt, wir sind für ein starkes, effizientes und gemeinschaftliches Europa. Das war schon immer der von den Christdemokraten gesteuerte Kurs, den wir auch in Zukunft weiterverfolgen werden. Ich fühle mich bis ins Tiefste meines Herzens als "Niederländerin" und möchte, daß dies auch weiterhin der Fall ist; unsere Sicherheit und unser Wohlstand sind jedoch nur in einem gemeinsamen europäischen Haus gewährleistet. Ich hoffe von Herzen, daß die niederländische Präsidentschaft erfolgreich sein wird. Ich möchte lieber stolz auf ein gutes Ergebnis der Niederlande sein als mich wegen schlechter Ergebnisse genieren zu müssen; vor einem solchen Hintergrund möchte ich vor allem der rotgefärbten Regierung mehr Geschlossenheit wünschen und ich wünsche Minister Van Mierlo, an dessen europäischer Gesinnung ich keine einzige Minute zweifele, viel Erfolg und sehr viel Kraft. Herr Präsident, der Vater meines Vaterlandes - ich glaube aufrichtig an ein Europa der Nationen - ist der Prinz von Oranjen aus Frankreich und gleichzeitig Graf von Nassau aus Deutschland; das erste Beispiel also einer deutsch-französischen Zusammenarbeit, durch die die Niederlande entstanden sind. In schwierigen Situationen pflegte Wilhelm von Oranjen Nassau in Französisch zu sagen: Il n'y pas besoin d'espérer pour entreprendre ni de réussir pour perséverer. Man braucht nicht zu hoffen, um zu unternehmen, noch erfolgreich zu sein, um weiterzumachen. Das möchte ich dem niederländischen Vorsitzenden gerne mit auf den Weg geben, wenngleich die Situation nicht so aussichtslos ist wie 1548. Ich danke Herrn Van Mierlo für seinen konstruktiven philosophischen Beitrag. Sie sind zwar für vierzehn Mitgliedstaaten primus inter pares; da der Idealismus des Nachkriegs-Europa verblaßt ist und das europäische Konzept zu verwässern droht, können Sie sich jedoch nicht mehr hinter Begriffen wie Flexibilität und Pragmatismus verschanzen. Das ist auch Ihnen bewußt. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands stehen wir am Vorabend einer Erweiterung und damit am Vorabend einer historischen Chance, zu verhindern, daß wir bei einer erweiterten Handelszone stehenbleiben. Wie läßt sich nun in der Praxis durch jene ambivalente Drogenpolitik in den Niederlanden die Drogenkriminalität erfolgreich bekämpfen? Die Vorschläge für die Erweiterung bleiben unklar. Sind oder sind Sie nicht bereit, ein jeweils abwechselndes Kommissionsmitglied aus den Benelux-Staaten zu akzeptieren? Wie kann von Ihnen weiterhin behauptet werden, in den Friedensprozeß im Nahen Osten sinnvoll einzugreifen, wenn das in Europa selbst nicht geschehen ist und auch nicht geschieht? Es sind erneut die Vereinigten Staaten, die die serbische Opposition aktiv unterstützen und die Raketenkrise auf Zypern entschärfen. Welch ein Ungleichgewicht bedeutet es, wenn Länder, von denen Menschenrechte verletzt werden, wie Algerien und Syrien, weiterhin unterstützt werden, während die Beziehungen zur Türkei, gegenüber der die Europäische Union Verpflichtungen besitzt und an der sie sehr viel Geld verdient, zu verwässern drohen! Womit sind Sie in der angeblichen Außenpolitik nun eigentlich beschäftigt? Ich vermag keine außenpolitische Linie zu erkennen. Was sodann das Demokratiedefizit anbelangt, so besteht ein solches Defizit nicht beim Europäischen Parlament, sondern bei Ihnen! Sie führen bei der geheimen Gesetzgebung in der Europäischen Union den Vorsitz. Wir geben Ihnen allerdings den Vorteil des Zweifels. Am Ende der Strecke werden wir Ihre Politik an folgenden Kriterien messen: ist die Gesetzgebung des wichtigsten Gesetzgebers in der Europäischen Union, des Ministerrats, genauso öffentlich und transparent geworden wie diejenige des Europäischen Parlaments, das zusammen mit Ihnen bei der Gesetzgebung mitentscheidet? Dazu ist keine Vertragsänderung erforderlich, sondern dazu reicht eine Geschäftsordnung. Wird das soziale Gesicht der Europäischen Union durch ein gesetzliches Mitspracherecht der Arbeitnehmer gewahrt? Bei den Menschenrechten bleibt Ihre Kritik in China hängen, während sie in Surinam sinnvoll wäre. Werden Sie klären, ob Bouterse zur Zeit der Morde die niederländische Nationalität besaß oder nicht, und werden Sie dafür Sorge tragen, daß das mysteriöse Verschwinden der Akten über diese Nationalität zur Sprache gebracht wird? Damit ist den Menschenrechten gedient, damit wird internationaler Drogenhandel bekämpft. Halten Sie beispielsweise an dem harten Euro fest? Was haben Sie unternommen, damit die Europäische Union regierbar ist, bevor zur Erweiterung übergegangen wird? Diese Punkte werden wir am Ende der Strecke beurteilen. Ich möchte der niederländischen Präsidentschaft im Namen der kleinen Delegation innerhalb der Fraktion Union für Europa vollen Erfolg wünschen, denn Europa hat einen solchen Erfolg nötig und verdient ihn, und wir müssen alle an dem Ziel der Stabilität und Sicherheit zusammenarbeiten. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg, Herr Van Mierlo. Ich möchte mich auf die Hauptsache beschränken, nämlich die Europapolitik, und die niederländische Innenpolitik den Kolleginnen und Kollegen in der Zweiten Kammer überlassen, an die Frau MaijWeggen mit so viel Nostalgie zurückdenkt. Für die Europäische Union beginnt die wichtigste Phase ihrer Entwicklung seit 1957. Die Union steht an einem für ihre Zukunft entscheidenden Wendepunkt. Entweder gibt es im Jahr 2002 eine einheitliche Währung in der Europäischen Union, im Norden und im Süden, oder wir werden eine solche Chance für die Dauer einer Generation verspielen. Entweder integriert die Union die Demokratien in Osteuropa oder sie wird ihrer wichtigsten Aufgabe nicht gerecht. Entweder sie hält die Integrität ihrer einzigartigen Institutionen intakt, oder das geopolitische Gewicht Deutschlands wird im übrigen Teil Europas erneut Animosität hervorrufen. Angesichts solcher Aufgaben schrecken zahlreiche nationalen Politiker davor zurück, der Europäischen Union die notwendige Führung zu übertragen. Allzuoft entscheiden sie sich dafür, durch ihr Tun oder Nichttun das Feuer des Nationalismus zu schüren. Allzuoft lassen sie sich dazu verleiten, der Europäischen Union die Schuld für unpopuläre nationale Beschlüsse zu geben, während sie die Ehre für die Errungenschaften der Union für sich selbst in Anspruch nehmen. Dadurch besteht die Gefahr, daß die Union zum Brennpunkt der Ängste unserer Bürger wird anstatt zum Brennpunkt ihrer Hoffnung. Das ist eine gefährliche Entwicklung; die europäische Integration ist nämlich nicht unumkehrbar. Nationalismus ist zerstörerischer und die Europäische Union zerbrechlicher, als viele annehmen. In einem solchen Licht sind die wichtigsten Aufgaben für die Union unter der niederländischen Präsidentschaft klarer, nämlich: erstens dafür Sorge zu tragen, daß die einheitliche Währung bald stabil und stark sein wird, und zweitens, die Union für die Erweiterung vorzubereiten, indem sie effizienter und demokratischer gestaltet wird. Elf Länder haben einen Beitrittsantrag gestellt: sechs in Mittel- und Osteuropa, drei in der baltischen Region und zwei im Mittelmeerraum. Je größer die Viefalt in der Union ist, desto schwieriger werden Beschlüsse zu fassen sein. Eine Union von 18 bis 26 Mitgliedstaaten steht also vor einer grundlegenden Entscheidung: entweder Einschränkung des Gebrauchs des Vetorechts oder Gefahr eines Abgleitens zu einer kleineren Ausgabe der OSZE. Eine nicht mehr rasch beschluß- oder handlungsfähige Union wird für unsere Bürger schnell bedeutungslos werden. Eine solche Union verliert endgültig die Unterstützung ihrer Bürger. Nichts schadet der Glaubwürdigkeit der Union mehr, als wenn sie ständig außerstande ist, in der internationalen Politik mit nur einer Stimme zu sprechen. Der Grund liegt zum Teil darin, daß das Vetorecht mißbraucht wird. Portugal blockierte ein EU-Abkommen mit ASEAN, Spanien eine Übereinkunft mit Kanada, das Vereinigte Königreich behinderte einen Gemeinsamen Standpunkt über chemische Waffen, Griechenland blockierte die Mittelmeerpolitik der Union. In der Handels- und Außenpolitik der Union bestehen derzeit einfach zu viele Möglichkeiten einer Herausforderung. Daher muß der Vertrag in diesem Punkt geändert werden. Eine Vertragsänderung allein reicht natürlich nicht aus. Wir müssen auch bereit sein, gemeinschaftliche Interessen und Grundsätze gemeinsam zu verteidigen. Das ist nirgends dringender erforderlich als im ehemaligen Jugoslawien. Wann wird die Union endlich von Belgrad und Zagreb die Auslieferung mutmaßlicher Kriegsverbrecher fordern? Zwar werden die Schlußfolgerungen von London von der Union begrüßt, doch ist das alles wenig überzeugend und sicherlich nicht sehr wirksam. Daher fordere ich die niederländische Präsidentschaft der Union auf, eine gemeinsame Aktion vorzuschlagen, bei der die gesamte nichthumanitäre Hilfe an das ehemalige Jugoslawien konkret davon abhängig gemacht wird, daß mutmaßliche Kriegsverbrecher dem Tribunal in Den Haag überstellt werden. Unsere Bürger benötigen auch dringend eine Antwort auf die rasch zunehmenden Probleme grenzüberschreitender Kriminalität und Migration. Ich bin für eine frontale Betrugsbekämpfung, für eine bessere Kontrolle unserer Außengrenzen sowie für ein gerechtes System der Lastenteilung in bezug auf die Flüchtlinge. Um in jedem dieser Punkte energisch durchgreifen zu können, müssen die Mitgliedstaaten die lähmende Wirkung des Vetorechts einschränken. Die Union muß in die Lage versetzt werden, in den Bereichen aktiv zu sein, in denen dies von unseren Bürgern gewünscht wird, d. h. bei dringenden internationalen Problemen. Es ist an der Zeit, daß die den Bürgern in Maastricht gemachten Versprechen von der Union endlich erfüllt werden. Nationale Politiker müssen es zulassen, daß die Europäische Union mehr ist als die Summe nationaler Egoismen. Möge die niederländische Präsidentschaft in diesem Sinne ein Erfolg sein. Herr Präsident, ich möchte hier einige Anmerkungen zu dieser Debatte machen, die bisher in holländischer Sprache stattfand und einige "Pinselstriche" in den Farben des Südens hinzufügen. Wie schon gesagt wurde, stehen drei Hauptthemen auf der Tagesordnung, die sich in einigen Punkten nicht miteinander vereinbaren lassen und die unzweifelhaft zu den Prioritäten der holländischen Präsidentschaft gehören. Ich beziehe mich auf die Schlußphase der Regierungskonferenz, auf die dritte Phase der Wirtschaftsund Währungsunion und auf die Erweiterung. Indessen gibt es andere Proiritäten, die die Bürger unserer Länder besonders zu spüren bekommen und die ebenfalls vorrangig Aufmerksamkeit verdienen. Davon möchte ich folgende hervorheben: die wachsenden sozialen Probleme - ganz besonders die ernste Geißel der Arbeitslosigkeit -, die Mitwirkung der Bürger am Leben und an den gemeinschaftlichen Entscheidungen und die Effizienz - oder die fehlende Effizienz - der Zusammenhalts- und Solidaritätsprinzipien, wie sie im Vertrag verankert sind. Beginnen möchte ich damit, nicht meiner Überraschung, sondern vielmehr meiner Überzeugung Ausdruck zu geben, daß sich während dieser Präsidentschaft bezüglich der letzten von mir genannten Aspekte wenig oder nichts bewegen wird. Auf sozialer Ebene - und ganz besonders auf dem Gebiet der Beschäftigung - zeichnen sich keine großen Veränderungen ab, keine signifikanten oder grundlegenden Veränderungen gegenüber dem, was die gemeinschaftlichen Politiken bis zu diesem Augenblick verfolgt haben. In Anbetracht der Besessenheit, mit der auf die Anwendung der nominellen Konvergenzkriterien gedrungen wurde, sind größere Schwankungen, größere Deregulierung, stärkere Gefährdung der Arbeitsplätze, mehr Arbeitslosigkeit vorherzusehen... Selbstverständlich wissen wir einige Punkte im Programm der holländischen Präsidentschaft zu schätzen, die z.B. Bezug nehmen auf die größere Gleichberechtigung von Männern und Frauen. Aber wir sind uns einig, daß dies in der momentanen sozialen Situation nicht genug ist. Neue Orientierungen - und unserer Meinung nach eine tiefgreifende Änderung - sind unerläßlich. Dasselbe könnte man von der Beteiligung der Bürger sagen, die zunehmend ängstlicher werden und sich vom gemeinschaftlichen Leben und den Möglichkeiten, die es bietet, immer weiter entfernen. Kurz vor Ende der Regierungskonferenz und vor der dritten Phase der Wirtschafts- und Währungsunion wäre eine engagierte Haltung und die starke Beteiligung der europäischen Bürger zu erwarten, was auf eine breitgefächerte und engagierte Diskussion und die Anhörung dieser Bürger via Referenda hinauslaufen würde. Wie das Parlament dies übrigens schon unterstrichen hat. Die holländische Präsidentschaft geht indessen in dieser Sache nur wenig voran, und beläßt es bezüglich der Ergebnisse der Regierungskonferenz bei den bekannten und begrenzten Erwartungen und bei Absichtserklärungen, von denen wir natürlich Kenntnis nehmen, die uns aber zu vage erscheinen. Hinsichtlich des Zusammenhalts gibt es nur eine totale Fehlanzeige, kein Wort über diesen Bereich. Was natürlich symptomatisch ist und eine ganz bestimmte Auffassung der Gemeinschaft enthüllt. Ich kehre nun zu den drei Hauptthemen zurück, die ich zu Beginn meines Beitrags genannt habe. In der Aussprache heute morgen hatten wir schon Gelegenheit, die Ergebnisse des Dubliner Gipfels in ihren verschiedenen Facetten zu bewerten, so daß wir es uns schenken zu wiederholen, was wir dort gesagt haben und uns auf einen Aspekt konzentrieren wollen, der mir besonders wichtig und aktuell erscheint. Er bezieht sich auf die Wirtschafts- und Währungsunion und hat direkt mit der jetzigen Präsidentschaft zu tun. Es handelt sich um die Bemerkung des jetzigen holländischen Finanzministers über die begrenzte Gruppe der Länder, die, wie er versicherte, sich wohl zu Beginn der dritten Phase der WWU konstituieren werde, wodurch dem Entwicklungsniveau und der Potenz der Wirtschaft dieser Länder Priorität eingeräumt und die Achtung - bzw. Nichtachtung - der nominellen Konvergenzkriterien auf einen nachrangigen Platz verwiesen werden wird. Eine solche Erklärung hat uns nicht überrascht. Wir haben übrigens schon erwartet, daß sie irgendwann einmal auftaucht, aus dieser oder jener Quelle. Nicht nur, weil wir diese Kriterien schon immer für künstlich und willkürlich gehalten haben, sondern auch und an erster Stelle deshalb, weil selbst Länder mit starker Wirtschaft offensichtlich Schwierigkeiten haben, sie zu erfüllen, weil man zweitens effektiv eine starke Währung schaffen möchte und weil wir schließlich immer den Verdacht hatten, daß letztlich die Entscheidungen dafür endgültig anhand deutlich politischer Kriterien fallen werden - bzw. dürften. Das alles aber verlangt - und damit schließe ich -, daß die jetzige Präsidentschaft klar, deutlich und objektiv darlegt, was sie für diesen Bereich vorschlägt. Das ist es, was im jetzigen Augenblick von ihr verlangt wird. Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, ich setze die Reihe der Nicht-Niederländer fort, die heute das Wort ergreifen. Es ist eine gute Gewohnheit, daß man sich zu Beginn eines Jahres das Beste wünscht, und ich wünsche der niederländischen Präsidentschaft vor allem viel Mut, um die harten Nüsse, die in den kommenden Monaten auf sie zukommen werden, knacken zu können. In dem vorliegenden Tätigkeitsprogramm heißt es, daß der irische Entwurf eines neuen Vertrags von den Niederlanden begrüßt wird. Ich möchte jedoch darauf aufmerksam machen, daß von einer breiten Mehrheit in diesem Parlament darauf hingewiesen wurde, daß die im Namen der irischen Präsidentschaft zu diesem Vertrag unterbreiteten Vorschläge hier keine so positive Aufnahme finden, und zwar insbesondere wegen eines ganz wesentlichen Punktes, nämlich der sehr geringen Fortschritte bei der Demokratisierung in bezug auf das Parlament. Insbesondere - und der Kollege Brok hat dies hier heute vormittag sehr klar gesagt - ging es darum, daß bei einer nächsten Erweiterung der Union die Gefahr droht, daß wir es faktisch mit einer "Entparlamentarisierung" zu tun haben werden; das wäre wohl das Letzte, denn es ist natürlich zu absurd, wenn auf der einen Seite Kampagnen durchgeführt werden, um Europa den Bürgern endlich näher zu bringen, und wenn auf der anderen Seite die Vertreter dieser Bürger selbst im Stich gelassen werden. Daher möchte ich darauf hinweisen, daß die Rolle der Volksvertreter vielmehr verstärkt werden muß, und meines Erachtens hat der BSE-Skandal, der ausgerechnet durch unseren Untersuchungsausschuß hier in aller Schärfe bloßgestellt wurde, auf überzeugende Weise gezeigt, daß von den gewählten Vertretern eine unersetzbare Funktion erfüllt wird, wenn die Interessen der Bevölkerung und insbesondere die Gesundheit der Bürger sichergestellt werden sollen. Kommission und Rat lassen sich erfahrungsgemäß allzu leicht von Interessengruppen oder bestimmten Regierungen der Mitgliedstaaten beeinflussen und unter Druck setzen. Meines Erachtens gilt es also, Beweise dafür zu erbringen, daß das Parlament vielmehr in der Lage sein muß, solche wesentlichen Interessen sicherzustellen. Daher wird von uns auch gefordert, daß das Parlament ein Mitentscheidungsrecht im Bereich der Landwirtschaft erhält. Bezüglich der Vorschläge zum Binnenmarkt halte ich die Behauptung, darin bestünde die beste Garantie für wirtschaftliches Wachstum und Beschäftigung, doch für etwas zu unbegründet. Von welcher Art von Wachstum wird denn dabei gesprochen? Einem Wachstum, das mehr Verschmutzung bedeutet und weniger Aussicht auf neue Arbeitsplätze bietet? Daß der Binnenmarkt in den letzten Jahren bei der Schaffung von Arbeitsplätzen keineswegs gut abgeschnitten hat, ist offenkundig; außerdem möchte ich darauf hinweisen, daß wir immer häufiger erleben, wie korrekte Umweltnormen in den Mitgliedstaaten und der sogenannte freie Wettbewerb auf diesem Binnenmarkt miteinander in Konflikt geraten. Wenn Deutschland umweltverträgliche Energie durch steuerliche Maßnahmen fördern möchte, wird dies als wettbewerbsverfälschend dargestellt, während Länder, die sich um eine Internalisierung von Umweltkosten bemühen, attackiert werden; dabei werden die Wettbewerbsverhältnisse von denjenigen verzerrt, die die Umweltkosten externalisieren. Auf der Grundlage solcher Praktiken, die gerade auf dem Binnenmarkt zunehmen, ist nun einmal keine dauerhafte Entwicklung möglich. Völlig enttäuschend sind die zur Beschäftigung angekündigten Maßnahmen. Es gibt wieder einmal einen Bericht, in dem auf den ECOFIN-Rat verwiesen wird, von dem in den letzten Jahren bewiesen wurde, daß er nicht stimulierend, sondern bremsend wirkt. Wir haben im übrigen mit einer Vielzahl von Kolleginnen und Kollegen dagegen Klage erhoben. Ich möchte mit der Feststellung schließen, daß, wenn von Ihnen, Herr Van Mierlo, gesagt wird, daß Sie sich die Frage stellen, ob eine europäische Konstruktion für die Bürger begeisternd sein kann, die Antwort hierauf lautet, daß in jedem Fall nur dann eine gewisse Begeisterung geweckt werden kann, wenn sich die Union als ein emanzipatorisches politisches Projekt gegenüber einem unfaßbaren und nicht zu kontrollierenden Weltmarkt profiliert. Stattdessen erleben wir, daß sich die Union selber eine diesem Weltmarkt untergeordnete Stellung zuweist. Ich fordere die niederländische Präsidentschaft auf, bei den Außenbeziehungen in der Frage der Menschenrechte sehr aktiv zu sein. Die Niederlande stehen diesbezüglich nicht in bestem Ruf; die Achtung der Menschenrechte wird vorzugsweise Initiativen auf Gemeinschaftsebene überlassen. Die Ratspräsidentschaft wird jetzt von Ihnen ausgeübt, und meine Bitte lautet, daß Sie diesmal alle Anstrengungen unternehmen und daß Sie unter anderem Milosevic unter Druck setzen und ihn zur Anerkennung sämtlicher Wahlergebnisse in seinem Land veranlassen mögen. Mijnheer de Voorzitter , verehrte Kolleginnen und Kollegen, nach dem Kollegen Miranda möchte auch ich mich in diese sehr niederländische Aussprache, die überwiegend auf Niederländisch gehalten wird, mit einigen Worten in einer anderen Sprache einbringen und meiner aufrichtigen Freude darüber Ausdruck verleihen, daß in diesem Semester die Niederlande den Vorsitz haben. Als Mitglied der transnationalen radikalen Partei kann ich nicht vergessen, daß der Niederländer Boos den Vorsitz im vorbereitenden Ausschuß hatte, der in den Vereinten Nationen - auch Dank der Unterstützung der EU - mit dazu beitrug, daß 1998 als Datum für die Einrichtung des Internationalen Strafgerichtshofs festgesetzt wurde. Dieses Beispiel zeigt, daß mit einem politischen Willen kleine Schritte in die richtige Richtung gemacht werden können. Ich äußere hier diesen Wunsch, weil im Laufe des Halbjahrs der niederländischen Präsidentschaft gemacht werden können. Natürlich stehen wir und Sie vor überaus wichtigen Herausforderungen, die meines Erachtens für die Zukunft der EU entscheidend sind. Für die WWU ist 1997 ein entscheidendes Jahr. Die niederländische Präsidentschaft muß sich die immer häufiger auftretenden Überlegungen zu eigen machen, und - neben dem erforderlichen Weg, der uns zur einheitlichen Währung führt - müssen auch politische Überlegungen über den erforderlichen Ausgleich für die Regelung der Wirtschaften angestellt werden, denn die Konvergenz sollte nicht nur im Hinblick auf die Währung erfolgen, sondern sie sollte tatsächlich mit einer einheitlichen Währung zu jener wirtschaftlichen Regelung führen, die Jacques Delors forderte. Andernfalls wird sich mit dem Inkrafttreten der einheitlichen Währung die Öffentlichkeit vielleicht zunehmend von Europa und der EU abwenden. Wir hingegen müssen uns vorbehaltlos für die EU einsetzen, auch um die weltweiten Herausforderungen zu bestehen. Uns liegt das hervorragende Dokument des Institutionellen Ausschusses für die Regierungskonferenz vor, und ich hoffe, daß das Parlament es morgen verabschieden wird. Ich hoffe, daß die niederländische Präsidentschaft auf der Regierungskonferenz dies als zusätzlichen und wertvollen Beitrag berücksichtigen wird, um die unter der irischen Präsidentschaft begonnenen Arbeiten abzuschließen. Im Hinblick auf die Herausforderungen von seiten der Außen- und Sicherheitspolitik muß ich leider feststellen, daß es sehr viele Einschränkungen geben kann, aber mit der Entschlossenheit einer Regierung können einige wichtige Dinge getan werden, wie zum Beispiel die Idee eines Moratoriums über die Todesstrafe zu fördern oder auch im Hinblick auf China wird man hoffentlich gegenüber dem Veto Italiens und Frankreichs nicht nachgeben, die verhindern wollen, daß ein Antrag zu China bei der Menschenrechtskommission in Genf eingebracht wird. Sie müssen weitermachen, denn das Parlament wird sie unterstützen, und es werden kleine Schritte in die richtige Richtung sein. Herr Präsident, die größte Herausforderung, vor der die niederländische Präsidentschaft steht, stellt zweifellos der Abschluß der Regierungskonferenz dar. Es ist eine institutionelle Reform erforderlich, damit die Union für 25 oder mehr Mitgliedstaaten entsprechend gerüstet ist. In dem allgemeinen Entwurf für eine Revision der Verträge ist zu diesem Punkt lediglich eine Bestandsaufnahme der sich stellenden Probleme enthalten. Es steht also noch ein schwieriger Weg bevor. Unterdessen ist allerdings klar, daß eine Änderung vor allem in Richtung einer weiteren Vertiefung der europäischen Integration erfolgen wird. Das heißt, daß mehr Befugnisse sowie eine weitere Zentralisierung der Beschlußfassung auf Gemeinschaftsebene angestrebt werden, was von einem bestimmten Konzept für die gewünschte künftige Struktur der Union aus gesehen auf der Hand liegt. Allerdings darf nicht übersehen werden, daß es dabei auch negative Aspekte gibt. Zu denken ist insbesondere an die zwischen der politischen Gemeinschaftsebene und den Bürgern bestehende Kluft. Aus diesem Grund fordere ich die niederländische Präsidentschaft auf, in bezug auf dieses beunruhigende Phänomen, das die Kehrseite einer weiteren Zentralisierung bildet, zwei Punkten besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Das irische Dokument enthält dazu positive Ansatzpunkte. Erstens, der vernünftige Vorschlag, die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips in einem dem Vertrag beizufügenden Protokoll auszuarbeiten. Auf dem Gipfel von Edinburgh Ende 1992 wurden als Reaktion auf die Ablehnung des Maastrichter Vertrags durch Dänemark zu diesem Grundsatz präzisere Bestimmungen festgelegt. Leider wurden diese Bestimmungen vom Europäischen Parlament nicht übernommen und ebensowenig in dem irischen Dokument. Durch eine Anwendung der in Edinburgh festgelegten Bestimmungen kann jedoch wesentlich dazu beigetragen werden, daß weniger gemeinschaftliche Rechtsvorschriften erlassen werden und daß sie weniger detailliert sind. Dies stellt eine Notwendigkeit dar, wenn eine Union von 25 oder mehr Mitgliedstaaten mit zunehmend größeren gegenseitigen Unterschieden regierbar bleiben soll. In diesem Zusammenhang darf sich die niederländische Präsidentschaft auch nicht scheuen, bestimmte Aufgaben, die der Union übertragen wurden, nötigenfalls an die Mitgliedstaaten zurückzugeben. Einen zweiten wichtigen Ansatzpunkt in dem irischen Dokument bildet der Vorschlag, die Stellung der nationalen Parlamente bei der Politik auf Gemeinschaftsebene zu verstärken. Bei den über die demokratische Kontrolle der europäischen Beschlußfassung geführten Diskussionen wird viel von dem Demokratiedefizit gesprochen. Eine Lösung für dieses Problem wird im allgemeinen darin gesucht, daß die Befugnisse des Parlaments erweitert werden. Allerdings darf nicht vergessen werden, daß die nationalen Parlamente die Grundlage der parlamentarischen Demokratie in Europa bilden und daß dies auch von den Bürgern so gesehen wird. Daher werden die Vorschläge, wonach die nationalen Parlamente unter anderem durch rechtzeitige Übermittlung europäischer Gesetzgebungsvorschläge in den Beschlußfassungsprozeß auf europäischer Ebene integriert werden sollen, von uns unterstützt. Der Begriff Flexibilität scheint bei den Verhandlungen in den kommenden Monaten zum größten Hindernis zu werden. Es wurde vorgeschlagen, daß Länder, von denen eine weitere Souveränitätsübertragung abgelehnt wird, für eine Spitzengruppe von Ländern, die hingegen bereit sind, kein Hindernis bilden dürfen. Sehr angetan sind wir von solchen Vorschlägen nicht. Sie werden dazu führen, daß die Zusammenarbeit zerbröckelt und daß die Beschlußfassung in der Union komplizierter wird. Wir halten es für besser, daß die Zusammenarbeit im Rahmen der Europäischen Union auf Politikbereiche beschränkt wird, die mit dem Binnenmarkt im Zusammenhang stehen. Länder, die auf Gebieten wie Außenpolitik und Justiz eine weitergehende Zusammenarbeit anstreben, können dazu Vereinbarungen außerhalb des Vertrags treffen. Abschließend hoffen wir, daß es der niederländischen Präsidentschaft gelingen möge, die Regierungskonferenz zu einem erfolgreichen Abschluß zu bringen. Ein qualitativ gutes Ergebnis ist unseres Erachtens besser als die Einhaltung eines selbstauferlegten Zeitplans. Ich wünsche der niederländischen Präsidentschaft viel Energie und Entschlußkraft. Herr Ratspräsident, wir haben Ihre Stellungnahme gehört und halten viele der Programme und Projekte für lobens- und unterstützenswert. Wir wollen jedoch nicht, daß - wie es bei anderen Präsidentschaften geschehen ist - die Dossiers ständig geöffnet bleiben und die Probleme dann vergessen werden, um dann die Programme der folgenden Präsidentschaften wieder damit zu füllen. Die Mitglieder der Alleanza Nazionale halten die folgenden Monate für wesentlich, weil die Regierungskonferenz zum Ende kommen und damit endlich verständlich wird, welcher Art die künftige EU sein wird. Wird es eine EU "à la carte" sein, wie man so schön sagt, in der jedes Land seine eigene Interessen vertreten wird, ohne sich durch unangenehme Pflichten eingeschränkt zu fühlen, oder wird es ein Europa des Binnenmarktes und der einheitlichen Währung sein, wo die Finanz- und Währungspolitiken der einzelnen Länder von der Europäischen Zentralbank und innerhalb dieser von einer begrenzten Anzahl von Bankfachleuten entschieden werden, die der sogenannten "Zone der Mark" angehören? Oder wird es eine EU sein, die um die Länder im Osten erweitert und somit "ausgefranst" ist, wenn die Vorschriften nicht geändert und den großen sozialen und Beschäftigungsproblemen angepaßt werden, die ihre Aufmerksamkeit einschränken und nachteilige Auswirkungen auf die Initiativen in anderen Sektoren haben würden. Oder wird es ein Europa sein, wie wir in der Alleanza Nazionale es uns wünschen, in dem es nicht nur einen wirtschaftlichen und finanziellen Zusammenhalt, sondern auch eine einzige Stimme bei Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik gibt, und das die Probleme des Mittelmeerraums und nicht zuletzt das Problem der sich in Nordafrika abzeichnenden Bevölkerungsexplosion mit der sich daraus ergebenden illegalen Einwanderung von Verzweifelten auf der Suche nach Arbeit und Überleben als lebenswichtige für seine Interessen und seine Existenz betrachtet. Die niederländische Präsidentschaft könnte zu diesen und anderen Problemen einen wertvollen Beitrag leisten, auch wenn einige unüberlegte Äußerungen von ihrer Seite und des Direktors der niederländischen Zentralbank mich vermuten lassen, daß man sich eher auf die Umsetzung der einheitlichen Währung und die Einhaltung der Kriterien von Maastricht konzentrieren wird. Obwohl sich meine Partei in Italien in der Opposition befindet, möchte ich darauf hinweisen, daß die Anstrengungen der italienischen Regierung zur Erfüllung der Kriterien von Maastricht - deren Wirksamkeit wir von der Alleanza Nazionale sehr kritisch gegenüberstehen - den Respekt aller verdient haben und daß niemand sich darüber abwertend oder herablassend äußern darf. Ich habe gemäß Artikel 37 Absatz 2 der Geschäftsordnung sieben Entschließungsanträge erhalten . Herr Präsident! Auf den Schultern der niederländischen Präsidentschaft ruht eine große Verantwortung. Europa befindet sich an einem kritischen Punkt seiner Entwicklung, an dem zwei gewaltige Herausforderungen am Horizont dräuen. Erstens ist da selbstverständlich der Schritt hin zur Endphase der Wirtschafts- und Währungsunion, aber daneben ist auch die nicht minder bedeutsame Erweiterung der Europäischen Union in Richtung des Mittelmeers sowie Mittel- und Osteuropas zu bewältigen. Wie wir alle wissen, werden die Beitrittsverhandlungen erst nach dem Abschluß der Regierungskonferenz und nach der niederländischen Präsidentschaft beginnen. Wenn die Verhandlungen, sind sie erst einmal aufgenommen, aber erfolgreich verlaufen sollen, müssen die Vorbereitungen in den kommenden sechs Monaten stattfinden. Statt des einigermaßen nichtssagenden Meinungsaustauschs in der Vergangenheit müssen jetzt wirkliche Bemühungen um einen konstruktiven Dialog unternommen werden. Eine Reihe wichtiger Fragen muß erörtert werden - Fragen, die von den Aspekten des Binnenmarkts bis zum Entstehen einer bürgerlichen Gesellschaft in Osteuropa in ihrer ganzen Komplexität reichen. In diesem Zusammenhang sollten wir unsere Aufmerksamkeit auch auf die Reformen in der Europäischen Union richten, die notwendig sind, damit die Erweiterung vollzogen werden kann. In diesem Hause ist uns allen die Notwendigkeit institutioneller Veränderungen bewußt, doch sollten wir nicht vergessen, daß unsere Haushaltsstrukturen, vor allem die Strukturfonds und die gemeinsame Agrarpolitik, grundlegend reformiert werden müssen. Ohne diese Veränderungen wird es eine Erweiterung schlicht und einfach nicht geben. In den nächsten Jahren muß zugleich mit der WWU die Erweiterung der Union ganz oben auf unserer Tagesordnung stehen. Die Erweiterung ist keine Frage an sich, sondern eine Frage des Wann und des Wie. Die Erweiterung ist im Interesse sowohl der Europäischen Union als auch der beitrittswilligen Länder. Sie ist im Interesse der Union, weil dadurch für uns ein größerer Markt entsteht und Frieden und Stabilität gesichert werden. Sie ist im Interesse der beitrittswilligen Länder, weil die Union ihnen dabei helfen kann, wirtschaftlichen Wohlstand und politischen Fortschritt zu erreichen. Ich möchte hervorheben, daß wir alle gemeinsam als Europäer die moralische Verantwortung haben, mit den Ländern Mittel- und Osteuropas zusammenzuarbeiten, damit sie die Hinterlassenschaft der letzten rund vierzig Jahre bewältigen können. Die Schädigung der Umwelt, die eklatante Mißwirtschaft und die Unterdrückung jeder wirklich demokratischen Regung, all dies ist Bestandteil dieser Hinterlassenschaft. Im Rahmen einer Partnerschaft mit den Menschen in Osteuropa müssen wir sie ein für allemal überwinden. Zusammen müssen wir ein neues und vereinigtes Europa aufbauen - ein Europa, das den Osten ebenso wie den Westen einschließt. In hohem Maße hängen die Geschwindigkeit, mit der die Erweiterung stattfindet, und das Ausmaß, in dem die gewaltigen Probleme überwunden werden, von den Vorbereitungen der niederländischen Präsidentschaft ab. Ich hoffe, daß substantielle Vorbereitungen getroffen werden, und bin mir dessen sicher. Frau Präsidentin, auch ich möchte der amtierenden Präsidentschaft nur das Beste wünschen. Meiner Meinung nach darf man von einer guten Präsidentschaft nicht erwarten, daß sie alle Probleme lösen kann, die die Europäische Union zur Zeit hat - das wäre schon aus rein zeitlichen Gründen unmöglich -, sondern daß sie die Bereitschaft aller bündelt und Konsens herstellt und damit der europäischen Integration neue Impulse verleihen kann, die sich, Frau Präsidentin, in einer entscheidenden Phase befindet. Und eben weil sie sich in einer entscheidenden Phase befindet, meine ich, daß die amtierende Präsidentschaft mit großer Vorsicht, viel Geschicklichkeit und viel Taktgefühl vorgehen sollte. Ich darf Ihnen, Herr amtierender Präsident des Rates, sagen, daß ich die Erklärungen Ihres Kollegen, des amtierenden Präsidenten des ECOFIN-Rates, nicht so recht verstanden habe, der in sicherlich unkorrekter Weise von einer gewissen Hysterie bei einigen Mitgliedstaaten gesprochen hat, die der Währungsunion beitreten wollen. Frau Präsidentin, ich halte es nicht für die Aufgabe der amtierenden Ratspräsidentschaft, die Fähigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten zu bewerten, und ich glaube, Frau Präsidentin, daß es sinnlos ist, sich unnötigerweise aufzuregen, vor allem über ein Thema, das allein vom Vertrag geregelt wird. Um der Wahrheit die Ehre zu geben muß jedoch gesagt werden, daß der Herr amtierende Ratspräsident die Dinge klargestellt und in seinen Ausführungen heute nachmittag Nägel mit Köpfen gemacht hat. Frau Präsidentin, ich denke, daß wir heute über die Ziele und Prioritäten der amtierenden Präsidentschaft zu urteilen haben. Und dazu hätte ich zwei Fragen an den Herrn amtierenden Ratspräsidenten. Erstens: Hat der niederländische Vorsitz geplant, anläßlich des informellen ECOFIN-Rates im April eine erste Analyse der Überprüfung der finanziellen Vorausschauen mit Blick auf die künftige Finanzierung der Gemeinschaft vorzulegen? Und meine zweite Frage, Herr amtierender Ratspräsident: Ist die Möglichkeit vorgesehen, daß die Arbeiten der Regierungskonferenz zur Reform der Verträge nur mit 14 Mitgliedern abgeschlossen werden, und kann der niederländische Vorsitz nach seinen Kontakten mit der jetzigen britischen Regierung irgendeine Initiative präsentieren, mit der man aus dem impasse durch eine solche Situation herauskäme? Frau Präsidentin, ich schließe, wie ich begonnen habe: Ich wünsche dem niederländischen Vorsitz noch einmal das Allerbeste und darf den amtierenden Präsidenten daran erinnern, daß die Präsidentschaft, wie er es auch schon sehr gut zu Beginn seiner Ausführungen gesagt hat, in gewisser Weise vor der gleichen Herausforderung steht wie die Europäische Union als ganzes: Es geht um die Frage, wie sich mit Vorsicht und Fingerspitzengefühl Einheitlichkeit und Verschiedenheit miteinander verbinden lassen, wie sich die berechtigten Interessen der Mitgliedstaaten, einschließlich des die Präsidentschaft ausführenden Mitgliedstaates, mit dem Wunsche vereinbaren lassen, aus der Europäischen Union ein gut gestimmtes, wohltemperiertes Orchester zu machen. Zu diesem Zweck, Herr amtierender Ratspräsident, verfügen wir in unserer Fraktion über zwei Methoden: So oft wie nötig stellen wir Ideen in den Dienst von Idealen und suchen unseren eigenen Vorteil im gemeinsamen Vorteil. Frau Präsidentin, Herr Ratspräsident, auch ich möchte mich den positiven Worten über Ihre Äußerungen im Hinblick auf die Regierungskonferenz, die Währungsunion und die Ausweitung und die Stärkung insbesondere des Dialogs anschließen. Gerade in diesem positiven Rahmen finde ich jedoch Anlaß zu großem Bedauern, und es tut mir leid, daß ich den offensichtlichen Rückschritt bemängeln muß, der der EU im politischen, sozialen und wirtschaftlichen Bereich und insbesondere im Hinblick auf den Binnenmarkt, die Handelspolitik und dieses verflixte Problem der Arbeitslosigkeit, das wir alle bekämpfen, droht. In Ihrem Programm, Herr Präsident, wird der Fremdenverkehr mit keinem Wort erwähnt, der doch innerhalb der EU bereits in der Vergangenheit als etwas sehr Ungewisses und ein nahezu programmatisches Ektoplasma vorhanden war. Dieser Fremdenverkehr ist nun also tot beziehungsweise wurde Mitte letzten Monats vom Ministerrat getötet und umgebracht. Die Traueranzeige wurde im Ausschuß für Verkehr und Fremdenverkehr veröffentlicht, der sich jetzt meines Erachtens nur noch Ausschuß für Verkehr nennen wird, und dies zur Bestürzung all jener, die jahrelang für zwei Projekte gearbeitet haben. Eines davon wurde zurückhaltend als Gemeinschaftliche Aktionen zugunsten des Fremdenverkehrs bezeichnet und entstand 1994. Es war ein bescheidener Ansatz, und dafür war lediglich eine Bereitstellung von 6 Mio. ECU vorgesehen. Wenn Sie bedenken, daß meine Region in den Alpen, in der es lediglich 450.000 Einwohner gibt, eine Million ECU mehr als die gesamte EU bereitgestellt hat, dann haben Sie einen Begriff davon, wie wesentlich es hingegen ist, sich mit dem Fremdenverkehr zu beschäftigen. Bei dieser Aktion ging es um den Fremdenverkehr nach dem Jahr 2000, und deshalb ist das Neugeborene vorzeitig gestorben! Dieser Fremdenverkehr wird im Vertrag zur Union als Sektor und Aktivität von grundlegender Bedeutung bezeichnet. Und die Zahlen sprechen für sich, Herr Präsident, denn es gibt, 9, 5 Mio. Beschäftige, und diese Zahl ist um eine ebenso hohe Zahl der Familien noch erweiterbar, 65 % weibliche Beschäftigte, 296 Mio. Anreisen jährlich in Europa, 165 Mrd. Dollar Einnahmen und somit nahezu mehr als 5 % des europäischen BIP. All dies hat offensichtlich kein Gewicht. Wie ich bereits sagte, wurde der Fremdenverkehr getötet. Aber es ist nicht der Fremdenverkehr von Venedig, Paris, Madrid und Amsterdam, der natürlich automatisch und unweigerlich örtlich begrenzt ist. Frau Präsidentin, es geht um den Fremdenverkehr in den im Niedergang befindlichen Zonen, in den Randgebieten, wo der Fremdenverkehr Brot und Leben bedeutet und oftmals die einzige Wirtschaftsressource ist. Und diesen Fremdenverkehr will ich Ihnen ans Herz legen. Ein Fremdenverkehr, der auf wichtige Forderungen als Instrument der Kohäsion reagiert - von der wir doch so oft sprechen -, Gelegenheit zu Treffen gibt und Anreize schafft, um die kulturellen, historischen und auch künstlerischen Güter zu schützen und wertzuschätzen. Und dieser Fremdenverkehr bringt auch Leben in andere Sektoren wie den Verkehr, den Handel und die Landwirtschaft. Und wir reden hier - wie dies bereits tatsächlich geschehen ist - über das Schicksal der Jungfische in der Wolfsbarschzucht oder über den prozentualen Anteil von Kakao in der Schokolade. Herr Minister, hören Sie auf die 12 Länder, die den Fremdenverkehr unterstützen wollen, und nicht auf die drei, die sich dagegen ausgesprochen haben und deren Wort aufgrund dieses absurden Mechanismus der Einstimmigkeit Gewicht hat. Frau Präsidentin, Herr amtierender Ratspräsident, ich heiße Sie in unserer Mitte willkommen. Ein erfolgreicher Abschluß der Regierungskonferenz ist, wie jeder weiß, für die künftige Entwicklung der Union von großer Bedeutung. Die Union muß nicht nur effizienter und demokratischer gestaltet werden, sondern im Hinblick auf die Verstärkung ihrer Rolle in der Welt und ihre Erweiterung sowie zur Schaffung einer legitimen Grundlage der WWU ist auch eine Vertiefung der Union erforderlich. Ich möchte an die mühsame Ratifizierung und das Inkrafttreten des Maastrichter Vertrags erinnern, um die Präsidentschaft - was wohl überflüssig ist - auf ihre große Verantwortungen hinzuweisen. Zu viel Geheimhaltung und zu wenig Demokratisierung waren seinerzeit für den Maastrichter Vertrag verhängnisvoll. Offenheit und Demokratie werden nicht nur im Europäischen Parlament verlangt, sondern durch sie wird auch die künftige Legitimität der Union bei den Bürgern bestimmt werden. Eine solche Legitimität läßt sich nicht durch eine teure Informationskampagne sicherstellen, sondern durch eine wirkliche Demokratisierung. Von der Präsidentschaft wird zu recht der Effizienz große Aufmerksamkeit gewidmet, und dazu muß das Vetorecht abgeschafft werden und die Beschlußfassung im Rat mit qualifizierter Mehrheit erfolgen. Für ein Europa der Bürger ist jedoch mehr erforderlich. Mehrheitsentscheidungen müssen auch parlamentarisch kontrolliert werden. Eine solche Kontrolle kann auf nationaler Ebene natürlich nicht mehr effektiv ausgeübt werden, da ein Minister überstimmt werden kann, aber trotzdem an den gefaßten Beschluß gebunden ist. Daher stellt die Forderung nach einer Kontrolle durch das Europäische Parlament nicht etwa einen Wunsch derjenigen, die unbedingt nach mehr Macht streben, sondern ein einfaches Erfordernis der Demokratie dar. Demokratie bedeutet mehr. Demokratie heißt auch, daß Überlegungen einer vermeintlichen Effizienz nicht dazu führen dürfen, daß der Rat darauf besteht, daß die Finanzierung der Agrarpolitik und - wie es aussieht - auch der Außen- und der Justizpolitik auf zwischenstaatlicher Ebene erfolgt. Eines von Beidem: entweder das gemeinschaftliche Verfahren, aber dann auch parlamentarische Kontrolle, oder ineffiziente Finanzierung durch an formeller Souveränität festhaltende Mitgliedstaaten. Zudem muß es ein Ende damit haben, daß Gemeinschaftsgelder ohne eine solide parlamentarische Kontrolle ausgegeben werden. Eine solche Lehre muß nämlich aus sämtlichen Betrugsskandälen gezogen werden. Die erste politische Aktivität der niederländischen Präsidentschaft scheint darauf hinzudeuten, daß alles Heil von der Flexibilität erwartet wird. Um es zu ermöglichen, daß Blockierungen innerhalb der jetzigen und später erweiterten Union umgangen werden, wird Flexibilität unvermeidlich sein. Es ist dafür Sorge zu tragen, daß durch die institutionellen Strukturen, für die man sich entschieden hat, der Union Effizienz sowie ein demokratischer und transparenter Charakter verliehen werden. Aus persönlicher Erfahrung weiß ich, daß dies nichts Neues ist, daß die niederländische Präsidentschaft der Demokratie wohlgesinnt ist. Daher habe ich vollstes Vertrauen darin, daß der Ratspräsident sein Äußerstes und Bestes tun wird. Ich fordere die Präsidentschaft jedoch auch zu einer aktiven Außenpolitik auf. Die Instrumente dazu sind, so prekär sie auch sein mögen, vorhanden. Solche Instrumente sind im Falle Zyperns dringend erforderlich. Die Union darf sich nicht hinter dem Primat der Vereinten Nationen verschanzen. Das hat nicht funktioniert. An den unbegreiflichen Waffenkäufen durch Zypern ist zu sehen, wie instabil der Status quo ist. Wir dürfen nicht vergessen, daß die Krise und die Instabilität das Ergebnis der türkischen Besetzung Nordzyperns sind, die vor 23 Jahren von uns hingenommen wurde. Am Vorabend der Beitrittsverhandlungen trägt die Präsidentschaft der Union eine besondere Verantwortung. Worin besteht der wesentliche Beitrag der Union, auf die sich der niederländische Ministerpräsident kürzlich bezog? Die türkische Überreaktion darf nicht dazu führen, daß die Zusagen gegenüber Zypern nicht eingehalten werden. Daher frage ich mich, wie ich die Berichte niederländischer Medien verstehen soll, wonach die Lieferung von Flugabwehrraketen an die Türkei von der niederländischen Regierung keineswegs ausgeschlossen wird? Das erscheint mir nicht gerade als ein gutes Beispiel stiller Diplomatie. Ferner wünsche ich der Präsidentschaft natürlich viel Weisheit und großen Ehrgeiz. Frau Präsidentin, anders als mein Kollege und Landsmann Don Ignacio Salafranca habe ich sehr wohl den tieferen Sinn der Erklärungen des amtierenden Präsidenten des ECOFINRates und Finanzministers der Niederlande verstanden, die der Premierminister dieses Landes ziemlich logisch und auch diplomatisch zu kaschieren versucht hat. Er hat uns nämlich noch einmal vor Augen geführt, was die Wirtschafts- und Währungsunion wirklich bedeutet und, mehr noch, wie sie die Länder sehen, die wir als die wirtschaftlich und finanziell stärkeren Länder unserer Union bezeichnen könnten. Er hat uns deutlich gemacht, daß die Wirtschafts-und Währungsunion ein Europa der zwei Geschwindigkeiten bedeutet und daß darüber hinaus diese "starken" Länder sich Gedanken darüber machen, ob ein paar "schwache" Länder für dieses Europa der zwei Geschwindigkeiten genehm sind oder nicht. Mit anderen Worten: Er hat uns gesagt, was der Präsident der Bundesbank und andere führende Währungspolitiker und Regierenden dieses harten Kerns Europas wirklich denken. Die Botschaft habe ich also sehr wohl vernommen. Ich glaube auch, daß viele Spanier, Italiener, Griechen, viel Europäer sehr wohl begriffen haben, welche Zukunft uns in dieser Wirtschafts- und Währungsunion erwartet. In diesem Fall kann die Diplomatie nur mühsam verdecken, was nicht mit dem Gedanken an das Herz, sondern an die Brieftasche gesagt worden ist, und das sagt jemand, der mit Sicherheit dieses verhängnisvolle Kapitel des Vertrags von Maastricht über die Wirtschafts- und Währungsunion nicht gutheißt. Nun habe ich den größten Teil meiner Redezeit auf ein Thema verwendet, das ich eigentlich gar nicht ansprechen wollte, doch möchte ich doch noch zweierlei sagen. Wir sprechen ja auch über die Lage in Serbien. Ich glaube, dieses Parlament sollte die amtierende Präsidentschaft bitten, von Präsident Milosevic die Anerkennung aller Ergebnisse der Kommunalwahlen vom 17. November zu fordern. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, daß es noch ein anderes Land gibt, das aus dem ehemaligen Jugoslawien hervorgegangen ist, und das - auch mit Blick auf seine Mitgliedschaft im Europarat - Schwierigkeiten mit seinem Demokratiedefizit hatte, nämlich Kroatien. Wir dürfen nur mit einer Elle messen, nicht mit zwei, und für alle hat die gleiche zu gelten. Abschließend sei mir noch der Hinweis gestattet, daß es für mich als Spanier ein wenig enttäuschend war, daß im Programm des niederländischen Vorsitzes die Intensivierung der Beziehungen zu Kuba völlig vernachlässigt wird. Ich weiß nicht, ob dies so ist, weil Präsident Clinton schon vor einigen Tagen uns für unsere Haltung gedankt hat, wofür ein vollkommen unakzeptables Gesetz wie das Helms-Burton-Gesetz eingefroren, aber nicht aufgehoben wurde. Frau Präsidentin, Herr Van Mierlo und Herr Patijn, Ihr Kollege hat gestern zum Thema WWU gesagt, Politiker sollten darüber besser schweigen. Nun, ich kann Ihnen versprechen, daß ich das nicht tun werde. Es wäre sehr schlecht um die Demokratie in Europa bestellt, wenn wir hierüber nicht sprechen dürften, d. h. über ein Thema, durch das die Bürger in zunehmendem Maße beunruhigt sind, und zwar zu recht, denn in ihrer jetzigen Form führt die WWU zu sozialer Demontage. Zwar bedeutet sie einen Zwang zur Haushaltsdisziplin, doch stellt sie keine Maßnahme gegen Steuerwettbewerb dar. Zum Thema Beschäftigung gibt es eine Fülle von Texten, aber keine entsprechenden Instrumente. Beim Wettlauf um den Euro lassen die Mitgliedstaaten 20 Millionen Arbeitslose im Stich. Eine solche einheitliche Währung führt zu einer Zweiteilung. Die südlichen Länder befürchten, das WWU-Schiff zu verpassen, und Minister Zalm - wie hier bereits gesagt wurde - bezeichnete eine solche Befürchtung als hysterisch. Damit war er zu freimütig. Beste südeuropäische Freunde, Ihr müßt einmal wissen, wie in den Niederlanden über Eure Beteiligung an der WWU gesprochen wird. Man möchte Euch lieber nicht dabeihaben. Vor einem harten Euro muß alles weichen, und notfalls der Vertrag von Amsterdam. Ministerpräsident Kok hat nämlich klar gesagt: durch Divergenzen bei der WWU wird eine Vertragsreform effektiv behindert, während für eine Integration auf währungspolitischem Gebiet vielmehr eine weitere politische Integration die Voraussetzung bildet. Für eine Währungsunion, die keine soziale und ökologische Union darstellt, in der keine Arbeitsplätze geschaffen werden, besteht die Gefahr, aufgrund von Meinungsverschiedenheiten zwischen den Regierungen sowie infolge des Mißtrauens der Bürger zu scheitern; meines Erachtens kann nämlich die WWU auf Eis gelegt werden, bis ein besserer Vertrag vorliegt, durch den die Union demokratischer und effizienter gestaltet werden kann, und das ist schon schwierig genug. Frau Präsidentin, liebe Kollegen, was kann man sich zu Beginn dieser niederländischen Präsidentschaft wünschen? In welcher Richtung läßt sich die Zukunft Europas angesichts der extremen und immer restriktiveren Aspekte der Verträge noch lenken? Zunächst wird die niederländische Präsidentschaft im Wirtschafts- und Finanzbereich über den europäischen Binnenmarkt verhandeln müssen, und in dieser Hinsicht wird sie sich bestimmt mit einer ganzen Reihe Währungsfragen beschäftigen müssen, von denen die Zukunft der vielgerühmten Einheitswährung abhängt. Was wir uns wünschen, ist, daß man dem nicht den Wohlstand Europas opfert, daß man dem nicht die Beschäftigung opfert, daß man dem nicht das opfert, was uns noch bleibt an freiem Unternehmertum in Europa, daß man all das nicht dem Dogma der Währungsstabilität opfert, und daß die Wirtschaftslage unserer einzelnen Mitgliedstaaten nicht unter der neuen währungspolitischen Starre leiden muß, wodurch alle notwendigen Anpassungen ein Ding der Unmöglichkeit werden. Die niederländische Präsidentschaft, sagt man uns, wird sich auch beim Friedensprozeß im Mittleren Osten betätigen. Dabei wäre es wünschenswert und zweifellos schwierig, daß Europa seine Stimme unabhängig von der der Vereinigten Staaten erhebt. Unsere Interessen sind nicht die gleichen; wir haben eine andere Aufgabe zu erfüllen. Im Bereich der Verbrechensbekämpfung wird es sicherlich nötig sein, gewisse unvorsichtige Vorkehrungen im Hinblick auf die Öffnung der Grenzen, sowohl im Innern der Union als auch nach außen, rückgängig zu machen. Was die Erweiterung betrifft, so hoffen wir, daß die Europäische Präsidentschaft die Gefahren bedenkt, die eine Erweiterung um ein Land darstellen würden, das leider ein geteiltes ist, das bedauerlicherweise durch einen unerklärlichen Krieg vor kurzem in zwei geteilt wurde. Frau Prädsidentin, in klarer und knapper Form, juristisch auf der Grundlage der Verträge, definiert die holländische Präsidentschaft in ihrem Programmtext ganz klar die Herausforderungen, die uns der Weg zum Euro auferlegt. Normalerweise lesen wenige die Arbeitsprogramme der Präsidentschaften - und wenn sie es tun, nicht mit besonderer Aufmerksamkeit. Dieses Mal aber haben diese Texte in unseren Augen die größte Bedeutung, weil sie die politischen, öffentlichen und allgemeinen Aufgaben der holländischen Präsidentschaft enthalten und auch aufgrund dessen, daß sie den kürzlichen Erklärungen des Finanzministers, Gerrit Zalm, widersprechen, der mit einem Federstrich, ohne mit der Wimper zu zucken, die südlichen Länder in Sachen Einheitlicher Währung in die Verbannung schickte. Unter anderem sagte er zwei besonders ernste Dinge: erstens, daß er es nicht für vorteilhaft halte, wenn die südlichen Länder, wo normalerweise im Winter die Sonne scheint, von Anfang an an der ersten Etappe der Einheitswährung beteiligt sind; zweitens, daß er die Anstrengungen, die diese Länder zur Erfüllung der Konvergenzkriterien unternehmen, geradezu für eine - ich nehme an natürlich klimatisch bedingte - Hysterie halte. Der amtierende Präsident des ECOFIN-Rates sollte nicht solch einen Unsinn sagen. Erstens deshalb, weil allein auf der Basis des Unionsvertrages und der strengen Einhaltung der Kriterien, die das Gemeinschaftsrecht festlegt, bestimmt wird, wer in der ersten Phase dabei ist und wer nicht. In dieser Sache sind wir alle gleich und die einen Staaten sind nicht gleicher als die anderen. Der holländische Minister hat sich ohne objektive oder rechtliche Grundlage zu der sehr heiklen Frage der Beziehungen zwischen den Staaten geäußert und gemeinsame Normen vorausgesetzt, die es nicht gibt. Zweitens hat er die Anstrengungen der Regierungen, der Bürger und der Länder beleidigt, die an ihre Verpflichtung für Europa glauben und alles tun, um die strengen Politiken zu erfüllen, die als Ganzes angenommen worden sind. Wie jeder auch nur durchschnittlich Verantwortungsbewußte in europäischen Dingen erkennt, sind diese Politiken ein unerläßlicher Beitrag zur Sanierung der öffentlichen Finanzen in Europa, sie bekämpfen die Arbeitslosigkeit und machen das Projekt der einheitlichen Währung gegenüber dem amerikanischen Dollar und dem japanischen Yen glaubhaft. Ich registriere Ihre Erklärungen zu Beginn der Vorlage des Arbeitsprogramms und zu Beginn dieser Aussprache, Herr Präsident, und freue mich darüber; ebenso erinnere ich mich auch an die Betrachtungen des Herrn Ministerpräsidenten Wim Kok, den ich sehr schätze und der diese Erklärungen für einen Fauxpas hielt. Herr Gerrit Zalm wird viele Monate, viele Jahre, weit mehr als die Dauer einer Präsidentschaft brauchen, um sich den Vertrag der Europäischen Union zu eigen zu machen, die Maastricht-Kriterien zu studieren, die Erwartungen unabhängiger Organe wie der OECD z.B. zu lesen, damit er sich nicht darüber wundern muß, daß wir - zumindest im Fall meines Heimatlandes Portugal - bezüglich des größten Teils der Maastricht-Kriterien mit den Niederlanden mithalten können und was die Staatsverschuldung betrifft wesentlich besser dastehen. Und genau deswegen sind wir der Meinung, daß die Niederlande durchaus das Recht haben wie wir, wie Spanien und Italien bei der Einführung der Einheitswährung zur Vorhut zu gehören, sofern sie die Kriterien erfüllen. Und mein Wunsch, den ich an die holländische Präsidentschaft habe, ist der, daß sie bis zu ihrem Ende alles getan haben wird, damit das Projekt der Schaffung der Einheitlichen Währung soweit wie möglich alle einschließt, auf der Grundlage strenger Kriterien, aber auch auf der Grundlage der Gleichheit aller Staaten dieser Union. Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Ratspräsident! Ich spreche nur zum Thema Serbien. Ich begrüße den Beschluß des Rates vom 9. Januar, in dem er von der serbischen Regierung die volle Respektierung der Ergebnisse der Kommunalwahlen in Serbien, d.h. die Siege des Bündnisses der Oppositionsparteien Zajedno fordert, die Gewährung der Pressefreiheit und das Beenden von Pressionen gegen unabhängige Medien erwartet und den Dialog zwischen allen politischen Kräften in Serbien fordert. Nachdem ein Außenminister dieser Europäischen Union vor Weihnachten durch seine unnötige Visite, gepaart mit unklugen Äußerungen, in Belgrad die gemeinsame Außenpolitik der Europäischen Union erneut in Mißkredit gebracht hat, fiel mir mit der Erklärung des Rates vom 9.1. in der Tasche mein Besuch in der vergangenen Woche in Belgrad besonders leicht. Das Oppositionsbündnis Zajedno, die Studenten und mit ihnen Hunderttausende von serbischen Bürgerinnen und Bürgern gehen nun seit Wochen auf die Straße. Wenn unsere Außenminister so wie ich in der Nacht von Donnerstag auf Freitag diese Aufbruchstimmung hautnah erlebten, würden sie wahrscheinlich noch mehr Unterstützung für diesen demokratischen Aufbau formulieren und gegen Milosevič und seine Regierung stringentere Strafmaßnahmen androhen und auch durchführen. Alle diejenigen, die meinen, bei Milosevič wisse man ja, woran man sei und bei der Opposition nicht, sollten einmal kurz innehalten und diesen Gedanken hinterfragen. Ist jemand, der 1991 eine demokratische Demonstration in seinem eigenen Land blutig niederschlug, der den Angriff auf Slowenien, den Krieg gegen Kroatien mit den ersten Massengräbern bei Vukovar befahl, der für den Krieg in Bosnien mit Konzentrationslagern, Massengräbern, Vertriebenen ursprünglich verantwortlich ist, den die amerikanische Diplomatie 1992 als den Butcher of the Balkans bezeichnete, ist er glaubwürdiger, ist er besser geeignet, eine Demokratie in Serbien herzustellen, als die Führer der Opposition, die er um ihren Wahlerfolg bringen wollte? Gleichgültig wie schillernd - ich habe das hier bereits ausgeführt - die politische Haltung der beiden männlichen Führer des Oppositionsbündnisses auch in den letzten Jahren war, die letzten Wochen haben gezeigt, daß sie mit friedlichen Mitteln und mit der Unterstützung der Zivilbevölkerung Serbien ein neues demokratisches Gesicht geben wollen. Ich erwarte, daß der Westen ihnen zumindest das gleiche Vertrauen entgegenbringt wie Milosevič und noch mehr, da sie ein Bündnis eingegangen sind mit Frau Pesič, die die Führerin der " Civil Alliance" ist und die von Anfang an gegen den Krieg in der Region gekämpft hat. Ich erwarte auch, daß die Europäische Union mehr Wert darauf legt, daß Milosevič und auch andere, sollten sie in die Regierung kommen, die Frage des Kosovo endlich lösen, denn da fing es an und da wird es wohl auch enden! Meine Damen und Herren, Milosevič ist auch nicht länger der alleinige Garant für die Umsetzung von Dayton. Die Verantwortung hierfür liegt nun in Sarajevo, in Pale und in Banjaluka, und die Damen und Herren dort müssen zur Verantwortung gezogen werden, sie müssen als unsere Ansprechpartner angesehen werden. Und, meine Damen und Herren, alles wäre einfacher, wenn Karadzič endlich dort wäre, wo er hingehört. Ich habe während der Tage und Nächte in Belgrad gespürt, daß sich die Menschen endlich aus dem Mief und der Repression des Regimes Milosevič befreien wollen. Ich hoffe, sehr geehrter Herr Kommissar van den Broek, daß sie mit der Europäischen Union helfen, gerade den unabhängigen Medien und gerade dem Radio 92, das eine hervorragende Rolle spielt, zu helfen, diesen Demokratieprozeß zu begleiten. Es war zur Zeit der letzten niederländischen Ratspräsidentschaft und des Außenministers van den Broek, als der Krieg in Ex-Jugoslawien begann. Tun Sie, sehr geehrter Herr Ratspräsident, das Mögliche, um Serbien den Weg nach Europa zu ebnen und auch Bosnien wirklich zu befrieden. Frau Präsidentin, Herr Ratspräsident, das Halbjahr der niederländischen Präsidentschaft beginnt zu einem für die Europäische Union entscheidenden Zeitpunkt, der sich durch die zweifache Aufgabe der Erweiterung und der Vertiefung kennzeichnet. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, daß man bei der Regierungskonferenz das Ziel nicht aus dem Auge verliert, und zwar, neben der Verwirklichung eines Europa mit einheitlicher Währung auch ein Europa der Bürger zu schaffen, das heißt eine Union, die auf die Besorgnisse und Erwartungen der Völker eingeht. Ein Europa der Bürger ist ein Europa, das sich um die Schwächsten unter ihnen kümmert, die Bedürftigsten, die Ausgeschlossenen, die Kinder und die Jugendlichen. Aus diesem Grunde habe ich, Herr Präsident, Ihre Worte über die Beschäftigung und die Sozialpolitik zur Kenntnis genommen. Der Schwerpunkt muß auf dem Ausfindigmachen wirtschaftlicher Umstände liegen, die eine Entwicklung des Arbeitsmarkts begünstigen. Gleichzeitig ist es unentbehrlich, daß wir das europäische Sozialmodell schützen und weiter ausbauen, das unseren Gesellschaften und unserer Wirtschaft zum Reichtum verholfen hat. In dieser Hinsicht ruht auf der Regierungskonferenz die schwere Verantwortung, die Europäische Union endlich mit unveräußerlichen Befugnissen im Sozialbereich auszustatten, so daß sie mehr Erfolg vor allem im Kampf gegen die soziale Ausgrenzung verbuchen kann. Es ist auch aufgrund der Verheerungen, welche die Drogensucht bei unseren Jugendlichen in Form von Abhängigkeit, Elend und Gesundheitsschäden verursacht, daß ich die Tatsache begrüße, daß die niederländische Präsidentschaft die Bekämpfung des internationalen Verbrechens und des Drogenhandels zu einer ihrer Prioritäten gemacht hat. Eine praktische Zusammenarbeit zwischen den Polizeikräften, dem Zoll und der Justiz unserer Länder ist unverzichtbar, wenn man dem Drogenhandel aktiv zu Leibe gehen will. Aber Sie wissen, Herr Präsident, daß eine Harmonisierung der europäischen Gesetzgebung bei der Unterbindung des Handels mit und Gebrauchs von Drogen ebenso wesentlich ist, denn ohne eine solche Harmonisierung ist keine wirksame Bekämpfung möglich, und keine Sicherheit für all unsere Mitbürger und ganz besonders unsere Jugendlichen denkbar. Aus diesem Grunde und im gleichen Geiste fordere ich die niederländische Präsidentschaft auf, das ernste Problem des Schutzes Minderjähriger in Europa nicht zu vernachlässigen, das nicht nur aus aktuellem Anlaß Besorgnis erregt, sondern auch das gesamte europäische Aufbauwerk von Grund auf in Frage stellt. Ich wiederhole, Herr Präsident, bei dieser Gelegenheit meinen Vorschlag, ein europäisches Zentrum zur Vorbeugung und zur Bekämpfung der Gewalttätigkeit gegen Minderjährige zu errichten. Ein solches Zentrum wäre, auf das Modell der europäischen Agenturen gestützt, eine koordinierende Instanz für die eingesetzten Mittel aber auch eine einzigartige Stelle zu Informations- und Austauschzwecken, die sich in erster Linie mit dem Aufspüren verschwundener Kinder durch eine Vernetzung der nationalen Ermittlungsstellen und der von Verbänden und Familien in unseren verschiedenen Ländern ins Werk gesetzten Vorkehrungen befassen würde. Bei der Abstimmung über den Haushalt 1997 haben das Parlament und der Ministerrat ihre Unterstützung für die Einleitung von Aktionen zugunsten des Schutzes Minderjähriger bezeugt. Diese Absicht sollte nun dringend konkrete Gestalt annehmen, und ich appelliere an den Ratspräsidenten, damit er den für die Verwirklichung dieses Projektes erforderlichen Willen anfacht, so daß die 80 Millionen Kinder, die in der Europäischen Union zu Hause sind, in einem Europa aufwachsen können, das ihnen Geborgenheit bietet und selbstverständlich auch eine bessere Zukunft bereitet. Frau Präsidentin, lassen Sie mich der niederländischen Präsidentschaft für das nächste halbe Jahr viel Glück wünschen! Die Niederlande gehören nicht zu den großen Ländern der Union, sind jedoch ein dynamisches Land, dessen Fähigkeiten sozusagen in der positiven Synthese liegen und das eine ganz andere und weitaus stärker sozial ausgerichtete Rolle als im Rahmen des Maastrichter Vertrags spielen könnte, eine Rolle, die von den europäischen Bürgern in höherem Maße akzeptiert würde. Deutlich wurde die Sensibilität von seiten der niederländischen Präsidentschaft in einigen Fragen, die mit den Bürgerrechten zu tun haben. In anderen Punkten jedoch fehlte diese Sensibilität offensichtlich vollkommen, und nun hören wir uns hier in Straßburg das Programm der niederländischen Präsidentschaft an, in Straßburg, wo das Plenum des Europäischen Parlaments wiederholt ganz akute Probleme bezüglich der Verletzung der Menschenrechte durch die Türkei angesprochen hat und wo der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Türkei in den letzten Monaten in zwei Fällen sowohl wegen der Verletzung der Menschenrechte der Kurden als auch wegen der Frage der Vermögen von Zyprern in den von türkischen Truppen besetzten Gebieten der Zyprischen Republik verurteilt hat. In diesem Zusammenhang, Herr Ratspräsident, möchte ich Sie folgendes fragen: Seit einigen Wochen sind Sie Ratspräsident der Europäischen Union. Gestern mußten wir mit anhören, wie nach der Eskalierung von Drohungen der islamistische Ministerpräsident der Türkei, Herr Erbakan, einem Mitgliedland der Europäischen Union, Griechenland, und einem mit der Europäischen Union assoziierten Land, Zypern, offen mit Krieg und der Okkupation von Territorien gedroht hat. Herr Erbakan hat konkret gesagt: " Griechenland hat 1922 mit der Vertreibung der Griechen aus Kleinasien und 1974 mit der Besetzung von halb Zypern seine Lektion erhalten, und die Türkei ist bereit, ihm noch einmal eine solche Lehre zu erteilen." Das ist eine Kriegsdrohung gegen ein Mitgliedland, gegen ein Mitglied der Europäischen Union, und von seiten der Präsidentschaft haben wir angesichts dieser Kriegsdrohung kein einziges Wort des Protests, keine ernst zu nehmende Stellungnahme vernommen. Wir hören von Ihrer Seite lediglich inhaltslose diplomatische Floskeln, die nur darauf abzielen, den Boden für die Einberufung des Assoziationsrates Europäische Union-Türkei zu bereiten. Niemand will die Türkei isolieren. Niemand will Mauern zwischen der Türkei und Europa errichten. Wir verlangen jedoch, daß die Türkei die Mitgliedländer respektiert, daß sie sich wie jedes andere Land an die demokratischen Regeln der Europäischen Union hält, und wir erwarten von der Europäischen Union und von ihrer Präsidentschaft, daß sie den Mut und die Courage aufbringt, ihren Verpflichtungen nachzukommen und jene Mitgliedländer zu unterstützen, die mit einem solchen Kriegsgeschrei bedroht werden. Ich erwarte Ihre Antwort, Herr Ratspräsident. Frau Präsidentin, Herr Ratspräsident! Man hat den Holländern manchmal in den letzten Wochen vorgehalten, daß die Anforderungen an die Präsidentschaft zu niedrig angesetzt sind. Man kann aber ebenso sagen, daß sie sehr, sehr anspruchsvoll sind. Herr van den Broek hat ja darauf hingewiesen, daß die Vertiefung und die Erweiterung gleichzeitig zu verfolgen durchaus sehr viel an Überlegungen und Anstrengungen fordert. Ich frage Sie, Herr Ratspräsident, ob Sie sich gerade bei der Erweiterung klar sind, welches die Voraussetzungen sind. Sie sind zum Teil schon erwähnt worden. Ich denke an die institutionellen Voraussetzungen. Da möchte ich Sie als von einem kleinen Land kommend darin unterstützen, daß natürlich auch in Zukunft auch bei einer größeren Union auch die kleinen Länder eine entsprechend starke Vertretung haben müssen. Ich denke an die Regionalförderung. Welche Ideen werden hier die Niederlande in die Diskussion einbringen, und werden sie die Regionalförderung auch so vorbereiten, daß sie auch in einer erweiterten Union möglich ist? Ich denke an die Agrarförderung. Sind Sie bereit zu unterstützen, daß umgeschichtet wird von einer direkten Subventionspolitik der Landwirtschaft in Richtung auf eine Förderung für den ländlichen Raum unter besonderer Berücksichtigung der sozialen Aspekte? Etwas, was selten erwähnt wird, wo ich mir aber gerade von den Niederlanden eine entsprechende Unterstützung erwarte, sind sicherlich auch die Umweltpolitik und die Modernisierung der Atomkraftwerke in der östlichen Hälfte Europas. Ich unterstütze Sie vollkommen in Ihren Bemühungen, hier wirklich zu einer Lösung zu kommen, aber ich glaube, daß sehr viele Voraussetzungen erforderlich sind. Ich erwähne zweitens ganz kurz, was im Zusammenhang mit Abrüstung und Krieg sehr wichtig ist. Wir stehen davor und könnten hoffentlich mit Unterstützung der niederländischen Präsidentschaft erreichen, daß die Antipersonenminen endgültig gebannt werden, und zwar die Produktion, der Handel, die Weiterverbreitung und daß es auch wirklich zur Vernichtung der gegenwärtigen Antipersonenminen, soweit sie vorhanden sind, kommt. Ich bitte Sie zum Abschluß, daß die Europäische Union bei dieser wichtigen Aktivität, die im Rahmen der UNO unternommen wurde, aber wo vor allem Europa jetzt ein Zeichen setzen muß, einen erfolgreichen Kampf gegen die Antipersonenminen führt, und ich hoffe, daß Sie das in Ihrer Präsidentschaft noch erreichen können. Frau Präsidentin, in den nächsten Monaten wird für Europa die Probe aufs Exempel gemacht werden. Wird die Union in der Lage sein, sich selbst so zu reformieren, daß sie dem 21. Jahrhundert vertrauensvoll entgegensehen kann, einem neuen Jahrhundert mit zahlreichen Erweiterungen und allen damit verbundenen Integrationsproblemen? Einige der Reformen, die zur Anpassung der politischen und demokratischen Strukturen an die neue Situation erforderlich sein werden, können für einzelne Mitgliedstaaten sehr schmerzvoll sein. Die Niederlande stehen vor der nicht geringen Aufgabe, über diese sehr schwierigen Entscheidungen, die es zu treffen gilt, einen Konsensus herbeizuführen, und in der Schaffung eines solchen Konsensus sind und waren die Niederlande spezialisiert. Gerade hierin liegt nach Ansicht einiger der Schlüssel für den Erfolg der Polderbewirtschaftung. Gerade dadurch, daß die Niederlande an Kompromisse und an Bemühungen um einen Konsensus gewohnt sind, kann die niederländische Präsidentschaft zu einer historischen Präsidentschaft werden. Dazu paßt nicht - und mein Kollege Salafranca hat dies meines Erachtens in sehr höflicher Form zum Ausdruck gebracht, wofür ich ihm danke -, daß in der ersten Woche der Präsidentschaft ein Finanzminister seine Auffassung so unverblümt und undiplomatisch vorbringt, daß zu befürchten ist, daß nach einem Konsensus und nach Vertrauen noch weiter gesucht werden muß. Selbst ein Kind kann sich ausrechnen, welche Länder von Minister Zalm als hysterisch betrachtet werden. Ein Land wie Spanien, in dem beispielsweise gerade die Beamtenbezüge eingefroren wurden, um den WWU-Kriterien entsprechen zu können, kann eine solche Maßnahme zu Hause sehr schwierig verteidigen, wenn gleichzeitig der EU-Ratspräsident in der Presse erklärt, diese Regierung handele hysterisch. Im Namen meiner Fraktion möchte ich daher den niederländischen Ratspräsidenten um eine Erklärung zu diesem Verhalten ersuchen. Auch der einheitlichen Währung wird seitens des niederländischen Ratspräsidenten große Aufmerksamkeit geschenkt werden müssen. Die zum Rechtsstatus des Euro zu erlassenden Bestimmungen, die letzten Vorkehrungen zum Stabilitätspakt, eine Entschließung über ein neues europäisches Währungssystem: bei all diesen Punkten sind Vertrauen und Einstimmigkeit erforderlich. Zwar findet die einheitliche Währung in der Union große Zustimmung, doch besteht nach wie vor eine Reihe von Sorgen. Vielleicht ist die niederländische Präsidentschaft in besonderem Maße geeignet, solchen Problemen zu begegnen. Ich meine damit die Arbeitsmarktpolitik und die Arbeitslosigkeit in der Union. Die Niederländer können den Akzent auf die notwendigen strukturellen Änderungen bei der Politik gegenüber starren Lohnsystemen, auf Anpassungen bei den Systemen der sozialen Sicherung sowie auf größere Arbeitsmobilität legen. Ein Punkt, der in dem Programm der niederländischen Präsidentschaft zu beanstanden ist, betrifft die Tatsache, daß es keinen Fremdenverkehrsrat gibt. Es darf allmählich als allgemein bekannt vorausgesetzt werden, daß auf dem Fremdenverkehrssektor die meistens Arbeitsplätze in der gesamten Europäischen Union geschaffen werden. Nachdem sowohl die Union wie die niederländische Regierung "Arbeit, Arbeit, Arbeit" auf ihre Fahnen geschrieben haben, ist es umso unbegreiflicher, daß der Fremdenverkehr von dem niederländischen Ratspräsidenten außer acht gelassen wird, so als bestünde er nicht. Ferner wünsche ich dem niederländischen Präsidenten von Herzen einen bürgerfreundlichen Vertrag von Amsterdam, der genauso kreativ sein möge wie die Stadt selbst. Frau Präsidentin! Wie andere Redner auch möchte ich der niederländischen Präsidentschaft in diesem für die Europäische Union so wichtigen Jahr alles erdenkliche Glück wünschen. Die irische Präsidentschaft hat mit ihrer Arbeit bereits viele Maßstäbe gesetzt, die für uns richtungweisend sein müssen. Die Ausführungen, mit denen heute morgen hier auf den letzten amtierenden Ratspräsidenten, Premierminister John Bruton, geantwortet wurde, lassen eindeutig darauf schließen, daß das Schwergewicht auf einem Europa liegt, das den Menschen näher ist, das sich der Sorgen und Nöte der Menschen annimmt, das schnell reagieren und Befürchtungen besänftigen, zugleich aber Begeisterung und Leidenschaft in den Menschen wecken kann. Also möchte ich, anstatt zu wiederholen, was bereits von anderen Rednern gesagt wurde, die niederländische Präsidentschaft nur auf zwei Punkte hinweisen, bei denen ich es gerne sähe, daß etwas unternommen würde. Einer davon findet sich schon in dem Dokument der Präsidentschaft, das den Mitgliedern des Hauses übergeben wurde, nämlich der Kampf gegen das internationale Verbrechen und den gesetzwidrigen Drogenhandel. Diese beiden Erscheinungen sind für den einfachen Mann bzw. die einfache Frau auf der Straße, die die Europäische Union verkörpern, Anlaß zu größter Besorgnis. In einem Programm, das BBC World am Montag abend ausstrahlte, wurde erneut die Tatsache herausgestellt, daß 82 % aller Verbrechen in Großbritannien in irgendeiner Form mit Drogen zu tun haben. Nach jüngsten Angaben der irischen Polizei stehen 76 % aller Verbrechen in Irland mit Drogen im Zusammenhang. Da die Drogeneinheit von Europol ihren Sitz in Holland hat, hoffe ich, daß die niederländische Präsidentschaft die von der irischen Präsidentschaft begonnene Arbeit fortsetzen und koordinierte und konzertierte Maßnahmen in die Wege leiten, diese Fragen vom dritten zum ersten Pfeiler verlagern und immer mehr Koordination und immer mehr Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten beim Vorgehen gegen dieses üble und gemeine, gegen Recht und Gesetz verstoßende Gewerbe herbeiführen wird. Daraus leite ich zugleich meinen zweiten und letzten Punkt ab. Wenn die Europäische Union überhaupt etwas bedeuten soll, wenn der neue Vertrag über die Europäische Union überhaupt etwas bedeuten soll, müssen durch ihn diejenigen geschützt werden, die in unserer Gesellschaft am verletzlichsten sind, nämlich unsere Kinder. Wir erleben in Belgien den noch andauernden Fall der pädophilen Ringe. Wir erleben Tag für Tag die Probleme, denen sich Kinder nicht nur durch sexuellen und emotionalen Mißbrauch, sondern auch durch Armut, fehlende Chancen und mangelnden Schutz gegenübersehen. Wo soviel guter Wille vorhanden ist, müßte es jetzt möglich sein, einen speziellen Artikel in den neuen Vertrag aufzunehmen, was, wie wir hoffen, die niederländische Regierung während ihrer Präsidentschaft veranlassen wird, um dafür zu sorgen, daß die Rechte und die Freiheiten der Kinder darin vollständig und einzeln verankert werden. Wenn wir unsere Zukunft, die in unseren Kindern verkörpert ist, nicht zu schützen vermögen, warum sollen wir dann noch unsere Gegenwart schützen? Frau Präsidentin, die niederländische Präsidentschaft hat die auf vorangegangenen Gipfeln und vor kurzem auch in Dublin festgelegte schwierige Aufgabe übernommen, auf die Vollendung der Regierungskonferenz hinzuwirken und die dritte Phase der WWU sowie die Erweiterung der Europäischen Union um die mittel- und osteuropäischen Länder voranzubringen. Fest steht, daß die niederländische Präsidentschaft mit ihren Aktivitäten in diese Richtung ein weiteres Steinchen zum Aufbau eines Europa der Armut und der Arbeitslosigkeit einbringen wird. Die Völker Europas können von der Tätigkeit der niederländischen Präsidentschaft auch in den kommenden sechs Monaten keine Verbesserung ihrer Lebens- und Arbeitsbedingungen erwarten. Was nun die Lage in Serbien betrifft, so möchte ich zunächst auf die Zurückhaltung verweisen, mit der der Ratspräsident diese Frage in seiner Erklärung behandelt hat. Frau Präsidentin, trotz der enormen Schwierigkeiten sowohl auf wirtschaftlicher Ebene durch die Umsetzung des Embargos als auch infolge des Kriegszustandes in der Balkanregion vermag das serbische Volk, demokratische Prozesse zu gewährleisten und seine demokratischen Rechte zu erweitern, wenn es frei von äußerem Druck und unbeeinflußt von international bestehenden Interessen handeln kann. Nach dem Beschluß der serbischen Regierung über die Annullierung der Kommunalwahlergebnisse und der dadurch ausgelösten Reaktion muß auf der Grundlage der Rechtsordnung Serbiens eine Lösung gefunden werden und müssen die beteiligten politischen Kräfte konkrete Entscheidungen treffen, die den tatsächlichen Problemen des serbischen Volkes Rechnung tragen und dieses Volk aus seiner gegenwärtigen Lage befreien, die nur einen fruchtbaren Boden für jene schafft, die die Rechte des serbischen Volkes und Serbiens untergraben, Entscheidungen, die dessen Kampf für Frieden in der Region, für Demokratie und sozialen Wohlstand unterstützen. Angesichts dessen ist uns unverständlich, weshhalb Serbien unter dem Vorwand der Anerkennung der demokratischen Rechte der Opposition neue Sanktionen und Bedingungen auferlegt werden sollen. Der Eifer beim Ergreifen zusätzlicher Maßnahmen, die das Leben des serbischen Volkes letztlich erschweren, kann da nur Fragen aufwerfen. Zu einer Zeit, da das serbische Volk nach dem Dayton-Abkommen zu Recht die Aufhebung der verhängten Sanktionen erwartete, muß es feststellen, daß diese Verpflichtung nicht nur nicht eingelöst wird, sondern daß man im Gegenteil keine Gelegenheit ungenutzt läßt, diese Sanktionen beizubehalten und zu verschärfen, und das um so mehr zu einem Zeitpunkt, da die in der Presse veröffentlichten Informationen darauf hindeuten, daß sich die serbische Regierung in Richtung der Anerkennung der Rechte der Opposition und der Anerkennung der Kommunalwahlergebnisse bewegt. Es sieht so aus, als seien die Wahlergebnisse in den wichtigsten Städten wie Belgrad und Nis bereits anerkannt worden. Meines Erachtens kann das Beharren des Europäischen Parlaments auf dem Verhängen neuer Sanktionen nur mit einem Wort bezeichnet werden: Heuchelei. Wenn wir dieses Bestreben, diese Haltung nicht als Heuchelei brandmarken, ist auch alles andere, was wir sagen, wertlos. Frau Präsidentin, Herr Minister, 1997 ist für die Europäische Union ein äußerst wichtiges Jahr, wie hier bereits wiederholt gesagt wurde, und zwar zu recht. Es ist auch ein Jahr, in dem die Präsidentschaft der Europäischen Union von kleinen Ländern ausgeübt wird. Die Troika besteht nämlich aus Irland, den Niederlanden und Luxemburg, kleinen effizienten Ländern, die die Tradition einer erfolgreichen Präsidentschaft kleiner Länder fortsetzen möchten. Von Irland wurde ohne Zweifel ordentliche Arbeit geleistet. Die Niederlande stehen jetzt vor der sehr speziellen, vielleicht historischen Aufgabe, die Endphase der Regierungskonferenz abzuschließen bzw. vorzubereiten. In die niederländische Präsidentschaft haben wir - zusammengefaßt - ein wachsames Vertrauen; Vertrauen in die traditionelle effiziente und pragmatische Vorgehensweise. Wachsamkeit, weil wir aus Zeitungsausschnitten, aus mit wichtigen Figuren der rotgefärbten Koalition in den Niederlanden, wie Herrn Bolkestein, geführten Interviews bisweilen Positionen und Konzepte zu Europa erfahren, die genau das Gegenteil der von uns für Europa angestrebten Ziele bilden. Daher erwarte ich, Herr Van Mierlo, Herr Präsident, Herr Patijn, daß Sie sich beim Vorsitz der Regierungskonferenz nicht von den Vorstellungen vorn Herrn Bolkestein leiten lassen werden, sondern vielmehr von dem Benelux-Memorandum. Herr Van Mierlo, ich begrüße es, daß Sie sich dafür aussprachen, daß mehr Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit getroffen werden sollen. Für die Funktionsfähigkeit der Europäischen Union ist dies von entscheidender Wichtigkeit. Ich bin jedoch enttäuscht, daß schon auf der ersten Pressekonferenz der niederländischen Präsidentschaft in Sachen Steuerpolitik die Einstimmigkeitsregel ausdrücklich unterstrichen und bekräftigt wurde, während gerade die niederländische Präsidentschaft dem Zusammenhang zwischen Steuerpolitik und Beschäftigung so große Bedeutung beimißt, während gerade die niederländische Präsidentschaft die CO2 -Steuer für so wichtig hält, und während wir festgestellt haben, daß der Leidensweg der CO2 -Steuer eben durch eine solche lähmende Einstimmigkeit verursacht wurde. Gestatten Sie mir, daß ich mich drittens speziell an Herrn Patijn als Vorsitzenden des Rates der Haushaltsminister wende. Herr Patijn, Sie waren Zeuge der absoluten Mißstimmung, die zwischen Parlament und Rat aufgekommen war. Lassen Sie mich einen Appell an Sie richten, daß Sie auf informelle Weise versuchen mögen, hier kurzfristig einen Durchbruch zu erzielen. Zwar tragen wir meines Erachtens einen Teil der Verantwortung an dieser Mißstimmung, doch liegt die Verantwortung hauptsächlich auf der Seite des Rates, der in den letzten Jahren in diesem Bereich seine Funktion nicht richtig erfüllt hat. Frau Präsidentin, Herr amtierender Ratspräsident, meine Damen und Herren, am 31. Dezember haben wir in einer Gruppe von Abgeordneten dieses Parlaments auf den Erfolg der niederländischen Präsidentschaft angestoßen, so begeistert waren wir von den Erfolgen der letzten Präsidentschaft, die ihren Höhepunkt in der Unterzeichnung und Ratifizierung des Vertrags von Maastricht fand. Am 6. Januar - dem Tag der Heiligen drei Könige, um das Bild abzurunden - ist Ihr Wirtschaftsminister und amtierender Präsident des ECOFIN-Rates mit einigen Erklärungen an die Öffentlichkeit getreten, in denen er sich als Anhänger einer sehr kleinen Wirtschafts- und Währungsunion zu erkennen gab, mit der, so wörtlich, die Glaubwürdigkeit des Euro gesichert werden soll. Diese Erklärungen waren an sich schon ungeschickt, doch erlaubte sich der Wirtschaftsminister noch hinzuzufügen, daß die südlichen Länder, die sich schon mit der ersten Welle an der dritten Stufe der Union beteiligen wollten, an übermäßiger Hysterie litten. Und dann versuchte er sich als europäische Auswahlstelle und begrenzte die dritte Stufe auf Deutschland, die Benelux-Länder, Frankreich und vielleicht, mit viel Glück, wie er sagte, Irland und Österreich. Herr amtierender Ratspräsident, Sie haben in Ihrer Rede Havel zitiert und gefragt, ob man Leidenschaft für Europa erbitten kann - die dieses Parlament natürlich hat -, doch läßt sich mit derartigen Reden keine Leidenschaft für Europa vermitteln und läßt sich auch keine Leidenschaft für Europa bei seinen Völkern wecken. Die Erklärungen des Wirtschaftsministers, die Sie am folgenden Tag halbherzig korrigiert haben, zeugen von wenig Taktgefühl, sind ungeschickt, sind gegen den Vertrag über die Europäische Union und, was noch schlimmer ist, sind Beweis für eine Geisteshaltung, die mit den Erklärungen dieses Parlaments nicht vereinbar ist, das zwar immer gesagt hat, es wolle einen stabilen, soliden, starken und glaubwürdigen Euro, das jedoch auch immer den Wunsch geäußert hat, es mögen möglichst viele Länder bei der einheitlichen Währung mitmachen, was besser für Europa wäre, weil sich damit unnötige Brüche zwischen Nord und Süd, zwischen Armen und Reichen, zwischen dem Europa der grauen Dächer und dem mediterranen Europa vermeiden. In einem Werk der klassischen Literatur, das Sie vielleicht kennen, " Don Juan Tenorio" , heißt es, daß ein bißchen Zerknirschung der Seele Heil bringt. Der amtierende Präsident des Rates hat in diesem Parlament die Gelegenheit, das Offensichtliche noch einmal feierlich zu bestätigen, daß nämlich allein der Vertrag von Maastricht über die Teilnahme an der einheitlichen Währung bestimmt - was auch immer Ihr Wirtschaftsminister denken mag; Sie könnten in Ihren Ausführungen sogar noch ein wenig weiter gehen und sagen, daß die niederländische Regierung wünscht, daß möglichst viele Länder Europas bei dieser Währung mitmachen; oder Sie könnten schließlich, sozusagen als Gipfel der Begeisterung und Leidenschaft für Europa erklären, daß der Wunsch nach einer Auslegung des Vertrags besteht, nach der sich eine Höchstzahl von Ländern an der einheitlichen Währung beteiligt. Und um der Großzügigkeit die Spitze aufzusetzen, könnten Sie den Bemühungen der Regierungen wie beispielsweise der spanischen Regierung Beifall zollen, die sich hart anstrengen, um in der ersten Reihe stehen zu können und von der neuen europäischen Konstruktion, der dritten Stufe der Währungsunion wirklich begeistert sind. Wenn er dies tut, kann der Herr amtierende Ratsvorsitzende wahrscheinlich seine Seele retten. Andernfalls bin ich sicher, daß sie der Verdammnis anheimfällt. Frau Präsidentin, ich möchte für meinen Teil dem niederländischen Außenminister Anerkennung für seine ausführliche Erläuterung des Tätigkeitsprogramms der niederländischen Präsidentschaft zollen. Ich möchte mich in meinem Beitrag nur mit einem Punkt befassen, nämlich mit Serbien, oder besser gesagt der Bundesrepublik Jugoslawien. Vom Standpunkt unseres Parlaments aus kann die niederländische Präsidentschaft dieses dringende außenpolitische Problem, dem in der heute geführten Aussprache besonderes Augenmerk geschenkt wird, sofort in Angriff nehmen. Die Entwicklungen in der Bundesrepublik Jugoslawien wurden von uns in den letzten Wochen aufmerksam und gespannt verfolgt: Wochen eines beeindruckenden und friedlichen Protestes gegen die Verfälschung der Ergebnisse von Kommunalwahlen. Für die Serben war und ist das Maß offenbar voll. Wegen des Abkommens von Dayton wurde die Regierung Milosevic auf internationaler Ebene lange Zeit geschont. Das ist nicht mehr möglich. Wahlbetrug ist Wahlbetrug, und die KSZE-Mission hat dies unzweifelhaft festgestellt. Die serbische Regierung muß die Empfehlungen der González-Mission vollständig befolgen. Auch darüber kann kein Zweifel bestehen. Mit einer Regierung, von der die demokratischen Regeln in solch schändlicher Weise verletzt werden, kann die Union keine Geschäfte betreiben. Mit ihrem Handeln versperrt sich die serbische Regierung den Weg nach Europa. Solange Präsident Milosevic nicht 100 %ig geständig war, müssen die Beziehungen eingefroren werden. Eine solche Auffassung wird, wie es vorhin schien, von Kommissar Van den Broek erfreulicherweise geteilt. Die Union und die Mitgliedstaaten müssen darum bemüht sein, daß der heutigen serbischen Regierung vom IWF keine Konzessionen gemacht werden. Es geht uns nicht nur um eine Korrektur des Wahlergebnisses. Es handelt sich hier um ein Beispiel für den besorgniserregenden Inhalt serbischer Demokratie. Hier ist eine Verbesserung erforderlich. Dies muß von der Union klar gemacht werden, allerdings mit der Bereitschaft, bei einer Stärkung der Demokratie in diesem Land mitzuhelfen. Dafür trägt jeder eine Verantwortung. Milosevic ist im Augenblick unschlüssig. Seine Konzessionen haben jedoch bislang auf die Demonstranten wenig Eindruck gemacht. Der Präsident des Landes benötigt offenbar noch einige Anstöße. Die Präsidentschaft kann dadurch behilflich sein, daß eine Sondermission der Troika organisiert wird, um vor Ort den nötigen Druck auszuüben. Ich war etwas enttäuscht über die Reaktion von Minister Van Mierlo, der sagte, daß er mit der Zielsetzung des vorliegenden Entschließungsantrags zwar einverstanden sei, daß er aber im Augenblick noch nicht sicher wisse, ob er jetzt einen solchen Schritt unternehmen und sich mit der Troika-Mission dorthin begeben solle. Meines Erachtens darf die Europäische Union nicht lange warten, um damit nicht wieder die Gefahr zu laufen, daß die Initiative den Amerikanern überlassen wird. Es läßt sich niemals exakt feststellen, wann und mit welchem Erfolg eine solche Mission unternommen werden kann. Die Menschen in Belgrad haben meines Erachtens Anspruch auf eine klare Präsenz der Europäischen Union. Die Europäische Union muß, ich sage es nochmals, in Belgrad sichtbarer präsent sein. Das ist jetzt für die Opposition wichtig; gleichzeitig stellt dies auch eine Investition in künftige Beziehungen mit einem hoffentlich demokratischeren Land dar. Frau Präsidentin, andere Kollegen haben den politischen Ausrutscher des niederländischen Wirtschaftsministers kritisiert. Ich meine, daß dieses Thema keinen Schatten auf das Programm der niederländischen Präsidentschaft werfen sollte, und ich möchte dem amtierenden Präsidenten des Rates gratulieren, denn er ist der erste Präsident, der eine dem Geist und dem Buchstaben der Verträge gerecht werdende Interpretation dessen vorgenommen hat, was die wechselnde Präsidentschaft im Rat bedeutet, und dies weitab von Subjektivität und Demagogie aus innenpolitischen Gründen. Ich meine auch, daß wir in diesem Parlament diese halbjährlichen Aussprachen über die Ratspräsidentschaft nicht allzu sehr durch die nationale Brille sehen und führen sollten. Damit, Frau Präsidentin und Herr amtierender Ratspräsident, möchte ich in Anlehnung an die Struktur Ihre Programms auf einige Aspekte der Wirklichkeit in Europa eingehen, von der auch Sie gesprochen haben, und auf einige Fragen zu sprechen kommen, die wir in diesem Parlament als wesentlich erachten. Ich halte es für sehr wichtig, daß unter Ihrer Präsidentschaft die Schubladen im Rat einmal ein wenig ausgeputzt werden, denn bei dieser Institution sind viele Entwürfe für Richtlinien und Verordnungen hängengeblieben. Es sind weder die Kommission noch das Parlament, die den Gesetzgebungsprozeß verzögern; es ist der Rat. Hier ist viel zu tun, und wir hoffen auf Ihren Eifer. Des weiteren würden Sie sich sehr verdient machen, wenn Sie im Rat den Geist der Verträge verbreiten könnten anstelle der verfremdeten Denkweise, die die Praxis mit sich gebracht hat. Ich meine, daß der Rat zu häufig eine Einigung anstrebt, und dies selbst in den Fällen, in denen der Vertrag eine Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit zuläßt. Auch damit wird gegen die Verträge gehandelt und werden viele Entscheidungen unnötig hinausgezögert. In diesem Sinne meine ich auch, Herr Präsident, daß der Rat dem Wunsch einiger Regierungen nach Renationalisierung einiger Politiken einen Dämpfer aufsetzen sollte. Ganz konkret meine ich hier die Umweltpolitik, und ich darf in diesem Bereich darauf hinweisen, daß einer der Vorschläge, die Sie in Ihrem Programm genannt haben, die Erzielung einer endgültigen Einigung über die CO2 -/Energiesteuer ist, auf die wir schon seit 1992 warten; in jenem Jahr fand der Weltumweltgipfel statt, auf dem wir uns vor aller Welt offiziell verpflichtet haben, diese gesetzgeberische Maßnahme schon bald in der Europäischen Union umzusetzen. In anderen Bereichen wie der Innenpolitik meine ich, daß die endgültige Billigung des Vertrags über das Abkommen über die gemeinsame europäische Grenze ein dringendes Anliegen ist, ebenso wie die Maßnahmen gegen Terrorismus und natürlich, wie dies auch andere Kollegen gesagt haben, die Bekämpfung des Drogenhandels. Herr Präsident, ich glaube, daß im nächsten Vertrag die doppelte getrennte Zuständigkeit der nationalen Parlamente und des Europäischen Parlaments micht verfälscht werden sollten. Jedwede Verfälschung oder Vermischung dieser Zuständigkeiten würde sich auf unsere künftigen Arbeiten sehr negativ auswirken. Frau Präsidentin! Zunächst möchte ich sagen, daß ich zumindest auf dem Gebiet der Umweltpolitik die Ziele der niederländischen Präsidentschaft begrüße. Ich empfinde ihr Programm als seltsame Mischung aus durchaus lohnenswertem Ehrgeiz und Irrealität: Irrealität deshalb, weil es meiner Ansicht nach Schwierigkeiten mit Zeitplänen und der Maschinerie der Gemeinschaft gibt, die in dem von ihr veröffentlichten Programm nicht berücksichtigt sind. Dieser Realismus muß erst noch entwickelt werden. Ich halte es für lobenswert, daß die niederländische Präsidentschaft für die angemessene Einbindung der Umweltund Gesundheitspolitik in andere Politiken, vor allem die Beschäftigung, Sorge tragen will. Das finde ich sehr gut. Es freut mich sehr, daß dieses Thema ernstgenommen wird. Ich möchte aber ein oder zwei gezielte Bemerkungen dazu machen. Ich hoffe, daß in den sechs Monaten der niederländischen Präsidentschaft Fortschritte beim fünften Aktionsprogramm für die Umwelt erzielt werden, und zwar zunächst, indem dafür gesorgt wird, daß der Beschluß des Rates vom Dezember dem Parlament tatsächlich zugeleitet wird, damit wir mit der Arbeit für die zweite Lesung beginnen können. Ich hoffe, daß darauf hingearbeitet wird, einen Beschluß sowohl über Trink- als auch über Badewasser zu erreichen. Die erste Lesung im Parlament hat bereits stattgefunden, und ich kann keinen Grund erkennen, warum es keine Fortschritte geben sollte. Ich hoffe sehr, daß Fortschritte gemacht werden. Drittens stimme ich mit der niederländischen Präsidentschaft darin überein, daß die Durchführung und Durchsetzung der Umweltpolitik von überaus großer Bedeutung ist, doch möchte ich sie bitten, in der ersten Sitzung des Umweltministerrates noch keinen Beschluß herbeizuführen, sondern lieber bis zur zweiten zu warten, damit zuvor nützliche Konsultationen und Diskussionen mit dem Parlament über dieses sehr wichtige Thema stattfinden können. Viertens hoffe ich, daß auch das "Auto-Oil" -Programm fortgeführt wird, wiederum nicht in der ersten Sitzung des Umweltministerrates, sondern in der zweiten, weil wir nach meiner Meinung dabei Unterstützung leisten können. Schließlich hoffe ich, daß dem Umstand Rechnung getragen wird, daß das Rahmenprogramm für Wasser noch nicht vorliegt, und daß die Kommission deshalb darin bestärkt wird, eine Einigung darüber herbeizuführen, damit wir mit der gemeinsamen Arbeit daran beginnen können. Ich wünsche der niederländischen Präsidentschaft trotz der Obstruktionshaltung gewisser Mitgliedstaaten im Rat viel Glück. Herr Präsident, Herr Ratspräsident, als Stellungnahme Ihren ausführlichen Darlegungen möchte ich etwas bemerken, wodurch vielleicht jenes bißchen Enthusiasmus entsteht, wonach Sie sich so sehnen. Ich weiß, daß Sie aufgeschlossen sind. Ich möchte Sie daran erinnern, daß die europäische Integration ein äußerst tapfer eingegangenes Wagnis vorhergehender Generationen war, die damit einen Traum zu verwirklichen versuchten. Es ging darum, daß nicht mehr so sehr über gegeneinander gerichtete Schwerter gesprochen werden sollte, sondern vielmehr über Pflugscharen, die eingesetzt werden. Das ist eigentlich gelungen. Es läßt sich also sagen, daß wir heute in einem Stückchen verwirklichter Utopie leben. Wird all dies der bürokratischen Pragmatik überlassen, dann bleibt langfristig nur noch eine Konstruktion übrig; das war die Einleitung Ihrer Ausführungen. Ich halte es jedoch für sehr wichtig, daß der niederländischen Regierung, die die Präsidentschaft der Union innehat, die nötigen Impulse verliehen werden. Ich nehme an, daß dies bei Ihnen ebenfalls in guten Händen ist. Was sodann den dritten Pfeiler, der einen Teil dieser Konstruktion bildet, betrifft, so steht das krampfhafte Festhalten an nationaler Souveränität in völligem Widerspruch zur Sicherheit der Bürger. Dies wird meines Erachtens in zunehmendem Maße begriffen. Daher ist es jetzt von größter Wichtigkeit, daß souverän beschlossen wird, Kriminalität auf europäischer Ebene zu bekämpfen. Es ist besonders gefährlich, in diesem sehr klassischen Bereich des Rechtsstaates leichtsinnig fortzufahren ohne die erforderlichen Befugnisse des Europäischen Gerichtshofs und die notwendige parlamentarische Kontrolle auf europäischer Ebene. Zur Erinnerung: zu Hause kennen Sie den parlamentarischen Untersuchungsausschuß Van Traa, bei dem es um das Verhalten von Polizei und Justiz geht. Es muß uns bewußt werden, wie leichtsinnig es ist, wenn auf diesem Sektor ohne eine solche Möglichkeit des Vorgehens auf europäischer Ebene fortgefahren wird. Es ist nicht unsere Absicht und war nie unsere Absicht, den nationalen Parlamenten Befugnisse zu entziehen, sondern lediglich jene Befugnisse, die beim Rat an einer falschen Adresse in Brüssel liegen, in den richtigen Gemeinschaftsrahmen zu stellen. Meines Erachtens müssen Sie etwas ehrgeiziger sein, und in Sachen Asylpolitik haben Sie eine Bemerkung zur niederländischen Politik auf diesem Gebiet gemacht. Sie sprechen sich eigentlich dafür aus, daß die Verantwortung für einen betrugssicheren Ausweis in die Hände - wie es scheint - der Kommission gelegt wird. Ist das nicht ein zu einseitiges niederländisches Regierungsinteresse? Wenn ich an die Geschichte denke, steckt hierin meines Erachtens auch ein wenig Humor. Herr Präsident, die niederländische Präsidentschaft wird es nicht leicht haben. Es besteht große Gefahr, daß vor den britischen Wahlen keine wichtige Entscheidung getroffen werden kann, und dann bleiben nur noch ein paar Wochen bis zum Amsterdamer Gipfel. Es scheint unmöglich, in diesen wenigen Wochen zu erreichen, was andere in etlichen Monaten nicht geschafft haben und zudem noch in einem Bereich, wo die Bürger viel von der Union erwarten. Die Bürger verlangen eine Gewähr für ihre persönliche Sicherheit, eine wirksame Bekämpfung des internationalen Verbrechens, und daß wirksam gegen die Verbrechen an Kindern, den Drogenhandel, Betrug und die Korruption vorgegangen wird. Was aber ist festzustellen? Daß das zwischenstaatliche System auf all diesen Gebieten mangelhafte Leistungen aufweist. Ob es sich nun um die Zusammenarbeit von Justiz oder Polizei handelt, das Schema ist immer dasselbe: Die großen Verbrecherbanden haben sich einen europäischen Raum geschaffen, indessen diejenigen, die gegen diese großen Verbrecherbanden vorgehen sollten, sich hinter der Fassade sogenannter souveräner Interessen verschanzen und daraus folgend wenig oder gar nichts tun. Diesen Weg weiter zu verfolgen, Herr Präsident, muß zum Mißerfolg führen. Was wir zur Bewältigung der Probleme brauchen, sind gemeinschaftliche Strukturen, nicht nur im Bereich Visa, Asyl und Einwanderung, sondern auch und vor allem bei der Verbrechensverhütung und bei den Aktionen von Polizei und Justiz. Also stehen wir zwei Schlußfolgerungen gegenüber: Als erstes sollten diejenigen, die sich an ihre Souveränität klammern, einsehen, daß, wenn sie nicht einen Teil dieser Souveränität mit anderen zusammenlegen, sie Gefahr laufen, alles zu verlieren; und als zweites, daß die niederländische Präsidentschaft, wenn es ihr nicht rechtzeitig gelingt, ein Paket wirksamer Maßnahmen zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens zu schnüren, das nicht als das Ende betrachtet, sondern die Sache an die folgende Präsidentschaft weitergibt. Denn es ist besser, etwas länger auf gute Texte zu warten, als die Dinge zu überstürzen und jahrelang die Folgen eines ineffizienten Systems ertragen zu müssen. Herr Präsident, ich möchte den Damen und Herren Abgeordneten für ihren Beitrag, für die lobenden und würdigenden Worte, aber auch für die vorgebrachte Kritik sehr herzlich danken. Wir stehen am Anfang eines Prozesses, und als Ratspräsident habe ich natürlich meine eigenen Auffassungen zu einer ganzen Reihe von Themen, die Europa betreffen, doch muß ich als Präsident vor allem sämtliche Stimmen anhören, da sie allesamt wichtig sein werden, wenn es anschließend darum geht, zu einem Konsensus zu gelangen, in dem diese Auffassungen zusammengefaßt sind. Daher bin ich für alle kritischen Bemerkungen sehr dankbar, abgesehen von jenen mit einem stark nationalen Einschlag. Eine Abgeordnete hat sich in solchen Bemerkungen ergossen und anschließend zum Überfluß noch erklärt, sie fühle sich von Kopf bis Fuß als Niederländerin. Nun, das hat sie auch keinen Augenblick verhehlt. Aber auch ihr bin ich für die kritischen Bemerkungen, die ich ebenfalls verwerten kann, dankbar. Das gilt eigentlich für sämtliche Abgeordneten. Vielleicht kann ich mich etwas kürzer fassen, da die vorgebrachten Bemerkungen zu einem sehr großen Teil in den Bereich der Fachminister fallen. Diese werden hier in starkem Maße vertreten sein. Ich werde Ihre Bemerkungen, die von mir allesamt zur Kenntnis genommen wurden und die vor allem auch auf dieser Ebene liegen - beispielsweise sämtliche von Herrn Collins vorgebrachten Bemerkungen - unseren Fachministern in ihrer Eigenschaft als Ratspräsidenten übermitteln. Sie werden mit Ihnen darüber einen konkreteren Dialog führen können. Wie von vielen bemerkt wurde - Herr Oostlander hat es wohl am nachdrücklichsten gesagt -, stehen wir in einem entscheidend wichtigen Jahr. Europa hat seinen Aufbau mit Enthusiasmus begonnen; dies beinhaltet jedoch keinen Widerspruch. Ich habe lediglich gesagt, daß wir nicht versuchen müssen, sofort bei allen Bürgern Begeisterung für diese Konstruktion zu wecken. Wir, die wir damit befaßt sind, müssen allerdings Begeisterung aufbringen, denn anders ist es nicht möglich. Um unsere Aufgabe erfüllen zu können, ist eine klare Begeisterung hierfür erforderlich, die dann auch bei anderen zu wecken ist. Wie ich schon sagte, kann nicht alles in Einzelheiten behandelt werden. Ich greife jedoch einige Bereiche heraus, zu denen fast jeder gesprochen hat. Die Beschäftigung ist zu einem Thema geworden, zu dem es im Verlaufe der Aussprache unterschiedliche Ausführungen gab. Die einen hegten große Erwartungen, die anderen waren enttäuscht. Eine dritte Gruppe befürchtet, daß die Umwelt zur Leidtragenden wird. Die Gesamtthematik der Beschäftigung ist bereits seit Essen zu einer für die Präsidentschaft und für die Union immer dringlicheren Aufgabe geworden. Bei den Auseinandersetzungen ging es hauptsächlich um die Frage, was damit im Vertrag gemacht werden soll. Wie es - wenn ich mich umsehe - im Augenblick aussieht, gibt es noch einige Länder, die bei der Frage, ob in der Union tatsächlich für die Schaffung von Arbeitsplätzen gesorgt werden kann, skeptisch sind, doch betrifft die Skepsis nicht die Zielsetzungen oder die Verantwortungen, sondern die Frage, ob durch die Union auch ein wirklich effektives Instrument geboten werden kann. Darum geht es. Aber auch bei denjenigen, die etwas skeptischer eingestellt sind, ist das Verständnis doch nach und nach größer geworden. Es scheint denn auch, daß in den Vertrag ein einschlägiges Kapitel aufgenommen wird. Ich komme jetzt zur WWU, über die zahlreiche Abgeordnete gesprochen haben, und zwar häufig so, als stünde die WWU dem Ziel der Schaffung von Arbeitsplätzen entgegen. Lassen Sie mich Ihnen sagen, daß ich dies für eine falsche Ansicht halte. Jedes Land, das seine Wirtschaft in Ordnung bringt, stellt fest, daß sich daraus kurzfristig negative Auswirkungen auf die Beschäftigung ergeben können. Es entsteht jedoch anschließend eine Situation, die für eine viel größere Zahl von Personen Beschäftigungsmöglichkeiten bieten kann. Wir haben dies selbst in den Niederlanden erlebt, und wir ernten jetzt davon die Früchte. Mit der Einführung der WWU verhält es sich genauso. Die WWU steht der Beschäftigung nicht entgegen. Aufgrund der für eine Teilnahme zu erfüllenden Voraussetzungen kann sie zwar kurzfristig zu solchen Wirkungen führen. In Wirklichkeit werden sich den Erwartungen zufolge positive Auswirkungen auf die Möglichkeit der Schaffung von Arbeitsplätzen ergeben. Es ist an dieser Stelle wohl angebracht, nochmals - eigentlich zum Überfluß, denn ich habe es im ersten Teil meiner Ausführungen bereits klar gesagt, doch konnte es vielleicht nicht jeder hören - darzulegen, welche Position die niederländische Regierung in der Frage der Zulassung zur WWU vertritt. Lassen Sie mich zunächst kurz etwas zur Verteidigung meines Finanzkollegen sagen. Ich erhalte die Berichterstattung verschiedener ausländischer Zeitungen und auf diese Weise erfuhr ich davon; ich erschrak damals und dachte: mein Gott, hat er das gesagt, hat er das gemeint! Ich hatte ihn danach gefragt und erhielt von ihm eine ganz konkrete Antwort. Das Wort Hysterie ist im Zusammenhang mit einer Beschreibung von Ländern gefallen, die nicht gleich im ersten Jahr bereit sein werden, sondern ein oder zwei Jahre später, jedoch noch vor Einführung des Euro. Es handelt sich dabei um Länder, die eigentlich als von Beginn an dazugehörende Mitgliedstaaten galten. In diesem Zusammenhang hat er gesagt: das ist mir dann lieber, als wenn sie in hysterischer Weise versuchen, gleich im ersten Jahr bereit zu sein. Ich enthalte mich also eines inhaltlichen Urteils, doch ist es in jedem Fall in einem sehr freundlichen Sinne gemeint. Die betroffenen Länder brauchen sich durch die vorgebrachte Bemerkung jedenfalls nicht beleidigt zu fühlen. Was nun den Standpunkt, der vom gesamten Kabinett in den Niederlanden bereits seit zwei Jahren vertreten wird - der Standpunkt des Ministerpräsidenten, einschließlich des Außen- und des Finanzministers - betrifft, so habe ich ihn bereits in Worte gefaßt und ich kann es nicht konkreter sagen: jeder, der die Kriterien erfüllt, ist willkommen, und je mehr Länder, desto besser. Hier bestehen keine weiteren Hintergedanken, daß man Ja sagt, aber dann doch vielleicht denkt, ... nein, so verhält es sich nicht. Wir haben dies stets so gesagt. Allerdings besteht in den Niederlanden die Ansicht, daß solche Kriterien strikt angewendet werden müssen, daß nicht geschummelt werden darf. Ich richte mich also insbesondere an die Länder, die sich den Luxus leisten zu können glaubten, sich eine Woche lang verletzt zu fühlen. Gestatten Sie mir einige Bemerkungen zur Demokratie. Darunter fällt alles, was der Bürger mit dem Beschlußfassungsprozeß in Verbindung bringt. Demokratie bedeutet also sowohl Transparenz als auch parlamentarische Kontrolle. Dieses Thema spielt bei den Beratungen der Regierungskonferenz eine der wichtigsten Rollen. Ich erwarte, daß in diesem Punkt wirkliche Ergebnisse erzielt werden können. Für die niederländische Präsidentschaft selber ist der Abbau des Demokratiedefizits ein vorrangiges Ziel. Unsere Vorschläge enthalten eine Fülle von Möglichkeiten zur Erweiterung der Kontrollbefugnisse des Europäischen Parlaments. Hinsichtlich der inhaltlichen Ausgestaltung bestehen allerdings gewisse Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern. Das ist nun einmal so und gilt in zahlreichen Bereichen. Unsere Aufgabe ist es, hier zu einem Konsensus zu gelangen. Es möge bei Ihnen jedoch kein Zweifel daran bestehen, daß das Problem in Angriff genommen wird. Das ist doch das Wichtigste, was ich Ihnen hierzu im Augenblick sagen kann. Lassen Sie mich kurz zu den Bemerkungen, die zu den Menschenrechten vorgebracht wurden, Stellung nehmen. Ich habe diesem Thema sehr große Aufmerksamkeit geschenkt. Ich habe gesagt, daß ich darin eine zunehmend wichtigere Aufgabe für die Europäische Union sehe. Dies wurde so interpretiert, als überließen die Niederlande die Menschenrechtspolitik lieber der Europäischen Union. Lassen Sie mich dazu nur eines sagen: Ein solches "Überlassen" geschieht nicht aus Bequemlichkeit. Ich sage dies deswegen, weil ich feststelle, daß es für sämtliche Länder sehr schwierig ist, in völligem Alleingang eine effektive Menschenrechtspolitik zu betreiben. Daher müssen wir meines Erachtens gegenüber großen Ländern, gegenüber den emerging economies wie China und eigentlich ganz Südostasien - aufgrund seiner Bedeutung gehört Indonesien ebenfalls dazu - nach neuen Wegen suchen, darüber zu sprechen und dafür zu sorgen, daß jene Werte gewahrt bleiben bzw. dort, wo sie verlorengingen, wiederhergestellt werden. Sie dürfen das also nur in positivem Sinne verstehen. Es wurden einige Bemerkungen zum dritten Pfeiler vorgebracht. Ich möchte nochmals nachdrücklich betonen, für wie wichtig die Niederlande dieses Thema betrachten, und zwar nicht nur für window-dressing , nicht deswegen, weil es hier zwischen Frankreich und den Niederlanden eine heftige Diskussion über verschiedene Ansichten zur Drogenpolitik gab. Diese Unterschiede, so sagen Sie, werden noch eine Zeitlang bestehen bleiben, wenngleich ich feststellen muß, daß allmählich doch mehr und mehr Verständnis für eine Drogenpolitik aufgebracht wird, die auf einem völlig nationalen Konzept beruhen, auf typisch niederländische Art konstruiert sein mag, die aber Ergebnisse zeitigt, die - wenn ich es ganz ehrlich sagen darf - unendlich viel besser sind als in den Nachbarländern. Welches Land kann nun seinen Bürgern gegenüber begreiflich machen, daß es eine Politik, die so viel positive Ergebnisse erbracht hat, nur deswegen aufgibt, weil dies von einem anderen Land gewünscht wird oder weil es dafür häufig soviel Unverständnis gibt? Gleichwohl tragen die Niederlande auch eine große Verantwortung, wenn sich negative Konsequenzen einer solchen nationalen Vorgehensweise grenzüberschreitend auf andere Länder auswirken. Ich kann Ihnen versichern, daß ich es für eine Herausforderung halte und daß ich stolz darauf bin, daß gerade die Niederlande jetzt die Führung der high level group übernehmen können, die sowohl die Kriminalität als auch die Drogenpolitik gemeinsam zu bekämpfen haben wird, und daß wir auch bei der Festlegung jener gemeinsamen Aktion den Vorsitz führen dürfen, von der so viel gesprochen wurde. Ich bin überzeugt, daß von uns gezeigt werden kann, daß in diesen Punkten eine engere, stärkere und effektivere Zusammenarbeit zu erreichen ist, ohne daß der Wesenskern einer nationalen Politik preisgegeben zu werden braucht. Lassen Sie mich - Herr De Vries sprach darüber, aber meines Erachtens wird das von allen so empfunden - eine Bemerkung zu Jugoslawien und den Kriegsverbrechern vorbringen. Wir sind aufgefordert, auf diesem Gebiet Schritte zu unternehmen. Lassen Sie mich folgendes sagen: ich selber betrachte die Tatsache, daß die Kriegsverbrecher frei herumlaufen können, als ein Geschwür, das, wenn es nicht entfernt werden kann, zum größten Hindernis wird, das der Verwirklichung der Ziele entgegensteht, die von uns in Bosnien-Herzegowina verfolgt werden, nämlich die Schaffung eines multiethnischen Staates, der tatsächlich multiethnisch sein kann und funktionsfähig ist. Es geht jedoch nicht nur darum, sondern es bedeutet auch für das Haager Tribunal, das eigentlich das Weltgewissen verkörpert und symbolisiert, das aber keine Kriegsverbrecher mehr hat, um tätig zu sein, gleichsam eine Beleidigung und widerspricht unserem Ziel einer internationalen Rechtsordnung sowie des Schutzes und der Verteidigung von Grundsätzen und Werten. Aus diesem Grunde geben wir nicht auf. Zwar anerkenne ich, daß es sehr schwierig sein wird, mit den in Jugoslawien vorhandenen Kräften zu erreichen, daß die betreffenden Personen festgenommen werden. Ich werde jetzt nicht auf Einzelheiten eingehen. Sie kennen sie zum Teil selbst. Daß bislang in dieser Sache noch nichts Effektives geschehen ist, bedeutet keineswegs, daß dies von den Mitgliedstaaten der Europäischen Union hingenommen wird. Damit geraten wir in einen Bereich, bei dem eine öffentliche Diskussion schwierig ist, da dann über Aktionen anderer Art nachgedacht wird. Ich kann Sie nur bitten, mir zu glauben, wenn ich sage, daß diese Tatsache nicht hingenommen wird, da wir uns dies nicht leisten können. Zum Thema Flexibilität gab es eine Reihe von Bemerkungen. Wie ich schon sagte, wird dieses Thema auf intellektueller Ebene zum schwierigsten Problem. Es läßt sich am besten wie folgt zusammenfassen: Flexibilität stellt für uns eine kritisch zu betrachtende Notwendigkeit dar, da andernfalls der Integrationsprozeß gefährdet ist, bevor man es weiß. Mit einer solchen Haltung werden wir versuchen, es zu ermöglichen, das Gebot der Erweiterung und das Gebot der Vertiefung miteinander, wie ich es nannte, in Einklang zu bringen. Eine solche Möglichkeit kann durch den Grundsatz der verschiedenen Geschwindigkeiten gefunden werden, sofern dieser Grundsatz sorgfältig und behutsam angewandt wird. Auch in dieser Frage bestehen, wie ich feststelle, erhebliche Meinungsgegensätze. Gleichwohl bin ich der Überzeugung, daß es uns möglich sein wird, zur Flexibilität ein entsprechendes Kapitel in den Vertrag aufzunehmen. In der Gemeinschaft besteht gegenüber der Flexibilität beim ersten Pfeiler im allgemeinen große Zurückhaltung. Beim zweiten Pfeiler verhält es sich anders: hier geht es nämlich um eine Befreiung von der Diktatur des Vetorechts, was absolut notwendig ist. Herr Bertens, aber auch zahlreiche andere Redner, wie Herr De Vries, haben hierauf hingewiesen. Wir streben unbedingt eine effektivere, eine tatsächliche Außenpolitik an. Es geht nicht um die Häufigkeit der Abstimmungen, sondern um die Tatsache, daß das Bestehen des Vetorechts selbst bereits seine Schatten auf das gesamte Beschlußfassungsverfahren im Rat vorauswirft. Allzu häufig führt das Einstimmigkeitsprinzip dazu, daß kein Beschluß gefaßt oder daß ein Beschluß gefaßt wird, der auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner beruht. Gestatten Sie mir noch kurz ein Wort zum Thema Zypern, das von zahlreichen Rednern zur Sprache gebracht wurde. Wie ich schon sagte, werden wir, wenn das Zypernproblem nicht gelöst wird, in unserer Bewegungsfreiheit gehemmt sein, sowohl was die Nato-Erweiterung als auch die Erweiterung der Europäischen Union betrifft; jedenfalls besteht hier eine Gefahr. Es ist eine sehr behutsame Vorgehensweise erforderlich. Zweifellos besteht derzeit ein sogenanntes window of opportunity , um jetzt zu handeln. Nächstes Jahr werden auf Zypern Wahlen stattfinden, und eigentlich muß jetzt die Grundlage für die Verhandlungen gelegt werden, die ein halbes Jahr nach Abschluß der Regierungskonferenz aufgenommen werden sollen. Die Situation hat sich zwar etwas verbessert, doch handelt es sich nur um eine vorläufige Verbesserung, die sich auf die Raketen bezieht, die bestellt wurden, die aber vorerst, d. h. in den ersten 16 Monaten, nicht installiert werden sollen. Sie betrifft auch das Überfliegen durch türkische und griechische Flugzeuge. Ich habe beide Seiten dazu aufgefordert, sich jeglicher Schritte zu enthalten, die zu einer Verschärfung der bestehenden Spannungen führen können. Lassen Sie mich noch eine Antwort geben, die sich besonders an Herrn Bertens richtet, und obgleich dieses Thema nicht hierher gehört, beinhaltet es doch auch ein europäisches Element, nämlich die eventuelle Lieferung von Raketen an die Türkei. Als NATO-Land fällt die Türkei in die Kategorie der Länder, in die Waffenlieferungen möglich sind. Dabei wird jedoch sehr kritisch die Frage beurteilt, ob solche Waffen eventuell gegen Kurden eingesetzt werden könnten. Überhaupt wird jeder offizielle Antrag auf Lieferungen auf die Frage hin geprüft, ob solche Lieferungen zu einer Erhöhung der Spannung führen werden. Das sind die üblichen Kriterien, die angewandt werden und die auch im vorliegenden Fall Anwendung finden; derzeit liegt jedoch kein Antrag auf Lieferungen vor; mit anderen Worten, solchen Entscheidungen vorzugreifen, wirkt an sich ebenfalls spannungsverschärfend. Das ist nicht notwendig, und daher nehme ich davon Abstand. Noch ein letztes Wort zum Nahen Osten. Es wurde hier bemerkt, wir hätten dort andere Interessen als die Amerikaner. Das mag vielleicht der Fall sein, wenn es um Detailfragen geht. Allgemein bedeutet das Nah-OstProblem, daß nicht nur der Friede dort bedroht ist, sondern daß, wenn dort kein Friede zustandekommt, damit eine Gefahr für die ganze Welt besteht. Was die grundlegenden Interessen betrifft, so sind es meines Erachtens auf amerikanischer und europäischer Seite die gleichen. Ich werde es hierbei bewenden lassen, nicht weil ich überzeugt bin, alle Fragen zufriedenstellend beantwortet zu haben, sondern in der Überzeugung, daß ich hier noch öfters sein und die Gelegenheit haben werde, auf sämtliche Bemerkungen, die vorgebracht wurden, näher einzugehen. Herr Ratspräsident! Ich bedauere es, daß Sie eigentlich nur niederländischen Kollegen eine Antwort gegeben haben, obwohl wir hier doch ein sehr europäisches Parlament sind. Europäisch heißt eben Deutsch, Französisch, Portugiesisch und so weiter! Ich hatte eine sehr konkrete Aussage zu Serbien gemacht, und hätte gerne von Ihnen eine konkrete Antwort zu Serbien, und nicht nur von Herrn van den Broek, sondern vom Ratsvorsitzenden. Bitte, Herr Ratsvorsitzender, wenige Sätze, aber mit Inhalt. Sie werden verstehen, daß die Aussprache schon sehr lange gedauert hat und die Zeit drängt. Herr Präsident, Sie haben recht, es handelt sich um einen Punkt, der an sich sehr wichtig ist, doch werde ich auch durch Ihre eigene Tagesordnung etwas unter Druck gesetzt. Auch Herr Wiersma hat bezüglich Serbien seine Enttäuschung darüber zum Ausdruck gebracht, daß von mir nicht gleichzeitig gesagt wurde, daß wir uns unmittelbar mit einer Troika dorthin begeben werden. Ich darf Ihnen sagen, daß auf meiner Rundreise durch die Hauptstädte Serbien überall sehr ausführlich zur Sprache kommt, daß dabei weitgehende Übereinstimmung in den vertretenen Ansichten besteht und daß überall die Bereitschaft vorhanden ist, die Rolle zu spielen, die einen größtmöglichen Erfolg verspricht. Wir werden uns dorthin begeben, sobald für uns dabei die Möglichkeit besteht, effektiv etwas zu bewirken. Wir können uns jedoch nicht einfach dem Gefühl nach dorthin begeben, denn es ist durchaus möglich, daß, wenn man dort gewesen ist und mit leeren Händen zurückkehrt, damit ein kontraproduktiver Effekt erzielt wird, während drei Tage später vielleicht etwas getan werden könnte, eine Reise dorthin jedoch nicht mehr möglich ist, weil man gerade dort war. Mit anderen Worten, es geht um die Frage der Effizienz, doch möchte ich Ihnen sagen, daß sämtliche Länder überzeugt hinter denjenigen stehen, die gezeigt haben, daß es auch noch ein anderes Belgrad gibt als dasjenige von Milosevic. Sie brauchen hier keine Zweifel zu haben, ich habe keine Ausnahmen gehört, und ich erwarte, daß ich auch bei dem übrigen Teil meiner Rundreise solchen Ausnahmen nicht begegnen werden. Herr Präsident, ich möchte mich den Ausführungen von Frau Pack anschließen: Er sollte meines Erachtens nicht nur den niederländischen Kollegen eine Antwort geben. Ich habe den Minister auf eine Äußerung angesprochen, die Erbakan gestern gemacht hat und die sich heute in der gesamten europäischen Presse wiederfindet, daß nämlich die Türkei bereit ist, gegenüber Griechenland das zu tun, daß die türkische Armee bereit ist, das zu tun, was sie 1974 Zypern angetan hat. Der Präsident kann dieses Problem, diese Drohung gegenüber einem Mitgliedland nicht einfach unter den Tisch fallen lassen. Ich erwarte eine Stellungnahme des Präsidenten, und sei sie auch noch so kurz. Ich habe noch eine Frage, die von drei Fraktionen gestellt und eigentlich nicht beantwortet wurde, nämlich die Frage, welche Haltung die niederländische Präsidentschaft zu der wünschenswerten Erweiterung der Haushaltsbefugnisse des Parlaments zusätzlich zu seinen Gesetzgebungsbefugnissen einnimmt. Sie haben zwar gesagt, daß eine solche Erweiterung der Haushaltsbefugnisse von der Präsidentschaft unterstützt wird, doch sind diesbezüglich aufgrund einiger Äußerungen Zweifel aufgekommen, was hier als eine sehr ernste Angelegenheit betrachtet wird. Daher möchten wir, daß Minister Van Mierlo dazu Stellung nimmt. Eine solche Forderung wird nicht nur von unserer Fraktion, sondern von drei weiteren Fraktionen gestellt. Herr Präsident, ich hatte lediglich zwei Fragen gestellt, habe aber bisher auf keine eine Antwort erhalten. Die erste ist ganz einfach: Ist für den informellen ECOFIN-Rat im April vorgesehen, eine erste Prüfung der Revision der finanziellen Vorausschauen mit Blick auf die Finanzierung der Europäischen Union im Jahr 2000 vorzunehmen? In der zweiten wichtigen Frage, Herr Präsident, ging es darum, ob die amtierende Präsidentschaft nach der Verhandlungsrunde - und insbesondere nach den Kontakten mit der augenblicklichen britischen Regierung - einen Abschluß der Arbeiten der Regierungskonferenz zur Reform der Verträge mit nur 14 ins Auge faßt. Ich werde mich sehr kurz fassen, Herr Minister. Sie haben gesagt, es habe keine einzige Stimme des Widerspruchs gegeben. Ich glaube, daß damals vor fünf Jahren zur Zeit der Massaker in Vukovar, als man hier noch die jugoslawische rote Armee unterstützte, in der Tat sehr wenig Widerspruch zu hören war, das heißt nur von seiten meiner Freunde und mir selbst. Heute kommt zu unserer Schande auch noch der Spott. Herr Präsident, was die Türkei betrifft, so habe ich beschlossen, daß über die Beziehungen zur Türkei im Assoziationsrat Beratungen geführt werden. Die Türkei ist ein NATOPartner. Zwar ist an der Türkei eine Menge Kritik zu üben, doch müssen sowohl die positiven wie die negativen Seiten behandelt werden, und daher werden wir die Tagung des Assoziationsrates so früh wie möglich stattfinden lassen, damit all diese Punkte zur Sprache gebracht werden. Ich habe gestern an die betroffenen Parteien und in diesem Fall auch an Herrn Erbakan einen sehr klaren Appell gerichtet, sich Äußerungen und Aktionen zu enthalten, durch die eine Verschärfung der Spannungen bewirkt werden könnte. Es darf allerdings nicht unterschätzt werden, daß derzeit auf beiden Seiten ein Gedankenaustausch stattfindet, durch den die Spannungen erhöht werden. Hier ist auf beiden Seiten Mäßigung erforderlich, denn andernfalls gelangen wir nicht zu dem Punkt, zu dem wir ohnehin gelangen müssen, um beispielsweise für Zypern eine Lösung zu finden. Zum Thema Haushalt werde ich mich mit folgender Bemerkung begnügen: der auf der Regierungskonferenz über die Unterscheidung zwischen obligatorischen und nichtobligatorischen Ausgaben geführte Gedankenaustausch bietet - und dieser Tatsache muß realistisch ins Auge gesehen werden - sehr wenig Aussicht darauf, daß eine solche Unterscheidung aufgehoben wird. Das heißt zwar nicht, daß alle der Ansicht sind, die derzeitige Situation müsse bestehen bleiben; ich habe Ihnen meines Erachtens jedoch in einem früheren Stadium geantwortet, daß gewisse Entwicklungen beim Integrationsprozeß definitionsgemäß nun einmal stufenweise erfolgen. Im Augenblick sehe ich wenig Möglichkeiten für eine Änderung bei der Unterscheidung zwischen obligatorischen und nichtobligatorischen Ausgaben. Über eine informelle Tagung zum Thema der Finanziellen Vorausschau muß in erster Linie von den Finanzministern im ECOFIN-Rat entschieden werden. In dem niederländischen Programm für die Präsidentschaft wird von der Möglichkeit einer rein informellen, zu nichts verpflichtenden Bestandsaufnahme der Standpunkte gesprochen, doch wurden dagegen so viele Einwände erhoben, daß zu fragen ist, ob eine solche Tagung tatsächlich stattfinden soll. Persönlich bin ich der Meinung, daß, wenn von einem der Mitgliedstaaten an die getroffene Vereinbarung, keine Tagung stattfinden zu lassen, erinnert wird und er bei einem solchen Standpunkt bleibt, in diesem Punkt die Tagesordnung nicht geändert werden kann. Sollte jedoch ein Treffen stattfinden, dann wird hierbei nur ein rein informeller und zu nichts verpflichtender Gedankenaustausch geführt werden. Es wurde auch eine Frage zur Situation bezüglich des Vereinigten Königreichs gestellt. Es ist schwierig, eine solche Frage in nur einer Minute zu beantworten, ohne in Unannehmlichkeiten zu geraten. Ich bin nicht dafür, daß von den Vierzehn gemeinsam versucht wird, zu Ergebnissen zu gelangen und das Vereinigte Königreich bei allen Themen in eine isolierte Position geraten zu lassen. Das halte ich für kontraproduktiv. Damit wird bei der Wahlkampagne im Vereinigten Königreich eine Politisierung und Polarisierung bewirkt, und daran sind wir nicht im geringsten interessiert. Ich möchte Ihnen sagen, daß ich keinerlei Bedürfnis habe, mich in die Wahlkampagne im Vereinigten Königreich einzumischen. Das ist nicht unsere Aufgabe: es geht um ihre Demokratie, um ihre Werte und Grundsätze, die auf dem Spiel stehen; ich habe noch weniger Grund, mich dazu zu äußern, welches der wünschenswerteste Sieger ist. Das Einzige, wozu ich berechtigt bin - und zwar im Namen sehr vieler Menschen -, ist die Hoffnung, daß es den Briten gelingen möge, sich bei ihrer Kampagne nicht allzu negativ über Europa zu äußeren. Wenn dies nämlich der Fall ist, wenn es eine Kampagne geben wird, bei der derjenige Kandidat mit der stärksten antieuropäischen Gesinnung die meisten Stimmen auf sich vereinigen kann - ich sage nicht, daß dies der Fall sein wird, doch sollte dies der Fall sein -, dann wird der Gewinner, wie dem auch sein möge, sehr wenig Spielraum besitzen, um in der kurzen Zeit danach zu Verhandlungen zu gelangen. Um es ehrlich zu sagen, wir brauchen die Briten, um die Europäische Union zu verwirklichen, und wir möchten sie auch bei uns behalten. Dazu werden wir unsere Arbeit leisten müssen. Wir müssen also soweit wie möglich versuchen, zu vergessen, daß ein solches Problem besteht. Wir sollten sie ihre Kampagne durchführen lassen. Wir sollten auch versuchen, die Themen mit den Briten so konstruktiv wie möglich durchzugehen, und wir sollten vermeiden, daß Situationen entstehen, in denen sich die Briten im Endstadium vor den Wahlen bei sämtlichen lebenswichtigen Punkten in einer isolierten Position befinden. Im übrigen täten wir gut daran, nicht allzu sehr an die Wahlen im Vereinigten Königreich zu denken. Es ist auch eine falsche Ansicht, anzunehmen, das Vereinigte Königreich sei das einzige Land, das bei einigen wesentlichen Punkten der Erreichung eines Konsensus im Wege stehe. Das ist nicht zutreffend, und wir dürfen es nicht zulassen, daß eine solche Vorstellung bestehen bleibt. Das liegt nicht im Interesse des Vereinigten Königreichs und auch nicht im Interesse Europas. Herzlichen Dank, Herr Van Mierlo. Die Aussprache ist geschlossen. Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt. Herr Präsident, ich glaube, daß wir anhand unserer tagtäglichen praktischen Erfahrungen mit unserer Arbeit unsere Tagesordnung und unsere Arbeitsplanung korrigieren sollten. Meine Bitte an Sie, Herr Präsident: Übermitteln Sie bitte dem Präsidium, daß Aussprachen wie die, die wir gerade abgeschlossen haben, besser vorbereitet werden müssen, und es muß ausreichend Zeit vorgesehen werden, damit wie in diesem Fall die Ratspräsidentschaft, die bereit ist, offen und traditionellen parlamentarischen Gepflogenheiten entsprechend Rede und Antwort zu stehen, auch genug Zeit für ihre Antworten hat; solche Aussprachen dürfen nicht wie eine x-beliebige Aussprache behandelt werden, denn sie sind für uns sehr wichtig. Ich darf den Präsidenten auch schon darauf hinweisen, daß für die nächste Teiltagung eine Aussprache mit dem Europarat geplant ist. Ich hoffe, daß dem Europarat zuvor mitgeteilt wird, daß er ausreichend Zeit für eine offene parlamentarische Aussprache haben wird, wie dieses Parlament es immer wieder fordert, weil es dies für notwendig hält. Dies wäre meine Bitte, die ich über Sie an das Präsidium richte. Einverstanden. Ich werde dies so dem Präsidium übermitteln. Nach der Tagesordnung folgt die Aussprache über den Bericht (A4-0009/97) der Delegation des Europäischen Parlaments im Vermittlungsausschuß über den vom Vermittlungsausschuß gebilligten gemeinsamen Entwurf eines Beschlusses des Europäischen Parlaments und des Rates über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (C4-0666/96-00/0411(COD)) (Berichterstatterin: Frau Oomen-Ruijten) Herr Präsident, das Vermittlungsverfahren zum Thema Fernabsatz hat meines Erachtens ein hervorragendes Ergebnis gebracht. Wir haben bei diesen Verhandlungen sehr viel erreicht. Eigentlich mehr noch, als dem Rat lieb war, und es ist das erste Mal, daß zwischen dem Gemeinsamen Standpunkt nach der zweiten Lesung und dem Vermittlungsverfahren der Standpunkt des Rates verändert wurde. Es ist in dem Sinne das erste Mal, daß der Rat, nachdem er zunächst nicht auf die Änderungswünsche des Parlaments eingegangen war, sie doch noch einstimmig akzeptiert hat. Nach den Abänderungen des Parlaments hat er erstmals einen solchen Vorschlag mit qualifizierter Mehrheit angenommen. Ich habe in der Delegation festgestellt, daß, wenn darauf bestanden wird, daß der Rat die Gründe angibt, weshalb etwas getan wird, wenn Gegenfragen gestellt werden, dies Früchte tragen kann, und von den 31 Abänderungen wurden denn auch 26 vom Vermittlungsausschuß entweder unverändert oder in einer der Fassung des Parlaments sehr ähnlichen Formulierung übernommen. Dabei wurden drei Abänderungen hauptsächlich aus technischen Gründen überflüssig. Zwei Änderungen wurden von der Berichterstatterin aus praktischen Gründen zurückgezogen. Damit wurde ein gutes Ergebnis erzielt, wenn bedacht wird, daß der Rat zunächst eigentlich überhaupt keine Abänderung übernehmen wollte. Wir haben endlich eine Richtlinie vorliegen, durch die ein dringender Bedarf gedeckt wird. Dabei wird ein wesentlicher Beitrag zum Verbraucherschutz auf einem Gebiet geleistet, auf dem noch keinerlei Gemeinschaftsvorschriften gelten und auf dem solche Vorschriften dringend erforderlich sind. Angesichts der großen Bedeutung, die der Fernabsatz von Gütern und Dienstleistungen gewonnen hat, ist ein solcher Beitrag wichtig. Es wird von bestehenden, aber auch von neuen Technologien Gebrauch gemacht. Wir kaufen Schallplatten über das Fernsehen, wir bestellen Kleider über Internet und wir buchen Reisen über das Telefon. Wir tun dies nicht nur in unseren eigenen Ländern, sondern wir wenden uns auch grenzüberschreitend an Lieferanten und werden von Lieferanten angesprochen. Ein mündiger Verbraucher muß im Binnenmarkt in die Lage versetzt werden, bei seinen Käufen wohlüberlegt vorzugehen, wohlbedachte Entscheidungen zu treffen. Das liegt nicht nur im Interesse des Verbrauchers, sondern auch im Interesse derjenigen, von denen Güter und Dienstleistungen geliefert werden. Um solche Entscheidungen treffen zu können, muß eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt werden. Einer der wichtigsten Voraussetzungen betrifft das Recht auf solide Informationen. In der Richtlinie wird bestimmt, daß vor Abschluß eines Vertrages der Verbraucher u. a. über den Preis, die wichtigsten Charakteristika, Zahlungsweise sowie gegebenenfalls Lieferkosten für Güter oder Dienstleistungen unterrichtet sein muß. Ferner möchte das Parlament, daß bei Vorauszahlungen das Geld zurückerstattet werden muß, wenn keine gleichwertige Ware geliefert bzw. kein gleichwertiger Dienst geleistet wird. In der Richtlinie wird eine Reihe von Bedingungen gestellt, die das Marketing betreffen. Die Verwendung von Fax, gekoppelten Telefonen, telefonischer Aufforderungen wurde jetzt untersagt, und wenn das Telefon bei Hausierhandel oder Marketing verwendet wird, so gilt heute jedenfalls eine Regelung, wonach nicht mehr jeder ohne weiteres beim Essen gestört werden darf. Ein wichtiger Punkt, den der Rat eigentlich nicht behandeln wollte, und der früher nur im Kleingedruckten eines Vertrages geregelt war, betrifft die Lieferung gleichwertiger Waren. Das bedeutet, daß, wenn ich in meinem eigenen Land eine Wahlkampagne durchzuführen habe, bei der ich grüne Trikots benötige und mir dann rote Trikots angeliefert werden - ich kann sie zwar bei den Sozialisten loswerden, doch wollte ich eigentlich grüne Trikots haben -, die Möglichkeit bestehen muß, diese roten Trikots zurückzuschicken, wofür das Geld zurückerstattet werden muß. Solche Fälle, die normalerweise nur im Kleingedruckten geregelt sind, werden jetzt ebenfalls in die Rechtsvorschriften aufgenommen, und das hat sehr viel Mühe gekostet. Was sodann die Finanzdienstleistungen betrifft, so wurde ein von uns zu diesem Punkt eingereichter Änderungsantrag, für den es nur einige Stimmen gab - ich bin einigen liberalen Kolleginnen und Kollegen, Kolleginnen und Kollegen der D'66 und auch einigen Kolleginnen und Kollegen auf der anderen Seite, dafür noch immer dankbar - leider nicht angenommen. Was wir allerdings erreicht haben - das sage ich auch an die Adresse meines Kollegen Fernand Herman - ist, daß sich nun der Rat bezüglich des Grünbuchs über Finanzdienstleistungen verpflichtet hat, daß dort, wo Lücken bestehen, neue Rechtsvorschriften möglich sein werden. Was noch einer Regelung bedarf und was eigentlich ein absolutes Novum darstellt, ist der Zugang zum Recht. In der vorliegenden Richtlinie wurde bestimmt, daß Verbraucherschutzorganisationen auch die Möglichkeit haben, in einem anderen Hoheitsgebiet zu klagen. Das ist meines Erachtens völlig neu. Ich möchte noch auf die Selbstregelung hinweisen, durch die meiner Meinung nach die Möglichkeit für eine vernünftige Regelung sämtlicher Klagen geboten wird. Völlig neu ist auch, daß bei einem Vermittlungsverfahren zwischen Rat und Parlament dafür ebenfalls eine entsprechende Regelung aufgenommen wurde. Herr Präsident! Wir haben heute nachmittag ausführlich über bedeutende Dinge gesprochen, aber es paßt ganz ausgezeichnet, daß eine Zierde der niederländischen Politik die erste Rede während der niederländischen Präsidentschaft über eine Angelegenheit hält, die sie sich in den letzten Jahren in hohem Maße zu eigen gemacht hat. Ich möchte sie dazu beglückwünschen, daß sie ihre Zeit dafür geopfert hat, für diese Richtlinie ein höchst erfreuliches Vermittlungsverfahren herbeizuführen. Ich möchte mich auch im vorhinein bei ihr und bei Kommissar Bangemann entschuldigen, dem ich eine Frage stellen möchte, weil ich praktisch unmittelbar danach im nichtständigen BSE-Untersuchungsausschuß, der gleichzeitig mit dieser Aussprache tagt, eine Frage an Präsident Santer zu richten habe. Ich möchte nur einige ganz kurze Bemerkungen machen, weil die Berichterstatterin selbst schon vieles vorweggenommen hat. Erstens beschert der gewaltige Zuwachs bei den Vertragsabschlüssen im Fernabsatz dem Verbraucher zugleich das Beste und das Schlechteste dieser neuen Welt. Das Beste besteht darin, daß er Zugang zu einer ganzen Reihe neuer Dienstleistungen erhält. Das Schlechteste besteht darin, daß es keinen Schutz gibt, was das Wissen über die verwendeten Verkaufstechniken gibt. Manchmal läßt sich der Verbraucher in dieser Lage auf eine Sache ein, die wir im Englischen mit einem dem Niederländischen entlehnten Ausdruck als hoffnungsloses Unterfangen bezeichnen. Im Niederländischen heißt es, glaube ich, verloren hoop . Diese Lage, in der man nicht genug darüber weiß, was mit einem und um einen herum geschieht, sollte durch diese Richtlinie verbessert werden. Es freut mich vor allem angesichts der recht kläglichen Vorgeschichte und der zweijährigen Verzögerung im vorangegangenen Parlament - damals war das Thema im Rat blockiert -, daß von den Abänderungen, die im Vermittlungsausschuß behandelt wurden, 26 übernommen wurden. Jetzt ist wieder Bewegung in die Sache gekommen, und ich freue mich über die Erfolge, die wir verbuchen konnten. Ich möchte einige Worte zu den von der Berichterstatterin angesprochenen Punkten sagen. Der Text hat einige wichtige Ergänzungen erfahren. Wir räumen den Verbrauchern jetzt sieben Arbeitstage ein, in denen sie sich anders entscheiden können. Sie werden nunmehr angemessen darüber informiert, wenn ihnen Ersatzwaren geliefert werden sollen. Zahlungen werden ihnen erstattet, wenn sie den Vertragsabschluß widerrufen, und sie haben Anspruch auf Erstattung in voller Höhe, wenn der Lieferant in Konkurs geht oder die vereinbarte Dienstleistung nicht erbringt. Dies sind ganz hervorragende Verbesserungen, die zusammen mit dem Schutz vor unerbetenen Telefongesprächen, bei denen dem Angerufenen weder die Identität noch die Absicht des Anrufers mitgeteilt werden - für diese Abänderung habe ich mich schon früh eingesetzt -, für einen wirklichen Schutz sorgen. Nach wie vor besteht aber das Problem der Finanzdienstleistungen. Kommissarin Bonino hatte eine Mitteilung der Kommission zu den Finanzdienstleistungen und erforderlichenfalls eine Richtlinie zugesagt. Ein Jahr später liegt uns lediglich ein völlig unverbindliches Grünbuch vor, aber keine gesetzgeberische Maßnahme. Im Namen des Ausschusses und in meinem eigenen Namen möchte ich Kommissar Bangemann fragen, welche Auffassung die Kommission inzwischen hinsichtlich dieses Entwurfs vertritt. Das Parlament fordert die Kommission und den neuen Generaldirektor der GD XXIV, sobald er ernannt ist, nachdrücklich auf, bei der Gesetzgebung auf diesem Gebiet der Finanzdienstleistungen dieselbe Entschlossenheit an den Tag zu legen, wie die Berichterstatterin sie bewiesen hat. Schließlich möchte ich, da ich aus einem Lande komme, dessen Regierung sich, was Gruppenklagen von Verbraucherschutzverbänden bei den Gerichten, höchst widerstrebend verhält, es begrüßen, daß diese Möglichkeit nun in allen Mitgliedstaaten gegeben ist. Wie Frau Oomen-Ruijten zu Recht erklärt hat, ist dies ein neuer Ansatzpunkt, von dem ich hoffe, daß er in allen Ländern, auch in meinem eigenen, aufgegriffen wird. Ich fordere das Vereinigte Königreich nachdrücklich auf, den ordentlichen Verbraucherschutzverbänden und nicht nur dem Generaldirektor für lauteren Handel das Recht einzuräumen, derartige Klagen einzureichen. Dank der harten Arbeit aller an dieser Richtlinie Beteiligten, vor allem aber der Berichterstatterin, haben die Verbraucher in Zukunft nicht mehr mit einem hoffnungslosen Unterfangen zu tun, sondern sie haben die Gewißheit, daß ihnen Schutz in angemessenem Umfang zuteil wird. Herr Präsident, zunächst möchte ich Ihnen zu Ihrer Wiederwahl gratulieren und Ihnen für Ihre Arbeit alles Gute wünschen! Das Europäische Parlament vertritt die Auffassung, daß bei dem Projekt der Vertragsabschlüsse im Fernabsatz im wesentlichen drei Dinge zu berücksichtigen sind. Wie wir von der Berichterstatterin gehört haben, ging es zunächst darum, den Verbrauchern einen genauen und einfachen Hinweis über alle erforderlichen Informationen zu liefern, und zwar vom Recht auf Rückerstattung über den Verhaltenskodex bis hin zu den allgemeinen Vorschriften. Zweitens geht es um die Harmonisierung der Modalitäten und der Bedingungen für die Ausübung des Rücktrittsrechts des Endverbrauchers, und drittens schließlich um die Einführung eines wirksamen Systems, mit dem grenzüberschreitende Streitigkeiten beigelegt werden können. Die Mitgliedstaaten werden zudem verbindlich aufgefordert, sich innerhalb von drei Jahren nach Inkrafttreten an die Richtlinie anzupassen, während von der Kommission die Ausarbeitung eines Berichts über die Anwendung der Richtlinie innerhalb von vier Jahren nach deren Inkrafttreten gefordert wird. Die in erster Linie von der Berichterstatterin geleistete Arbeit kann also als positiv gewertet werden. Ihr gilt der Dank des Vermittlungsausschusses und der Kommission, die auch ausreichend kompromißbereit im Hinblick auf den Wortlaut war, so daß nahezu alle Änderungsanträge des Parlaments angenommen wurden. Unsere Fraktion wird deshalb das gemeinsame Projekt unterstützen. Mit Genugtuung stellt sie fest, daß sie dazu beitragen konnte, dem Endverbraucher ein zeitgemäßes Instrument zur Verteidigung der eigenen Rechte in die Hand zu geben. Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, im Gegensatz zu den Abänderungen, die uns hier bei der zweiten Lesung vorlagen, geht es bei unserer heutigen Aussprache um einen Kompromiß, der von mehr Realismus zeugt und der für sämtliche Mitglieder dieses Hauses akzeptabel ist. Ich bin besonders darüber erfreut, daß Finanzdienstleistungen nicht in den Geltungsbereich der Richtlinie aufgenommen wurden, nicht weil ich diesen Sektor etwa aussparen wollte, sondern der Grund liegt darin, daß die Besonderheit finanzieller Transaktionen mit dem allgemeinen Charakter der vorliegenden Richtlinie unvereinbar ist. Bestehende Probleme müssen durch eingehendere Untersuchungen, u.a. im Rahmen des Grünbuchs, aufgezeigt werden. Ferner unterstütze ich Artikel 10, der die Verwendung bestimmter Kommunikationsmittel und das sogenannte cold calling betrifft. Leider besteht die Gefahr, daß der erzielte Kompromiß zu einem totgeborenen Kind wird, also von vorneherein keine Aussicht auf Erfolg hat, da cold calling in der ISDN-Richtlinie auf andere, weniger pragmatische Art geregelt ist. Um eine solche Gefahr zu vermeiden, habe ich im Namen meiner Fraktion zu dem Bericht Medina Ortega einen Änderungsantrag eingereicht. In jedem Fall unterstützt meine Fraktion den in bezug auf die Richtlinie über den Fernabsatz erzielten Kompromiß. Herr Präsident, liebe Kollegen, der Bericht, den wir über das Vermittlungsverfahren mit dem Rat erhalten, zielt auf eine juristische Harmonisierung des Systems der Vertragsabschlüsse im Fernabsatz hin, wo ein unlauterer Wettbewerb stattfindet. Es gibt jetzt zahlreiche solcher Techniken: Drucksachen, genormte Briefe, Kataloge, Telefonanrufe mit oder ohne menschliche Bedienung oder auch automatisch, Rundfunk, Visiophon, Telefax, Fernverkauf über das Fernsehen, die in Zukunft mit CD-ROM und Modem noch zunehmen werden, so daß es zu einer Verbindung zwischen Mikroprozessoren und dergleichen kommen wird. Ich gratuliere der Berichterstatterin und nehme zur Kenntnis, daß die Richtlinie eine ganze Reihe Instrumente zur Durchsetzung dieser Ziele vorschlägt, nämlich Widerrufsfristen, Möglichkeit einer Umkehr der Beweislast unter bestimmten Umständen, Unterscheidung zwischen beruflicher Nutzung und der von Privatleuten, Ausnahme bestimmter Verträge, insbesondere solcher, die finanzielle Dienstleistungen betreffen, Sonderinformationen usw. Mein einziger Vorbehalt betrifft die Tatsache, daß eine Information, die mir sehr wesentlich erscheint, nicht in dem Richtlinienentwurf enthalten ist und auch nicht in dem vortrefflichen Bericht von Frau Oomen-Ruijten. Es handelt sich darum, unter welches Recht derartige Verträge fallen. Was ist zutreffend? Der Punkt, von dem das Angebot ausgeht? Der Ort, für den das Angebot bestimmt ist? Oder soll es die Stelle sein, von der aus die Einwilligung stattfindet, oder auch die, wo die Einwilligung entgegengenommen wurde? Das ist eine ganz grundlegende Frage, vor allem im Hinblick auf die Möglichkeit, daß solche Verträge unter das Recht von Drittstaaten fallen, was eine Umgehung der europäischen Gesetzgebung bedeuten würde. Ich finde übrigens ganz generell, daß eine Harmonisierung der Bestimmungen des internationalen Privatrechts mehr in unserem Interesse wäre als die der grundlegenden Bestimmungen. Herr Präsident! Frau Oomen-Ruijten war zu bescheiden. Das ist wirklich ein hervorragender Erfolg, ein Ergebnis ihrer Arbeit, auf das man mit Recht stolz sein kann, und ich darf ihr sehr herzlich dazu gratulieren! Ich will ganz kurz auf zwei Fragen eingehen, die noch gestellt wurden. Herr Whitehead und andere haben noch auf die Finanzdienstleistungen hingewiesen. Sie wissen, wir haben dazu ein Grünbuch vorgelegt, das auch noch in den Ausschüssen des Parlaments behandelt wird. Sobald diese Diskussion zu einem Ende gebracht wird, werden wir selbstverständlich Vorschläge machen, die auch das aufnehmen, was das Parlament zu dieser Debatte beizutragen hat. Zu dem, was Herr Gollnisch gesagt hat: Dieser Vorschlag ändert nicht das allgemeine Recht. Das heißt, für die Frage, welches Recht anwendbar ist, gelten die allgemeinen Regeln, die heute schon bestehen. Wir brauchen sie nicht extra aufzugreifen, weil sie hinreichend klar sind. Es gibt eine internationale Konvention, und die bleibt hier natürlich anwendbar. Die Aussprache ist geschlossen. Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt. Nach der Tagesordnung folgt die Aussprache über den Bericht (A4-0006/97) der Delegation des Europäischen Parlaments im Vermittlungsausschuß über den vom Vermittlungsausschuß gebilligten gemeinsamen Entwurf eines Beschlusses des Europäischen Parlaments und des Rates über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten (C4-0667/96-00/0426(COD)) (Berichterstatterin: Frau RothBehrendt) Herr Präsident! Zunächst möchte ich die Berichterstatterin zu den glänzenden Verhandlungen beglückwünschen, die sie im Vermittlungsausschuß geführt hat. Ich möchte auch der Kommission danken, die mit ihrer überaus annehmbaren Haltung und Unterstützung im Vermittlungsverfahren wesentlich zu dieser abschließenden Einigung beigetragen hat. Wie Frau Roth-Behrendt bin ich der Ansicht, daß diese Einigung im Grunde keiner Verteidigung bedarf, denn sie spricht für sich selbst. Hätten wir nicht diese Einigung erzielt, wie sie nun vorliegt, könnte ich nicht, wie ich es jetzt tun kann, sagen, daß eine Kennzeichnung erforderlich ist, wenn genetische Veränderungen vorgenommen wurden, auf die auf dem Etikett hingewiesen werden muß. Die Streichung des Wortes "signifikant" und das Entgegenkommen, das der Rat mit seiner Zustimmung dazu bewiesen hat, waren - man möge mir dieses kleine Wortspiel nachsehen - signifikant. Einige Formulierungen sind aufgrund des erreichten Kompromisses recht gewunden ausgefallen. So heißt es jetzt "wenn Lebensmittel bestehenden Lebensmitteln oder Zutaten nicht mehr gleichwertig sind" . Diese Formulierung tritt an die Stelle des Wortes "signifikant" . Ich bedauere dies, denn das ist schwerfällig, und es wäre besser gewesen, einfach das Wort "signifikant" zu streichen und es dabei zu belassen. Unseren Kritikern muß ich entgegenhalten, daß ich die Ausführungen, die Frau Roth-Behrendt soeben gemacht hat, voll und ganz unterstütze. Können wir von den 15 Mitgliedstaaten wirklich erwarten, daß sie ihre Gesetzgebung urplötzlich koordinieren, und auf der Kennzeichnung in der gesamten Europäischen Union bestehen? Es war schließlich das Europäische Parlament, das von seiner Mitentscheidungsbefugnis positiven Gebrauch gemacht und auf dem Schutz der Verbraucher beharrt hat, der sonst auf der Grundlage des ursprünglichen Vorschlags der Kommission nicht zustande gekommen wäre. Wenn das nach Selbstzufriedenheit klingt, sei's drum, aber wir sind hier, um die breite europäische Wählerschaft zu vertreten, und in dieser Hinsicht haben wir unser Ziel erreicht. Ich bin allen Beteiligten im Vermittlungsausschuß für den Kompromiß, den wir gemeinsam erzielt haben, sehr dankbar. Herr Präsident, in dieser Schlußphase der Debatte sollten wir uns, wie andere Kollegen es auch schon gesagt haben, darum kümmern, welche Botschaft wir an die Öffentlichkeit geben wollen. In dieser Botschaft müssen wir auf Sicherheit abstellen, weil die Produkte sicherer geworden sind, und weil auch die Information besser geworden ist. Es ist also eine positive Botschaft. Es sei aber auch darauf hingewiesen, daß mit dieser Verordnung eine effiziente wissenschaftliche Bewertung eingeführt wird, um vor Umweltgefahren zu warnen, und damit den Verbrauchern die Sicherheit gibt, daß ihr Recht auf Gesundheit geschützt wird; desgleichen werden in der Verordnung logischerweise auch zusätzliche Anforderungen an die Information des Verbrauchers festgelegt, wo diese erforderlich sind. Im Bereich der Etikettierung - in dem eine große politische Schlacht stattgefunden hat - kommt es darauf an, daß das Produkt von guter Qualität ist, so wie es im Straßenverkehr darauf ankommt, sichere Straßen und keine schlechten Straßen mit vielen Gefahren- und Warnverkehrszeichen zu haben. Und genau das haben wir hier versucht: dem Verbraucher primär das Gefühl der Sicherheit zu vermitteln und ihn dann ausreichend zu informieren. Hier hat sich die Gelegenheit geboten, so meine ich, zum einen zu erklären, was als nicht gleichwertiges Lebensmittel gilt und wie dieser Umstand genau zu interpretieren ist. Wir können diesbezüglich wohl ganz beruhigt sein, und das ist das wichtigste Element, das wir den Bürgern vermitteln müssen. Mit dieser Verordnung beendet die Europäische Union außerdem eine schon übermäßig lange andauernde Debatte, und es ist gut, daß sich dieses Parlament daran aktiv beteiligt hat. Ich möchte der Berichterstatterin zu ihrer Arbeit gratulieren, trotz unserer anfänglichen Meinungsunterschiede, und schließlich gratuliere ich auch Herrn Bangemann, der uns in der Schlußphase auch in unseren Verhandlungen mit dem Rat geholfen hat, und das soll man ruhig anerkennen. Die Fraktion der Europäischen Volkspartei kann sich dem vorliegenden Entschließungsantrag voll anschließen. Herr Präsident, wir dürfen uns zu dem erzielten Ergebnis beglückwünschen und insbesondere dürfen wir der Verfasserin der Stellungnahme, Frau Roth-Behrendt, gratulieren. Natürlich handelt es sich um einen Kompromiß, doch wenn wir bedenken, daß noch vor wenigen Monaten in einem Großteil der Mitgliedstaaten ein sehr starker Widerstand gegen den Gemeinsamen Standpunkt bestand, dann darf ich wohl sagen, daß wir jetzt etwas erreicht haben. Daß Erzeugnisse oder Bestandteile von Erzeugnissen, die geändert wurden, jetzt gekennzeichnet werden müssen, ist für uns natürlich ein sehr wesentlicher Punkt; für den Verbraucher ist dies von allergrößter Wichtigkeit. Als Liberale erachten wir es als sehr wichtig, daß der Verbraucher die Möglichkeit der Wahl zwischen einem gentechnisch manipulierten und einem nicht manipulierten Artikel besitzt. Natürlich handelt es sich, wie ich schon sagte, um einen Kompromiß, und ich blicke in die Richtung unserer grünen Kolleginnen und Kollegen; wenn jedoch gegen den vorliegenden Vorschlag gestimmt wird, bedeutet dies einen Rückschritt. Es geht also um die Alternative: etwas oder nichts. Wenn wir etwas haben, haben wir auch bessere Kontrollmöglichkeiten und bessere Rechtsvorschriften. Denken wir beispielsweise einmal an die Beschlußfassung zu genetisch verändertem Mais. Jetzt haben wir etwas, um mit der Kommission auf gemeinsamer Grundlage zusammenzuarbeiten. Meine Empfehlung lautet, daß wir alle für den vorliegenden Vorschlag stimmen sollten, da wir dann nicht mit leeren Händen stehenbleiben. Der vorliegende Kompromiß ist eine Verordnung zur Nichtkennzeichnung und eine Täuschung der Verbraucher! Er garantiert keine umfassende Kennzeichnung von Gen-Produkten und ist eine Mogelpackung. Die Verbraucher tappen weiterhin im dunkeln. Genauso wenig wie das Sojaöl aus genmanipuliertem Soja gekennzeichnet wird, wird die Milch gekennzeichnet, die von Kühen kommt, die mit genmanipulierten Wachstumshormonen behandelt wurden. Hier von einer umfassenden Kennzeichnung zu sprechen, ist einfach ein Etikettenschwindel. Die Novel food -Verordnung basiert auf diesem faulen Kompromiß. Sie ist eine Geheimhaltungsverordnung für über 80 % der Gentech-Lebensmittel. Der Großteil der genmanipulierten Lebensmittel soll den Verbraucherinnen und den Verbrauchern heimlich untergejubelt werden. Das kommt einer Zwangsernährung gleich. Kein einziger Satz findet sich in der Verordnung zum Inhalt der Kennzeichnung. Aber die Verbraucher haben ein Recht auf klare und unmißverständliche Kennzeichnung. Doch die Kennzeichnung wird weitgehend dem Hersteller überlassen, und der wird sich ganz euphemistisch und unklar ausdrücken, etwa "hergestellt mit moderner Biotechnologie" oder "ernährungsphysiologisch optimiert" , ja, ich habe sogar schon von Industrievertretern gehört, man müsse es als "umweltfreundlich produziert" kennzeichnen. Ein Hohn auf den Verbraucherschutz und den Wunsch der Verbraucher nach einer klaren, umfassenden Kennzeichnung! Damit wird auch klar: Der Kompromiß schafft Konfusion für die Verbraucherinnen und Verbraucher und freie Hand für die Gentech-Industrie. Der Kompromiß garantiert auch kein seriöses Zulassungsverfahren. Für die meisten Gentech-Produkte genügt eine einfache Anmeldung bei der Kommission, und er garantiert schon überhaupt keinen Schutz der VerbraucherInnen. Wo sind denn die gesundheitlichen Prüfkriterien? Die gibt es überhaupt nicht! Da von einem Schutz der Verbraucher zu sprechen, ist glatter Betrug! Die Risiken für Mensch und Umwelt sind vorprogrammiert. Gentech-Lebensmittel bleiben auch weiterhin ein Russisches Roulette für Allergiker. Es fehlt ein öffentliches Register und eine umfassende Haftung. Auch dies trägt nicht zur Vertrauensbildung beim Verbraucher bei. Der Kompromiß ist ein Schlag gegen den Verbraucherschutz und so löcherig wie ein Schweizer Käse. Die Behauptung, besser eine schlechte Verordnung als keine, ist ein politisches Armutszeugnis, und sie ist falsch. Die Verordnung verhindert weitgehende Kennzeichnungsregelungen in den Mitgliedsstaaten. Ich empfehle der Berichterstatterin, doch mal in ihre Redebeiträge aus der ersten und zweiten Lesung zu schauen. Der Kompromiß ist ein Verrat am Verbraucherschutz! Er ist ein miserabler, lausiger Rechtsakt und wird das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Europäische Union nachhaltig erschüttern! Sagen Sie Nein zu dieser Mogelpackung und Geheimhaltungsverordnung! Dazu rufe ich Sie dringend auf. Herr Präsident! In meinem Heimatland wollen 85 % der Bevölkerung keine genetisch modifizierten Lebensmittel verzehren. Wenn wir in diesem Hause den demokratischen Grundsatz der Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers achten wollen, müssen wir die Transparenz hinsichtlicht der Herkunft der Bestandteile unseres täglichen Brotes gewährleisten. Das bedeutet, daß der Verbraucher das Recht haben muß, zu erfahren, wie das Getreide und die Soja, die er ißt, hergestellt wird. Die Kompromißrichtlinie, die wir im Augenblick erörtern, bietet keinerlei entsprechende Gewähr. In der Praxis würden die Kriterien für die Kennzeichnung genetisch modifizierter Lebensmittel erst nach der Verabschiedung dieser Richtlinie festgelegt und von der Kommission ausgearbeitet werden. Auf luxemburgisch nennen wir das "eine Katze im Sack kaufen" . Ich meine in allem Ernst, daß wir das nicht tun sollten. Andererseits existieren die Kriterien für die Einhaltung der Vorschriften für die Lebensmittelsicherheit noch nicht und müssen wiederum allein von der Kommission festgelegt werden. Schließlich haben wir alle beim Rinderwahnsinn erlebt, daß das Parlament diese Verantwortung nicht an die Kommission abtreten sollte. Sollte das Haus für diesen Kompromiß stimmen, würde das Anmeldeverfahren nach dem sogenannten "vereinfachten Verfahren" erfolgen. Diese Anmeldung würde nicht bei den für Lebensmittel zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten stattfinden, sondern bei der Kommission selbst. Ich bezweifle, daß die Kommission über genügend Personal verfügt, um die Kontrollgremien mit dem erforderlichen Wissen einzurichten. In der Praxis müßte die Kommission den Herstellern trauen. Ich persönlich würde das nicht tun. Aus diesen Gründen - der fehlenden Transparenz und der mangelnden Sicherheit für den Verbraucher - empfehle ich die Ablehnung dieses Kompromisses. Herr Präsident, der Vermittlungsausschuß und insbesondere Frau Roth-Berendt verdienen ein großes Lob, daß sie die Ausnahmeregelung, derzufolge Lebensmittel, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder aus diesen bestehen, dann von der Kennzeichnungspflicht auszunehmen sind, wenn die gentechnische Veränderung aus ausschließlich agrarischen Gründen erfolgte, herausgestrichen haben. Die europäischen Verbraucher stehen der gentechnischen Veränderung bekanntlich äußerst skeptisch gegenüber. Sie müssen zwischen Produkten begründet auswählen können, was durch den Kompromiß bis zu einem gewissen Grad erreicht wird. Leider jedoch nicht in solchem Maße, daß sich nunmehr von einer verantwortungsbewußten Verbraucherpolitik sprechen ließe. Kennzeichnung bedeutet Verbraucheraufklärung und muß obligatorisch werden. Sie muß alle Arten von Erzeugnisse umfassen und auch Hinweise auf das Herstellungsverfahren enthalten. Ich möchte beispielsweise unter gar keinen Umständen eine Ware kaufen, die aus einem Produkt hergestellt wurde, dem ein Gen zugesetzt wurde, das sie gegen, sagen wir, round up resistent macht. Wenn sich eines Tages derart hohe Konzentrationen von round up im Trinkwasser feststellen lassen, daß seine Verwendung verboten oder eingeschränkt gehörte, wird dies allein schon deshalb wirtschaftlich unmöglich, weil man in diesem Fall auch die gentechnisch veränderten Pflanzen nicht mehr länger verwenden könnte. Ein weiteres großes Problem ist, daß die Produkte, damit sie unter die Genehmigungspflicht fallen, nicht nur aus gentechnisch veränderten Organismen bestehen, sondern auch zusätzlich "neu" sein müssen. Damit fallen alle übrigen, bereits erhältlichen gentechnisch veränderten Produkte nicht unter diese Verordnung. Ein letztes: Ich bin grundsätzlich dagegen, der Kommission und den Ausschüssen einen Blanko-Scheck auszustellen. Genau dies aber geschieht mit diesem Kompromiß. Wichtige politische Beschlüsse werden der Zuständigkeit der gewählten Volksvertreter entzogen. Auf unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfindenden Ausschußsitzung soll darüber befunden werden, ob es zwischen einem aus gentechnisch veränderten Organismen hergestellten Produkt und dem herkömmlichen Produkt einen wesentlichen Unterschied gibt und auf welche Weise und inwieweit die Produkte gekennzeichnet werden müssen. Angesichts der Forderung nach Aufklärung und Transparenz bei allen Verfahren können die dänischen Fraktionsmitglieder trotz der großen Mühe, die der Vermittlungsausschuß auf diesen Gegenstand verwandt hat, nicht anders, als gegen den Kompromißvorschlag zu stimmen. Herr Präsident, Herr Kommissar, Kolleginnen und Kollegen! Vor fast genau zehn Monaten haben wir hier in zweiter Lesung die Abänderungsanträge des Parlaments zur Novel food -Verordnung abgestimmt. Damals sind sicherlich nicht alle Abänderungen durchgekommen, die viele in diesem Haus gewollt haben. Dennoch muß ich heute wirklich als erstes Frau Roth-Behrendt zu der Kreativität und Klugheit gratulieren, mit der sie ausgehend von dem, was in den Vermittlungsausschuß gekommen ist, das Bestmögliche für die Konsumenten herausgeholt hat. Ich denke, daß das Parlament auf das Ergebnis stolz sein kann, wenn wir bedenken, von wie wenig wir eigentlich ausgegangen sind. Ich möchte zwei Punkte zur Kennzeichnung hier anführen. Zum einen müssen jetzt alle gentechnisch veränderten Organismen, wenn sie in einem Lebensmittel sind und aus agrarischer oder aus sonstiger Veränderung stammen, gekennzeichnet werden, was ein großer Unterschied zum Gemeinsamen Standpunkt von Rat und Kommission ist. Zum zweiten ist die Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Bestandteilen - und ich bitte darum, auch die Sprache genau zu beachten, denn ich spreche hier sowohl von Organismen als auch vom Bestandteil - auf dem Nachweis der Andersartigkeit aufgebaut. Das ist eine ganz wichtige Sache, weil hier gerade dadurch, daß nicht alle Verfahren aufgezählt sind, mit denen dieser Nachweis erbracht wird, der Entwicklung breiter Raum gegeben werden kann, was für die Konsumenten eine besonders wichtige Sache ist. Einen letzten Punkt möchte ich auch noch erwähnen. Es ist auch gelungen, im § 14 festzuhalten, daß von Seiten der Kommission eine Langzeitbeobachtung der Auswirkungen durchgeführt wird, sowohl der Auswirkungen auf den Binnenmarkt, auf die Entwicklung des Marktes, als auch der Auswirkungen auf den Konsumentenschutz und die Entwicklung der Volksgesundheit, und ich denke mir, daß wir dann auch sehr viel mehr darüber wissen werden, wie sich diese neuartigen Lebensmittel auf die Menschen auswirken. Herr Präsident, ich möchte zunächst Frau Roth-Behrendt aufrichtig beglückwünschen. Weshalb? Ich weiß, wie es beim Fernabsatz ging. Sie hatten als Berichterstatterin nicht das Glück, einen Kommissar zu haben, der mit Ihnen zusammenarbeitete. Es war vielmehr so, daß Herr Bangemann gegen das Parlament arbeitete. Daher möchte ich Ihnen zu dem erreichten Ergebnis gratulieren. Ferner wurden seinerzeit sechs Änderungsanträge eingereicht. Sie waren nicht sehr erfreut, daß wir dies als EPVFraktion taten. Meines Erachtens kann der Streit jedoch von Ihnen beendet werden, in dem Sinne, daß Sie dort, wo Sie zur Durchsetzung dieser sechs Änderungsanträge die volle Unterstützung der EVP-Fraktion erhielten, davon auch Gebrauch machten; aber auch das war selbst schon zu schwierig. Daher möchte ich Ihnen also ein zweites Mal gratulieren. Von Frau Breyer und auch von Herrn Weber wurde vorhin so getan, als werde der Verbraucher hier beschummelt. Ich möchte Herrn Weber, der aus einem Land kommt, das ebenfalls zu den Benelux-Staaten gehört, gerne zu einem Besuch in die Niederlande einladen, um zu sehen, wie das System funktioniert. Genau das, was dort von den Verbraucherverbänden getan wurde, ist in den von uns hier vorgeschlagenen Rechtsvorschriften enthalten. Es geht also nicht um Beschummelung von Verbrauchern, sondern darum, sicherzustellen, daß in jedem Fall eine vernünftige Regelung getroffen wird. Ich möchte drei Stichworte nennen: Erstens, Sicherheit. Wir haben bei der BSE-Angelegenheit viel gelernt. Daher müssen meines Erachtens jene agronomischen Merkmale, die zuerst ausgenommen waren, unbedingt mit aufgenommen werden. Zweites Stichwort: Information. Informationen sind erforderlich, um dem Verbraucher eine richtige Entscheidung zu ermöglichen. Solche Informationen werden jetzt gegeben. Es sind keine Ausnahmen mehr möglich, so daß der Verbraucher - und das ist aus der Greenpeace-Untersuchung zu ersehen - weiß, was er ißt. Ein dritter Punkt betrifft - und hier bin ich ebenso besorgt wie Frau Roth-Behrendt - die jetztige Entwicklung bei Aromen und Extraktionslösungsmittel. Für diesen Bereich gibt es noch keine Regelung, und hier sind Anpassungen erforderlich. Herr Präsident, ich möchte mich all den Kollegen anschließen und Frau Roth-Behrendt für ihre Bemühungen danken, selbst wenn ich ganz und gar nicht zu denselben Schlüssen wie sie gelange. Wir müssen uns allerdings morgen über den abgeänderten Verordnungsentwurf aussprechen, der viele Verwandlungen durchgemacht hat, und ich persönlich hoffe, alle Mißverständnisse zwischen uns zu beseitigen, wenn ich sage, daß kein Urteil über die Arbeit der Delegation des Europäischen Parlaments im Vermittlungsausschuß gefällt wird, das ja nur einen geringen Spielraum hatte, einen meines Erachtens zu geringen Spielraum, um ein gutes Ergebnis erzielen zu können. Was es zu beurteilen gilt, ist das Endergebnis, und das ist für uns inakzeptabel. Es gibt verschiedenerlei Gründe dafür. Zunächst ist klar, daß gewisse Stoffe, die in die Veränderung von Nahrungsmitteln eingehen, insbesondere Enzyme, ganz und gar nicht gesetzlich abgedeckt sind. Auch haben wir keinerlei rechtliche Gewähr für die Rechtsvorschriften, die für Lösungsmittel, Zusatzstoffe und Farbstoffe gelten werden. Was schließlich die Gefahrenabschätzung betrifft, so entnehmen wir dem uns vorliegenden Text, daß zahlreiche, mit gentechnologischen Methoden hergestellte Nahrungsmittel lediglich der Kommission zu melden sein werden. Es wird keine Zulassungsverfahren geben, wenn sie auf den Markt gebracht werden. Schon deswegen halten wir den Text für unvollständig. Aber es gibt mehr. Die Etikettierung ist ebenfalls unzureichend. In der Hinsicht scheinen gewisse Fortschritte erzielt worden zu sein, aber der berühmte Artikel 8, über den wir schon so lange diskutiert haben, läßt doch noch vieles ungeklärt. Diese Unklarheiten werden der Kommission natürlich eine offene Tür und sehr viel Spielraum bieten, und wir haben allen Grund zu der Annahme, daß ihr viel mehr am guten Funktionieren des Binnenmarkts gelegen ist als an der Sicherheit der Verbraucher. Schließlich glaube ich, daß alle Voraussetzungen für eine Banalisierung der Nutzung genetischer Manipulation bei der Nahrungsmittelerzeugung gegeben sind. Ich sage mit Absicht "Banalisierung" , d.h. das allmähliche Aufweichen von Rechtsvorschriften, die die Anwendung der genetischen Manipulation regeln sollen. Das scheint mir unannehmbar, wo wir jetzt doch wissen, daß noch eine Menge Unklarheiten, insbesondere hinsichtlich der Langzeitwirkung, existieren. Ich finde, man sollte aus der BSE-Krise wirkliche Lehren ziehen, weshalb mich der Optimismus dieses Hauses in diesem Zusammenhang doch ein wenig erstaunt. Denn welche Schlüsse müssen wir aus dieser Krise ziehen?... Zunächst, daß der Vorsorgegrundsatz nicht angewandt worden ist, daß es völlig an Durchschaubarkeit bei der Arbeit der Sachverständigen gefehlt hat, und schließlich, daß es nicht weniger an Information der Verbraucher gefehlt hat. Das aber waren elementare Ansprüche, die die BSE-Krise vermeiden geholfen hätten. Also ersuche ich Sie: Lassen Sie uns nicht den Weg einschlagen, der zu einer Lachswahn-Krise führen könnte! Auf jeden Fall sind wir nicht bereit, dem zuzustimmen. Uns wäre es lieber, kurzfristig auf eine rechtliche Regelung zu verzichten, denn wir würden einen provisorischen rechtlichen Leerraum mit besseren Rechtsvorschriften später bevorzugen. Herr Präsident! Ich möchte dem Haus die Annahme des im Vermittlungsausschuß erzielten Kompromisses über neuartige Lebensmittel empfehlen. Mit diesem Kompromiß erkennt das Parlament im wesentlichen die technischen Realitäten im Zusammenhang mit dieser Kennzeichnungsrichtlinie an, während der Rat anerkennt, daß die Menschen ein Recht haben, zu wissen, was in der Nahrung enthalten ist, die sie zu sich nehmen. Die Entwicklung der genetischen Modifizierung auf technischem Wege hat diese Richtlinie allgemein notwendig werden lassen, und wenn die nützliche Wirkung der Biotechnologie in anderen Bereichen wie Medizin und Pharmazeutik inzwischen auch feststeht und von der Allgemeinheit bejahrt wird, so gilt dies nicht unbedingt für die Biotechnologie im pflanzlichen und tierischen Bereich oder für gentechnisch veränderte Nahrungsmittel. Es wird damit argumentiert, daß die kommerzielle Nutzung und die Freisetzung von gentechnisch veränderten Samen sowohl für andere Pflanzen als auch für die menschliche Gesundheit schädlich sein könnten. Diese Ängste in Verbindung mit den wirtschaftlichen und sozialen Aspekten der Biotechnologie stellen die Politiker vor neue Probleme. Aus diesem Grunde haben wir ein Kennzeichnungsverfahren angestrebt, bei dem sichergestellt ist, daß der Verbraucher erfährt, was er verzehrt, und in der Lage ist, darüber frei zu entscheiden. Wir haben uns bemüht, dafür zu sorgen, daß ein möglichst hoher Informationsgrad gegeben ist, der aber zugleich praktikabel und durchsetzbar ist. Die wichtigsten Lehren für die Leute, die sich die neuen biotechnologischen Verfahren zunutze machen möchten, sind für mich eindeutig. Nur durch einen offenen Dialog mit dem Verbraucher und durch die vereinten Bemühungen von Industrie und Wissenschaft, möglichst offen und aufrichtig zu sein, kann die Atmosphäre entstehen, in der der Verbraucher das Vertrauen entwickelt, das dazu führt, daß er diese Erzeugnisse annimmt. Ich empfehle diesen Vorschlag dem Hause zur Annahme in der Gewißheit, daß das Europäische Parlament damit auf dem Wege zur Erfüllung der Wünsche des Verbrauchers im europäischen Binnenmarkt einen Schritt vorwärts tut. Herr Präsident, diese Verordnung wird ein Feigenblatt für die Industrie. Danach wird man sagen können: Der Verbraucherschutz ist in Ordnung, und wir brauchen uns beim Essen keine Gedanken mehr zu machen. Aber so liegen die Dinge keineswegs. Herr Bangemann, könnten Sie erläutern, warum die Unbedenklichkeitsprüfungen bei neuartigen Lebensmitteln nicht öffentlich sind? Das ist meines Erachtens eine eklatante Mißachtung der Verbraucher. Herr Eisma, es liegt auf der Hand, daß einige Mitgliedstaaten ihre Rechtsvorschriften werden lockern müssen. Also ist es falsch zu sagen, daß die Grünen verantwortungslos sind, wenn sie die Inkraftsetzung dieser Verordnung nicht unterstützen wollen. Ein großer Teil der genetisch manipulierten Lebensmittel bekommt keine Verpackungskennzeichnung, und dabei gibt es doch viele Menschen, die nicht mit dem Geldbeutel für die Produktion von Genlebensmitteln stimmen wollen. Zum Glück für aufmerksame Verbraucher gibt es noch die Möglichkeit, Erzeugnisse zu kaufen, auf denen ausdrücklich steht, daß sie nicht mit Hilfe genetischer Manipulation hergestellt wurden. Aber das größte Mysterium ist doch: Wer braucht eigentlich genmanipulierte Lebensmittel? Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Vermittlungsergebnis, über das wir heute beraten, ist eine schallende Ohrfeige für Kommissar Bangemann. Er wollte eine Kennzeichnung gentechnisch beeinflußter oder veränderter Produkte verhindern. Herr Bangemann sollte sich einmal eine Kondompackung ansehen. Darauf steht: Länge über 170 mm, Schaftdurchmesser 33 mm, Wandstärke ca. 0, 07 mm. Ich glaube nicht, daß sich ein verliebtes Paar für Länge, Breite und Dicke eines Präservativs interessiert. Aber ich bin überzeugt, daß alle einen Anspruch auf genaue Kenntnis über Herkunft und Eigenschaften ihrer Nahrungsmittel haben. Sie wollen und sollen wissen, was sie kaufen. Mit dem erzielten Kompromiß zur Novel Food -Verordnung haben wir den Bürgerinnen und Bürgern ihre Mündigkeit bestätigt und die freie Entscheidung beim Einkauf überlassen. Das ist gut so. Deshalb sollten wir der so veränderten Verordnung morgen mit einer großen Mehrheit zustimmen, damit wir endlich einen Fuß in der Tür haben, um weiter in diesem Fall zu arbeiten. Herr Präsident, die Aussprache, die wir heute führen, stellt, wie wir inzwischen wissen, den Schlußteil langer Verhandlungen dar. Es gibt in diesem Saal noch immer Gegner - zum Glück nicht so viel -, die das Thema gerne so darstellen, als ginge es hier um einen Interessengegensatz zwischen Binnenmarkt und Verbraucherschutz. Das ist jedoch nicht der Fall. Das Ergebnis war der Mühe des Verhandelns wert. Es ist ein Erfolg für den Verbraucher und auch für das Parlament, das dafür Sorge getragen hat, daß Lücken im Anwendungsbereich der Richtlinie sowie bei der Etikettierung gefüllt wurden. Durch die vorliegende Richtlinie wurden wir vor eine Reihe grundlegender Entscheidungen gestellt, und zwar zunächst vor die Frage, ob neuartige Lebensmittel zugelassen oder verboten werden sollen. Ein allgemeines Verbot besteht nirgendwo in der Welt. Das ist auch nicht wünschenswert. Dadurch wird der Weg für positive wissenschaftliche Anwendungen und Entwicklungen versperrt. Es gibt also nur eine Alternative, nämlich sie zuzulassen, womit sich dann die Frage erhebt, in welchem Maße die Freiheit zu dosieren ist. Daß die heutige Situation, bei der absolute Freiheit gilt, eine schlechte Alternative darstellt, nicht zuletzt für den Verbraucher, ist klar. Heute kann der Verbraucher seine Rechte nur nachträglich im Rahmen der Haftungsbestimmungen geltend machen. Ansonsten wird er eigentlich etwas seinem Schicksal überlassen. In dem Text eines gemeinsamen Entwurfs wird der Verbraucher auf doppelte Weise geschützt. Die Erzeugnisse, die auf den Markt gelangen, unterliegen strikten Zulassungsbedingungen. Zweitens wird den zwar weitgehenden, jedoch gerechtfertigten Forderungen der Verbraucher im Bereich der Informationen entsprochen. Mit der vorliegenden Regelung erhält die Biotechnologie zu verantwortende Chancen, ohne daß die Gefahren für die öffentliche Gesundheit unterschätzt werden. Der Verbraucher wird informiert, und durch die Tatsache, daß wir dazu beigetragen haben, kann unsere Rolle zum Schutz des Verbrauchers nur unterstrichen werden. Ich hoffe, daß der Entwurf bei der morgigen Abstimmung mit großer Mehrheit angenommen wird. Herr Präsident! Ich hoffe, daß wir die Woge des Optimismus, die im Zusammenhang mit dieser Maßnahme durch das Europäische Parlament zu gehen scheint, niemals werden bereuen müssen. Ich halte sie für einen der wichtigsten Rechtsakte der Europäischen Union, mit denen wir in diesem Jahr zu tun haben werden. Er betrifft die Nahrung, die wir essen, und damit, wie sich leicht denken läßt, die Zukunft des Menschengeschlechts auf der Erde. Ich gehöre zu den Optimisten, die in der Gentechnologie ein Mittel sehen, das zur Hoffnung Anlaß gibt, nicht nur im Hinblick auf ein größeres Nahrungsmittelangebot, sondern auch auf einen geringeren Einsatz von Pestiziden und Herbiziden bei der Nahrungsmittelproduktion. Aber mich beschleichen böse Ahnungen. Ich bin entschieden der Ansicht, daß es unsere Pflicht als Vertreter der Menschen in Europa ist, auf der Hut zu sein und darauf zu achten, daß sich dieses Recht, das stellenweise recht vage formuliert ist - wie wohl auch die Berichterstatterin selbst zugeben wird -, als wirksam erweist und alle Vorkehrungen getroffen werden, deren es im Interesse der Gesundheit der Menschen in Europa bedarf. Der Europäischen Kommission liegen gegenwärtig, soweit ich weiß, etwa acht Anträge auf Zulassung gentechnisch veränderter Erzeugnisse vor. Auf den Märkten außerhalb Europas sind derzeit rund 40 gentechnisch veränderte Erzeugnisse erhältlich. Ich nehme an, daß es nicht lange dauern wird, bis für diese 40 Erzeugnisse ein Antrag auf Zulassung in Europa gestellt wird. Vor allem zwei Dinge sind es, die die Abgeordneten des Europäischen Parlaments tun müssen, sobald diese Gesetzgebung in Kraft getreten ist. Erstens müssen wir sorgfältig auf die Kennzeichnung der gentechnisch veränderten Lebensmittel achten. Sie darf nicht so unklar ausfallen, daß die Bestimmungen des Artikels 8 bedeutungslos sind. Zweitens müssen wir Abgeordnete Licht in das Wirken der zwei entscheidenden Ausschüsse der Europäischen Union bringen, das sich im verborgenen abspielt - des Ständigen Lebensmittelausschusses und des Wissenschaftlichen Lebensmittelausschusses. Die Erfahrungen, die der Ausschuß für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherschutz mit ihnen gemacht hat, sind sehr unerfreulich. Wir haben niemals einen wirklichen Dialog mit ihnen geführt. Wenn Sie sich aber die Verordnung anschauen, werden Sie feststellen, daß sie bei der Entscheidung darüber, ob diese Lebensmittel auf unseren Tisch kommen oder nicht, eine absolute Schlüsselrolle spielen. Deshalb hoffe ich, daß das Parlament in Zukunft ein wesentlich engeres Verhältnis zu diesen Ausschüssen unterhalten kann. Aus dem Bericht des nichtständigen BSE-Ausschusses geht die Notwendigkeit dazu bereits hervor. BSE und die Tatsache, daß ein solches wissenschaftliches Rätsel so rasch auftreten und ein derartiges Chaos auslösen konnte, sollten für uns ganz gewiß Anlaß zum Nachdenken sein. Wir wissen nicht alles über die Folgen unseres Handelns. Wir müssen auf dem Gebiet der Gesundheit der Menschen in Europa mit größter Sorgfalt vorgehen. Herr Präsident, meine achtzigjährige Tante hat mir versichert, sie werde niemals in ihrem Leben gentechnisch veränderte Lebensmittel kaufen. Mein junger dynamischer Neffe hingegen sieht in diesen neuen Lebensmitteln den endgültigen Durchbruch in eine Zeit, in der Mißernten, Lebensmittelknappheit und Hungersnöte weltweit ein Ende haben werden. Daß wir, die Bürger Europas, tatsächlich die Macht haben werden, zu entscheiden, ein Lebensmittel auch vom Markt verschwinden lassen können, indem wir es einfach nicht kaufen, das ist diesem Parlament zu verdanken, wenn es morgen diese Vorlage beschließen wird. Noch nie hatten Konsumenten eine so große Macht, noch nie wurden sie so klar und umfassend informiert. Kein Bereich gentechnisch veränderter Lebensmittel bleibt inhaltlich von der Verordnung ausgeschlossen. Wer etwas anderes sagt, sagt nicht die Wahrheit! Sicherheit und Prüfkriterien sind in der Verordnung klar beschrieben. Wer etwas anderes behauptet, sagt nicht die Wahrheit! Die Verordnung macht ausdrücklich darauf aufmerksam, daß Produzenten auch damit werben können, daß ihre Erzeugnisse normale Lebensmittel sind. Es wird einen faszinierenden Wettbewerb geben, einen Wettlauf um die Gunst der Käufer. Niemand muß Angst haben, in Zukunft gentechnisch veränderte Lebensmittel zu essen, wenn er es nicht will. Wer etwas anderes behauptet, sagt nicht die Wahrheit! Aber der menschliche Forschungsdrang läßt sich nicht verbieten. Wir Menschen akzeptieren keine verschlossenen Türen. Jeder Fortschritt birgt auch Gefahren in sich. Davor müssen die Menschen geschützt werden. Da kann es keine Kompromisse geben. Es waren immer die Mutigen, die den Fortschritt gewagt haben und die ihn dann auch gewonnen haben. Die Gentechnologie stellt eine Revolution in der Medizin dar. Vielleicht hilft sie wirklich, auch im Lebensmittelbereich Knappheit oder Hungersnöte zu verringern. Es wäre unmenschlich gewesen, das zu tun, was Kommission und auch Rat nahe daran waren zu tun, nämlich dem Bürger schlicht und einfach die Wahlmöglichkeit zu nehmen. Die morgige Abstimmung wird eine Sternstunde des Parlaments sein, ein Sieg des Parlaments über Rat und Kommission! Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch ich bin der Meinung, daß dieser Kompromiß ein Erfolg für das Europäische Parlament ist. Man kann sich natürlich darüber streiten, ob es ein großer Erfolg ist oder ein befriedigender Erfolg. Ich bin der Meinung, daß wir das Entscheidende erreicht haben. Immer dann, wenn eine Veränderung an einem Lebensmittel vorliegt, muß gekennzeichnet werden. Dies gibt dem Verbraucher und insbesondere auch Allergikern die Möglichkeit, jedes potentielle Risiko, und sei es auch noch so klein, auszuschließen. Es gibt kein Russisches Roulette, Frau Breyer. Sie lügen in diesem Punkt! Niemand sollte ernsthaft behaupten, daß eine Ablehnung des Kompromisses zu einem besseren Ergebnis führen würde. Bei einer Ablehnung würde lediglich das eintreten, was die amerikanische Industrie und auch viele Verantwortliche in der Europäischen Union lange Zeit wollten: Es gäbe nämlich dann überhaupt keine Kennzeichnung. Dies ist auch sicher der Grund, warum uns alle europäischen Verbraucherverbände bedrängen, dem Kompromiß zuzustimmen. Auch der vielzitierte Vergleich zur Patentierungsrichtlinie ist überhaupt nicht hilfreich, denn erstens lag uns damals ein schlechter Text zur Entscheidung vor, ein schlechter Kompromiß, und jetzt liegt uns ein guter vor, und zweitens war damals die Alternative, daß uns noch für eine gewisse Zeit, etwa 2-3 Jahre, das nebeneinander bestehende nationale Patentrecht erhalten bleibt, bevor wir dann ein besseres europäisches bekommen. Hier ist der Kompromiß die Alternative. Die andere Wahl wäre nur, daß man überhaupt keine Kennzeichnung hat, denn auch die Grünen glauben doch wohl nicht ernsthaft, daß alle fünfzehn nationalen Regierungen und Parlamente in Windeseile eine Kennzeichnungsregelung beschließen werden. Ich habe die Grünen und auch Greenpeace oft gegen ungerechtfertigte Kritik in Schutz genommen. Nicht alles, was die Grünen sagen, und auch nicht alles, was Greenpeace sagt, ist dummes Zeug. Aber abschließend möchte ich sagen: Die Kampagne von Greenpeace und von den Grünen gegen diesen Kompromiß ist unverantwortliche Stimmungsmache! Wenn sie morgen Erfolg hätten, würde nur die jetzige unerträgliche Situation zementiert, nämlich daß Gen-Soja, Gen-Mais und andere Lebensmittel ohne Kennzeichnung in den Regalen stehen, und dann wäre die Chance vertan. Also: Zustimmung. Herr Präsident, die abschließende Debatte hat noch einmal gezeigt, wie schwierig es ist, in diesem Bereich eine Regelung zu finden, die alle zufriedenstellt, denn die Gegensätze - von Zwangsernährung bis hin zu einem strahlenden Sieg für das Parlament - sind ja doch ziemlich groß. Es geht auch nicht darum, wer jetzt hier gewonnen oder verloren hat, sondern es ging darum, eine Regelung zu finden, die auf der einen Seite den berechtigten Ansprüchen der Verbraucher gerecht wird, auf der anderen Seite aber eine praktikable Regelung ist, denn eine Regelung, die nichts bringt, ist eben nicht verbrauchergerecht. Ich habe das von Anfang an gesagt. Ich bin sehr froh darüber, daß wir einen Kompromiß erreicht haben. Es ist eine andere Formulierung, als wir vorgeschlagen haben, statt des Kriteriums "signifikanter Unterschied" wird jetzt ein Prüfverfahren, ein Nachweisverfahren eingeführt, das eine wird durch das andere ersetzt, aber das ist durchaus eine genauso vernünftige Regelung wie das, was wir ursprünglich vorgeschlagen haben. Es wäre aber nicht vernünftig gewesen ohne eine solche Einschränkung, praktisch eine grenzenlose Kennzeichnung. Wir haben uns immer für eine Kennzeichnung eingesetzt, möchte ich denjenigen Mitgliedern des Parlaments sagen, die - übrigens nicht zu Recht und wahrheitswidrig - behaupten, wir hätten keine Kennzeichnungspflicht vorgeschlagen. Wir haben aber immer gesagt, sie muß praktikabel sein, das heißt, sie darf bei der weiteren Verbreitung der Biotechnologie nicht dazu führen, daß nachher 80 % oder 90 % aller Lebensmittel gekennzeichnet werden. Das geht am Interesse der Verbraucher wirklich vorbei. Dann würde das niemand ernst nehmen. Das haben wir jetzt erreicht, auf eine andere Weise, als wir vorgeschlagen haben, aber wir haben es erreicht. Deswegen befinde ich mich in der Mitte zwischen denjenigen, die sagen, das ist ein Riesenschritt, und denjenigen, die wie Frau Breyer sagen, das ist gar nichts. Ich halte mich an die Berichterstatterin. Das habe ich während des ganzen Verfahrens gemacht. Punkt 24 ihrer Schlußfolgerungen beschreibt ganz exakt die Situation, vor der das Parlament morgen stehen wird, nämlich die Frage: Soll man einen Kompromiß annehmen, der nicht alle Wünsche des Parlaments erfüllt, seien sie nun berechtigt oder nicht, oder soll man gar nichts haben? Soll man also einen ersten Schritt machen, denn das möchte ich auch sagen: Was wir hier vorliegen haben, ist nicht das Ende der Geschichte - und das betrifft nicht allein Enzyme oder andere Stoffe, die hier noch nicht geregelt sind -, sondern das betrifft vor allen Dingen auch die Umsetzung der Bestimmungen; das ist nämlich gar nicht so ganz einfach. Das sind ja nicht Gesetzestexte, die mit Klarheit bis ins letzte Komma der Kommission und Wissenschaftlichen Ausschüssen genau sagen, was sie in einzelnen Fällen zu tun haben werden. Das wird nicht ganz einfach sein, und deswegen möchte ich Sie bitten, das anzunehmen, und möchte auch der Berichterstatterin meinen Dank aussprechen, denn das ist wirklich ein ganz erheblicher Schritt in eine richtige Richtung. Das sollte letzten Endes ja entscheidend sein, nicht, ob man hundertprozentig genau das durchsetzt, was man sich vorstellt, denn Demokratie beruht eben nicht darauf, daß irgendjemand hunderprozentig recht haben kann, sondern darauf, daß sich alle auf etwas verständigen, womit dann alle besser leben als vorher. Ich habe in den siebeneinhalb Jahren, die ich diesem Parlament angehöre, noch nie die Notwendigkeit gehabt, eine persönliche Erklärung abzugeben. Ich versuche, solche Mittel möglichst wenig zu nutzen. Heute muß ich das jedoch tun. Wegen der fortgeschrittenen Zeit möchte ich aber nicht mehr auf die Kolleginnen und Kollegen eingehen, auch nicht auf die Rede des Kommissars. Ich danke den meisten der Kolleginnen und Kollegen ausdrücklich dafür. Meine persönliche Erklärung bezieht sich auf den Vorwurf von Frau Breyer, ich, die ich diesen Kompromiß unterstütze, würde die Menschen betrügen, Betrug bezüglich der Sicherheit der Verbraucherinnen und Verbraucher begehen. Ich verwahre mich gegen diesen Vorwurf und bitte Sie, das zu Protokoll zu nehmen. Herr Präsident! Ich möchte die Gelegenheit zu einer persönlichen Erklärung ergreifen. Herr Liese hat mich namentlich der Lüge bezichtigt, er hat behauptet, daß diese Verordnung nicht zu einem Russischen Roulette für Verbraucher und für Allergiker wird. Das Gegenteil ist wahr! Sie wissen, es gibt keine Gesundheitskriterien. Sie wissen aber auch, es gibt keine Nachweismethode, um die Allergenizität dieser genmanipulierten Lebensmittel im voraus feststellen zu können. Die amerikanische Gesundheitsbehörde gibt diesen Tatbestand immerhin zu. Wenn ich also keine Nachweismethode habe, um schon im Vorfeld die Allergenizität der Lebensmittel feststellen zu können, bringe ich sie auf den Markt, und getestet wird dann an den Verbrauchern und den Verbraucherinnen. Das ist ein besonders großes Problem für Allergiker und Allergikerinnen. Jetzt zu dem Vorwurf von Frau Roth-Behrendt. Ich habe Sie nicht der Lüge bezichtigt. Auch Frau Flemming hat hier indirekt denjenigen Vorwürfe gemacht, die an dieser Verordnung zweifeln, die deutlich gemacht haben, daß es keine Kennzeichnung für 100 % der genmanipulierten Lebensmittel gibt. Ich habe Beispiele gebracht wie z.B. gentechnisch hergestelltes Wachstumshormon. Da würde ja sogar Herr Bangemann zugeben, daß man das nicht feststellen kann und daß es dafür auch keine Nachweismethode gibt. Dennoch ist es ein genmanipuliertes Produkt. Ich habe mich lediglich auf die Aussage von Frau Roth-Behrendt bezogen, die Berichterstatterin, die erklärt hat, diese Verordnung biete einen absoluten Schutz. Ich denke, andere Redner und Rednerinnen haben deutlich gemacht, daß es diesen absoluten Schutz nicht gibt. Wir haben keine Kriterien. Ich möchte - jetzt hört mir Frau Roth-Behrendt nicht zu - Sie nicht persönlich angreifen, das habe ich auch, glaube ich, mit keinem Wort gemacht. Aber es ist mein Recht, als Abgeordnete und als Verbraucherschützerin hier deutlich zu machen: die Gesundheitskriterien fehlen. Von daher kann gar keine Rede davon sein, daß wir hier den Gesundheitsschutz ermöglichen. Bitte nennen Sie doch, Frau Roth-Behrendt, wenn Sie wollen, die entsprechenden Gesundheitskriterien. Es stehen keine in der Verordnung! Ich möchte Kommissar Bangemann fragen, ob auch er der Auffassung ist, daß Artikel 8 nunmehr als Ergebnis des Vermittlungsverfahrens eine umfassende Kennzeichnung vorschreibt, daß aber, sollte die Erfahrung zeigen, daß Lücken im Schutzsystem für die Volksgesundheit bestehen, die Kommission entsprechend der Erklärung, die der Vermittlungsvereinbarung beigefügt ist, tätig werden und dafür sorgen wird, daß eine umfassende Kennzeichnung zu jeder Zeit stattfindet? Herr Präsident, ich habe Herrn Bangemann meine Frage nochmals gestellt, und er hat sie wieder nicht beantwortet. Ich muß sie also wiederholen: Herr Bangemann, wie stehen Sie dazu, daß diese Unbedenklichkeitsprüfungen bei Gen-Lebensmitteln nicht öffentlich sind? Ich möchte es ganz kurz machen. Wenn es der Sache dienlich ist, möchte ich das Wort Lüge, das auch nicht in meinem Redemanuskript steht, gegenüber Frau Breyer zurücknehmen. Ich möchte aber darauf bestehen, daß es falsch ist, daß hier Russisches Roulette mit dem Verbraucher gespielt wird, und daß es unverantwortliche Stimmungsmache ist, auch noch zu behaupten, irgendetwas würde besser, wenn wir den Gemeinsamen Standpunkt ablehnen würden. Herr Präsident, also zunächst zur Frage von Frau Hautala: Ich habe sie in der Tat nicht beantwortet, weil ich nicht dachte, daß wir jetzt angesichts der knapp bemessenen Zeit noch in eine Sachdiskussion eintreten müssen. Die Tatsache, daß diese Anmeldungen nicht öffentlich sind, ist ganz normal. Das wird auch bei anderen von uns zu prüfenden Anträgen so gemacht. Sie werden aber dann öffentlich gemacht, denn sie gehen ja an die Mitgliedsländer, sie gehen an die wissenschaftlichen Ausschüsse, und jeder kann sich dann da orientieren. Das heißt, wir zwingen keinen Anmelder, seine Anmeldung in irgendeinem Amtsblatt zu publizieren, aber was wir nachher machen, wird alles veröffentlicht. Was Herr White gesagt hat, kann ich nur nochmal bestätigen. Ich habe das ja schon auf Aufforderung der Berichterstatterin hin gesagt, und es steht übrigens auch in Artikel 14. Wir werden ja alles, was passiert, verfolgen. Es gibt ein lückenloses monitoring aller Dinge, die passieren. Wenn sich irgendwo Lücken ergeben, werden wir daraus Konsequenzen ziehen und neue Vorschläge machen. Vielen Dank, Herr Bangemann. Die Aussprache ist geschlossen. Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt. (Die Sitzung wird um 19.30 Uhr unterbrochen und um 21.00 Uhr wiederaufgenommen.) Nach der Tagesordnung folgt die Aussprache über den Bericht von Frau Peijs (A4-0004/97) im Namen der Delegation des Parlaments im Vermittlungsausschuß über den vom Vermittlungsausschuß gebilligten gemeinsamen Entwurf einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über grenzüberschreitende Überweisungen (C4-0660/96-94/0242(COD)). Herr Präsident, der Vermittlungsausschuß, dem ich als Berichterstatterin angehörte, konnte dem gemeinsamen Entwurf einer Richtlinie über grenzüberschreitende Überweisungen zustimmen. Wenn ihn das Europäische Parlament diese Woche bestätigt, haben wir diese Richtlinie endlich fertiggestellt. Dann haben wir ein Resultat vor uns, mit dem das Parlament zufrieden sein kann. Die Mitgliedstaaten müssen die Richtlinie vor dem 1. Januar 1999, wenn die WWU in Kraft tritt, umsetzen. Deutschland befürchtete Terminschwierigkeiten bei der Einführung und hat in einer Sondererklärung zugesagt, sein Möglichstes zu tun, damit die Frist eingehalten wird. Wir haben Verständnis für diese Schwierigkeiten. Wozu dient die Richtlinie nun eigentlich? Darüber ist im Verlauf der Zeit Unklarheit entstanden. Ich werde Ihnen das kurz erläutern. Der Sinn der Richtlinie besteht in einer Verbesserung der Dienstleistung bei den grenzüberschreitenden Überweisungen, indem ihre Zweckmäßigkeit gefördert wird. Das ist natürlich als Vorbereitung auf die dritte Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion von außerordentlicher Bedeutung. Der Binnenmarkt und die bevorstehende Einführung des Euro haben dazu geführt, daß es einen ständigen Zuwachs der Menge grenzüberschreitender Überweisungen gegeben hat, und das gilt auch im Hinblick auf ihre Höhe. Um den Binnenmarkt optimal nutzen zu können, ist es für die Wirtschaft und namentlich mittelständische Betriebe von größter Bedeutung, daß Überweisungen zwischen den verschiedenen Teilen der Gemeinschaft schnell, zuverlässig und billig geschehen können. Solange das nicht gewährleistet ist, haben wir es mit einer erheblichen Behinderung des freien Güter- und Dienstleistungsverkehrs in der Gemeinschaft zu tun. Die Richtlinie bedeutet für den Bürger, daß ihm eine Menge Ärger im Zusammenhang mit doppelten und häufig hohen Kosten, langen Überweisungszeiten und fehlendem Klagerecht, für den Fall, daß so eine Überweisung überhaupt nicht stattgefunden hat, erspart bleibt. Die Richtlinie betrifft alle Überweisungen unter 50 000 ECU und stipuliert vornehmlich ein Verfahren, das einer Förderung der Kostentransparenz, Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit der Überweisungen dient. Ich glaube, die in der Richtlinie geregelte Information stellt ihren Kern dar. Damit ist jede Einrichtung gehalten, dem Kunden vor und nach der Überweisung ausreichende Informationen zu geben, und die Mitgliedstaaten müssen für angemessene und zweckdienliche Klage- und Berufungsverfahren sorgen, damit eventuell auftretende Probleme geschlichtet werden können. Ich halte es für ausgesprochen nützlich, daß unsere Bürger solcherart wissen, an wen sie sich zu wenden haben. Die doppelte Berechnung von Kosten ist in Zukunft untersagt. Wenn trotzdem etwas bei der Überweisung schiefgeht, ist die Einrichtung des Auftraggebers verpflichtet, dem Auftraggeber, also ihrem Kunden, einen Höchstbetrag von 12 500 ECU für den Betrag der grenzüberschreitenden Überweisung gutzuschreiben. Dazu kommen die Zinsen, die dem Kunden verlorengegangen sind, sowie seine Ausgaben. All das hat innerhalb von vierzehn Arbeitstagen der Bank zu geschehen, selbstverständlich nach Ablauf des zwischen Auftraggeber und Bank vereinbarten Termins. Selbstredend bleibt jedem Auftraggeber, also jedem Bankkunden, das Recht vorbehalten, seine eigene nationale Gerichtsbarkeit hinzuzuziehen, um den Restbetrag einzufordern. Also fördert diese Richtlinie sowohl die Transparenz als auch die Zuverlässigkeit und Geschwindigkeit grenzüberschreitender Überweisungen. Sobald mehr Durchschaubarkeit und Klarheit gegeben sind, wird auch der Preis sinken. Wir können bereits die Auswirkungen der Tatsache wahrnehmen, daß die Richtlinie ihren Schatten über den Markt wirft. Ich habe in den Niederlanden und auch in Deutschland festgestellt, daß viele Banken bereits Euro-Überweisungen eingeführt haben, die den Anforderungen der Richtlinie entsprechen. Daher kann ich davon ausgehen, daß es eine sehr wichtige Richtlinie ist, die eine Förderung des freien Verkehrs von Gütern und Dienstleistungen in der Gemeinschaft bedeuten wird. Das endgültige Ergebnis, das uns jetzt vorliegt, ist insgesamt sehr positiv. Als wir das Vermittlungsverfahren einleiteten, gingen die Forderungen des Europäischen Parlaments und des Rates noch sehr weit auseinander. Ich glaube, es war gut, daß beide Parteien etwas Wasser in den Wein geschüttet haben, und daß eine Lösung für die größten Differenzen gefunden werden konnte. Welche waren das?... Zum Beispiel die Obergrenze für die Anwendung, die jetzt bei 50 000 ECU liegt, was bedeutet, daß alle Überweisungen bis zu 50 000 ECU unter die Richtlinie fallen; die Ausfallhaftung von 12 500 ECU und das Datum des Inkrafttretens der Richtlinie, nämlich an dem Tag, wo die WWU beginnt, so daß am 1. Januar 1999 auch diese Richtlinie rechtsgültig wird. Wir hoffen, daß dies auch in Deutschland der Fall sein wird, aber vielleicht wird es dort ein wenig länger dauern. Wir haben eine Richtlinie, die den Verbraucher und die Wirtschaft ausreichend schützt und den Gemeinschaftshandel von Gütern und Dienstleistungen fördern wird. Im Namen dieses Parlaments und der Bürger, die wir vertreten, fordere ich die Mitgliedstaaten auf, die Verpflichtungen, die diese Richtlinie mit sich bringt, und die allen europäischen Bürgern und Betrieben zugute kommen, so schnell wie möglich zu befolgen. Herr Präsident, die Richtlinie über grenzüberschreitende Überweisungen ist für Europa, für seine Bürger, für kleine Unternehmen und für das Europäische Parlament eine gute Nachricht. Weshalb? Erstens was die Bürger und die Verbraucher angeht: Jeder von uns hat irgendwann einmal versucht, Geld ins Ausland zu schicken. Die Nordwand des Eiger zu besteigen, wäre vielleicht leichter gewesen. Denken Sie doch einmal daran, wie den Angestellten hinter dem Schalter die Kinnlade herunterfällt, wenn Sie zu Ihrer Bank gehen und mitteilen, so wie ich es einmal tat, daß Sie Geld von England nach Frankreich schicken wollen, um einen Ferienaufenthalt zu bezahlen. Nach diesem Begeisterungsausbruch wird ein Informationsmangel erkennbar, wie eine solche Transaktion bewerkstelligt werden könnte, welche Kosten anfallen, wie lange die Überweisung dauert und welche Garantien es gibt, daß das Geld auf seiner Reise über den Kanal nicht verlorengeht. Erinnern Sie sich daran, wie erstaunt Sie waren, daß sowohl die Sende- als auch die Empfängerbank ihren Anteil an der Provision für die Durchführung dieser grundlegenden Aufgabe im Elektronikzeitalter verlangen. Es ist Zeit, daß die doppelte Gebührenerhebung abgeschafft wird, und dies wird mit dieser Richtlinie geschehen. Uns in der Sozialistischen Fraktion ist besonders daran gelegen, den Verbraucher zu schützen, indem eine Erstattungsgarantie von bis zu 12500 ECU für jede Transaktion festgelegt wird. Der größte Vorteil für den Verbraucher liegt jedoch in der Forderung nach Transparenz in bezug auf die Bankkosten und die Überweisungsbedingungen. Ausgehängte Informationen werden es dem Verbraucher wirklich ermöglichen, sich nach dem billigsten und besten Service umzusehen. Der Wettbewerb wird ein Licht auf die düstere und undurchsichtige Welt der Großbanken werfen und zur Abschaffung der Verzögerungen führen, die mit solchen Transaktionen normalerweise verbunden sind. Meine Wählerin Dorothy Evans von Ellesmere Port war so frustriert über die Bargeldüberweisung nach Schweden für ihr Zeitschriftenabonnement, daß sie sich dafür entschied, Kronen-Scheine per Post zu schicken. Hilfe ist in Sicht, Dorothy! Eine gute Nachricht auch für kleine und mittlere Unternehmen, deren Furcht, Geld ins Ausland zu schicken, sie daran hindern kann, auf dem europäischen Binnenmarkt umfassend und effektiv tätig zu sein. Warum sollte man Gewinne riskieren, wenn eine Geldüberweisung zum Erwerb von Gütern oder Dienstleistungen den Anreiz nimmt, Handel über die Grenzen hinweg zu treiben? Wenn man auf Nummer Sicher gehen will, so bedeutet dies praktisch: " Engagier Dich auf dem Binnenmarkt überhaupt nicht" . Eine gute Nachricht für das Europäische Parlament und Glückwünsche an Kollegin Peijs für ihre Beharrlichkeit gegenüber dem Rat. Indem wir auf das Konzertierungsverfahren verwiesen und mit dem Rat zu einem sinnvollen Kompromiß gelangten, haben wir gezeigt, daß das Parlament bei der Ausübung seiner neuen Konzertierungsbefugnisse leistungsfähig und geschickt ist. Wieder einmal zeigt das Europäische Parlament, daß es ein Parlament der Menschen, von den Menschen und für die Menschen ist. Ein Schlußgedanke: Die größere Transparenz bei der Überweisung von Geld von einem Land in ein anderes wird viel offensichtlicher sein, sobald die einheitliche Währung eingeführt ist. Die Banken werden keine Umrechnungsgebühren bei ihren Gesamtgebühren berechnen. Noch besser ist, daß die wirklichen Kosten der Dienstleistung offengelegt werden. Das Scheinwerferlicht eines gesunden Wettbewerbs wird auf die dunklen Gewölbe der europäischen Banken fallen. Diese Richtlinie wird auch eine gute Nachricht für die Banken sein, die bei dem großen europäischen Unternehmen, dem europäischen Binnenmarkt, wettbewerbsfähiger werden. Herr Präsident, zunächst meinen Glückwunsch zu Ihrer Wiederwahl, und ich wünsche Ihnen ebenfalls alles Gute für die künftige Arbeit. Wie wir wissen, beträgt die Zahl der grenzüberschreitenden Überweisungen in der Union jährlich ungefähr 400 Millionen, von denen die Hälfte über einen Betrag von je 2.500 ECU nicht hinausgeht. In Anbetracht der gegenwärtigen Wachstumstendenzen schätzt man, daß die Gesamtzahl der grenzüberschreitenden Banktransaktionen -Barzahlungen ausgenommen- zu Anfang des nächsten Jahrtausends die Milliardengrenze überschreiten wird. Die Ursache dafür werden ein Anwachsen der grenzüberschreitenden Aktivitäten und ein stärkerer Waren-, Dienstleistungs- und Geldverkehr zwischen den Mitgliedsländern innerhalb des gemeinsamen Marktes sein. Es ist daher unbedingt notwendig, bestimmte Reglementierungsmaßnahmen zu treffen, die den Schutz des Bürgers als Verbraucher im Bereich des Bankwesens garantieren, ganz gleich ob es sich dabei um einen Klein- oder Großunternehmer oder um einen einfachen Sparer handelt. Dieses Ziel ist bestens zu vereinbaren mit der Einführung und Verbreitung der einheitlichen Währung. Eine Banktransaktion zwischen zwei Städten verschiedener Länder der Gemeinschaft muß genauso behandelt werden, wie wenn es sich um zwei Städte in ein und demselben Land handeln würde, und den Kreditinstituten darf bei solchen Transaktionen die Festlegung von Modalitäten, Wertstellung und Kosten nicht allein überlassen werden. Wir können uns daher dem vom Vermittlungsausschuß gebilligten gemeinsamen Entwurf weitgehend anschließen und werden ihn unterstützen. Wir danken der Berichterstatterin für ihre Arbeit und ebenso -gestatten Sie uns diesder französischen Regierung, die dieses Thema während ihrer Präsidentschaft 1995 zu einer ihrer Prioritäten machte, als dieser Entwurf mit den Regierungen fast aller Mitgliedsstaaten und mit diesem Parlament ausgehandelt wurde, das ihn aus der tiefen Überzeugung heraus unterstützt hatte, daß wir kein Europa der Bankiers, sondern ein Europa der Bürger wollen. Herr Präsident, auch unsere Fraktion war in der Einleitungsphase namentlich im Hinblick auf die Höhe der Beträge ziemlich kritisch und hat sich auch sehr dafür eingesetzt, die Höhe der Beträge, für die diese Richtlinie gelten soll, anzuheben. Dessenungeachtet bin ich der Meinung, daß das Ergebnis, das jetzt vorliegt, Anerkennung verdient. Daher will ich hier ebenso wie meine Kollegen Frau Peijs zu dem Resultat gratulieren. Unsere Fraktion vertritt die Ansicht, daß es äußerst wichtig ist, daß die Rechte der Verbraucher und kleiner Betriebe auf jeden Fall bei gewissen Beträgen ausreichend geschützt sind. Aber ich muß dazu sagen, daß die Banken vielleicht noch mehr Garantien und Sicherheiten in den Vereinbarungen mit ihren Kunden bieten könnten. Wenn wir ein Europa haben wollen und einen Markt, dann gehören auch Garantien im Zahlungsverkehr dazu. Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! In der vorangegangenen Debatte hatte ich durch ein Versehen meine Redezeit erheblich unterschritten. Ich hoffe, Sie üben deshalb Nachsicht, wenn ich jetzt vielleicht geringfügig mehr Zeit in Anspruch nehme. Zur Sache: Mehr wäre besser gewesen. Aber ich glaube, wir haben im Vermittlungsausschuß einiges für die Menschen erreicht, die uns gewählt haben. Bei allen Verbesserungen des ursprünglichen Entwurfs bleibt ein Problem, das mir Kopfzerbrechen bereitet: Die Haftungsgrenzen sind zu niedrig angesetzt. Damit wird letztlich ein unter Umständen existenzgefährdendes, finanzielles Risiko vom wirtschaftlich stärkeren auf den schwächeren Geschäftspartner abgewälzt. Zum Glück haben legislative Regelungen keinen Ewigkeitswert. Man kann sie nach angemessener Zeit verbessern. Ich hoffe auch darauf, daß unsere Gesprächspartner vom Rat Wort halten. Sie haben im Vermittlungsausschuß versprochen, daß die 30 Monate zur Umsetzung nicht ausgenutzt werden, damit die Richtlinie möglichst bis zum 1. Januar 1999 überall in nationales Recht umgesetzt ist. In der Hoffnung auf eine baldige Revision mit mehr Verbraucherschutz sollten wir dem Vermittlungsergebnis zustimmen. Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Verbraucherausschuß, der Stellung nehmen konnte, hatte natürlich höhere Erwartungen zum Schutz des Verbrauchers an die Richtlinie. Dennoch habe ich im Vermittlungsausschuß Ja gesagt, und ich bitte auch das Parlament, Ja zu sagen. Wir brauchen eine Richtlinie für den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr, und ich hoffe, daß die Mitgliedstaaten die Richtlinie wie versprochen bis zum 1. Januar 1999, also dem Beginn der Währungsunion, umsetzen. Das Parlament konnte seine Forderung, daß die Richtlinie für alle Überweisungen bis 50 000 ECU gilt, durchsetzen. Damit ist der größte Teil von Überweisungen zum privaten Sektor und zu den KMU abgedeckt. Die Höhe der Ausfallhaftung der Banken für Überweisungen, die zwar vom Konto des Überweisenden abgebucht werden, aber beim Empfänger nicht eingehen, in Höhe von 12 500 ECU, ist ein Kompromiß, der bei der Überprüfung der Richtlinie verbessert werden muß. Im Vermittlungsverfahren hatte man manchmal den Eindruck, daß der Rat glaubt, wir leben noch im Postkutschenzeitalter und das überwiesene Geld wird bar transportiert. Eine freiwillige Erhöhung der Banken wäre sehr zu begrüßen und wünschenswert. Herr Präsident, im Namen der Kommission möchte ich dem Parlament für sein Bemühungen dafür danken, im Vermittlungsverfahren mit zu den Ergebnissen beigetragen zu haben, mit denen wir heute zu dieser gemeinsamen Schlußfolgerung zwischen den drei Institutionen kommen. Es hat sich ebenfalls gezeigt, daß das Vermittlungsverfahren gelegentlich positive Seiten hat und eine Methode ist, mit der sich mit Hilfe des Dialogs zwischen den Institutionen hervorragend solche guten Nachrichten hervorbringen lassen. Ich meine, Frau Peijs hat eine ausführliche Darstellung der im Vermittlungsverfahren erzielten Einigung gegeben, und die meisten Debattenredner haben auf die Vorteile hingewiesen, die sich nach Verabschiedung dieser Richtlinie für Verbraucher, Einzelpersonen und Unternehmen ergeben. Ich brauche Ihnen also nicht mehr darzulegen, welches die Ergebnisse dieses Vermittlungsverfahrens sind. Die Vorteile liegen doch auf der Hand. Es bestand eine Nachfrage, vor allem von seiten derer, die diese Dienste in Anspruch nehmen, wie verschiedene Abgeordnete dargelegt haben. Die Lage ist jetzt sehr viel klarer. Die Lage ist für die Bürger sehr viel transparenter und, was noch wichtiger ist - und damit komme ich zum Schluß -, es ist eine gute Maßnahme zur allmählichen Festigung des Binnenmarktes ohne Grenzen. Damit, Frau Peijs, noch einmal Dank für Ihre Worte, Dank an Sie alle und Dank auch an das Vermittlungsverfahren, das zu dieser positiven Entscheidung geführt hat. Die Aussprache ist geschlossen. Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt. Nach der Tagesordnung folgt die Aussprache über den Bericht von Herrn Bertens (A4-0416/96) im Namen des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, Sicherheit und Verteidigungspolitik über die Mitteilung der Kommission an den Rat und an das Europäische Parlament "Europäische Union-Lateinamerika: Die Partnerschaft heute und die Perspektiven für ihren Ausbau 1996-2000" (KOM(95)0495 - C4-0489/95). Herr Präsident, bevor wir mit der Diskussion über den Bericht Bertens beginnen, möchte ich Sie auf eine verfahrenstechnische Frage aufmerksam machen: wir schicken uns hier an, über zwei Berichte des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, Sicherheit und Verteidigungspolitik zu diskutieren, ohne daß die Delegationen für die Beziehungen zu den Ländern Lateinamerikas dazu angehört worden sind. Vielleicht ist dies aufgrund der Geschäftsordnung zu rechtfertigen, aber im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit unserer Arbeit hielte ich es für angebracht, in diesen Fällen die betroffenen interparlamentarischen Delegationen zu Wort kommen zu lassen. Wenn Sie, Herr Präsident, diese Beanstandung für berechtigt halten, könnten Sie vielleicht den Geschäftsordnungsausschuß mit dieser Frage befassen, damit wir einmal sehen, welche Rolle die interparlamentarischen Delegationen im Rahmen der Wirtschaftlichkeit unserer Arbeit effektiv spielen. Herr Kollege, es tut mir leid, aber die Kollegen dieser Delegationen können vor der morgigen Abstimmung noch Änderungsanträge einbringen, und dies entspricht wohl Ihrem Antrag. Da die Mitglieder der Delegationen dieses Recht haben, können wir das Ganze jetzt nicht rückgängig machen. Herr Präsident, ich habe keine Rücküberweisung beantragt. Ich habe lediglich gefragt, ob Sie mit der Diskussion fortfahren und diese Angelegenheit dem Geschäftsordnungsausschuß unterbreiten wollen, damit geprüft wird, welche Rolle die interparlamentarischen Delegationen in diesen Bereichen in Zukunft spielen sollen. Die Tatsache, daß die mit Lateinamerika befaßten Delegationen hier nicht einbezogen werden, scheint mir die Wirtschaftlichkeit der parlamentarischen Arbeit in Frage zu stellen. Es handelt sich nur um eine Klarstellung für die Zukunft, Herr Präsident: es war überhaupt nicht meine Absicht, eine Rücküberweisung zu beantragen. Herr Kollege, ich werde Ihren Antrag an den Präsidenten weiterleiten. Herr Präsident, darf ich Ihnen jedenfalls ganz persönlich und auch im Namen meiner Fraktion zu Ihrer Neuwahl als Vizepräsident des Parlaments Glück wünschen? Meinem Kollegen Manzella sage ich herzlichen Dank dafür, daß er betont hat, wie wichtig es ist, daß die lateinamerikanische Delegation an diesem Bericht beteiligt wird. Ich möchte ihn beruhigen, ich war selbst siebeneinhalb Jahre Mitglied und habe außerdem fünfzehn Jahre meines kurzen Lebens dort zugebracht, also verstehe ich das, worüber wir jetzt sprechen. Wir sprechen jedenfalls dieselbe Sprache, ich als Niederländer und Sie als Italiener, und vielleicht können wir in anderer Form miteinander in Verbindung treten. Ich danke der Kommission und vor allem Kommissar Marin für die Mitteilung über die zukünftigen Beziehungen zu Lateinamerika. Dieser Erdteil ist in Bewegung geraten, weshalb eine kohärente Vision der Union, die alle Aspekte dieser Beziehungen umfaßt, von wesentlicher Bedeutung ist. Die Europäer sehen Lateinamerika immer noch zu sehr mit den Augen der siebziger und achtziger Jahre. Lateinamerika ist nicht mehr der Erdteil, wo jeder Herrscher ein Diktator ist, wo die Menschenrechte geschändet werden, wo Hyperinflation herrscht, wo sich die interessanten, aber auch ach so geheimen Kontras oder KontraKontras aufhalten. Das ist zum Teil Europa zu verdanken. Die Union hat seit Beginn der achtziger Jahre erfolgreich eine gemeinsame europäische Außenpolitik unter Beweis gestellt. Herr Marin weiß das wie kein anderer, und der Kollege Carnero, der auch ein alter Hase ist, wenn es um Latein- und Mittelamerika geht, hat einen guten Bericht über den San José-Dialog abgefaßt und darin namentlich betont, wie gut die gemeinsame europäische Außenpolitik, die nicht institutionalisiert zu werden braucht, funktioniert. Auf dieser Basis fahren wir jetzt fort. Seitdem hat Europa jedoch stillgestanden, während sich Lateinamerika schnell verändert hat. Eine Politik der Versöhnung, Demokratisierung und Achtung der Menschenrechte hat die Grundlage für politische und soziale Stabilität geschaffen. Wirtschaftsreformen und eine makro-ökonomische Stabilisierung haben den Wiederaufbau der Wirtschaft ermöglicht. Diese Entwicklungen haben einer regionalen Zusammenarbeit starke Impulse gegeben, dem Andino-Pakt, Mercosur usw. Europa hat wieder einmal versäumt mitzuwachsen und hat etliche Möglichkeiten, die ihm die jüngsten Entwicklungen boten, verpaßt. Die Zusammenarbeit bekam den einseitigen Charakter einer Entwicklungszusammenarbeit. Wir haben den lateinamerikanischen Markt nach und nach an die Vereinigten Staaten verloren, die mit der NAFTA und der Enterprise for America's Initiative in die Bresche gesprungen sind, die Europa gelassen hatte. Jetzt haben die Vereinigten Staaten Europa im Bereich der Investitionen und im Handel mit Lateinamerika weit überholt. Noch sind die neuen Strukturen in Lateinamerika nicht gefestigt. 35 % der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze. Es wird nicht genug für Schulung und Berufsausbildung getan. Drogen, Korruption und Straffreiheit untergraben Lateinamerikas politische Strukturen. Wir sollten den Demokratisierungsprozeß weiter im Auge behalten. Erfreulich ist der neue Frieden in Guatemala, aber ohne unsere Unterstützung wird er natürlich sehr schwach bleiben. Europa muß das neue Lateinamerika als ebenbürtigen Partner ansehen. Die Mitteilung der Kommission stellt einen ersten Ansatz in dieser Richtung dar. Es darf nicht sein, daß die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik eine so wichtige Region, deren Strukturen noch so anfällig sind, ignoriert. Aber die Ansätze einer neuen Lateinamerikapolitik von seiten der Kommission sind zu vage und zu unverbindlich. Ich ersuche die Kommission, ein Aktionsprogramm mit Vorschlägen für konkrete Initiativen einer neuen Politik auszuarbeiten. Ich habe in meinem Bericht eine Reihe Vorschläge für derartige konkrete Initiativen unterbreitet, die sich über die Außenpolitik, Wirtschaft, Integration, Entwicklungszusammenarbeit, Sicherheit und Verteidigung erstrecken. Was die Außenpolitik betrifft, so sollte Lateinamerika als ein vorrangiges Gebiet betrachtet werden. Wir sollten den transatlantischen Dialog, den wir mit den Vereinigten Staaten und Kanada führen, nicht zu einem solchen Dialog mit Lateinamerika ändern; dennoch sollte Lateinamerika einen festen Punkt auf unserer Tagesordnung darstellen. Im Bereich der Wirtschaft und der Integration sollte die Union dort die regionale Integration weiter fördern und die Kontakte mit den Regionen aufrechterhalten. Bei der Entwicklungszusammenarbeit befürworte ich die Prioritäten der Kommission. Die Union sollte als wichtigster Geber alle anderen Länder zu erhöhten Anstrengungen auffordern. Gerade die Vereinigten Staaten spielen eine zu bescheidene Rolle als Geber. Sicherheit und Verteidigung: Im Zusammenhang mit der Sicherheit will ich auch die Zusammenarbeit bei der Drogenbekämpfung erwähnen. Diese sollte sich nicht nur auf die Länder des Andino-Pakts beschränken, sondern auch auf andere Teile Lateinamerikas ausgeweitet werden. Auch Sicherheit und Verteidigung sollten einen Punkt der Tagesordnung von Europa und Lateinamerika ausmachen. Eine wirklich ausgereifte Beziehung zu Lateinamerika heißt, daß man auch diesen Bereichen Aufmerksamkeit widmet. Zusammenarbeit im Bereich der vorbeugenden Diplomatie, der Friedenserhaltung und dergleichen kommt globale Bedeutung zu. Daher sind Verträge zwischen den betreffenden Organisationen auch sehr wünschenswert. Herr Präsident, in der Stellungnahme des Ausschusses, die ich verfaßt habe, gehe ich verständlicherweise auf die Aspekte Energie sowie Forschung und Entwicklung ein. Meine Damen und Herren, wenn wir von Lateinamerika sprechen, sprechen wir von einem Markt mit 450 Millionen Menschen und damit 450 Millionen Verbrauchern. Herr Bertens meinte, die Europäische Union habe diese Märkte vernachlässigt. Das gilt aber nicht für den Bereich Energie, Herr Bertens. Im Energiesektor haben viele Mitgliedstaaten der Europäischen Union erhebliche Investitionen vorgenommen. Diese Investitionen waren teilweise von einer solchen Größenordnung, daß sie in diesem Bereich die Hauptrolle spielen. Dieser riesige Kontinent erlebt jedoch ein gewaltiges Wirtschaftswachstum, hat gleichzeitig noch ein sehr niedriges Stadium der wirtschaftlichen Entwicklung erreicht, weshalb mit einer deutlichen Steigerung des Energieverbrauchs zu rechnen ist. Wir haben uns daher in unserem Ausschuß Gedanken über die rationelle Energieverwendung gemacht. Es gibt ja bereits bei der Generaldirektion I der Kommission das Programm ALURE (América Latina - Utilización óptima de los recursos energéticos [Lateinamerika - Optimaler Einsatz der Energiequellen]) für die Zusammenarbeit zwischen Lateinamerika und der Europäischen Union, das zwar wichtig, aber noch unzureichend ist. Seine Mittelausstattung ist zu schlecht. Wir brauchen mehr Mittel für dieses Programm, Herr Kommissar, denn wir halten es für sehr wichtig. Nach unserer Auffassung sollten auch die erneuerbaren Energiequellen ausgebaut werden, insbesondere die Wasserenergie. Lateinamerika verfügt bei der Wasserenergie über ein gigantisches Entwicklungspotential. Anders als andere verursacht diese Energie keine Verschmutzung. Dann haben wir die Amazonaswälder, wahre Kohlendioxydfilter. All das sollte bei unserer künftigen Zusammenarbeit durch die richtigen Abkommen genutzt werden. Und was unsere aktivere Rolle in Forschung und Entwicklung angeht, so haben wir Seminare angeregt, auf denen wir gemeinsam sprechen können über die gegenseitige Zusammenarbeit, über den Austausch von Wissenschaftlern und die Erarbeitung von Programmen in den Bereichen Lebensmittel, Biotechnologie, Energie und vor allem Umwelt. Herr Präsident, uns liegt ein großartiger Bericht vor; so sieht es zumindest der Ausschuß für Entwicklung und Zusammenarbeit. Es ist nämlich allerhöchste Zeit, daß die Europäische Union Lateinamerika so sieht, wie sie auch andere amerikanische Nationen sieht, also wie die Vereinigten Staaten von Amerika oder Kanada. Der Berichterstatter arbeitet sehr gut heraus, daß unsere Beziehungen schon über die zögerlichen Anfänge hinaus sind und herangereift sind zu Beziehungen zwischen regionalen Kernen, die sich gut verstehen. Sich gut verstehen, weil wir ähnlichen Kulturen angehören und wir uns durch den Beitritt Portugals und Spaniens zur Europäischen Union noch näher gekommen sind. Traditionell besteht gutes Einvernehmen zwischen Lateinamerika und Spanien und Portugal, so wie es zwischen dem Commonwealth und Großbritannien besteht, doch hat die Gemeinschaft gelegentlich im Fall Lateinamerika nicht in gleicher Weise reagiert. Unsere Unterstützung muß der Stärkung der Einrichtungen dienen, die aus diesem Einvernehmen etwas ganz Natürliches machen können. Ich meine Einrichtungen wie die Europäische Investitionsbank, ECIP oder AL-INVEST, die mich zu dem Schluß verleiten, daß die Europäische Union ihre Entwicklungshilfe positiv betrachtet, daß die EU der wichtigste Geber von Entwicklungshilfe ist - 54 % des Gesamtbetrags, wohingegen die Vereinigten Staaten zum Beispiel weniger als die Hälfte geben. Trotz alledem müssen wir jedoch feststellen, daß die europäischen Investitionen in diesen Ländern nicht nur nicht zunehmen, sondern sogar rückläufig sind. Auf die Vereinigten Staaten von Amerika entfallen 43 % des Welthandels und 75 % der direkten Auslandsinvestitionen. Warum ist die Lage so unausgewogen, und warum bringen wir nicht das gleiche auf wie die Vereinigten Staaten? Mein Beifall gilt dem Bericht und dem Ausschuß für Entwicklung und Zusammenarbeit, damit die Beziehungen zu Lateinamerika intensiviert und normalisiert werden. Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren Abgeordneten, ich habe den Bericht von Herrn Bertens und die Stellungnahmen der verschiedenen Ausschüsse als Beiträge zu diesem Bericht mit großem Interesse gelesen. Ich halte sie alle für nützliche und interessante Texte, weil sie Gedanken über eine Intensivierung der Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Lateinamerika vorbringen. Wenn man sich heute mit der Realität in Lateinamerika beschäftigt, wie es eben Herr Bertens selber sagte, heißt das, daß man sich nicht mehr mit dem Lateinamerika der letzten Jahrzehnte beschäftigt. Man entdeckt vielmehr eine sehr viel komplexere, sehr viel aktivere Welt, mit Licht und Schattenseiten, aber auch mit riesigen Möglichkeiten. Eine Welt mit ähnlicher Identität, aber man darf Lateinamerika nicht durch eine unscharfe einheitliche Brille sehen und dabei die Unterschiede vergessen. In Lateinamerika finden wir das im Aufschwung befindliche Chile und Nicaragua mit bedenklicher Armut, Guatemala, das gerade ein Friedensabkommen feiert und Costa Rica als Beispiel für eine gewisse demokratische Stabilität. Lateinamerika, das ist aber auch Kolumbien mit seinen Herden der Gewalt in Zusammenhang mit den Drogenhandel, und Peru, wo wir gerade erleben, wie in abscheulicher Weise Gewalt und Menschenraub als politische Instrumente eingesetzt werden. Es bedeutet aber auch Mercosur, dieses ehrgeizige Vorhaben, und das Freihandelsabkommen zwischen Mexiko, Kanada und den Vereinigten Staaten. Ich meine, daß die Europäische Union ihre Beziehungen zu Lateinamerika in einen Gesamtkontext einordnen und dabei der Vielfalt dieses Kontinents gerecht werden sollte. Wir verfügen über Instrumente für den politischen Dialog. Der Dialog von San José, vom dem auch Kommissar Marín gesprochen hat, ist ein Beispiel dafür, das allerdings noch nicht ausreicht. Wir dürfen nicht die Gefahr eingehen, daß Lateinamerika auch weiterhin zuallererst auf die Vereinigten Staaten schaut und in der Europäische Union nur einen treuen Begleiter sieht. Hilfreich ist ein Blick auf die Entwicklung der Investitionen und der Handelsströme zwischen der Europäischen Union und Lateinamerika, denn daraus ergibt sich ein Hinweis auf die Zukunftsperspektiven. Es liegt noch ein langer Weg vor uns, wenn wir beispielsweise alle Möglichkeiten des parlamentarischen Dialogs entdecken wollen, denn die politischen Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und Lateinamerika mag zwar recht bedeutend sein, doch beschränkt sie sich in vielem Fällen auf Gespräche auf Minister- oder Regierungsebene. Der parlamentarischen Dialog spielt jedoch eine wichtige Rolle für die Festigung der Demokratie oder auch bei der regionalen Integration. Lateinamerika und die europäische Union brauchen sich gegenseitig und sollten gleichberechtigt und loyal im Geiste der Zusammenarbeit ihre Zusammenarbeit in Politik und Handel verstärken. Jeder, der sich ein wenig genauer mit der Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und Lateinamerika befaßt hat, wird entdecken, daß sich für diese Zusammenarbeit ein weites Feld bietet, das sich jedoch häufig- wie die Kommission auch weiß - dem Bürger nicht offenbart, der wissen möchte, wo diese Zusammenarbeit stattfinden kann. Ein weiteres Problem für die meisten Länder Lateinamerikas ist die Verschuldung. Die Europäische Union sollte sich hier als aktiver Partner erweisen, der in der Lage ist, koordinierte und innovative Vorschläge zu erarbeiten und vorzulegen, mit denen die Belastung der lateinamerikanischen Länder durch die Auslandsverschuldung gemindert werden kann. Dies ist erforderlich, weil es sich in vielen Fällen um zweigeteilte Gesellschaften handelt, die Unterstützung für ihre Wirtschaftsreformen brauchen, mit der sie ihre Arbeitslosenzahlen senken, Armut bekämpfen und Wirtschaftsreformen durchführen können und damit die Voraussetzungen für von Solidarität gekennzeichnete sozialpolitische Maßnahmen zu schaffen, die dem nahe kommen, was wir in Europa unter "Wohlfahrtsstaat" verstehen. In einigen Ländern Lateinamerikas bestehen erhebliche Probleme in Zusammenhang mit Drogenhandel und Korruption, doch sollten wir hier nicht heuchlerisch den pädagogischen Zeigefinger erheben, solange wir bei diesem Thema nicht energischer vorgehen, denn Kokain wird nur zu einer Droge, weil es Abnehmer dafür gibt. Abschließend, Herr Präsident, möchte ich noch daran erinnern, daß die Zeit der Militärdiktaturen praktisch vorbei ist, daß aber durchaus die Gefahr anderer populistischer Systeme besteht, die die strukturellen Probleme Lateinamerikas auch nicht lösen dürften. Die Europäische Union und Lateinamerika sollten versuchen, sich auf allen Wegen der Zusammenarbeit entgegenzukommen. Der Vorschlag der Kommission und auch die Beiträge von Herrn Bertens gehen genau in diese Richtung. Herr Präsident! Wenn von dem Verhältnis Europa zu Lateinamerika die Rede ist, weiß man nie so genau, in welche Familiengeschichte zwischen Vergangenheit und Gegenwart man sich einmischt. Konflikt, Gespräch, Handel, Kritik wechseln einander ab. Da gibt es Schwestern und Brüder, Vettern und Kusinen, Patenverbindungen über Jahrhunderte und Jahrzehnte, Fluchtburgen und unternehmungslustige Ein- und Auswanderer. Uns beschäftigt aber heute die Zukunft, nämlich die Gestaltung des Verhältnisses der Staatengemeinschaft der Europäischen Union zu Lateinamerika, mit dem nach konfliktreichen Jahren zwischen Diktatur und Demokratie, dem Kampf um Menschenrechte und dem Aufbau gemeinsamer Märkte in Lateinamerika für beide eine Partnerschaft über das Jahr 2000 wiederbelebt werden soll. Das ist sowohl für die gemeinsame Außenpolitik wie auch für unsere Außenhandelspolitik wichtig. Sie sind beide betroffen. Sie müssen von unserer Seite her und nach dem Wunsch des Europäischen Parlaments, wie er in dem sehr guten Bericht des Kollegen Bertens seinen Ausdruck findet, beide von der EU genutzt werden, um einen neuen transatlantischen Dialog zu schaffen, in den auch die Vereinigten Staaten einbezogen werden müssen. Das Europäische Parlament hat sich über viele Jahre seit seiner ersten Direktwahl um diesen Dialog bemüht. Der Maastrichter Vertrag fordert in Artikel J.1 die Einrichtung einer dynamischen Politik gegenüber Lateinamerika. Daran fehlte es lange. Die Entwicklungen in Europa haben das Interesse an den politischen Prozessen in Lateinamerika zurückgedrängt. Lateinamerika selbst ist trotz seines unbestrittenen wirtschaftlichen und demokratischen Aufschwungs in den 90er Jahren etwas in den Windschatten der Weltpolitik getreten. Mit ihrer Mitteilung, " Die Europäische Union und Lateinamerika - die Partnerschaft heute und die Perspektiven für ihren Ausbau 1996 bis 2000" hat die Kommission einen Weg zur Wiederbelebung dieser Beziehungen gewiesen. Die Stellungnahmen der beteiligten Ausschüsse, die konsequente Arbeit der Delegationen für Süd- und Mittelamerika, der interparlamentarische Dialog im Rahmen der Interparlamentarischen Konferenzen EP-Lateinamerikanisches Parlament unterstreichen die Bedeutung, die wir den Schlußfolgerungen der Entschließung beimessen. Wir haben uns sehr für den Ausbau des Mercosur, die Bildung von Regionalparlamenten in Lateinamerika, des Andenparlamentes, des zentralamerikanischen Parlamentes eingesetzt. Wir dürfen aber die schwierigen Fragen nicht ausklammern. Drogen, länderübergreifende Kriminalität und Korruption, der Ausbau des Handels in empfindlichen Sektoren, der Kampf für die Stärkung der Menschenrechte und der Demokratie dürfen nicht ausgeklammert werden. Die Anhörung zur Frage der Straflosigkeit für die in Diktaturen begangenen Menschenrechtsverbrechen gegenüber politischen Gegnern, aber auch vielen Bürgern, die zwischen die Fronten gerieten, im Unterausschuß Menschenrechte letztes Jahr hat die Vielschichtigkeit und die Empfindlichkeit solcher Nachfolgeprobleme aufgezeigt. Zwischen Demokratie und unabhängiger Rechtsprechung besteht ein enger Zusammenhang. Das demokratische Europa hat die Pflicht, die Stabilisierung der Demokratie zu unterstützen, um den Anteil demokratischer Staaten in den Weltorganisationen zu stärken und gemeinsame Vorstellungen zur Sicherheitsund Verteidigungspolitik und damit zur Konfliktverhütung zu entwickeln. Das ist unsere Aufgabe und dafür haben wir uns im Europäischen Parlament gegenüber der Kommission und dem Rat auch immer eingesetzt. Wir wünschen dem Bericht viel Erfolg. Herr Präsident, die derzeitige Entwicklung in Lateinamerika gehört zu den erfreulichsten Ereignissen am Ende dieses Jahrhunderts. Lange hat dieser gesamte Raum als ein Pulverfaß mit mehr und mehr Guerillakämpfen und Putschen gegolten. Heute jedoch machen dort Frieden und Demokratie Fortschritte, und es ist die Pflicht der Europäischen Union, diesen Prozeß zu unterstützen und sich an seiner Verstärkung zu beteiligen. Wie Herr Bertens, den ich zu seinem ausgezeichneten Bericht beglückwünsche, begrüße auch ich die Initiative der Kommission und die Ausrichtung ihrer Mitteilung, die einer Wiederbelebung der Beziehungen zwischen der Union und Lateinamerika dienen. In der wenigen Zeit, die mir zusteht, kann ich die drei Hauptachsen, auf die die Kommission die Unionszusammenarbeit ausrichten will, nicht noch einmal aufzählen, obwohl ich sie befürworte. Daher werde ich mich damit begnügen, Ihnen zu sagen, was ich für eine unerläßliche Voraussetzung für jegliche Reform halte, nämlich die Unterstützung, die Europa der Konsolidierung des Demokratisierungsprozesses geben kann und muß. Der Europäischen Union wird häufig zum Vorwurf gemacht, sie orientiere sich vor allem auf die Wirtschaft und vertrete merkantile Interessen. Wer so urteilt, läßt ihren Beitrag zur Entwicklung der Demokratisierung in der Welt außer Acht, der über die Kooperations- oder Assoziationsabkommen mit Ländern stattfindet, in denen die Demokratie bedroht war oder bedroht worden ist. Das trifft auf den lateinamerikanischen Subkontinent zu, wo manche der demokratischen Regierungen immer noch anfällig sind, und wo die Union entscheidend zur Konsolidierung der laufenden Prozesse beitragen kann. Die Vorschläge der Kommission zur Errichtung einer politischen und kommerziellen Partnerschaft zwischen der Union und diesen Ländern sind eine Reaktion auf Überlegungen dieser Art. Dennoch möchte ich zu zwei Punkten des Berichts Bedenken äußern. Erstens schlägt Herr Bertens vor, den ministeriellen Rahmen, in dem sich diese Art Dialog abspielt, zu überschreiten, und er spricht sich dafür aus, daß außer den interparlamentarischen Begegnungen, die gegenwärtig stattfinden, das Europäische Parlament und sein lateinamerikanisches Gegenstück an den Ministerkonferenzen teilnehmen sollten. Das könnte zu einem Zeitpunkt, wo man dabei ist, Bande neu zu knüpfen, die etwas an Stärke eingebüßt haben, zu einer unnötigen institutionellen Verwirrung führen. Zweitens die Bekämpfung des Rauschgifthandels. Herr Bertens läßt in seiner Erklärung der Beweggründe durchblicken, das Problem des Drogenhandels sei eine Sache von Angebot und Nachfrage, und daß vor allem die Bedingungen für andere Entwicklungsformen geschaffen werden müßten, ohne daß man sich in eine wahre Kriegsführung gegen das Drogengeschäft einläßt. Denn er sagt, Unterdrückung habe noch nie gute Resultate gezeitigt. Eine solche Darstellung des Problems stimmt mich bedenklich, denn, wenn es zutrifft, daß andere Formen der Entwicklung in den Regionen, wo diese Erzeugnisse angebaut werden, vorgesehen werden müssen, dann muß auch der Drogenhandel mit allen Mitteln, und ohne auf ein einziges zu verzichten, eingedämmt werden. Es ist auch die Aufgabe der Europäischen Union, diesen Ländern zu helfen, sich eines Übels zu entledigen, das niemals zur Steigerung des Demokratiebewußtseins beiträgt. Herr Präsident, Herr Kommissar, in den letzten Jahren hat es eine deutliche Annäherung zwischen der Europäischen Union und Lateinamerika gegeben, die im wesentlichen auf den Beitritt Spaniens und Portugals zurückzuführen ist, denn dadurch wurden die kulturellen Ähnlichkeiten zwischen den beiden Kontinenten hervorgehoben und betont. Ich möchte daher unsere Zustimmung zum Tenor des Berichts von Herrn Bertens betonen und darauf hinweisen, daß oberste Priorität den verschiedenen Maßnahmen zu kommt, mit denen die Demokratie in den lateinamerikanischen Ländern entwickelt und gestärkt werden kann, wie es auch in der Mitteilung der Kommission zu diesem Thema heißt. Wir halten es daher für unbedingt erforderlich, daß Europa einen größeren Beitrag zur Vertiefung der Wirtschaftsreformen in den Ländern Lateinamerikas leistet, um so den Erfolg der gegenwärtig erfolgenden Strukturreform zu sichern; Entwicklungsstand und Fortschritt der einzelnen Regionen Lateinamerikas müssen unterstützt und besondere Aufmerksamkeit den krassen sozialen und wirtschaftlichen Unterschieden in der gesamten Zone gewidmet werden. Hierzu sollten wir von seiten der Europäischen Union energisch und mit hohen Zielsetzungen vorgehen; die Beziehungen zu Lateinamerika müssen zu einem Hauptziel der neuen gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik werden. Wir sollten daran denken, daß der traditionelle Überschuß im Handel zwischen Lateinamerika und der europäischen Union sich in den 80er Jahren verdreifachte, dann Anfang der 90er Jahre zurückging und 1993 praktisch völlig verschwunden war. In den vergangenen drei Jahren war ein Defizit zu verzeichnen, das sich auf 1, 5 Milliarden Dollar beläuft. Gleichzeitig hat die Europäische Union ihre Stellung als größter Investor in Lateinamerika räumen müssen, was verdeutlicht, daß die jetzigen Bemühungen um eine Stärkung der Assoziierung mit Lateinamerika nicht ausreichen und ohne den erforderlichen Nachdruck und ohne die erforderliche Dynamik durchgeführt werden. Herr Präsident, abschließend meinen wir, daß die Kommission unbedingt ein Aktionsprogramm für Lateinamerika erarbeiten muß, das - wie schon gesagt - konkrete gemeinsame Vorschläge enthält, mit denen zum einen wirtschaftliche Entwicklung und Aufschwung und zum anderen Frieden, Demokratie und strenge Einhaltung der Menschenrechte gefördert werden können. Herr Präsident, liebe Kollegen, der Bericht von Herrn Bertens behandelt eine Mitteilung der Kommission über die Beziehungen der Europäischen Union zu Lateinamerika, die selbstverständlich an und für sich in Betracht gezogen werden sollte, aber auch als Teil eines Ganzen, das die Mitteilungen über die Beziehungen zu Kanada, den Vereinigten Staaten und Mittelamerika miteinbezieht. Diese zusammenhängende Textsammlung spiegelt die berechtigte Besorgnis der Europäischen Union wider, ihre Beziehungen zu allen Staaten Amerikas in der Ära nach dem Kalten Krieg neu zu bestimmen und für Ausgewogenheit zu sorgen in Zeiten, wo sich der Pazifische Raum wirtschaftlich und kommerziell zu einem starken Pol entwickelt. Ich begrüße die verlautbarten Absichten, was den Einsatz für die Entwicklung, die Bekämpfung des Drogenproblems, den Schutz der sozialen Gerechtigkeit und der Umwelt sowie die Verstärkung der kulturellen Verbindungen betrifft. Aber ich mache mir Sorgen, wenn unsere AKP-Partner uns auf die dauerhafte Schwächung der Lomé-Abkommen durch eine allseitige Zuerkennung von Handelspräferenzen hinweisen und insbesondere die zersetzende Wirkung der APS-Drogen. Wir sind uns heute der verfälschenden Auswirkungen dieses Systems bewußt, das den besten Absichten entsprang. Es hat nicht nur keinen wesentlichen Beitrag zur Ausrottung der Drogenerzeugung geleistet, sondern auch ganze Sektoren europäischer Pflanzenzucht und Fischerei vernichtet. Ich finde es auch beunruhigend, wenn die Entwicklung unserer Handelsbeziehungen als etwas dargestellt wird, das zwangsläufig eine interkontinentale Freihandelszone zur Folge haben wird, selbst wenn diese Aussicht vorläufig noch sehr unklar formuliert ist. Wenn die Absicht der Kommission tatsächlich darin besteht, ein Gefüge von Handels- und Zollabkommen in Kraft zu setzen, das einen transatlantischen Freihandelsrahmen bilden soll, und das den im Rahmen der GATTAbkommen vereinbarten multilateralen Abbau von Zöllen verdoppelt, dann sollte man uns über die Gründe, die Vorteile, und die Nachteile sowie die Kosten und Nutzen eines solchen Unterfangens informieren. Was würde das für die Beschäftigung in Europa bedeuten? Was verlangen wir dafür von unseren Partnern? Lassen sich insbesondere die Folgen solcher Abkommen für den Agrarsektor ermessen, wenn man die Produktivität des südamerikanischen Agrarsektors kennt und weiß, was seine Arbeitskräfte kosten und was seine Sozial- und Umweltstandards sind? Aus diesem ganzen Komplex von Gründen, Herr Präsident, wird die Fraktion Europa der Nationen, wenngleich sie die Qualität der von Herrn Bertens geleisteten Arbeit anerkennt, die konkreten Vorschläge, welche die Europäische Kommission daraus ziehen wird, sehr genau unter die Lupe nehmen. Herr Präsident, das geringe Interesse, mit dem die Europäische Union in den letzten Jahren auf die Länder Lateinamerikas geschaut hat, führt uns noch einmal vor Augen, daß Europa im Rahmen der auswärtigen Angelegenheiten keine globale Strategie hat, zumindest nicht im Bereich der Politik, des Handels und der Sicherheit. Der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament ist zugute zu halten, daß sie nach sovielen Jahren des Schweigens wenigstens noch einmal die Forderung erhebt, den Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Lateinamerika einen neuen Impuls zu verleihen, während dem Berichterstatter, Herrn Bertens, unsere Anerkennung gebührt, weil er vermocht hat, Unzulänglichkeiten im Text der Mitteilung genau zu erfassen und herauszustellen sowie ernsthafte und konkrete Lösungsvorschläge zu machen. Es ist ein großer Fehler, Lateinamerika -wie dies bisher der Fall war- lediglich als einen von vielen transatlantischen Gesprächspartnern zu betrachten, mit denen man Beziehungen unterhält, die auf häufig vagen und wenig innovativen Programmen beruhen. Nur politische Kurzsichtigkeit kann die Europäische Union -und ihre Mitgliedsstaaten- daran hindern, Lateinamerika als geographisches Gebiet von besonderer Bedeutung zu betrachten, zumindest im politischen und kulturellen Bereich. Zu den strategischen Gründen möchte ich noch historische, kulturelle und sprachliche Gemeinsamkeiten hinzuzählen, die diesen Subkontinent zu dem am stärksten europäisierten Gebiet jenseits des Ozeans machen: Millionen Italiener, Spanier und Portugiesen -um nur ein paar Beispiele zu nennen- leben seit Generationen in diesen Ländern, Millionen europäischer Emigranten also, die gemeinsam mit der einheimischen Bevölkerung gegen Armut und soziale Ausgrenzung kämpfen. Und während Europa weiterhin seine Rolle als privilegierter Partner vernachlässigt, springen die Vereinigten Staaten in die Bresche, die bereits 43 % des lateinamerikanischen Außenhandels und 75 % der ausländischen Investitionen abdecken. Wir müssen also die verlorene Zeit zurückgewinnen: die Kommission und der Rat müssen ein globales Aktionsprogramm für die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik mit Lateinamerika aufstellen, und zwar diesmal eins, das nicht mehr abstrakt und allgemein gehalten ist; eine Politik der wirtschaftlichen Zusammenarbeit für die nächsten vier Jahre, für die ausgehend vom derzeitigen Haushalt von 1.340 Mio. Ecu ausreichende finanzielle Mittel bereitgestellt werden; ein gemeinsames Engagement bei der Bekämpfung des Drogenhandels und bei der Förderung humanitärer, sozialer und kultureller Aktivitäten. Europa muß in jedem Fall eine herausragende Rolle beim Entwicklungsprozeß des lateinamerikanischen Kontinents spielen. Wir werden in den nächsten Monaten prüfen, ob die Voraussetzungen und der politische Wille dafür vorhanden sind. Herr Präsident! Ich danke Herrn Bertens für seinen Bericht. Dieser Bericht erfüllt, wie auch das Dokument der Kommission, eine wichtige Aufgabe. Die Zusammenarbeit, die Mitte der 80er Jahre im Rahmen des San José-Dialogs begonnen wurde, muße weiterentwickelt und erneuert werden. Das jetzt vorhandene politische und wirtschaftliche Instrumentarium muß eingesetzt und auf den neuesten Stand gebracht werden, damit die Union den Prozeß unterstützen kann, der jetzt eingeleitet worden ist und zu Demokratie und Schutz der Menschenrechte in dem Gebiet führen kann. Neue Schritte müssen getan werden, damit sich Werte und Normen in diesen Fragen auf den beiden Kontinenten annähern können. Die EU leistet heute die größten finanziellen Zuschüsse an Lateinamerika. Politisch gesehen hat die Region allerdings für Europa an Bedeutung verloren, obwohl man sich kulturell und in bezug auf das Gedankengut in den letzten Jahren näher gekommen ist. Wichtige Aspekte der Verbindung der Union mit diesen Ländern weiten den Zusammenhalt der beiden Kontinente aus und vertiefen ihn, z. B. die Förderung von Demokratie, Respekt vor Minderheiten, Umweltschutz, die Bekämpfung von Drogenhandel und internationaler Kriminalität. In diesem Zusammenhang ist es notwendig, wie der Vortragende richtig betont hat, einen vertieften politischen Dialog zwischen der EU und Lateinamerika zu schaffen, damit man diese positive Entwicklung nutzen und in Zukunft unterstützen kann. In bezug auf bestimmte Aspekte der Zusammenarbeit, die im Bericht aufgegriffen werden, habe ich allerdings Zweifel. In diesem Zusammenhang darüber zu diskutieren, ob man im Rahmen des politischen Dialogs mit diesen Ländern Sicherheits- und Verteidigungsaspekte der EU in bezug auf die Zusammenarbeit aufgreifen sollte, halte ich für eine Fehlentwicklung. Daß die EU internationale Friedensverwaltung, Vorbeugung gegen Konflikte und Stärkung der Demokratie unterstützen soll, halte ich für eine Selbstverständlichkeit. Der beste Weg, um dies zu erreichen, und das erwähnt der Vortragende auch selbst, ist die Entwicklung einer globalen Strategie zur wirtschaftlichen und politischen Zusammenarbeit mit diesen Ländern. Daß die EU auf diesem globalen Gebiet die Rolle der UN übernimmt, halte auch ich für unlogisch und falsch. Diese Aspekte müssen und sollen auf internationaler Ebene von einer Organisation gelöst werden, welche die hierfür erforderliche Legitimität besitzt. Der Bericht behandelt auch die Frage der Kontrolle des Waffenexports. Es ist sehr wichtig, daß dieser Export begrenzt wird. Innerhalb der UN ist ein freiwilliges Register zur Registrierung schwerer Waffen eingeführt worden. Die EU muß sich dafür einsetzen, daß dieses Register weiter ausgebaut wird, daß die Registrierung obligatorisch wird, und daß das Register sämtliche Waffen erfaßt, schwere wie leichte. Dies ist als erster Schritt in Richtung auf eine globale Begrenzung des Waffenhandels zu betrachten. Verteidigungsaspekte fallen nicht in die Zuständigkeit der EU und sind demzufolge auf zwischenstaatlicher Ebene zu behandeln. Ich kann unter keinen Umständen Tendenzen unterstützen, durch welche die EU die Rolle des Weltpolizisten übernimmt, indem sie Einfluß auf die Sicherheits- und Verteidigungsaspekte der Region nimmt. Herr Präsident, auch ich möchte Herrn Bertens zu seinem Bericht gratulieren, denn er ist eines der wenigen Beispiele in diesem Parlament dafür, daß nicht nur auf den erforderlichen Ausbau der Beziehungen zu den Ländern Lateinamerikas hingewiesen wird, sondern diese Beziehungen auch einmal überdacht werden. Herr Präsident, Lateinamerika spielt in den Außenbeziehungen der Europäischen Union ein wenig die Rolle des armen Verwandten. Wie ich immer sage, braucht Lateinamerika keine milden Gaben, sondern Chancen, und von den drei Hauptpfeilern der Aktion der Europäischen Aktion in den kommenden Jahren - politischer Dialog, Zusammenarbeit und Handel - dürfte es nach meiner Meinung wohl der politische Dialog mit seiner parlamentarischen Dimension sein, von der auch schon andere Kollegen gesprochen haben, der den Rahmen für die weitere Entwicklung dieser Beziehungen absteckt. Denn am Anfang des Dialogs von San José standen politische, und nicht wirtschaftliche Gründe, denn es waren politische und nicht wirtschaftliche Gründe, die zur Vertiefung des Dialogs mit der Gruppe von Rio geführt haben, und es sind politische und nicht wirtschaftliche Gründe, die den Rahmen für den politischen Übergang zur Demokratie in Kuba unter voller Achtung der Grundrechte und Grundfreiheiten abstecken müssen, wie es dieses Parlament gefordert hat. Doch auch wenn der politische Dialog von großer Bedeutung ist, Herr Präsident, wird seine Bedeutung irgendwann gegen Null gehen, wenn er nicht mit Aktionen der Zusammenarbeit zu seiner Abstützung einhergeht. Ich freue mich sehr, daß Herr Bertens hier ist, denn er hat auch an der Aussprache mit der niederländischen Präsidentschaft teilgenommen, in der Lateinamerika als Schwerpunkt noch nicht einmal erwähnt wurde. Ich glaube, daß wir bei der Abstimmung über den Haushalt vor allem darauf hinwirken können, daß die eingereichten Änderungsanträge angenommen werden, wobei ich Herrn Bertens daran erinnern möchte, daß der Generalberichterstatter ein Mitglied seiner Fraktion war. Nun zu den handelspolitischen Aspekten. Hier glaube ich, Herr Präsident, daß wir mit den Anfang Januar veröffentlichten Daten über die europäischen Exporte sehr zufrieden sein können. Aber wir bieten der Produktion in den lateinamerikanischen Ländern keinen Anreiz zum Produzieren, weil es sich gezeigt hat, daß sie bei vielen Erzeugnissen wettbewerbsfähig sind, und dann verschließen wir ihnen häufig unsere Märkte. Wir sollten, so meine ich, mit dem bisher Erreichten zufrieden sein, auch wenn noch viel zu tun bleibt, und ich kann Herrn Bertens nur noch einmal zu seinem Bericht gratulieren. Herr Präsident, diese Debatte hat bestätigt, daß sich Lateinamerika heutzutage als Grenze der Welt präsentiert, in dem Sinn, daß es dort keine institutionelle, wirtschaftliche, soziale und künstlerische Kultur gibt, bei der nicht zu berücksichtigen wäre, daß dieser Kontinent noch bis vor wenigen Jahren als continente desaparecido , als verlorener Kontinent, galt. Die weltweite Interdependenz ist ebenfalls eine der vielen politischen Fragen, vor die Lateinamerika uns stellt; ein Problem sind in diesem Zusammenhang die zweihundert Millionen Armen, die immer ärmer werden, und im Kontrast dazu eine rasante Entwicklung, die immer größere Bereiche dieses Kontinents umfaßt; ein Problem ist das Fortbestehen eines ganzen Archipels von Nationalismen, die häufig die Ursache gravierender Verletzungen der Rechtstaatlichkeit sind, und im Kontrast dazu regionalistische Experimente, die auch dort immer mehr an Gestalt gewinnen; ein Problem ist auch die häufig verspätetete Herausbildung einer Rechtsordnung im eigentlichen Sinn des Wortes, und im Kontrast dazu eine deutlich spürbare zivile Subjektivität, die sich immer weiter ausbreitet. Diesen Widersprüchen müssen wir als Europäische Union unsere ganze Aufmerksamkeit wirdmen, in dem Bewußtsein, daß die Welt enger geworden ist und diese Kontraste in gewisser Weise auch uns betreffen. Aus diesem Grund stimme ich mit Herrn Bertens in drei grundlegenden Punkten überein: erstens, der europäische transatlantische Dialog muß sowohl mit dem Norden als auch mit dem Süden geführt werden; zweitens, unsere Lateinamerikapolitik muß eine globale Politik sein, die nach der gemeinschaftlichen Methode der Ziele, Zeiten und Mittel geplant ist; drittens, der ministerielle Rahmen muß ergänzt werden durch einen interparlamentarischen, also einen spezifischen Rahmen, in dem die zivile Gesellschaft eine Stimme und Gehör finden muß und in dem auch die regionalen amerikanischen Modelle, die sich im Augenblick herausbilden, wie etwa MERCOSUR, in unserem parlamentarischen regionalen Modell Unterstützung finden müssen. Herr Präsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße den Bericht sowie die Mitteilung der Kommission. Ich halte es für wichtig, die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und dem lateinamerikanischen Kontinent weiterhin auszubauen, damit wir nicht Gefahr laufen, uns von den Vereinigten Staaten von diesem Kontinent verdrängen zu lassen. Darüber hinaus stimme ich dem Berichterstatter zu, daß auf vielen Gebieten in der Mitteilung der Kommission konkrete Vorschläge fehlen. Ein Aktionsplan wird hier in der nächsten Zeit dringend notwendig sein. So fehlen zum Beispiel Vorschläge zur Bewältigung des Drogenproblems, das in diesen Ländern sehr akut ist. Dazu müssen die allgemeinen sozioökonomischen Strukturen verbessert werden. Es muß aber auch ein spezifisches Programm ausgearbeitet werden, das insbesondere durch gezielte Landwirtschaftsentwicklungspolitik auf eine Substituierung des Drogenanbaus abzielt. Ich begrüße den Ansatz, der darauf aufbaut, daß eine Vertiefung der Kenntnisse über den anderen Kontinent und gegenseitiges Verständnis wichtig sind, um den Rechtsstaat zu konsolidieren und die Zivilgesellschaft an der Entwicklung einer echten Menschenrechtsstruktur zu beteiligen. Meine Erfahrungen im Ausschuß für Kultur, Jugend, Bildung und Medien und in der Südamerikadelegation haben gezeigt, wie wichtig es ist, besonders den Austausch zwischen jungen Menschen zu fördern. Daher möchte ich anregen, die bestehenden Programme im Bereich der wissenschaftlichen und technologischen Zusammenarbeit besonders für Universitäten weiter auszubauen, um gerade jungen Menschen und angehenden Wissenschaftlern die Möglichkeit zu geben, aktiv an der neuen Partnerschaft teilzunehmen und von den gegenseitigen Erfahrungen zu profitieren. Insgesamt ist es bei den Lateinamerikastudien notwendig, einen Forschungsansatz zu finden, der versucht, den europäisch-lateinamerikanischen Entwicklungsgang vergleichend zu untersuchen, um sowohl die Zusammengehörigkeit als auch die Unterschiedlichkeit der beiden Kulturen zu erfassen und um diese Erkenntnisse in alle weiteren Maßnahmen miteinzubeziehen. Nur so können wir gewährleisten, daß die lateinamerikanische Kultur als eine eigenständige akzeptiert und behandelt wird. Abschließend möchte ich noch einen weiteren Punkt ansprechen, der mir verbesserungsfähig erscheint: Die viel kritisierte europäische Bürokratie erschwert auch hier oftmals die Umsetzung guter Ideen. Es ist wichtig, die Antragsmodalitäten für Projekte zu vereinfachen und die Forschungsprogramme besser zu verwalten. Nur so kann eine rasche Bearbeitung der Anträge und eine schnelle Genehmigung der Projekte gewährleistet sein. Herr Präsident, ich möchte mich den Glückwünschen an den Kollegen Bertens anschließen und ihm für die Aufnahme der Änderungsanträge danken, die ich als Teil der Stellungnahme des Ausschusses für Entwicklung und Zusammenarbeit zu diesem Bericht einbrachte. Änderungsanträge zur Gewährleistung der Entwicklungsgrundsätze bilden das Fundament unserer Beziehungen zu allen lateinamerikanischen Ländern, indem sie die sehr gravierenden sozialen Auswirkungen struktureller Anpassungsmaßnahmen hervorheben, eine weit größere Beteiligung der Gesellschaft an unserem Dialog und den Vereinbarungen unterstützen und sich mit der sensitiven Frage eines fairen Zugangs für Handelsprodukte der Länder nach ihrer eigenen und nicht nach unserer Wahl befassen. Ich möchte ferner feststellen, wie sehr ich den Ausführungen des Berichterstatters zur Bedeutung einer alternativen Entwicklung als Teil der Bemühungen zur Bekämpfung des Drogenproblems zustimme, und wir wünschen dem mit europäischen Mitteln finanzierten alternativen Entwicklungsprogramm in Bolivien, das Ende letzten Jahres verkündet wurde, dem bislang wichtigsten Programm seiner Art, viel Erfolg. Ich bedauere jedoch, daß wir es in der uns heute abend vorliegenden Entschließung nicht für vorrangig gehalten haben, zwei weitere meiner Änderungsanträge zur Stützung spezifischer Programme für Frauen, einschließlich reproduktiver Rechte, einzubeziehen und unser Bekenntnis zum ILO-Abkommen 169 zu bekräftigen sowie die krasse Verletzung der Rechte einheimischer Bevölkerungsgruppen zu bekämpfen, die nach wie vor in beinahe jedem Land in der Region vorkommt. Ich möchte den Berichterstatter auch unterstützen, wenn er die Kommission fragt, inwieweit vage Konzepte konkret umgesetzt werden. In der Erwägung C fragen wir, welchen Sinn Demokratie und Sozialklauseln in unseren Abkommen haben, wenn es kaum Versuche zu geben scheint, diese Klauseln zu überwachen und durchzusetzen? In der Erwägung I fordern wir den Schutz der Umwelt, und doch unterstützt Europa immer noch massenweise Wasserkraftprogramme unter dem Siegel der Entwicklung, wovon eines - wie Gemeinschaften vor Ort und nichtstaatliche Organisationen sagen - eine der größten und wertvollsten Umgebungen in der Region zerstören wird. In der Region leben 200 Millionen Menschen in Armut. Wie weit ist dies mit der Erklärung von Kommissar Marin vor dem Entwicklungsausschuß am 29. Oktober vereinbar, daß die Mercosur-Länder von der Liste der Entwicklungshilfe gestrichen wurden, damit man sich auf ärmere Länder wie Bolivien und Peru konzentrieren könne? In einem offensichtlich wohlhabenden Land wie Brasilien gibt es mehr arme Menschen als in irgendeinem anderen Land auf diesem Planeten, und Europa kann in dieser Frage nicht schweigen. Herr Präsident, zunächst einmal möchte ich Herrn Bertens für seinen Bericht danken, in dem er einiges aufzeigt, das wir von seiten der Kommission durchaus akzeptieren können. Es sollte für Europa etwas Selbstverständliches sein, alles zu tun, um die Beziehungen zu Lateinamerika auszubauen, ihnen mehr Gehalt zu geben, die europäische Präsenz zu verstärken, Qualität und Quantität unserer politischen, wirtschaftlichen, finanziellen, handelspolitischen und kulturellen Beziehungen zu gewährleisten, wobei die für die einen wichtigen historischen und kulturellen, für die anderen wichtigen wirtschaftlichen und handelspolitischen Bindungen zu berücksichtigen sind. Die Mitteilung der Kommission über die Gestaltung unserer Beziehungen in den letzten fünf Jahren dieses Jahrhunderts ist eigentlich nichts anderes als ein Leitfaden, der besagt, welches das A und O unserer Politik sein wird. Die Kommission legt es im Augenblick nicht so sehr darauf an, neue Ideen vorzubringen, sondern möchte die gewaltige Arbeit konsolidieren, die vor allem in den beiden letzten Jahren geleistet worden ist, in denen wir den Dingen von der Konvention von San José bis zu den verschiedenen regionalen Zusammenschlüssen einen völlig neuen Anstrich gegeben haben. Welchen Sinn hätten denn neue Ideen, wo die Ministerkonferenz in Florenz im zweiten Halbjahr des vergangenen Jahres das Abkommen von San José erneuert hat? Welchen Sinn haben neue Ideen in einer Phase, in der wir noch mit der Bestandsaufnahme vor dem endgültigen Anlaufen der Verhandlungen mit MERCOSUR, mit Chile, der neuen Möglichkeit für die Andengemeinschaft stehen, und in der wir noch nach einer Verhandlungsformel für das letzte noch ausstehende Abkommen suchen, nämlich das Abkommen mit Mexiko? Mir wäre es lieber, wenn wir in den kommenden 3 bis 6 Jahren das bisher Erreichte konsolidieren könnten, das ja recht beachtlich ist, wenn man bedenkt, daß es gerade 2 oder 3 Jahre her ist, daß sich die Europäische Union an die Erarbeitung einer eigenen Strategie gegenüber dem lateinamerikanischen Kontinent gemacht hat. Wie Herr Cabezón gesagt hat, ist Lateinamerika kein homogenes Gebilde. Es gibt viele Lateinamerikas. Folglich müssen wir sehr viel flexibler vorgehen, wobei die europäische Union ausschließlich die horizontale Ebene des Gruppe von Rio als Forum für den spezifischen politischen Dialog betrachtet, dabei aber Lateinamerika vom Norden bis zum Süden eine Zusammenarbeit anbietet, die den regionalen, territorialen und politischen Erfordernissen gerecht wird und den wirtschaftlichen Entwicklungsstand dieser Länder berücksichtigt. So können wir allmählich ein Muster für subregionale Zusammenschlüsse herausarbeiten, das wir nach und nach ausfüllen und uns dabei als Pioniere fühlen können. Es gibt zwischen den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union, was beispielsweise die NAFTA angeht, keine gegensätzlichen Auffassungen. Was die NAFTA angeht, Herr Bertens, können wir ganz beruhigt sein. In den vergangenen drei Jahren hat die NAFTA kein neues lateinamerikanisches Mitglied bekommen. In den vergangenen drei Jahren hat aber die Europäische Union MERCOSUR, Chile, ein neues San José, ein Abkommen mit Mexiko und eine neues APS für landwirtschaftliche Erzeugnisse erreicht. Wir werden die Zahlen noch einmal überprüfen müssen, aber wenn wir uns einmal auf die Zahlen der OECD stützen, dann hat die Europäische Union in den letzten drei Jahren 61, 5 % der Entwicklungshilfe geleistet, gefolgt von Japan mit 19, 5 % und den Vereinigten Staaten an dritter Stelle mit 14 %. Man kann der Europäischen Union wohl kaum vorwerfen, sich nicht genug um den lateinamerikanischen Kontinent zu kümmern, wenn wir - nach den Zahlen der OECD des letzten Jahres - 62 % der Entwicklungshilfe leisten; wir wollen den Vereinigten Staaten nicht nacheifern, die im letzten Jahr schon von Japan überholt wurden und nur kümmerliche 14 % beitrugen. Das kann man der Europäischen Union wirklich nicht vorwerfen, denn sie hat hier ganz erhebliche und bemerkenswerte Anstrengungen unternommen. Recht geben muß ich Herrn Bertens darin, daß wir zwar 62 % der Entwicklungshilfe aufbringen, dies jedoch praktisch unbekannt oder nur wenig bekannt ist. Hierin gebe ich ihm Recht. Aber wie kann man denn in unserer Welt auf sich aufmerksam machen? Um auf sich aufmerksam zu machen und weltweit im Gespräch zu sein, braucht man nicht nur guten Willen, sondern Geld, Geld und nochmals Geld. Und es ist für die Europäische Union schwer, auf ihre Arbeit aufmerksam zu machen, wenn die Kommunikationsinstrumente, die in einer Mediengesellschaft wie unserer von grundlegender Bedeutung sind, unterentwickelt sind. Unabhängig davon haben Sie für unsere Außenpolitik in Ihrem Bericht 22 Maßnahmen um Sektor GASP und politischer Dialog vorgeschlagen; ich bete darum, daß dieses Problem im Vertrag von Amsterdam endlich gelöst wird, denn im Bereich GASP genießt die Europäische Union nicht gerade die größte Glaubwürdigkeit. Als zweites kann ich ebenso wenig akzeptieren, wenn gesagt wird, daß unsere finanziellen und handelspolitischen Beziehungen eingeschränkt worden sind, denn das, darauf möchte ich ausdrücklich hinweisen, entspricht nicht den Zahlen der OECD. Gegenwärtig ist die Europäische Union in Lateinamerika für neun Länder der wichtigste und in acht Ländern der zweitwichtigste Handelspartner. Zu diesen neun Ländern gehören die wirtschaftlich wichtigsten, also MERCOSUR, Chile usw. In den letzten drei Jahren haben die Handelsströme zwischen den beiden Kontinenten um spektakuläre 40 % zugenommen. Und bestandsmäßig war die Steigerung der europäischen Direktinvestitionen in den Produktionssektor in den vergangenen Jahren ebenfalls spektakulär. Einige Länder der Europäischen Union konnten ihre direkten Produktivinvestitonen sogar verdreifachen, und ich brauche Ihnen hierzu keine Beispiele zu nennen, wie Sie sie täglich in den Medien finden. Ich möchte noch einmal auf die Frage der Komplementarität mit der Politik der Vereinigten Staaten eingehen. In diesem Jahr, Herr Bertens, also 1996, haben uns die Vereinigten Staaten bei den Investitionen zwar überholt, doch wissen Sie, daß es Direktinvestitionen in die Produktion und Investmentfonds gibt. Die Europäische Union bleibt der wichtigste Partner Lateinamerikas, und daher arbeiten wir auch gut bei den direkten Produktivinvestitionen zusammen, daß heißt, Kapital wird investiert, das Vermögen und Arbeitsplätze schafft und die Entwicklung vorantreibt. Bei der Analyse der OECD-Statistiken über die Geldströme ist also Vorsicht geboten, denn Geldströme sind nicht immer mit Entwicklungsprozessen gleichzusetzen, weil es sich lediglich um vagabundierendes Kapital handelt, das je nach Hochs und Tiefs bei den Zinssätzen hin- und herwandert. Ich meine, daß natürlich noch viel zu tun bleibt, doch haben wir uns nichts vorzuwerfen bei einem Fortschritt, den ich in einigen Sektoren als spektakulär bezeichne. Wirtschaftlich haben sich die Dinge gut entwickelt, und nunmehr müssen wir das weiterentwickeln, was wir in den letzten Jahren begonnen haben. Über ein Faktum, das mir in Zusammenhang mit Lateinamerika als wesentlich erscheint, ist bisher nur wenig gesprochen worden. Ganz ohne Zweifel hat sich der Kontinent positiv entwickelt, und Lateinamerika ist nicht mehr der Kontinent der galoppierenden Inflation, der Militärjuntas und der Außenhandelsschulden. Es herrscht politische Stabilität, hier sind Fortschritte erzielt worden, wir haben Friedensprozesse erlebt, die Außenhandelsschulden sind beglichen worden. Lateinamerika wird jedoch im kommenden Jahrhundert mit einem anderen Problem zu kämpfen haben, das sehr wichtig ist und von dem wir in Zukunft sprechen werden müssen: den Schulden gegenüber der Gesellschaft. Lateinamerika hat seine sozialen Schulden noch nicht bezahlt. Es herrscht dort große Armut, viel Menschen sind von der Gesellschaft ausgeschlossen. Der Wohlstand wächst auf spektakuläre Weise, manchmal um 7 oder 8 % im Durchschnitt des ganzen Kontinents, und damit besteht gewisse Ähnlichkeit zum asiatischen Modell. Aber ich befürchte, daß dieser Wohlstand nicht richtig verteilt wird. Ich halte dies für die eigentliche offene Frage des lateinamerikanischen Kontinents im kommenden Jahrhundert. Er hat sich wirtschaftlich angepaßt, er hat sich finanziell angepaßt, er hat sich, in gewisser Weise, auch "politisch" angepaßt. In Zukunft wird er sich jedoch um seine innere Stabilität kümmern müssen, und das bedeutet Bekämpfung der Armut, denn andernfalls dürfte es schwierig werden, die wirtschaftlichen und politischen Erfolge der letzten Jahre zu verteidigen. Die Aussprache ist geschlossen. Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt. Nach der Tagesordnung folgt die Aussprache über den Bericht von Herrn Carnero González (A40418/96) im Namen des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, Sicherheit und Verteidigungspolitik über die Mitteilung der Kommission an den Rat über die Erneuerung des Dialogs von San José zwischen der Europäischen Union und Zentralamerika (KOM(95)0600 - C4-0102/96). Herr Präsident, es genügt ein rascher Blick für die Feststellung, daß das Mittelamerika vom Beginn der 80er Jahre und das Mittelamerika der Mitte der 90er Jahre nicht mehr viel gemeinsam haben. Denn aus der von Militärregimes, offenen bewaffneten Konflikten und fortlaufenden Verletzungen der Menschenrechte heimgesuchten Landenge ist eine Region geworden, in der aus allgemeinen Wahlen hervorgegangene pluralistische politische Systeme ihre ersten Gehversuche machen, in der die Menschenrecht besser geachtet werden und in der Abkommen geschlossen wurden, die die Waffen schweigen lassen und die nationale Versöhnung als Grundsatz und auch als Ziel betrachten. Grundlage für diesen Wandel zum Besseren, vom Dunkel zur Hoffnung sind das Ende des Kalten Krieges, aber natürlich auch die eigenen Bemühungen der Mittelamerikaner. Aber auch die Europäische Union hat hier ihren Beitrag geleistet, der seit mehr als einem Jahrzehnt im Rahmen des sogenannten Dialogs von San José erfolgt. Dieser Prozeß gehört zu den außenpolitischen Aktionen der Union, die sich nur zu Recht auf der Habenseite dieser Aktionen verbuchen lassen. Bedenkt man vor allem, daß dieser Prozeß unter den widrigen Umständen der agressiven Politik der Vereinigten Staaten, die ein Merkmal der sogenannten Reagan-Ära war, angelaufen war, seine ersten Schritte machte und schließlich auch aufrechterhalten wurde und wird. Trotz aller Erfolge dürfen wir aber nicht blind dafür sein, daß in Mittelamerika noch viel zu tun ist, und zwar sowohl auf politischem als auch sozioökonomischem Gebiet, um eine hinreichend annehmbare Lage zu erreichen. Die erstarkende Demokratie im Rechtsstaat muß gestärkt werden, die Menschenrecht des Einzelnen und der Gesellschaft müssen uneingeschränkt geachtet werden, wozu unter anderem der Aufbau eines unabhängigen Gerichtssystems erforderlich ist, mit dem gegen die verdammenswerte Straflosigkeit gekämpft werden kann. Es wird auch erforderlich sein, daß die Europäische Union sich für den Abschluß und die Umsetzung der bereits unterzeichneten Friedensabkommen einsetzt; das letzte dieser Art wurde am 29. Dezember vergangenen Jahres zwischen der Regierung von Guatemala und den Befehlshabern der URNG unterzeichnet, was wirklich eine gute Nachricht war. Vor allen Dingen wird es darum gehen, die riesigen wirtschaftlichen und sozialen Unterschiede zu bekämpfen, die sich aus der nach wie vor bestehenden Unterentwicklung ergeben und zunehmende Ungleichheiten, Armut, Ausgrenzung und auch Ausschluß aus der Gesellschaft zur Folge haben. Wir müssen den Dialog von San José nicht nur wieder aufnehmen, sondern ihn intensivieren und soweit wie möglich ausdehnen, seine grundlegenden Ziele unterstreichen und alle Instrumente zur Verfügung stellen, die für ihr Erreichen notwendig sind. Zu diesen Zielen sollten neben den bereits genannten politischen und sozialen Zielen zwei weitere gehören, die ihrerseits diese mit einschließen: Erstens die korrekte und akzeptable Integration Mittelamerikas in die Weltwirtschaft, und zwar nicht mit Anpassungs- und Regulierungsmaßnahmen, sondern mit Strategien, die menschliche und ökologisch dauerhafte Entwicklungsmodelle fördern, und zweitens die Unterstützung der regionalen Integration. Die Vorschläge in dem Bericht, den ich im Namen des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten heute vorlege, gehen in diese Richtungen, ich möchte jedoch noch auf einige weitere Aspekte hinweisen. Ein globales Aktionsprogramm der GASP für Zentralamerika mit ausreichende Mittelausstattung und das entsprechende Rahmenabkommen für Kooperation sollten Hand in Hand gehen mit einem Finanzprotokoll, das eine deutliche Erhöhung der Mittel für die Zusammenarbeit mit Mittelamerika vorsieht. Zu diesem Programm sollten Maßnahmen zur Modernisierung und tieferen Verankerung des Rechtsstaates gehören, die zum Beispiel auf die Bekämpfung der Straflosigkeit, die Förderung der Menschenrechte, die Unterstützung für Flüchtlinge und Heimkehrer, die demokratische Kontrolle der Streitkräfte und die Senkung der Militärausgaben sowie auf den Schutz der einheimischen Bevölkerung oder der Frauen abzielen könnten; ferner die Ausdehnung des neuen allgemeinen Präferenzsystems, das schon für die Länder des Andenpaktes gilt, auf die mittelamerikanische Industrie; ein zumindest teilweiser Erlaß der Auslandsschulden für die Länder der Region; Unterstützung der Bekämpfung des Drogenhandels und schließlich alle Maßnahmen, mit denen die Lebensqualität verbessert und mehr Gerechtigkeit erreicht werden kann durch, wie ich schon sagte, den Kampf gegen Armut, Marginalisierung und Ausschluß. Wenn wir uns für eine Intensivierung des politischen Dialogs zwischen der Europäischen Union und Zentralamerika einsetzen, müssen wir auch dafür eintreten, daß zunehmend das Europäische Parlament und PARLACEN daran beteiligt werden, die beiden einzigen Parlamente auf der Welt, die supranational in allgemeiner Wahl gewählt worden sind; ferner muß ein beratendes Forum mit allen gesellschaftlich relevanten Kräften eingerichtet werden, in dem Initiativen wie ICIC und Gremien wie CIFCA ihren Platz haben oder mitwirken können. Wir sollten auch unseren Wunsch wiederholen, daß die Europäische Kommission in diesem Bereich über ausreichend Menschen und Mittel verfügt, um ihre Arbeit bestmöglich tun zu können. Herr Präsident, ich glaube, daß wir die bisher geleistete positive Arbeit fortsetzen müssen, daß es aber notwendig ist, unermüdlich diese Arbeit voranzutreiben, fortzuführen und auszubauen, denn zwischen Mittelamerika und Europa bleibt noch viel zu tun. Herr Präsident, der Beitrag, den die Europäische Union durch den Dialog von San José zur Beendigung der furchtbaren Bürgerkriege in Nicaragua, El Salvador und vor kurzem in Guatemala geleistet hat, ist beträchtlich und zeigt ganz klar, welche positive Rolle die Europäische Union auf der Weltbühne spielen kann. Ironischerweise ist jedoch festzustellen, daß mit der Schaffung des Friedens die Aufmerksamkeit, die dem Gebiet geschenkt wird, drastisch nachlassen dürfte, und dies trotz der Tatsache, daß viele der Grundprobleme noch keineswegs gelöst sind. Dieser Bericht ist wichtig, denn er weist auf die Grundbedürfnisse in der Region hin und spezifiziert ganz klar die Politik, welche die Europäische Union jetzt verfolgen sollte. Der Prozeß von San José sollte weiterhin Gelegenheit für einen Meinungsaustausch und Beratungen nicht nur durch die Konferenzen bieten - auf zweien konnte ich im Namen des Parlaments sprechen -, sondern auch durch eine größere Einbeziehung der Bürger in der Region. Es kommt jetzt darauf an, alle erdenklichen Schritte zu unternehmen, um die Aufmerksamkeit auf die Verhütung neuer Menschenrechtsverletzungen zu lenken und der Versuchung zu widerstehen, die Verstöße der Vergangenheit durch allgemeine Amnestien und ähnliches zu verschleiern. Die Bemühungen müssen auch auf soziale Fragen konzentriert werden. Eine große Zahl von Menschen, insbesondere die einheimischen Bevölkerungsgruppen, leidet schwer unter Armut. Armutsverringerung, Gesundheitsfürsorge und Bildungsreform sind von ausschlaggebender Bedeutung und können nicht durch von außen aufgezwungene neoliberale Lösungen erreicht werden. Es ist klar, daß die regionale Integration im allgemeinen Interesse der Bevölkerung liegt, aber nur, wenn besondere Maßnahmen zum Schutz der Interessen aller verwundbaren Bevölkerungsgruppen getroffen werden. Das Schuldenproblem und die Notwendigkeit des Umweltschutzes sind weitere Angelegenheiten, die nicht übersehen oder vergessen werden dürfen. Dieser Bericht zeigt auf, welchen Kurs die Politik einschlagen sollte. Die Europäische Union kann und soll in dieser Region ihre Rolle in vollem Umfang übernehmen. Herr Präsident, vieles, was zu dem Bericht von Herrn Bertens gesagt wurde, trifft natürlich auch auf den guten Bericht von Herrn Carnero González zu. Ich möchte mich daher auf einige Anmerkungen zu dem spezifischen Problem dieser Region beschränken. Noch stärker als Südamerika war Mittelamerika über Jahre hin hier in diesem Parlament Gegenstand heftiger Debatten zwischen den europäischen Parteien und ihren mittelamerikanischen Partnern über den richtigen Weg. Heute herrscht Demokratie und Frieden in den meisten Ländern. Gerade hat ein demokratisch gewählter Präsident die zweite frei gewählte Präsidentschaft in Nicaragua übernommen, die EU hat ein Abkommen mit Nicaragua unterschrieben, das das Ziel, das Erziehungssystem und die Justiz zu verbessern, unterstützen soll. Der im Rahmen des Dialogs von San José zwischen Lateinamerika und der EU eingeleitete Dialog und seine Ergebnisse seit 1984 waren wohl einige der wenigen wirklich erfolgreichen Beispiele einer gemeinsamen Außenpolitik. Das Rahmenabkommen zwischen den Partnerländern des Generalvertrages über die zentralamerikanische Integration von 1993 ist ein wichtiger Eckstein der Zusammenarbeit. Es muß fortgeschrieben und modernisiert werden. Was uns allerdings fehlt, ist ein institutionalisierter parlamentarischer Dialog, den wir uns auf dieser Ebene auch als EP wünschen. Doch wo Licht ist, zumindest wo es lichter wurde, gibt es auch noch Schatten: hohe Verschuldung, schlechte wirtschaftliche Bedingungen, soziale Gegensätze, Eingliederung der rückkehrenden Flüchtlinge, Arbeitslosigkeit, eine nicht immer funktionierende Integration sowie die Umschulung der ehemaligen Militärs einerseits, aber auch der Widerstandskämpfer andererseits bedrohen die noch nicht stabilen Demokratien. Es gibt immer noch Menschenrechtsverletzungen. Wir haben uns wiederholt als Europäisches Parlament mit diesen Fragen befaßt, zum Beispiel auch mit den Straßenkindern in Guatemala. Gerade Guatemala hat aber jetzt einen Friedensprozeß eingeleitet, zu dem wir die Verhandlungspartner hier auch noch einmal beglückwünschen wollen. Wir begrüßen und unterstützen diesen Prozeß. Die größte Aufgabe ist aber mit seiner Umsetzung verbunden. Nach Jahren der Militäraktionen, des Terrorismus, unzähliger Toten, des Mißtrauens muß ein gemeinsamer Weg gegangen werden, der nicht leicht sein wird. Hier ist die Europäische Union gefordert, mit ihrem Gemischten Ausschuß auch ein entsprechendes Instrument der Konzertierung zu werden. Wir dürfen nicht nachlassen in der Zusammenarbeit mit Regierung und Parteien, Gewerkschaften und gesellschaftlichen Organisationen. Wir müssen Initiativen zur Förderung des Rechtsstaats und einer unabhängigen Rechtsprechung, von Menschenrechten und ihrer Anwendung durch Polizei und Militär entwickeln. Die Herausbildung einer bürgerlichen Gesellschaft, die wirklich auch bereit ist, selbst politische Aufgaben und Verantwortung zu übernehmen, wirtschaftliche und soziale Aufgaben zu lösen, ist unbedingt notwendig. Hier müssen wir mit Programmen zur kommunalen Entwicklung, zur Dezentralisierung, zur Landreform, zur gleichberechtigten Partizipation der Frauen beitragen, die nicht nur Krisenbewältiger sein dürfen. Das muß wirklich unser Programm sein, denn wenn wir diese zivile Gesellschaft nicht zur Verantwortung bringen, wenn wir, die EU, nicht helfen, dann helfen uns die schönen Worte hier im Parlament auch nichts. Darum bitten wir die Kommission, das auch wirklich zu unterstützen. Herr Präsident, hin und wieder findet man erfreulicherweise etwas in der Welt, das gut ist, und das ist bei Mittelamerika der Fall. Ich habe noch vor zehn Jahren in Nicaragua und El Salvador über die Kämpfe, die dort stattfanden, Bericht erstattet und jetzt herrscht selbst in Guatemala Frieden. Nun, wo Friede herrscht, müssen auch Rechtsstaatlichkeit und Demokratie konsolidiert werden. Der Dialog zwischen der Europäischen Union und Mittelamerika hat bereits Früchte getragen. Noch mehr wäre zu erreichen, wenn die Kommission dem Vorschlag von Herrn Carnero in dessen ausgezeichneten Bericht Folge leisten und namentlich ein detailliertes mehrjähriges Programm für Mittelamerika entwerfen würde. Mir scheint, wir sollten dann vor allem darauf achten, daß so viele gesellschaftliche Kräfte wie nur möglich an seiner Ausführung beteiligt werden, zum Beispiel die Gewerkschaften. Denn die meisten Regierungen dieser Region sehen die Bedeutung davon ganz und gar nicht ein. So wurde noch vergangenes Jahr in Guatemala ein Gewerkschaftsverband der Beamten völlig verboten. Es wäre nämlich besonders bedauerlich, und ich kann mich da nur dem anschließen, was der Kommissar in seinem letzten Beitrag zu dem Bericht von Herrn Bertens sagte, wenn in Mittelamerika dasselbe geschehen würde wie in Lateinamerika, das heißt Wachstum ja, aber keine gerechte Verteilung. Dann geht es den Menschen weiter schlecht. Kommissar Marin hat damit den Nagel auf den Kopf getroffen: So dürfen wir nicht verfahren. Also hoffe ich, daß die Kommission genau Acht gibt, daß dieser soziale Dialog auch in Gang kommt, daß die Gewerkschaften daran teilnehmen, aber auch die Arbeitgeber. Sie werden es vielleicht merkwürdig finden, aber es gibt auch bei den Arbeitgebern überhaupt keine Organisation in Lateinamerika. Also wäre ein sozialer Dialog der Art, wie wir ihn in Europa kennen, zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern die beste Lösung. Zu meiner Freude sehe ich, daß nicht nur der Kommissar anwesend ist, der Experte für Lateinamerika, sondern auch der neue Vizepräsident des Parlaments, der aus meiner Fraktion kommt. Ich hoffe, daß dieser Bericht von Herrn Carnero bei der Kommission eine gute Behandlung erfährt. Herr Präsident, mit dem Prozeß von San José ist es gelungen, ein Modell integrierter Politik der europäischen Union zu schaffen: ihn herabzuwürdigen und auf ein schlichtes Experiment der Entwicklungszusammenarbeit zu reduzieren, wäre daher sowohl für uns als auch für die Länder des Isthmus ein Fehler. Wenn Lateinamerika heute innerhalb der großen Leitlinien des weltweiten Fortschritts eine zentrale Position einnimmt, dann befinden sich diese Länder im Zentrum des Zentrums; sie sind das empfindlichste und schwächste Glied, aber auch das entscheidendste für unsere Politik, die daher in diesem Fall ganz zum Tragen kommen muß: eine genau definierte GASP ist also gefordert, und nicht nur Kooperation. Wenn wir in diese Richtung gehen, Herr Kommissar, wird dieses Parlament seine uneingeschränkte Zustimmung geben. Dies bedeutet, daß wir für Zentralamerika Ideen und einen Plan entwickeln müssen, deren wirtschaftliche und institutionelle Ziele miteinander in Einklang stehen und in gleichem Maße verfolgt werden müssen. Dieser Plan muß auf drei Pfeilern beruhen: erstens, die Förderung der Regionalisierung als einziger institutioneller Form, die es ermöglicht, die positiven Auswirkungen der Globalisierung auszunutzen und die negativen zu mildern; zweitens, die Förderung eines auf parlamentarischen Spielregeln beruhenden Regionalismus, der das modernste System ist, um zur einer Politik der Wahrung der Menschenrechte und der politischen Rechte in diesen Ländern zu gelangen und den sozialen Dialog einzubeziehen, und in diesem Zusammenhang ist es wirklich bedauerlich, daß im Dokument von Florenz nicht vom PARLACEN die Rede ist; drittens schließlich, zweckgebundene Beihilfen, vorzugsweise für Gemeinden und lokale Behörden, unter einer intelligenten und konsequenten Kontrolle der Kommission und des Parlaments im Rahmen ihrer Befugnisse, um zu verhindern, daß Manipulationen bezüglich der Empfänger zu neuen Spannungen in Ländern führen können, die, wie Guatemala, gerade einen Bürgerkrieg hinter sich haben. Herr Präsident, meine Damen und Herrn Abgeordneten, zunächst einmal möchte ich dem Berichterstatter, Herrn Carnero González, für seinen Bericht danken. Die Kommission schließt sich ihm nicht nur in den allgemeinen Ausführungen, sondern auch bei den von ihm aufgeführten spezifischen Aspekten an, denn der Bericht von Herrn Carnero macht eines vor allem deutlich - und hier komme ich zurück auf das, was ich vorhin zu Lateinamerika sagte -: Der Dialog von San José muß erneuert und ausgebaut werden, denn er ist, wie ein Parlamentarier es ausdrückte, trotz seiner Bescheidenheit vielleicht eine der fundiertesten und überzeugendsten außenpolitischen Aktionen der Europäischen Union. Wenn man sich betrachtet, wo der Dialog von San José stand, als sich die Gruppe von Esquipulas auf den Weg machte, und was seitdem in Mittelamerika geschehen ist, und wenn man sich die augenblickliche politische Lage betrachtet, dann kann man wohl sagen, daß ein Riesenschritt in Richtung politische Stabilisierung der mittelamerikanischen Landenge gemacht worden ist. Natürlich hat das Ende des Kalten Krieges seinen Teil dazu beigetragen, und mit dem Friedensschluß in Guatemala wurde grundsätzlich der letzte Bürgerkrieg in den Ländern der Landenge beendet. Wie ist das geschehen? Der Dialog von San José wurde vor nunmehr zehn Jahren ins Leben gerufen und auch mitten im Kalten Krieg fortgeführt; seine grundlegenden Ziele waren die Beendigung der Bürgerkriege, der Aufbau demokratischer Systeme und der Entwurf eines Modells für die wirtschaftliche Entwicklung. Mittelamerika hat sich in den letzten fünf Jahren stark gewandelt. Politisch gesehen gab es einige sehr schwierige und komplizierte Situationen, die aber auf demokratischem Wege gelöst worden sind; die Bürgerkriege sind beendet worden. Oder nehmen wir das Beispiel Guatemala: In der kommenden Woche, am 20. und 21., wird in Brüssel unter der Schirmherrschaft der Europäischen Kommission der beratende Ausschuß der Geber tagen, wodurch bewiesen wird, daß wir in so heiklen Prozessen wie dem Friedensprozeß zwar nicht die Hauptrolle, aber doch eine ständig wichtiger werdende Rolle spielen. Deshalb muß man dem Ganzen auch eine neue Dimension verleihen. Und daher gibt es auch das Abkommen von Florenz mit einer neuen Vision unserer Beziehungen zu Zentralamerika. Herr Carnero, woran es in Mittelamerika wirklich mangelt, ist das Konzept des Staates. Folglich, um es ganz kurz zu sagen, wird unser Hauptziel darin bestehen, dezentral mit allen gesellschaftlich relevanten Gruppen zusammenzuarbeiten. Ich könnte mir vorstellen, daß nach und nach die, am besten vor Ort tätigen, NRO einbezogen werden. Die Kleinstprojekte, von denen wir in Brüssel schon fast 400 pro Jahr bearbeiten, kosten uns sehr viel Geld und Arbeit und sind von Brüssel aus nur schwer zu kontrollieren. Wir haben zwar Ideen, wir haben genügend Geld, aber es fehlt an Beamten. Daher möchte ich viele dieser kleinen Projekte an die örtlichen NRO abgeben; wir konzentrieren uns auf den Rechtsstaat, im wesentlichen auf die Parlamente - in Anlehnung an das Pilotvorhaben in Paraguay werden wir an der Reform verschiedener Parlamente mitarbeiten -, auf die Reform der staatlichen Verwaltung, der Justiz, der Steuerbehörden und der Finanzverwaltung. So wird im wesentlichen in den kommenden fünf Jahren der Hauptbestandteil der Zusammenarbeit aussehen, wobei wir darauf hoffen, daß sich der Gedanke durchsetzt, daß ein demokratisches Staatswesen vor allem anderen ein Staat sein muß, der allen Friedensprozessen und der Politik in der Region Glaubwürdigkeit verleiht. Die Antwort, die wir von der anderen Seite des Atlantik erhalten haben, war wirklich außergewöhnlich, und belegt wird dies durch die Tatsache, daß wir die guatemaltekischen Behörden nicht lange drängen mußten, mit uns nach den neuen Parametern von San José den beratenden Ausschuß der Geber in Brüssel zu veranstalten. Damit hat die Europäische Union wieder einmal die Möglichkeit, in dieser Angelegenheit die Führungsrolle zu übernehmen, doch, da nur relativ bescheidene Mittel erforderlich sind und wir die Mitarbeiter haben, können wir dies tun. Das große Problem Mittelamerikas, das sich hier noch akuter stellt als in den übrigen Ländern Lateinamerikas, ist wiederum Ausgrenzung und Armut. Bei diesem Thema bin ich zu der Überzeugung gelangt, daß auf dem lateinamerikanischen Kontinent entweder starke, demokratische und effiziente Staaten entstehen, oder daß die Entwicklungshilfe nur schwer greifen wird. Die Aussprache ist geschlossen. Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt. Nach der Tagesordnung folgt die Empfehlung für die zweite Lesung (A4-0415/96) von Herrn Medina Ortega im Namen des Ausschusses für Recht und Bürgerrechte betreffend den Gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlaß einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre im Bereich der Telekommunikation, insbesondere im diensteintegrierenden digitalen Telekommunikationsnetz (ISDN) und in digitalen Mobilfunknetzen (C4-0470/96-00/0288(COD)). Herr Präsident, sollten wir nach einem völlig undurchsichtigen Namen suchen, völlig ohne Transparenz, dann gäbe es keinen besseren Namen als ihn zur Zeit diese Richtlinie oder dieser Vorschlag für eine Empfehlung für die Richtlinie trägt, denn zumindest in der spanischen Fassung - ich weiß nicht, wie es für den Herrn Kommissar in seiner Sprache klingt - heißt sie "Richtlinie über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre im Bereich der Telekommunikation, insbesondere im diensteintegrierenden digitalen Telekommunikationsnetz (ISDN) und in digitalen Mobilfunknetzen" . Das klingt alles sehr geheimnisvoll und technisch. Eigentlich haben wir es mit einer Richtlinie für den Schutz von Personen in der Telekommunikation zu tun. Ich möchte die Anwesenheit des Kommissars nutzen, um ihm zu sagen, daß ich den Eindruck habe, daß der Kommissar um der Transparenz willen und in Kenntnis des Gemeinschaftsrechts es durchaus als normal und annehmbar empfände, wenn der Titel abgeändert würde, wie es etwa in Änderungsantrag 2 unseres Textes heißt. Dort ist die Rede von der Richtlinie über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre im Bereich der Telekommunikation. Ich halte Änderungsantrag 2 für einen Änderungsantrag, der den Bürgern der Gemeinschaft zu begreifen hilft, wovon wir eigentlich sprechen. Dies Richtlinie ergänzt eine andere Richtlinie, die wir erst vor kurzem verabschiedet haben, und zwar die Richtlinie über den Schutz personenbezogener Daten und der Privatsphäre allgemein, die hier auf den Bereich der Telekommunikation Anwendung findet. Ein weitere vereinfachender Änderungsantrag, der dem Kommissar wahrscheinlich nicht vorliegt, weil er nur die spanische Fassung betrifft, ist der Änderungsantrag 1, in dem der Ausdruck "servicios públicos de telecomunicación" durch den Ausdruck "servicios de telecomunicación accesibles" ersetzt wird. Auf jeden Fall meine ich, daß bei dieser Richtlinie gute Arbeit geleistet worden ist, wir haben uns Zeit gelassen, und das war gut so, denn so konnten sich die Nebel verziehen. Der erste Entwurf für eine Mitteilung der Kommission stammt aus dem Jahr 1990; er wurde gemeinsam mit der Richtlinie über den allgemeinen Datenschutz vorgelegt. Das Parlament ließ sich dann Zeit und schloß seinen ersten Bericht 1992 ab. Die Richtlinie über Datenschutz ging dann ihren normalen Gang, ohne die Richtlinie über den Datenschutz im Bereich der Telekommunikation. Der geänderte Vorschlag der Kommission für Parlament und Rat stammt ganz genau schon aus dem Jahr 1994; es liegen also vier Jahre zwischen dem ursprünglichen Vorschlag und dem geänderten Vorschlag. Der Gemeinsame Standpunkt des Rates stammt schließlich aus dem Jahr 1996 und kam zu uns ins Parlament, als alles schon geklärt war. Im Rechtsausschuß wurde das Thema in dem diesem Ausschuß eigenen Klima diskutiert, also in ziemlicher Einmütigkeit und jenseits unterschiedlicher politischer Auffassungen; unser Ziel war es, die Privatsphäre zu schützen. Die wesentlichste Neuerung dieser Richtlinie dürfte darin bestehen, daß sie nicht nur für den Schutz natürlicher Personen, sondern auch für den Schutz juristischer Personen gilt. Was nun allerdings überhaupt keinen Sinn ergibt, und darin wird mir der Kommissar wohl zustimmen, ist das Gerede von Subsidiarität in diesem Zusammenhang. Es ist doch absurd, daß bei einem Telefongespräch zwischen Paris und London in einem Land ein Gesetz gilt und in einem anderen ein anderes Gesetz, denn wenn wir die Privatsphäre schützen wollen, dann muß überall das gleiche Gesetz angewandt werden. Es hat wirklich keinen Sinn, hier von Subsidiarität zu sprechen. Ich behaupte, daß einigen britischen Politikern dieses Wort nur deshalb so gut gefällt, weil es im Englischen sehr schwer auszusprechen ist und daher niemand so recht weiß, was "subsidiarity" eigentlich bedeutet. Wenn von Paris nach London telefoniert wird, dann ist es sinnlos, in Paris ein Gesetz und in London ein anderes anzuwenden. Subsidiarität kommt hier also gar nicht in Frage, und in diese Richtung geht auch unser Änderungsantrag 7. Es besteht keinerlei Anlaß für Subsidiarität. Diese Richtlinie unterscheidet sich von der anderen Richtlinie darin, daß sie nicht nur für natürliche Personen, sondern auch für juristische Personen gilt, und der Rechtsausschuß begrüßte diese Ausdehnung des Schutzes. Es ergibt allerdings keinen Sinn, wenn in einigen Ländern juristische Personen diesen Schutz genießen, in anderen jedoch nicht, und damit stehen wir wieder vor dem gleichen Problem. Wenn also in einem multinationalen Unternehmen von Paris nach London telefoniert wird, dann ist dieses Gespräch in Paris geschützt, aber vielleicht nicht in London. Das ist doch absurd, und deshalb soll eine solche Situation mit einigen Änderungsanträgen verhindert werden. Als Berichterstatter habe ich zwar alle Änderungsanträge zu empfehlen, doch kann ich schon vorab ankündigen, daß eine Fraktion, nämlich meine Fraktion, versuchen wird, den Staaten jedes Recht zu nehmen, eine Unterscheidung zwischen nationalen Zuständigkeiten zu machen. Abschließend meinen wir, daß gute Arbeit geleistet worden ist, daß noch einige Kleinigkeiten zu regeln sind, und wir legen einige Änderungsanträge zur Vereinfachung des Textes und zu seiner Logik vor: Subsidiarität und unterschiedliche Rechtsvorschriften haben hier keinen Platz. Herr Präsident, schon heute ist die Informationsgesellschaft von Telekommunikation und Datenübertragung geprägt, die zusammen eine nahezu unbegrenzte Anzahl Kommunikationsmöglichkeiten bereitstellen. Diese Möglichkeiten lassen sich aufgrund ihrer großen Zahl nicht vorhersehen, weswegen es wichtig ist, daß der Einzelne gegen deren mißbräuchlichen Einsatz abgesichert wird und daß wir für eine demokratische Kontrollmöglichkeit sorgen. Die großen Fortschritte bei der Entwicklung im Telekommunikationsbereich ermöglichen das Sammeln und die Weitergabe persönlicher Daten beispielsweise über das Interesse der Leute an bestimmten Hobbies, ihr Sexualleben, usw. Auch fürs Internet müssen Regeln über den Schutz der Privatsphäre eingeführt werden, doch darf dies nicht so vor sich gehen, daß man mit dem Argument, es könnten dann automatisch alle Netzteilnehmer die Privatsphäre betreffende Auskünfte einholen, einigen indirekt den Zugang zu Informationen verwehrt. Dies sollte uns jedoch wiederum nicht von einer vernünftigen demokratischen Kontrolle des Austauschs von Informationen im Internet abhalten, von einer Kontrolle, die dem illegalen Anbieten von Informationen einen Riegel vorschieben muß. Derzeit wird schlicht alles im Netz angeboten - von Konstruktionsplänen für Bomben und Foltermethoden bis zu Drohungen gegen Firmenangestellte und Kinderpornographie, alles Dinge, die nur deshalb Verbreitung finden können, weil sie anonym eingespeist werden dürfen. Wollen wir z.B. gegen Kinderpornographie vorgehen, ist es unumgänglich, daß bei der Einspeisung von Informationen ins Internet stets eine Absenderadresse angegeben werden muß, ein persönlicher Kode oder dergleichen, so daß der Anbieter haftet. Auch fürs Internet gelten muß der Grundsatz gelten, daß Freiheit an Verantwortung gebunden sein muß. Herr Präsident, nicht nur der Titel, wie der Berichterstatter sehr gut gesagt hat - der übrigens lobenswert viel Arbeit in diesen Bericht gesteckt hat, und der uns heute vorliegende Gemeinsame Standpunkt dürfte das Ergebnis mühsamer Verhandlungen sein -, sondern der ganze Text ist wirr und unklar, und nur schwer erkennt man in ihm den ursprünglichen Entwurf, zu dem sich unser Parlament in erster Lesung geäußert hat. Es muß allerdings gesagt werden, daß sich diese Richtlinie mit einer äußerst komplexen und heiklen Frage befaßt, die dringend einer Lösung bedarf. Sie ist hineinzustellen in einen außerordentlich ungleich gestalteten Rechtsraum, in dem nur die Verschiedenheit der einzelstaatlichen Bestimmungen hervorsticht, denn sie betrifft das wirtschaftliche und technologische Schlachtfeld Telekommunikation. Diesem Panorama sind nun noch die Wechselfälle dieser Richtlinie hinzuzufügen. Zwischen der ersten und der zweiten Lesung ist die Richtlinie über den allgemeinen Schutz personenbezogener Daten in Kraft getreten, womit diese Richtlinie zu einer sektoriellen Richtlinie wird, die sich eher mit dem Umgang mit diesen Daten im Bereich der Telekommunikation befaßt und weniger mit dem wirklichen Datenschutz, bei dem, und das konnte auch nicht anders sein, sie laufend auf die allgemeine Richtlinie verweist. Im Unterschied zum ursprünglichen Entwurf, und dies hat auch der Berichterstatter hervorgehoben, werden von dieser Richtlinie auch juristische Personen erfaßt; außerdem gelten die Bestimmungen nun auch für bestimmte Dienste, die in der ersten Fassung nicht erfaßt waren, wie zum Beispiel video-on-demand und andere Dienste dieser Art. Angesichts dieser Situation wird die Europäische Volkspartei morgen für die Änderungsanträge des Rechtsausschusses mit der rein technischen Änderung in Änderungsantrag 12 stimmen, der von der Fraktion im Plenum eingebracht wird. Bei einigen geht es um eine Verbesserung des Textes, sie dienen also der Rechtssicherheit, und in diesem Zusammenhang weise ich gleich auf den Änderungsantrag zum Titel hin, denn wenn sich der Inhalt geändert hat, muß sich diese Tatsache auch im Titel widerspiegeln. In anderen, wie der Berichterstatter gesagt hat, geht es um den korrekten Einsatz des Begriffs Subsidiarität. In den meisten geht es schließlich um den Erhalt der legitimen Interessen der Verbraucher und der die Dienste in Anspruch nehmenden Unternehmen. Die Europäische Volkspartei wird auch für die Streichung von Absatz 3 von Artikel 12 und des entsprechenden Passus in Erwägungsgrund 20 stimmen, denn es bedarf nach unserer Auffassung hier keines Unterschieds in der Behandlung und dem Schutz der legitimen Interessen von natürlichen und juristischen Personen. Schließlich, Herr Präsident und Herr Kommissar, werden wir für Änderungsantrag 11 der Liberalen Fraktion stimmen, den wir für notwendig halten, und zwar nicht nur in strenger Anwendung der Erfordernisse des Binnenmarktes, die nur schlecht zu der im jetzigen Text gegebenen zweifachen Möglichkeit passen, sondern auch, weil wir darin einen gerechteren Kompromiß zwischen den berechtigten Interessen der Unternehmen und den berechtigen Interessen am Schutz personenbezogener Daten, der Menschen und Benutzer sehen. Herr Präsident! Wie bereits erwähnt, sind interessante Änderungen im Bereich der Telekommunikation im Gange. Leider muß ich jedoch sagen, daß ich manchmal das Gefühl habe, daß wir diese Angelegenheit im Rückwärtsgang angehen, wir stellen zuweilen sehr antiquierte Forderungen. Wir haben Begriffe wie "öffentliche Dienstleistung" oder "allgemeine Dienstleistung" geschaffen. Wir möchten, daß alle zu angemessenen Bedingungen daran teilhaben, d. h. zu niedrigen Kosten. Aber es gibt keine "freie Verpflegung" . Erinnern wir uns, was in Osteuropa geschehen ist, wo man glaubte, daß es "freie Verpflegung" gibt. Dort bezahlen zukünftige Generationen die Kosten dieses Mißbrauchs. Die Richtlinie, über die wir heute diskutieren, behandelt diese Problematik in geringerem Maße, sie wird jedoch teilweise, z. B. in Artikel 8, behandelt. Die Beschreibung, die es in diesem Zusammenhang und in vielen anderen Richtlinien für den Telekommunikationsmarkt gibt, entspricht in keiner Weise der Situation, die in jenen Mitgliedsländern herrscht, die in bezug auf die Liberalisierung des Telekommunikationsmarkts am weitesten fortgeschritten sind, z. B. in den skandinavischen Ländern. Da die Situation in den verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich ist, ist es unbedingt notwendig, das Subsidiaritätsprinzip anzuwenden. Daß wir in den skandinavischen Ländern schon weit gekommen sind, und daß freier Wettbewerb Möglichkeiten zur Verbesserung der Dienstleistungen und zur Verbesserung der regionalen Gleichbehandlung eröffnet, ist ebenfalls durch Beispiele belegt. Die Kosten für Fern- und Auslandsgespräche sind stark gesunken, und die Entwicklung hat große Fortschritte gemacht. Ich möchte erwähnen, daß im letzten Jahr in Finnland 600.000 Mobiltelefone verkauft wurden, bei einer Bevölkerung von 5 5 Millionen. Es gibt also neben den Mitgliedern des Europäischen Parlaments noch andere Finnen, die einen solchen Apparat haben. Was lernen wir nun daraus? Ja, daß wir für diese Bereiche, in denen die technische Entwicklung voranschreitet, keine altmodischen Forderungen aufstellen, die dazu führen, daß unsere Ressourcen mißbraucht werden und die Wettbewerbsfähigkeit Europas verändert wird. Deshalb hoffe ich, daß wir in der Diskussion darauf Rücksicht nehmen. Herr Präsident! Die Telekommunikation wächst, und deshalb ist es wichtig, daß personenbezogene Daten, die es in digitalen Telekommunikationsnetzen gibt, gegen unerlaubte Nutzung geschützt werden können. Es ist allerdings auch wichtig, daß Bürger auf Wunsch Auskunft über Angaben in den verschiedenen Telekommunikationsregistern erhalten können. In diesem Zusammenhang sollte meiner Meinung nach Öffentlichkeit das Hauptprinzip sein, d. h. alles, was in Telefonbüchern steht, wie Telefonnummern und Adressen soll öffentlich sein, falls nicht das Gegenteil beschlossen wird. Was nicht öffentlich ist, soll jedoch genau angegeben werden, und der Schutz der Privatsphäre darf das Öffentlichkeitsprinzip und das Recht eines Jeden auf Auskunft nicht verdrängen. Dies ist im schwedischen Öffentlichkeitsprinzip eindeutig geregelt, und das Datenschutzgesetz funktioniert gut. Meiner Ansicht nach dürfen die Harmonisierungsvorschriften das Öffentlichkeitsprinzip nicht beeinträchtigen. Natürlich muß das Abhören verboten sein, und Telefonkunden sollen das Recht auf eine Geheimnummer haben. Meiner Meinung nach sollte die Gestaltung detaillierter Vorschriften so weit möglich auf nationaler Ebene erfolgen. Herr Präsident, wie das Haus weiß, geht der ursprüngliche Vorschlag für diese Richtlinie, wie Kollege Medina Ortega sagte, auf 1990 zurück, und der geänderte Vorschlag wurde 1994 unterbreitet. Einen gemeinsamen Standpunkt zu erreichen, hat gelinde gesagt länger als üblich gedauert, und dies war für dieses Parlament verständlicherweise mit einigen Unannehmlichkeiten verbunden. Angesichts dessen ist die Kommission dem Parlament für die konstruktive Haltung, die es bei der ersten und bei der zweiten Lesung gezeigt hat, um so dankbarer, und wir sind insbesondere dem Berichterstatter Medina Ortega, der auch der Berichterstatter für die allgemeine Richtlinie über den Datenschutz war, für seine große Geduld und die verständnisvolle und produktive Art und Weise dankbar, mit der er die vorgeschlagene Richtlinie bei der zweiten Lesung behandelt hat. Mit der Verabschiedung dieser Richtlinie werden wir sowohl den Betreibern als auch den Verbrauchern einen Dienst erweisen. Es ist offenkundig wesentlich, daß der rasch expandierende Telekommunikationssektor sich das Vertrauen der Nutzer erhält, und es ist ebenso klar, daß diese Nutzer sicher sein müssen, daß die wachsende Menge von Informationen, die sie Netzen anvertrauen, uneingeschränkt integer gehandhabt und nicht für Zwecke genutzt wird, die sie nicht beabsichtigen oder nicht wünschen. Außerdem schärft die Öffentlichkeit ihr Bewußtsein für die Privatsphäre und den Datenschutz immer mehr, und die Mitgliedstaaten müssen auf die berechtigten Anliegen wirksam eingehen. Um große Unterschiede bei den nationalen Bestimmungen zu vermeiden, die die freie Zurverfügungstellung von Diensten auf dem Binnenmarkt behindern können, müssen wir gewährleisten, daß Einvernehmen über ein Grundpaket von Prinzipien erzielt wird, die in der ganzen Gemeinschaft umgesetzt werden können. Kurzum, wir müssen gewährleisten, daß die Informationsgesellschaft allen gleiche Chancen und wechselseitige Vorteile bietet. Dabei müssen die Grundrechte der Nutzer angemessen definiert und gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Betreiber garantiert werden. Dies sind die wichtigsten Ziele dieser Richtlinie, und vor diesem Hintergrund erläutere ich jetzt die Reaktion der Kommission auf die vorgeschlagenen Änderungsanträge. Die Änderungsanträge Nr. 2, 3, 4, 6, 7, 10 und 12 werden von der Kommission als nützliche Klarstellung und Verbesserung des Textes betrachtet und können von ihr daher ohne weiteres akzeptiert werden. Im Änderungsantrag Nr. 9 wird den Betreibern die Möglichkeit genommen, von Teilnehmern, die nicht in das Teilnehmerverzeichnis aufgenommen werden wollen, Gebühren zu verlangen. Die Kommission stimmt dem Parlament zu, daß ein einzelner Teilnehmer nicht für das Recht auf die Privatsphäre bezahlen soll, und wir können diesen Änderungsantrag daher unterstützen. Ich muß dem Haus jedoch mitteilen, daß die übrigen vorgeschlagenen Änderungsanträge aus Gründen nicht akzeptabel sind, die das Haus, wie ich hoffe, als vernünftig erachtet und denen es sich anschließen kann. Erstens muß sich das Haus im Zusammenhang mit dem Änderungsantrag Nr. 5 daran erinnern, daß der Richtlinienentwurf es den Mitgliedstaaten erlaubt, die Anwendung des Artikels 11 zu Teilnehmerverzeichnissen auf natürliche Personen zu beschränken, d.h. auf Privatpersonen. Der Grund dafür ist eindeutig der, daß die juristischen Personen, Handelsunternehmen usw. gebotene Möglichkeit zu bestimmen, ob sie in das öffentliche Teilnehmerverzeichnis aufgenommen werden wollen oder nicht, kein grundlegendes Menschenrecht, sondern vielmehr ein legitimes Interesse ist. Wir waren daher der Auffassung, daß die Regelungen für die Beachtung des legitimen Interesses juristischer Personen nicht so präskriptiv sein müssen wie diejenigen, die das Recht auf die Privatsphäre gewährleisten. Außerdem ist das Argument, kostenlos erweiterte Optionen für ein öffentliches Teilnehmerverzeichnis anzubieten, im Falle von juristischen Personen weniger zwingend als es dies offenkundig im Falle von Privatpersonen ist. Der uns vorliegende Änderungsantrag führt ein neues Element ein, nämlich ein Informationsrecht des Nutzers, das inhaltlich in der Richtlinie überhaupt nicht erfaßt ist und das, wenn es a contrario ausgelegt wird, den Schluß zuzulassen scheint, daß Mitgliedstaaten juristische Personen tatsächlich zwingen können, sich in das öffentliche Teilnehmerverzeichnis aufnehmen zu lassen. Das ist nicht die Absicht, und die Angelegenheit wird dadurch zweifellos verwirrend. Aus diesen Gründen kann die Kommission diesen Änderungsantrag daher nicht akzeptieren. Die Kommission kann auch den Änderungsantrag Nr. 8 nicht akzeptieren, einfach deswegen, weil er einen redaktionellen Fehler enthält. Der Änderungsantrag wird jedoch durch den Änderungsantrag Nr. 12 ersetzt, den die Kommission unterstützen kann. Die Kommission kann den Änderungsantrag Nr. 11 nicht akzeptieren. Der Änderungsantrag würde den Mitgliedstaaten die Möglichkeit nehmen, einzelnen Teilnehmern einen höheren Grad an Schutz vor nicht erbetenen Anrufen zu bieten. Der Gemeinsame Standpunkt erlaubt es den Mitgliedstaaten, sich für oder gegen nicht erbetene Anrufe zu entscheiden, die zum Zwecke des Direktmarketings erfolgen. Dies bedeutet, daß die Regierungen solche Gespräche entweder allgemein verbieten können, sofern die Teilnehmer nicht mitgeteilt haben, daß es ihnen nichts ausmacht, solche Anrufe zu erhalten, oder solche Anrufe generell zulassen und zugleich den Teilnehmern die Möglichkeit bieten können, in einem öffentlichen Verzeichnis darauf hinzuweisen, daß sie nicht erbetene Anrufe zum Zwecke des Direktmarketings nicht wünschen. Das Haus erinnert sich vielleicht daran, daß dieses Konzept in der gleichen Frage auch bei der Richtlinie über den Televerkauf gewählt wurde, über die wir hier heute bereits diskutiert haben. Die Kommission kann diesen Änderungsantrag nicht unterstützen, denn er würde die Möglichkeit eines höheren Schutzgrades ausschließen, und er würde dies ohne zwingenden Grund tun, der mit der Funktionsweise des Binnenmarktes zusammenhängt. Was den Vorschlag angeht, Artikel 11 Absatz 3 zu streichen, so kann die Kommission dies nicht unterstützen, denn es gibt triftige Gründe, die detaillierten Bestimmungen betreffend die Option der Privatsphäre für natürliche Personen nicht genauso anzuwenden wie für juristische Personen, wie ich bereits in meiner Antwort auf einen anderen Änderungsantrag hinwies. Für juristische Personen geht es nicht um das Recht auf die Privatsphäre, sondern um das legitime Interesse festzulegen, wie sie im öffentlichen Teilnehmerverzeichnis erscheinen sollen. Sie brauchen nicht unbedingt die gleichen Optionen wie Privatpersonen, und das Angebot, alle Optionen unentgeltlich zu gewähren, ist möglicherweise nicht immer gerechtfertigt. Daher wird in Artikel 11 der vorgeschlagenen Richtlinie eine Differenzierung vorgenommen. Die Kommission wäre in der Lage, eine Klärung von Artikel 11 Absatz 3 zu unterstützen, anhand deren dargelegt wird, daß die legitimen Interessen von juristischen Personen in allen Fällen, aber nicht notwendigerweise in der gleichen Weise wie das Recht auf die Privatsphäre der natürlichen Personen berücksichtigt werden sollten. Eine solche Ergänzung zu Artikel 11 Absatz 3 könnte folgendermaßen lauten: " In diesem Fall müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, daß ausreichende Möglichkeiten zur Verfügung stehen, die die legitimen Interessen von Teilnehmern, die keine natürlichen Personen sind, im Hinblick auf ihre Eintragung in öffentliche Teilnehmerverzeichnisse berücksichtigen" . Und noch eine Schlußbemerkung zu den Änderungsanträgen: Die Kommission kann die Streichung von Artikel 12 Absatz 3 nicht akzeptieren, da es auch hier triftige Gründe dafür gibt, dieselben Bestimmungen auf juristische Personen nicht genauso anzuwenden wie auf natürliche Personen. Um die fraglichen Punkte zu klären, wäre es nach Auffassung der Kommission akzeptabel, Artikel 12 Absatz 3 um einen Satz zu ergänzen, so daß er wie folgt lauten würde: " Die Mitgliedstaaten können die Anwendung der Absätze 1 und 2 auf Teilnehmer, die natürliche Personen sind, so weit beschränken, daß die legitimen Interessen von Teilnehmern, die nicht natürliche Personen sind, und insbesondere kleiner und mittlerer Unternehmen ausreichend geschützt bleiben" . Ich hoffe, daß die Mitglieder des Hauses nach eingehender Überlegung die Darlegungen der Kommission zu den wenigen Änderungsanträgen, die sie nicht akzeptieren kann, mittragen können. Ich hoffe des weiteren, daß es möglich sein wird, Vorteile aus der grundlegenden Übereinstimmung der Ansichten der Kommission und dieses Hauses zu ziehen und für eine Verabschiedung der Richtlinie ganz zu Anfang dieses Jahres Sorge zu tragen. Ich danke dem Berichterstatter und seinen Kollegen für die Arbeit, die sie mit der Verbesserung dieser vorgeschlagenen Richtlinie geleistet haben. Die Aussprache ist geschlossen. Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt. Nach der Tagesordnung folgt der Bericht von Herrn Cornelissen (A4-0381/96) im Namen des Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr über das Weißbuch der Kommission "Flugverkehrsmanagement - Für einen grenzenlosen Himmel über Europa" (KOM(96)0057 - C4-0191/96). Herr Präsident, ich habe diese Woche die jüngsten Angaben über Verspätungen im Luftverkehr erhalten. Im November vergangenen Jahres hatten über 20 % der europäischen Liniendienste Verspätungen von einer Viertelstunde oder mehr. Ich fürchte, daß die Verspätungen - nach der Besserung in den Jahren 1993 und 1994 - wieder stark zugenommen haben. Das bedeutet eine Menge Ärger für die Reisenden und kostet einen Haufen Geld. Sachverständige haben errechnet, daß man 2, 5 Milliarden ECU jährlich dabei einsparen könnte. Mit anderen Worten, so vergeudet man wöchentlich 50 Millionen ECU. Natürlich sind Verspätungen auch nicht gut für die Sicherheit, die für uns alle an erster Stelle steht. Infolge der Staus sollen sich Schätzungen nach meistens 60 bis 70 Flugzeuge zusätzlich in der Luft befinden. Staus bedeuten auch mehr Luftverschmutzung und Geräuschbelastung. Der Grund für diese Staus ist nicht ein Mangel an Luftraum, sondern eine unvorstellbar ineffiziente Verwaltung des europäischen Luftraums. In Europa befindet sich die Luftverkehrsleitung immer noch in nationaler Hand. Mit der Abschaffung der Grenzen am Boden sind wir ein ganzes Stück vorangekommen, aber in der Luft ist Nationalismus weiterhin Trumpf. Somit gibt es in Europa 49 ATC-Zentren, 31 nationale Systeme, 18 Hardware-Lieferanten, 22 Verwaltungssysteme und 30 Programmierungssprachen. Ich will nicht bestreiten, daß seit dem Beschluß der ECAC-Minister zu engerer Zusammenarbeit 1988 viel erreicht worden ist. Das muß unbedingt weitergeführt werden, denn es ist nicht genug. Alles deutet auf einen stürmischen Zuwachs in der Luft hin. Experten rechnen mit einer Verdoppelung über die nächsten zehn Jahre. Wenn die Politik den europäischen Luftraum weiter so zerstückelt, wird das katastrophale Folgen haben. Das Weißbuch der Kommission enthält mehr als deutliche Hinweise darauf. Wir brauchen dringend einen wirklich europäischen Ansatz. Nur ein integriertes System des Flugverkehrsmanagement bietet eine dauerhafte Lösung. Der europäische Luftraum muß als kollektive Einheit ohne nationale Grenzen genutzt und die Unterscheidung zwischen zivilem und militärischem Luftraum beseitigt werden. Ich habe verstanden, daß die ECAC-Minister am 14. Februar einen Beschluß über die zukünftige institutionelle Struktur des europäischen Flugverkehrsmanagement treffen wollen. Angesichts der Befugnisse der Europäischen Union auf diesem Gebiet möchte ich dem Kommissar ein paar Fragen stellen. Wie gedenkt er die Gemeinschaftsinteressen zu gewährleisten? Ich meine die erforderliche Trennung von Regelung und Verwaltung. Wie sorgt man dafür, daß die Planung und Aufteilung des Luftraums zu einer Befugnis der Behörden werden? Wie vermeidet man, daß ein Mitgliedstaat mit seinem Veto die Umsetzung in einem anderen Mitgliedstaat verhindert? Wie wird die demokratische Kontrolle auf Gemeinschaftsebene gewährleistet? Sollten wir nicht auch zu einem Eurocontrol-Abkommen übergehen, das sich schneller anpassen läßt, damit es den technischen, politischen oder wirtschaftlichen Veränderungen gerecht wird? Ist der Kommissar bereit, das Parlament über die Entwicklungen auf dem laufenden zu halten und noch einmal mit uns über den Zugang zu diskutieren, wenn wir wissen, wie das neue Abkommen aussieht? In den Benelux-Staaten und in Deutschland ist vor kurzem ein integriertes Konzept für Flugsicherungszentren ausgearbeitet worden, das eine free route airspace über 30 000 Fuß vorsieht. Ist die Kommission bereit, derartige regionale Entwicklungen, die kurzfristig zu einer Kapazitätenverbesserung führen, anzuregen? Das ist auch im Interesse der Sicherheit unbedingt erforderlich. 1996 war das schlechteste Jahr, das wir je in bezug auf Sicherheit im Luftverkehr hatten. Es gab 57 Unfälle mit mehr als 1 800 Todesopfern, ohne die Fälle mitzurechnen, bei denen es sich um Sabotage handelte. Auch im Interesse der Sicherheit ist eine europäische Luftverkehrsverwaltung mit durchschaubarer Verteilung der Befugnisse unverzichtbar. Nach all den Jahren, in denen dies Thema diskutiert worden ist, hoffe ich, daß die Regierungen der Mitgliedstaaten nun den politischen Mut aufbringen werden, um sich endlich im Interesse ihrer Bürger zu entscheiden! Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der von Pam Cornelissen mehrfach angesprochene grenzenlose Himmel wird leider allzu häufig zur begrenzten Hölle. Im letzten Jahr hatten mein Fraktionskollege Brian Simpson und ich einen Entschließungsantrag eingebracht, veranlaßt durch das Unglück in der Karibik, bei dem alle 189 Insassen einer Maschine der Birgen Air das Leben verloren. Wir wollten damit deutlich machen, daß Sicherheit im Luftraum nicht nur eine Aufgabe von Air Traffic Control ist, sondern daß hierbei auch als Grundvoraussetzung andere Elemente berücksichtigt werden müssen, wie zum Beispiel technische Sicherheitsstandards, aber auch qualifizierte Ausbildung von Piloten und allen, die im Umfeld von Flugzeugen arbeiten. Ein Teil von dem, was wir als Forderungen aufgestellt haben, ist realisiert worden. Einige Mitgliedsländer haben Schritte zur Einführung einer schwarzen Liste getan. Ich darf hier auch den deutschen Verkehrsminister, Herrn Wissmann, positiv erwähnen, der dafür gesorgt hat, daß bei bestimmten Mängeln, die aufgrund verschärfter Kontrollen festgestellt werden, auch Start- und Landeverbote ausgesprochen werden. Das sind aber alles nur erste Schritte. Meine Bitte an die Kommission geht dahin, hier tätig zu werden und insbesondere auch eine Richtlinie auf den Weg zu bringen, die die Reiseunternehmen zwingt, die jeweiligen Luftverkehrsgesellschaften in den Katalogen zu veröffentlichen. In einigen Mitgliedsländern geschieht das. Wir hatten mit unserem Entschließungsantrag beabsichtigt, daß das auf das Gebiet der gesamten Europäischen Union ausgedehnt wird. Über allem, was sich in diesen Bereichen tun kann, sollte ein vereinheitlichtes Luftverkehrsüberwachungssystem angesiedelt sein, ein Air Traffic Management . Wir haben seit Jahren als Parlament eine verstärkte Effizienz, Kompatibilität und verbesserte Produktivität gefordert. Das sind wir meines Erachtens den Verbrauchern, aber auch den Luftverkehrsunternehmen, die freilich auch eine Bringschuld haben, schuldig. Wir wissen, daß sich die europäischen Fluggesellschaften in einem ganz scharfen Konkurrenzkampf befinden, und die von Cornelissen angesprochenen Unkostenbelastungen sprechen eigentlich für sich. Als erster Schritt muß eine verbesserte Koordinierung kommen, um weitere Fehlentwicklungen zu vermeiden. Aber ich denke, die zentrale Zuständigkeit der Kommission muß als baldiges Ergebnis dabei herauskommen, und entsprechend dem Mandat, das die Kommission für die Verhandlungen mit Drittländern bekommen hat, muß auch ein Mandat erteilt werden, diese Elemente miteinfließen zu lassen. Ich denke, der gemeinsame Luftraum mit den Ländern Mittel- und Osteuropas und mit dem gesamten Mittelmeerraum muß verwirklicht werden. Es geht uns eigentlich auch darum, daß die gemeinsame Technologieausstattung gewährleistet ist, damit die Dinge wirklich kompatibel gemacht werden. Ich verbinde das im Grunde auch mit der Hoffnung, daß hier europäische Technologie eingesetzt werden kann. Warum müssen wir bei unserer Leistungsfähigkeit in dieser Technologie von anderen von "auswärts" einkaufen? Ich denke, das ist nicht erforderlich. Ganz banale Beispiele: Mein Sohn ist Verkehrspilot. Er berichtet immer wieder von Leichtfertigkeiten auch im Verhalten von Fluglotsen, daß beim Überfliegen bestimmter Länder, insbesondere auch Italien und Frankreich, Fluglotsen in ihrer Heimatsprache Anweisungen geben. Von der Terminologie her sollte klar sein, daß die Verkehrssprache Englisch zu sein hat. All das muß mit einbezogen werden in diesen Katalog der Maßnahmen, die eingeleitet werden können. Ich habe wenig Verständnis dafür, daß leichtfertig solch ein Risiko in Kauf genommen wird. Ich halte das für unverantwortlich. Unser Ziel ist die Vereinheitlichung in einer europäischen, möglicherweise einer gemeinsamen europäischen Luftfahrtbehörde. Das ist unser gemeinsames Ziel. Bis dahin müssen einige Zwischenschritte getan werden, aber ich denke, über diese Zielsetzung sind wir uns einig. Lieber Pam Cornelissen, herzlichen Dank für die Arbeit, die in diesen Bericht investiert ist. Ich will gerne hier im Plenum die Gelegenheit nutzen, ganz herzlich Dank zu sagen für die 2 1/2 Jahre harter Arbeit als Ausschußvorsitzender. Unser Freund Pam Cornelissen ist aus dieser Funktion ausgeschieden. Herzlichen Dank und Anerkennung für die Arbeit. Herr Präsident, auch ich möchte dem Berichterstatter, Herrn Cornelissen, zu seinem Bericht über ein so komplexes und schwieriges Thema wie das Weißbuch der Kommission über Flugverkehrsmanagement gratulieren. Man muß zugeben, daß die Kommission in ihrem Weißbuch das Problem auf das vollständigste und gründlichste analysiert. Doch kann ich, um der Wahrheit die Ehre zu reichen, mich nur der Ansicht des Berichterstatters anschließen, daß die Lösungsvorschläge des Weißbuchs bei weitem nicht so brillant ausgefallen sind wie die Analyse der Kommission. Man kann als eine Lösung des Problems nicht einfach den Beitritt der Union zu Eurocontrol vorschlagen. Es ist allgemein bekannt, daß Eurocontrol, und das kam auch ganz deutlich in der Anhörung im Ausschuß für Verkehr und Fremdenverkehr heraus, seiner Verpflichtung zur Harmonisierung der Flugverkehrskontrolle in Europa nicht nachkommen konnte, weil viele Mitgliedstaaten die dieser Organisation irgendwann einmal übertragenen Befugnisse wieder zurückforderten. Herr Präsident, ich habe immer gesagt, daß wir es mit einem schwerwiegenden und dringlichen Problem zu tun haben. Schwerwiegend, weil die Betriebskosten unserer Unternehmen davon betroffen werden, die für das Fehlen eines harmonisierten Flugverkehrkontrollsystems in Europa teuer zahlen müssen, und dringlich, weil bei Störungen nicht nur unseren Unternehmen Verluste entstehen, sondern auch für unsere Bürger unberechenbare Belästigungen. Ich meine, Herr Präsident, daß wir dieses Thema sehr, sehr ernst nehmen müssen. Solange die Zuständigkeiten nicht klar abgegrenzt und keine irgendwie gearteten institutionellen, politischen, administrativen, wissenschaftlichen und technischen Lösungen gefunden sind, werden wir nichts unternehmen müssen. Doch ich sage stets, Herr Präsident, daß die Zuständigkeiten bei der Europäischen Union liegen und sie sie entschlossen ausüben muß, daß Eurocontrol hingegen die Mittel, nicht jedoch die Zuständigkeiten hat, und daß die Europäische Konferenz der Verkehrsminister weder Mittel noch Zuständigkeiten, dafür aber viele Ideen hat. Herr Kommissar, ich fordere Sie auf, klare Vorschläge für den Erhalt der Gemeinschaftskompetenzen und für Ansätze zur Lösung eines Problems vorzulegen, das sich auf die Kosten unserer Unternehmen und auf die Geduld unserer Bürger auswirkt. Herr Präsident, erlauben Sie mir auch zunächst, Herrn Cornelissen meine Anerkennung auszusprechen und mich bei ihm für die zweieinhalb Jahre zu bedanken, die er unserem Ausschuß mit sehr viel Eifer vorgesessen hat. Das zeigt sich auch an diesem Bericht, denn, obwohl sich Herr Cornelissen schon jahrelang hier bei uns und auch im nationalen Parlament mit diesem Thema befaßt und sich sehr eifrig darein vertieft hat, ist er nicht müde geworden, eine bessere Verwaltung des Luftverkehrs anzustreben. Es ist weiterhin betrüblich zu sehen, daß dabei noch nichts Rechtes herausgekommen ist, und daß die Organisation Eurocontrol, von der wir uns anfangs soviel versprachen, im Grunde - und in diesem Fall kann man es fast wörtlich nehmen - nicht vom Boden abgehoben hat. Was das betrifft, so möchte ich sowohl dem Berichterstatter als auch dem Kommissar noch eine Frage stellen, die mit dem Programm der niederländischen Präsidentschaft, das uns heute nachmittag vorgestellt wurde, zusammenhängt. Darin wird nämlich als eine der Zielsetzungen der Ratspräsidentschaft angeführt, die Europäische Union als solche zu einem Mitglied von Eurocontrol zu machen, obwohl in Absatz 17 des Berichts des Verfassers der Stellungnahme doch eigentlich etwas anderes steht. Er sagt zwar auch, daß wir insgesamt beitreten sollten, aber dann steht in seinem Bericht, daß wir dem eigentlich etwas anderes hinzufügen oder eine neue Organisation innerhalb der EU errichten sollten. Darüber hätte ich gern klaren Bescheid, denn es ist schließlich für die Effizienz und für die Sicherheit der Fluggäste unbedingt erforderlich, eine bessere Regelung und weniger Protektionismus zustande zu bringen. Herr Präsident, nur ein paar Bemerkungen im Telegrammstil: Das Bild der Zerstückelung, das wir bei der heutigen Verwaltung des Luftraums sehen, ist bedrückend problematisch. Es macht die Luftverkehrsverwaltung noch teurer als sie schon ist und führt zu kostspieligen Verspätungen. Aber objektiv muß man feststellen, daß auch Schwierigkeiten an den Flughäfen und der starke Zuwachs im Luftverkehr mit dafür verantwortlich sind. Trotzdem darf nicht daran gezweifelt werden, daß man ein effizienteres Verwaltungssystem anstreben sollte. Wir halten den Vorschlag der Kommission, die Regelungs- und Betriebsoperationen der Luftverkehrsleitung voneinander zu trennen, für einen guten Beitrag zu diesem Zweck. Zudem halte ich es auch für politisch ratsam, daß die Kommission die Regelung ausschließlich auf supranationaler Ebene haben will. Die Bemühungen des Parlaments, die eigentliche Verwaltung des Luftverkehrs einer einzigen europäischen Organisation zu übertragen, könnte die rentabelste Lösung sein, aber die nationalen Behörden wollen an der Verwaltung des Luftraums festhalten. Deshalb stellt dieser Vorschlag trotz allem einen Fortschritt dar. Aber die Staaten von Mittel- und Osteuropa sollten dabei miteinbezogen werden. Schließlich frage ich mich, Herr Präsident, wenn tatsächlich im Jahre 2010 mit einer Verdoppelung des Flugverkehrs zu rechnen ist, ob es nicht an der Zeit wäre zu erörtern, was das für die Infrastrukturversorgung und die Umweltbelastung bedeutet. Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, Herr Kommissar Kinnock, der gemeinsame Markt im Zivilluftverkehr hat zu einer ständigen Zunahme der Zahl der Flugwege und der Luftfahrtunternehmen geführt. Man geht davon aus, daß sich diese Zahl bis zum ersten Jahrzehnt des nächsten Jahrtausends verdoppeln wird. Die ständige Zunahme der Unternehmen und die Eröffnung neuer Flughäfen werden das europäische Luftverkehrssystem in beträchtliche Bedrängnis bringen, und es ist ja allgemein bekannt, daß die Engpässe beim Flugverkehr auf den Flughäfen bereits jetzt die Mobilität von Personen und Waren behindern. Dieses Szenario zwingt uns bestimmte Überlegungen und Vorschläge auf, und meiner Ansicht nach ist die Effizienz der Luftverkehrsdienstleistungen eine wesentliche Voraussetzung für das Flugverkehrsmanagement. Bis heute wird der Luftverkehr von nationalen Regelungssystemen geleitet. Diese Strukturen werden jedoch schon seit einiger Zeit der Luftverkehrsnachfrage nicht mehr gerecht, und diese Fragmentierung ist immer noch die Hauptursache für die Unbequemlichkeiten, die für die Passagiere durch die Verspätungen entstehen, und wirkt sich außerdem nachteilig auf die Kosten der Luftverkehrsunternehmen und der in diesem Bereich tätigen Gesellschaften aus. Darüber hinaus stellt diese Fragmentierung der Flugverkehrskontrolle eine Beeinträchtigung der Flugsicherheit dar, was die hohe Zahl von Beinahezusammenstößen und der in letzter Zeit passierten Unfälle belegt. Man muß also genügend Weitsicht besitzen und globale Überlegungen bezüglich des in nächster Zukunft zu erwartenden Wachstums im Luftverkehrsbereich anstellen. Aus diesem Grund wird es immer dringlicher, den europäischen Luftraum einheitlich zu verwalten, um durch gleiche Rechtsgrundlagen und Kontrollregelungssysteme eine optimale Nutzung zu gewährleisten. Ein solches einheitliches System würde es ermöglichen, strenge gemeinsame Regelungen festzulegen, mit dem Ziel, ein höchstmögliches Sicherheitsniveau zu garantieren; außerdem könnte man Arbeitsmethoden und - verfahren vereinheitlichen und auf der Grundlage der Luftverkehrsnachfrage die Zuweisung der Flugwege quantifizieren. Andere wichtige Punkte sind die Anwendung und die Kontrolle neuer fortgeschrittener Technologien wie der digitalen und Satellitensysteme, die ein enormes Potential an Effizienz beim Luftverkehrsmanagement bieten, sowie gemeinsame Normen im Bereich der Ausbildung derjenigen, die die Luftverkehrskontrolle ausüben. Die Kommission beschränkt sich darauf, die gegenwärtigen Mängel des Systems auszuwerten und auf die Notwendigkeit zu verweisen, beim Luftverkehrsmanagement die Regelungs- und die Betriebsfunktionen voneinander zu trennen; darüber hinaus empfiehlt sie noch, daß sich die gesamte Gemeinschaft einem Eurocontrol-System anschließt. Wir hatten eigentlich etwas mehr erwartet, nämlich, daß die Kommission hier eine grundlegende Rolle übernimmt. Im Weißbuch findet sich jedoch keine reale mittel- oder langfristige Strategie zur Verwirklichung eines einheitlichen Kontrollsystems. Aufgrund dieser Erwägungen stimme ich daher voll und ganz mit den Ausführungen des Berichterstatters, Herr Cornelissen, überein, dem ich meine Anerkennung aussprechen möchte für seinen Bericht und für die Arbeit, die er in diesen zweieinhalb Jahren als Vorsitzender des Verkehrsausschusses geleistet hat. Herr Präsident, der Bericht ist eigentlich ein Kompromißvorschlag des Ausschusses, denn es hat da immer viele Abstimmungen. Ich bin mit den drei Lösungsvorschlägen der Kommission nicht zufrieden, meine indessen, daß einer der Kommissionsvorschläge einen brauchbaren Ausgangspunkt abgibt. Der Bericht holt sowohl in technischer wie politischer Hinsicht weit aus und ist sehr umfangreich. Nichtsdestoweniger sind wir uns alle einig: Es gibt Probleme. Ich nenne drei Dinge. Erstens, daß vorrangiges Ziel eine politische Entscheidung darüber sein muß, inwieweit wir in dieser Richtung weitermachen sollen. Wir können nicht über technische Details diskutieren. Wir müssen den Rat zu einer politischen Entscheidung drängen. Es mag unterschiedliche Ansichten über die Verfahrensweise oder gar schlicht mangelnde Bereitschaft geben, dennoch müssen wir voran kommen. Hierbei muß das Parlament den Antreiber spielen und die Kommission unterstützen, und in dieser Richtung müssen wir weiterarbeiten. Das zweite ist: Es geht nicht nur um die EU. In diesem Punkt gehe ich mit dem Berichterstatter nicht konform. Ein allein die fünfzehn Mitgliedstaaten erfassendes demokratisches Organ kommt nicht in Frage. Worum es hier geht, ist der gesamte europäische Kontinent. Denn wenn ich mich in 30.000 Fuß Höhe der polnischen Grenze nähere, ist das Sicherheitsproblem trotzdem das gleiche. Deswegen können wir uns nicht allein auf die Gemeinschaft beschränken. Das dritte sind die Luftfahrtgesellschaften, die aus Gründen des Wettbewerbs faktisch dazu beitragen, daß die Situation immer schlimmer wird. Es mangelt an Ausrüstung und es mangelt an Personal, die Zahl der Flugbewegungen aber steigt beständig, und gleichzeitig ist man nicht in der Lage, seine slot -Zeiten einzuhalten. Wenn wir über Staus im Luftverkehr reden, Herr Cornelissen, so entstehen diese oft deshalb, weil man infolge unzureichender Ausrüstung nicht starten kann. Man versucht an allen Ecken und Enden zu sparen und kann daher seine slot -Zeiten nicht einhalten. Diejenigen Gesellschaften, die über genügend Ausrüstung und Personal verfügen, haben keine Probleme, rechtzeitig in der Luft zu sein. Vom check-in bis zum check-out müssen alle Abläufe einen einzigen zusammenhängenden Vorgang bilden. Es kann etwas nicht stimmen, wenn wir zwar Menschen zum Mond und zur Raumstation MIR schicken, nicht aber für ihre Sicherheit innerhalb unserer überfüllten irdischen Lufträume garantieren können. Ich wünsche dem Kommissar bei seinem Versuch, den Rat zu einer vernünftigen Lösung zu drängen, viel Glück. Herr Präsident, ich möchte den Kollegen Cornelissen als Berichterstatter beglückwünschen. Ich hoffe, daß dies nicht der letzte Bericht sein wird, den er für den Ausschuß erarbeitet. Ich begrüße auch den Kommissar, der heute abend hier anwesend ist, und danke der Kommission für ihre Vorschläge. Es sollte jedoch in unseren Vorschlägen mehr Gemeinsamkeiten zwischen der Kommission und dem Europäischen Parlament geben. Kollege Lüttge hat sich auf eine einheitliche Sprache konzentriert. Ich möchte dem hinzufügen, daß es eine viel größere Kompatibilität zwischen den Computern und den verschiedenen Systemen geben sollte, die von den nationalen Fluglotsen verwendet werden. Ich akzeptiere den Vorschlag der ECAC, daß es ein gemeinsames Leistungsmodell mit verschiedenen Systemen geben sollte. Ich hoffe, daß der Kommissar nicht absichtlich mißversteht - nicht daß ich dies auch nur unterstellen möchte -, was wir im Europäischen Parlament vorschlagen: keine monolithische Struktur, sondern einfach ein einheitliches System, aber mit mehreren Lieferanten. In Europa sollte es mehr von dem geben, was die Vereinigten Staaten haben: ein einheitliches Luftverkehrsmanagementsystem, wobei jeder Mitgliedstaat seine eigenen Dienstleistungen organisieren und betreiben kann, aber Leitlinien und Budgets gemeinsam festgelegt werden. Das Fazit für uns alle, die reisen - nicht zuletzt die Geschäftsleute und Touristen - ist jedoch, daß die Mitgliedstaaten dringend Investitionen tätigen müssen. Angesichts der Zunahme des Luftverkehrs und der wachsenden Zahl derjenigen, die unser System benutzen, das bereits überlastet ist, können wir nicht warten, bis diese Budgets festgelegt werden. Ich empfehle dem Haus die Vorschläge in dem Bericht des Kollegen Cornelissen und hoffe, daß er uneingeschränkt unterstützt werden wird. Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Kommissar! Wer wie wir Abgeordnete 2-4 mal wöchentlich auf eine Flugreise angewiesen ist, der wird sensibel gegenüber den Problemen des europäischen Luftverkehrsmanagements und der Flugsicherheit. Verspätungen gehören zu unseren alltäglichen Erfahrungen. Jeder fünfte Flug in Europa ist davon betroffen. Verspätungen, zusätzliche Flugstrecken und eine damit einhergehende zusätzliche Luftbelastung sowie eine zunehmende Zahl von Unfällen und Vorfällen belasten die europäische Wirtschaft, die Flugunternehmen und nicht zuletzt uns Verbraucher. Schuld sind die veralteten Flugverkehrsmanagement- und Flugsicherungssysteme, deren nationaler Zuschnitt inzwischen anachronistisch ist. All dies ist lange schon bekannt, ebenso wie die erwartete Verdoppelung der Flugbewegungen in den nächsten fünfzehn Jahren. Und schon oft hat das Parlament energisch eine Kurskorrektur verlangt. Ohne einen qualitativen Sprung bei den ATC-ATM-Systemen werden die genannten Probleme in den kommenden Jahren exponential zunehmen. Selbst bei einer sofortigen Entscheidung für ein einheitliches Vorgehen bei der Einführung der neuesten Technologien würden rund zehn Jahre für deren Implementierung benötigt. Die Lösung, die wir heute suchen, muß also für die nächsten dreißig Jahre ausreichen. Deshalb ist auch ein qualitativer Sprung bei der im Weißbuch diskutierten Änderung des institutionellen Rahmens von Eurocontrol erforderlich. Wir benötigen eine einheitliche Lösung europaweit, und zwar bald. Die technischen Lösungsmöglichkeiten von der satellitengestützten Navigation bis zu den Telematikanwendungen im Managementbereich sind vorhanden. Auch die finanziellen Probleme bei ihrer Umsetzung brauchen kein ernsthaftes Hindernis zu sein. Für mich zum Beispiel wäre eine minimale Kerosinsteuer denkbar, die zweckgebunden für die Realisierung eines solchen ATC-ATM-Systems eingesetzt würde. Die Einsparungen, die sich durch ein solches System ergäben, würden die Mehrbelastung der Flugunternehmen kompensieren. Das Hauptproblem ist nach wie vor das institutionelle und somit im Prinzip politisch lösbar, wenn wir es nur wollen. Freilich müßten dafür nicht nur wir Verkehrspolitiker begreifen, daß der Luftraum, in dem wir unsere Köpfe recken, nicht mehr national zu begreifen ist. Angesichts der Jahrtausendwende täte uns allen ein europäischer Wind oder gar ein Sturm bei der Lösung der anstehenden Luftraumprobleme gut. Vielen Dank auch dem Berichterstatter für den hervorragenden Bericht. Herr Präsident, auch ich möchte Herrn Cornelissen zu seinem hervorragenden Bericht gratulieren, der ihm wie alles gut gelungen ist. Die Haltung des Europäischen Parlaments zu unserem Thema dürfte hinreichend bekannt sein. Unsere Versammlung hat sich schon verschiedentlich für ein einheitliches Flugverkehrsmanagementsystem in Europa ausgesprochen, mit der die augenblickliche Aufsplitterung in Kontrollstellen, nationale Systeme, verschiedene Lieferanten von elektronischen Ausrüstung, operativen Systemen und Programmiersprachen vermieden werden kann. Eine derartige Verzettelung ist auch bei der Auswahl der Technologie und bei der Normung, ferner bei der Zuständigkeit diverser internationaler Organisationen und der Staaten bei Entscheidungen über eine umfassende Flugverkehrsmanagementpolitik zu vermeiden. Solche Verzettelung ist zu vermeiden, denn sie wirkt sich negativ auf die Sicherheit des Flugverkehrs, die Qualität der Dienstleistungen für die Passagiere und deren Kosten aus. Als Folge des überfüllten Luftraums hat sie auch negative Auswirkungen auf die Umwelt. Wenn sich nichts Entscheidendes ändert, wird auf der anderen Seite die Zunahme des Luftverkehrs nicht zu bewältigen sein, der sich nach heutigen Berechnungen bis zum Jahr 2010 verdoppeln wird. Wir müssen natürlich auch sehen, daß für die Planung und Durchführung der Maßnahmen zur Vereinheitlichung des Flugverkehrsmanagements in Europa rund 10 Jahre erforderlich sein werden, denn es gilt viele hohe Hindernisse zu überwinden, und zwar rechtlicher, institutioneller und politischer sowie technischer und wirtschaftlicher Art. Meine Damen und Herren, ich meine daher, daß dringlichst ein strategischer Plan zur Erzielung des einheitlichen Flugverkehrsmanagements vorgelegt werden sollte, und daß dieses Management in die transeuropäischen Verkehrsnetz eingebettet sein sollte, denn diese Ziele sind nach dem Weißbuch kaum zu erreichen, da nach Auffassung des Berichterstatters das Weißbuch keinerlei konkrete Maßnahme und kein Aktionsprogramm enthält. Herr Präsident, die Verbesserung der Abläufe im europäischen Luftverkehr hat viele verschiedene Aspekte. Der Luftverkehr verursacht Probleme. Die größten sind Lärmbelastung und Umweltschäden. Lösungen müssen sowohl auf nationaler Ebene als auch in europäischer Zusammenarbeit gefunden werden. Für uns Finnen ist das besonders wichtig, weil wir von der geographischen Lage her ziemlich anfällig sind, wenn der Luftverkehr sich staut. Auf langen Flugreisen multiplizieren sich die Verspätungen, und es wird immer komplizierter, Anschlüsse zu erreichen. Die Integrationsmaßnahmen zur Lösung der Probleme mit Hilfe eines gesamteuropäischen Luftverkehrsüberwachungssystems, die Herr Cornelissen fordert, sind zu unterstützen. Durch eine Begradigung der Strecken und einen Ausbau der Zivilluftfahrtsysteme in den osteuropäischen Ländern läßt sich die Lage entspannen. Aus finnischer Perspektive ist vor allem eine engere Anbindung der baltischen Staaten an die europäische Fluglotsen-Zusammenarbeit erstrebenswert. Es müßte auch darüber nachgedacht werden, was man tun kann, um die Luftflotten gerade in den Republiken der ehemaligen Sowjetunion zu modernisieren und die Flugsicherheit zu verbessern; unter anderem müßten die Kenntnisse der gemeinsamen Sprache der Fluglotsen, Englisch, bei den Piloten verbessert werden. Hier tickt unbemerkt eine Zeitbombe, zu deren Entschärfung die Union umgehend gemeinsame Mittel in der Art der Programme TACIS und PHARE zur Verfügung stellen muß. Die Situation ist auch auf nationaler Ebene zu untersuchen. Die Tätigkeit von Eurocontrol und ATM, an der auch Finnland teilweise mitwirkt, hat zweifellos großen Nutzen für die Koordination. Diese Institutionen sind jedoch bisher nicht in der Lage, die Flugleitsysteme ihrer Mitgliedstaaten zu vereinheitlichen und deren Sicherheit zu verbessern. Finnland bleibt als einziger EU-Mitgliedstaat bis auf weiteres außerhalb von Eurocontrol. Der Grund dafür sind Befürchtungen, daß sonst unter anderem die Kosten auf den Inlandsstrecken steigen, der militärische Flugverkehr kontrolliert und die Unterstützung von weniger benutzten Flugplätzen erschwert wird. Finnland, das nördlichste und östlichste Land der EU, ist ziemlich groß, aber dünn besiedelt, so daß die Aufrechterhaltung eines dichten, gut funktionierenden Inlandsflugnetzes für das Land lebensnotwendig ist. Ungeachtet der Konzentration liegt die größte Verantwortung bei jedem einzelnen Staat. Jedes Land muß selbst seine Verantwortung tragen und zum Beispiel die von ihm eingenommenen Streckengebühren zur Gewährleistung eines reibungslosen Verkehrsflusses im eigenen Luftraum investieren. Die Lösung ist nicht nur in einem Forum europäischer Zusammenarbeit zu suchen, sondern bei den Menschen selbst, die unter der Verschmutzung und Lärmbelastung infolge des verstopften Luftraums leiden. Herr Präsident, ich möchte mich den Mitgliedern anschließen, die im Verlauf dieser Debatte dem Kollegen Pam Cornelissen ihre Anerkennung dafür ausgesprochen haben, wie er in den letzten zweieinhalb Jahren den Ausschuß Verkehr und Fremdenverkehr geleitet hat, und was mich angeht, wie er dies in den letzten beiden Jahren getan hat. Bevor ich Kollege Cornelissen traf, war ich dafür bekannt, daß ich den im Englischen manchmal verwendeten Ausdruck "double Dutch" benutzte, und zwar ziemlich abfällig, um ein Kommunikationsdurcheinander zum Ausdruck zu bringen. Nachdem ich jetzt Kollege Cornelissen kenne und zwei Jahre mit ihm zusammenarbeiten durfte, kann ich sagen, daß "double Dutch" für mich von jetzt an auch zweimal so klar und zweimal so klug wie jede andere Erklärung bedeutet - oder zumindest fast immer. Ich behalte mir das Recht vor, zuweilen von meiner eigenen Regel abzuweichen. Ich muß natürlich sofort hinzufügen, daß meine Auffassung von "double Dutch" selbstverständlich auch für Herrn Florus Wijsenbeek gilt. Wie könnte dies anders sein? Ich schätze das Urteil von Herrn Cornelissen und seinen Kollegen in dieser Frage wie auch in anderen und bin daher besonders erfreut, daß der von ihnen erstellte Bericht das Weißbuch der Kommission zum Flugverkehrsmanagement mit dem Titel "Für einen grenzenlosen Himmel über Europa" nachhaltig und umfassend unterstützt. Ich muß dem Haus nicht mitteilen, daß die Weiterentwicklung und Modernisierung des Luftverkehrsmanagements für Millionen von Reisenden in der Europäischen Union und auch von anderswo, die unseren Luftraum benutzen, für Fluggesellschaften, für Flughäfen und auch für jeden, der mit der Flugzeugindustrie zu tun hat, außerordentlich wichtig ist. Ich hoffe daher, daß wir substantielle und rasche Fortschritte bei den notwendigen Verbesserungen aus all den Gründen erwarten können, die von den Mitgliedern, die heute in dieser Debatte das Wort ergriffen haben, so plastisch dargelegt wurden. Da die Zivilluftfahrt in der Union zugenommen hat, derzeit zunimmt und in den nächsten zehn oder fünfzehn Jahren mit großer Dynamik noch mehr zunehmen wird, muß das Luftraummanagement ständig verbessert werden, um einer Überlastung entgegenzuwirken, die Sicherheit in der Zivilluftfahrt aufrechterhalten und noch zu verbessern und die sehr hohen ökologischen und ökonomischen Kosten zu verringern, die, wie mehrere Mitglieder feststellten, sich durch Verspätungen sowohl am Boden als auch in der Luft über der Europäischen Union ergeben. Die Mitglieder wissen, daß die Anstrengungen der letzten Jahre zu einigen erfreulichen Veränderungen seit den Krisen Ende der 80er Jahre geführt haben. Tatsache ist, wie Kollege Cornelissen uns heute abend zu Recht ins Gedächtnis rief, daß die Verspätungen im letzten Jahr wieder zugenommen haben, und dies muß jedem eine Warnung sein, nicht in Selbstgefälligkeit zu verfallen, und es muß auch alle zuständigen Stellen, einschließlich der Regierungen der Mitgliedstaaten, anspornen, auf nachhaltige Verbesserungen bei dem Management des europäischen Luftraums hinzuwirken. Im Rahmen der Bemühungen um eine solche Verbesserung setzt sich die Kommission seit mehreren Jahren dafür ein, daß die Europäische Gemeinschaft in stärkerem Maße direkt in Luftverkehrsmanagementangelegenheiten einbezogen wird, und dieses Argument wurde immer wieder vorgebracht - so weit es die Kommission und dieses Haus anbelangt -, nicht wegen Machtbestrebungen oder Engstirnigkeit, sondern einfach deswegen, um praktische Lösungen für chronische Probleme anzubieten. Dieses Konzept spiegelt sich auch in Tenor und Inhalt des Weißbuchs wider, das wir im März letzten Jahres veröffentlicht haben, und dies kommt auch ganz klar in dem Bericht zum Ausdruck, den wir heute abend diskutieren. Zusammenfassend ist festzustellen, daß in dem von uns erstellten Weißbuch verschiedene allgemein anerkannte Mängel der Regelungen zum Luftverkehrsmanagement auf europäischer Ebene dargestellt werden; es prüfte eine Vielzahl möglicher Lösungen und kam zu der pragmatischen Schlußfolgerung, daß Eurocontrol - das organisatorische Gremium, das derzeit vor allem Luftverkehrsmanagementdienstleistungen anbietet - wichtige neue zusätzliche legislative und regulatorische Aufgaben erhalten sollte. In dem Weißbuch wird auch betont, daß die Gemeinschaft, da viele dieser neuen Verantwortlichkeiten Bereiche umfassen würden, die in ihre Zuständigkeit fallen, Mitglied der neuen Eurocontrol aus eigenem Recht werden sollte. Die Mitglieder des Hauses wissen wohl, daß die Initiative der Kommission zum Luftverkehrsmanagement parallel zu der von der Europäischen Zivilluftfahrt-Kommission durchgeführten INSTAR-Studie entwickelt wurde, an der die Kommission eng beteiligt war und zu der wir auch beträchtliche finanzielle Beiträge geleistet haben. Es wird jetzt allgemein anerkannt, daß beide Initiativen die künftigen europäischen Regelungen für das Luftverkehrsmanagement im Hinblick auf die Abgrenzung der Verantwortlichkeiten, Befugnisse und Strukturen von Eurocontrol maßgeblich beeinflussen werden, und ich bin recht zuversichtlich, daß die Auffassung der Kommission zu den künftigen institutionellen Vorkehrungen für das Luftverkehrsmanagement auf europäischer Ebene mit denen der ECAC verschmolzen werden können, wobei der Verbesserung von Eurocontrol, der Mehrheitsabstimmung zur Gewährleistung eines effektiven Entscheidungsprozesses sowie der Verbesserung der Abstimmung und des Informationsflusses besondere Beachtung geschenkt werden sollen; all diese Fragen sind in der heutigen Debatte von Kollege Cornelissen und anderen aufgeworfen worden - natürlich auch die Beteiligung der Gemeinschaft. Die Kernfrage der Mitgliedschaft der Gemeinschaft in der neuen Eurocontrol, die wiederum Kompetenzfragen aufwirft, ist natürlich noch nicht gelöst worden, wie einige Mitglieder feststellten. Diese Diskussion wird jedoch, wie wir hoffen, im Rat der Verkehrsminister unter der derzeitigen niederländischen Präsidentschaft fortgesetzt, und die Kommission hat vor kurzem einen Verhandlungsentwurf für die Richtlinien erstellt, mit denen die zwei Hauptempfehlungen des Weißbuchs, das ich bereits erwähnt habe, umgesetzt würden. Ich weiß, daß dieses Parlament wie viele andere die Beschlüsse des Rates in der Frage eingehend verfolgen wird, und ich bin daher für den gründlichen und positiven Bericht, den Kollege Cornelissen und seine Mitarbeiter zu den Vorschlägen der Kommission verfaßt haben, um so dankbarer. Das mindesteste, was ich im Zuge der Gegenseitigkeit tun werde, ist der Bitte von Herrn Cornelissen zu entsprechen und das Parlament in vollem Umfang über alle Entwicklungen, die sich vollziehen, zu informieren, weil ich weiß, daß wir die Unterstützung des Parlaments bei unseren Bemühungen zur Gewährleistung der bedeutenden und wichtigen Verbesserungen haben, die bei der Luftverkehrsregelung über der Europäischen Union notwendig sind. Herr Präsident, ich stelle eine ganz klare Frage: Der niederländische Vorsitz möchte offensichtlich, daß die EU der Eurocontrol als solcher beitritt, wohingegen Absatz 17 des Berichts auf eine neue Organisation verweist. Wie steht die Kommission dazu? Kollege Wijsenbeek wird, wenn er unser Weißbuch gelesen hat, wissen, daß wir zu der pragmatischen Schlußfolgerung gelangten, daß allen am besten gedient wäre, wenn die Gemeinschaft sich an einer "neuen Eurocontrol" beteiligen würde. Es ehrt den niederländischen Vorsitz, daß er klar anerkennt und versteht, daß wir von einer neuen Eurocontrol sprechen, die von den Mitgliedstaaten diskutiert wird. Wir hoffen auf die weitere Unterstützung der niederländischen Regierung und insbesondere der Verkehrsministerin Jorritsma bei unseren Bemühungen, die in der ECAC stattfindenden Diskussionen und die in unserem Weißbuch enthaltenen Vorschläge, die meiner Meinung nach vernünftig und produktiv sind, auf einen Nenner zu bringen. Wir freuen uns, daß uns das Haus hierbei unterstützt. Die Aussprache ist geschlossen. Die Abstimmung findet am Donnerstag um 12.00 Uhr statt. Nach der Tagesordnung folgt der Bericht von Herrn Castricum (A4-0419/96) im Namen des Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr über den öffentlichen Verkehr und die staatliche Förderung. Herr Präsident, viele Bürger haben das Gefühl, daß Europa immer mehr zu einer Sache wird, bei der der Markt und die Währung im Mittelpunkt stehen. Sie haben immer weniger Verständnis für eine solche Entwicklung. Je mehr die Vorteile des freien Verkehrs von Personen, Waren und Dienstleistungen als selbstverständlich betrachtet werden, umso stärker scheinen die Nachteile hervorzutreten. Die Liberalisierung des Marktes und die Auswirkungen des Strebens nach einer einheitlichen Währung lassen Unsicherheit und Zweifel aufkommen, die an den Wurzeln der Union nagen. Vor diesem Hintergrund findet auch die Debatte über die öffentlichen Dienste statt, und der öffentliche Verkehr steht dabei nicht an letzter Stelle. Der Initiativbericht, den wir hier erörtern, wurde im Verkehrsausschuß einstimmig angenommen. Diese Unterstützung ließe sich womöglich noch verstärken, wenn wir morgen den einzigen Änderungsantrag des Kollegen Wijsenbeek übernehmen, weshalb ich denn auch dafür bin, dies zu tun. In dem uns vorliegenden Bericht habe ich versucht, über die ideologischen Grenzen hinweg das Primat des Staates und die Möglichkeiten der Marktfunktion in einer mehr harmonisierten Form zusammenzufassen. Ich hoffe, daß mir das im wesentlichen gelungen ist. In vielen Dokumenten und zuletzt noch im Bericht über ein citizens' network hat dies Parlament die gesellschaftliche Bedeutung des öffentlichen Verkehrs hervorgehoben. Eine stärkere Einbeziehung der Europäischen Union liegt auf der Hand, ja, sie ist sozusagen eine logische Folge der Marktvereinigung und der stark zunehmenden und namentlich auch grenzüberschreitenden Mobilität. Eine größere Rolle des öffentlichen Verkehrs ist wirtschaftlich, ökologisch und sozial unbedingt nötig. Zugleich sollten wir uns jedoch darüber klar sein, daß der Anspruch auf Mobilität kein absoluter sein kann. In dem Bericht wird mehr oder weniger deutlich darauf hingewiesen, daß die einzelnen Staaten weiterhin die politische Verantwortung für die öffentlichen Dienste auf sich nehmen müssen, daß ein liberalisierter Markt im öffentlichen Verkehrswesen keinerlei Gewähr für das Funktionieren zusammenhängender Netze bietet, und daß die Interessen der Arbeitnehmer eine zentrale Rolle bei sich verändernden Umständen im öffentlichen Verkehr spielen sollten. Das Kernstück des Dokuments ist der Gedanke, daß der öffentliche Verkehr im breitesten Sinne nicht ohne staatliche Unterstützung auskommt, daß jedoch eine vernünftige Politik besser imstande wäre, das eventuell immer noch vorhandene Loch ohne Boden zu stopfen. Der Bürger hat Anspruch auf öffentliche Dienstleistungen, und dazu gehört der öffentliche Verkehr. Derselbe Bürger hat auch einen Anspruch darauf, daß keine Mühe gescheut wird, diese Dienste verantwortlich zu verwalten und auszuführen. Finanzspritzen sollten auf Resultate hinzielen. Die erforderlichen Sanierungen müssen auf eine sozial verantwortliche Art geschehen. Bei alledem sollte nicht außer Acht gelassen werden, daß Studien wiederum gezeigt haben, daß es sehr verschiedenartige Formen der Unterstützung für den öffentlichen Verkehr in den Mitgliedstaaten der Union gibt. Es wäre gut, wenn man versuchen würde, vergleichbare Daten zu sammeln und anhand dieser zu überlegen, ob nicht das, was jetzt so häufig noch unvergleichbare Größen sind, auf eine mehr einheitliche Linie gebracht werden kann. So würde man langsam aber sicher dahin gelangen, wo Markt und Währung ihren eigenen Stellenwert haben, die Interessen der Bürger und die Verantwortung der Staaten aber trotzdem den Mittelpunkt bilden. Abschließend möchte ich dem Verkehrsausschuß für seine konstruktive Behandlung meines Berichtsentwurfs danken und auch all denjenigen, die durch ihre Mitarbeit und Kreativität ihr Scherflein zu seinem Inhalt beigetragen haben. Ich schließe mich mit Vergnügen den Worten an, die dem Kollegen Cornelissen und seiner Leitung des Verkehrsausschusses während der ersten zweieinhalb Jahre dieser Wahlperiode galten. Herr Präsident, meines Erachtens liefert Herr Castricums Bericht einen guten Beitrag zur Debatte über den öffentlichen Verkehr. Hier im Parlament beraten wir des öfteren über den Komplex öffentliche Dienstleistungen und öffentlicher Verkehr. In einer Reihe von Berichten wurde dies als Teil der den Bürgern zur Verfügung stehenden Netze festgeschrieben. Der Bericht handelt also nicht davon, inwieweit Beihilfen gewährt werden können, sondern mehr davon, in welcher Weise dies erfolgen sollte, nachdem eine Beschluß zur Subventionierung des öffentlichen Verkehrs ergangen ist. Generell läßt sich sagen, daß automatisch gewährte staatliche Beihilfen ein ums andere Mal Monopolbildung und -erhaltung zur Folge haben und deshalb vermieden werden sollten. Bekanntlich bewegen wir uns ja auch in dieser Richtung. Es gilt jedoch festzuhalten, daß der öffentliche Verkehr nicht in allen Fällen von Überversorgung geprägt ist. Große Teile des Verkehrsmarktes sind liberalisiert. Dies bedeutet, daß vor allem in den dünnbesiedelten Gebieten die Versorgung mit öffentlichen Verkehrsmitteln mancherorts ein Problem darstellt. Nicht in allen Regionen der EU ist hierfür schon ein Lösungsmodell gefunden. Mit seiner Annahme dieses Berichts macht das Parlament deutlich, daß man, will man dieses Serviceangebot aufrechterhalten, die Versorgung mit öffentlichen Verkehrsmitteln sicherstellen muß. Indessen muß die Forderung lauten: Die öffentlichen Verkehrsaktivitäten müssen transparent sein und dürfen nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führen. Meines Erachtens liegt die Hürde, die da hieß, alles zu privatisieren und denn Marktgesetzen zu unterwerfen, hinter uns. Wir bekennen uns jetzt ausdrücklich zur öffentlichen Dienstleistung und öffentlichen Aufgaben, und hierüber bin ich sehr froh. Ich beglückwünsche Herrn Castricum nochmals zu seinem Bericht. Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte im Namen unserer Fraktion ganz herzlich dem Kollegen Castricum für den Berichtsentwurf danken. Ich glaube, es ist ein exzellenter Bericht, mit dem das Europäische Parlament seine grundsätzliche Auffassung formuliert über die Verkehrsdienstleistung, für die Städte, Regionen und Mitgliedstaaten im Interesse der Bürger Sorge zu tragen haben, und über die staatliche Förderung, die zur Erbringung dieser öffentlichen Verkehrsdienstleistungen gegebenenfalls erforderlich ist. Wir Christdemokraten stimmen mit den anderen Fraktionen des Hauses darin überein, daß die Städte, Regionen und Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die Aufgaben des öffentlichen Personennahverkehrs oder des öffentlichen regionalen Verkehrs im Interesse der Allgemeinheit zu definieren und für deren Durchsetzung zu sorgen. Gottlob haben sich die Sozialdemokraten dazu durchgerungen, daß diese öffentlichen Verkehrsdienstleistungen aber keineswegs unbedingt von staatlichen Unternehmen zu erbringen sind. Vielmehr sollten Städte und Regionen die Verkehrsdienstleistungen ausschreiben und das Unternehmen - sei es staatlich, sei es privat - damit beauftragen, das die wirksamste, nutzerfreundlichste und kostengünstigste Erfüllung anbietet und auch tatsächlich erbringt. Wenn sich dieses Haus über diese Grundsätze einig ist, und ich hoffe, Herr Kommissar, daß auch die Kommission diese Grundsätze nicht bestreitet, dann können wir als Christdemokraten allerdings, anders als die Sozialdemokraten, nicht die Notwendigkeit sehen, daß die Regierungskonferenz einen besonderen Artikel formuliert und zur Ergänzung in den Maastrichter Vertrag aufnimmt, der ganz generell die öffentliche Dienstleistung definieren soll. Ferner sehen wir auch kein öffentliches Interesse dafür, daß die Kommission neue Rechtsvorschriften erläßt. Ich bin sehr gespannt, ob der Kommissar der Auffassung ist, daß wir als Europäische Kommission und Europäische Gemeinschaft unbedingt neue Rechtsvorschriften erlassen müssen. Ich glaube, daß das Prinzip der Subsidiarität gerade gegen neue europäische Vertragsartikel und Rechtsvorschriften spricht. Wir sind andererseits als Christdemokraten mit den anderen Fraktionen des Hauses darin einig, daß der Betrieb des öffentlichen Verkehrs weitgehend über den Fahrpreis finanziert werden muß und daß, sofern eine öffentliche Förderung doch erforderlich ist zur Abdeckung von Defiziten, diese leistungsgebunden sein muß und jedem Anbieter, sei es ein staatliches oder sei es ein privates Verkehrsunternehmen, offenstehen muß. Soweit besondere Infrastruktur für den öffentlichen Nahverkehr geschaffen werden muß, kann diese durchaus durch öffentliche Auftraggeber gebaut und vorgehalten werden, für deren Nutzung - und da stimmen wir Herrn Castricum völlig zu - der Betreiber dann ein angemessenes Entgelt zu entrichten hat. Ich glaube, wir im Hause sind uns über die Grundsätze im wesentlichen einig. Deshalb warten wir auf die Ausführungen des Kommissars, um zu wissen, ob auch die Europäische Kommission mit dem vorzüglichen Entwurf des Kollegen Castricum einverstanden ist. Herr Präsident, dieser Bericht wird vom Ausschuß für Verkehr und Fremdenverkehr auf breiter Ebene und sogar einhellig unterstützt. Wir haben ihn eigentlich auch als eine Ergänzung betrachtet, denn er überschneidet sich in gewisser Hinsicht mit dem "citizens' network " Bericht, den ich die Ehre hatte, bei der November-Tagungsperiode vorlegen zu dürfen. Trotz der Tatsache, daß der Kollege Castricum zur Unterstützung meines Änderungsantrags bereit ist, wofür ich ihm sehr dankbar bin, sehe ich einen kleinen Unterschied in unserer beider Betrachtungsweise. Erstens sollten wir nicht doch eine - ich möchte fast sagen - systematische Subventionierung anstreben? Zweitens, wie weit reicht die - man könnte fast sagen - Verpflichtung, öffentliche Dienste und öffentliche Verkehrsmittel anzubieten? Ich glaube, wir hatten auch im Grünbuch "citizens' network" festgestellt, daß es im Grunde genommen in bestimmten Fällen besser wäre, gewisse Gebiete vom öffentlichen Verkehr auszunehmen und eher mit privaten Verkehrsmitteln zu versorgen, die je nach Bedarf einsetzbar sind und eventuell auch auf eine gewisse staatliche Beihilfe rechnen können. Auf jeden Fall glaube ich, daß wir auf bestimmten Gebieten einer Meinung sind und auch darüber, daß man sich fragen sollte, wie weit so ein Netz reichen muß, wenn es subventioniert werden soll, und was ein Netz eigentlich ist. Denn das ist ein sehr dehnbarer Begriff, und ein Netz könnte entweder das gesamte Netz eines Mitgliedstaates sein oder auch nur eine bestimmte Verbindung innerhalb dieses Staates, die zur Aufrechterhaltung eines Netzes erforderlich ist. Herr Präsident, die Unterstützung jeder Maßnahme, mit der ein öffentlicher Universaldienst ermöglicht wird, also ein öffentliches Verkehrssystem, zu dem alle Bürger garantiertermaßen Zugang haben, und der auch gesellschaftlichem Interesse entspricht, muß eines der Hauptziele der gemeinschaftlichen Verkehrspolitik sein. Dieser öffentliche Dienst, der von staatlicher oder privater Seite erbracht werden kann, muß Regeln unterliegen, die von den Staaten aufgestellt und garantiert werden, wobei Aufbau und Ausbau eines effizienten, sicheren und reizvollen integrierten Verkehrssystems ermöglicht werden sollen, mit einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis, damit der Bürger von den tatsächlichen möglichen Vorteilen der Benutzung des öffentlichen Verkehrssystems überzeugt werden kann. Es sei darauf hingewiesen, daß im Unionsvertrag selbst die Unternehmen explizit angehalten werden, einen Dienst im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse anzubieten. Es wäre daher vielleicht angebracht, bei der noch für dieses Jahr anstehenden Revision des Vertrags diese Garantie ausdrücklich auf den öffentlichen Dienst auszudehnen. Herr Präsident, ich möchte auf die Bedeutung des öffentlichen Verkehrs für Randregionen und ländliche Gebiete hinweisen, Gebiete also, die an sich schon weniger entwickelt sind und ganz besonders mit Blick auf öffentliche Verkehrssysteme unzureichend ausgestattet sind. Es geht also darum, die öffentlichen Verkehrsnetze so auszudehnen, daß sie auch Randregionen und ländliche Gebiete gut versorgen, die zwar weniger spektakulär sind, für ihre Bürger jedoch von lebenswichtiger Bedeutung sind. Hierzu, und damit komme ich zum Schluß, ist es unbedingt erforderlich, daß die Kommission die Lage ständig im Auge behält und entschlossen die Beihilfen überprüft, die jeder Staat im Verkehrsbereich erhält, um so in gerechter Weise Auswirkungen und Wirksamkeit dieser Beihilfen bewerten zu können. Herr Präsident, Herr Kommissar, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es besteht so viel Einigkeit zu diesem sicherlich ganz ausgezeichneten Bericht des Herrn Castricum, daß ich nicht lange aufhalten möchte. Dieser Bericht zeigt auch die Fortentwicklung, die nicht nur auf verkehrspolitischem Gebiet, sondern auch bei der Einschätzung von staatlichen Leistungen bzw. privaten Leistungen generell vorliegt. Vor wenigen Jahren hat das noch unter der Alternative "Markt gegen Staat" oder "Markt oder Staat" gestanden. Heute, und das zeigt dieser Bericht ganz deutlich, geht es doch darum, Markt und Staat optimal zu kombinieren, um optimale Leistungen zu erreichen. So wie klar ist, daß sich Dienstleistungen an einem Markt orientieren müssen, so ist es ebenfalls klar, daß wir ganz ohne Subventionen und ganz ohne öffentliche Aufträge nicht auskommen werden. Das gilt ganz besonders im Verkehr, ob es im städtischen Bereich, im regionalen Bereich oder im Überlandbereich ist. Dazu noch einige Bemerkungen: Auch öffentliche Unternehmer müssen zur Kenntnis nehmen, daß sie für einen Markt produzieren müssen. Das ist oft nicht der Fall gewesen. Öffentliche Unternehmen müssen sich reformieren. Nur dann können Sie erwarten, daß der Bürger sie akzeptiert. Sie müssen einiges dazu leisten. Wenn ich an Eisenbahnunternehmer gerade auch in meiner eigenen Heimat denke: Sie müssen ihre Grundstücke, die sie haben, auch verwerten. Sie können nicht darauf sitzen bleiben und erwarten, daß ihnen gleichzeitig die öffentliche Hand, sprich die Bürger, Geld gibt, damit sie Subventionen einstecken können. Und die öffentliche Hand, das ist das zweite, muß den Grundsatz beachten, daß ihre Leistungen so gegeben werden müssen, daß sie incentives beinhalten, daß die Leistung eher abgebaut wird, daß die öffentlichen Unternehmungen es nicht als selbstverständlich hinnehmen, daß sie jedes Jahr eine bestimmte Summe bekommen und möglichst eine größere Summe im nächsten Jahr. In diesem Sinne zeigt der Bericht grundsätzlich einen guten Weg auf, den man zusätzlich noch in einem Artikel begründet und inhaltlich definiert festlegen kann, aber entscheidender als grundsätzliche Artikel ist die Praxis. Wenn sich Europa nach dieser Praxis richtet, wird das ein sehr guter Weg werden. Herr Präsident! Wie meine Vorredner möchte ich damit beginnen, dem Vortragenden, Herrn Castricum, für die Arbeit zu danken, die er in diesen Bericht investiert hat. Drei Sachen möchte ich für die Diskussion über den öffentlichen Verkehr als besonders wichtig betonen. Die erste mag trivial erscheinen, aber wir können in der Tat feststellen, daß der öffentliche Verkehr äußerst wichtig ist. Er ist eine Möglichkeit, mit Überlastungen und Umweltproblemen zurechtzukommen, was allerdings zur Voraussetzung hat, daß z. B. der öffentliche Verkehr zur Verfügung steht. Er muß da sein, wenn man ihn braucht, sonst wird er nie zu einer Alternative für den privaten Autoverkehr. Er muß auch billig sein oder zumindest einen wettbewerbsfähigen Preis haben. Sonst wird er von den Reisenden nicht in Anspruch genommen werden. Die zweite Sache, die für den öffentlichen Verkehr wichtig ist, ist der Wettbewerb. Öffentlicher Verkehr ist viel zu selten dem Wettbewerb durch anderen öffentlichen Verkehr oder durch andere Betreiber auf dem Gebiet des öffentlichen Verkehrs ausgesetzt. Dieser Wettbewerb muß gefördert werden. Drittens ist es wichtig, daß wir voneinander lernen. Es gibt große Unterschiede zwischen den Mitgliedsländern, was den Umfang betrifft, in dem der öffentliche Verkehr subventioniert wird, was vielleicht darauf beruht, daß die Dienstleistungen auf sehr unterschiedliche Art und Weise gekauft werden. Die Durchschnittskosten für beispielsweise den Verkehr von Linienbussen in Schweden liegen bei 46 Prozent. Sie sind wesentlich höher in Belgien oder in den Niederlanden. Das braucht man in wirtschaftlich schwierigen Zeiten in der gesamten EU nicht zu akzeptieren. Wenn wir diese Forderungen erfüllen können, dann bin ich überzeugt, daß der öffentliche Verkehr in Zukunft eine große und bedeutend aktivere Rolle spielen wird. Es lohnt sich jedoch zu betonen, daß wir diese Ziele nur dadurch erreichen, daß wir den öffentlichen Verkehr besser und effektiver machen, nicht dadurch, daß wir die Autofahrer über die Steuer bestrafen. Ich möchte zunächst die Initiative des Parlaments begrüßen, einen Bericht des Kollegen Castricum, der wirklich ausgezeichnet ist, vorzulegen, der er einen umfassenden und zeitgerechten Überblick über das wichtige Thema der Finanzierung des öffentlichen Verkehrs in der Union enthält. Jedem ist klar, daß zur Erreichung der Ziele der gemeinsamen Verkehrspolitik ein qualitativ hochwertiges öffentliches Verkehrswesen, das eine echte Alternative zum Individualverkehr darstellt, absolut notwendig ist, und es ist ebenso offensichtlich, daß Verbesserungen der Effizienz des öffentlichen Verkehrswesens und der Transparenz der staatlichen Verkehrsfinanzierung daher im wirtschaftlichen, sozialen und umweltpolitischen Interesse der Gemeinschaft insgesamt liegen. Das Haus weiß - und Kollege Castricum und auch Kollege Wijsenbeek haben uns daran erinnert -, daß wir uns bemüht haben, dies im Grünbuch der Kommission zum Bürgernetz zum Ausdruck zu bringen, das etwa um diese Zeit im letzten Jahr veröffentlicht wurde und in dem eine umfassende Strategie zur Verwirklichung des Potentials des öffentlichen Verkehrs und unter anderem zur Berücksichtigung der Notwendigkeit, einige bestehende Regeln, auch zur Finanzierung, zu überprüfen, dargelegt wird. Das Weißbuch zu einer Strategie zur Revitalisierung der Eisenbahn analysierte ebenfalls, welche Verbesserungen bei dem System erforderlich sind, mit dem die Eisenbahn größtenteils finanziert wird, damit sie ihre Rolle in unserem öffentlichen Verkehrssystem erfolgreich ausbauen kann. Drittens, als weiteres Beispiel für die gemeinsamen Ziele und gemeinsamen Überlegungen der Kommission und des Parlaments wurde in unserer jüngsten Mitteilung zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse das Verkehrswesen modellhaft für einen Sektor genannt, in dem die Gemeinschaft ein konkretes Konzept verabschiedet hat, das den Bedürfnissen der öffentlichen Dienstleistungen Rechnung trägt. Aus Zeitgründen möchte ich sehr kurz darlegen, wie die Kommission die allgemeine Frage der Finanzierung des öffentlichen Verkehrs sieht, bevor ich mich konkreter zu dem uns heute vorliegenden Bericht äußere. Erstens sollten wir, wie der Bericht des Kollegen Castricum deutlich macht, nicht vergessen, daß viele exzellente öffentliche Verkehrsdienste in privatem und staatlichem Besitz ohne irgendwelche finanzielle Unterstützung durch öffentliche Mittel zur Verfügung gestellt werden. Mit Dienstleistungen, die gut konzipiert, gut verwaltet und für Reisende erschwinglich sind, werden wahrscheinlich eher einen Fahrpreis zahlende Passagiere in der Zahl gewonnen, die zur Kostendeckung notwendig ist. Auf diesen grundlegenden, aber wichtigen Punkt weisen wir in dem Grünbuch zum Bürgernetz hin. Es gibt aber dennoch andere Fälle, in denen öffentliche Stellen zu Recht die Auffassung vertreten, daß ein öffentliches Bedürfnis für eine Dienstleistung besteht, die aus rein kommerziellen Erwägungen in städtischen Bereichen nicht notwendigerweise praktikabel ist und, wie einige Mitglieder in der Debatte gesagt haben, auch in ländlichen Gebieten. In solchen Fällen ist es ganz sicher richtig und notwendig, daß staatliche Stellen einige von Betreibern zur Verfügung gestellte Dienstleistungen des öffentlichen Verkehrs finanzieren, und es muß betont werden, daß eine solche Finanzierung keine staatliche Hilfe im strengen Sinne darstellt. Die Entscheidung darüber, ob solche Dienstleistungen finanziert werden sollen oder nicht, wird aus all den genannten offenkundigen Gründen am besten von zuständigen und rechenschaftspflichtigen Behörden in den Mitgliedstaaten getroffen. Aber auch die Kommission hat klar umrissene Verantwortlichkeiten. Erstens, einen Rechtsrahmen festzulegen, der den Gegebenheiten entspricht, dem sich der öffentliche Verkehr in der gesamten Europäischen Union gegenübersieht. Zweitens, die Bestimmungen festzulegen, die notwendig sind, um zu gewährleisten, daß Zahlungen für öffentliche Dienstleistungen nicht als versteckte und unerklärte Methode benutzt werden, um durch Ineffizienz verursachte Verluste zu decken, und daß eine solche Unterstützung angemessen und daß "transparente" Mittel für wesentliche spezifizierte Dienstleistungen für die Gesellschaft insgesamt zur Verfügung gestellt werden. Ebenso ist es oft richtig, daß öffentliche Stellen zu den Kosten öffentlicher Verkehrsinfrastrukturprojekte beitragen, da klar ist, daß die Benutzer zwar in vielfältiger Weise direkt und indirekt Zahlungen für die Verkehrsinfrastruktur, die sie nutzen, leisten, aber diese Zahlungen nicht immer ausreichen, um die Gesamtkosten zu decken. Was die Finanzierung durch die Mitgliedstaaten angeht, so sollte die staatliche Hilfe zum Ausbau des öffentlichen Verkehrswesens im allgemeinen Interesse beitragen, und die Kommission teilt die Auffassung des Entschließungsentwurfs hinsichtlich einer Erhöhung der Transparenz bei der Finanzierung des öffentlichen Verkehrswesens, insbesondere durch die Verbesserung der Daten, die in dem jährlichen Wettbewerbsbericht und in Berichten über die staatliche Hilfe zur Verfügung gestellt werden. Aus zeitlichen Gründen kann ich nicht eingehend auf den Bericht des Kollegen Castricum antworten, möchte aber auf den konkreten Vorschlag eingehen, in den Vertrag einen Artikel aufzunehmen, der sich speziell mit öffentlichen Dienstleistungen befaßt, eine Angelegenheit, die heute abend erneut von Kollege Castricum und auch von Kollege Jarzembowski angesprochen wurde. Ich muß dem Haus mitteilen, daß die Kommission die Auffassung nicht teilt, daß eine neue Rechtsgrundlage in der vorgeschlagenen Art notwendig ist. In unserer Mitteilung zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse sprachen wir uns statt dessen dafür aus, daß ein Hinweis in Artikel 3 des jetzigen Vertrags dahingehend eingefügt werden sollte, daß eine spezifische Tätigkeit der Gemeinschaft einen Beitrag zur Förderung der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse leisten soll. Dieses Konzept gilt sicherlich im Falle des Verkehrs, wo das richtige Gleichgewicht zwischen Liberalisierung und allgemeinem Interesse nicht nur durch Artikel 90 des Vertrags in seiner jetzigen Fassung, sondern auch durch den sektorbezogenen Artikel 77 hergestellt wird. Ich hoffe, das Haus wird nach eingehender Überlegung zu der Auffassung gelangen, daß dies der praktischste Ansatz ist, das in dem Entschließungsentwurf dargelegte Ziel zu erreichen, ein Ziel, das im großen und ganzen meine Zustimmung findet. Ganz allgemein kann ich dem Ausschuß versichern, daß die Kommission sich ständig bemüht, die bestehenden Regeln betreffend das öffentliche Verkehrswesen zu verbessern und möglichst zu vervollständigen. Unter voller Achtung des Subsidiaritätsgrundsatzes berücksichtigen wir natürlich auch die Probleme, die in Grenzregionen und anderen Regionen mit besonderen Verkehrserfordernissen entstehen können. Wie viele andere, die sich an dieser Debatte beteiligen, sind meine Kollegen und ich der Auffassung, daß der öffentliche Verkehr bei der Bewältigung der Probleme der Verkehrsstaus, der Umweltverschmutzung und der Verkehrssicherheit eine wesentliche Rolle zu spielen hat, und die richtigen Regeln dafür festzulegen, ist augenscheinlich ein wesentlicher Aspekt der Bemühungen um die Erreichung dieses Zieles. Dies ist ein weiterer Grund, den Bericht des Kollegen Castricum zu begrüßen, und daher empfehle ich ihn dem Haus wärmstens. Die Aussprache ist geschlossen. Die Abstimmung findet morgen um 12.00 Uhr statt. (Die Sitzung wird um 0.15 Uhr geschlossen.)