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Urteilskopf 121 III 219 46. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 25. April 1995 i.S. SBG gegen BK Vision AG (Berufung)
Regeste Genehmigte und bedingte Kapitalerhöhung bei der Aktiengesellschaft. Kompetenzverteilung zwischen Generalversammlung und Verwaltung in bezug auf den Entscheid über Entzug oder Einschränkung des Bezugs- bzw. Vorwegzeichnungsrechts (Art. 650 Abs. 2 Ziff. 8, Art. 651 Abs. 3, Art. 652b, 653, 653b und c, 698 Abs. 2 Ziff. 6 und Art. 704 Abs. 1 Ziff. 6 OR ). Verhältnis von Gesetzesauslegung, inbesondere teleologischer Reduktion, zur Lückenfeststellung (E. 1d/aa). Grundsätzliche Zulässigkeit der Kompetenzdelegation an den Verwaltungsrat hinsichtlich des Entscheids über den Ausschluss vom Bezugs- oder Vorwegzeichnungsrecht (E. 1 u. 5). Anforderungen an die Konkretisierung der Entzugsgründe im Delegationsbeschluss der Generalversammlung (E. 2 u. 5). Finanzierung von Übernahmen und Beteiligungen als wichtiger Grund für den Bezugsrechtsausschluss (E. 3). Zulässigkeit der Kompetenzdelegation an den Verwaltungsrat, über die Verwendung entzogener oder nicht ausgeübter Bezugsrechte zu entscheiden (E. 4).
Sachverhalt ab Seite 220 BGE 121 III 219 S. 220 Die Generalversammlung der Schweizerischen Bankgesellschaft (SBG) stimmte am 29. April 1993 folgenden Anträgen des Verwaltungsrats zu: 4. Schaffung eines genehmigten und eines bedingten Aktienkapitals 4.1. Schaffung eines genehmigten Aktienkapitals von 200 Millionen Franken nominal, Ergänzung der Statuten mit einem neuen § 3c Der Verwaltungsrat beantragt, die Statuten durch einen neuen § 3c mit folgendem Wortlaut zu ergänzen: BGE 121 III 219 S. 221 "Der Verwaltungsrat ist ermächtigt, bis zum 30. April 1995 das Aktienkapital durch Ausgabe von höchstens 1'666'666 voll zu liberierenden Inhaberaktien von je Fr. 100.-- Nennwert und höchstens 1'666'670 voll zu liberierenden Namenaktien von je Fr. 20.-- Nennwert (Stimmrechtsaktien) im Maximalbetrag von 200 Millionen Franken zu erhöhen. Eine Erhöhung in Teilbeträgen ist gestattet. Die neuen Namenaktien unterliegen den Übertragungsbeschränkungen gemäss § 3a der Statuten. Der Ausgabepreis, der Zeitpunkt der Dividendenberechtigung und die Art der Sacheinlage werden vom Verwaltungsrat bestimmt. Diese Aktien sind zur Plazierung bei den bisherigen Aktionären vorgesehen. Der Verwaltungsrat ist jedoch berechtigt, das Bezugsrecht der Aktionäre auszuschliessen und Dritten zuzuweisen im Falle der Verwendung von Aktien für die Übernahme von Unternehmen, Unternehmensteilen Beteiligungen oder im Falle einer Aktienplazierung für die Finanzierung derartiger Transaktionen. Aktien, für die Bezugsrechte eingeräumt, aber nicht ausgeübt werden, stehen zur Verfügung des Verwaltungsrats, der diese im Interesse der Gesellschaft verwendet." 4.2. Schaffung eines bedingten Aktienkapitals von 100 Millionen Franken nominal, Ergänzung der Statuten mit einem neuen § 3d Der Verwaltungsrat beantragt, die Statuten durch einen neuen § 3d mit folgendem Wortlaut zu ergänzen: "Das Aktienkapital der Gesellschaft wird durch die Ausgabe von höchstens 600'000 voll zu liberierenden Inhaberaktien von je Fr. 100.-- Nennwert und höchstens 2'000'000 voll zu liberierenden Namenaktien von je Fr. 20.-- Nennwert (Stimmrechtsaktien) im Maximalbetrag von 100 Millionen Franken erhöht durch Ausübung von Options- oder Wandelrechten, welche in Verbindung mit Anleihensobligationen der Gesellschaft oder einer ihrer Tochtergesellschaften eingeräumt worden sind, oder durch Ausübung von Bezugsrechten im Rahmen der Mitarbeiterbeteiligung. Das Bezugsrecht der Aktionäre ist ausgeschlossen. Der Erwerb von Namenaktien durch die Ausübung von Options- oder Wandelrechten oder Bezugsrechten der Mitarbeiter sowie die weitere Übertragung der Namenaktien unterliegen den Übertragungsbeschränkungen gemäss § 3a der Statuten. Der Verwaltungsrat kann bei der Ausgabe von Options- oder Wandelanleihen das Vorwegzeichnungsrecht der Aktionäre aufheben. In diesem Fall sind Struktur, Laufzeit und Betrag der Anleihe sowie die Options- oder Wandelbedingungen durch den Verwaltungsrat entsprechend den Marktbedingungen im Zeitpunkt der Begebung festzulegen. Die Bedingungen der Mitarbeiterbeteiligung sind durch den Verwaltungsrat festzulegen." Die BK Vision AG, welche die Übernahme und den Verkauf sowie die Verwaltung von Beteiligungen an Banken und anderen Finanzgesellschaften bezweckt, hielt per 30. April 1993 über drei Millionen Namen- sowie über BGE 121 III 219 S. 222 hunderttausend Inhaberaktien der SBG. Mit Klage vom 29. Juni 1993 focht sie die unter Traktandum 4 von der Generalversammlung gefassten Beschlüsse beim Handelsgericht des Kantons Zürich als ungültig an; eventuell beantragte sie die Feststellung der Nichtigkeit. Mit Urteil vom 15. September 1994 hiess das Handelsgericht die Klage dahingehend gut, dass es die angefochtenen Beschlüsse ungültig erklärte und mit rückwirkender Kraft aufhob. Die Beklagte hat dieses Urteil mit Berufung angefochten, die vom Bundesgericht teilweise gutgeheissen wird. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Das Handelsgericht ist zum Ergebnis gelangt, die Delegation des Entscheids über Aufhebung oder Einschränkung des Bezugsrechts von der Generalversammlung an den Verwaltungsrat verstosse gegen Art. 698 Abs. 2 Ziff. 6 in Verbindung mit Art. 650 Abs. 2 Ziff. 8 und Art. 651 Abs. 3 OR . Nach seiner Auffassung muss auf den klaren Gesetzeswortlaut abgestellt werden und sind die Voraussetzungen einer Normberichtigung zufolge einer unechten Gesetzeslücke nicht gegeben. Das Handelsgericht betrachtet zudem die Rechtsprechung des Bundesgerichts zum alten Aktienrecht ( BGE 117 II 290 E. 4e) als unmassgeblich. Mit der Berufung wird geltend gemacht, die Betrachtungsweise des Handelsgerichts verletze Bundesrecht. a) Nach altem Aktienrecht war bei der Ausgabe neuer Aktien jeder Aktionär berechtigt, einen seinem bisherigen Aktienbesitz entsprechenden Anteil der neuen Aktien zu beanspruchen, soweit nicht die Statuten oder der Beschluss über die Kapitalerhöhung etwas anderes bestimmten (Art. 652 aOR). Diese Vorschrift war nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts so auszulegen, dass einerseits das Bezugsrecht nicht unter die Kategorie der wohlerworbenen Rechte des Aktionärs fiel und anderseits sein ausserstatutarischer Entzug nicht im Belieben der Generalversammlung stand, sondern eine sachliche Rechtfertigung und die Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes sowie des Prinzips der schonenden Rechtsausübung voraussetzte ( BGE 117 II 290 E. 4e S. 300 mit Hinweisen). Nach der Rechtsprechung stand der Beschluss über den Ausschluss der Aktionäre vom Bezugsrecht zwar formell der Generalversammlung zu, strukturmässig sprach aber im Grundsatz nichts dagegen, den endgültigen Entscheid darüber der Verwaltung zu überlassen. Entsprechend wurde die BGE 121 III 219 S. 223 Kompetenzdelegation unter Vorbehalt von Gesetzesumgehungen oder anderen Missbrauchstatbeständen als zulässig betrachtet ( BGE 117 II 290 E. 4e/cc S. 302 ff. mit Hinweisen). Damit wurde der Aktiengesellschaft ermöglicht, einerseits der rigiden altrechtlichen Ordnung der Kapitalerhöhung auszuweichen und anderseits die mit der Bezugsrechtsfrage verbundene Interessenabwägung dem Verwaltungsrat zu überlassen, womit die unternehmerisch gebotene Flexibilität der Entscheidung in zeitlicher wie wettbewerblicher Hinsicht gewährleistet war. b) Zu den Zielen der am 1. Juli 1992 wirksam gewordenen Aktienrechtsreform (AS 1992 733) zählen unter anderem die Verstärkung des Aktionärsschutzes, auch hinsichtlich des Bezugsrechts, und die Erleichterung der Kapitalbeschaffung für die Gesellschaft (Botschaft des Bundesrats vom 23. Februar 1983, BBl 1983 II 745 ff., 767; SCHMID, Übersicht über das revidierte Aktienrecht, recht 1992, S. 77 ff., S. 78; BÖCKLI, Das neue Aktienrecht, S. 2 Rz. 5 ff.). Das Bezugsrecht der Aktionäre ist nach dem Gesetzeswortlaut dadurch verstärkt worden, dass es zum einen nicht mehr durch generelle statutarische Anordnung, sondern bloss noch mit qualifiziertem Mehrheitsbeschluss der Generalversammlung im Einzelfall (Art. 650 Abs. 2 Ziff. 8 in Verbindung mit Art. 704 Abs. 1 Ziff. 6 OR ) und zum andern nur aus wichtigen Gründen und unter Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes aufgehoben werden kann ( Art. 652b Abs. 2 OR ). Die Kapitalbeschaffung ist im wesentlichen mit der Einführung des genehmigten und des bedingten Kapitals erleichtert worden ( Art. 650 ff. OR ). Das genehmigte Kapital beruht auf einer Kompetenzteilung zwischen der Generalversammlung und dem Verwaltungsrat. Im Gegensatz zur ordentlichen Kapitalerhöhung autorisiert die Generalversammlung bloss eine eventuelle Erhöhung des Aktienkapitals, beschliesst deren Möglichkeit und ermächtigt den Verwaltungsrat, den Entscheid über die Durchführung, den Zeitpunkt und die Bedingungen der Ausgabe neuer Aktien innerhalb des gesetzten Rahmens nach seinem Ermessen zu fällen. Das schwerfällige, eine rasche Kapitalbeschaffung oft behindernde einstufige Verfahren der ordentlichen Kapitalerhöhung wird bei der genehmigten Kapitalerhöhung zur Vermeidung dieser Nachteile durch ein mittels Kompetenzdelegation zweistufig gestaltetes Verfahren ersetzt. c) Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen bei der genehmigten Kapitalerhöhung eine Delegationsbefugnis der Generalversammlung BGE 121 III 219 S. 224 hinsichtlich des Entscheids über die Aufhebung oder Beschränkung des Bezugsrechts besteht, wird in der Literatur nicht einheitlich beantwortet. Die Divergenz ergibt sich im wesentlichen aus einer unterschiedlichen Gewichtung der erwähnten Reformziele, das heisst der Verstärkung der Aktionärsrechte einerseits und der Flexibilität der Kapitalbeschaffung anderseits. Für eine Prävalenz der Aktionärsrechte und damit gegen die Zulässigkeit der Delegation sprechen sich namentlich aus: ZOBL (Rechtliche Probleme im Zusammenhang mit der Schaffung von Vorratsaktien, SZW 63/1991, S. 1 ff., S. 6 Fn. 39), THOMAS VON PLANTA (Der Schutz der Aktionäre bei der Kapitalerhöhung, Diss. Basel 1992, S. 25 und 87), HÜNERWADEL (Vorratsaktien im Lichte des revidierten Aktienrechts, SZW 65/1993, S. 37 ff., S. 38) und VON GREYERZ (Ordentliche und genehmigte Kapitalerhöhung, SAG 55/1983, S. 94 ff., S. 99). Die Flexibilität der Kapitalbeschaffung stellen demgegenüber unter grundsätzlicher Bejahung der Delegationsbefugnis in den Vordergrund: BÖCKLI (a.a.O., S. 81 Rz. 280 ff.), FORSTMOSER (Zulässigkeit des Festübernahmeverfahrens für Kapitalerhöhungen unter neuem Aktienrecht?, SZW 65/1993, S. 101 ff., S. 105 f.), OR-ZINDEL/ISLER (N. 8/9 zu Art. 652b OR ), ISLER (Ausgewählte Aspekte der Kapitalerhöhung, AJP 1992, S. 726 ff., S. 730 Fn. 24), NOBEL (Bezugsrecht und Bezugsrechtsausschluss, AJP 1993, S. 1171 ff., S. 1176) und REYMOND (Suppression et protection du droit de souscription préférentiel dans le nouveau droit de la société anonyme, SZW 66/1994, S. 153 ff., S. 156 f.). d) Das Handelsgericht entnimmt Art. 651 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 650 Abs. 2 Ziff. 8 und Art. 698 Abs. 2 Ziff. 6 OR durch Auslegung eine zwingende Kompetenzzuweisung an die Generalversammlung und verneint - wie bereits festgehalten - das Vorliegen einer korrekturfähigen unechten Gesetzeslücke. aa) Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Auszurichten ist die Auslegung auf die ratio legis, die zu ermitteln dem Gericht allerdings nicht nach seinen eigenen, subjektiven Wertvorstellungen, sondern nach den Vorgaben des Gesetzgebers aufgegeben ist. Der Balancegedanke des Prinzips der Gewaltenteilung bestimmt nicht allein die Gesetzesauslegung im herkömmlichen Sinn, sondern führt darüber hinaus zur Massgeblichkeit der bei der Auslegung gebräuchlichen Methoden auf den Bereich richterlicher Rechtsschöpfung, indem ein vordergründig BGE 121 III 219 S. 225 klarer Wortlaut einer Norm entweder auf dem Analogieweg auf einen davon nicht erfassten Sachverhalt ausgedehnt oder umgekehrt auf einen solchen Sachverhalt durch teleologische Reduktion nicht angewandt wird (vgl. KRAMER, Teleologische Reduktion - Plädoyer für einen Akt methodentheoretischer Rezeption, in Rechtsanwendung in Theorie und Praxis, Beiheft 15 zur ZSR, S. 65 ff., S. 73 ff.). Die Auslegung des Gesetzes ist zwar nicht entscheidend historisch zu orientieren, im Grundsatz aber dennoch auf die Regelungsabsicht des Gesetzgebers und die damit erkennbar getroffenen Wertentscheidungen auszurichten, da sich die Zweckbezogenheit des rechtsstaatlichen Normverständnisses nicht aus sich selbst begründen lässt, sondern aus den Absichten des Gesetzgebers abzuleiten ist, die es mit Hilfe der herkömmlichen Auslegungselemente zu ermitteln gilt (vgl. BGE 119 II 183 E. 4b/aa mit Hinweisen). Bei der teleologischen Reduktion handelt es sich nach zeitgemässem Methodenverständnis um einen zulässigen Akt richterlicher Rechtsschöpfung und nicht um einen unzulässigen Eingriff in die rechtspolitische Kompetenz des Gesetzgebers (KRAMER, a.a.O., S. 72 f.; MEIER-HAYOZ, Schlusswort, in Rechtsanwendung in Theorie und Praxis, S. 89 ff.; vgl. auch RHINOW, Rechtssetzung und Methodik, S. 134, 176). Unstreitig weist zwar das Gesetzesbindungspostulat den Richter an, seine Rechtsschöpfung nach den Institutionen des Gesetzes auszurichten. Es schliesst aber für sich allein richterliche Entscheidungsspielräume nicht grundsätzlich aus, sondern markiert bloss deren gesetzliche Grenzen. Die Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Rechtsnorm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis aus der ratio legis. Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es namentlich ab, die einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Prioritätsordnung zu unterstellen ( BGE 114 V 219 E. 3a S. 220, BGE 110 Ib 1 , S. 8; OGOREK, Der Wortlaut des Gesetzes - Auslegungsgrenze oder Freibrief?, in Rechtsanwendung in Theorie und Praxis, S. 21 ff.). Eine echte Gesetzeslücke liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts dann vor, wenn der Gesetzgeber etwas zu regeln unterlassen hat, was er hätte regeln sollen, und dem Gesetz weder nach seinem Wortlaut noch nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Inhalt eine Vorschrift entnommen werden kann ( BGE 108 Ib 78 E. 4b S. 82). Von einer unechten oder rechtspolitischen BGE 121 III 219 S. 226 Lücke ist demgegenüber die Rede, wenn dem Gesetz zwar eine Antwort, aber keine befriedigende zu entnehmen ist, namentlich, wenn die vom klaren Wortlaut geforderte Subsumtion eines Sachverhalts in der Rechtsanwendung teleologisch als unhaltbar erscheint (MEIER-HAYOZ, Berner Kommentar, N. 271 ff. zu Art. 1 ZGB ; DESCHENAUX, SPR, Bd. II, S. 99). Echte Lücken zu füllen, ist dem Richter aufgegeben, unechte zu korrigieren, ist ihm nach traditioneller Auffassung grundsätzlich verwehrt, es sei denn, die Berufung auf den als massgeblich erachteten Wortsinn der Norm stelle einen Rechtsmissbrauch dar (MEIER-HAYOZ, Berner Kommentar, N. 295 ff. zu Art. 1 ZGB ). Zu beachten ist indessen, dass mit dem Lückenbegriff in seiner heutigen schillernden Bedeutungsvielfalt leicht die Grenze zwischen zulässiger richterlicher Rechtsfindung contra verba aber secundum rationem legis und grundsätzlich unzulässiger richterlicher Gesetzeskorrektur verwischt wird. In differenzierender Auslegung ist daher vorab zu prüfen, ob der Wortsinn der Norm nicht bereits einem restriktiven Rechtssinn zu weichen habe, sodann, ob nicht bloss eine teleologisch nicht unterstützte Redundanz des grammatikalischen Rechtssinns gegeben sei, die durch eine Reduktion contra verba legis eingeschränkt werden muss. Der Lückenbegriff taugt diesfalls erst, wenn die teleologische Reduktion des Wortsinns ergibt, dass die positive Ordnung einer Regelung entbehrt, mithin eine verdeckte - aber echte - Lücke aufweist, die im Prozess der richterlichen Rechtsschöpfung zu schliessen ist ( BGE 117 II 494 E. 6a S. 499; KRAMER, a.a.O., S. 72; DESCHENAUX, a.a.O., S. 99). Wo jedoch der zu weit gefasste Wortlaut durch zweckgerichtete Interpretation eine restriktive Deutung erfährt, liegt ebenso Gesetzesauslegung vor wie im Fall, wo aufgrund teleologischer Reduktion eine verdeckte Lücke festgestellt und korrigiert wird. In beiden Fällen gehört die so gewonnene Erkenntnis zum richterlichen Kompetenzbereich und stellt keine unzulässige berichtigende Rechtsschöpfung dar (MEIER-HAYOZ, in Rechtsanwendung in Theorie und Praxis, S. 91). bb) Die Befugnis der Generalversammlung, über die Gegenstände Beschluss zu fassen, die ihr durch das Gesetz vorbehalten sind, ist gemäss Art. 698 Abs. 2 OR unübertragbar. Die gesetzliche Kompetenzordnung ist allerdings auslegungsbedürftig. So kollidiert zum Beispiel Art. 698 Abs. 2 Ziff. 1 OR , wonach allein die Generalversammlung zur Änderung der Statuten zuständig ist, mit der gesetzlichen Pflicht und Kompetenz des Verwaltungsrats nach Art. 652g Abs. 1 und Art. 653g Abs. 1 OR , den Vollzug von Kapitalerhöhungen BGE 121 III 219 S. 227 festzustellen und die Statuten entsprechend zu ändern. Der Konflikt, der auf einem gesetzgeberischen Versehen beruhen dürfte (vgl. BBl 1983 II 793; FORSTMOSER, Ungereimtheiten und Unklarheiten im neuen Aktienrecht, SZW 64/1992, S. 58 ff., S. 69), ist nach dem Grundsatz der prioritären speziellen Norm zu lösen (vgl. BGE 120 Ib 199 E. 3b S. 202). Die Rationalitätsvermutung indiziert klarerweise eine entsprechende Absicht des Gesetzgebers. Hinsichtlich der formellen und materiellen Zulässigkeit einer Einschränkung oder Aufhebung des Bezugsrechts sodann stellt das Gesetz die genehmigte Kapitalerhöhung nach seinem Wortlaut der ordentlichen gleich, insbesondere ordnet es den Beschluss darüber der unübertragbaren Kompetenz der Generalversammlung zu ( Art. 651 Abs. 3 OR in Verbindung mit Art. 650 Abs. 2 Ziff. 8 und Art. 698 Abs. 2 Ziff. 6 OR ). Aus dem Gesetz allein ergibt sich somit kein Widerspruch, dagegen aus den unterschiedlichen Funktionen der beiden Kapitalerhöhungsverfahren, namentlich mit Blick auf die Gründe, welche den Gesetzgeber zur Einführung des genehmigten Kapitals veranlasst haben. Nach dem Willen des Gesetzgebers steht die genehmigte Kapitalerhöhung im Dienste der Erleichterung der Kapitalbeschaffung (BBl 1983 II 770). Ihr ausschlaggebendes Merkmal ist, dass der Entscheid, ob, wann und in welchem Umfang das Aktienkapital erhöht werden soll, im Rahmen des Ermächtigungsbeschlusses der Generalversammlung dem Verwaltungsrat überlassen wird ( Art. 651 OR ). Damit wird der Gesellschaft ermöglicht, ihr Aktienkapital rasch zu erhöhen, insbesondere zum Zweck der Durchführung von Beteiligungen und Annexionen oder der Ausgabe von Mitarbeiteraktien. Die Gesellschaft soll die für einen Aktientausch oder eine Annexion erforderlichen Aktien bei Bedarf unverzüglich und ohne weitere Einberufung der Generalversammlung bereitstellen sowie einen Übernahmevertrag diskret aushandeln und ohne Vorbehalte abschliessen können (BBl 1983 II 793 f.). Im einen wie im andern Fall setzt indessen die vorgesehene Aktienverwendung den Ausschluss der bisherigen Aktionäre vom Bezug der neuen Aktien voraus. Folgerichtig nennt das Gesetz diese Tatbestände ausdrücklich als wichtige Gründe, die eine Aufhebung des Bezugsrechts zu rechtfertigen vermögen ( Art. 652b Abs. 2 OR ). Anderseits hat der Gesetzgeber das Bezugsrecht der Aktionäre in der Neuordnung des Aktienrechts verstärkt, wie bereits festgehalten worden ist. Zum einen dadurch, dass ein Ausschluss nur noch im qualifizierten Erhöhungsbeschluss verfügt und nicht mehr in den Statuten normiert werden BGE 121 III 219 S. 228 darf (Art. 650 Abs. 2 Ziff. 8 in Verbindung mit Art. 704 Abs. 1 Ziff. 6 OR ), zum andern dadurch, dass nurmehr wichtige Gründe eine Rechtsbeschränkung zu begründen vermögen, wobei zusätzlich der Gleichbehandlungsanspruch der Aktionäre im Gesetz verankert wurde ( Art. 652b Abs. 2 OR ). Der Bezugsrechtsschutz war einer der Streitpunkte der Aktienrechtsrevision (BÖCKLI, a.a.O., S. 74 Rz. 254). In der nationalrätlichen Debatte wurde der Entwurf des Bundesrats in der hier interessierenden Kompetenzfrage dahingehend ergänzt, dass der Generalversammlung in Art. 650 Abs. 2 Ziff. 8 OR nicht bloss der Entscheid über die Aufhebung oder Beschränkung des Bezugsrechts, sondern zusätzlich jener über die Verwendung nicht ausgeübter oder entzogener Bezugsrechte zugewiesen wurde. Damit sollten nach den Darlegungen des französischsprachigen Kommissionssprechers die nicht dem Verwaltungsrat angehörenden Aktionäre besser geschützt werden (Amtl.Bull. N 1985 1679). Es bedarf keiner besonderen Erörterungen, dass die gesetzlichen Zielsetzungen einer Flexibilisierung der Kapitalbeschaffung mit der Verlagerung der Durchführungskompetenz von der Generalversammlung auf den Verwaltungsrat einerseits und die formelle Stärkung der Aktionärsstellung bezüglich einer Aufhebung oder Beschränkung des Bezugsrechts anderseits dort kollidieren, wo das genehmigte Kapital die Ergreifung von Massnahmen ermöglichen soll, die zwar dem gesetzgeberischen Ziel dieser Kapitalbereitstellung entsprechen, im Zeitpunkt des Ermächtigungsbeschlusses aber weder spruchreif noch fassbar sind, jedoch von ihrer Art her eine Aufhebung oder Schmälerung des Bezugsrechts bedingen (Erwerb von Beteiligungen, Annexionen, Ausgabe von Mitarbeiteraktien). Nach dem zwischen ordentlicher und genehmigter Kapitalerhöhung insoweit nicht differenzierenden Gesetzeswortlaut von Art. 650 Abs. 2 Ziff. 8 und Art. 651 Abs. 3 OR hat auch diesfalls die Generalversammlung über das Schicksal der Bezugsrechte zu befinden, und zwar im Ermächtigungsbeschluss selbst. Ausgeschlossen ist ein späterer Generalversammlungsbeschluss über das Schicksal der Bezugsrechte in Kenntnis des konkretisierten Erhöhungszwecks (vgl. Thomas von Planta, a.a.O., S. 68). Indessen drängt sich aus den bereits dargelegten Gründen die Frage auf, ob der Wortlaut der massgebenden Gesetzesvorschriften mit deren Rechtssinn übereinstimmt. cc) Der angefochtene Generalversammlungsbeschluss verpflichtet den Verwaltungsrat, die bei der Realisierung der genehmigten Kapitalerhöhung BGE 121 III 219 S. 229 auszugebenden Aktien den Aktionären anzubieten, ermächtigt ihn aber gleichzeitig, davon abzusehen, wenn er die Mittel zum Zweck einer gänzlichen oder teilweisen Unternehmensübernahme, einer Beteiligung an andern Unternehmen oder zur Finanzierung derartiger Transaktionen einsetzen will. Die Voraussetzungen des Bezugsrechtsausschlusses werden damit zwar bestimmt, allerdings nur in generell-abstrakter und nicht in individuell-konkreter Form. Die Ermächtigung umfasst somit auch die Konkretisierung des Zwecks der Kapitalbeschaffung. Zu prüfen ist im folgenden, ob damit der Trennung der Organkompetenzen noch hinreichend Rechnung getragen wird. Wie bereits festgehalten worden ist, soll die genehmigte Kapitalerhöhung dem Verwaltungsrat namentlich ermöglichen, die für die Durchführung von Beteiligungsnahmen und Annexionen erforderlichen Aktien rasch bereitzustellen und die Übernahmeverhandlungen diskret zu führen. Im Zeitpunkt des Generalversammlungsbeschlusses ist indessen in der Regel nicht genau bekannt, wofür die Aktien dienen sollen, insbesondere kann noch offen sein, welche Unternehmen ganz oder zum Teil übernommen werden sollen. Einer Offenbarung bereits angebahnter, aber noch nicht abgeschlossener Verhandlungen stehen sodann die Geheimhaltungsinteressen der Beteiligten entgegen. Kann diesfalls aber - entsprechend dem Gesetzeswortlaut - der Verwaltungsrat mangels bestimmten Verwendungszwecks der neuen Aktien nicht in den Stand gesetzt werden, das Bezugsrecht der bisherigen Aktionäre auszuschliessen, so ist ein Ermächtigungsbeschluss der Generalversammlung zur Ausschöpfung des genehmigten Kapitals erst nach der Konkretisierung der Sachlage möglich. Dies dürfte in aller Regel die Aufnahme und Führung effizienter Übernahmeverhandlungen behindern, da der Verhandlungspartner sich kaum der mit einer voluntaristischen Bedingung des Bezugsrechtsausschlusses verbundenen Publizität aussetzen wird, die zudem im Hinblick auf die Aktienkurse und den durch sie beeinflussten Ausgabepreis der neuen Aktien häufig nicht im Interesse der übernehmenden Gesellschaft liegt. Wäre demnach Art. 651 Abs. 3 OR so auszulegen, dass er in Verbindung mit Art. 650 Abs. 2 Ziff. 8 OR eine Ermächtigung des Verwaltungsrats zum Entscheid über das Bezugsrecht ausschliesst, würde die Verwendbarkeit der genehmigten Kapitalerhöhung zu den ihr zugedachten Zwecken in der Praxis weitgehend illusorisch. Das alte Aktienrecht unterstellte die Aufhebung des Bezugsrechts nicht unübertragbar dem Beschluss der Generalversammlung, sondern behielt BGE 121 III 219 S. 230 ausdrücklich eine statutarische Regelung vor (Art. 698 Abs. 2 Ziff. 5 in Verbindung mit Art. 652 aOR). In der Literatur waren die Auffassungen darüber geteilt, ob eine Delegation der Ausschlussbefugnis an den Verwaltungsrat zulässig sei. Die Frage wurde aber mehrheitlich bejaht (vgl. die Zitate in BGE 117 II 290 E. 4e/cc S. 303). Das Bundesgericht hielt eine Delegation dann für unzulässig, wenn sie dem Verwaltungsrat ermöglichen sollte, das aktienrechtliche Gleichbehandlungsgebot zu verletzen ( BGE 91 II 298 , 303/4). In BGE 117 II 290 ff. (E. 4e) hat es aber präzisiert, dass der Bezugsrechtsausschluss für sich allein nicht als Machtmissbrauch der Mehrheit zu werten sei; er müsse jedoch sachlich gerechtfertigt sein und habe die Gebote der Gleichbehandlung der Aktionäre und der schonenden Rechtsausübung zu wahren. Unter diesen Voraussetzungen wurde die Möglichkeit bejaht, die Entscheidungskompetenz dem Verwaltungsrat zu übertragen, wobei eine Ermächtigung jedoch in Übereinstimmung mit BGE 91 II 298 ff. als unzulässig betrachtet wurde, wenn sie auf unrechtmässige Zwecke hinzielte. Als Prinzip galt, dass nur der Ermächtigungsbeschluss mit dem Grundsatz und den Leitlinien in den Kontext der Statuten aufzunehmen war, dagegen die konkreten Einzelheiten zum Ausschluss des Bezugsrechts und zur Verwendung der nicht ausgeübten oder nicht ausübbaren Bezugsrechte nicht darin festgehalten werden mussten. Das geltende Recht lässt statutarische Beschränkungen des Bezugsrechts nicht mehr zu, sondern hält eine ausschliessliche Zuständigkeit der Generalversammlung fest ( Art. 650 Abs. 2 Ziff. 8, Art. 651 Abs. 3, Art. 698 Abs. 2 Ziff. 6 und Art. 704 Abs. 1 Ziff. 6 OR ). Für das Verfahren der ordentlichen Kapitalerhöhung ist damit eine Delegation an den Verwaltungsrat nach Wortlaut und Sinn des Gesetzes ausgeschlossen. Hinsichtlich der genehmigten Kapitalerhöhung ist die Rechtslage dagegen unklar, da - wie aufgezeigt - zwischen Wortlaut und Gesetzeszweck ein Widerspruch besteht. Dementsprechend sind denn auch die Meinungen in der Literatur geteilt (vgl. vorangehende E. 1c). Von den Autoren, welche eine Delegation für zulässig halten, schreibt Reymond die Kontroverse einem Missverständnis zu, weil nach seiner Auffassung das Gesetz lediglich verlangt, dass im Beschluss der Generalversammlung die wichtigen Gründe aufgelistet werden, welche der Verwaltungsrat bei der Aufhebung des Bezugsrechts zu beachten habe (a.a.O., S. 157). Er verweist auf die bundesrätliche Botschaft, nach welcher die Generalversammlung unter Umständen über den Ausschluss vom Bezugsrecht zu beschliessen habe, ohne BGE 121 III 219 S. 231 dass ihr die genauen Gründe offengelegt werden können, und ihr lediglich die abstrakten Verwendungszwecke der neuen Aktien bekanntgegeben werden. Folglich habe die Verwaltung im Kapitalerhöhungsbericht darüber Aufschluss zu geben, ob die Voraussetzungen, unter denen der Bezugsrechtsausschluss für zulässig erklärt wurde, in Wirklichkeit eingehalten worden sind. Im gleichen Sinn ist Isler der Auffassung, die für die genehmigte Kapitalerhöhung unerlässliche Flexibilität erfordere die Möglichkeit, den Verwaltungsrat im Erhöhungsbeschluss zu ermächtigen, das Bezugsrecht für spezielle, von der Generalversammlung abstrakt umschriebene Verwendungszwecke der neuen Aktien auszuschliessen (a.a.O., S. 730 Fn. 24). Der Verwaltungsrat soll ermächtigt werden können, die vorgegebenen Ausschlussgründe zu konkretisieren, nicht aber auch, sie in eigener Kompetenz zu bestimmen (OR-ZINDEL/ISLER, N. 9 zu Art. 652b OR ). Schliesslich betrachten BÖCKLI (a.a.O., S. 81 f. Rz. 280 ff.) und ihm folgend FORSTMOSER (Zulässigkeit des Festübernahmeverfahrens für Kapitalerhöhungen unter neuem Aktienrecht?, SZW 65/1993, S. 101 ff., S. 105 f.) die Rechtsprechung des Bundesgerichts zum alten auch für das neue Aktienrecht als sachgerecht und massgebend, weil sie allein die Funktionalität des genehmigten Kapitals gewährleiste. Funktional müsse der Generalversammlung einzig die Festlegung des Rahmens zustehen, dessen Ausfüllung in allen Einzelheiten könne dem Verwaltungsrat überlassen werden. Noch weiter geht Nobel, der genügen lässt, dass die Generalversammlung den Verwaltungsrat im Delegationsbeschluss bloss auf die wichtigen Gründe oder das Gesetz verweist, ohne dass die Art der wichtigen Gründe anzugeben sei (a.a.O., S. 1176). Der Wortlaut von Art. 651 Abs. 3 OR widerspricht der ratio legis, der Aktiengesellschaft mit dem genehmigten Kapital ein Instrument zur Verfügung zu stellen, mit dem sie sich die für besondere Zwecke erforderlichen Mittel flexibel zu beschaffen vermag. Das bereitgestellte Kapital könnte im Normalfall die ihm vom Gesetzgeber zugedachten Funktionen gar nicht erfüllen, wenn der Entscheid über den Bezugsrechtsentzug bereits in allen Einzelheiten im Ermächtigungsbeschluss getroffen werden müsste und es nicht dem Verwaltungsrat überlassen werden dürfte, ihn nach Massgabe des Kapitalbedarfs zu konkretisieren. Den Materialien ist nicht zu entnehmen, dass der Gesetzgeber sich dieses Problems bewusst gewesen ist und die Lösung im Sinne des Gesetzeswortlauts hat treffen wollen. Aus der Absicht, den Schutz des Bezugsrechts zu verstärken, folgt sodann teleologisch nicht zwingend, dass die Interessenabwägung stets nur anhand eines konkreten BGE 121 III 219 S. 232 Projektes vorzunehmen sei. Wird berücksichtigt, dass die Ermächtigung des Verwaltungsrats auf bis zu zwei Jahre befristet werden kann ( Art. 651 Abs. 1 OR ), so erscheint die Annahme lebensfremd, die Einzelheiten des Bezugsrechts liessen sich bereits im Zeitpunkt des Ermächtigungsbeschlusses endgültig festlegen. Zu beachten ist zudem, dass der Entscheid über die Zulässigkeit des Entzugs der Bezugsrechte zwar vorrangig vom Verwendungszweck der neuen Aktien abhängt, ebenso aber auch vom Preis dieser Aktien, denn die relative Vermögenseinbusse des Altaktionärs, die Vermögensverwässerung, ist um so geringer, je näher der Ausgabepreis beim Marktwert liegt (BÖCKLI, a.a.O., S. 80 Rz. 277). Über die Frage der Zumutbarkeit einer solchen Vermögenseinbusse lässt sich daher von vornherein erst befinden, wenn auch die vermögensmässigen Folgen des Bezugsrechtsausschlusses zu überblicken sind, das heisst namentlich der Ausgabepreis der neuen Aktien feststeht. Im Zeitpunkt des Ermächtigungsbeschlusses ist dies aber regelmässig nicht der Fall. Das Bezugsrecht hat eine mitgliedschaftsrechtliche und eine vermögensrechtliche Seite (MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, Grundriss des schweizerischen Gesellschaftsrechts, 7. Aufl., S. 286 f. Rz. 98 f.). Auf beide bezieht sich der Schutz, den Art. 652b Abs. 2 OR durch die Voraussetzung wichtiger Gründe für den Bezugsrechtsausschluss und das Gleichbehandlungsgebot bieten will. In vermögensrechtlicher Hinsicht ist in diesem Zusammenhang - wie soeben erörtert - vor allem der Ausgabepreis der neuen Aktien von Bedeutung. Im Zeitpunkt des Beschlusses einer genehmigten Kapitalerhöhung stehen diese für die Beurteilung massgebenden Kriterien normalerweise noch nicht in konkreter Form fest. Müsste aber ein ausreichend konkretisiertes Projekt abgewartet werden, das eine solche Beurteilung mit Sicherheit zuliesse, so könnte ebensogut eine ordentliche Kapitalerhöhung durchgeführt werden, womit das Institut des genehmigten Kapitals toter Buchstabe bliebe. Dass dies nicht der Regelungsabsicht des Gesetzgebers entspricht, liegt auf der Hand. Damit sind die Voraussetzungen gegeben, den Rechtssinn von Art. 651 Abs. 3 OR in Einschränkung des Wortlauts nach dem zweckgerichteten Verständnis der Norm zu bestimmen und das Versehen des Gesetzgebers, zwei materiell verschiedene Sachverhalte gleichzustellen, so zu korrigieren, dass die Regelung für beide Fälle praktikabel ist. Die teleologische Reduktion ist auf das erforderliche Mass zu beschränken. Daher ist den vorne wiedergegebenen Literaturmeinungen zu folgen, dass der BGE 121 III 219 S. 233 Ermächtigungsbeschluss die wesentlichen Zwecke zu nennen hat, zu deren Verfolgung das Bezugsrecht ausgeschlossen werden darf, der Entscheid darüber aber gemäss den Vorgaben der Generalversammlung an den Verwaltungsrat delegiert werden kann. Zu weit geht dagegen eine Ermächtigung des Verwaltungsrats, die Ausschlussgründe in eigener Kompetenz festzulegen. Selbstverständlich ist sodann, dass die Generalversammlung auch nach geltendem Recht nicht befugt ist, die Kompetenzdelegation auf unrechtmässige Vorgänge auszurichten. Geschieht dies dennoch, so besteht die Möglichkeit, gegen den Beschluss der Generalversammlung Anfechtungsklage zu erheben ( Art. 706 OR ). Gegen Missbräuche der rechtmässig delegierten Kompetenz durch den Verwaltungsrat kann sich ein betroffener Aktionär dagegen nur mit den Haftungsklagen gemäss Art. 722 und Art. 754 OR zur Wehr setzen. Aus dem mitgliedschaftsrechtlichen Blickwinkel mag diese Lösung unbefriedigend erscheinen, aus dem Zweck der gewollten Flexibilisierung der Kapitalbeschaffung drängt sie sich jedoch auf. Zudem ist zu beachten, dass die Delegationskompetenz auch weiterhin nicht generell, sondern bloss individuell, nach den Gegebenheiten des konkreten Falls zu beurteilen und zu umschreiben ist. Dabei ist nicht ausser acht zu lassen, dass das Bezugsrecht seine Hauptbedeutung in den Aktiengesellschaften kleinerer und mittlerer Grösse hat, seine mitgliedschaftsrechtliche Bedeutung aber geringer ist, wenn es um Grossgesellschaften mit börsenkotierten und weit gestreuten Aktien geht. Hier kann ein Aktionär seine Stellung in der Regel auf dem freien Markt sichern oder ausbauen. Werden die neuen Aktien solcher Gesellschaften zudem zu Marktbedingungen ausgegeben, verliert das Bezugsrecht weitgehend seine vermögensrechtliche Bedeutung als Kapitalertrag (vgl. HIRSCH, SZW 63/1991, S. 295). Hinzu kommt, dass der Beschluss der Generalversammlung über eine genehmigte Kapitalerhöhung in jedem Fall eine bezugsrechtsrelevante Ermächtigung an den Verwaltungsrat beinhaltet, auch wenn die Möglichkeit des Ausschlusses bereits an einem konkreten Projekt orientiert wird. Selbst diesfalls wird der Verwaltungsrat bloss autorisiert und nicht verpflichtet, die neuen Aktien Dritten zuzuweisen. Es bleibt ihm deshalb überlassen, vom in Aussicht genommenen Projekt abzusehen und das Bezugsrecht wieder aufleben zu lassen. Diese Entscheidungsfreiheit kann im Rahmen des Ermächtigungsbeschlusses ausdrücklich festgehalten werden (OR-ZINDEL/ISLER, N. 9 zu Art. 652b OR ). Sie steht dem Verwaltungsrat aber auch dann zu, wenn BGE 121 III 219 S. 234 dies von der Generalversammlung nicht vorgesehen worden ist (KURER, SZW 66/1994, S. 293), was ohne weiteres bereits aus dem Begriff der Ermächtigung als Kompetenzzuteilung folgt ( Art. 651 Abs. 1 OR ). Diese Überlegungen führen zum Ergebnis, dass die bisherige Rechtsprechung ( BGE 117 II 290 E. 4e/cc S. 302 ff.) grundsätzlich auch unter der Herrschaft des neuen Aktienrechts gilt und damit eine Delegation des Entscheids über den Bezugsrechtsausschluss an den Verwaltungsrat unter den genannten Voraussetzungen zulässig ist. Die gegenteilige Auffassung des Handelsgerichts verletzt somit Bundesrecht. 2. Zwischen den Parteien ist im weitern streitig, ob die Gründe, welche den Ausschluss des Bezugsrechts erlauben, im Delegationsbeschluss der Generalversammlung ausreichend konkret umschrieben worden sind. Wie bereits dargelegt worden ist, hat der Ermächtigungsbeschluss der Generalversammlung den Grundsatz und die Leitlinien, das heisst die Rahmenbedingungen zu enthalten, unter welchen der Verwaltungsrat befugt ist, das Bezugsrecht der Aktionäre auszuschliessen oder zu beschränken. Ungenügend wäre daher, dem Verwaltungsrat ohne nähere Eingrenzung einzig aufzutragen, das Bezugsrecht nach Massgabe des Gesetzes oder aus wichtigen Gründen zu entziehen. Aus dem auch im Gesellschaftsrecht gültigen Vertrauensgrundsatz folgt sodann, dass die Verwaltung die Generalversammlung über konkrete Absichten soweit möglich umfassend zu orientieren hat, es sei denn, legitime Interessen der Gesellschaft oder Dritter ständen dieser Offenbarung entgegen. Das bedeutet indessen nicht, dass eine genehmigte Kapitalerhöhung mit Ermächtigung zum Bezugsrechtsentzug immer dann ausgeschlossen ist, wenn die Realisierung eines konkreten Vorhabens noch unsicher erscheint. Vielmehr ist auch hier auf eine Interessenabwägung im Einzelfall abzustellen. Vom Standpunkt des bezugsberechtigten Aktionärs aus macht es dabei einen Unterschied, ob das genehmigte Kapital einer bedeutenden Publikumsgesellschaft oder einer kleinen bis mittleren, mit personalistischen Elementen durchsetzten Gesellschaft zur Verfügung gestellt werden soll. Weiter ist im allgemeinen erheblich, in welcher relativen Höhe sich das genehmigte zum bisherigen Aktienkapital verhält, ist doch für die Altaktionäre von Bedeutung, ob Dritte neu mit der Hälfte des bisherigen Aktienkapitals oder bloss mit einer marginalen Quote an der Gesellschaft beteiligt werden sollen (KURER, SZW 66/1994, S. 294). Entsprechend sind die Anforderungen an die von der Generalversammlung festzulegenden Rahmenbedingungen differenziert zu BGE 121 III 219 S. 235 bestimmen. Geht es um Publikumsgesellschaften mit breit gestreutem, börsenkotiertem Aktienkapital, dürfen die Anforderungen nicht überdehnt werden. In solchen Fällen muss es in Berücksichtigung des mit dem genehmigten Kapital verfolgten Zweckes genügen, dass der Verwaltung in einer den allgemeinen Begriff des wichtigen oder sachlichen Grundes eingrenzenden Anordnung die Kompetenzen beschränkt werden. Es braucht nicht das individuelle Vorhaben als solches bezeichnet zu werden, welches den Ausschluss des Bezugsrechts rechtfertigen soll, sondern es genügt, dass der Verwaltung durch generell-abstrakte Weisungen ein sachlich begrenzter Ermessensspielraum gesetzt wird, innerhalb dessen sie geschäftspolitisch tätig werden kann. Die in der angefochtenen Statutenbestimmung der Beklagten - einer Publikumsgesellschaft mit börsenkotiertem, breit gestreutem Aktienkapital - genannten Ausschlussgründe der Übernahme von Unternehmen, Unternehmensteilen oder Beteiligungen entsprechen den in Art. 652b Abs. 2 OR aufgeführten Beispielen sowie den gesetzespolitischen Zielsetzungen des genehmigten Kapitals. Die genehmigte Kapitalerhöhung um insgesamt höchstens 200 Millionen Franken machte knapp 7,8% des damaligen Aktienkapitals von 2'575 Millionen Franken aus (Stand vom 23. April 1993). Unter Einbezug des von der Generalversammlung gleichzeitig beschlossenen bedingten Kapitals von höchstens 100 Millionen Franken ergibt sich ein maximaler Kapitalzuwachs um rund 11,6%. Unter diesen Umständen ist die Umschreibung der Entzugsvoraussetzungen im Delegationsbeschluss aus den dargelegten Gründen als hinreichend konkret zu beurteilen. Insoweit verstösst der angefochtene Generalversammlungsbeschluss nicht gegen Bundesrecht. 3. Bereits im kantonalen Verfahren war zudem streitig, ob die im Delegationsbeschluss erwähnte Finanzierung von Übernahmen und Beteiligungen als sachlicher oder wichtiger Grund für den Bezugsrechtsausschluss gelten könne. Das Handelsgericht liess die Frage letztlich offen, äusserte sich aber dennoch zu den Argumenten der Beklagten, welche diese nun auch im bundesgerichtlichen Verfahren vorbringt. Die Beklagte führt zur Begründung ihres Standpunktes die bankenrechtlichen Eigenmittelanforderungen, die Notwendigkeit rascher Mittelbeschaffung, die sachgerechte Plazierung von Aktien auf besonderen Kapitalmärkten und die wirtschaftlichen Vorteile für die Gesellschaft an. Nach Auffassung des Handelsgerichts durfte die Beklagte im gerichtlichen Verfahren nur solche Argumente vorbringen, die bereits an der BGE 121 III 219 S. 236 Generalversammlung erwähnt worden waren; ein Nachschieben von anderen Gründen - zu denen es sich aber trotzdem äusserte - hielt es für unzulässig. In dieser Begründung liegt nicht etwa eine das Bundesgericht bindende Beschränkung des rechtserheblichen Sachverhalts ( Art. 63 Abs. 2 OG ), sondern bloss ein Einwand aus der gebotenen Aufklärung der Aktionäre, über den als Rechtsfrage im Berufungsverfahren entschieden werden kann. Dabei ist der Auffassung des Handelsgerichts nicht zu folgen, dass bei der normativen Beurteilung einer Statutenänderung im Anfechtungsverfahren nur jene Argumente zu beachten wären, die in der Generalversammlung zur Sprache gekommen sind. Die Rechtskonformität einer beschlossenen Regelung kann vielmehr umfassend geprüft werden, was sich bereits aus dem bundesrechtlichen Grundsatz der Rechtsanwendung von Amtes wegen ergibt. Die Hinweise der Beklagten auf die bankenrechtlichen Eigenmittelanforderungen und die wirtschaftlichen Nachteile einer Kapitalerhöhung mit Gewährung des Bezugsrechts gegenüber den Vorteilen einer Drittplazierung der Aktien vermögen allerdings nicht zu überzeugen. So fliessen die erforderlichen Eigenmittel der Gesellschaft auch bei Wahrung des Bezugsrechts zu, wie das Handelsgericht zutreffend festgehalten hat. Die wirtschaftlichen Nachteile des Bezugsrechts für die Gesellschaft sodann sind, sofern sie sich tatsächlich auswirken, dem Schutzanspruch der bisherigen Aktionäre immanent und vermögen für sich allein dessen Aufhebung nicht zu rechtfertigen. Zwar ist nicht zu verkennen, dass die Gesellschaft im Einzelfall ein gewichtiges Interesse haben kann, möglichst viel Eigenkapital zum Marktwert der Aktien aufzunehmen und privilegierte Aktienzeichnungen der Bezugsberechtigten zu vermeiden, doch lässt sich daraus allenfalls der Bezugsrechtsausschluss als solcher begründen (dazu OR-ZINDEL/ISLER, N. 20 zu Art. 652b OR ), im allgemeinen aber nicht auch eine Kompetenzdelegation an den Verwaltungsrat ausserhalb konkreter Vorhaben. Dass der vorliegende Fall in dieser Hinsicht besonders gelagert sei, ist weder festgestellt noch geltend gemacht. Zu erörtern bleiben damit die Hinweise der Beklagten auf Zeitbedarf und marktbezogenen Finanzierungsspielraum. Diese Umstände werden im Gesetz zwar nicht als wichtige Gründe genannt, doch ist die Aufzählung in Art. 652b Abs. 2 OR nicht abschliessend, sondern lediglich exemplifikatorisch. Die Delegationskompetenz ist mithin auch insoweit nach der ratio legis und den Besonderheiten des Einzelfalls zu beurteilen. Was den Zeitbedarf anbelangt, BGE 121 III 219 S. 237 erscheint die Angabe der Beklagten durchaus realistisch, dass es ihr als Grossgesellschaft mit breit und international gestreutem Aktienkapital im Fall der Gewährung des Bezugsrechts nicht möglich ist, eine Liberierungsfrist von rund einem Monat zu unterschreiten, ohne das Gebot der Gleichbehandlung der Aktionäre zu verletzen. Bereits unter diesem Gesichtspunkt liesse sich der Ausschluss des Bezugsrechts rechtfertigen. Wesentlicher ist indessen das weitere Argument des Finanzierungsspielraums. In der Literatur wird zutreffend darauf hingewiesen, dass internationale Aktienplazierungen zu Marktbedingungen häufig einem echten Bedürfnis von Grossgesellschaften entsprechen und auf den internationalen Märkten auch verbreitet praktiziert werden (HIRSCH, SZW 63/1991, S. 295). BÖCKLI bezeichnet solche Aktienplazierungen sogar als wichtigsten Fall, in dem sich bei international tätigen Gesellschaften der Entzug des Bezugsrechts rechtfertige (a.a.O., S. 79 Rz. 272). ISLER (a.a.O., S. 735), ZINDEL/ISLER (N. 20 zu Art. 652b OR ) und ANDREAS VON PLANTA (Aktionärsschutz bei der bedingten Kapitalerhöhung, SZW 64/1992, S. 205 ff., S. 208) sprechen sich ebenfalls für die Möglichkeit des Bezugsrechtsentzugs zu solchen Zwecken aus. Schliesslich weist NOBEL (a.a.O., S. 1175) zutreffend darauf hin, dass die Finanzierung von Investitionen zwar für sich allein kaum als wichtiger Grund betrachtet werden darf, dagegen die Interessenabwägung bei bestimmten Finanzierungssituationen einen Entzug zu rechtfertigen vermag, namentlich wenn damit eine Kotierung der Aktien an ausländischen Börsen verbunden ist. Das trifft vor allem für solche internationalen Sachverhalte zu, bei denen im Falle von Annexionen, Fusionen oder wesentlichen Beteiligungserwerben einer Vorschrift des ausländischen Rechts nachzuleben ist, wonach Aktien der übernehmenden Gesellschaft am Sitz der übernommenen Gesellschaft zu kotieren oder mindestens auf dem dortigen Aktienmarkt zu plazieren sind. Aus diesen Gründen ist davon auszugehen, dass auch die Finanzierung von Übernahmen und Beteiligungen im Einzelfall die Aufhebung des Bezugsrechts zu rechtfertigen vermag. In solchen Fällen ist es zudem zulässig, dass die Generalversammlung den Entscheid über den Entzug des Bezugsrechts an die Verwaltung delegiert. Die Gefahr der Kapitalverwässerung erscheint unter den geschilderten Umständen als gering bzw. vermeidbar, da einerseits bei der Plazierung der Aktien die Marktkonditionen zu beachten sind und anderseits im Fall unterbewerteter börsenkotierter Aktien für die Aktionäre die Möglichkeit besteht, sich auf BGE 121 III 219 S. 238 dem Markt einzudecken. Nicht auszuschliessen ist allerdings die Gefahr einer Verringerung des Gewinnanteils und der relativen Stimmkraft (Gewinnanteil- und Stimmrechtsverwässerung; vgl. BÖCKLI, a.a.O., S. 79 Rz. 273), doch gebührt insoweit den überwiegenden Interessen der Gesellschaft der Vorrang. Allerdings hat die Verwaltung die sich aus dem Gebot der schonenden Rechtsausübung ergebenden Schranken beim Entscheid über den Bezugsrechtsentzug besonders sorgfältig zu beachten, weshalb auch hohe Anforderungen an die im Rechenschaftsbericht nach Art. 652e Ziff. 4 OR aufzuführende Begründung zu stellen sind. Diese Erwägungen führen zum Ergebnis, dass der angefochtene Generalversammlungsbeschluss auch in diesem Punkt nicht gegen Bundesrecht verstösst. 4. a) Gemäss Art. 650 Abs. 2 Ziff. 8 OR ist im Ermächtigungsbeschluss der Generalversammlung die Zuweisung nicht ausgeübter oder entzogener Bezugsrechte zu regeln. Nach Auffassung des Handelsgerichts sind auch in diesem Zusammenhang konkrete Angaben erforderlich, namentlich zum Kreis der Enderwerber, die im angefochtenen Generalversammlungsbeschluss indessen fehlten, weshalb dieser auch insoweit bundesrechtswidrig sei. Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Generalversammlung den Verwaltungsrat ermächtigt, die allenfalls entzogenen Bezugsrechte Dritten zuzuweisen. Aufgrund einer sachgerechten Auslegung, die vor allem die in der Statutenbestimmung erwähnten Ausschlussgründe berücksichtigt, ergibt sich, dass als Dritte nur entweder die Inhaber der übernommenen Unternehmen sowie im Falle eines Finanzierungsausschlusses das Publikum in Frage kommen. Insoweit steht die Regelung in engem sachlichem Zusammenhang mit jener bezüglich des Entzugstatbestands und ist gleich wie diese als bundesrechtskonform zu betrachten. Eine weitergehende Individualisierung der Enderwerber verlangt Art. 650 Abs. 2 Ziff. 8 OR nicht (vgl. BÖCKLI, a.a.O., S. 54 Rz. 180). Die nicht ausgeübten Bezugsrechte stehen nach dem angefochtenen Beschluss zur Verfügung des Verwaltungsrats, der sie im Interesse der Gesellschaft zu verwenden hat. Diese Kompetenzdelegation ist nicht zu beanstanden, zumal die Anforderungen an die statutarische Regelung hier weniger hoch anzusetzen sind als im Fall des Entzugs der Bezugsrechte, weil dem Vorgang ein freiwilliger Verzicht zugrunde liegt, mit welchem der Bezugsberechtigte zu erkennen gibt, dass er eine mögliche Beeinträchtigung seiner Mitgliedschafts- und Vermögensrechte in Kauf nimmt. Eine solche Delegation BGE 121 III 219 S. 239 wird denn auch in der Literatur als zulässig erachtet (BÖCKLI, a.a.O., S. 54 Rz. 180; OR-ZINDEL/ISLER, N. 29 zu Art. 650 OR ; WATTER, Die Gründung und Kapitalerhöhung im neuen Aktienrecht, Schriftenreihe SAV, Heft 11, S. 55 ff., S. 59). Mit der Verpflichtung des Verwaltungsrats, die Bezugsrechte im Interesse der Gesellschaft zu verwenden, wird zudem klargestellt, dass eine Veräusserung in der Regel zu Marktkonditionen zu erfolgen hat. Im weitern wird damit sichergestellt, dass der Verwaltungsrat entsprechend der Regelungsabsicht des Gesetzgebers die Interessen der ihm nicht angehörenden Aktionäre bei der Verwendung der Bezugsrechte berücksichtigen muss. b) Die vorangehenden Erwägungen führen zum Ergebnis, dass der angefochtene Generalversammlungsbeschluss nicht gegen Bundesrecht verstösst, soweit damit die Schaffung eines genehmigten Aktienkapitals beschlossen worden ist. Die Berufung erweist sich insoweit als begründet. 5. Nach dem Gesetz kann die Generalversammlung eine bedingte Kapitalerhöhung beschliessen, indem sie in den Statuten den Gläubigern von neuen Anleihens- oder ähnlichen Obligationen gegenüber der Gesellschaft oder ihren Konzerngesellschaften sowie den Arbeitnehmern Rechte auf den Bezug neuer Aktien (Wandel- oder Optionsrechte) einräumt ( Art. 653 Abs. 1 OR ). Sollen mit Wandel- oder Optionsrechten verbundene Obligationen ausgegeben werden, ist den Aktionären entsprechend ihrer bisherigen Beteiligung ein Vorwegzeichnungsrecht einzuräumen ( Art. 653c Abs. 1 OR ), das nur aus wichtigem Grund beschränkt oder aufgehoben werden kann ( Art. 653c Abs. 2 OR ). Diesfalls haben die Statuten gemäss dem Wortlaut des Gesetzes die Voraussetzungen für die Ausübung der Wandel- oder Optionsrechte sowie die Grundlagen zu enthalten, nach denen der Ausgabebetrag zu berechnen ist ( Art. 653b Abs. 2 OR ). Das Handelsgericht redet angesichts der nach ihrem Wortlaut in verschiedener Hinsicht wenig praktikablen gesetzlichen Ordnung (vgl. dazu FORSTMOSER, SZW 64/1992, S. 61 f.; ANDREAS VON PLANTA, a.a.O., S. 207) einem gesellschaftsfreundlichen Verständnis des Instituts das Wort, indem es zu Recht die ratio legis in den Vordergrund stellt. Dennoch hält es den angefochtenen Beschluss für ungültig, im wesentlichen mit den Begründungen, dass die Kreise der Wandel- oder Optionsberechtigten zuwenig differenziert angegeben, der Entscheid über die Aufhebung des Vorwegzeichnungsrechts unzulässigerweise von der Generalversammlung an den Verwaltungsrat BGE 121 III 219 S. 240 delegiert und dem Erfordernis des wichtigen Grundes nicht hinreichend Ausdruck gegeben worden sei. a) Die Statuten haben unter anderem den Kreis der Wandel- oder der Optionsberechtigten anzugeben ( Art. 653b Abs. 1 Ziff. 3 OR ). Die angefochtene Statutenbestimmung beschränkt diesen Kreis undifferenziert auf die Inhaber von mit Wandel- oder Optionsrechten verbundenen Anleihensobligationen einerseits und auf die zu beteiligenden Mitarbeiter anderseits. Das Handelsgericht hält diese Angaben unter Hinweis auf Literaturmeinungen (ANDREAS VON PLANTA, a.a.O., S. 207; OR-ISLER/ZINDEL, N 13 zu Art. 653b) für ungenügend, da die Generalversammlung zu entscheiden habe, ob und wieviel der mittels bedingter Kapitalerhöhung geschaffenen Aktien maximal welcher Gruppe zur Verfügung stehen sollen. Dieser Auffassung ist zuzustimmen, namentlich mit Blick auf das Bezugsrecht der Aktionäre, das bei der Begebung von Mitarbeiteraktien notwendigerweise ausgeschlossen ist, wogegen es bei Anleihensobligationen durch das gesetzliche Vorwegzeichnungsrecht im Regelfall mittelbar gewahrt bleibt. Der Aktionär hat daher Anspruch darauf zu wissen, welcher Betrag des bedingten Kapitals maximal den Mitarbeitern zur Verfügung gestellt wird. Wie ANDREAS VON PLANTA (a.a.O., S. 207) zutreffend ausführt, geht es nicht an, für die Mitarbeiterbeteiligung ausgegebene Aktien zur Deckung von Wandelanleihen zu verwenden und umgekehrt. Die beidseitigen Maximalquoten sind deshalb von der Generalversammlung selbst zu beschliessen und in die Statuten aufzunehmen. Diesem Erfordernis genügt der angefochtene Beschluss nicht. b) Zu Recht vertritt sodann das Handelsgericht die Meinung, dass der Beschluss über den Entzug oder die Beschränkung des Vorwegzeichnungsrechts systemgerecht in die Kompetenz der Generalversammlung falle. Das ergibt sich zwangsläufig aus der engen Verbindung dieses Anspruchs mit dem Bezugsrecht. Insoweit besteht denn auch Einigkeit in der Literatur (BÖCKLI, a.a.O., S. 83 Rz. 288; OR-ISLER/ZINDEL, N. 20 zu Art. 653b und N. 8 zu Art. 653c; NOBEL, a.a.O., S. 1178). Aus den bereits im Zusammenhang mit der genehmigten Kapitalerhöhung erörterten Gründen, die entsprechend gelten, muss es auch bei der bedingten Kapitalerhöhung grundsätzlich zulässig sein, die Entzugsbefugnis an den Verwaltungsrat zu delegieren. Dies setzt nach dem Gesagten aber ebenfalls voraus, dass unter anderem die für einen Entzug des Vorwegzeichnungsrechts erforderlichen wichtigen Gründe gemäss Art. 653c Abs. 2 OR im Delegationsbeschluss mindestens in abstrakter Form angegeben BGE 121 III 219 S. 241 werden, das heisst ihre Bestimmung nicht dem Verwaltungsrat überlassen werden kann. Diese rechtliche Gleichbehandlung der beiden Sachverhalte drängt sich bereits aufgrund des einheitlich für beide Arten der Kapitalerhöhung geltenden Verwässerungsschutzes auf. Wichtige Gründe für den Ausschluss des Vorwegzeichnungsrechts werden indessen im angefochtenen Beschluss nicht spezifiziert, so dass er auch in dieser Hinsicht gegen Bundesrecht verstösst. Das Spezifikationserfordernis wird nicht etwa dadurch ersetzt, dass der Verwaltungsrat im angefochtenen Beschluss verpflichtet wird, die Anleihensbedingungen an den Marktverhältnissen zu orientieren. Diese Verpflichtung setzt dem Entzug des Vorwegzeichnungsrechts zwar eine Schranke, die indessen nicht mit jener des Vorliegens eines sachlichen oder wichtigen Grundes übereinstimmt, da sie allein die Vermögensrechte der Aktionäre wahrt, nicht aber auch die mittelbaren Mitgliedschaftsrechte, deren Beschränkung einer zusätzlichen Rechtfertigung bedarf. Die Ausrichtung auf die Marktbedingungen schliesst zudem eine vermögensrechtliche Benachteiligung der Aktionäre nicht an sich schon aus, namentlich nicht im Fall von unterbewerteten und auf dem Markt nicht beliebig verfügbaren Titeln. Das Erfordernis eines von der Sache und nicht bloss von den Anleihensbedingungen her wichtigen Grundes lässt sich sodann auch nicht mit den Argumenten aus der Welt schaffen, dass in aller Regel eine rasche Plazierung der Obligationen notwendig sei und das Vorwegzeichnungsrecht angesichts des usanzgemäss eher bescheidenen Umfangs des bedingten Kapitals ohnehin nur für grössere Aktionäre praktische Bedeutung erlange. Abgesehen davon, dass auch die Inhaber namhafter Aktienpakete Anspruch auf Rechtsschutz haben, käme diese Auffassung im Ergebnis einem allgemeinen Verzicht auf das Vorwegzeichnungsrecht gleich, was mit dem Gesetz auch bei weitester Auslegung nicht zu vereinbaren wäre. Der Entzug des Vorwegzeichnungsrechts muss daher in jedem Fall durch ein vorrangiges Interesse der Gesellschaft gerechtfertigt werden können (REYMOND, a.a.O., S. 158). Anders entscheiden hiesse, das gesetzliche Verhältnis von Regel und Ausnahme in sein Gegenteil zu verkehren (NOBEL, a.a.O., S. 1178). c) Daraus folgt, dass der Beschluss zur bedingten Kapitalerhöhung von der Vorinstanz zu Recht für ungültig erklärt worden ist. Insoweit erweist sich die Berufung als unbegründet.
null
nan
de
1,995
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
0003a333-d2f0-4ff8-b970-54094430db93
Urteilskopf 104 III 110 25. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 14. September 1978 i.S. Schweizerische Eidgenossenschaft gegen Konkursmasse der Pierre Pohé & Co. Edelstahl (Direktprozess)
Regeste Aussonderungsrecht des Bundes an Pflichtlagern; Art. 11 und 12 KVG und Art. 1 der Aussonderungsverordnung. 1. Umschreibung der Pflichtlagerware. Die Herstellungsart ist kein taugliches Unterscheidungskriterium für Pflichtlagerware und freie Betriebsvorräte (E. 3 und 4). Sie bezeichnet lediglich eine Untergattung oder Sorte im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Aussonderungsverordnung (E. 5). 2. Art. 1 der Aussonderungsverordnung überschreitet trotz der darin enthaltenen weiten Umschreibung des Gegenstandes des Aussonderungsrechts des Bundes an Pflichtlagern die dem Bundesrat in Art. 20 KVG eingeräumte Kompetenz nicht (E. 6).
Sachverhalt ab Seite 111 BGE 104 III 110 S. 111 A.- Am 31. August 1971 schloss das Eidg. Volkswirtschaftsdepartement, vertreten durch den Delegierten für wirtschaftliche Kriegsvorsorge, mit der Kommanditgesellschaft Pierre Pobé & Co. Edelstahl, Basel, einen Pflichtlagervertrag über 1310,7 t Edelstahlprodukte ab. Dieser Vertrag berechtigte die Firma zur Beanspruchung eines Pflichtlagerkredits von insgesamt Fr. 8'894'700.-. Dieser von sechs verschiedenen Banken zusammen gewährte Kredit wurde zu günstigen Zinsbedingungen eingeräumt und vom Bund garantiert. Am 10. September 1973 wies die Firma den Bestand des Pflichtlagers durch betrügerische Machenschaften mit 3083,6 t aus und erhielt gestützt auf das Verpflichtungsformular weitere Fr. 8'249'500.-, womit sich der vom Bund garantierte Kredit auf total Fr. 17'144'200.- erhöhte. In Wirklichkeit wurde kein Kilogramm Stahl dazugekauft. Ende 1974/anfangs 1975 machte die Firmenleitung auf deliktische Weise beim Delegierten für wirtschaftliche Kriegsvorsorge erhöhte Wiederbeschaffungspreise geltend und nahm weitere Fr. 5'500'000.- an Pflichtlagerkrediten in Anspruch. Die vom Bund garantierten Kredite beliefen sich damit auf total Fr. 22'644'200.-. Die Vertragsparteien gingen bei dieser Erhöhung von der im Pflichtlagervertrag vom 10. September 1973 umschriebenen Produktmenge aus. Dieser Vertrag sowie die ihn ergänzenden Verpflichtungsformulare vom 10./27. September 1973 und 8. Januar 1975 führten unter der Rubrik "Warengattung" u.a. eine Position "Rohre 4301, nahtlos, Zoll-Tarif-Nr. 7318.12, 289,7 t" und eine Position "Rohre 4435, nahtlos, Zoll-Tarif-Nr. 7318.12, BGE 104 III 110 S. 112 361,9 t" auf. Sowohl in der Beilage zum Pflichtlagervertrag als auch in den Verpflichtungsformularen wurde zusätzlich der Lagerort festgehalten, entsprechend Ziffer 1 der "Wegleitung und Bedingungen für die Finanzierung von Pflichtlagern". B.- Eine von den zuständigen Organen des Büros des Delegierten für wirtschaftliche Kriegsvorsorge im Sommer 1976 durchgeführte Kontrolle des Pflichtlagers bei der Firma Pobé & Co. ergab, dass beträchtliche Unterbestände vorlagen. Diese betrugen gemäss einer Selbstdeklaration der Firma per 20. Oktober 1976 bei den fraglichen zwei Positionen 101,978 t bzw. 87,782 t. Da der unbeschränkt haftende Komplementär, Dr. Pobé, den Aufforderungen zur Wiederherstellung des vertragsmässigen Zustandes bzw. zur Sicherstellung des ungedeckten Betrags von ca. Fr. 12'640'000.- keine Folge leistete, wurde gegen ihn und seinen Direktor eine Strafverfolgung eingeleitet. Der Delegierte für wirtschaftliche Kriegsvorsorge führte am 5. Mai 1977 durch Wechselbetreibung den Gesellschaftskonkurs und am 13. Mai 1977 auch den Privatkonkurs von Dr. Pobé herbei. Bis zum Konkursausbruch wurden die fraglichen Lagerbestände nicht mehr ergänzt. Mit Schreiben vom 17. Mai 1977 meldete der Delegierte für wirtschaftliche Kriegsvorsorge das Aussonderungsrecht des Bundes gemäss Art. 3 der Verordnung über die wirtschaftliche Kriegsvorsorge vom 26. April 1963 und Art. 11 und 12 des Bundesgesetzes über die wirtschaftliche Kriegsvorsorge vom 30. September 1955 beim Konkursamt Basel-Stadt, wie folgt an: "2. Aussonderungsanspruch an sämtlichen noch vorhandenen Edelstahlvorräten bis zur vertraglich vereinbarten Gesamtmenge von maximal 3086,6 t gemäss Art. 11 Abs. 1 sowie Art. 12 Abs. 1 KVG und insbesondere Art. 1 Abs. 2 der Aussonderungsverordnung. Nach der beiliegenden Liste betragen diese Mengen buchmässig: - In Basel und Birsfelden gemäss Pflichtlagervertrag 1 173 015 kg - Freie Vorräte in Basel und Birsfelden 164 902 kg - Gemäss Pflichtlagervertrag in Ditzingen (D) 3 093 kg - Gemäss Pflichtlagervertrag in Reutlingen (D) 25 498 kg ---------- Total 1 366 508 kg Gemäss der zitierten Bestimmung der Verordnung fallen die im Verpflichtungsformular nicht ausdrücklich erwähnten Edelstahlprodukte ebenfalls ins Eigentum des Bundes, und zwar auch diejenigen, die sich im KO-Lager Horlach in Ditzingen (D) und bei der CM-Stahlhandel GmbH in Reutlingen (D) befinden." BGE 104 III 110 S. 113 Am 7. Mai 1977 waren 375 t "nahtloser" Rohre im Gegenwert von Fr. 4'173'000.- vorhanden, die unbestrittenermassen dem Aussonderungsrecht des Bundes unterstanden. Dazu kamen noch 33,849 t bzw. 35,758 t "längsgeschweisste" Rohre mit den im Verpflichtungsformular aufgeführten Zolltarifnummern und Werkstoffen (4301 und 4435). Seit ungefähr zwei Jahren (1976/77) sollen diese längsgeschweissten die bisherigen nahtlosen Rohre praktisch vom Markt verdrängt haben. Der Delegierte für wirtschaftliche Kriegsvorsorge beanspruchte das Aussonderungsrecht des Bundes auch für diese längsgeschweissten Rohre, während die Konkursmasse der Pierre Pobé & Co. Edelstahl diese nach der neuen Herstellungsart produzierten Rohre als zum freien Lager bzw. zu den freien Betriebsvorräten gehörend betrachtete. Das Konkursamt Basel-Stadt wies den Aussonderungsanspruch des Bundes an längsgeschweissten Rohren mit Verfügung vom 5. Januar 1978 ab. Zur Begründung führte es an, bei diesen Waren handle es sich um freies Lager. Dem Bund stehe ein Aussonderungsrecht gemäss Gesetz nur am Pflichtlager zu. C.- Am 13. Januar 1978 erhob der Delegierte für wirtschaftliche Kriegsvorsorge namens der Schweizerischen Eidgenossenschaft beim Bundesgericht Klage gegen die Konkursmasse der Pierre Pobé & Co. Edelstahl, Basel, mit den folgenden Anträgen: "1. Es sei die Verfügung des Konkursamtes Basel-Stadt vom 5. Januar 1978 betr. Abweisung der Aussonderungsansprüche der Eidgenossenschaft an längsgeschweissten Rohren der konkursiten Firma P. Pobé & Co. Edelstahl, Basel, Werkstoff 4301, gemäss Inventar-Nr. 186 im Werte von Fr. 135'396.-, dito, Werkstoff Nr. 4435, gemäss Inventar-Nr. 187 im Werte von Fr. 23'838.- sowie dito, Werkstoff 4435, gemäss Inventar Arlesheim im Werte von Fr. 169'826.41 aufzuheben und die genannten Gegenstände bzw., soweit sie bereits verkauft wurden, deren Erlös aus der Konkursmasse zu entlassen. 2. Unter Kostenfolge sowie Entschädigungsfolgen zu Lasten der Beklagten." Die Klägerin geht davon aus, dass sie in ihrer Aussonderungsanmeldung vom 17. Mai 1977 sämtliche Ware beansprucht habe, die den Qualitätsansprüchen gemäss Art. 3 Abs. 2 des Pflichtlagervertrages entspreche. Dazu gehörten auch die längsgeschweissten Rohre, die zu den beiden Positionen "nahtlose Rohre" hinzugezählt werden müssten. Auch so würden die vertraglichen Mengen bei weitem nicht erreicht. BGE 104 III 110 S. 114 D.- In ihrer Klageantwort vom 31. Januar 1978 beantragt die Konkursmasse der Pierre Pobé & Co. Edelstahl die Abweisung der Klage unter Auferlegung der Kosten an die Klägerin. E.- In Replik und Duplik hielten die Parteien an ihren Begehren und deren Begründung vollumfänglich fest. F.- Beide Parteien verzichteten auf die Durchführung einer mündlichen Vorbereitungsverhandlung im Sinne von Art. 35 Abs. 4 BZP . Desgleichen wurde im Einverständnis mit den Parteien von der Durchführung eines Beweisverfahrens abgesehen. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Über Streitigkeiten betreffend das Aussonderungsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft haben nach Art. 12 Abs. 5 des Bundesgesetzes über die wirtschaftliche Kriegsvorsorge vom 30. September 1955 (KVG; SR 531.01) die Zivilgerichte zu entscheiden, wobei der Entscheid über den Aussonderungsanspruch gemäss Art. 5 Abs. 1 der Verordnung über die wirtschaftliche Kriegsvorsorge (Aussonderungsrecht des Bundes an Pflichtlagern) vom 26. April 1963 (Aussonderungsverordnung genannt; SR 531.105) im beschleunigten Verfahren zu treffen ist. Die Parteien haben sich jedoch darauf geeinigt, direkt das Bundesgericht als einzige Instanz anzurufen. Das ist nach Art. 41 lit. c OG zulässig, wenn der Streitwert mindestens Fr. 20'000.- beträgt. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, beziffert sich der Streitwert doch auf über Fr. 300'000.-. Die Klage, die auch fristgemäss anhängig gemacht worden ist, kann daher an Hand genommen werden. 3. Kommt ein Eigentümer eines Pflichtlagers in Konkurs oder begehrt er einen Nachlassvertrag, so hat der Bund gemäss Art 11 Abs. 1 KVG am Pflichtlager ein Recht auf Herausgabe und ausschliessliche Befriedigung, wenn er die Kreditgeber im Rahmen seiner Haftung für einen allfälligen Ausfall aus der Finanzierung des Lagers deckt. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall unbestrittenermassen erfüllt, hat doch der Bund im Rahmen seiner Garantieverpflichtung ( Art. 10 KVG ) die Forderungen der Kreditgeber im Betrage von Fr. 22'644'200.- bezahlt. Das Eigentum am Pflichtlager und allfällige Ersatzansprüche des Lagerpflichtigen sind daher von BGE 104 III 110 S. 115 Gesetzes wegen mit Rechtskraft des Konkurserkenntnisses auf den Bund übergegangen ( Art. 12 KVG ). Streitig ist somit nur, ob die von der Klägerin ebenfalls beanspruchten, mit "freie Betriebsvorräte in Basel und Birsfelden" umschriebenen 164 902 kg längsgeschweissten Edelstahlrohre zum Pflichtlager gehören und damit von ihrem Aussonderungsanspruch miterfasst werden. Über den Umfang des Aussonderungsrechts lässt sich dem Gesetzestext nichts entnehmen. Art. 11 KVG beschränkt das Aussonderungsrecht auf das Pflichtlager; doch definiert das Gesetz diesen Begriff nicht näher und erwähnt vor allem den weiteren umstrittenen Begriff der "freien Betriebsvorräte" nicht. Auch Art. 2 Abs. 2 der Aussonderungsverordnung bestimmt nur, dass Umfang und Gattung des Pflichtlagers in einer besonderen Abteilung des Inventars unter Angabe des Bundes als Eigentümer aufzuführen seien. In der Lehre wird das Pflichtlager als ein nach Art, Menge, Qualität und Lagerort genau umschriebener Warenvorrat definiert, zu dessen Anlegung und Haltung sich die eine Vertragspartei gegenüber der andern verpflichtet (REDLI, Der Pflichtlagervertrag, Diss. Zürich 1953, S. 46 und 71; vgl. Botschaft des Bundesrates vom 29. April 1955, BBl 1955 I 827). Es handelt sich um ein zusätzliches Lager, das zu den übrigen Waren gleicher Art hinzutritt, dessen Finanzierung der Bund erleichtert und dessen Haltung er steuerrechtlich begünstigt. Dass das Pflichtlager sich aus Waren der gleichen Gattung wie diejenigen der freien Betriebsvorräte zusammensetzt, ergibt sich auch aus Art. 1 Abs. 3 des Pflichtlagervertrags. Danach wird das Pflichtlager neben den üblichen freien Betriebsvorräten als zusätzliches Lager errichtet. Die freien Betriebsvorräte müssen so bemessen sein, dass die laufenden Bedürfnisse des Betriebes ohne Inanspruchnahme des Pflichtlagers befriedigt werden können. Dem Pflichtlager-Quartalsrapport vom 20. Oktober 1976 lässt sich schliesslich entnehmen, dass der Gesamtvorrat bestimmter Waren sich aus Pflichtlager und freien Vorräten zusammensetzt. Demnach enthalten Pflichtlagerware und freie Betriebsvorräte entgegen der Meinung der Beklagten dieselbe Warengattung und lassen sich lediglich durch eine rechnerische Operation mengenmässig auseinanderhalten. 4. Gemäss Art. 7 Abs. 1 KVG werden für die Errichtung von Pflichtlagern mit Firmen Verträge abgeschlossen, worin BGE 104 III 110 S. 116 sich diese verpflichten, bestimmte Vorräte an einem vereinbarten Ort im Inland sachgemäss zu lagern und fortlaufend zu erneuern. Die fortlaufende Erneuerung dient dem Zweck, jederzeit marktkonforme Ware zur Verfügung zu haben, die einerseits möglichst wertbeständig bleibt, anderseits aber im Sinne des Pflichtlagers fortlaufend die Landesversorgung mit lebenswichtigen Rohstoffen und Lebensmitteln sichert (vgl. StenBull NR 1955, S. 136/37; LAUTNER, System des Schweiz. Kriegswirtschaftsrechts, Zürich 1942, S. 246, 281 Anm. 139 und 318; REDLI, a.a.O., S. 15, 51/52 und 64-66; BBl 1955 I 827 und 833). Gestützt auf diese Bestimmung hat der Bund mit der konkursiten Firma die bereits erwähnten Pflichtlagerverträge abgeschlossen. Die Firma Pobé & Co. verpflichtete sich gemäss Beilage zum Pflichtlagervertrag, u.a. 289,7 t Rohre, 4301, nahtlos, Zoll-Nr. 7318.12 sowie 361,9 t Rohre, 4435, nahtlos, Zoll-Nr. 7318. 12 anzuschaffen und zu lagern. Damit wird unter der Rubrik "Warengattung" u.a. eine Position Rohre aufgeführt, die nach Werkstoff (4301 und 4435), Herstellungsart (nahtlos), Zolltarif-Nummer (7318.12), Lagerort (Dreispitz-Birsfelden) sowie nach Gewichtsmenge (289,7 t und 361,9 t) näher umschrieben sind. Als Hauptumschreibungsmerkmal dient in der Regel die Zollposition (LAUTNER, a.a.O., S. 44; REDLI, a.a.O., S. 47). Der Zolltarif-Nummer kommt daher neben der Menge, dem Lagerort und der Qualität entscheidende Bedeutung zu. Die im Verpflichtungsformular angeführte Zolltarif-Nummer 7318.12 enthält, wie die Klägerin zutreffend ausführt, die Umschreibung: "Rohr... nahtlos und längsgeschweisst". Es ist unbestritten, dass bis ungefähr 1975 die nahtlosen Rohre den Markt beherrschten, weil nur diese Herstellungstechnik den Anforderungen, welche die Abnehmer vor allem in der chemischen Industrie an dieses Produkt stellten, gerecht wurde. Die technische Entwicklung erlaubte jedoch in der Folge die verbesserte Herstellung von längsgeschweissten Rohren, so dass diese allmählich die nahtlosen vom Markt vollständig verdrängten. Die Bestimmungen des Pflichtlagervertrags und der "Wegleitung und Bedingungen für die Finanzierung von Pflichtlagern", die dem sogenannten Verpflichtungsformular beigegeben sind, führen den in Art. 7 Abs. 1 KVG bereits enthaltenen Grundsatz noch weiter aus. Diesen Bestimmungen ist zu entnehmen, dass die Firma für sachgemässe Lagerung, Besorgung, Auswechslung und Beaufsichtigung der Pflichtlagerware BGE 104 III 110 S. 117 verantwortlich ist. Die Auswechslung der Ware hat in der Weise zu erfolgen, dass stets das gesamte in Art. 1 des Vertrages umschriebene Pflichtlager an den erwähnten Einlagerungsorten mengenmässig sowie in handelsüblichen Qualitäten und Dimensionen vorhanden ist (Art. 3 Abs. 2 des Pflichtlagervertrags). Nach Ziffer 4 der Wegleitung dürfen die Pflichtlager ohne ausdrückliche schriftliche Bewilligung des Delegierten für wirtschaftliche Kriegsvorsorge und Rückzahlung des entsprechenden Teils des Bankkredites weder mengenmässig herabgesetzt noch qualitativ verschlechtert werden. Daraus ergibt sich für die lagerhaltende Firma die Pflicht, stets für eine genügende Menge der Pflichtlagerware in handelsüblicher Qualität und Dimension besorgt zu sein. Handelsüblicher Qualität entsprachen aber im vorliegenden Fall seit 1975 die längsgeschweissten Rohre. Die konkursite Firma wäre daher verpflichtet gewesen, den veränderten Umständen insofern Rechnung zu tragen, als sie die bisherigen nahtlosen Rohre durch die längsgeschweissten hätte ersetzen müssen. Dies gilt umsomehr, als weder das Gesetz noch der Pflichtlagervertrag der Herstellungsart eine besondere Bedeutung als Unterscheidungskriterium für Pflichtlagerware gegenüber freien Vorräten beimessen. Es geht demnach nicht an, nur weil eine neue Herstellungsart die im Verpflichtungsformular umschriebene Ware vom Markt verdrängt hat, anzunehmen, es liege eine neue Warengattung vor, die vom Pflichtlager nicht erfasst werde und damit auch dem Aussonderungsrecht der Eidgenossenschaft trotz deren weitgehender Haftung entzogen wäre. Anders entscheiden hiesse, eine offensichtliche Vertragsverletzung der konkursiten Firma auf Kosten der Öffentlichkeit sanktionieren. Wenn die unterschiedliche Herstellungsart als das massgebende Spezifikationsmerkmal zu gelten hätte, so hätte dies angesichts der heutigen schnellen Entwicklung der Technik zur Folge, dass die Eidgenossenschaft ihre Pflichtlagerverträge laufend überprüfen und anpassen müsste, um zu vermeiden, dass im Falle eines Konkurses Verluste entstehen, weil inzwischen eine neue Herstellungsart die Pflichtlagerware im ursprünglich umschriebenen Sinne qualitativ und technisch überholt hat. Dies kann ihr aber entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zugemutet werden. Dass der Bund im Konkurs des Pflichtlagerhalters sich nicht mit Ladenhütern zufrieden geben muss, ergibt sich auch aus dem Zweck seiner Vorsorgepolitik für Kriegszeiten, auf die sich BGE 104 III 110 S. 118 die Klägerin in diesem Zusammenhang mit Recht beruft. Gemäss Art. 1 KVG besteht dieser Zweck darin, die für Volk und Armee lebenswichtigen Güter zu beschaffen und sicherzustellen. Der Erfüllung dieses im öffentlichen Interesse liegenden Zwecks dient im wesentlichen die Pflichtlagerhaltung. Er kann aber nur verwirklicht werden, wenn die Pflichtlager nicht nur mengenmässig, sondern auch in qualitativer Hinsicht den gestellten Anforderungen entsprechen. Dazu müssen die Pflichtlagerhalter ihrer vertraglichen Ergänzungs- und Auswechslungspflicht nachkommen. Das öffentliche Interesse an der Pflichtlagerhaltung muss daher im Zusammenhang mit dem Aussonderungsrecht der Eidgenossenschaft ebenfalls Berücksichtigung finden. Schliesslich ist noch auf Art. 7 Abs. 2 KVG zu verweisen. Danach muss dem Lagerpflichtigen bei Anordnung einer kriegswirtschaftlichen Ablieferungspflicht mindestens die Hälfte des Lagers für die Verwendung im eigenen Betrieb oder zur Belieferung der Kundschaft verbleiben. Auch daraus ergibt sich, dass die Pflichtlagerware jeweils dem neuesten Stand der Technik entsprechen und zu diesem Zweck immer wieder ausgewechselt werden muss. Alle diese Überlegungen führen dazu, den Einbezug der umstrittenen längsgeschweissten Rohre in das Aussonderungsrecht des Bundes zuzulassen. Die im Zeitpunkt des Konkurses noch vorhandene und den qualitativen Anforderungen entsprechende Ware ist mit der im Verpflichtungsformular gemäss Werkstoff und Zolltarif-Nummer eindeutig umschriebenen Gattung identisch. Ihr Einbezug in die von der Klägerin verlangte Aussonderung lässt sich aufgrund der gesetzlichen und vertraglichen Vorschriften sowie des damit verfolgten Zwecks nicht beanstanden (vgl. dazu auch REDLI, a.a.O., S. 94 ff., insbesondere S. 107). 5. Zum gleichen Ergebnis gelangt man gestützt auf Art. 1 der Aussonderungsverordnung, der den Gegenstand des Aussonderungsrechtes des Bundes an Pflichtlagern gemäss Art. 11 und 12 KVG näher umschreibt. Nach Absatz 1 dieser Vorschrift bestimmt sich der Gegenstand des Aussonderungsrechts des Bundes im Einzelfall aufgrund des Pflichflagervertrags und des Verpflichtungsformulars. Absatz 2 präzisiert indessen, dass sich das Aussonderungsrecht mengenmässig auf die im Verpflichtungsformular verzeichneten Waren beschränkt; innerhalb BGE 104 III 110 S. 119 dieses Rahmens unterliegen ihm jedoch sämtliche dem Lagerpflichtigen gehörenden Waren der im Pflichtlagervertrag genannten Gattung, gleichgültig, ob diese Waren sich an dem im Pflichtlagervertrag vereinbarten Ort oder anderswo befinden und ob es sich um die im Verpflichtungsformular ursprünglich angeführten oder um andere Sorten, Qualitäten und Provenienzen handelt. Diese Vorschrift lässt der Auffassung der Beklagten, dass der Begriff "nahtlos" die Warengattung bezeichne, keinen Raum. Sie beschränkt das Aussonderungsrecht des Bundes bloss mengenmässig auf die im Verpflichtungsformular umschriebene Warengattung. Innerhalb dieses Rahmens unterliegen ihm aber sämtliche nach Art, Qualität und Lagerort noch vorhandenen Waren dieser Gattung, die dem Lagerpflichtigen gehören, und zwar ohne Rücksicht auf die inzwischen veränderte Herstellungsart. Der Warengattung entspricht im vorliegenden Fall ohne Zweifel die Gattung Rohre der betreffenden Werkstoffe und Zolltarif-Nummer. Bei nahtlosen oder längsgeschweissten Rohren handelt es sich um eine Untergattung oder andere Sorte, die gemäss Art. 1 Abs. 2 der Verordnung nach der Herstellungsart umschrieben wird. Das Aussonderungsrecht des Bundes an den umstrittenen längsgeschweissten Rohren der Werkstoffe 4301 und 4435, Zolltarif-Nummer 7318.12, die nur eine andere Sorte der im Zolltarif umschriebenen Gattung sind, muss demnach auch gestützt auf Art. 1 Abs. 2 der Aussonderungsverordnung bejaht werden. Daran ändert nichts, dass die Klägerin es unterlassen hat, den Pflichtlagervertrag und die Verpflichtungsformulare rechtzeitig den veränderten Marktverhältnissen anzupassen, auch wenn dies an sich um der Klarheit der Rechtslage willen wünschbar gewesen wäre. 6. Die Beklagte beantragt für den Fall, dass der Aussonderungsanspruch der Klägerin an den in ihrem Rechtsbegehren genannten längsgeschweissten Rohren aufgrund der Aussonderungsverordnung bejaht werde, Art. 1 dieser Verordnung nicht anzuwenden, weil er dem klaren Wortlaut des Gesetzes, insbesondere Art. 7 Abs. 1 und Art. 11 Abs. 1 KVG , widerspreche. Nach diesen Bestimmungen beschränke sich das Aussonderungsrecht des Bundes auf das Pflichtlager. Art. 1 Abs. 2 der Aussonderungsverordnung bringe indessen bei entsprechend grosszügiger Interpretation eine weit über den Gesetzestext BGE 104 III 110 S. 120 hinausgehende Ausweitung, indem nicht nur die im Verpflichtungsformular verzeichnete Ware, sondern sämtliche Ware der genannten Gattung ausgesondert werden könne. Dies widerspreche dem Gesetzeswortlaut. Art. 11 Abs. 1 KVG halte zudem fest, dass der Bund am Pflichtlager ein Recht auf Herausgabe habe, wenn er die Kreditgeber im Rahmen seiner Haftung für einen allfälligen Ausfall aus der Finanzierung des Lagers decke. Im vorliegenden Fall hätten die Kreditgeber die zur Aussonderung geforderten längsgeschweissten Rohre nie finanziert, da sie im Verpflichtungsformular nicht aufgeführt seien. Es gebe damit keinen Ausfall und auch keine Garantiehaftung des Bundes. Würde der Klägerin das Aussonderungsrecht trotzdem zuerkannt, so würde sie zu Unrecht auf Kosten der übrigen Gläubiger bereichert. a) Das Bundesgericht ist an die von der Bundesversammlung erlassenen Gesetze und allgemeinverbindlichen Beschlüsse sowie an die von ihr genehmigten Staatsverträge gebunden (Art. 113 Abs. 3 und 114 bis Abs. 3 BV). Dagegen kann es Verordnungen des Bundesrates grundsätzlich auf ihre Rechtmässigkeit überprüfen. Es unterwirft dieser Kontrolle insbesondere die auf eine gesetzliche Delegation gestützten (unselbständigen) Verordnungen des Bundesrates. Dabei prüft es aber nur, ob diese den Rahmen der dem Bundesrat im Gesetz delegierten Kompetenzen nicht sprengen ( BGE 103 Ib 139 E. 4a mit Hinweisen und BGE 84 I 144 ). Was den Inhalt einer solchen Ausführungsverordnung anbetrifft, ist davon auszugehen, dass sie dem Ziel zu dienen hat, die Anwendung und Durchführung des Gesetzes zu gewährleisten. Sie hat ihrem Wesen nach keine andere Aufgabe, als gewisse Gesetzesbestimmungen zu verdeutlichen, allfällige echte Lücken derselben auszufüllen und soweit nötig das Verfahren zu regeln. Dagegen darf sie nicht neue Bestimmungen enthalten, die den Anwendungsbereich des Gesetzes ausdehnen. Gegenstand einer Vollziehungs- oder Ausführungsverordnung darf mit andern Worten nur die nähere Regelung einer bereits durch das Gesetz grundsätzlich geordneten Materie, nicht aber die ausschliessliche Normierung eines Sachgebietes bilden ( BGE 103 IV 193 /94 E. 2a; BGE 97 II 272 E. 2e; BGE 68 II 318 ; BGE 64 I 315 je mit Hinweisen). Die Gesetzwidrigkeit einer Verordnung kann nur einredeweise geltend gemacht werden. Dies bedeutet, dass das Bundesgericht eine Verordnung, die es als ungültig erachtet, nicht aufheben, BGE 104 III 110 S. 121 sondern ihr nur die Anwendung im konkreten Fall versagen kann ( BGE 103 IV 194 und BGE 92 I 431 E. 3). b) Das KVG, das die bundesrätlichen Vollmachtenbeschlüsse der Kriegszeit in die ordentliche Gesetzgebung übergeführt hat, erteilt dem Bundesrat in sachlicher Hinsicht recht grosse Kompetenzen ( Art. 16 und 17 KVG ; Botschaft des Bundesrats zum Entwurf des KVG, BBl 1955 I 845). Darüber hinaus ermächtigt das Gesetz den Bundesrat in Art. 2 allgemein, die organisatorischen und rechtlichen Vorbereitungen zur Kriegswirtschaft zu treffen. In Art. 20 KVG wird der Bundesrat generell mit dem Vollzug des Gesetzes beauftragt, soweit nicht die Kantone damit betraut sind. Der Erlass der erforderlichen Ausführungsbestimmungen ist nach Absatz 2 dieser Vorschrift Sache des Bundesrates. Auf diese Norm stützt sich die Aussonderungsverordnung. Sie enthält ausschliesslich Bestimmungen, die das in Art. 11 und 12 KVG vorgesehene Aussonderungsrecht des Bundes näher regeln. Dieser bundesrätlichen Ordnung liegt offensichtlich der Gedanke zugrunde, der Bund solle trotz des grossen öffentlichen Interesses an der Pflichtlagerhaltung nicht unnötige finanzielle Risiken eingehen müssen. Das System der kriegswirtschaftlichen Vorsorge beruht nämlich weitgehend auf der privaten Pflichtlagerhaltung. Als Gegenleistung sieht der Bund die Haftung für einen allfälligen Ausfall an Bankdarlehen sowie die Deckung unversicherter Risiken vor ( Art. 10 Abs. 1 KVG ) und gesteht unter bestimmten Voraussetzungen Steuererleichterungen zu ( Art. 10 Abs. 2 KVG ). Dass der Bund angesichts dieser weitgehenden Zusicherungen für die Finanzierung der Pflichtlager bestrebt ist, sich gegen allfällige Verluste abzusichern, liegt auf der Hand, dies umso mehr, als das Eigentum an der Pflichtlagerware und das Verfügungsrecht darüber beim Lagerhalter verbleiben (REDLI, a.a.O., S. 64; Sten.Bull. NR 1955, S. 140/41). Da diese Absicherung wegen der Besonderheit der Materie nicht auf dem Wege des ordentlichen Fahrnispfandrechts erfolgen kann, geschieht sie durch ein besonderes, vom ordentlichen Sachen- und Betreibungsrecht abweichendes Aussonderungsrecht des Bundes im Falle des Konkurses des Lagerhalters ( Art. 11 und 12 KVG ; Sten. Bull. StR 1955, S. 116; REDLI, a.a.O., S. 113). Das Recht auf Aussonderung ist im Gesetz selbst vorgesehen, welches auch bestimmt, dass dieses Recht sich auf das Pflichtlager bezieht. Was aber zum Pflichtlager gehört und BGE 104 III 110 S. 122 inwieweit allfällige Ersatzansprüche des Lagerpflichtigen auf den Bund übergehen können, wird nicht im Gesetz geregelt, sondern bleibt der Umschreibung durch die Ausführungs- und Vollzugsbestimmungen überlassen. Nach Art. 1 Abs. 1 der Aussonderungsverordnung wird der Gegenstand des Aussonderungsrechts des Bundes an Pflichtlagern aufgrund des Pflichtlagervertrags und des Verpflichtungsformulars bestimmt. Darüber hinaus beschränkt Art. 1 Abs. 2 der Verordnung das Aussonderungsrecht mengenmässig auf die im Verpflichtungsformular verzeichneten Waren. Im Rahmen dieser mengenmässigen Abgrenzung aber werden sämtliche dem Lagerpflichtigen gehörenden Waren der im Pflichtlagervertrag genannten Gattung in das Aussonderungsrecht des Bundes miteinbezogen, und zwar gleichgültig, ob diese Waren sich an dem im Pflichtlagervertrag vereinbarten Ort oder anderswo befinden, und gleichgültig, ob es sich um die im Verpflichtungsformular ursprünglich aufgeführten oder um andere Sorten, Qualitäten und Provenienzen handelt. Die vom Bundesrat in dieser Verordnungsbestimmung gewählte Umschreibung des Gegenstandes des Aussonderungsrechts beruht u.a. auf der auch im Interesse des Lagerpflichtigen selbst liegenden Rotations- und Auswechslungspflicht. Festzuhalten ist stets am Quantum der Pflichtlagerware, aber diese selbst ist regelmässig auswechselbar (LAUTNER, a.a.O., S. 281 Anm. 139; REDLI, a.a.O., S. 48, 51f. und 70). Diese Auswechslungspflicht wird nicht nur im Pflichtlagervertrag und in den Verpflichtungsformularen, sondern auch vom Gesetz selber vorgeschrieben. Art. 7 Abs. 1 KVG sieht vor, dass die Pflichtlagerware fortlaufend zu erneuern ist. Um der damit verbundenen Gefahr zu begegnen, hat der Bundesrat den Gegenstand des Aussonderungsrechts in Art. 1 Abs. 2 der Aussonderungsverordnung weit umschrieben. Damit hat er aber den Anwendungsbereich des Gesetzes in der Vollziehungsverordnung nicht in unzulässiger Weise ausgedehnt. Art. 1 Abs. 2 der Aussonderungsverordnung enthält nicht die ausschliessliche Normierung eines Sachgebietes, sondern lediglich die nähere Umschreibung und Ausführung des dem Grundsatze nach im Gesetz enthaltenen Aussonderungsrechts des Bundes. Er überschreitet demnach die dem Bundesrat in Art. 20 KVG eingeräumte Kompetenz nicht. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist die Klage daher zu schützen. BGE 104 III 110 S. 123 c) Schliesslich geht auch der Einwand der Beklagten, die von der Klägerin beanspruchten längsgeschweissten Rohre seien von ihr gar nicht finanziert worden, fehl. Das Rotationssystem, das seit jeher in der gesamten kriegswirtschaftlichen Vorsorge galt, führt dazu, dass zwar stets nur bestimmte, spezifizierbare Ware finanziert wird (vgl. z.B. Art. 3 des BRB über die Vorratshaltung an Kakaobohnen und Kakaobutter vom 16. Juli 1962 und Art. 1 des BRB über die Vorratshaltung an Reis zu Speisezwecken vom 16. Juli 1962), dass aber die Finanzierung für die Pflichtlagerware generell erfolgt, d.h. ohne Rücksicht darauf, ob die Ware zur Zeit der Finanzierung bereits vorhanden ist oder erst angeschafft oder erneuert werden muss (vgl. REDLI, a.a.O., S. 92). Ob im Zeitpunkt der Aussonderung noch die ursprünglich aus dem garantierten Kredit angeschaffte oder vielmehr eine erneuerte Ware vorhanden ist, spielt somit für die Finanzierung selbst keine Rolle. Das Recht des Bundes, an der im Zeitpunkt des Konkurses vorhandenen Pflichtlagerware die Aussonderung zu beanspruchen, wird dadurch nicht berührt. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Klage wird gutgeheissen, die Verfügung des Konkursamtes Basel-Stadt vom 5. Januar 1978 betr. Abweisung der Aussonderungsansprüche der Klägerin an längsgeschweissten Rohren der konkursiten Firma P. Pobé & Co. Edelstahl, Basel, Werkstoff 4301, gemäss Inventarnummer 186 im Werte von Fr. 135'396.-, dito, Werkstoff 4435, gemäss Inventarnummer 187 im Werte von Fr. 23'838.- sowie dito, Werkstoff 4435, gemäss Inventar Arlesheim im Werte von Fr. 169'826.41 wird aufgehoben, und die genannten Gegenstände bzw. deren Erlös, soweit sie verkauft sind, werden aus der Konkursmasse entlassen.
null
nan
de
1,978
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
000d17d7-3ad9-4227-8ae3-39f258ea368f
Urteilskopf 114 Ib 112 17. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 2. März 1988 i.S. X. gegen Gemeinde Trimmis und Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste Materielle Enteignung, die durch eine formelle ergänzt wird. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Entschädigungsentscheide in Enteignungsverfahren, die durch Ausübung des Heimschlagsrechtes in Folge einer Planungsmassnahme im Sinne des eidg. Raumplanungsgesetzes eingeleitet wurden (E. 1a). Art. 35 VwVG ; Folgen fehlender Rechtsmittelbelehrung (E. 2a). Art. 88 OG ; Legitimation einer Gemeinde verneint, die Zulässigkeit eines Anschlussrekurses im kantonalen Verwaltungsgerichtsverfahren mittels staatsrechtlicher Beschwerde zu rügen (E. 2b). Art. 5 Abs. 2 RPG ; Die Nichteinzonung von groberschlossenem Land, das innerhalb des engeren Baugebietes liegt, bewirkt eine materielle Enteignung (E. 4-5). Wird nur ein Teil einer Parzelle nicht eingezont, so bewirkt das für den eingezonten Teil keine materielle Enteignung, wenn noch erhebliche Überbauungsmöglichkeiten bleiben (E. 6). Berechnung der Entschädigung bei einer materiellen Enteignung, die durch eine formelle ergänzt wird (E. 7).
Sachverhalt ab Seite 113 BGE 114 Ib 112 S. 113 X. ist Eigentümerin der Parzelle Nr. 377, Plan 3 und 4 (gemäss neuer Vermessung: Parzelle Nr. 614), welche südwestlich der protestantischen Kirche von Trimmis liegt. Dieses Grundstück befindet sich nach der Ortsplanung vom 19. Dezember 1972, die am 18. Juni 1973 vom Regierungsrat genehmigt worden ist, zum Teil in der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen und zum Teil in der Dorfzone. Zuvor bestand in Trimmis keine Zonenplanung, sondern nur ein interimistisches Baugesetz. Im Jahre 1983 verhandelte der Gemeindevorstand mit X. über den Erwerb des in der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen gelegenen Parzellenteils, den die Gemeinde für eine Friedhoferweiterung benötigt. Am 15. Februar 1983 gelangte er mit einem Übernahmebegehren an sie. Weil keine Einigung zustande gekommen BGE 114 Ib 112 S. 114 war, beschloss die Gemeindeversammlung am 19. Oktober 1984, das Land auf dem Enteignungswege zu erwerben. Die Gemeinde gelangte daher am 28. Juni 1985 an die Enteignungskommission I und stellte das Begehren, es sei das Schätzungsverfahren durchzuführen. Mit Entscheid vom 5. Mai/9. Oktober 1986 setzte die Enteignungskommission die Entschädigung auf Fr. 80.-- /m2 fest. Die Gemeinde Trimmis zog diesen Entscheid an das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden weiter und beantragte, die zugesprochene Entschädigung auf Fr. 20.-- /m2 zu reduzieren. X. gelangte mit einem Rekurs ebenfalls an das Verwaltungsgericht und stellte die folgenden Anträge: "1. Der Entscheid der Enteignungskommission I des Kantons Graubünden vom 5. Mai/9. Oktober 1986 sei aufzuheben. 2. Die Entschädigung für materielle Enteignung des in der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen (ZöBA) befindlichen Landes von X. sei auf Fr. 200.-- pro m2 Land festzusetzen. 3. Die Entschädigung für materielle Enteignung sei mit 6% Zins ab 18.6.1973, eventualiter ab 1.1.1977 zu verzinsen. 4. Die Entschädigung für formelle Enteignung des in der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen (ZöBA) befindlichen Landes von X. sei auf Fr. 600.-- pro m2 Land minus Entschädigung für materielle Enteignung festzusetzen. 5. Als Minderwert für den Teil des Grundstückes Parz. Nr. 614 (neue Vermessung), welcher in die Dorfzone eingeteilt wurde, sei die Gemeinde Trimmis zu verpflichten, X. Fr. 300.-- /m2 zu bezahlen. 6. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Gemeinde Trimmis." Sie machte geltend, das Land, das in den Jahren 1972/1973 in die Zone für öffentliche Bauten und Anlagen eingeteilt worden sei, wäre ansonsten, wie der Rest der Parzelle, zur Dorfzone geschlagen worden. Es liege auch im Bereiche des alten Dorfkernes und sei vollständig erschlossen. Wäre die ganze Parzelle Nr. 377 in der Dorfzone gelegen, so wäre eine Arealüberbauung möglich gewesen, weshalb sich ein Preis von Fr. 600.-- /m2 erzielen liesse. Die in der Dorfzone gelegene Restparzelle sei jedoch nur noch beschränkt überbaubar. Mit Entscheid vom 18. Februar 1987 wies das Verwaltungsgericht beide Rekurse ab. Gegen diesen Entscheid führt X. Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht, die in bezug auf den vom Verwaltungsgericht BGE 114 Ib 112 S. 115 festgesetzten Restwert für landwirtschaftliches Kulturland gutgeheissen wird. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. a) Mit dem angefochtenen Entscheid hat das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden als kantonal letztinstanzliches Enteignungsgericht die von der Gemeinde Trimmis zu leistende Entschädigung für die Übernahme des in der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen gelegenen Teils des der Beschwerdeführerin gehörenden Grundstücks Nr. 377 festgesetzt und es überdies abgelehnt, für den in der Dorfzone gelegenen Teil der genannten Parzelle eine Minderwertsentschädigung zuzusprechen. Das Übernahmebegehren der Gemeinde stützt sich auf Art. 27 Abs. 3 des Raumplanungsgesetzes für den Kanton Graubünden vom 20. Mai 1973 (KRG). Danach kann die Gemeinde nach der Genehmigung des Zonenplans durch schriftliche Bekanntgabe ihres Angebotes die Übertragung des Eigentums an sie verlangen (Heimschlagsrecht). Die Zuweisung eines Teils des Grundstücks Nr. 377 zur Zone für öffentliche Bauten und Anlagen im Sinne von Art. 27 KRG stellt nach der Praxis des Bundesgerichtes eine Planungsmassnahme im Sinne des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (RPG) dar ( BGE 110 Ib 257 ; BGE 107 Ib 229 ). Wird das Heimschlagsrecht als Folge einer Planungsmassnahme gemäss Raumplanungsgesetz, in welcher eine enteignungsähnliche Eigentumsbeschränkung liegt oder liegen kann, gewährt und ist umstritten, ob und in welchem Masse eine Entschädigung für den planerischen Eingriff geschuldet sei, so ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht gegeben. Dies gilt auch dann, wenn sich die umstrittene Frage - wie im vorliegenden Fall - im Rahmen eines formellen Enteignungsverfahrens stellt, beziehungsweise wenn eine materielle durch eine formelle Enteignung ergänzt wird ( BGE 112 Ib 516 E. 1a mit Hinweisen). Die Beschwerdeführerin als betroffene Grundeigentümerin ist zur Beschwerde berechtigt ( Art. 103 lit. a OG ). Auf die im übrigen form- und fristgerecht eingereichte Beschwerde ist daher grundsätzlich einzutreten. 2. a) Die Beschwerdeführerin rügt, das Verwaltungsgericht habe im angefochtenen Entscheid trotz rechtlicher Verpflichtung gemäss Art. 35 Abs. 1 VwVG keine Rechtsmittelbelehrung angebracht. Das verstosse gegen Art. 4 BV . Der erwähnte Vorwurf der BGE 114 Ib 112 S. 116 Beschwerdeführerin ist zwar berechtigt. Da sie jedoch rechtzeitig das zutreffende Rechtsmittel erhoben hat, ist ihr aus der beanstandeten Unterlassung kein Nachteil erwachsen. Diese bleibt somit ohne Folgen. Auf die Rüge der fehlenden Rechtsmittelbelehrung ist daher nicht einzutreten ( BGE 104 V 166 /167 E. 3 mit Hinweis). b) Die Gemeinde Trimmis verlangt eine Abweisung der Beschwerde schon aus formellen Gründen. Sie wirft dem Verwaltungsgericht vor, es habe die von der Beschwerdeführerin im vorinstanzlichen Verfahren eingereichte Eingabe vom 3. November bzw. 11. November 1986 zu Unrecht als "Anschlussrekurs" behandelt und sei deshalb zu Unrecht auf dieselbe eingetreten. Die Umdeutung der genannten Eingabe sei willkürlich und verletze die im Verwaltungsgerichtsprozess geltenden Verfahrensgrundsätze. Insbesondere seien die Art. 22 Abs. 1 und 2 des kantonalen Enteignungsgesetzes in Verbindung mit Art. 52 VGG verletzt. Es wäre insoweit das Urteil des Verwaltungsgerichtes aufzuheben und zu modifizieren gewesen, was allerdings die Erhebung einer staatsrechtlichen Beschwerde vorausgesetzt hätte. Im vorliegenden Fall sei dieses Rechtsmittel jedoch nicht zur Verfügung gestanden, denn das Verwaltungsgericht habe den Anschlussrekurs vollumfänglich abgewiesen. Es habe deshalb an der Beschwerde gefehlt, ohne die ein Weiterzug an das Bundesgericht nicht möglich sei. Weil der Entscheid des Verwaltungsgerichtes nun aber von der Gegenpartei weitergezogen worden sei, könne dieser Einwand erneut vorgetragen werden. Wenn die Vorinstanz indessen zu Unrecht auf den Anschlussrekurs eingetreten sei, dann führe dies zu einer Abweisung der jetzt erhobenen Beschwerde, da in diesem Fall das Fundament des Rechtsmittels fehle. Diese Argumentation ist unzutreffend. Die von der Beschwerdegegnerin vorgetragene Rüge kann - wie sie selbst schreibt - nur im Rahmen einer staatsrechtlichen Beschwerde vorgebracht werden. Sie kann daher nicht Gegenstand des zu beurteilenden verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens bilden. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde stützt sich im vorliegenden Fall auf Art. 34 Abs. 1 RPG , wonach sie unter anderem gegen "Entscheide letzter kantonaler Instanzen über Entschädigungen als Folge von Eigentumsbeschränkungen (Art. 5)" zulässig ist. Auch auf Art. 34 RPG gestützte Verwaltungsgerichtsbeschwerden können nur eine Überprüfung des Bundesrechts, nicht dagegen kantonaler Vorschriften zum Gegenstand haben. Die Frage der Voraussetzungen der Zulässigkeit eines Anschlussrekurses bei einem kantonalen BGE 114 Ib 112 S. 117 Verwaltungsgericht ist dagegen eine solche des kantonalen Rechts, die der staatsrechtlichen und nicht der Verwaltungsgerichtsbeschwerde unterliegt. Weil die Gemeinde Trimmis durch diese Frage weder wie eine Privatperson noch in ihrer Autonomie betroffen ist, hätte sie gegen die erwähnte Behandlung der genannten Eingabe somit selbst dann nicht staatsrechtliche Beschwerde führen können, wenn sie vom angefochtenen Entscheid hinsichtlich der Behandlung des Anschlussrekurses beschwert gewesen wäre. Sie wäre dazu nicht legitimiert gewesen. Deshalb ist sie erst recht nicht befugt, diese Rüge im Rahmen des vorliegenden Verfahrens mit ihrer Beschwerdeantwort zu erheben. 3. Es ist unbestritten, dass ein Teil des Grundstückes Nr. 377 mit der Schaffung der Ortsplanung am 19. Dezember 1972 der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen zugewiesen wurde. Die regierungsrätliche Genehmigung dieser Planungsmassnahme erfolgte am 18. Juni 1973. Daraufhin verlangte die Gemeinde Trimmis am 15. Februar 1983 gestützt auf Art. 27 Abs. 3 KRG durch schriftliche Bekanntgabe ihres Angebotes die Übertragung des Eigentums dieses Parzellenteils an sie. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, der Einbezug eines Teils von Parzelle Nr. 377 in die Zone für öffentliche Bauten und Anlagen habe eine materielle Enteignung bewirkt. Es ist somit davon ausgegangen, dass der der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen zugewiesene Teil des Grundstückes Nr. 377 im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Planung, d.h. am 18. Juni 1973, Bauland im enteignungsrechtlichen Sinn gewesen ist. Dieser Annahme widerspricht die Gemeinde ausdrücklich, und das Bundesamt für Raumplanung fordert das Bundesgericht auf, den angefochtenen Entscheid auch in diesem Punkte zu überprüfen. Streitgegenstand sei zwar nicht die Entschädigungspflicht, sondern die Entschädigungshöhe. Die Frage der Entschädigungspflicht sei aber trotzdem zu prüfen. Denn wenn keine materielle Enteignung gegeben sei, sei die Forderung der Beschwerdeführerin nach einer Erhöhung der Entschädigungssumme von vornherein unbegründet. Im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren gilt der Grundsatz der Rechtsanwendung von Amtes wegen. Das Bundesgericht darf zwar weder zugunsten noch zuungunsten der Parteien über deren Begehren hinausgehen. An die Begründung der Begehren ist es aber nicht gebunden ( Art. 114 Abs. 1 OG ). Angesichts dieser Rechtslage erscheint es in der Tat geboten, zunächst zu BGE 114 Ib 112 S. 118 prüfen, ob der zur Diskussion stehende Teil der Parzelle Nr. 377 am 18. Juni 1973 Bauland im enteignungsrechtlichen Sinn darstellte. Sollte der Baulandcharakter verneint werden, so würde es gleichwohl bei einer Entschädigung von Fr. 70.-- aus materieller Enteignung bleiben, weil die Gemeinde Trimmis diese vom Verwaltungsgericht zugesprochene Entschädigung nicht mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten hat ( Art. 114 Abs. 1 OG , Art. 34 Abs. 2 RPG ). 4. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes (die ausführlich in BGE 112 Ib 389 f. E. 3 wiedergegeben ist) liegt eine materielle Enteignung dann vor, wenn einem Eigentümer der bisherige oder ein voraussehbarer künftiger Gebrauch seiner Sache untersagt oder besonders stark eingeschränkt wird, weil ihm eine wesentliche, aus dem Eigentum fliessende Befugnis entzogen wird. Geht der Eingriff weniger weit, so wird gleichwohl eine materielle Enteignung angenommen, falls ein einziger oder einzelne Grundeigentümer so betroffen werden, dass ihr Opfer gegenüber der Allgemeinheit unzumutbar erschiene und es mit der Rechtsgleichheit nicht vereinbar wäre, wenn hierfür keine Entschädigung geleistet würde. In beiden Fällen ist die Möglichkeit einer zukünftigen besseren Nutzung der Sache indessen nur zu berücksichtigen, wenn im massgebenden Zeitpunkt anzunehmen war, sie lasse sich mit hoher Wahrscheinlichkeit in naher Zukunft verwirklichen. Unter besserer Nutzung eines Grundstückes ist in der Regel die Möglichkeit seiner Überbauung zu verstehen. 5. Im angefochtenen Entscheid hält die Vorinstanz fest, die Ortsplanung vom 19. Dezember 1972, welche am 18. Juni 1973 genehmigt worden ist, sei die erste Ortsplanung der Gemeinde Trimmis. Vorher habe lediglich ein interimistisches Baugesetz bestanden. Dieses Baugesetz genügte den Anforderungen des Bundesgesetzes vom 8. Oktober 1971 über den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung (Art. 19/20 GSchG), das am 1. Juli 1972 in Kraft getreten ist, nicht. Die am 18. Juni 1973 genehmigte Zuordnung eines Teils der Parzelle Nr. 377 zur Zone für öffentliche Bauten und Anlagen stellt somit keine Auszonung aus der Bauzone dar. Es handelt sich vielmehr um eine Nichteinzonung in das Baugebiet, im Sinne von mit privaten Bauten überbaubarem Gebiet (vgl. BGE 112 Ib 400 E. 5b; BGE 112 Ib 110 ff. E. 3). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes kann auch die Nichteinzonung eines Grundstückes den Eigentümer enteignungsähnlich BGE 114 Ib 112 S. 119 treffen. Das ist etwa dann der Fall, wenn es um baureifes oder grob erschlossenes Land geht, das von einem gewässerschutzrechtskonformen Kanalisationsprojekt erfasst wird, und der Eigentümer für dessen Erschliessung und Überbauung schon erhebliche Kosten aufgewendet hat. In einem solchen Fall können Umstände vorliegen, welche die Einzonung des Landes geboten hätten ( BGE 112 Ib 401 E. 6 mit Hinweisen). Die landwirtschaftlich genutzte Parzelle Nr. 377 der Beschwerdeführerin grenzt im Norden an die Obergass (Kantonsstrasse) und steigt von da gegen Süden hin an. Nördlich der Kantonsstrasse besitzt die Beschwerdeführerin eine weitere überbaute Liegenschaft. Im Osten grenzt die Parzelle an Land der reformierten Kirchgemeinde, auf welchem im unteren Teil das Pfarrhaus steht. Weiter oben befindet sich die Kirche und nach oben anschliessend der Friedhof. Auf der Höhe der südlichen Friedhofsmauer durchquert ein Mäuerchen das Grundstück der Beschwerdeführerin von Osten nach Westen. Von da an steigt die Parzelle weiter nach Süden an. In der südwestlichen Ecke steht ein grosser, neu gebauter Stall. Im unteren Teil der Parzelle gegen die Obergass hin, stehen ca. in der Mitte des Grundstückes eine landwirtschaftlich genutzte Scheune, in der nordwestlichen Ecke ein Wohnhaus und etwas weiter oben ein Stall. Der nordwestliche Teil der Parzelle Nr. 377 liegt gemäss dem Zonenplan aus dem Jahre 1973 in der Dorfzone, der nordöstliche Teil in der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen. Die Grenze verläuft senkrecht zur Obergass, mitten durch die Scheune. Der südliche Teil der Parzelle, d.h. ab dem erwähnten Mäuerchen, liegt in der Wohnzone W2. Der der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen zugeschiedene Teil von Parzelle Nr. 377 ist somit rundherum von Bauzonenland umgeben. Was die Erschliessung betrifft, so kann der zur Diskussion stehende Teil der Parzelle Nr. 377 in bezug auf Wasser, Kanalisation und Elektrizität als groberschlossen betrachtet werden. Umstritten ist die Frage, ob das Land auch strassenmässig erschlossen sei. Aufgrund der am Augenschein gemachten Feststellungen ist dies ohne weiteres zu bejahen. Eine Zufahrt, zum Beispiel verbunden mit einer grösseren Einstellgarage, ist von der im Norden gelegenen Kantonsstrasse aus ohne weiteres möglich. Es dürften zwar grössere Terrainveränderungen vorzunehmen sein, doch bilden diese kein Hindernis zur Annahme, das Land sei hinreichend erschlossen. Auf weitere Möglichkeiten der strassenmässigen Erschliessung ist bei dieser Sachlage nicht einzugehen. BGE 114 Ib 112 S. 120 Wie sich am Augenschein ergeben hat, liegt der zur Diskussion stehende Teil von Parzelle Nr. 377 eindeutig innerhalb des engeren Baugebietes. Wäre der der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen zugeschiedene Grundstücksteil nicht dieser Zone zugeteilt worden, so wäre er offensichtlich in eine Bauzone einbezogen worden, wurde doch sogar der südlich der erwähnten kleinen Mauer gelegene Teil derselben Parzelle der Wohnzone W2 zugewiesen. Eine Zuteilung zu einer Nichtbauzone kann ausgeschlossen werden und wäre angesichts der Planungs- und Erschliessungssituation auch sachlich nicht vertretbar gewesen. Die Gemeinde erwägt denn auch bezeichnenderweise heute lediglich die Auszonung des südlich des schon mehrfach erwähnten Mäuerchen gelegenen Landes. Der Nichteinbezug des in unmittelbarer Nähe des Dorfkerns gelegenen Landes, welches in der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen liegt, in eine Bauzone bewirkte angesichts der vorliegenden Umstände am 18. Juni 1973 für die Beschwerdeführerin eine materielle Enteignung. 6. a) Die Beschwerdeführerin hält die Voraussetzungen für eine materielle Enteignung auch in bezug auf den der Dorfzone zugeschiedenen Teil von Parzelle Nr. 377 für erfüllt, da diese zur Hälfte nicht mehr überbaut werden könne. Abgesehen davon könne die Reduktion der Ausnützungsziffer eine materielle Enteignung ergeben. Dieser Anspruch fällt nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes nicht unter die für Zone für öffentliche Bauten und Anlagen geschaffene Spezialregelung von Art. 27 Abs. 3 KRG . Deshalb sei für seine Geltendmachung die Vorschrift von Art. 18 Abs. 2 der Vollzugsverordnung zum Enteignungsgesetz des Kantons Graubünden vom 29. Mai 1958 in der Fassung vom 2. Juni 1978 (VVzEntG) anwendbar. Danach verjährt der Anspruch aus materieller Enteignung in fünf Jahren seit Inkrafttreten der Eigentumsbeschränkung, sofern keine besondere gesetzliche Regelung besteht. Bei dieser Frist handelt es sich nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes um eine Verwirkungsfrist, die von Amtes wegen zu berücksichtigen sei. Der Anspruch gehe nämlich als solcher unter, weil die Geltendmachung des Rechtes befristet werde. Da der angebliche Anspruch am 18. Juni 1973 entstanden wäre und er erstmals mit der Vernehmlassung der Beschwerdeführerin vom 23. September 1985 geltend gemacht worden sei, sei die gesetzliche Frist längst verstrichen und der Anspruch damit verwirkt. Die fünfjährige Frist gemäss Art. 18 VVzEntG gelte zwar erst seit dem BGE 114 Ib 112 S. 121 1. Januar 1979. Sie habe daher auch erst ab diesem Zeitpunkt zu laufen beginnen können. Da der Anspruch aber erst 1985 geltend gemacht worden sei, sei sie jedoch offensichtlich abgelaufen. Die Beschwerdeführerin hält diese Betrachtungsweise des Verwaltungsgerichtes für willkürlich. Ob dem so ist oder ob die Auslegung von Art. 18 Abs. 2 VVzEntG durch das Verwaltungsgericht verfassungsrechtlich noch haltbar ist, kann, wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen, im vorliegenden Fall offen bleiben. Der Wortlaut der erwähnten Bestimmung lässt jedenfalls die Rüge der Beschwerdeführerin als verständlich erscheinen. b) Das Verwaltungsgericht führt im vorliegenden Zusammenhang weiter aus, die Aufteilung der Parzelle Nr. 377 in einen der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen und einen der Dorfzone zugewiesenen Teil bewirke für das in der Bauzone verbliebene Land jedenfalls keine materielle Enteignung. Auf dieser Restparzelle bestünden nämlich aufgrund von Form und Ausdehnung noch erhebliche Überbauungsmöglichkeiten. Insbesondere vermöge eine Ausnützungsziffer von 0,6 statt 0,8 keine materielle Enteignung zu bewirken. Diese Auffassung erscheint zutreffend. Für die Abgrenzung zwischen entschädigungslosen und entschädigungspflichtigen Eigentumsbeschränkungen ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung darauf abzustellen, ob auf der betroffenen Parzelle eine bestimmungsgemässe, wirtschaftlich gute Nutzung weiterhin möglich ist ( BGE 111 Ib 264 mit Hinweisen). So erblickte das Bundesgericht weder in der Auszonung eines Viertels einer Parzelle noch darin, dass ein Grundstück zu einem Drittel mit einem Bauverbot belegt wurde, einen enteignungsähnlichen Tatbestand, da es zum Schluss gelangte, die Eigentümer könnten ihre Parzellen auch nach dem Eingriff in angemessener, wirtschaftlich sinnvollerweise nutzen ( BGE 111 Ib 264 ; 112 Ib 268 E. 4). Das trifft nun für den der Dorfzone zugeschiedenen Teil von Parzelle Nr. 377, wie das Verwaltungsgericht zutreffend annimmt, zu. Die von der Beschwerdeführerin erwähnten Einschränkungen in den Überbauungsmöglichkeiten schliessen eine angemessene und wirtschaftlich durchaus noch sinnvolle Nutzung des Dorfzonenlandes keineswegs aus. Das geht nicht zuletzt aus den von der Beschwerdeführerin dem Verwaltungsgericht am 15. Dezember 1986 selbst eingereichten Akten hervor. Dass das Verwaltungsgericht zusätzlich zum Augenschein nicht noch eine Expertise für die Abklärung der Überbauungsmöglichkeiten machen liess, BGE 114 Ib 112 S. 122 bedeutet deshalb keineswegs eine Verweigerung des rechtlichen Gehörs. 7. a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes findet beim Einbezug von Bauland im enteignungsrechtlichen Sinn in eine Zone für öffentliche Bauten und Anlagen in jenem Zeitpunkt, in dem die Eigentumsbeschränkung formell in Rechtskraft erwächst, eine materielle Enteignung statt ( BGE 112 Ib 390 E. 3 mit Hinweisen). In diesem Moment verliert das derart belastete Land seinen vormaligen Wert als Bauland; es hat nur noch einen Restwert, der bei nicht überbauten Grundstücken in der Regel dem landwirtschaftlichen Wert entspricht. Da es seit Inkrafttreten der Eigentumsbeschränkung kein Bauland mehr ist, macht das Grundstück keine Baulandpreissteigerungen mehr mit. Für die Berechnung der Entschädigung aus materieller Enteignung ist somit vom Landwert in jenem Zeitpunkt auszugehen, in dem die Eigentumsbeschränkung in Kraft getreten ist. Der Restwert, der dem Grundstück nach Inkrafttreten der Eigentumsbeschränkung verbleibt, macht die Preissteigerung mit, die sich von diesem Zeitpunkt an für landwirtschaftlichen Boden ergibt. Wird das Heimschlagsrecht erst Jahre nach der materiellen Enteignung ausgeübt, so hat die Entschädigung für die formelle Enteignung dem Wert im Zeitpunkt des Heimschlags zu entsprechen. Nur wenn zwischen dem Zeitpunkt der materiellen und jenem der formellen Enteignung keine nennenswerte Preisentwicklung stattgefunden hat, kann davon abgesehen werden, die Schätzungstage auseinanderzuhalten (BGE vom 17. Dezember 1986 i.S. Erbengemeinschaft Benoit c. Einwohnergemeinde Biel, publiziert in: Pr 76/1987 Nr. 182 E. 10b). Es besteht kein Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. b) Das Verwaltungsgericht ist für die Berechnung der Entschädigung aus materieller Enteignung in zutreffender Weise vom Baulandwert im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Eigentumsbeschränkung, also vom Wert am 18. Juni 1973 ausgegangen. Es hat dabei zu Recht die statistische Methode angewendet und erklärt, da es in Trimmis vor dem Erlass der Ortsplanung noch keine Zonenordnung gegeben habe, sei die Ausnützungsmöglichkeit im Prinzip bei allen Grundstücken gleich gewesen. Der Vergleich mit Grundstücken, die heute nicht in der Dorfzone, sondern in einer Wohnzone mit geringer Ausnützung lägen, sei demnach statthaft, da im massgebenden Zeitpunkt im ganzen Gemeindegebiet noch keine Ausnützungsziffern bestanden hätten. Das Grundstück sei BGE 114 Ib 112 S. 123 von seiner Qualität und Lage her als durchschnittlich zu beurteilen. Es befinde sich zwar im Zentrum der Gemeinde, habe aber keine besondere Aussichtslage und sei zwischen bestehenden Gebäuden und einer Felswand eingeklemmt. In Trimmis seien für Baugrundstücke in der fraglichen Zeit folgende Preise bezahlt worden: 1971: Fr. 34.-- bis 50.-- /m2; 1972: Fr. 51.-- bis 75.-- /m2; 1973: Fr. 52.-- bis 80.-- /m2. Die Durchschnittspreise lauteten wie folgt: 1971 Fr. 41.-- /m2; 1972 Fr. 57.-- /m2; 1973 Fr. 71.-- /m2 und als Durchschnitt 1971 bis 1973 ergäbe sich Fr. 59.-- /m2. Bei diesen Marktpreisen dürfte darauf abgestellt werden, dass die Parzelle Nr. 377 Mitte 1973 einen Baulandwert von etwa Fr. 70.-- /m2 aufgewiesen habe, wobei dies angesichts der eher durchschnittlichen Qualität an der oberen Grenze liege. Nach der bis zum Stichtag geltenden interimistischen Bauordnung für die Gemeinde Trimmis waren im Dorfkern und im unmittelbar daran grenzenden Baugebiet Bauten bis zu zwei Vollgeschossen gestattet (Art. 6 dieser Bauordnung). Das Verwaltungsgericht hat die interimistische Bauordnung der Gemeinde Trimmis seiner Entschädigungsbemessung in zutreffender Weise zugrunde gelegt. Die von ihm zugezogenen Vergleichspreise erscheinen im Lichte der damals bestehenden Überbauungsmöglichkeiten auf der Parzelle Nr. 377 durchaus in Ordnung. Überbauungsmöglichkeiten, auf denen die Verkehrswertberechnungen der Beschwerdeführerin beruhen, fehlt jegliche rechtliche Grundlage. Ihre Kritik an der von der Vorinstanz beschriebenen geographischen Lage der Parzelle ist zwar ein Stück weit berechtigt. Wie der Augenschein aber deutlich gezeigt hat, erscheint ein Baulandwert von Fr. 70.-- /m2 für die Parzelle Nr. 377 bezogen auf den 18. Juni 1973 als durchaus angemessen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass für deren Überbauung noch erhebliche Erschliessungsaufwendungen hätten getätigt werden müssen. Mit Ausnahme des Verkaufs einer Liegenschaft vom 21. August 1973 waren bei den übrigen am Augenschein besichtigten Parzellen keine derart grossen Erschliessungsarbeiten nötig, wie sie bei der Parzelle Nr. 377 angefallen wären. Die vom Verwaltungsgericht erhobenen Grundstückspreise ergeben eine genügende Schätzungsgrundlage, so dass die von der Beschwerdeführerin dem vorinstanzlichen Entscheid gegenüber erhobene Kritik in diesem Punkt als unbegründet erscheint. Ist genügend statistisches Material für eine Verkehrswertschätzung vorhanden, besteht kein Anspruch seitens der Beschwerdeführerin BGE 114 Ib 112 S. 124 auf einen Amtsbericht des Grundbuchamtes Landquart mit weiteren Angaben über Landverkäufe. c) Schliesslich kritisiert die Beschwerdeführerin die Ermittlung des Restlandwertes durch das Verwaltungsgericht. Sie erklärt, im Jahre 1983 hätten die landwirtschaftlichen Bodenpreise in Trimmis und Umgebung Fr. 20.-- bis 30.-- betragen. Das Verwaltungsgericht führt hiezu lediglich aus, nach den ihm bekannten Erfahrungswerten im Raume Churer Rheintal-Domleschg sei der landwirtschaftliche Restwert im Zeitpunkt der Übernahme auf Fr. 10.-- /m2 festzusetzen. Dabei dürfe auch dieser Preis eher als hoch bezeichnet werden, da sich die Parzelle von ihrer Form und Grösse her nicht besonders gut für die Bewirtschaftung eigne. Diese Ausführungen des Verwaltungsgerichtes sind offensichtlich ungenügend. Auch Restlandwerte sind nach der statistischen Methode zu berechnen. Im angefochtenen Entscheid fehlt jeglicher Hinweis auf Vergleichspreise für landwirtschaftliches Kulturland im Raume Trimmis. Die vom Verwaltungsgericht verwendeten Schätzungskriterien für den Kulturlandwert der Parzelle Nr. 377 sind zu pauschal, zuwenig aussagekräftig und beziehen sich offenbar auf das Jahr 1983. Einer Liste des Grundbuchamtes Landquart vom 30. April 1976 sind Kulturlandpreise ausserhalb der Bauzone für die Zeit von 1969 bis 1973 von Fr. 6.-- bis 17.-- zu entnehmen. Für den Zeitpunkt des Heimschlages sind in den Akten jedoch keinerlei Vergleichspreise enthalten. Unter diesen Umständen liegt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor, weil das Verwaltungsgericht bloss mit einer pauschalen Verweisung auf ihm bekannte Erfahrungswerte das Begehren der Beschwerdeführerin auf Einholung eines Amtsberichts des Grundbuchamtes Landquart über landwirtschaftliche Bodenkäufe abgetan hat. Aus diesen Gründen ist die Beschwerde in bezug auf die Festlegung des landwirtschaftlichen Restwertes gutzuheissen. Da es nicht Sache des Bundesgerichtes sein kann, die notwendigen Erhebungen hinsichtlich der Kulturlandpreise als erste und einzige Instanz durchzuführen, ist die Sache in diesem Punkt an die Vorinstanz zurückzuweisen. Für das weitere Verfahren gilt es zu beachten, dass das Verwaltungsgericht zwar die bundesgerichtliche Rechtsprechung richtig wiedergegeben hat, wonach die volle Entschädigung aus zwei Elementen besteht. Nämlich einerseits aus dem Minderwert wegen materieller Enteignung (= Baulandwert abzüglich landwirtschaftlicher Restwert, beides bemessen nach den Verhältnissen im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Eigentumsbeschränkung), andererseits BGE 114 Ib 112 S. 125 aus dem landwirtschaftlichen Restwert im Zeitpunkt der Übernahme (= Urteil der Enteignungskommission vom 9. Oktober 1986). Die Vorinstanz unterliess es jedoch trotz Wiedergabe dieser Rechtsprechung, den landwirtschaftlichen Restwert im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Eigentumsbeschränkung (18. Juni 1973) vom Baulandwert von Fr. 70.-- /m2 abzuziehen. Sie hat vielmehr zusätzlich zu diesem Baulandwert den landwirtschaftlichen Restwert im Zeitpunkt der Übernahme aus formeller Enteignung zugesprochen. Dadurch hat das Verwaltungsgericht - abgesehen von einer allfälligen Wertsteigerung - den Wert des landwirtschaftlichen Kulturlandes doppelt vergütet. Die Vorinstanz wird deshalb die geeigneten Vergleichspreise für Kulturland in den Jahren 1973 und 1986 unter Wahrung des rechtlichen Gehörs der Beschwerdeführerin ermitteln müssen. Danach hat sie vom Baulandwert von Fr. 70.-- /m2 den landwirtschaftlichen Restwert von 1973 abzuziehen und denjenigen von 1986 dazuzuzählen. Sollte dies eine Gesamtentschädigung von weniger als die vom Verwaltungsgericht zugesprochenen Fr. 80.-- /m2 ergeben, könnte diese nicht herabgesetzt werden, weil das Bundesgericht weder zugunsten noch zuungunsten der Parteien über deren Begehren hinausgehen kann und die Gemeinde Trimmis die Verpflichtung zur Bezahlung von Fr. 80.-- /m2 akzeptiert hat. Andernfalls hätte das Verwaltungsgericht die Entschädigungssumme entsprechend zu erhöhen. Die Vorinstanz wird ausserdem zu berücksichtigen haben, dass die Entschädigung für materielle Enteignung ab 15. Februar 1983 zu verzinsen ist ( BGE 113 Ib 33 E. 3 mit Hinweisen), diejenige für formelle Enteignung hingegen erst ab Rechtskraft des Urteils (Art. 23 des kantonalen Enteignungsgesetzes).
public_law
nan
de
1,988
CH_BGE
CH_BGE_003
CH
Federation
0012a00f-2019-4172-ae78-5e0f054120a3
Urteilskopf 105 II 273 45. Urteil der I. Zivilabteilung vom 6. November 1979 i.S. CSS Computer System Supplies AG gegen Feller AG, CCS Computer Consulting Services GmbH, Zivilgerichtspräsidenten und Obergericht des Kantons Glarus (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Art. 168 OR . Gerichtliche Hinterlegung einer streitigen Forderung. 1. Schutzwürdiges Interesse als Voraussetzung zur staatsrechtlichen Beschwerde. Verstösse gegen Art. 4 BV und andere Verfassungsbestimmungen (E. 1). 2. Der Schuldner hat die Identität der streitigen Ansprüche zumindest glaubhaft zu machen, wenn die Voraussetzungen der Hinterlegung nach kantonalem Recht vom Richter vorfrageweise zu prüfen sind (E. 2). 3. Erwächst ein Prozessvergleich über gegenseitige Forderungen in Rechtskraft, so kann der Schuldner die Vergleichssumme nicht mit der Begründung hinterlegen, dass ein Dritter sie ebenfalls beansprucht (E. 3). 4. Der Richter handelt willkürlich, wenn er die Hinterlegung gleichwohl bewilligt (E. 4).
Sachverhalt ab Seite 274 BGE 105 II 273 S. 274 A.- Die CSS Computer System Supplies AG in Glarus (CSS Glarus) klagte beim Handelsgericht des Kantons Zürich gegen die Feller AG auf Schadenersatz wegen Verletzung eines Alleinvertretungsvertrages. Durch gerichtlichen Vergleich vom 14. April 1978 einigten sich die Parteien dahin, dass die Feller AG sich verpflichtete, der Klägerin Fr. 48'000.- zu bezahlen. Die Forderung der CSS Glarus wurde später durch Zession eines Teilbetrages auf Fr. 37'390.50 herabgesetzt. Das Handelsgericht schrieb den Prozess am 29. Mai 1978 als erledigt ab. Bereits am 20. April 1978 teilte die Konkursverwaltung der CCS Computer Consulting Services GmbH in Ascona (CCS Ascona) den Parteien mit, dass ein allfälliges Guthaben der CSS Glarus von der Konkursmasse beansprucht werde. Da die Beteiligten sich nicht verständigen konnten, ersuchte die Feller AG am 16. August 1978 den Richter, den von ihr noch geschuldeten Betrag im Sinne von Art. 168 Abs. 1 OR hinterlegen zu dürfen. B.- Mit Verfügung vom 25./28. August 1978 hiess der Zivilgerichtspräsident von Glarus dieses Gesuch gut und stellte fest, dass der streitige Betrag von Fr. 37'390.50 bereits bei der Glarner Kantonalbank hinterlegt war. Er setzte der Konkursmasse der CCS Ascona zehn Tage Frist ab zweiter Gläubigerversammlung, um ihren Anspruch im Prätendentenprozess geltend zu machen, andernfalls die hinterlegte Summe zugunsten der CSS Glarus freigegeben würde. Die CSS Glarus führte dagegen Nichtigkeitsbeschwerde, die vom Obergericht des Kantons Glarus am 27. November 1978 abgewiesen wurde. C.- Die CSS Glarus hat gegen die Verfügung des Zivilgerichtspräsidenten und den Entscheid des Obergerichts staatsrechtliche Beschwerde eingelegt mit den Anträgen, sie wegen Verletzung von Art. 4, 22ter und 61 BV aufzuheben und der Feller AG die Hinterlegung des Betrages zu verweigern. Die Feller AG und die kantonalen Instanzen beantragen, die Beschwerde abzuweisen, während nach Auffassung der Konkursmasse der CCS Ascona darauf nicht einzutreten ist. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Die Konkursmasse der CCS Ascona hat in dem von ihr angestrengten Prätendentenprozess darauf beharrt, dass die BGE 105 II 273 S. 275 streitige Forderung von Fr. 37'390.50 während des Prozesses hinterlegt bleibe. Der Zivilgerichtspräsident hat ihrem Begehren gestützt auf Art. 168 Abs. 3 OR entsprochen, doch ist dieser Entscheid bisher nicht in Rechtskraft erwachsen. Da der Prätendentenprozess seinerseits auf der ersten Hinterlegungsverfügung beruht, hat die Beschwerdeführerin nach wie vor ein schutzwürdiges Interesse am Entscheid darüber, ob die Hinterlegung vom Richter zu Recht bewilligt worden sei (vgl. BGE 99 Ia 85 E. 2b, BGE 98 Ia 100 E. 1). Auf ihre Beschwerde ist daher einzutreten. Dass sie den Sachverhalt angeblich unvollständig wiedergibt, steht dem nicht entgegen, da die wesentlichen Tatsachen aus der beigelegten kantonalen Beschwerdeschrift und aus der angefochtenen Verfügung ersichtlich sind. Das Obergericht durfte die Verfügung des Zivilgerichtspräsidenten gemäss Art. 336 ZPO nur in beschränktem Masse überprüfen. In solchen Fällen kann nach der Rechtsprechung neben dem Kassationsentscheid auch das Sachurteil, das ihm vorangegangen ist, mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden, und zwar auch mit Rügen, die im Kassationsverfahren nicht erhoben werden konnten ( BGE 100 Ia 123 und 267 mit Hinweisen). Die Beschwerdeführerin wirft den kantonalen Instanzen ausser Willkür im Sinne von Art. 4 BV insbesondere vor, ihr für die Dauer der Hinterlegung die freie Verfügung über ihren Anspruch entzogen zu haben, was einem verkappten Arrest gleichkomme und mit der Eigentumsgarantie gemäss Art. 22ter BV nicht zu vereinbaren sei. Durch die gerichtlich bewilligte Hinterlegung werde zudem ihr Rechtsöffnungsanspruch gefährdet und die Vollstreckung eines rechtskräftigen zürcherischen Zivilurteils entgegen der Vorschrift des Art. 61 BV durch die Glarner Gerichte verunmöglicht. Diese Vorwürfe haben indes keine selbständige Bedeutung. Halten die angefochtenen Entscheide vor Art. 4 BV stand, so können sie auch nicht gegen die Eigentumsgarantie oder gegen den Anspruch auf interkantonale Vollstreckung eines Zivilurteiles verstossen. 2. Die angefochtenen Entscheide stützen sich auf Art. 168 OR , der bestimmt, dass der Schuldner sich durch gerichtliche Hinterlegung befreien kann, wenn streitig ist, wem die Forderung zusteht (Abs. 1); zahlt er in Kenntnis des Streits, so tut er es auf seine Gefahr (Abs. 2). BGE 105 II 273 S. 276 Die kantonalen Instanzen gehen zutreffend davon aus, dass die Hinterlegung zum materiellen Recht gehört und der Schuldner sich dadurch nur befreien kann, wenn ihre Voraussetzungen gemäss Bundesrecht erfüllt sind. Dieses schreibt jedoch nicht schon dem Hinterlegungsrichter eine entsprechende Prüfung vor, sondern trägt ihm nur die Bezeichnung der Hinterlegungsstelle auf ( Art. 92 Abs. 2 OR ). Ob einer solchen Hinterlegung befreiende Wirkung zukommt, entscheidet erst der ordentliche Richter, falls der angebliche Gläubiger trotz der Hinterlegung den Schuldner auf Erfüllung belangt ( BGE 62 II 343 /46, BGE 59 II 231 E. 2, BGE 32 II 60 ; STAEHELIN, Die Hinterlegung zuhanden wes Rechtes und der Prätendentenstreit, in BJM 1972, S. 229 ff.; BIEDERMANN, Die Hinterlegung als Erfüllungssurrogat, Diss. Zürich 1944, S. 215 f.). Die Kantone, die im übrigen das Verfahren bestimmen, können demnach das Hinterlegungsverfahren auf die Bezeichnung der Hinterlegungsstelle beschränken und die Prüfung der materiellrechtlichen Hinterlegungsgründe gänzlich dem ordentlichen Richter überlassen (so Tessin in SJZ 59/1963, S. 58 Nr. 19; Genf in Sem. jud. 70/1948, S. 174). Das kantonale Recht kann den Hinterlegungsrichter statt dessen anweisen, vorfrageweise das Bestehen von Hinterlegungsgründen zu prüfen (so schon OSTERTAG in SJZ 19/1923, S. 353; STAEHELIN, a.a.O., S. 229/30; BIEDERMANN, a.a.O., S. 120, 128, 147; als Beispiel § 220 zürch. ZPO). Dabei darf jedoch nicht mehr als blosse Glaubhaftmachung verlangt und das Hinterlegungsgesuch nur dann abgewiesen werden, wenn es offensichtlich unbegründet ist. Anders würde der Schuldner ernstlich benachteiligt, weil die Verweigerung der Hinterlegung ihn endgültig dieser Erfüllungsmöglichkeit beraubt, während der Gläubiger sich wie dargelegt über eine zu Unrecht bewilligte Hinterlegung hinwegsetzen kann. Das Glarner Prozessrecht enthält keine besonderen Bestimmungen über das Hinterlegungsverfahren. Das Obergericht legt jedoch dar, dass bei einer Hinterlegung auf Grund von Art. 168 OR Identität der streitigen Ansprüche vorliegen und zumindest glaubhaft gemacht werden müsse. Es wird von keiner Seite bestritten, dass demnach dem Glarner Hinterlegungsrichter eine vorläufige Prüfung der materiellrechtlichen Hinterlegungsgründe obliegt. Zu Recht besteht sodann Übereinstimmung darin, das Art. 168 OR unbekümmert darum Anwendung findet, ob der Streit zwischen den beiden angeblichen BGE 105 II 273 S. 277 Gläubigern auf einer Abtretung beruht ( BGE 38 I 207 ; STAEHELIN, a.a.O., S. 226). Als Sonderfall einer Ungewissheit über die Person des Gläubigers ( Art. 96 OR ) setzt Art. 168 OR lediglich voraus, dass die Frage streitig ist, wem eine Forderung zusteht ( BGE 63 II 57 , BGE 32 II 60 ). Davon kann jedoch nur die Rede sein, wenn zwei angebliche Gläubiger die nämliche Forderung beanspruchen ( BGE 62 II 346 ). 3. Die Beschwerdeführerin hält daran fest, dass der zu ihren Gunsten geschlossene gerichtliche Vergleich die Wirkungen eines Zivilurteils habe, die Parteien unbekümmert um seine Richtigkeit binde und eine Hinterlegung der Vergleichssumme ausschliesse. Ihr Anspruch auf die Summe sei damit von der Feller AG vorbehaltlos und selbst auf die Gefahr hin, einem Dritten auch noch zahlen zu müssen, anerkannt worden. Es liege entgegen der willkürlichen Annahme der Vorinstanzen gar kein Hinterlegungsgrund gemäss Art. 168 OR vor. Mit dem Vergleich sei durch Novation ein neues Schuldverhältnis begründet worden, an dem die Konkursmasse der CCS Ascona nicht beteiligt sei. a) Der Vergleich, auch der gerichtliche, ist ein Vertrag, mit dem ein Streit oder eine Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis mit gegenseitigen Zugeständnissen beigelegt wird ( BGE 100 II 27 E. 1b und 144/5, BGE 95 II 423 /4 mit Hinweisen). Dabei ersetzen die Parteien ein bestehendes Rechtsverhältnis häufig im Sinne von Art. 116 OR durch ein neues. Das gilt namentlich dann, wenn sie sich bei einem komplexen Rechtsverhältnis, wie hier, auf eine Saldozahlung einigen, beide Parteien also auf weitere Ansprüche gegeneinander verzichten. Im Gegensatz zur blossen Vertragsänderung wird durch die Novation die Identität der Forderung aufgehoben ( BGE 69 II 302 , BGE 60 II 333 ), und Einreden und Schwächen, die den dadurch abgelösten Ansprüchen anhafteten, gehen in der Regel unter. Als Vertrag kann der Vergleich jedoch wegen Willensmängeln aufgehoben werden, wenn auch mit gewissen Einschränkungen, die sich aus seiner Natur ergeben. Für den Prozessvergleich bestehen Besonderheiten, wenn er zu einem Erledigungsentscheid mit materieller Rechtskraft führt, was nach § 191 Abs. 2 zürch. ZPO zutrifft. Dazu gehört insbesondere, dass der Willensmangel grundsätzlich im Rechtsmittelverfahren geltend zu machen ist (BECKER, N. 38 zu Art. 24 OR ; VON TUHR/PETER, OR S. 300 Anm. 11; STRÄULI/MESSMER, N. 25 zu § 188 und N. 9 zu § 293 ZPO ). BGE 105 II 273 S. 278 Wenn ein gerichtlicher Vergleich wie ein Urteil in Rechtskraft erwächst (vgl. GULDENER, Schweiz. Zivilprozessrecht, 3. Aufl., S. 398), liegt zudem die Annahme einer Novation auf der Hand. Nach einem allgemeinen Grundsatz, der in § 191 Abs. 1 zürch. ZPO ausdrücklich bestätigt wird, erstrecken sich die Wirkungen der materiellen Rechtskraft aber nur auf die Prozessparteien und ihre Rechtsnachfolger; Dritte werden davon selbst dann nicht berührt, wenn sie am streitigen Rechtsverhältnis beteiligt sind ( BGE 89 II 434 E. 4, BGE 74 II 218 E. 3). b) Die Konkursmasse der CCS Ascona behauptet nicht, die Vergleichssumme als Rechtsnachfolgerin der CSS Glarus von dieser erworben zu haben. Die Beschwerdegegnerinnen sind vielmehr der Auffassung, dass ihnen der Vergleich nicht entgegengehalten werden dürfe, weil sonst die Konkursmasse als wahre Berechtigte um ihre Rechte geprellt würde. Das Obergericht sodann hält es jedenfalls für vertretbar, dass aus einem Urteil oder Vergleich auch unter dem Gesichtspunkt der Novation nichts gegen Dritte abgeleitet werden dürfe. Wenn der gerichtliche Vergleich nur die Prozessparteien bindet und deren Einigung wie hier die Bedeutung einer Novation hat, ist diese Tatsache indes auch bei der Frage nach der Identität der Forderung gemäss Art. 168 Abs. 1 OR zu beachten. Die Feller AG macht geltend, vor Handelsgericht sei die Aktivlegitimation der CSS Glarus nicht behandelt und die Frage der zweimaligen Zession der Vertriebsrechte nicht aufgeworfen worden; sie habe erst nach der rechtskräftigen Erledigung erfahren, dass die Forderung von zwei Gesellschaften beansprucht werde. Die Aktivlegitimation der CSS Glarus war im Prozess indes so oder anders zu prüfen; sie wurde zudem von der Feller AG mit dem Vergleich anerkannt, weshalb nichts darauf ankommt, ob diese im Prozess eine entsprechende Einrede erhoben habe (GULDENER, a.a.O., S. 379). Sollte die Feller AG sich geirrt haben, so konnte sie den Vergleich im Rechtsmittelverfahren anfechten, was von ihr allerdings als nicht opportun bezeichnet wird. Sie hätte allenfalls schon den Abschreibungsbeschluss des Handelsgerichts vom 29. Mai 1978 verhindern können, zumal die Konkursmasse der CCS Ascona ihren Anspruch bereits mit Schreiben vom 20. April 1978 geltend machte. Wieso es sich bei diesem Schreiben um eine Streitverkündung gehandelt haben soll, ist unerfindlich, BGE 105 II 273 S. 279 da eine solche nur von einer Prozesspartei, insbesondere von der daran interessierten Feller AG hätte ausgehen können (§ 46 zürch. ZPO; VON TUHR/ESCHER, OR S. 363). Seitens der Konkursmasse liegt auch keine Hauptintervention vor, die ebenfalls möglich gewesen wäre ( § 43 ZPO ). 4. Das Obergericht setzt sich völlig darüber hinweg, dass der Anspruch der Beschwerdeführerin ausschliesslich auf dem Prozessvergleich beruht und dass die Konkursmasse daraus keinerlei Rechte ableiten kann, dies übrigens auch gar nicht versucht; sie hält vielmehr an dem schon im kantonalen Verfahren erhobenen, jedoch unerheblichen Einwand fest, nicht die CSS Glarus, sondern sie selbst sei Inhaberin der durch die Feller AG genutzten Alleinvertriebsrechte gewesen. Indem das Obergericht gleichwohl Identität zwischen dem angeblichen Anspruch der Konkursmasse und dem Vergleichsanspruch der Beschwerdeführerin angenommen oder zumindest als glaubhaft bezeichnet hat, ist es der Willkür verfallen. Sein Entscheid ist daher samt dem Sachurteil des Einzelrichters aufzuheben. Bei diesem Ergebnis braucht nicht geprüft zu werden, ob das Obergericht zutreffend den Anspruch der Konkursmasse der CCS Ascona unter Art. 423 OR subsumiert und ob es der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang das rechtliche Gehör verweigert habe. Im Hinblick auf die bezüglich der Rückzahlung erforderlichen konkreten Anordnungen ist davon abzusehen, zugleich die Verweigerung der Hinterlegung anzuordnen, wie das mit der Beschwerde beantragt wird. Es kann deshalb offen bleiben, ob einer solchen Anordnung nicht schon die kassatorische Funktion der staatsrechtlichen Beschwerde entgegenstünde ( BGE 101 Ia 113 , 439 mit Hinweisen). Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist, und die Entscheide des Zivilgerichtspräsidenten vom 25./28. August 1978 und des Obergerichts des Kantons Glarus vom 27. November 1978 werden aufgehoben.
public_law
nan
de
1,979
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
Federation
001c5e41-cc23-48fb-a7a0-248e78e09f3f
Urteilskopf 90 II 158 20. Arrêt de la Ie Cour civile du 11 mai 1964 dans la cause Vetania Trust reg. contre Lloyd's Bank (Foreign) Ltd.
Regeste Bankdepot amerikanischer Namenaktien, die bei dem in der Schweiz domizilierten Aufbewahrer arrestiert werden, während sie sich tatsächlich in New York befinden. Art. 472, 475 Abs. 1, 481 OR . 1. Der mit dem Entscheid über die Rückgabe der hinterlegten Sache befasste Richter hat zunächst über eine Vorfrage zu entscheiden, zu der sich die ordentlicherweise zuständige Behörde nicht ausgesprochen hat (Erw. 3). 2. Der in der Schweiz bewilligte und vollzogene Arrest kann sich nicht auf Aktien erstrecken, die sich tatsächlich in New York befinden. Handelt es sich um ein depositum regulare, so kann der Hinterleger die hinterlegte Sache herausverlangen (Erw. 4). 3. Der Bundeszivilprozess sieht keine "astreinte" vor, wie sie gewisse kantonale Rechte kennen; sie verpflichtet dagegen den Richter, der zur Vornahme einer Handlung verurteilten Privatperson zur Kenntnis zu bringen, dass sie bei Nichtvornahme der Handlung wegen Ungehorsams im Sinne von Art. 292 StGB mit Haft oder Busse bestraft werden kann ( Art. 76 Abs. 1 BZP ; Erw. 5).
Sachverhalt ab Seite 159 BGE 90 II 158 S. 159 A.- Vetania Trust reg. (ci-après: Vetania), entreprise fiduciaire à Vaduz, gère des biens pour le compte de Rhadamès Trujillo, qui a plein pouvoir de la représenter. En mars 1963, Vetania possédait 32.000 actions nominatives E.L. Bruce & Co. Inc. valant environ 1.400.000 fr., déposées auprès de la Lloyd's Bank (Foreign) Ltd. de Londres, succursale de Genève. Se conformant à un usage bancaire, celle-ci les avait laissées chez ses correspondants BGE 90 II 158 S. 160 de New York, la Bankers Trust Company, qui en tenaient un état et les avaient fait enregistrer dans les livres de la société au nom de "nominees". Correspondants et "nominees" américains ignoraient l'identité du propriétaire et agissaient selon les instructions de la Lloyd's. Pas plus que sa cliente, la banque ne connaissait les numéros des actions. Ces titres sont du reste joints à un "plot" si le correspondant détient en son nom d'autres actions d'une société déterminée. On n'en demande pas d'ordinaire le transfert effectif (matériel). B.- Par un télégramme du 27 mars 1963, Trujillo a invité la Lloyd's Bank à transférer les actions à son compte auprès du Banco exterior de Espana, à Madrid. Confirmé le lendemain par une lettre de Vetania, l'ordre n'était pas encore exécuté lorsque l'autorité compétente genevoise décida, le 26 avril, de séquestrer en mains de la banque "tous titres, espèces, objets, avoirs, créances ... actions nominatives ou au porteur ... inscrits en comptecourant, dépôt ... au nom de Vetania Registered Trust Vaduz ...". Seize ordonnances furent prises et exécutées par l'office des poursuites. La banque déclara alors que le séquestre s'opposait au transfert demandé. Vetania répondit que la mesure ne portait pas sur les titres déposés à New York. C.- Se conformant à une prorogation de for convenue les 21/25 octobre 1963, Vetania a saisi le Tribunal fédéral de l'action en restitution qu'elle a intentée, par demande du 22 novembre, à la Lloyd's Bank; elle prie le juge de fixer une astreinte de 500 fr. par jour de retard dans l'exécution du jugement. La défenderesse a conclu au rejet, offrant toutefois de restituer les titres si le séquestre ne les concerne pas. Erwägungen Considérant en droit: 2. Les parties sont liées par une convention de dépôt. La défenderesse s'est obligée envers la demanderesse à recevoir des actions nominatives américaines que celle-ci BGE 90 II 158 S. 161 lui a confiées, à les garder en lieu sûr et à les restituer en tout temps (art. 472 al. 1 et 475 al. 1 CO; RO 58 II 351). Un tel contrat est courant entre une banque et son client, lorsque le second prie la première de conserver des titres (GAUTSCHI, Commentaire, remarques préliminaires au dépôt, p. 593/594). En ordonnant à la Lloyd's Bank de transférer les 32 000 actions E.L. Bruce & Co. Inc. à une banque madrilène, Vetania en a exigé la restitution au sens de l' art. 475 al. 1 CO . La dépositaire est disposée à rendre la chose confiée, n'était le séquestre. 3. La portée de cette mesure prévue par le droit de la poursuite est une question préjudicielle (Vorfrage), que le juge appelé à décider de la restitution doit résoudre préalablement si, comme en l'espèce, les autorités de poursuite ne se sont pas prononcées. Il est généralement admis en droit suisse que, lorsque le sort d'une contestation pendante devant une autorité judiciaire ou administrative dépend de la solution d'une question préjudicielle qui relève en principe d'une autre juridiction, le juge compétent pour statuer sur la question principale l'est aussi pour trancher la question préjudicielle (RO 32 I 632/633; 41 II 161 ; 71 I 495 ; 85 IV 70 ; 88 I 10 et les citations). Ainsi, le juge administratif peut se prononcer sur des questions de droit civil (RO 88 I 10/11; 41 II 161 en bas), les autorités de poursuite sur des points de procédure civile (RO 77 III 142/143 et les références), le juge pénal sur des questions du droit de la poursuite (RO 82 IV 19, 89 IV 79). Sur le point préjudiciel toutefois, la décision ne constitue qu'un motif du jugement et ne jouit pas de l'autorité de la chose jugée (RO 72 I 411). 4. Selon les ordonnances et procès-verbaux produits, l'office des poursuites a opéré un séquestre générique, admis par la jurisprudence (RO 80 III 87 consid. 2 et les références). Cette mesure, ordonnée et exécutée à Genève par des autorités suisses, peut-elle porter sur des titres qui se trouvent effectivement à New York? Tel est le litige. BGE 90 II 158 S. 162 a) Le séquestre, qui doit être ordonné par l'autorité compétente du lieu où se trouvent les biens ( art. 272 LP ), s'exécute suivant les formes prescrites pour la saisie ( art. 275 LP ). Il ne doit pas viser des objets qui ne sont pas dans le ressort du préposé, ni des objets insaisissables (RO 64 III 127; 65 III 22 ; 68 III 66 ; 80 III 126 consid. 3). Ne peuvent être saisis - et donc séquestrés - que les biens corporels se trouvant en Suisse (RO 41 III 292; arrêt non publié de la Chambre des poursuites et des faillites du 26 mars 1963, dans la cause Moritz et Tuchler Ltd., consid. 2). Est nul tout séquestre autorisé ou pratiqué dans un autre lieu que celui où se trouve l'objet à séquestrer (RO 56 III 230; 73 III 103 consid. 3; 75 III 26 consid. 2). Il s'ensuit que la mesure prise par les autorités de séquestre genevoises ne vise pas les 32 000 actions déposées à New York. Ce lieu seul est décisif, non le domicile de la personne qui a la "possession médiate et effective" des titres et en dispose. b) La défenderesse objecte que ces titres sont "pratiquement des choses fongibles", car ils ne sont désignés que par leur genre, n'ayant pas été individualisés à son égard par la communication de leurs numéros; si plusieurs de ses clients possédaient des actions E.L. Bruce & Co. Inc., celles-ci constitueraient un seul "plot", sans distinction entre la propriété des uns et des autres. Le droit suisse - applicable en l'espèce (SCHÖNENBERGER/JÄGGI, Allgemeine Einleitung, no 310) - distingue le dépôt régulier et le dépôt irrégulier. S'agissant de choses fongibles autres que des espèces ou de papiers-valeurs, le dépositaire n'a le droit d'en disposer, caractéristique du dépôt irrégulier, que s'il y a été expressément autorisé par le déposant ( art. 481 al. 3 CO ). Tel ne fut pas le cas en l'espèce. Le dépôt est donc régulier. Il serait en outre collectif, si divers clients de la défenderesse possédaient des actions E.L. Bruce & Co. Inc. auprès des mêmes correspondants américains (Vermengungsdepot et Sammeldepot: BGE 90 II 158 S. 163 RO 77 I 40; G.AUTSCHI, op.cit., p. 595 et nos 3 d, 5 b/c et 9 b ad art. 481 CO ). Il s'ensuit que le déposant a la faculté de revendiquer la chose confiée. Le séquestre et la saisie ne peuvent viser le droit à la restitution, mais uniquement la chose elle-même (RO 60 III 232). Que le dépôt soit régulier ou irrégulier, ce droit ne porte d'ailleurs pas sur une somme d'argent. Aussi ne sert-il à rien à la défenderesse d'assimiler les titres en litige à des choses fongibles; car elle ne peut d'aucune façon s'appuyer sur la règle selon laquelle une créance ordinaire non incorporée dans un titre peut être séquestrée au domicile du tiers débiteur (soit chez elle) lorsque le titulaire (Vetania) n'est pas domicilié en Suisse (RO 56 III 49, 228; 75 III 26 ; 76 III 19 ; 80 III 126 ). 5. Pour renforcer son droit à la restitution, la demanderesse prie la Cour de fixer une astreinte de 500 fr. par jour de retard. Cette mesure relève de l'exécution des décisions judiciaires et se distingue de la réparation du dommage causé par l'inéxecution (RO 43 II 664/665). L'exécution des jugements du Tribunal fédéral est réglée exhaustivement par les art. 74 sv. PCF. Ces dispositions du droit fédéral ne prévoient pas l'astreinte. En revanche, le jugement qui condamne des personnes relevant du droit privé à accomplir un acte doit contenir d'office l'avis qu'en cas d'inaccomplissement dans un certain délai fixé par le juge, l'obligé encourt les peines prévues pour l'insoumission par l' art. 292 CP ( art. 76 al. 1 PCF ). Un délai de trente jours paraît suffisant en l'espèce. BGE 90 II 158 S. 164 Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral 1. Admet la demande et condamne la défenderesse, la Lloyd's Bank (Foreign) Ltd. à Londres, succursale de Genève, à restituer immédiatement 32 000 actions E.L. Bruce & Co. Inc. à la demanderesse, Vetania Trust reg. à Vaduz; 2. Rejette la requête tendant à la fixation d'une astreinte, mais avise les membres des organes de la défenderesse qu'ils encourent les peines d'arrêts et d'amende prévues pour l'insoumission par l' art. 292 CP s'ils ne restituent pas dans un délai de trente jours dès la prononciation du jugement en séance publique en présence des mandataires des parties;
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Urteilskopf 119 IV 113 19. Urteil der Anklagekammer vom 17. August 1993 in Sachen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich gegen Verhöramt des Kantons Appenzell A.Rh.
Regeste Art. 5, 6, 348 StGB . Verbrechen und Vergehen von Schweizern gegen Schweizer im Ausland; Bestimmung des Gerichtsstandes. 1. Ist aufgrund von Art. 5 und 6 StGB materiell schweizerisches Strafrecht anwendbar, so gelten die Bestimmungen des IRSG über die stellvertretende Strafverfolgung nicht; ein förmliches Übernahmebegehren des ausländischen Tatortstaates bildet in diesem Fall nicht Voraussetzung der schweizerischen Gerichtsbarkeit (E. 1). 2. Sind sowohl die Voraussetzungen von Art. 5 als auch jene von Art. 6 StGB erfüllt, so ergibt sich die schweizerische Gerichtsbarkeit gestützt auf Art. 6 in Verbindung mit Art. 5 StGB (E. 2). 3. Massgebend für die Bestimmung des Wohnortes im Sinne von Art. 348 StGB ist grundsätzlich jener im Zeitpunkt der Übermittlung des ausländischen Übernahmeersuchens durch das Bundesamt für Polizeiwesen an eine kantonale Behörde (E. 3a). Dieser Grundsatz gilt nicht, wenn der Ehemann der Beschuldigten ohne deren Mitwirkung nach Anhebung der ausländischen Strafverfolgung den bisherigen Familien-Wohnort verlegt hat und nach den Umständen nicht zu erwarten ist, dass auch die Beschuldigte allenfalls wieder an diesem Ort mit ihrer Familie zusammen wohnen wird (E. 3d).
Sachverhalt ab Seite 114 BGE 119 IV 113 S. 114 A.- Der schweizerischen Staatsangehörigen B. wird vorgeworfen, anlässlich eines Ferienaufenthaltes mit ihrem Ehemann und ihren beiden Kindern in Vomp/A am 8. Februar 1993 ihren vierjährigen Sohn Raphael mit einem Stoffgürtel erdrosselt zu haben. Sie befindet sich seither aufgrund einer Anordnung des zuständigen Untersuchungsrichters in der geschlossenen Abteilung des Landesnervenkrankenhauses Hall/A. Gegen B. wurde eine Voruntersuchung wegen Mordes eröffnet. Die Familie B. wohnte damals in Gais/AR. Anlässlich ihrer Einvernahme vom 16. Februar 1993 sprach sich B. gegen die von der Staatsanwaltschaft gewünschte Übernahme der Strafverfolgung durch die Schweiz aus; es wurde ihr Rechtsanwalt Dr. M. als Verfahrenshelfer bestellt. B.- Am 7. Juli 1993 ersuchte das Bundesministerium für Justiz der Republik Österreich gestützt auf eine Sachverhaltsdarstellung der Staatsanwaltschaft Innsbruck vom 23. Juni 1993 das Bundesamt für Polizeiwesen, die Strafverfolgung von B. zu übernehmen. Das Bundesamt für Polizeiwesen ersuchte am 13. Juli 1993 das Verhöramt des Kantons Appenzell A.Rh., die Beschuldigte durch die zuständigen BGE 119 IV 113 S. 115 Gerichtsbehörden des Kantons Appenzell A.Rh. ins Recht fassen zu lassen. Am 15. Juli 1993 lehnte das Verhöramt des Kantons Appenzell A.Rh. eine Übernahme der Strafverfolgung ab, da sich die Beschuldigte am 10. April 1993 in Gais/AR abgemeldet und neuen Wohnsitz in Dübendorf/ZH begründet habe, wo somit gemäss Art. 348 StGB auch der Gerichtsstand liege. Ein Ersuchen des Bundesamtes für Polizeiwesen vom 20. Juli 1993, den Fall zu prüfen und allenfalls bei den österreichischen Behörden ein Auslieferungsgesuch zu stellen, wies die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich am 23. Juli 1993 ab, da die Beschuldigte und ihr Sohn im Zeitpunkt der Deliktsbegehung Wohnsitz in Gais/AR gehabt hätten. Der Umstand, dass der Ehemann seit Juni 1993 in Dübendorf Wohnsitz habe, ändere an der Zuständigkeit der Behörden des Kantons Appenzell A.Rh. nichts. Nachdem ihm die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich die Akten zugestellt hatte, sandte das Verhöramt des Kantons Appenzell A.Rh. die Akten wieder an das Bundesamt für Polizeiwesen, da seines Erachtens die Verhältnisse im Zeitpunkt des ausländischen Ersuchens massgebend seien; auch die Beschuldigte sei durch ihren Ehemann in Dübendorf bei der Einwohnerkontrolle angemeldet worden. Sollte man davon ausgehen, die Beschuldigte habe zu dieser Zeit in der Schweiz über keinen gültigen Wohnsitz verfügt, wäre gemäss Art. 348 StGB der Heimatkanton St. Gallen zuständig. C.- Mit Gesuch vom 2. August 1993 beantragt die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich der Anklagekammer des Bundesgerichts, den Gerichtsstand festzulegen; die Behörden des Kantons Zürich seien mit Sicherheit nicht zuständig, die Strafverfolgung der Beschuldigten zu übernehmen. Das Verhöramt des Kantons Appenzell A.Rh. beantragt, die Behörden des Kantons Zürich, eventuell jene des Kantons St. Gallen zuständig zu erklären. Erwägungen Die Anklagekammer zieht in Erwägung: 1. a) Der beschuldigten schweizerischen Staatsbürgerin wird zur Last gelegt, in Österreich ihren Sohn, ebenfalls Schweizer Staatsbürger, getötet zu haben. BGE 119 IV 113 S. 116 b) Obwohl die Tat in Österreich ausgeführt wurde, haben die österreichischen Behörden dem Bundesamt für Polizeiwesen beantragt, die in Österreich gegen die Beschuldigte wegen Mordes ( § 75 StGB /A) angehobene Strafverfolgung zu übernehmen. c) Die Übernahme einer im Ausland angehobenen Strafverfolgung wird geregelt in Art. 85 ff. IRSG (Vierter Teil: Stellvertretende Strafverfolgung), nach welcher Bestimmung die Schweiz unter bestimmten Voraussetzungen auf Ersuchen des aufgrund des Territorialitätsprinzips primär zuständigen Tatortstaates (vgl. BGE 108 IV 147 ) an dessen Stelle die Strafgewalt ausüben kann; eine solche stellvertretende Strafverfolgung erfasst Verfahren, die sowohl gegen Schweizerbürger als auch gegen Ausländer gerichtet sein können (BBl 1976 II 467). Diese Form der internationalen Zusammenarbeit in Strafsachen ist zu unterscheiden von derjenigen aufgrund originärer schweizerischer Gerichtsbarkeit (vgl. BBl 1976 II 466f.). Denn die Bestimmungen des IRSG über die stellvertretende Strafverfolgung gelten nicht, wenn die Tat aufgrund anderer Vorschriften der schweizerischen Gerichtsbarkeit unterworfen ist ( Art. 85 Abs. 3 IRSG ; BGE 117 IV 379 E. 5c; SCHULTZ, Das neue Schweizer Recht der internationalen Zusammenarbeit in Strafsachen, SJZ 1981 S. 106; vgl. auch Sten.Bull. SR 1977, 634 zum heutigen Art. 94 Abs. 3): Die Schweiz - wie im übrigen auch die anderen Staaten - bestimmt in autonomer Weise die Grenzen ihrer eigenen strafrechtlichen Zuständigkeit; sie hat dies mit den Art. 3 bis 7 StGB getan ( BGE 117 IV 376 E. 4e). d) Zu prüfen ist daher zunächst, ob die konkrete Tat aufgrund dieser Bestimmungen (insb. Art. 4 bis 6 StGB) materiell dem schweizerischen Strafrecht, d.h. der schweizerischen Straf(rechts)hoheit bzw. der schweizerischen Gerichtshoheit (SCHULTZ, Strafrecht, Allg. Teil I, S. 108 ff.) unterworfen ist ( BGE 117 IV 375 f.). Für Delikte, die gemäss Art. 3-7 StGB unter die schweizerische Straf- bzw. Gerichtshoheit fallen, muss es im übrigen einen schweizerischen Gerichtsstand geben ( BGE 82 IV 70 ; SCHMID, Strafprozessrecht, N. 382). e) Ergibt diese Prüfung, dass die schweizerische Gerichtsbarkeit zu bejahen ist, so ist die Auslandstat nach schweizerischem Recht zu verfolgen und zu beurteilen, ohne dass dazu ein Übernahmebegehren des ausländischen Tatortstaates erforderlich wäre (vgl. BGE 76 IV 211 f.; vgl. auch TRECHSEL, Kurzkommentar StGB, Art. 6 N. 1; vgl. STRATENWERTH, Strafrecht, Allg. Teil I, S. 92; vgl. SCHWANDER, a.a.O., Nr. 70; vgl. LOGOZ, Commentaire CPS, partie générale, S. 48); BGE 119 IV 113 S. 117 die schweizerischen Strafverfolgungsbehörden haben daher auch ohne solches Ersuchen ohne weiteres tätig zu werden, sobald sie von der Auslandstat Kenntnis erhalten. 2. a) Gemäss Art. 6 Ziff. 1 StGB ist der Schweizer, der im Ausland ein Verbrechen oder ein Vergehen verübt, für welches das schweizerische Recht die Auslieferung zulässt, sofern die Tat auch am Begehungsort strafbar ist, dem schweizerischen Strafgesetzbuch unterworfen, wenn er sich in der Schweiz befindet oder der Eidgenossenschaft wegen dieser Tat ausgeliefert wird. Voraussetzung für die Anwendung von Art. 6 StGB ist nicht, dass der Täter auch tatsächlich ausgeliefert wird, sondern es genügt, dass er für die ihm zur Last gelegte Auslandstat ausgeliefert werden könnte (vgl. SCHWANDER, Das schweizerische Strafgesetzbuch, Nr. 70). Dies ist der Fall, wenn das schweizerische Recht dafür die Auslieferung an sich zulässt (vgl. BGE 79 IV 51 ). Diese Frage entscheidet sich nach Art. 35 Abs. 1 lit. a IRSG (TRECHSEL, a.a.O., Art. 6 N. 3). Nach dieser Bestimmung gelten als Auslieferungsdelikte Taten, die nach dem Recht sowohl der Schweiz als auch des ersuchenden Staates mit einer freiheitsbeschränkenden Sanktion im Höchstmass von mindestens einem Jahr oder mit einer schwereren Sanktion bedroht sind. Dies trifft auf das der Beschuldigten vorgeworfene Tötungsdelikt zu: Die der Beschuldigten zur Last gelegte Tat ist nach § 75 StGB /A mit Freiheitsstrafe von zehn bis zwanzig Jahren oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu bestrafen; auch die hier allenfalls in Frage kommenden Art. 111 (vorsätzliche Tötung), 112 (Mord), 113 (Totschlag) und 117 (fahrlässige Tötung) StGB/CH sind alle mit Freiheitsstrafen im Höchstmass von mehr als einem Jahr bedroht und damit Auslieferungsdelikte im Sinne von Art. 35 Abs. 1 lit. a IRSG . Aus diesen Gründen unterliegt die im vorliegenden Fall zu verfolgende Auslandstat schon aufgrund von Art. 6 StGB der schweizerischen Gerichtsbarkeit bzw. Strafrechtshoheit. b) Nach Art. 5 Abs. 1 StGB wird ebenfalls dem schweizerischen Strafgesetzbuch unterworfen, wer im Ausland gegen einen Schweizer ein Verbrechen oder ein Vergehen verübt, sofern die Tat auch am Begehungsort strafbar ist, wenn er sich in der Schweiz befindet und nicht an das Ausland ausgeliefert, oder wenn er der Eidgenossenschaft wegen dieser Tat ausgeliefert wird. Diese nicht auf Auslieferungsdelikte beschränkte Bestimmung ist im vorliegenden Fall offensichtlich ebenfalls anwendbar. Damit ergibt sich auch gestützt auf diese Bestimmung im vorliegenden Fall die schweizerische Gerichtsbarkeit bzw. Gerichtshoheit. BGE 119 IV 113 S. 118 c) Im vorliegenden Fall wären nach dem Gesagten die Art. 5 und 6 StGB anwendbar. Die Frage der Konkurrenz dieser beiden Bestimmungen hat das Bundesgericht dahingehend entschieden, dass die richtige Lösung beim Zusammentreffen der Voraussetzungen von Art. 5 und 6 StGB (Täter und Opfer sind Schweizer) nicht im Vorrang und der ausschliesslichen Anwendbarkeit der einen oder anderen Norm liege, sondern die beiden Bestimmungen sinngemäss zu kombinieren seien; der Schweizer, der im Ausland gegen einen Schweizer delinquiert habe, müsse sich in der Schweiz für jede solche Straftat (nicht nur für Auslieferungsdelikte) verantworten ( BGE 108 IV 84 ). Dieser Entscheid hat Zustimmung gefunden (REHBERG, Strafrecht I, S. 44; NOLL/TRECHSEL, a.a.O., S. 48; TRECHSEL, a.a.O., Art. 5 N. 9); SCHULTZ sah sich durch den Entscheid veranlasst, auf seine früher vertretene Auffassung zurückzukommen und in solchen Fällen Art. 6 StGB den Vorrang gegenüber Art. 5 StGB einzuräumen (ZBJV 1984, S. 4). d) Die schweizerische Gerichtsbarkeit ergibt sich somit im vorliegenden Fall gestützt auf Art. 6 in Verbindung mit Art. 5 StGB , deren Anwendung entgegen der Auffassung des Gesuchsgegners, der von der - nach dem oben Ausgeführten unzutreffenden - Anwendbarkeit von Art. 85 IRSG ausgeht, keineswegs zweifelhaft ist. 3. a) Steht die schweizerische Gerichtsbarkeit nach dem Gesagten im vorliegenden Fall fest, bleibt die Festlegung eines Gerichtsstandes in Anwendung von Art. 348 StGB (vgl. BGE 108 IV 146 E. 2). Nach dieser Bestimmung befindet sich der Gerichtsstand am Wohnort des Beschuldigten, mangels eines solchen am Heimatort. Der Wohnort im Sinne von Art. 348 StGB ist nicht gleichbedeutend mit den zivilrechtlichen Wohnsitz im Sinne von Art. 23 ZGB . Der Wohnort eines Beschuldigten befindet sich am Ort des Mittelpunktes seines Lebens, in der Regel also dort, wo er für sich und seine Familie eine Wohnung eingerichtet hat und bewohnt oder wo er gewöhnlich nächtigt; die Behörden dieses Ortes stehen ihm am nächsten, kennen ihn und können seiner am besten habhaft werden ( BGE 97 IV 152 mit Hinweis). Der Wohnort kann unter dem Gesichtspunkt von Art. 348 StGB erst eine Rolle spielen vom Zeitpunkt an, in welchem zu entscheiden ist, welcher Kanton die Strafverfolgung zu führen habe. Erhalten die schweizerischen Behörden durch ein Übernahmebegehren einer ausländischen Behörde von der strafbaren Handlung Kenntnis, die ein Schweizer im Ausland begangen hat, so kann daher der Gerichtsstand nur begründet werden entweder durch den Wohnort BGE 119 IV 113 S. 119 des Beschuldigten im Augenblick, in dem das Übernahmebegehren bei den schweizerischen Behören eintrifft, oder durch den Wohnort im Zeitpunkt, in dem das Bundesamt für Polizeiwesen das Begehren an eine kantonale Behörde weiterleitet, wobei grundsätzlich auf letzteren Zeitpunkt abzustellen ist ( BGE 76 IV 268 E. 3). Für die Strafverfolgung ist es ohne Bedeutung, ob der Beschuldigte überhaupt einen Wohnort und ob er stets nur einen einzigen hat; ein Bedürfnis, in diesem Zusammenhang Art. 24 ZGB anzuwenden, besteht grundsätzlich nicht; es ist in aller Regel auch überflüssig, da bei Fehlen eines Wohnortes subsidiär ein anderer Gerichtsstand zur Verfügung steht (SCHWERI, Interkantonale Gerichtsstandsbestimmung in Strafsachen, N. 197); entscheidend ist, dass die Strafbehörde rasch und auf einfache Weise feststellen kann, ob sie zur Verfolgung des Beschuldigten verpflichtet ist (vgl. BGE 76 IV 269 ). b) Das Ehepaar B. hatte seit 30. Juni 1986 Wohnsitz in Gais/AR, wo sie bis zum 10. April 1993 wohnten. Vom 15. April 1993 bis 31. Mai 1993 war nur der Ehemann B. in Nürensdorf/ZH gemeldet; am 1. Juni 1993 meldete B. die ganze Familie bei der Einwohnerkontrolle in Dübendorf/ZH an. Seit der Tat am 8. Februar 1993 befindet sich die Beschuldigte in Österreich. Es liegt auf der Hand, dass der Aufenthalt im Landesnervenkrankenhaus Hall/A keinen neuen Wohnort zu begründen vermag, denn dort hält sich die Beschuldigte lediglich auf, bis die Frage des schweizerischen Gerichtsstandes entschieden ist. c) Nach der oben dargelegten Rechtsprechung wäre davon auszugehen, dass die Beschuldigte im massgeblichen Zeitpunkt der Weiterleitung des Übernahmegesuches durch das Bundesamt für Polizeiwesen am 13. Juli 1993 an die Behörden des Kantons Appenzell A.Rh. über keinen eigentlichen Wohnort mehr verfügte, da der Ehemann die Familienwohnung gekündigt und sich und seine Familie am 10. April 1993 in Gais abgemeldet hatte. d) Diese Rechtsprechung kann indessen nicht ohne weiteres auch auf den vorliegenden Fall angewandt werden. Die Beschuldigte wohnte nämlich zusammen mit ihrem Ehemann und den Kindern seit Juni 1986, d.h. seit fast sieben Jahren, in Gais/AR, wo sie damit zweifellos auch ihren Lebensmittelpunkt hatte. Es sind daher auch die Behörden dieses Kantons, die der Beschuldigten im Sinne der vorstehend dargelegten Rechtsprechung am nächsten stehen, sie und ihre persönlichen Verhältnisse kennen und damit auch in erster Linie dazu berufen sind, die Strafverfolgung zu übernehmen. Daran ändert BGE 119 IV 113 S. 120 der Umstand nichts, dass der Ehemann nach Anhebung der Strafuntersuchung gegen die Beschuldigte ohne Mitwirkung derselben den bisherigen Familien-Wohnort Gais/AR aufgegeben hat und nun in Dübendorf/ZH wohnt. Denn nichts deutet darauf hin, dass die Beschuldigte beabsichtigt, überhaupt nach Dübendorf zu ziehen und dort zu verbleiben (vgl. dazu BGE 76 IV 270 ); aus dem Gutachten von Prof. Dr. med. P. vom 1. Juni 1993 ergibt sich vielmehr, dass der Ehegatte der Beschuldigten inzwischen eine neue Beziehung aufgenommen habe; die Beschuldigte habe am 26. Mai 1993 erklärt, sie habe sich von ihrem Mann getrennt, weil dieser das gewünscht habe. Unter diesen Umständen ist nicht zu erwarten, dass die Beschuldigte allenfalls wieder mit ihrem Ehemann an dessen neuem Wohnort zusammenwohnen wird. Da bis zur Abreise der Beschuldigten ins Ausland kurz vor der Tat der Lebensmittelpunkt unzweifelhaft in Gais/AR lag, und die Beschuldigte nichts unternommen hat, diesen aus eigenem Entschluss aufzuheben und an einen anderen Ort zu verlegen, ist unter Berücksichtigung der erwähnten Gründe, die für den Gerichtsstand des Wohnortes sprechen, davon auszugehen, dass nach wie vor die Behörden des Kantons Appenzell A.Rh. am besten in der Lage sind, die Verfolgung und Beurteilung der Beschuldigten zu übernehmen. In dieser besonderen Situation besteht somit kein Anlass, auf den Gerichtsstand des Heimatortes zurückzugreifen (vgl. dazu auch BGE 76 IV 270 ). Dispositiv Demnach erkennt die Anklagekammer: Es werden die Behörden des Kantons Appenzell A.Rh. berechtigt und verpflichtet erklärt, die B. zur Last gelegte strafbare Handlung zu verfolgen und zu beurteilen.
null
nan
de
1,993
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
002556ac-efa7-454a-9043-eaa21eb4af08
Urteilskopf 107 V 203 47. Auszug aus dem Urteil vom 24. August 1981 i.S. Ausgleichskasse des Schweizerischen Bäcker-Konditorenmeister-Verbandes gegen Simon und Kantonale Rekurskommission für die Ausgleichskassen, Basel
Regeste Art. 4 BV . Technische und praktische Gründe vermögen eine Ungleichbehandlung jedenfalls dann zu rechtfertigen, wenn diese nicht zu unbilligen Ergebnissen führt (Erw. 3). Art. 41bis AHVV . Abs. 1 dieser Bestimmung ist gesetzmässig und verstösst nicht gegen die Rechtsgleichheit (Erw. 3).
Sachverhalt ab Seite 203 BGE 107 V 203 S. 203 Mit Verfügung vom 17. Juli 1979 verpflichtete die Ausgleichskasse des Schweizerischen Bäcker-Konditorenmeister-Verbandes den ihr angeschlossenen Jacques Simon zur Bezahlung von Verzugszinsen auf einer Beitragsforderung von Fr. ..., nachdem die Beiträge innert der angesetzten Nachfrist nicht bezahlt worden waren und die Ausgleichskasse das Betreibungsverfahren eingeleitet hatte. BGE 107 V 203 S. 204 Die kantonale Rekurskommission für die Ausgleichskassen, Basel, hiess eine hiegegen erhobene Beschwerde im wesentlichen mit der Begründung gut, dass die nach Art. 41bis Abs. 1 AHVV für den Fall der Betreibung vorgesehene rückwirkende Verzugszinspflicht gegen die verfassungsmässigen Grundsätze der Rechtsgleichheit und des Willkürverbotes verstossen. Die Ausgleichskasse führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Mit dem auf den 1. Januar 1979 in Kraft getretenen Art. 14 Abs. 4 lit. e AHVG (Gesetzesnovelle vom 24. Juni 1977: 9. AHV-Revision) wurde dem Bundesrat die Befugnis erteilt, Vorschriften über die Erhebung von Verzugszinsen und die Ausrichtung von Vergütungszinsen zu erlassen. Der Bundesrat hat gestützt hierauf in Art. 41bis AHVV näher umschrieben, unter welchen Voraussetzungen der säumige Beitragsschuldner zur Leistung von Verzugszinsen verpflichtet ist. Danach sind Verzugszinsen zu entrichten, wenn die Ausgleichskasse die Beiträge in Betreibung setzt oder wenn über den Beitragspflichtigen der Konkurs eröffnet wird; in den übrigen Fällen, namentlich wenn die Ausgleichskasse eine ausserordentliche Zahlungsfrist setzt oder Beiträge nachfordert, sind Verzugszinsen nur zu entrichten, sofern die Beiträge nicht innert 4 Monaten nach Beginn des Zinslaufes bezahlt werden (Abs. 1). Besondere zusätzliche Bestimmungen gelten bei Beitragsnachforderungen (Abs. 2). Gemäss Abs. 3 der Bestimmung laufen die Verzugszinsen vom Ende der Zahlungsperiode an, es sei denn, es liege eine Nachzahlung vor. Keine Verzugszinsen sind zu entrichten, wenn die nach Bundesrecht geschuldeten Beiträge weniger als Fr. 3'000.-- ausmachen (Abs. 4). Der Zinssatz beträgt 0,5% je abgelaufenen Monat oder, wenn die Beitragsforderung in Betreibung gesetzt wird, 6% im Jahr (Abs. 5). 3. Die Vorinstanz hat die streitige Verfügung mit der Begründung aufgehoben, dass die ihr zugrundeliegende Verordnungsbestimmung ( Art. 41bis AHVV ) gegen die Rechtsgleichheit und das Willkürverbot verstosse. Nach Auffassung des kantonalen Richters entspricht die Bestimmung nicht dem Willen des Gesetzgebers. a) Mit Art. 14 Abs. 4 lit. e AHVG hat der Gesetzgeber dem Bundesrat die Befugnis zum Erlass von Vorschriften über "die Erhebung von Verzugszinsen und die Ausrichtung von BGE 107 V 203 S. 205 Vergütungszinsen" übertragen. Die Delegationsnorm enthält keine besonderen Einschränkungen hinsichtlich der Rechtsetzungsbefugnis, weshalb dem Bundesrat ein weitgehendes gesetzgeberisches Ermessen eingeräumt ist. Das Gericht hat sich daher auf die Prüfung zu beschränken, ob die umstrittenen Verordnungsvorschriften offensichtlich aus dem Rahmen der dem Bundesrat im Gesetz delegierten Kompetenzen herausfallen oder aus andern Gründen verfassungs- oder gesetzwidrig sind. Es kann jedoch sein eigenes Ermessen nicht an die Stelle desjenigen des Bundesrates setzen und hat über die Zweckmässigkeit der bundesrätlichen Verordnung nicht zu befinden. Die Verordnungsregelung verstösst allerdings dann gegen Art. 4 BV , wenn sie sich nicht auf ernsthafte Gründe stützen lässt, wenn sie sinn- oder zwecklos ist oder wenn sie rechtliche Unterscheidungen trifft, für die sich ein vernünftiger Grund in den tatsächlichen Verhältnissen nicht finden lässt bzw. wenn sie es unterlässt, Unterscheidungen zu treffen, die richtigerweise hätten berücksichtigt werden sollen ( BGE 104 Ib 209 , 425). b) Dass sich die Regelung des Art. 41bis Abs. 1 AHVV im Rahmen der Delegationsnorm hält, kann nicht zweifelhaft sein (vgl. auch BBl 1976 III 28). Sie führt dagegen insofern zu einer ungleichen Behandlung der Beitragspflichtigen, als der Betreibungsschuldner ohne Rücksicht auf die "Schonfrist" von 4 Monaten Verzugszinsen zu bezahlen hat, wogegen der Nichtbetriebene die Beiträge innert 4 Monaten nach Ende der Zahlungsperiode ohne Verzugszinsen entrichten kann. Hierin kann entgegen der Auffassung des Beschwerdegegners und der Vorinstanz jedoch kein Verstoss gegen die Rechtsgleichheit erblickt werden. Für die streitige Regelung sprechen vorab praktische Gründe. Einerseits stellt es sowohl für den Beitragspflichtigen als auch für die Verwaltung eine Erleichterung dar, dass grundsätzlich kein Verzugszins zu entrichten ist, wenn der Beitrag innert 4 Monaten ab Ende der Zahlungsperiode bezahlt wird. Dadurch erhalten die Verwaltung für die Berechnung der Beiträge und der Beitragspflichtige für deren Entrichtung die erforderliche Zeit, ohne dass für eine zusätzliche Zinserhebung aufwendige Berechnungen, Verbuchungen und Inkassomassnahmen erfolgen müssen. Anderseits stellt es eine Vereinfachung dar, dass bei Betreibung der Verzugszins innerhalb der "Schonfrist" von 4 Monaten zusammen mit der Beitragsforderung geltend gemacht werden kann ( Art. 67 Abs. 1 Ziff. 3 SchKG ). Ohne diese Regelung müsste der Zins (bei Ablauf der Schonfrist) gesondert erhoben und allenfalls auch gesondert in BGE 107 V 203 S. 206 Betreibung gesetzt werden. Es entspricht somit einem gewissen praktischen Bedürfnis, dass bei Beitragsentrichtung innert 4 Monaten nach Ende der Zahlungsperiode keine Verzugszinsen zu bezahlen sind, wogegen die Verzugszinsen sofort geltend gemacht werden können, wenn die Beitragsforderung in Betreibung gesetzt wird (vgl. hiezu auch ZAK 1978 S. 436 ff.). Nach der Rechtsprechung vermögen technische und praktische Gründe eine Ungleichbehandlung jedenfalls dann zu rechtfertigen, wenn diese nicht zu unbilligen Ergebnissen führt ( BGE 100 Ia 328 mit Hinweisen; vgl. auch IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Bd. I Nr. 69 S. 428 f.). Zu derartigen Ergebnissen führt die streitige Verordnungsbestimmung nicht. Abgesehen davon, dass sich die unterschiedliche Regelung der Verzugszinspflicht je nachdem, ob Betreibung eingeleitet wurde oder nicht, praktisch nur dann auswirkt, wenn die betriebene Forderung vor Ablauf der "Schonfrist" bezahlt wird, ist es unter dem Gesichtspunkt der Rechtsgleichheit nicht dasselbe, ob eine Forderung innert einer bestimmten Frist freiwillig oder aber erst nach Anhebung der Betreibung bezahlt wird. Die ungleiche rechtliche Behandlung findet somit einen vernünftigen Grund in den tatsächlichen Verhältnissen. Es besteht daher kein Anlass, die Regelung des Art. 41bis Abs. 1 AHVV als rechtsungleich und damit als verfassungswidrig zu erachten. c) An diesem Ergebnis vermögen auch die Einwendungen der Vorinstanz hinsichtlich des Vollzugs der Verordnungsbestimmung nichts zu ändern. Wie das Bundesamt für Sozialversicherung in der Vernehmlassung ausführt, dürfen die Ausgleichskassen die "Schonfrist" von 4 Monaten nicht generell gewähren, sondern nur wenn beachtliche Gründe den Beitragspflichtigen an der Zahlung hindern; anderseits wird die Betreibung (während der Schonfrist) nur eingeleitet, wenn keine besonderen Verhältnisse vorliegen, welche einen Zahlungsaufschub rechtfertigen. Im übrigen haben die Ausgleichskassen ihre Befugnisse hinsichtlich des Beitragsbezugs pflichtgemäss auszuüben und Beiträge, die auf erfolgte Mahnung hin nicht bezahlt werden, ohne Verzug auf dem Wege der Betreibung einzuziehen ( Art. 15 Abs. 1 AHVG ). Dass dies im Einzelfall zufolge besonderer Umstände (Arbeitsüberlastung bei Fälligkeitsterminen) nicht möglich ist, macht die Regelung als solche nicht rechtsungleich oder willkürlich.
null
nan
de
1,981
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
0028e12d-37bb-4609-9fe7-7d8d44a56345
Urteilskopf 117 Ib 379 46. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 18. September 1991 i.S. A. und B. gegen X., Einwohnergemeinde Wislikofen, Regierungsrat und Verwaltungsgericht des Kantons Aargau (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste Art. 24 RPG und Umweltschutzrecht; Ausnahmebewilligung für einen Schweinemaststall mit Jauchegrube. 1. Bauten für die weitgehend bodenunabhängige Schweinemast und -zucht können zur Aufstockung eines Landwirtschaftsbetriebs standortgebunden sein ( Art. 24 Abs. 1 lit. a RPG ). Standortgebundenheit im vorliegenden Fall bejaht (E. 3). 2. Umweltschutzrechtliche Mindestabstandsvorschriften zur vorsorglichen Emissionsbegrenzung ( Art. 3 LRV ) sind im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 24 Abs. 1 lit. b RPG zu berücksichtigen. Fall eines Schweinestalls mit Abluftreinigung (E. 4).
Sachverhalt ab Seite 380 BGE 117 Ib 379 S. 380 X. betreibt in der Gemeinde Wislikofen einen Landwirtschaftsbetrieb mit 15,6 ha Nutzfläche. Scheune und Wohnhaus liegen auf dem Grundstück Nr. 250, von welchem gemäss der Bau- und Zonenordnung der Gemeinde Wislikofen vom Juni 1974 (BO) ungefähr 1000 m2 in der Dorfzone liegen. Die bestehenden Gebäude befinden sich zum grossen Teil in dieser Zone. Zur Aufstockung seines 16 Kuhplätze und ein Milchkontingent von ca. 60 000 kg Milch/Jahr umfassenden Landwirtschaftsbetriebs möchte X. zusätzlich einen Schweinemast- und -zuchtbetrieb führen. Auf dem ausserhalb der Bauzone liegenden Teil des Grundstücks Nr. 250 soll ein Schweinestall von 27,6 m Länge und 9,14 m bzw. 6,20 m Breite erstellt werden. In diesem sollen 60 Mastschweine, 10 Mutterschweine und 8 Remonten bzw. Eber gehalten werden. Ferner will X. im Zusammenhang mit dem Schweinestall eine neue, hinreichend grosse Jauchegrube errichten, welche auch dem herkömmlichen Landwirtschaftsbetrieb dienen soll. Gegen das Baugesuch für den beschriebenen Schweinestall mit Jauchegrube erhoben A. und B. als Eigentümer der südwestlich angrenzenden, in der Dorfzone liegenden Parzelle Nr. 249 Einsprache. Das Baudepartement des Kantons Aargau stimmte dem Baugesuch unter Auflagen zu. Hierauf erteilte der Gemeinderat Wislikofen am 7. September 1987 die Baubewilligung unter Beifügung weiterer Bewilligungen und Auflagen. Dagegen gelangten A. und B. an den Regierungsrat des Kantons Aargau. Dieser hiess die Beschwerde am 14. November 1988 teilweise gut und ergänzte die Baubewilligung des Gemeinderats Wislikofen durch einige Auflagen. Unter anderem verlangte der Regierungsrat darin die Abluftreinigung mittels eines Erdfilters. Gegen diesen Entscheid des Regierungsrats führten A. und B. Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau. Sie beantragten die Aufhebung der Baubewilligung. Das Verwaltungsgericht BGE 117 Ib 379 S. 381 wies die Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit Urteil vom 15. Februar 1990 im Grundsatz ab. Es ergänzte die Baubewilligung des Gemeinderats Wislikofen jedoch mit der Auflage, dass sämtliche Türen des Schweinestalls mit Türschliessern zu versehen und sämtliche Fenster so zu montieren seien, dass sie nicht geöffnet werden könnten. Ferner verlangte das Verwaltungsgericht, dass die Frischluftzufuhr mit automatischen Lüftungsklappen sicherzustellen sei und dass die beiden Türen an der Ostfassade des Stalls nur in Notfällen geöffnet werden dürften. Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht im wesentlichen aus, das Bauvorhaben käme vollständig in denjenigen Teil des Grundstücks Nr. 250 zu liegen, welcher sich nicht in der Dorfzone befinde. Da die Gemeinde Wislikofen noch keine Nutzungsplanung ausserhalb der eigentlichen Bauzonen erlassen habe, sei für das Bauvorhaben eine Ausnahmebewilligung gemäss Art. 24 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (RPG) erforderlich. Es bejahte die Standortgebundenheit des Schweinestalls, da es sich um einen echten Zuerwerb handle. Dem Bauvorhaben stünden keine überwiegenden Interessen im Sinne von Art. 24 Abs. 1 lit. b RPG entgegen; insbesondere sei in dieser Hinsicht festzuhalten, dass keine umweltschutzrechtlichen Bestimmungen verletzt seien, da sich mit dem vorgesehenen Bio- bzw. Erdfilter ein Geruchsabbau von rund 95% erzielen lasse. Da ein Schweinestall von den Immissionen her selbst in der angrenzenden Dorfzone zulässig wäre, müsse dies umso eher im unmittelbar angrenzenden Nichtbaugebiet der Fall sein. Auch sei der nach der Luftreinhalte-Verordnung des Bundes vom 16. Dezember 1985 (LVR) massgebende Mindestabstand von 8 m zur Zonengrenze bzw. zum Nachbargrundstück eingehalten. Der Mindestgrenzabstand müsse entgegen der Annahme der beschwerdeführenden Nachbarn nicht von der Ostfassade des Stallneubaus, sondern angesichts des geschlossenen Systems des Stalls von der Abluftreinigungsanlage (Erdfilter) aus gemessen werden; von hier betrage der Abstand 16,5 m. A. und B. führen gegen dieses Urteil Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht. Sie beantragen, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Baubewilligung sei zu verweigern. Eventuell sei die Sache zur entsprechenden Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der Instruktionsrichter holte bei der eidgenössischen Forschungsanstalt für Betriebswirtschaft und Landtechnik, Tänikon, ein Gutachten ein. BGE 117 Ib 379 S. 382 Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. a) Die Beschwerdeführer machen in erster Linie geltend, das Verwaltungsgericht habe die Standortgebundenheit des Bauvorhabens im Sinne von Art. 24 Abs. 1 lit. a RPG zu Unrecht bejaht. Insbesondere sei im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass bereits die bestehenden Gebäude des Landwirtschaftsbetriebs in der Bauzone zonenkonform seien. Zudem liege auch eine Verletzung von Art. 24 Abs. 1 lit. b RPG sowie des Umweltschutzgesetzes des Bundes vom 7. Oktober 1983 (USG) und dessen Ausführungsvorschriften (insbesondere der LRV) vor. Der Mindestabstand zur Bauzonengrenze bzw. zur Grenze der Dorfzone betrage acht Meter. Diese seien nicht von der Erdfilteranlage, mittels welcher die Abluft des Schweinestalls gereinigt wird, zu messen, sondern von der Ostfassade des Stalls her. Hier betrage aber der Grenzabstand zu ihrem Grundstück lediglich vier Meter. b) Der für den Bau des Schweinestalls vorgesehene Teil des Grundstücks Nr. 250 liegt ausserhalb der Bauzone der Gemeinde Wislikofen im Land- und Forstwirtschaftsgebiet (vgl. § 31 BO und § 129 des Baugesetzes des Kantons Aargau vom 2. Februar 1971 (BauG)). Dieses stellt keine Landwirtschaftszone im Sinne von Art. 16 RPG dar (vgl. Urteil vom 13. Juni 1989 in ZBl 91/1990 S. 359 E. 3a). Zwar wird der fragliche Grundstückteil aller Voraussicht nach im Rahmen der Gemeindezonenplanung einer Landwirtschaftszone im Sinne von Art. 16 RPG zugewiesen werden. Zur Zeit ist dies jedoch nicht der Fall, weshalb das Verwaltungsgericht die Bewilligung des geplanten neuen Stalls mit Jaucheanlage zu Recht von einer Ausnahmebewilligung im Sinne von Art. 24 Abs. 1 RPG abhängig gemacht hat (vgl. BGE 111 Ib 215 f.). c) Aber auch in einer Landwirtschaftszone gemäss Art. 16 RPG könnte das Bauvorhaben nicht als zonenkonform im Sinne von Art. 22 Abs. 2 lit. a RPG bewilligt werden. Die Futterbasis des Landwirtschaftsbetriebs reicht für die Ernährung der Schweine bei weitem nicht aus, weshalb nicht von einem bodenabhängigen Betriebsteil gesprochen werden kann (vgl. dazu ausführlich BGE 117 Ib 278 ff. E. 3). 3. Unbestritten ist, dass auf den Schweinestall Art. 24 Abs. 2 RPG nicht anwendbar ist, da es sich um einen Neubau handelt. Eine Ausnahmebewilligung nach Art. 24 Abs. 1 RPG kann erteilt werden, wenn der Zweck der Baute einen Standort ausserhalb der BGE 117 Ib 379 S. 383 Bauzone erfordert (lit. a) und wenn dem Vorhaben keine überwiegenden Interessen entgegenstehen (lit. b). Beide Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein ( BGE 116 Ib 230 E. 3, BGE 115 Ib 298 f. E. 3 mit Hinweisen). a) Die Standortgebundenheit wird nach der bundesgerichtlichen Praxis nur dann bejaht, wenn eine Baute aus technischen oder betriebswirtschaftlichen Gründen oder wegen der Bodenbeschaffenheit auf einen Standort ausserhalb der Bauzone angewiesen ist. Dabei beurteilen sich die Voraussetzungen nach objektiven Massstäben, und es kann weder auf die subjektiven Vorstellungen und Wünsche des Einzelnen noch auf die persönliche Zweckmässigkeit und Bequemlichkeit ankommen. Zudem sind an die Erfordernisse der Standortgebundenheit strenge Anforderungen zu stellen ( BGE 116 Ib 230 E. 3a, BGE 115 Ib 299 E. 3a, BGE 113 Ib 141 E. 5a, je mit Hinweisen). In diesem Sinne können, wie aus den nachfolgenden Erwägungen hervorgeht, nicht zonenkonforme Bauten, die einem Landwirtschaftsbetrieb dienen und zu dessen Sicherung notwendig sind, unter gewissen Voraussetzungen ausserhalb der Bauzonen als standortgebunden anerkannt werden. Die Standortgebundenheit ist im Einzelfall, je nach Art und Grösse des herkömmlichen Landwirtschaftsbetriebs und des in Frage stehenden bodenunabhängigen Betriebsteils sowie nach Massgabe der jeweiligen örtlichen Verhältnisse zu beurteilen ( BGE 117 Ib 281 ff. E. 4a, b). b) Das Gutachten der eidgenössischen Forschungsanstalt für Betriebswirtschaft und Landtechnik, Tänikon, weist im vorliegenden Fall ein objektives betriebswirtschaftliches Bedürfnis für einen Standort ausserhalb der Bauzone aus. Von der landwirtschaftlichen Nutzfläche (15,9 ha) stehen 3,9 ha Ackerland für die Futterversorgung der geplanten Schweinehaltung zur Verfügung. Ausserdem ist es zweckmässig, die Magermilch des Betriebs an die Schweine zu verfüttern. Derart kann der Betrieb rund 60% des Futterbedarfs der Schweine aus eigener Versorgung decken. Zudem dient ein Teil des Bauvorhabens, nämlich die grosse neue Jauchegrube, dem Gesamtbetrieb. Damit ist objektiv das betriebswirtschaftliche Bedürfnis, diese Bauten und Anlagen am vorgesehenen Ort zu erstellen, ausgewiesen. Angesichts des Milchkontingents von ca. 60 000 kg Milch/Jahr beträgt das Betriebseinkommen heute etwa Fr. 60'000.--. Gemäss dem erwähnten Gutachten ergibt sich aus dem Schweinesektor eine Einkommenserhöhung von maximal 40%, was zu einem Betriebseinkommen nach der Aufstockung von knapp Fr. 85'000.-- führt. BGE 117 Ib 379 S. 384 c) An der Erhaltung solcher Betriebe besteht ein erhebliches öffentliches Interesse. Dies lässt sich u.a. schon daran erkennen, dass gemäss Art. 31bis Abs. 3 lit. b BV zur Erhaltung eines gesunden Bauernstandes und einer leistungsfähigen Landwirtschaft sowie zur Festigung des bäuerlichen Grundbesitzes sogar Abweichungen von der Handels- und Gewerbefreiheit ausdrücklich zulässig sind. Die genannte Zielsetzung entspricht auch dem Gebot von Art. 22quater BV , mit Massnahmen der Raumplanung die zweckmässige Nutzung des Bodens und eine geordnete Besiedlung des Landes zu fördern. Mit raumplanerischen Massnahmen sollen u.a. die natürlichen Lebensgrundlagen geschützt, das soziale, wirtschaftliche und kulturelle Leben in den einzelnen Landesteilen gefördert und die ausreichende Versorgungsbasis des Landes gesichert werden (Art. 1 Abs. 2 lit. a, c und d RPG). Dabei ist darauf zu achten, dass die Landschaft geschont wird, die Landwirtschaft über genügende Flächen geeigneten Kulturlandes verfügt und naturnahe Landschaften und Erholungsräume erhalten bleiben ( Art. 3 Abs. 2 RPG ). Die Sicherung der Existenzfähigkeit kleinerer Landwirtschaftsbetriebe dient diesen Zielen. Zudem ist zu beachten, dass Art. 13 der Stallbauverordnung des Bundes vom 13. April 1988 (SR 916.016) die Bewilligung von Aufstockungen grundsätzlich nur zulässt, wenn nach der Aufstockung eine bestimmte Einkommensgrenze (z.Zt. Fr. 85'000.--) nicht überschritten wird (lit. a), der Landwirtschaftsbetrieb einen wesentlichen Anteil offener Ackerfläche aufweist (lit. b) und mindestens 50% des Betriebseinkommens aus rein landwirtschaftlichen Produktionszweigen erzielt werden kann (lit. c). Diese Bestimmungen, die im Rahmen der Prüfung der Standortgebundenheit des Aufstockungsteils mitzuberücksichtigen sind, sprechen ebenfalls dafür, dass massvolle Aufstockungen dann bewilligt werden sollten, wenn sie sich aus betriebswirtschaftlichen Gründen zur Erhaltung einer landwirtschaftlichen Existenzgrundlage aufdrängen. d) Es ergibt sich somit, dass der im vorliegenden Fall zu beurteilende Schweinestall im Sinne von Art. 24 Abs. 1 lit. a RPG standortgebunden ist. 4. Weiter ist abzuklären, ob dem Vorhaben keine überwiegenden Interessen entgegenstehen ( Art. 24 Abs. 1 lit. b RPG ). Diese Frage stellt sich im vorliegenden Fall insbesondere in bezug auf Anliegen des Umweltschutzes. a) Umstritten ist, wie gross der Abstand des Schweinestalls zu bewohnten Zonen mindestens sein muss. Nach der übereinstimmenden BGE 117 Ib 379 S. 385 und zutreffenden Auffassung aller Beteiligten handelt es sich hier um eine Massnahme zur vorsorglichen Emissionsbegrenzung gemäss Art. 3 LRV . Gestützt auf Absatz 2 dieser Vorschrift ist Ziffer 512 des Anhangs 2 LRV anwendbar. Bei Ställen für die Tierhaltung gelten als verordnungsgemässe Mindestabstände die Empfehlungen der eidgenössischen Forschungsanstalt für Betriebswirtschaft und Landtechnik, Tänikon (Ausgabe 1988). Danach hat im vorliegenden Fall der Abstand zwischen der Anlage und der Bauzonengrenze, die hier mit der Parzellengrenze gegenüber den Beschwerdeführern zusammenfällt, acht Meter zu betragen. Die Empfehlungen der Forschungsanstalt Tänikon beantworten hingegen die Frage, von wo aus der Mindestabstand gemessen werden muss, nicht. b) Die Mindestabstandsvorschrift stellt, wie erwähnt, eine Massnahme zur vorsorglichen Emissionsbegrenzung im Sinne von Art. 3 LRV dar. Der massgebende Abstand ist stets die kürzeste Strecke zwischen der Emissionsquelle und der Zonengrenze. Art. 3 LRV und die diese Bestimmmung ausführenden Normen müssen so verstanden werden, dass im Rahmen der Vorsorge ( Art. 1 Abs. 2 und Art. 11 Abs. 2 USG ) die Quellen der in benachbarten Nutzungszonen unzulässigen Emissionen einen bestimmten Mindestabstand zu diesen Nachbarzonen einzuhalten haben. Dieser umweltschutzrechtliche Mindestabstand ist von den Grenzabständen des kantonalen oder kommunalen Rechts unabhängig. Im hier zu beurteilenden Fall ist fraglich, ob die Schweinezucht- und -mast in der benachbarten Dorfzone unzulässig wäre und damit die Bestimmung über den Abstand zwecks vorsorglicher Emissionsbegrenzung überhaupt anwendbar ist. Dieser Frage muss indessen angesichts der nachfolgenden Erwägungen nicht weiter nachgegangen werden. c) Ziffer 512 Abs. 1 Anhang 2 LRV geht von einer Tierhaltungsanlage ohne Abluftreinigung aus. Bei solchen Ställen treten die Gerüche diffus aus dem Gebäude aus, was zwangsläufig zur Folge hat, dass der Mindestabstand vom nächstliegenden Teil des Gebäudes her gemessen werden muss. Im vorliegenden Fall verhält es sich jedoch anders. Das Gebäude ist grundsätzlich hermetisch abgeschlossen, was insbesondere durch die zusätzlichen Auflagen betreffend Türen und Fenster gesichert wird. Da im Innern des Stalls ein Unterdruck herrscht und die Abluft durch einen Erdfilter gereinigt nach aussen tritt, wodurch die Gerüche zu ca. 95% abgebaut werden, ist davon auszugehen, dass keinerlei geruchsintensive BGE 117 Ib 379 S. 386 Abluft durch Fenster und Türen entweicht. Als massgebende Emissionsquelle, von welcher der Mindestabstand zu messen sei, hat das Verwaltungsgericht deshalb die Erdfilteranlage bezeichnet. Diese liegt von der Zonengrenze bzw. dem Grundstück der Beschwerdeführer mehr als das Doppelte des Abstands, der nach Ansicht der Forschungsanstalt Tänikon mindestens erforderlich ist, entfernt. Die vom Verwaltungsgericht angewandte Messweise ist im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden, da der umstrittene Schweinestall einen Abstand zur Zonengrenze von vier Metern einhält und unmittelbar neben den Hofgebäuden mit der Jauchegrube liegt. Zudem tritt die gereinigte Abluft aus dem Stallgebäude 16,5 Meter von der Zonengrenze entfernt aus. Es ist allerdings zweifelhaft, ob die im vorliegenden Fall zulässige Messweise als allgemeine Regel gelten kann. Insbesondere ist es im Hinblick auf Ziffer 512 Anhang 2 LRV fraglich, ob Anlagenteile über die Zonengrenze hinaus in bewohnte Zonen hineinragen dürften, wenn die Abluft gereinigt wird und lediglich der Austrittsort der gereinigten Abluft den nach Ansicht der Forschungsanstalt Tänikon notwendigen Mindestabstand einhält. Diese Frage muss jedoch hier nicht beantwortet werden. d) Andere dem Bauvorhaben entgegenstehende Interessen bringen die Beschwerdeführer nicht vor, und es sind aufgrund der Akten auch keine solchen ersichtlich. Insbesondere sind bei der Art des vorliegenden Schweinestalls keine erheblichen Lärmimmissionen zu befürchten (vgl. BGE 115 Ib 301 ). Damit ist auch die Voraussetzung gemäss Art. 24 Abs. 1 lit. b RPG zur Erteilung einer Ausnahmebewilligung erfüllt. Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die Verwaltungsgerichtsbeschwerde unbegründet und somit abzuweisen ist. ...
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nan
de
1,991
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002d0e50-e8a4-4fd3-84ae-b937941c7e08
Urteilskopf 106 IV 45 15. Urteil des Kassationshofes vom 18. April 1980 i.S. Statthalteramt des Bezirks Horgen gegen R. (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste Art. 397 StGB , Art. 269 Abs. 1 und 273 Abs. 1 lit. b BStP; § 449 Ziff. 3 StPO /ZH. Der Beschluss, der ein Wiederaufnahmebegehren des Verurteilten gestützt auf das kantonale Strafprozessrecht gutheisst, kann von der Anklagebehörde nicht mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde wegen Verletzung von Art. 397 StGB angefochten werden.
Sachverhalt ab Seite 45 BGE 106 IV 45 S. 45 A.- Als R. am 13. Dezember 1975 mit seinem Personenwagen auf der Sihltalstrasse bei Horgen durch den sog. Tunnelrank, einer mit einer Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h signalisierten Linkskurve fuhr, brach das Heck seines Fahrzeuges unvermittelt nach rechts aus. R. verlor darob die Herrschaft über den Wagen und fuhr vor entgegenkommenden Autos nach links über die Sicherheitslinie und die Gegenfahrbahn gegen einen Baum. BGE 106 IV 45 S. 46 B.- Das Statthalteramt Horgen büsste R. am 6. Februar 1976 wegen "Nichtbeherrschens des Fahrzeuges infolge Nichtanpassens der Geschwindigkeit an die gegebenen Verhältnisse" (Art. 31 Abs. 1 und 32 Abs. 1 SVG) mit Fr. 250.--. In einer späteren gerichtlichen Auseinandersetzung mit der SUVA betreffend die Auszahlung von Versicherungsleistungen ergab eine Expertise, dass R. nicht wegen zu hoher Geschwindigkeit ins Schleudern geraten war, sondern weil er sein Fahrzeug vor kurzem mit einer Mischbereifung (Vorderräder: bereits eingefahrene Fulda-Reifen; Hinterräder: neue Good-Year G 800-Gürtelreifen) versehen hatte. Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern verneinte deshalb am 31. Mai 1978 ein grobfahrlässiges Verhalten des R. und verpflichtete die SUVA zu ungekürzten Versicherungsleistungen. C.- Am 9. Oktober 1979 verlangte R. unter Berufung auf das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren beigezogene Gutachten die Revision der Strafverfügung vom 6. Februar 1976. Das Obergericht des Kantons Zürich hob am 17. Dezember 1979 in Gutheissung des Wiederaufnahmebegehrens die gegen R. verhängte Strafverfügung des Statthalteramtes Horgen auf und überwies die Akten an diese Instanz mit dem Auftrag, einen neuen Entscheid zu fällen. D.- Das Statthalteramt Horgen führt Nichtigkeitsbeschwerde wegen Verletzung von Art. 397 StGB . Es macht geltend, es habe die Tatsache, dass R. einen Wagen mit Mischbereifung fuhr, im Strafmass berücksichtigt, auch wenn dies in der Strafverfügung nicht ausdrücklich erwähnt worden sei. R. beantragt Abweisung der Beschwerde, soweit auf sie überhaupt einzutreten sei. Das Obergericht hat sich in seinen Gegenbemerkungen vom 11. März 1980, die den Parteien zur Kenntnisnahme übermittelt wurden, dahin vernehmen lassen, dass dem Statthalteramt auch im Wiederaufnahmeverfahren zugunsten des Verurteilten nach kantonalem Recht in Übertretungssachen Parteistellung zukomme und in diesem Fall als öffentlicher Ankläger zu betrachten sei. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Nach Art. 397 StGB haben die Kantone gegenüber Urteilen, die aufgrund dieses oder eines andern Bundesgesetzes ergangen sind, wegen erheblicher Tatsachen oder Beweismittel, BGE 106 IV 45 S. 47 die dem Gerichte zur Zeit des früheren Verfahrens nicht bekannt waren, die Wiederaufnahme des Verfahrens zugunsten des Verurteilten zu gestatten. Art. 397 StGB enthält somit eine Weisung an die Kantone, das Rechtsmittel der Revision zugunsten des Verurteilten wegen neuer erheblicher Tatsachen oder Beweismittel in ihre Strafprozessordnungen einzuführen und zu regeln. Dies ist indessen nicht die einzige Funktion dieser Bestimmung. Nach der in BGE 69 IV 137 begründeten Rechtsprechung des Bundesgerichts stellt Art. 397 StGB im Sinne einer Minimalgarantie einen selbständigen bundesrechtlichen Revisionsgrund zugunsten des Verurteilten auf, und kann die Verletzung dieser Bestimmung mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde gerügt werden. 2. Das Obergericht hat seinen das Wiederaufnahmegesuch des Verurteilten gutheissenden Beschluss ausdrücklich auf § 449 Ziff. 3 StPO /ZH gestützt, wonach die Wiederaufnahme des Verfahrens zugunsten des Verurteilten verlangt werden kann, "wenn Tatsachen und Beweismittel geltend gemacht werden, die dem erkennenden Richter nicht bekannt gewesen waren und welche allein oder in Verbindung mit früher erhobenen Tatsachen die Freisprechung des Angeklagten oder eine mildere Bestrafung rechtfertigen". Der Beschwerdeführer behauptet nicht, dass die Vorinstanz ihren Beschluss zu Unrecht auf kantonales Recht statt auf Bundesrecht gestützt habe. Ebensowenig wird geltend gemacht, die vom Obergericht im konkreten Fall gegebene Auslegung des kantonalen Prozessrechts verstosse gegen Bundesrecht, insbesondere gegen Art. 397 StGB . Die Auslegung und Anwendung des kantonalen Rechts, hier § 449 Ziff. 3 StPO /ZH, durch die kantonale Behörde aber ist der Kognition des Bundesgerichts im Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde entzogen. Kann schon aus diesem Grunde auf die Beschwerde des Statthalteramtes Horgen nicht eingetreten werden, braucht nicht untersucht zu werden, ob die Eingabe den in Art. 273 BStP aufgestellten Anforderungen genügt, was vom Beschwerdegegner bestritten wird, und ob die übrigen Eintretensvoraussetzungen überhaupt erfüllt wären. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Auf die Nichtigkeitsbeschwerde wird nicht eingetreten.
null
nan
de
1,980
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003afb6f-f732-4dba-9cf7-cf9ae39ed29c
Urteilskopf 112 Ia 1 1. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 20. Januar 1986 i.S. Y gegen Bezirksanwaltschaft X und Direktion der Justiz des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Art. 4 BV , rechtliches Gehör. Ist aufgrund der Rechtsmitteleingabe noch mit einer rechtzeitigen Ergänzung zu rechnen, dann läuft eine vorweggenommene Erledigung auf eine unzulässige Verkürzung der gesetzlich zwingend geregelten Rechtsmittelfrist hinaus und verletzt damit das rechtliche Gehör. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Rechtsmittelinstanz nicht bereit ist, ihren Entscheid ohne weiteres in Wiedererwägung zu ziehen, falls der Einleger des Rechtsmittels noch frist- und formgerecht eine Ergänzung nachliefert.
Sachverhalt ab Seite 1 BGE 112 Ia 1 S. 1 Die Bezirksanwaltschaft X bestrafte Y mit Verfügung vom 20. Juni 1985 mit einer Disziplinarstrafe von acht Tagen Arrest. Mit Telegramm vom 22. Juni 1985 an die Justizdirektion des Kantons Zürich beantragte Y, diesen Entscheid aufzuheben. Gleichzeitig stellte er ein Gesuch um aufschiebende Wirkung. Die BGE 112 Ia 1 S. 2 Rekursinstanz wies beide Anträge am 24. Juni 1985 ab. Auf eine am 8. Juli 1985 rechtzeitig nachgereichte Rekursergänzung trat sie nicht ein. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Mit Disp. Ziffer III der angefochtenen Verfügung ist die Justizdirektion auf die "Rekursbegründung" vom 8. Juli 1985 nicht eingetreten. Sie hat erwogen, der Beschwerdeführer habe bereits mit Telegramm vom 22. Juni 1985 Rekurs erhoben; diesen habe sie aber schon mit Verfügung vom 24. Juni 1985 behandelt und abgewiesen. Der Beschwerdeführer bestreitet die Zulässigkeit dieses Vorgehens und macht eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend. Er bringt vor, der telegraphisch angemeldete Rekurs sei mangels Unterschrift (noch) nicht formgültig gewesen, rügt eine Verkürzung der gesetzlichen Rechtsmittelfrist und wendet schliesslich ein, die Verfügung der Justizdirektion vom 24. Juni 1985 sei ihm, d.h. seinem Anwalt, nie gültig zugestellt worden. a) Soweit sich der Beschwerdeführer auf die Ungültigkeit des telegraphisch eingereichten Rekurses beruft, ist ihm nicht beizupflichten. Wer bei der Einreichung eines Rechtsmittels einen formellen Fehler begeht, kann sich nach Treu und Glauben nicht darüber beklagen, dass die Rechtsmittelinstanz über den Fehler hinwegsieht und das Rechtsmittel gleichwohl behandelt. b) Wie es sich mit der Zustellung des Entscheides vom 24. Juni 1985 verhält, kann dahingestellt bleiben. Eine allfällige Nichtzustellung könnte jedenfalls nicht zur Aufhebung des Entscheides als solchen führen; übrigens scheint der Anwalt des Beschwerdeführers dessen Inhalt zu kennen. Entscheidend ist die Frage, ob die Justizdirektion den am 22. Juni 1985 telegraphisch angemeldeten Rekurs sofort materiell behandeln und ihren Entscheid dem fristgerecht eingereichten schriftlichen Rekurs vom 8. Juni 1985 entgegenhalten durfte. c) Der Umfang des rechtlichen Gehörs bestimmt sich in erster Linie nach den kantonalen Verfahrensvorschriften. Wo sich jedoch der kantonale Rechtsschutz als ungenügend erweist, greifen die unmittelbar aus Art. 4 BV folgenden Verfahrensregeln zur Sicherung des rechtlichen Gehörs Platz. Im vorliegenden Fall behauptet der Beschwerdeführer nicht, das Vorgehen der Justizdirektion verletze irgendwelche kantonalen Verfahrensvorschriften. Es ist daher einzig - und zwar mit freier Kognition - zu prüfen, BGE 112 Ia 1 S. 3 ob unmittelbar aus Art. 4 BV folgende Regeln missachtet wurden ( BGE 110 Ia 81 E. 5b, 85 E. 3b, 101 E. 4a; mit Hinweisen). Das rechtliche Gehör dient einerseits der Sachaufklärung, andererseits stellt es ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht beim Erlass eines Entscheides dar, der in die Rechtsstellung des Einzelnen eingreift ( BGE 111 Ia 104 E. 2b mit Hinweis; vgl. auch THOMAS COTTIER, Der Anspruch auf rechtliches Gehör, Art. 4 BV , in recht 1984, S. 1 ff.). Dieses Normprogramm verwirklicht sich nur, wenn die Behörde die Vorbringen des Betroffenen auch tatsächlich hört, sorgfältig und ernsthaft prüft und in der Entscheidfindung berücksichtigt. Der Anspruch bezieht sich auf alle form- und fristgerechten Äusserungen, Eingaben und Anträge des Betroffenen, die zur Klärung der konkreten Streitfrage geeignet und erheblich sind (JÖRG PAUL MÜLLER/STEFAN MÜLLER, Grundrechte, Besonderer Teil, Bern 1985, S. 239 ff.; vgl. auch THOMAS COTTIER, a.a.O. S. 10; ARTHUR HAEFLIGER, Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich, Bern 1985, S. 129). In diesem Sinn verlangt auch das Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren vom 20. Dezember 1968 in Art. 32 Abs. 1, dass die Behörde alle erheblichen und rechtzeitigen Vorbringen der Parteien würdigt, bevor sie verfügt (vgl. dazu BGE 99 V 188 ; PETER SALADIN, Das Verwaltungsverfahrensrecht des Bundes, Basel/Stuttgart 1978, S. 141). Aufgrund dieses allgemeinen verfassungsrechtlichen Anspruches lässt sich allerdings keine generelle Regel darüber aufstellen, ob über ein Rechtsmittel vor Ablauf der Rechtsmittelfrist entschieden werden darf oder nicht. Diese Frage ist vielmehr im Blick auf den genannten Zweck des rechtlichen Gehörs und seinen allgemeinen Gehalt unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und der Interessen der Beteiligten zu beantworten. Es sind durchaus Fälle denkbar, in denen ein rasches Vorgehen berechtigt ist und sogar im Interesse des Rechtsmittelklägers liegt. Immer aber ist sorgfältig zu prüfen, ob eine als abschliessend verstandene Rechtsmitteleingabe vorliegt oder ob mit einer Ergänzung zu rechnen ist. Trifft das zweite zu, so läuft eine vorweggenommene Erledigung auf eine unzulässige Verkürzung der gesetzlich zwingend geregelten Rechtsmittelfrist hinaus und verletzt damit das rechtliche Gehör. Dies jedenfalls dann, wenn die Rechtsmittelinstanz nicht bereit ist, ihren Entscheid ohne weiteres in Wiedererwägung zu ziehen, falls der Einleger des Rechtsmittels noch frist- und formgerecht eine Ergänzung nachliefert. BGE 112 Ia 1 S. 4 Im vorliegenden Falle werden im telegraphischen Rekurs vom 22. Juni 1985 zunächst die Anträge gestellt, wobei derjenige auf Erteilung der aufschiebenden Wirkung dem Hauptantrag auf Aufhebung der angefochtenen Verfügung vorangestellt ist. Sodann folgen die Worte: "Vorläufige Begründung." Daran schliesst sich eine Kurzbegründung an, von der sich vier Sätze auf die angefochtene Verfügung selbst und zwei auf die Art und Weise ihres Vollzuges beziehen. Schon die Worte "vorläufige Begründung" boten genügend Anlass, daran zu zweifeln, dass das Telegramm als abschliessende Rekursbegründung zu verstehen sei; sie brachten in deutlicher Weise zum Ausdruck, eine weitere Eingabe sei zu erwarten. Hinzu kommt der gesamte Sachzusammenhang: Die Bezirksanwaltschaft X hatte einem allfälligen Rekurs in der Verfügung vom 20. Juni 1985 die aufschiebende Wirkung in Anwendung von § 60 Abs. 2 der zürcherischen Verordnung über die Bezirksgefängnisse (BezGV) vom 19. April 1972 vorsorglich entzogen, und der Beschwerdeführer hatte die Arreststrafe bereits angetreten. Die Rekursinstanz hätte deshalb annehmen müssen, es gehe dem Verteidiger in erster Linie um die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und er begründe den Rekurs einstweilen nur insoweit, als dies im Hinblick auf den entsprechenden Antrag unbedingt notwendig war. Diesem Zweck entsprach auch die gewählte Form des Telegramms, die für Rechtsmittelbegründungen unüblich ist. Wenn die Justizdirektion in ihrer Vernehmlassung ausführt, es sei der Verteidigung darum gegangen, durch Einreichung eines formungültigen Rechtsmittels eine Erstreckung der gesetzlichen Frist zu erlangen, so kann dem nicht beigepflichtet werden. Nachdem der Verteidiger das Telegramm abgesandt hatte, standen ihm noch 19 Tage der gesetzlichen Rechtsmittelfrist zur Verfügung. Er hat von dieser denn auch Gebrauch gemacht. Indem die Rekursinstanz nach Eingang des Telegramms statt nur über das Gesuch um aufschiebende Wirkung sofort auch in der Sache selbst befand und dann den damals getroffenen Entscheid im Sinne einer res iudicata der frist- und formgerecht eingereichten Rekursbegründung entgegenhielt, hat sie den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör verletzt. Die Beschwerde erweist sich somit in diesem Punkt als begründet. Die Justizdirektion wird über den Rekurs hinsichtlich der disziplinarischen Bestrafung des Beschwerdeführers materiell zu entscheiden haben, und zwar ohne Rücksicht darauf, dass in der Zwischenzeit der Vollzug erfolgt ist.
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Urteilskopf 123 IV 155 24. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 26. August 1997 i.S. B. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste Art. 139 Ziff. 1 ZGB i.V.m. Art. 172ter Abs. 1 StGB ; Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP und Art. 277bis Abs. 1 Satz 2 BStP ; Taschendiebstahl, geringfügiges Vermögensdelikt, Vorsatz des Täters. Ob der Vorsatz auf einen geringen Vermögenswert gerichtet war, ist eine Beweisfrage, die im Verfahren der Nichtigkeitsbeschwerde nicht zur Diskussion gestellt werden kann. Möglichkeit der Annahme eines geringfügigen Vermögensdelikts auch bei einem Taschendiebstahl (E. 1b).
Sachverhalt ab Seite 155 BGE 123 IV 155 S. 155 Im Mai 1991 entwendete B. während einer Tramfahrt in Zürich einem Fahrgast aus der Gesässtasche das Portemonnaie. Dieses enthielt Notengeld im Gesamtbetrag von Fr. 170.-, eine EC-Karte, eine Eurocard, einen Führerausweis und eine Identitätskarte. Am 1. November 1995 griff B. im Stadion Hardturm in Zürich während der Pause des Fussballspiels Grasshoppers gegen Ajax Amsterdam einem unbekannten Jugendlichen mit Diebstahlsabsicht in die Gesässtasche. Es blieb beim Versuch, da der Jugendliche in der Gesässtasche weder Portemonnaie noch Bargeld mit sich trug und B. durch einen Sicherheitsbeamten, der den Vorfall beobachtet hatte, unverzüglich festgenommen werden konnte. Am 18. November 1996 verurteilte das Obergericht des Kantons Zürich B. zweitinstanzlich wegen Diebstahls und versuchten Diebstahls zu 30 Tagen Gefängnis, abzüglich einen Tag Polizeiverhaft, als Zusatzstrafe zum Urteil des Appellationsgerichtes Basel-Stadt vom 19. April 1996. Das Obergericht schob den Vollzug der Freiheitsstrafe BGE 123 IV 155 S. 156 nicht auf. Überdies ordnete es den Vollzug der am 25. Mai 1993 vom Bezirksgericht Zürich ausgesprochenen bedingten Vorstrafe von 4 Wochen Gefängnis, abzüglich 22 Tage Untersuchungshaft, an. B. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, den Entscheid des Obergerichtes aufzuheben. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe die Anwendung von Art. 172ter StGB zu Unrecht abgelehnt. Die ihm angelasteten Taten stellten geringfügige Vermögensdelikte im Sinne dieser Bestimmung dar. a) Der Beschwerdeführer hat sich wegen Diebstahls bzw. Diebstahlversuchs strafbar gemacht. Für den Grundtatbestand des Diebstahls droht das Gesetz Zuchthaus bis zu 5 Jahren oder Gefängnis an ( Art. 139 Ziff. 1 StGB ; ebenso Art. 137 Ziff. 1 aStGB). Bei Versuch kann der Täter milder bestraft werden (Art. 21 Abs. 1 i.V.m. Art. 65 StGB ). Gemäss Art. 172ter Abs. 1 StGB wird der Täter, auf Antrag, lediglich mit Haft oder mit Busse bestraft, wenn sich die Tat nur auf einen geringen Vermögenswert oder auf einen geringen Schaden richtet. Der Versuch ist nicht strafbar ( Art. 104 Abs. 1 StGB ). Die Grenze für den geringen Vermögenswert im Sinne von Art. 172ter StGB beträgt nach der Rechtsprechung Fr. 300.- ( BGE 121 IV 261 E. 2d). Entscheidend ist der Vorsatz des Täters, nicht der eingetretene Erfolg. Art. 172ter StGB ist nur anwendbar, wenn der Täter von vornherein bloss einen geringen Vermögenswert oder einen geringen Schaden im Auge hatte. Liegt die Deliktssumme unter dem Grenzwert von Fr. 300.-, scheidet Art. 172ter StGB deshalb aus, wenn der Vorsatz des Täters auf eine den Grenzwert übersteigende Summe gerichtet war ( BGE 122 IV 156 E. 2a). Der Eventualvorsatz ist eine Form des Vorsatzes. Eventualvorsatz ist gegeben, wenn der Täter den strafbaren Erfolg als möglich voraussieht, aber gleichwohl handelt, weil er ihn in Kauf nimmt für den Fall, dass er eintreten sollte ( BGE 119 IV 1 E. 5a mit Hinweisen). Was der Täter weiss, will oder in Kauf nimmt, ist Tatfrage. Die entsprechenden Feststellungen der kantonalen Behörde sind für das Bundesgericht im Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde deshalb verbindlich ( Art. 277bis Abs. 1 BStP ; BGE 122 IV 156 E. 2b mit Hinweisen). BGE 123 IV 155 S. 157 b) Die Vorinstanz legt dar, wer wie der Beschwerdeführer Taschendiebstähle begehe, habe die Bereitschaft, das zu nehmen, was ihm in die Hände falle, und wohl die Hoffnung auf möglichst grosse Beute; dies unabhängig davon, ob es sich beim Bestohlenen um einen Erwachsenen oder einen Jugendlichen handle. Die Vorinstanz kommt zum Schluss, dass beim Beschwerdeführer Eventualvorsatz bezüglich eines Fr. 300.- übersteigenden Geldbetrags gegeben war. Dieser Schluss beruht auf Beweiswürdigung, welche im Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde nicht in Frage gestellt werden kann ( Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP ). Ist aber beweismässig davon auszugehen, dass sich der Eventualvorsatz des Beschwerdeführers auf einen Geldbetrag von mehr als Fr. 300.- richtete, so hat die Vorinstanz die Anwendung von Art. 172ter StGB zu Recht abgelehnt. Die Vorinstanz hat weder die rechtlichen Voraussetzungen der Privilegierung nach Art. 172ter StGB noch den Begriff des Eventualvorsatzes verkannt. Einzuräumen ist dem Beschwerdeführer, dass Art. 172ter StGB auch bei einem Taschendiebstahl anwendbar sein kann. Der Vorsatz kann auch hier auf einen geringen Vermögenswert im Sinne dieser Bestimmung gerichtet sein. Das ist beispielsweise der Fall, wenn der Täter beobachtet, wie ein Dritter dem Opfer eine Hundertfrankennote übergibt, und der Täter dem Opfer anschliessend die Note aus der Tasche zieht. Die konkreten Umstände müssen daher auch bei einem Taschendiebstahl geprüft werden. Ob sich der Vorsatz auf einen geringen Vermögenswert richtete, bleibt aber eine Beweisfrage, die im Verfahren der Nichtigkeitsbeschwerde nicht zur Diskussion gestellt werden kann. Die Beschwerde wird in diesem Punkt deshalb abgewiesen.
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Urteilskopf 137 IV 177 25. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft (Beschwerde in Strafsachen) 1B_244/2011 vom 24. Juni 2011
Regeste Art. 5 Abs. 2, Art. 227 und 236 StPO ; Art. 31 Abs. 4 BV ; Art. 5 Ziff. 4 EMRK ; vorzeitiger Strafantritt während eines hängigen Rechtsstreits über eine Haftverlängerung. Ein laufendes Haftverlängerungsverfahren kann gegenstandslos werden, wenn die sich in Untersuchungshaft befindende Person vorzeitig ihre Strafe antritt und das Interesse an der Überprüfung der Haftvoraussetzungen verliert. Ein Verlust des Rechtsschutzinteresses ist jedoch nicht zwingend (E. 2.1). Die Rüge, es führe zu unnötigen und zeitraubenden Weiterungen, wenn nach dem vorzeitigen Strafantritt an Stelle eines hängigen Rechtsstreits über eine Haftverlängerung ein neues Haftentlassungsverfahren angehoben werden müsse, ist im Hinblick auf das Beschleunigungsgebot und das Gebot der Prozessökonomie nicht unbegründet. Voraussetzung für eine beschleunigte und optimierte Verfahrensabwicklung ist allerdings, dass das Bundesgericht bzw. die kantonalen Behörden über die verschiedenen von den Verfahrensbeteiligten unternommenen Schritte bzw. parallel laufenden Verfahren informiert werden (E. 2.2).
Sachverhalt ab Seite 178 BGE 137 IV 177 S. 178 Am 22. März 2011 beantragte die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft beim Zwangsmassnahmengericht Basel-Landschaft die Verlängerung der Untersuchungshaft von X. Am 4. April 2011 stellte X. bei der Staatsanwaltschaft ein Gesuch um Bewilligung des vorzeitigen Strafvollzugs. Am 5. April 2011 verlängerte das Zwangsmassnahmengericht die Untersuchungshaft für die Dauer von acht Wochen bis zum 5. Juni 2011. Am 18. April 2011 erhob X. gegen diesen Entscheid Beschwerde an das Kantonsgericht Basel-Landschaft. Am 20. April 2011 erteilte die Staatsanwaltschaft X. die Bewilligung zum vorzeitigen Strafvollzug, woraufhin er am 3. Mai 2011 in den vorzeitigen Strafvollzug verlegt wurde. Auf die Beschwerde gegen die Verlängerung der Untersuchungshaft trat das Kantonsgericht mit Beschluss vom 10. Mai 2011 nicht ein. Gegen diesen Beschluss gelangt X. mit Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht. Er beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und er aus der Untersuchungshaft bzw. dem vorläufigen Strafvollzug zu entlassen. Eventualiter sei die Angelegenheit zur neuen Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Bundesgericht schreibt die Beschwerde als gegenstandslos ab. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. (...) 2.1 Soll eine Person länger als vom Zwangsmassnahmengericht angeordnet (vgl. Art. 226 Abs. 4 lit. a StPO [SR 312.0]) oder länger als drei Monate in Untersuchungshaft bleiben, hat die Staatsanwaltschaft beim Zwangsmassnahmengericht von Amtes wegen ein Haftverlängerungsgesuch zu stellen ( Art. 227 Abs. 1 StPO ). Das Zwangsmassnahmengericht hat diesfalls in Anwendung von Art. 227 Abs. 2 ff. StPO darüber zu befinden, ob die Voraussetzungen für eine Fortdauer der Untersuchungshaft noch erfüllt sind. Da die BGE 137 IV 177 S. 179 Untersuchungshaft gemäss Art. 220 Abs. 1 StPO mit dem vorzeitigen Antritt einer freiheitsentziehenden Sanktion endet, gelangt Art. 227 StPO nicht (mehr) zur Anwendung, wenn eine sich zuvor in Untersuchungshaft befindende Person vorzeitig ihre Strafe antritt. Ein analoges Verfahren, in welchem das Zwangsmassnahmengericht nach dem vorzeitigen Antritt des Strafvollzugs der beschuldigten Person von Amtes wegen periodisch darüber zu befinden hätte, ob die Haftvoraussetzungen noch erfüllt sind, sieht die Schweizerische Strafprozessordnung nicht vor (vgl. DONATSCH/HANSJAKOB/LIEBER, Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], 2010, N. 4 zu Art. 236 StPO ). Ein allenfalls laufendes Verfahren gemäss Art. 227 StPO kann demzufolge gegenstandslos werden, wenn die sich in Untersuchungshaft befindende Person vorzeitig ihre Strafe antritt und das Interesse an der Überprüfung der Haftvoraussetzungen verliert. Ein Verlust des Rechtsschutzinteresses ist jedoch nicht zwingend. Der Häftling kann weiterhin in erster Linie die Entlassung aus der Haft anstreben und die Strafe vorzeitig antreten, weil er beispielsweise für den Fall des Scheiterns seiner Entlassungsbemühungen das Strafvollzugsregime vorzieht (vgl. zur Haft während der Strafverfolgung und im Strafvollzug BGE 117 Ia 72 E. 1c und d S. 76 ff.). 2.2 Die Untersuchungshaft des Beschwerdeführers endete nach dem Gesagten am 3. Mai 2011 mit dem vorzeitigen Antritt des Strafvollzugs. Damit stellte sich für die Vorinstanz die Frage der Gegenstandslosigkeit des seinerzeit von der Staatsanwaltschaft von Amtes wegen eingeleiteten Verfahrens nach Art. 227 StPO . Das Bundesgericht hat allerdings schon mehrmals Haftentlassungsbegehren materiell beurteilt, auch wenn die rechtliche Basis der Haft im Verlaufe des bei ihm hängigen Beschwerdeverfahrens geändert hatte (Urteil 1B_25/2011 vom 14. März 2011 E. 1.2 [Anordnung von Sicherheitshaft nach Anklageerhebung bei vorbestehender Untersuchungshaft]; Urteil 1B_9/2011 vom 7. Februar 2011 E. 1 [Ablösung einer altrechtlichen Untersuchungshaft durch Sicherheitshaft nach dem erstinstanzlichen Urteil]). Es hat sich bei diesem Vorgehen namentlich von den gesetzes- und verfassungsrechtlichen Vorgaben an das Beschleunigungsgebot ( Art. 5 Abs. 2 StPO , Art. 31 Abs. 4 BV , Art. 5 Ziff. 4 EMRK ) und von prozessökonomischen Überlegungen leiten lassen (vgl. BGE 136 I 274 E. 1.3 S. 276). Insoweit ist die Rüge des Beschwerdeführers, es führe zu unnötigen und zeitraubenden Weiterungen, wenn an Stelle des bereits hängigen Rechtsstreits um Verweigerung der Haftverlängerung ein neues BGE 137 IV 177 S. 180 Haftentlassungsverfahren angehoben werden müsse, nicht unbegründet. Zu beachten ist aber, dass das Bundesgericht bzw. die kantonalen Behörden in den vergleichbaren Fällen über die verschiedenen parallel laufenden Demarchen orientiert und auf dem Laufenden gehalten wurden, was Voraussetzung für eine beschleunigte und optimierte Verfahrensabwicklung ist. Es obliegt grundsätzlich den für die Verfahrensleitung zuständigen Behörden ( Art. 61 StPO ), das Bundesgericht während des hängigen Beschwerdeverfahrens über neue Entscheide wie etwa betreffend den vorzeitigen Strafantritt oder die Weiterführung oder Beendigung der Untersuchungshaft zu informieren. Zudem kann auch vom Beschwerdeführer im bundesgerichtlichen Verfahren erwartet werden, dass er das Bundesgericht über seine Eingaben an die zuständigen Behörden orientiert, soweit sie für die Behandlung der beim Bundesgericht eingereichten Beschwerde relevant sein können.
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2,011
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CH_BGE_006
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Urteilskopf 137 III 614 93. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit civil dans la cause A. contre dame A. et B. (recours en matière civile) 5A_317/2011 du 22 novembre 2011
Regeste Art. 275 und 276 Abs. 1 ZPO , aArt. 137 Abs. 1 und 2 ZGB; Wirkungen vorsorglicher Massnahmen bei Abschluss des Scheidungsprozesses ohne Urteil; Abgrenzung der Zuständigkeiten von Massnahmengericht und Eheschutzgericht. Endet die Rechtshängigkeit der Scheidungsklage, ohne dass ein Urteil ergangen wäre, wirken die zur Regelung des Getrenntlebens angeordneten vorsorglichen Massnahmen so lange weiter, wie die Ehegatten getrennt bleiben und keiner von ihnen beim nunmehr zuständigen Eheschutzgericht die Abänderung verlangt (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 614 BGE 137 III 614 S. 614 A. A.a A., né en 1955, et dame A., née en 1958, se sont mariés le 12 juin 1987 à Genève. De cette union est issue une fille, B., née en 1991. BGE 137 III 614 S. 615 A.b Le 22 avril 2008, A. a déposé une demande unilatérale en divorce devant le Tribunal civil de l'arrondissement de l'Est vaudois. Durant cette procédure, dame A. a requis des mesures provisionnelles. Les parties ont conclu une convention, où A. s'est engagé à verser une contribution mensuelle de 4'250 fr. pour sa famille. Par la suite, A. a déposé une requête de modification de ces mesures, suite à laquelle les parties ont conclu une convention réduisant la contribution précitée à 3'650 fr. B. B.a Le 3 septembre 2010, A. a requis une nouvelle modification des mesures provisionnelles, concluant à ce que la contribution en faveur de sa famille soit réduite à 1'000 fr. par mois. Le Président du Tribunal civil de l'arrondissement de l'Est vaudois a partiellement admis la requête, condamnant A. à contribuer à l'entretien de son épouse et de sa fille majeure B., dès le 1 er septembre 2010, par le versement d'une pension mensuelle de 1'900 fr. B.b Statuant sur appel de dame A., le Juge délégué de la Cour d'appel civile du Tribunal cantonal du canton de Vaud a, par arrêt du 4 avril 2011, réformé l'ordonnance attaquée en ce sens que la requête de modification des mesures provisionnelles formée le 3 septembre 2010 par A. est rejetée. C. Par mémoire posté le 3 mai 2011, A. interjette un recours en matière civile contre cet arrêt. Invitée à déposer ses observations, dame A. a conclu à ce que la cause soit rayée du rôle, faute de litispendance de l'action en divorce, subsidiairement à ce que le recours soit rejeté. (résumé) Erwägungen Extrait des considérants: 3. En premier lieu, il faut examiner si, comme le soutient l'intimée, la cause doit être rayée du rôle, parce que la procédure de divorce devrait, selon elle, l'être prochainement. 3.1 3.1.1 Il ressort du dossier judiciaire que, le 22 avril 2008, le recourant a déposé une requête unilatérale en divorce, concluant notamment à la dissolution du mariage. Dans sa réponse du 28 mai 2008, l'intimée s'est opposée au divorce, soutenant que le délai de deux ans de l' art. 114 CC n'était pas écoulé. Elle a alors demandé que les conclusions prises par le demandeur soient écartées. BGE 137 III 614 S. 616 3.1.2 Dans ses observations du 4 août 2011, l'intimée expose qu'en date du 30 juin 2011, le recourant a passé expédient sur les conclusions qu'elle a prises dans sa réponse à la demande en divorce et qu'il a requis la radiation de la cause du rôle. Elle soutient que la procédure de divorce serait dès lors éteinte et que le recours sur mesures provisionnelles pendant devant le Tribunal fédéral n'aurait plus d'objet, faute de litispendance de la procédure de divorce. Pour sa part, le recourant ne conteste pas son passé-expédient. Il relève néanmoins que, même si la cause de divorce est rayée du rôle, il conserve un intérêt à connaître la quotité de la contribution d'entretien due à sa famille et déclare donc maintenir son recours. 3.2 3.2.1 En principe, les faits et moyens de preuve nouveaux, ainsi que les conclusions nouvelles, ne peuvent pas être présentés dans le recours en matière civile de l' art. 98 LTF (cf. consid. 2 non publié in fine). Comme dans le recours des art. 95-97 LTF , en lien avec l' art. 99 LTF , il y a toutefois des exceptions; il est notamment possible d'invoquer et de prouver des faits nouveaux qui rendent le recours sans objet (BERNARD CORBOZ, in Commentaire de la LTF, 2009, n° 22 ad art. 99 LTF ). 3.2.2 Dès le début de la litispendance, chaque époux peut mettre fin à la vie commune pendant la durée du procès et demander au juge des mesures provisionnelles d'ordonner toutes les mesures nécessaires à l'organisation de la vie séparée (cf. ancien art. 137 al. 1 et 2 CC , correspondant, depuis le 1 er janvier 2011, aux art. 275 et 276 al. 1 CPC ). Avant que l'action en divorce ne soit pendante, c'est le juge des mesures protectrices de l'union conjugale qui est compétent pour le faire. Les mesures protectrices que ce juge a ordonnées déploient encore leurs effets pendant la procédure de divorce, si elles ne sont pas modifiées par des mesures provisionnelles ( ATF 129 III 60 consid. 2; arrêts 5A_182/2007 du 11 juin 2007 consid. 2.1; 5A_183/2010 du 19 avril 2010 consid. 3.3.1). Les compétences respectives du juge des mesures protectrices et du juge des mesures provisionnelles dépendent donc du moment où débute la litispendance de l'action en divorce. En revanche, les effets des mesures protectrices ordonnées pour l'organisation de la vie séparée perdurent au-delà de cette litispendance. Il doit en aller de même dans le cas inverse, soit lorsque des mesures provisionnelles ont été ordonnées alors que l'action en divorce était pendante. Si la litispendance cesse, sans toutefois qu'un jugement de divorce n'ait été rendu, le juge des mesures BGE 137 III 614 S. 617 provisionnelles n'est plus compétent pour modifier ces mesures; seul le juge des mesures protectrices l'est désormais, aux conditions de l' art. 179 al. 1 CC . Néanmoins, les effets des mesures provisionnelles ordonnées pour la durée de la vie séparée perdurent tant que les parties demeurent séparées et que le juge des mesures protectrices ne les a pas modifiées sur requête des parties. 3.3 En l'espèce, même si la procédure de divorce devait être rayée du rôle, suite au passé-expédient du défendeur, les mesures provisionnelles ordonnées alors que cette action était pendante continueraient à déployer leurs effets tant que les époux restent séparés. Il y a donc lieu de statuer sur le recours interjeté.
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Urteilskopf 84 II 459 61. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 2. Dezember 1958 i.S. Lüdemann gegen Bezirk Küssnacht.
Regeste Ausstand von Gerichtsmitgliedern, Art. 22 Abs. 1 lit. b OG . Zuständigkeit zur Beurteilung von Ausstandsbegehren (Erw. 2). Begriff des Handelns in einer anderen Stellung als Mitglied einer richterlichen Behörde (Erw. 3, 4).
Sachverhalt ab Seite 459 BGE 84 II 459 S. 459 A.- In einem Prozess aus dem Gebiete des Sachenrechts hatte das Kantonsgericht Schwyz durch Urteil vom 24. März 1958 eine vom Kläger Lüdemann gegen den Bezirk Küssnacht erhobene Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil reichte Lüdemann Berufung und staatsrechtliche Beschwerde ein. Die II. Zivilabteilung wies beide Rechtsmittel mit Urteilen vom 11. Juli 1958 ab. B.- Gegen das die Berufung abweisende Urteil der II. Zivilabteilung reichte Lüdemann ein Revisionsgesuch ein, zu dessen Begründung er sich u.a. auf Art. 22 Abs. 1 lit. b und Art. 28 OG berief. Das Bundesgericht verneint das Vorliegen dieses Revisionsgrundes mit folgenden Erwägungen Erwägungen: 1. Art. 22 Abs. 1 lit. b OG verbietet einem Mitglied des Bundesgerichtes, sein Amt in einer Angelegenheit auszuüben, in der es schon in einer anderen Stellung, wie z.B. BGE 84 II 459 S. 460 als Mitglied einer administrativen oder richterlichen Behörde, gehandelt hat. Der Revisionskläger macht geltend, diese Bestimmung sei im vorliegenden Falle dadurch verletzt worden, dass vier Mitglieder der II. Zivilabteilung, die schon bei der Behandlung der staatsrechtlichen Beschwerde beteiligt gewesen seien, dann auch noch im Berufungsverfahren geamtet hätten. 2. Es ist vorweg zu prüfen, wer über diesen Teil des Revisionsgesuches zu erkennen hat. Da ein gesetzlicher Ausschliessungsgrund geltend gemacht wird, dürfen gemäss Art. 26 Abs. 1 OG die Mitglieder der II. Zivilabteilung, die in dieser Sache geamtet haben, beim Entscheid über die Begründetheit dieser Rüge nicht mitwirrken. Es drängt sich daher auf, die I. Zivilabteilung, konstituiert als ausserordentliche II. Zivilabteilung, darüber erkennen zu lassen, ob eine Verletzung des Art. 22 Abs. 1 lit. b OG vorliege. Der Revisionskläger glaubt zwar, diese Beurteilung sei Sache des Gesamtgerichtes. Er beruft sich auf Art. 11 Abs. 1 lit. b OG , wonach die Erledigung von Angelegenheiten, welche die Organisation oder die Verwaltung des Gerichts betreffen, dem Gesamtgericht vorbehalten bleibt. Bei weitherziger Auslegung dieser Bestimmung lässt sich zur Not die Auffassung vertreten, man habe es im vorliegenden Fall mit einer Frage der Organisation des Gerichtes zu tun. Denn letzten Endes geht es um die Zulässigkeit der Ordnung, wie sie in Art. 2 Ziff. 1 Abs. 2 des Bundesgerichtsreglementes vom 21. Oktober 1944 vorgesehen ist: "Wird neben einer Berufung ( Art. 43 ff. OG ) oder einer Nichtigkeitsbeschwerde in Zivil- oder Strafsachen ( Art. 68 ff. OG , Art. 268 ff. BStP ) auf die einzutreten ist, in gleicher Sache eine staatsrechtliche Beschwerde ergriffen wegen Verstössen im Beweisverfahren hinsichtlich Tatsachen, die mit dem Zivil- bzw. Strafverfahren im Zusammenhang stehen, so wird sie ebenfalls durch die betreffende Zivilabteilung bzw. den Kassationshof beurteilt." Es kann aber natürlich nicht der Sinn des Art. 11 Abs. 1 lit. b OG sein, dass das Bundesgericht als Gesamtgericht BGE 84 II 459 S. 461 einen konkreten Fall, in welchem ein bundesrechtliches Rechtsmittel ergriffen worden ist, zu beurteilen habe. 3. Zur Begründung des Standpunktes, Art. 2 Ziff. 1 Abs. 2 des Bundesgerichtsreglementes sei unzulässig, macht der Revisionskläger geltend, im OG von 1874 habe die dem heutigen Art. 22 Abs. 1 lit b entsprechende Bestimmung den folgenden Wortlaut gehabt: "Ein Bundesrichter ... darf das Richteramt nicht ausüben ... in einer Angelegenheit, mit Beziehung auf welche er bereits in einer andern Abteilung des Bundesgerichtes ... gehandelt hat." Wenn eine Abteilung des Gerichtes diesem Verbot aus dem Wege gehen wollte, indem sie sich selber als "andere Abteilung" konstituierte, so würde das nach der Auffassung des Revisionsklägers einer Umgehung des Gesetzes gleichkommen. Im Laufe der verschiedenen Revisionen des OG habe sich der Wortlaut der Bestimmung allerdings etwas geändert. Die Meinung des Gesetzgebers sei aber die gleiche geblieben, was schon daraus hervorgehe, dass der Bundesrat in seinen Botschaften für die Umformulierung gar keine weiteren Erläuterungen als nötig erachtet, diese also als rein redaktioneller Art angesehen habe (BBl 1892 II 291, 1943 I 111). Das OG von 1874 enthielt jedoch in Wirklichkeit eine Bestimmung des vom Revisionskläger behaupteten Wortlauts nicht. Lediglich der bundesrätliche Entwurf hatte in Art. 14 eine derartige Ordnung vorgesehen (BBl 1874 I S. 1086). Diese wurde dann aber nicht Gesetz, sondern dieses wies in Art. 16 Ziff. 3 eine im wesentlichen dem heutigen Recht entsprechende Bestimmung auf (AS nF 1 S. 140). Dagegen wurde im Abschnitt über die Strafrechtspflege des OG von 1874 (und mithin auf diese beschränkt) als Art. 34 Abs. 2 die Bestimmung aufgestellt, kein Richter könne in einer und derselben Sache in mehreren Abteilungen des Bundesgerichtes sitzen. Allein diese Bestimmung ist inzwischen auf die in den Art. 1 Abs. 1 Ziff. 4 und Art. 2 Abs. 4 BStP enthaltenen Verbote zusammengeschmolzen, wonach kein Mitglied der Anklagekammer BGE 84 II 459 S. 462 dem Bundesstrafgericht und kein Mitglied der Anklagekammer und des Bundesstrafgerichts dem ausserordentlichen Kassationshof angehören darf. Auf die historische Entwicklung kann sich der Revisionskläger zur Begründung seiner Auffassung somit nicht berufen. 4. Was sodann die Auslegung des Art. 22 Abs. 1 lit. b OG anbelangt, so hat diese Gesetzesbestimmung, soweit sie von einer früheren richterlichen Tätigkeit eines Bundesrichters spricht, von vorneherein nur die Fälle im Auge, in denen ein Mitglied des Bundesgerichts zuvor schon in anderer Stellung als der eines Bundesrichters gehandelt hat. Sie wird ergänzt durch verschiedene abschliessende Gesetzesbestimmungen, die ausdrücklich festlegen, in welchen Fällen ein Bundesrichter wegen seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Abteilung nicht in einer andern Abteilung amten darf (BStP Art. 1 Abs. 1 Ziff. 4, Art. 2 Abs. 4; vgl. oben Erw. 3). Dazu kommt noch die Bestimmung des Art. 26 Abs. 1 OG über den Ausschluss eines Richters, wenn zur Entscheidung steht, ob in seiner Person ein Ausstandsgrund verwirklicht sei. Darüber hinaus kennt das Gesetz keine Verbote der Mitwirrkung in verschiedenen Abteilungen. Deshalb ist denn auch in ständiger Rechtsprechung immer angenommen worden, eine bundesgerichtliche Abteilung dürfe im Revisionsverfahren nach Massgabe der Art. 136 ff. OG ihre eigene Rechtsmittelinstanz sein. Der Gesetzgeber traut dem Bundesrichter hier eben zu, dass er sogar seinen eigenen Entscheidungen gegenüber völlig objektiv bleibe und gegebenenfalls z.B. ein offensichtliches Versehen im Sinne von Art. 136 lit. d OG zugebe und korrigiere. Um so eher muss natürlich eine Gerichtsabteilung zuständig sein, zwei gegen dasselbe kantonale Urteil ergriffene eidgenössische Rechtsmittel zu beurteilen. Denn hier sind ja Konflikte, wie sie bei der Beurteilung eines Revisionsgesuchs gegen das Urteil der eigenen Abteilung allenfalls noch denkbar sein mögen, von vorneherein ausgeschlossen. Es treten lediglich BGE 84 II 459 S. 463 neben Anfechtungsgründe, die durch das eine Rechtsmittel geltend zu machen sind, noch weitere hinzu, die durch das andere gerügt werden müssen. Es wäre daher an sich sogar denkbar, dass der Gesetzgeber die Ausfällung eines einzigen bundesgerichtlichen Entscheides vorsehen könnte, was er offensichtlich nur aus äusserlichen Ordnungsgründen nicht getan hat. Davon, dass ein Bundesrichter, der bei der Beurteilung einer staatsrechtlichen Beschwerde mitgewirkt hat, deshalb auch nur im geringsten Masse bei der anschliessenden Beurteilung einer Berufung als befangen zu erscheinen vermöchte, kann ernsthaft gar nicht die Rede sein. Die Ordnung gemäss Art. 2 Ziff. 1 Abs. 2 des Bundesgerichtsreglementes verstösst somit in keiner Weise gegen das Gesetz.
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1,958
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005e5571-57e8-49fa-ac8f-07a588a97d50
Urteilskopf 137 III 27 5. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause A. SA et consorts contre Syndicat X. (recours en matière civile) 4A_449/2010 du 2 décembre 2010
Regeste Massenentlassung; vom Verfahren der obligatorischen Konsultation der Arbeitnehmervertretung betroffene Betriebseinheit ( Art. 335d ff. OR ). Unternehmen, die weniger als 21 Arbeitnehmer beschäftigen, unterstehen den Regeln betreffend Massenentlassungen nicht. Gehören mehrere Betriebe zu demselben Unternehmen, bestimmt sich für jeden Betrieb gesondert, ob eine Massenentlassung vorliegt; allfällige Ausnahmen (E. 3.2)? Bei einer Gruppe von Gesellschaften ist für jedes Mitglied der Unternehmensgruppe gesondert zu prüfen, ob eine Massenentlassung gegeben ist; die Anzahl oder der Prozentsatz der Kündigungen berechnet sich nicht auf der Grundlage der Unternehmensgruppe. Die für die Anwendung von Art. 335f OR massgebende Definition der Massenentlassung bestimmt sich ausschliesslich nach Bundesrecht (E. 3.3).
Sachverhalt ab Seite 27 BGE 137 III 27 S. 27 A. Le groupe G. est constitué des sociétés anonymes A., B., C., D., E. et F. En avril 2009, lors d'une réunion à laquelle participaient notamment des représentants du syndicat X., il a été annoncé une réduction du BGE 137 III 27 S. 28 personnel touchant 80 collaborateurs chez A. SA et 12 employés chez D. SA. Une procédure de consultation en cas de licenciement collectif a été engagée. Fin avril 2009, le groupe G. a transmis à l'Office cantonal de l'emploi deux listes comprenant les noms des personnes licenciées, ainsi qu'une synthèse de la procédure de consultation. Selon ce dernier document, 26 personnes, parmi les personnels de A. SA et de D. SA, ont posé des questions ou soumis des propositions pendant la procédure de consultation. Parallèlement, les lettres de congé ont été envoyées aux 92 collaborateurs concernés. Environ un mois plus tard, le syndicat a été informé qu'une deuxième vague de licenciements, concernant 200 employés du groupe, était envisagée. Une nouvelle procédure de consultation a eu lieu. Le courrier du 4 juin 2009, adressé à tous les collaborateurs du groupe, décomposait ainsi les licenciements prévus: - A. SA: 113 employés sur 135 - B. SA: 22 employés sur 26 - C. SA: 10 employés sur 27 - D. SA: 19 employés sur 41 - E. SA: 4 employés sur 6 - F. SA: 10 employés sur 15. En définitive, les licenciements ont touché 152 collaborateurs, et non 200 comme envisagé initialement. Les lettres de congé ont été reçues le 18 juin 2009. Selon le résultat de la procédure de consultation remis aux employés licenciés, cinq propositions ont été adressées aux entreprises du groupe; elles portaient soit sur l'instauration du chômage partiel, soit sur une réduction du temps de travail. B. Par acte du 6 juillet 2009, le syndicat X. a assigné toutes les sociétés du groupe G. devant la Chambre des relations collectives de travail du canton de Genève. L'action tendait à faire constater que les défenderesses n'avaient pas respecté la procédure de consultation prévue par l' art. 335f CO lors des licenciements collectifs signifiés en avril et juin 2009. Par décision du 15 juin 2010, l'autorité cantonale a admis partiellement la requête et constaté que les sociétés défenderesses n'avaient pas respecté toutes les exigences de l' art. 335f CO . BGE 137 III 27 S. 29 C. A. SA, B. SA, C. SA, D. SA, E. SA et F. SA (les recourantes) ont interjeté un recours en matière civile. Elle demandaient principalement que l'action en constatation de droit déposée par le syndicat X. soit déclarée irrecevable. A titre subsidiaire, elles concluaient au rejet de l'action en constatation de droit. Plus subsidiairement, elles demandaient que l'action fût rejetée en tant qu'elle était dirigée contre E. SA et F. SA. Le syndicat X. (l'intimé) a proposé le rejet du recours dans la mesure où il était recevable. Le Tribunal fédéral a admis le recours en tant qu'il était formé par E. SA et F. SA. (résumé) Erwägungen Extrait des considérants: 3. 3.1 Selon les recourantes, la cour cantonale a violé le principe de la légalité ( art. 5 Cst. ) et versé dans l'arbitraire ( art. 9 Cst. ) en jugeant que les licenciements signifiés par E. SA et F. SA étaient des licenciements collectifs. Elles contestent en particulier l'application de la législation genevoise pour définir la notion de licenciement collectif et font valoir que les deux sociétés susmentionnées ne remplissent pas l'une des conditions posées par l' art. 335d CO , ce que la Chambre des relations collectives de travail a du reste admis. 3.2 Fondée sur l'art. 15 al. 2 de la loi fédérale du 17 décembre 1993 sur l'information et la consultation des travailleurs dans les entreprises (loi sur la participation; RS 822.14), l'action introduite par l'intimé tend à faire constater la violation de l' art. 335f CO par les recourantes. Les droits de participation invoqués par l'intimé sont ceux précisés à l' art. 10 let . c de la loi sur la participation, soit les droits accordés lors de licenciements collectifs au sens des art. 335d à 335g CO. L' art. 335d CO définit le licenciement collectif comme les congés donnés dans une entreprise par l'employeur dans un délai de 30 jours pour des motifs non inhérents à la personne du travailleur et dont le nombre doit atteindre un minimum ou un pourcentage minimal; selon le ch. 1 de cette disposition, le nombre de licenciements doit être au moins égal à 10 dans les établissements employant habituellement plus de 20 et moins de 100 travailleurs. Selon la doctrine majoritaire, les art. 335d ss CO ne s'appliquent qu'aux entreprises occupant plus de 20 collaborateurs (DUC/SUBILIA, Droit du travail - Eléments de droit BGE 137 III 27 S. 30 suisse, 2010, n° 3 ad art. 335d CO p. 532; RÉMY WYLER, Droit du travail, 2 e éd. 2008, p. 469; STREIFF/VON KAENEL, Arbeitsvertrag, 6 e éd. 2006, n° 7 ad art. 335d CO p. 635; ROLAND A. MÜLLER, Die Arbeitnehmervertretung, 1999, p. 287; contra: BRUNNER/BÜHLER/WAEBER/BRUCHEZ, Commentaire du contrat de travail, 3 e éd. 2004, p. 241). Ces derniers auteurs font remarquer que la loi ne dit rien des entreprises occupant moins de 21 travailleurs. Rien n'autorise toutefois à penser qu'il ne s'agit pas là d'un silence qualifié. Il faut rappeler à cet égard que la réglementation relative aux licenciements collectifs a été introduite afin de rapprocher le droit suisse de l'acquis communautaire, dont la Directive 75/129/CEE du 17 février 1975 (JO L 48 du 17 [recte: 22] février 1975 p. 29). Cette directive prévoyait, comme critère objectif permettant de définir le licenciement collectif, qu'un nombre minimum de congés fussent donnés pendant une période déterminée. Les États membres avaient le choix entre deux options. La première correspond à l' art. 335d CO adopté par le législateur suisse; elle contient un critère relatif. Selon la seconde possibilité, il y a licenciement collectif lorsque, indépendamment du nombre de travailleurs habituellement employés dans l'établissement concerné, au moins 20 congés sont signifiés dans une période de 90 jours; le critère retenu est donc absolu (cf. Message I du 27 mai 1992 sur l'adaptation du droit fédéral au droit de l'EEE, FF 1992 V 398 ch. 4.1). La seconde option suppose nécessairement que les licenciements intervienent dans une entreprise occupant au moins 20 personnes. Le Conseil fédéral avait proposé cette variante-là (FF 1992 V 402 ch. 4.3.2), mais c'est finalement la première option qui a été adoptée. Il n'apparaît pas que cette divergence soit liée à une volonté de réduire la taille minimale de l'entreprise affectée par le licenciement collectif. Du reste, il n'est pas non plus établi qu'en offrant une alternative, la directive européenne entendait faire une distinction à propos de la dimension de l'entreprise soumise à la procédure applicable en matière de licenciement collectif. Il s'ensuit que la volonté du législateur était bien de ne pas soumettre aux art. 335d ss CO les entreprises de moins de 21 personnes. Quant à l'entité susceptible d'être concernée par un licenciement collectif, il s'agit, selon les termes de l'art. 335d ch. 1 à 3 CO, de l'établissement ( Betrieb ). Selon la doctrine, il faut entendre par là une structure organisée, dotée en personnel, en moyens matériels et immatériels qui permettent d'accomplir les objectifs de travail (WYLER, op. cit., p. 471; STREIFF/VON KAENEL, op. cit., n° 8 ad art. 335d CO p. 635; BGE 137 III 27 S. 31 ADRIAN STAEHELIN, Zürcher Kommentar, 3 e éd. 1996, n° 3 ad art. 335d CO ). Lorsqu'un employeur possède plusieurs établissements qui font partie de la même entreprise, l'existence d'un éventuel licenciement collectif se détermine dans chaque établissement, et non pas au niveau de l'entreprise (WYLER, op. cit., p. 471; BRUNNER/BÜHLER/WAEBER/BRUCHEZ, op. cit., p. 241; STAEHELIN, op. cit., n° 3 ad art. 335d CO ; FF 1992 V 403 ch. 4.3.2). Certains auteurs voudraient déroger à cette règle lorsque les établissements sont proches au point de constituer un seul lieu d'exploitation (GABRIEL AUBERT, in Commentaire romand, Code des obligations, vol. I, 2003, n° 9 ad art. 335d CO ; BRUNNER/BÜHLER/WAEBER/BRUCHEZ, op. cit., p. 241). 3.3 En l'espèce, les recourantes E. SA et F. SA comptaient 6, respectivement 15 employés au moment des licenciements. La cour cantonale a constaté que ni l'une ni l'autre de ces sociétés ne remplissaient l'une des conditions de l' art. 335d CO , soit un effectif d'au moins 21 travailleurs. Elle a jugé néanmoins qu'il y avait bien licenciement collectif également dans ces deux sociétés, d'une part, parce que la seconde vague de licenciements avait touché, dans les six sociétés recourantes, 152 employés sur 428 et, d'autre part, parce que, même si on considérait les sociétés séparément, les congés donnés correspondaient à un différend collectif au sens de l'art. 2 du règlement d'application du 7 juillet 1999 de la loi genevoise concernant la Chambre des relations collectives de travail (RCRCT; RSG J 1 15.01). Les recourantes forment le groupe G., mais chacune d'elles est organisée sous forme de société anonyme et est l'employeur de ses propres collaborateurs. Même si l'on voulait prendre en compte la proximité géographique entre ces sociétés, elles ne sont pas pour autant les établissements d'une même entreprise, mais constituent chacune une entreprise. Dans ces conditions, il n'est pas possible de prendre le groupe comme base sur laquelle sera compté le nombre ou la proportion de licenciements. Chaque entité juridique doit être considérée pour elle-même. Le raisonnement de la cour cantonale sur ce point n'est pas conforme au droit fédéral. Il reste à examiner si la Chambre des relations collectives de travail pouvait admettre qu'il y avait eu tout de même licenciement collectif chez les recourantes E. SA et F. SA en se fondant sur une notion de droit cantonal. Les art. 335d ss CO , entrés en vigueur le 1 er mai 1994 en même temps que la loi sur la participation, ne laissent pas de compétences aux BGE 137 III 27 S. 32 cantons pour définir le licenciement collectif déterminant pour l'application de l' art. 335f CO (cf. GABRIEL AUBERT, Licenciements collectifs et transferts d'entreprises, in Journée 1994 de droit du travail et de la sécurité sociale, 1995, p. 91 s.). En vertu de la primauté du droit fédéral ( art. 49 al. 1 Cst. ), les juges cantonaux ne pouvaient donc pas se référer à l'art. 2 RCRCT pour juger que les congés signifiés chez E. SA et F. SA étaient des licenciements collectifs, comme l'intimé le reconnaît du reste. Sur le vu de ce qui précède, la cour cantonale a violé le droit fédéral en admettant que les recourantes E. SA et F. SA n'avaient pas respecté toutes les exigences de l' art. 335f CO , disposition à laquelle ces deux sociétés n'étaient pas soumises.
null
nan
fr
2,010
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
005e562a-0967-46f5-a350-4487e4e5c363
Urteilskopf 139 V 547 73. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. D. gegen IV-Stelle Schwyz (Beschwerde in öffentlich- rechtlichen Angelegenheiten) 8C_972/2012 vom 31. Oktober 2013
Regeste Lit. a Abs. 1 der am 1. Januar 2012 in Kraft getretenen Schlussbestimmungen der Änderung vom 18. März 2011 des IVG (6. IV-Revision, erstes Massnahmenpaket); Überprüfung der Renten, die bei pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen Beschwerdebildern ohne nachweisbare organische Grundlage gesprochen wurden. Lit. a Abs. 1 der am 1. Januar 2012 in Kraft getretenen Schlussbestimmungen der Änderung vom 18. März 2011 des IVG ("Renten, die bei pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen Beschwerdebildern ohne nachweisbare organische Grundlage gesprochen wurden, werden innerhalb von drei Jahren nach Inkrafttreten dieser Änderung überprüft. Sind die Voraussetzungen nach Artikel 7 ATSG nicht erfüllt, so wird die Rente herabgesetzt oder aufgehoben, auch wenn die Voraussetzungen von Artikel 17 Absatz 1 ATSG nicht erfüllt sind") ist verfassungs- und EMRK-konform (E. 2-10.2).
Sachverhalt ab Seite 548 BGE 139 V 547 S. 548 A. A.a D., geb. 1959, erlitt anlässlich eines Auffahrunfalles im Jahre 1996 ein Distorsionstrauma der Halswirbelsäule (HWS). Namentlich gestützt auf ein Gutachten des Dr. med. K., Facharzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 18. Mai 1999 bezog sie in der Folge vom 1. November 1997 bis 31. Januar 1998 eine ganze und ab dem 1. Februar 1998 eine halbe Rente der Invalidenversicherung (Verfügung der IV-Stelle Luzern vom 26. August 1999). Dieser Anspruch wurde am 30. September 2003 durch die nunmehr zuständige IV-Stelle Schwyz (nachfolgend: IV-Stelle) verfügungsweise bestätigt. Mit Verfügung vom 25. Februar 2010 stellte sie die Rentenleistungen auf der Basis einer interdisziplinären Expertise der Medizinischen Abklärungsstelle (MEDAS) vom 11. November 2009 nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens auf Ende März 2010 ein. Eine dagegen erhobene Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz gut und verpflichtete die IV-Stelle, D. weiterhin eine halbe Rente auszurichten (rechtskräftiger Entscheid vom 27. September 2010). A.b Am 30. November 2011 leitete die Verwaltung ein Revisionsverfahren ein und hob die bisherige Rente unter Hinweis auf lit. a Abs. 1 der per 1. Januar 2012 in Kraft getretenen Schlussbestimmungen der Änderung vom 18. März 2011 des IVG (6. IV-Revision, erstes Massnahmenpaket [AS 2011 5659; BBl 2011 2723 und 2010 1817]; nachfolgend: SchlBest. IVG) mit Verfügung vom 16. Mai 2012 auf Ende Juni 2012 auf. B. Die hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz mit Entscheid vom 16. Oktober 2012 ab. C. D. lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, es sei ihr über Ende Juni 2012 hinaus eine halbe Rente zu gewähren. Eventualiter sei ein psychiatrisches Gutachten einzuholen, welches auf die Schwere des Schmerzleidens und die sog. "Foerster-Kriterien" Bezug nehme. BGE 139 V 547 S. 549 Die Vorinstanz verzichtet auf eine Antragstellung, während die IV-Stelle auf Abweisung der Beschwerde schliesst. Im Rahmen der Replik hält D. an ihren Rechtsbegehren fest und reicht ein von Prof. Dr. iur. Jörg Paul Müller und Dr. iur. Matthias Kradolfer verfasstes Rechtsgutachten vom 20. November 2012 "zur Rechtslage betreffend Zusprache von IV-Renten in Fällen andauernder somatoformer Schmerzstörungen und ähnlicher Krankheiten unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichts bis Herbst 2012 und der Bundesgesetzgebung im Rahmen der 5. und 6. IV-Revision" (nachfolgend: Gutachten Müller/Kradolfer) ein. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) äussert sich dazu. D. lässt sich ihrerseits zu den Vorbringen des BSV vernehmen. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz die Aufhebung der seit 1. Februar 1998 ausgerichteten halben Invalidenrente per Ende Juni 2012 zu Recht bestätigt hat. 2.1 Die Beschwerdegegnerin stützt ihre Renteneinstellung einzig auf lit. a Abs. 1 SchlBest. IVG, gültig seit 1. Januar 2012, ab. Danach werden Renten, die bei pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen Beschwerdebildern ohne nachweisbare organische Grundlage (nachfolgend: unklare Beschwerden) gesprochen wurden, innerhalb von drei Jahren nach Inkrafttreten dieser Änderung überprüft. Sind die Voraussetzungen nach Art. 7 ATSG (SR 830.1) nicht erfüllt, so wird die Rente herabgesetzt oder aufgehoben, auch wenn die Voraussetzungen von Art. 17 Abs. 1 ATSG nicht erfüllt sind. Abs. 4 der Bestimmung präzisiert, dass Abs. 1 keine Anwendung findet auf Personen, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderung das 55. Altersjahr zurückgelegt haben oder im Zeitpunkt, in dem die Überprüfung eingeleitet wird, seit mehr als 15 Jahren eine Rente der Invalidenversicherung beziehen. 2.2 Im Rahmen des mit Entscheid vom 27. September 2010 rechtskräftig beurteilten Revisionsverfahrens hatte das kantonale Gericht erwogen, der Gesundheitszustand der Versicherten habe sich seit Erlass der rentengewährenden Verfügung vom 26. August 1999 nicht in erheblicher, eine Aufhebung der bisherigen halben Rente rechtfertigenden Weise verändert. Die Rentenleistungen seien folglich weiterhin zu erbringen. Im betreffenden Verfahren wie auch im hier BGE 139 V 547 S. 550 angefochtenen Entscheid war festgestellt worden, dass der strittigen Rente kein nachweisbarer organischer Befund zu Grunde gelegen hatte. Die Zusprache der Leistungen war vielmehr gestützt auf die Ausführungen des Psychiaters Dr. med. K. vom 18. Mai 1999 erfolgt, wonach die Beschwerdeführerin als Folge eines Auffahrunfalles vom 13. November 1996 unter einer somatoformen Schmerzstörung, einer leichten neuropsychologischen Funktionsstörung und einer leichten neurotischen Persönlichkeitsstörung leide. Dieses Beschwerdebild gehört rechtsprechungsgemäss - wie auch Fibromyalgien, dissoziative Sensibilitäts- und Empfindungsstörungen, Chronic Fatigue Syndrome (CFS; chronisches Müdigkeitssyndrom), Neurasthenie, dissoziative Bewegungsstörungen, nichtorganische Hypersomnie, leichte Persönlichkeitsveränderung bei chronischem Schmerzsyndrom sowie spezifische und unfalladäquate HWS-Verletzungen (Schleudertrauma) ohne organisch nachweisbare Funktionsausfälle (siehe dazu im Detail BGE 137 V 64 E. 4.2 S. 68 mit Hinweisen; Urteile 8C_167/2012 vom 15. Juni 2012 E. 6 und 9C_776/2010 vom 20. Dezember 2011 E. 2.2 in fine, in: SVR 2012 IV Nr. 32 S. 127; ferner Rz. 1002 des Kreisschreibens des BSV über die Schlussbestimmungen der Änderung vom 18. März 2011 des IVG [KSSB], gültig ab 1. März 2013 http://www.bsv.admin.ch/vollzug/documents/view/3936/lang:deu/category:34 ) - zu den hievor genannten unklaren Beschwerden. Mit der Vorinstanz ist daher davon auszugehen, dass die Voraussetzungen für eine Rentenüberprüfung nach Massgabe der SchlBest. IVG grundsätzlich gegeben sind. 3. 3.1 Die Versicherte bringt hiegegen im Wesentlichen vor, die Rentenaufhebung auf Grund der 6. IV-Revision bei unklaren Beschwerden verstosse gegen verfassungsmässige Rechte sowie gegen das Fairnessgebot und das Diskriminierungsverbot nach Art. 6 und 14 EMRK . 3.2 Das Bundesgericht hatte sich bereits vor Inkrafttreten der SchlBest. IVG mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die bei unklaren Beschwerden geforderte Zumutbarkeitsprüfung nach BGE 130 V 352 Personen mit psychosomatischen Krankheitsbildern gegenüber solchen mit (rein) körperlichen Leiden benachteilige. 3.2.1 Der Vorwurf im damaligen Verfahren 9C_776/2010 (Urteil vom 20. Dezember 2011, in: SVR 2012 IV Nr. 32 S. 127; vgl. auch die Urteile 8C_167/2012 vom 15. Juni 2012 E. 6.2 in fine; 9C_936/2011 BGE 139 V 547 S. 551 vom 21. März 2012 E. 2.2; 9C_736/2011 vom 7. Februar 2012 E. 2.2 und 8C_420/2011 vom 26. September 2011 E. 2.4) lautete, dass bei bestimmten Diagnosen die Frage nach der invalidisierenden Wirkung eines Gesundheitsschadens anhand besonderer Regeln beantwortet werde, ohne dass eine derartige Ungleichbehandlung zu rechtfertigen sei (E. 2.3.1). Es hielt diesem Vorbringen entgegen (E. 2.3.2), dass von einer Normauslegung im Bereich der Invalidenversicherung naturgemäss stets gesundheitlich beeinträchtigte Personen betroffen seien. Fehle es mithin an einer - allein an die Zugehörigkeit zu einer verletzlichen Personengruppe anknüpfenden - Ungleichbehandlung, so handle es sich von vornherein nicht um ein Problem der Diskriminierung (im Sinne von Art. 8 Abs. 2 BV sowie Art. 14 in Verbindung mit Art. 6 EMRK ). 3.2.2 Auf den Einwand, in der ständigen Rechtsprechung zu den unklaren Beschwerden sei zudem eine indirekte Diskriminierung von versicherten Personen zu sehen, die auf Grund ihrer Herkunft, ihres Geschlechts oder ihrer Lebensgeschichte besonderen, krankheitsbegünstigenden Belastungen ausgesetzt gewesen seien und deshalb ein erhöhtes Risiko hätten, etwa an einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung zu erkranken, erwiderte es gleichenorts das Folgende (E. 2.3.3): "Die Beschwerdeführerin weist an sich zu Recht darauf hin, dass soziale und andere an die versicherte Person gebundene Faktoren an der Entstehung von Gesundheitsbeeinträchtigungen beteiligt sein können (vgl. dazu GAEBEL/ZIELASEK, in: Psychiatrie, Psychosomatik, Psychotherapie, Bd. 1, Möller/Laux/Kapfhammer [Hrsg.], 2011, S. 99 f.). Der für Rentenleistungen der Invalidenversicherung geltende enge Begriff des Gesundheitsschadens klammert Wechselwirkungen von Psyche, Soma und sozialem Umfeld denn auch nur soweit aus, als es darum geht, die für die Einschätzung der Arbeitsunfähigkeit kausalen versicherten Faktoren zu umschreiben. Soweit ein verselbständigter Gesundheitsschaden im Rechtssinne gegeben ist (vgl. BGE 127 V 294 E. 5a S. 299), ist für dessen Anspruchserheblichkeit nicht bedeutsam, ob soziale Umstände bei seiner Entstehung eine massgebende Rolle spielten. Kein verselbständigter Gesundheitsschaden liegt jedenfalls dann vor, wenn durch soziale Umstände verursachte psychische Störungen wieder verschwinden, wenn die Belastungsfaktoren wegfallen (SVR 2008 IV Nr. 62 S. 203, 9C_830/2007 E. 4.2). Die erwähnten Elemente fliessen auch in die Folgenabschätzung ein: Die funktionelle, letztlich erwerbsbezogene Auswirkung eines Gesundheitsschadens wird auch anhand der individuellen Eigenschaften der versicherten Person bestimmt (vgl. BRUNNER/BIRKHÄUSER, Somatoforme Schmerzstörung - Gedanken zur Rechtsprechung und deren Folgen für die Praxis, insbesondere mit Blick auf die Rentenrevision, BJM 2007 BGE 139 V 547 S. 552 S. 181 ff.). Psychosoziale und soziokulturelle Faktoren sind also mittelbar invaliditätsbegründend, wenn und soweit sie den Wirkungsgrad der - unabhängig von den invaliditätsfremden Elementen bestehenden - Folgen des Gesundheitsschadens beeinflussen (vgl. BGE 127 V 294 E. 5a S. 299; SVR 2008 IV Nr. 15 S. 43, I 514/06 E. 2.2.2.2; THOMAS LOCHER, Die invaliditätsfremden Faktoren in der rechtlichen Anerkennung von Arbeitsunfähigkeit und Invalidität, in: Schmerz und Arbeitsunfähigkeit, Schaffhauser/Schlauri [Hrsg.], 2003, S. 253; vgl. aus medizinischer Sicht JÖRG JEGER, Wer bemisst invaliditätsfremde [soziokulturelle und psychosoziale] Ursachen der Arbeitsunfähigkeit - der Arzt oder der Jurist?, in: Sozialversicherungsrechtstagung 2008, Schaffhauser/Schlauri [Hrsg.], 2009, S. 166 ff.). Die Rechtsprechung gemäss BGE 130 V 352 wahrt diese Vorgaben durchaus. Somit ist auch die Rüge der Beschwerdeführerin unbegründet, die Voraussetzungen für die Annahme einer invalidisierenden Wirkung pathogenetisch-ätiologisch unklarer syndromaler Beschwerdebilder führten zu einer indirekten Diskriminierung im eingangs umschriebenen Sinn. Im Gegenteil leisten die - sofern sachgemäss und differenziert gehandhabten - Kriterien gerade Gewähr dafür, dass Faktoren, welche die Kompensation der gesundheitlichen Einschränkung erschweren, bei der Einschätzung der Arbeits(un)fähigkeit rechtsgleich berücksichtigt werden." 3.2.3 Schliesslich hatte die Beschwerdeführerin mit Bezug auf den Kriterienkatalog gemäss BGE 130 V 352 (E. 2.2.3 S. 353 ff. [sog. "Foerster-Kriterien"]) dannzumal geltend gemacht, dieser finde in der Medizin keine ausreichende Grundlage. Die verwendeten Kriterien seien wissenschaftlich nicht validiert. Das Bundesgericht erwog dazu (E. 2.4): "Die kritisierte Praxis gibt den begutachtenden Fachpersonen und den Organen der Rechtsanwendung auf, die Arbeitsfähigkeit im Einzelfall mit Blick auf bestimmte Kriterien zu prüfen, um damit eine einheitliche und rechtsgleiche Einschätzung der Arbeitsfähigkeit zu gewährleisten ( BGE 135 V 201 E. 7.1.3 S. 213). Die Gesamtheit der ursprünglich als fachpsychiatrische Prognosekriterien formulierten Gesichtspunkte (vgl. BGE 135 V 201 E. 7.1.2 S. 212; KLAUS FOERSTER, Begutachtung und Erwerbsfähigkeit bei Patienten mit psychogenen Störungen, SZS 1996 S. 486 ff., 498) ist zu einem rechtlichen Anforderungsprofil verselbständigt worden. Mit diesem soll sichergestellt werden, dass die gesetzlichen Vorgaben zur Feststellung eines rechtserheblichen Gesundheitsschadens und von dessen anrechenbaren Folgen für die Leistungsfähigkeit erfüllt sind (vgl. THOMAS GÄCHTER, Die Zumutbarkeit und der sozialversicherungsrechtliche Beweis, in: Was darf dem erkrankten oder verunfallten Menschen zugemutet werden?, Murer [Hrsg.], 2008, S. 253 f.). Dementsprechend schlagen sich Neuformulierungen von Kriterienkatalogen in der medizinischen Fachliteratur nicht unmittelbar in den für diese Gruppe von Leiden geschaffenen Beurteilungselementen nieder (Urteil 8C_420/2011 vom 26. September 2011 E. 2.4). Die einzelnen Kriterien orientieren sich zwar BGE 139 V 547 S. 553 an medizinischen Erkenntnissen. Eine direkte Anbindung besteht aber nicht, weshalb sich die Frage der Validierung hier nicht stellt. Davon abgesehen bestehen in der Schweiz nur verfahrensmässige Leitlinien (der Schweizerischen Gesellschaft für Versicherungspsychiatrie für die Begutachtung psychischer Störungen [Schweizerische Ärztezeitung, SAeZ 2004 S. 1048 ff.] sowie für die Begutachtung rheumatologischer Krankheiten und Unfallfolgen [der Schweizerischen Gesellschaft für Rheumatologie; SAeZ 2007 S. 736 ff.]), jedoch (noch) kein von involvierten Fachverbänden getragener, breit abgestützter materieller Grundkonsens in solchen Fragen, dies im Unterschied etwa zu Deutschland (vgl. Leitlinie für die Begutachtung von Schmerzen der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften [AWMF], 2005-07, www.awmf.org ; JÖRG JEGER, Die Entwicklung der "Foerster-Kriterien" und ihre Übernahme in die bundesgerichtliche Rechtsprechung: Geschichte einer Evidenz, Jusletter vom 16. Mai 2011, Rz. 7 ff., 27 ff., 142 und 161)." 4. Auf die in der Beschwerde insbesondere in Zusammenhang mit der 6. IV-Revision vorgebrachten und im Gutachten Müller/Kradolfer vom 20. November 2012 erörterten grundlegenden Einwendungen ist nachstehend vertiefter einzugehen. 4.1 Die Versicherte moniert, aus Art. 7 Abs. 2 ATSG ergebe sich keine Vermutung, dass die unklaren Beschwerden überwindbar seien. Dem Gericht sei es nicht gestattet, eine entsprechende Schlussfolgerung im Sinne einer Lückenfüllung aus dem Gesetz herauszulesen. Eine solche Interpretation resultiere aus der auf 1. Januar 2008 in Kraft getretenen 5. IV-Revision gerade nicht. Mit den SchlBest. IVG werde eine bestimmte Personengruppe einer Schlechterstellung ausgesetzt. Die "Foerster-Kriterien" seien medizinisch wenig validiert und veraltet, weshalb mit deren vorbehaltloser Übernahme in die Rechtsprechung eine Abkoppelung von der Medizin einhergehe. Das Gericht dürfe nicht eine Normschöpfung vornehmen, welche die Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft ausser Acht lasse. Die Schmerzpraxis bedeute eine unzulässige Einschränkung des Beweisthemas, da es sich bei der Überwindbarkeitsvermutung um eine Rechtsvermutung handle. 4.2 Im angefochtenen Entscheid wurde hiezu festgehalten, nach Art. 190 BV seien Bundesgesetze und Völkerrecht für das Bundesgericht und die rechtsanwendenden Behörden massgebend. Somit hätten sich sowohl die IV-Stellen als auch das kantonale Gericht an die gesetzlichen Bestimmungen des IVG zu halten. Der Gesetzgeber habe mit den SchlBest. IVG beabsichtigt, dass Rentenleistungen, welche bei pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen BGE 139 V 547 S. 554 Beschwerdebildern ohne nachweisbare organische Grundlage zugesprochen wurden, innert dreier Jahre überprüft und gegebenenfalls aufgehoben würden. Eine IV-relevante Erwerbsunfähigkeit liege nur vor, wenn sie aus objektiver Sicht unüberwindbar sei. Durch die Schlussbestimmungen werde garantiert, dass alle unter unklaren Beschwerden leidenden versicherten Personen gleich behandelt würden. Seit der 5. IV-Revision bestehe in Fällen von somatoformen Schmerzstörungen und ähnlichen Sachverhalten grundsätzlich kein Rentenanspruch mehr. 4.3 Das BSV führt letztinstanzlich aus, mit der 5. IV-Revision habe das Zumutbarkeitsprinzip Aufnahme im Gesetz gefunden. Damit sei die Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Überwindbarkeit von Schmerzstörungen vom Gesetzgeber übernommen worden. Mit der 6. IV-Revision seien sodann stossende Ungleichheiten zwischen Neurenten und Renten, welche unter der alten Gesetzgebung gesprochen worden seien, beseitigt worden. Das Bundesgericht habe bereits im Urteil 9C_776/2010 vom 20. Dezember 2011 (in: SVR 2012 IV Nr. 32 S. 127) dargelegt, weshalb seine Rechtsprechung nicht diskriminierend sei. Im eingereichten Gutachten Müller/Kradolfer werde übersehen, dass sich der medizinische massgeblich vom juristischen Krankheitsbegriff unterscheide. 5. Sowohl dem Begriff der Krankheit ( Art. 3 ATSG ) als auch demjenigen der Arbeitsunfähigkeit ( Art. 6 ATSG ) und der Erwerbsunfähigkeit ( Art. 7 ATSG ) liegt eine Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit zu Grunde. Die Frage, inwieweit sich eine solche Beeinträchtigung invalidisierend auswirken kann, haben Gesetzgebung und Rechtsprechung seit jeher beschäftigt. Es erscheint daher angezeigt, die entsprechende Chronologie zur Massgeblichkeit psychischer Erkrankungen im IVG/ATSG kurz darzulegen. 5.1 Das Bundesgericht hat sich bereits in BGE 102 V 165 mit dieser Problematik befasst. Es hat vorerst festgestellt, Gegenstand der Invalidenversicherung sei nicht der körperliche oder geistige Gesundheitsschaden an sich, sondern seine wirtschaftliche Auswirkung, also die voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde Erwerbsunfähigkeit. Zu den geistigen Gesundheitsschäden, welche in gleicher Weise wie die körperlichen eine Invalidität zu begründen vermöchten, gehörten neben den eigentlichen Geisteskrankheiten auch seelische Abwegigkeiten mit Krankheitswert. Nicht als BGE 139 V 547 S. 555 Auswirkungen einer krankhaften seelischen Verfassung und daher als IV-rechtlich irrelevant hätten demgegenüber Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit zu gelten, welche die versicherte Person bei Aufbietung allen guten Willens, Arbeit in ausreichendem Masse zu verrichten, zu vermeiden in der Lage wäre. Massgebend sei, was der versicherten Person infolge ihres geistigen Zustandes zugemutet werden könne. Entscheidend sei dabei nicht, dass sie in nur ungenügendem Masse eine Erwerbstätigkeit ausübe, sondern vielmehr, dass ihr die Verwertung der Arbeitsfähigkeit sozial-praktisch nicht mehr zumutbar oder für die Gesellschaft untragbar sei. Diese Grundsätze galten nach der damaligen Rechtsprechung insbesondere für Psychopathien, psychische Fehlentwicklungen, Trunksucht, suchtbedingten Missbrauch von Medikamenten und für Neurosen. 5.2 In seinem Grundsatzurteil BGE 127 V 294 hat sich das höchste Gericht zur Bedeutung der Behandelbarkeit einer psychischen Störung sowie der psychosozialen und soziokulturellen Faktoren für die Invalidität geäussert. Dabei hat es erwogen, dass eine fachärztlich festgestellte psychische Krankheit nicht ohne Weiteres einer Invalidität gleichgestellt werden könne. In jedem Einzelfall müsse eine Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit ausgewiesen sein. Entscheidend sei die weitgehend nach objektiviertem Massstab zu erfolgende Beurteilung, ob und inwiefern der versicherten Person trotz ihres Leidens die Verwertung ihrer Restarbeitsfähigkeit noch zumutbar sei. Soziokulturelle Umstände allein vermöchten eine Invalidität nicht zu begründen. Hiezu bedürfe es in jedem Fall eines medizinischen Substrats, das fachärztlich schlüssig ermittelt werde. Das klinische Beschwerdebild dürfe nicht einzig in Beeinträchtigungen bestehen, welche von den belastenden soziokulturellen Faktoren herrührten. Es habe vielmehr psychiatrische Befunde zu umfassen, beispielsweise eine von depressiven Verstimmungszuständen klar unterscheidbare andauernde Depression im fachmedizinischen Sinne oder einen damit vergleichbaren psychischen Leidenszustand. Sei eine psychische Störung von Krankheitswert erstellt, sei zu prüfen, ob von der versicherten Person trotz ihres Leidens willensmässig erwartet werden könne, einem Erwerb nachzugehen. 5.3 Seit den neunziger Jahren haben die Krankheitsbilder mit somatoformen Schmerzstörungen stark an Bedeutung gewonnen. Als Ausfluss daraus wurden durch die psychiatrische Literatur in BGE 139 V 547 S. 556 Deutschland Kriterien für die Stellung einer Prognose (KLAUS FOERSTER, Begutachtung und Erwerbsfähigkeit bei Patienten mit psychogenen Störungen, SZS 1996 S. 486 ff., 498) und die Zumutbarkeit der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit erarbeitet (KLAUS FOERSTER, Psychiatrische Begutachtung im Sozialrecht, in: Psychiatrische Begutachtung, 3. Aufl. 2000, S. 509, 511; vgl. auch KOPP/WILLI/KLIPSTEIN, Im Graubereich zwischen Körper, Psyche und sozialen Schwierigkeiten, Schweizerische Ärztezeitung [SAeZ] 1997 S. 1380 ff., 1434 f. mit Hinweis auf die grundlegenden Untersuchungen von WINCKLER und FOERSTER). Die Lehre hat diese Kriterien für das schweizerische Recht entsprechend herangezogen (HANS-JAKOB MOSIMANN, Somatoforme Störungen: Gerichte und [psychiatrische] Gutachten, SZS 1999 S. 1 ff. und 105 ff.), woraufhin sie durch das damalige Eidgenössische Versicherungsgericht (Urteil I 554/98 vom 19. Januar 2000, teilweise veröffentlicht in: VSI 2000 S. 152 E. 2c S. 154 f.) und die Verwaltungspraxis übernommen wurden (IV-Rundschreiben des BSV Nr. 180 vom 27. Mai 2003 [Rz. 1018 des Kreisschreibens des BSV über Invalidität und Hilflosigkeit in der Invalidenversicherung [KSIH] http://www.bsv.admin.ch/vollzug/documents/view/3950/lang:deu/category:34 , gültig ab 1. Juli 2003]). Diese Rechtsprechung stellte keine grundlegende Abkehr von den in BGE 102 V 165 aufgestellten Grundsätzen dar, sondern deren konkrete Anwendung auf die Diagnose "somatoforme Schmerzstörung" (zum Ganzen BGE 135 V 215 E. 6.1.2 S. 226 mit diversen Hinweisen). 5.4 In BGE 130 V 352 (und BGE 130 V 396 E. 6.2.3 S. 401 f. mit Hinweisen) wurde dargelegt, weshalb eine somatoforme Schmerzstörung in der Regel keine zu einer Invalidität führende Einschränkung der Arbeitsfähigkeit zu bewirken vermag. In Anbetracht der sich mit Bezug auf Schmerzen naturgemäss ergebenden Beweisschwierigkeiten genügten die subjektiven Schmerzangaben der versicherten Person für die Begründung einer Invalidität nicht; vielmehr sei im Rahmen der sozialversicherungsrechtlichen Leistungsprüfung erforderlich, dass die Schmerzangaben durch damit korrelierende, fachärztlich schlüssig feststellbare Befunde hinreichend erklär- und objektivierbar seien. Zudem wurden die Voraussetzungen umschrieben, welche ein ausnahmsweises Abweichen von der Annahme der grundsätzlich vermuteten Arbeitsfähigkeit erlauben (sog. "Foerster-Kriterien"; vgl. ferner BGE 131 V 49 E. 1.2 S. 50 f. und BGE 135 V 215 E. 6.1.3 S. 226 f.; je mit Hinweisen). BGE 139 V 547 S. 557 5.5 Diese Praxis ist in mehreren Folgeurteilen auf weitere Beschwerdebilder übertragen worden (vgl. dazu im Detail E. 2.2 hievor). 5.6 In BGE 135 V 201 hat es das Bundesgericht abgelehnt, die Schmerzrechtsprechung nach BGE 130 V 352 auf bestehende Renten auszudehnen. Dieses Urteil bilde keinen hinreichenden Anlass, um unter dem Titel der Anpassung an eine geänderte Gerichtspraxis auf Renten zurückzukommen, welche zu einem früheren Zeitpunkt mittels formell rechtskräftiger Verfügung zugesprochen worden seien. In BGE 135 V 215 wurde erkannt, dass auch der mit der 5. IV-Revision in das Gesetz aufgenommene Art. 7 Abs. 2 ATSG keinen Rückkommenstitel in diesem Sinne bilde. 5.7 Mit der am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen 5. IV-Revision wurden diverse Sparmassnahmen bei der Invalidenversicherung verwirklicht und namentlich der Grundsatz "Eingliederung vor Rente" nachhaltiger umgesetzt. Unter anderem wurde Art. 7 ATSG ergänzt. In Abs. 2 Satz 1 der Bestimmung wird festgehalten, dass bei der Beurteilung einer Erwerbsunfähigkeit ausschliesslich die Folgen der gesundheitlichen Beeinträchtigung zu berücksichtigen sind. Satz 2 verdeutlicht, dass eine Erwerbsunfähigkeit nur vorliegt, wenn sie aus objektiver Sicht nicht überwindbar ist. Damit wurde einerseits der Zumutbarkeitsgrundsatz ins Gesetz aufgenommen, was bedeutet, dass die versicherte Person alles vorzukehren hat, um die drohende Invalidität zu vermeiden oder zu verringern (vgl. Botschaft vom 22. Juni 2005 zur Änderung des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung [5. IV-Revision; nachfolgend: Botschaft], BBl 2005 4459 ff., insb. 4528 Ziff. 1.6.1.5.2 in fine, 4530 f. Ziff. 1.6.1.5.3 und 4532 Ziff. 1.6.1.5.4; ferner BGE 135 V 215 E. 7.3 S. 231). Anderseits wurde das Gebot der Objektivierbarkeit gesetzlich verankert. In der Botschaft führte der Bundesrat dazu unter ausdrücklicher Bezugnahme auf BGE 130 V 352 aus, eine objektive Beurteilung sei insbesondere bei Schmerzpatienten erforderlich (BBl 2005 4531 Ziff. 1.6.1.5.3). Der Antrag, von einer entsprechenden Ergänzung des Art. 7 ATSG sei abzusehen, wurde im Nationalrat deutlich abgelehnt (AB 2006 N 410 f. und S 611). Mit der Präzisierung von Art. 7 ATSG wurde somit die Rechtsprechungsentwicklung sowohl zur Frage der Zumut- bzw. Überwindbarkeit von gesundheitlichen Beeinträchtigungen als auch zu deren Objektivierbarkeit durch den Gesetzgeber bestätigt (vgl. auch UELI KIESER, ATSG-Kommentar, 2. Aufl. 2009, N. 31 ff. zu Art. 7 ATSG ). BGE 139 V 547 S. 558 Diese Bestätigung bezog sich vorerst allerdings auf Neuanmeldungen und nicht auf bestehende Renten. 5.8 Die 6. IV-Revision, gültig seit 1. Januar 2012, nahm erstmalig den Begriff der pathogenetisch-ätiologisch unklaren Beschwerdebilder ohne organische Grundlage auf Gesetzesstufe auf (lit. a Abs. 1 SchlBest. IVG). Für diese Fallgruppe wurde eine erleichterte Revision laufender Renten vorgesehen. Während einer Übergangszeit von drei Jahren ist gemäss Abs. 1 der Bestimmung bei Renten, welche gestützt auf ein unklares Beschwerdebild der beschriebenen Art gesprochen wurden, die Revision auch dann möglich, wenn die Voraussetzungen von Art. 17 ATSG nicht gegeben sind, d.h., wenn sich der Gesundheitszustand nicht erheblich verändert hat. Damit wollte der Gesetzgeber diese Rentenbezüger gleich behandeln wie erstmalige Gesuchsteller. Ausgenommen von der Regelung sind nach Abs. 4 über 55-jährige Rentenbezüger sowie Renten, die seit mehr als 15 Jahren Bestand haben. Im Rahmen der Rentenrevision wird zudem der Wiedereingliederung grosses Gewicht beigemessen (lit. a Abs. 2 und 3). Der Gesetzgeber hat mit der 6. IV-Revision eine Sonderbehandlung für Personen stipuliert, welche ein unklares Beschwerdebild aufweisen. Im Rahmen der parlamentarischen Beratung wurden - allerdings erfolglos - Einwendungen dagegen erhoben (vgl. etwa Voten Fetz, AB 2010 S 664, Maury Pasquier, AB 2010 S 646, Weber-Gobet, AB 2010 N 2117, und Rechsteiner, AB 2010 N 2119 f.). Namentlich wurde auch die Frage der Diskriminierung aufgeworfen (Votum Gilli, AB 2010 N 2117 f., und Humbel, AB 2010 N 2119). 5.9 Zusammenfassend stellt sich die Entwicklung wie folgt dar: Mit BGE 130 V 352 wurden die Voraussetzungen, welche an den Nachweis der Invalidität bei Schmerzpatienten (somatoforme Schmerzstörung) gestellt werden, in Bezug auf die Zumutbarkeit und die Objektivierbarkeit präzisiert und für alle Schmerzpatienten rechtsgleich ausgestaltet. Die entsprechende Stossrichtung hatte ihre Wurzeln allerdings schon in zahlreichen früheren bundesgerichtlichen Urteilen. Sie gründet in der Überzeugung, dass sich nicht jedes Krankheitsbild invalidisierend auswirkt. Die invaliditätsbezogenen Folgen der gesundheitlichen Störungen sind aus objektiver Sicht zu beurteilen; auf die bloss subjektiven Angaben der Betroffenen kann nicht ohne Weiteres abgestellt werden. Diese Rechtsprechung beruht einerseits auf medizinischen Grundlagen, nämlich der Erkenntnis, dass die internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) Diagnosen von BGE 139 V 547 S. 559 Beschwerdebildern und Störungen enthält, die sich hinsichtlich ihrer invalidisierenden Wirkung einer objektiven Beurteilung weitgehend entziehen, weil sie auf den Angaben der Patienten basieren, pathogenetisch-ätiologisch aber unklar bleiben und daher nicht objektivierbar sind. Sie fusst zudem auf juristischen Überlegungen, welche den Nachweis bzw. Beweis der Invalidität solcher Krankheitsbilder betreffen: Fehlt es an einer objektiven Nachweismöglichkeit durch einen ärztlichen Sachverständigen, kann auch der Beweis, wonach derartige Störungen invalidisierende Folgen zeitigen, nicht erbracht werden. Diese Grundsätze gelangten erstmals bei der somatoformen Schmerzstörung zur Anwendung und wurden in der Folge auf weitere unklare Beschwerdebilder ausgedehnt (vgl. Auflistung in E. 2.2 hievor). Der Gesetzgeber hat die dieser Rechtsprechung zu Grunde liegenden Erkenntnisse und Überlegungen im Rahmen der 5. und 6. IV-Revision rezipiert. 6. Nach der seit BGE 130 V 352 geltenden Rechtsprechung genügt die Diagnose eines pathogenetisch-ätiologisch unklaren Beschwerdebildes ohne organische Grundlage und die allein darauf gestützte medizinische Einschätzung der Arbeitsunfähigkeit nicht zum Nachweis einer rentenbegründenden Invalidität. Eine Erwerbsunfähigkeit wird nur anerkannt, wenn zusätzliche Kriterien (sog. "Foerster- Kriterien") in hinreichendem Ausmass erfüllt sind. Die Kritik an dieser Rechtsprechung und an der mit der 6. IV-Revision beschlossenen erleichterten Möglichkeit, bestehende Renten zu überprüfen, bezieht sich im Kern auf das Rechtsgleichheitsgebot bzw. das Diskriminierungsverbot. Es wird geltend gemacht, mit dieser Regelung werde eine bestimmte Personengruppe, die von unklaren Beschwerden betroffen ist, ungleich und diskriminierend behandelt, weil bei ihnen an den Nachweis der Invalidität und damit für die Rentenberechtigung erhöhte Beweisanforderungen gestellt würden. Da es zutrifft, dass mit der blossen Diagnose eines unklaren Beschwerdebildes und der einzig darauf basierenden Arbeitsunfähigkeit nach der beanstandeten Praxis eine Invalidität nicht bewiesen ist und daraus insofern eine Ungleichbehandlung gegenüber Personen resultiert, die an klar erfassbaren Beschwerden leiden, ist zu prüfen, ob sachliche Gründe diese besondere Beurteilung zu rechtfertigen vermögen. Die Sonderstellung der unklaren Beschwerden ergibt sich aus medizinischer wie juristischer Sicht und ist im Folgenden näher auszuleuchten. BGE 139 V 547 S. 560 7. 7.1 In Bezug auf den medizinischen Aspekt wird der besondere Charakter der unklaren Beschwerden - im Vergleich zu organisch begründeten Störungen oder anderen psychischen Leiden - bereits durch ihre Bezeichnung herausgestrichen: 7.1.1 Während der somatogene Schmerz an einem organischen Substrat gemessen werden kann - es besteht ein naturwissenschaftlich verfolgbarer Wirkungszusammenhang, die Einschränkung ist entsprechend spezifisch -, findet sich für die der Rechtsprechung BGE 130 V 352 unterstellte überwiegend psychogene, aber somatoforme Symptomatik kein (ausreichendes) organisches Korrelat. In dieser Konstellation ist der Mechanismus, welcher Ursache und Symptom verbindet, oft nur hypothetisch, die (möglicherweise funktionell erheblichen) Beschwerden sind zwangsläufig unspezifisch. Pathologisch begründete Faktoren können zum gleichen Beschwerdebild beitragen wie (nicht versicherte) soziale Umstände. Die Anteile der versicherten und der nicht versicherten Faktoren sind medizinisch kaum quantifizierbar (JÖRG JEGER, Wer bemisst invaliditätsfremde [soziokulturelle und psychosoziale] Ursachen der Arbeitsunfähigkeit - der Arzt oder Jurist?, in: Sozialversicherungsrechtstagung 2008, 2009, S. 164 f.). Damit ist zuweilen nicht zu vermeiden, dass soziale Faktoren über das rechtlich vorgesehene Mass hinaus zu einem Befund beitragen, anhand dessen eine Feststellung über Arbeitsunfähigkeit getroffen wird. Wenn also nicht hinreichend genau gesagt werden kann, inwieweit ein Funktionsausfall auf einem selbstständigen Gesundheitsschaden und nicht auf konkurrierenden Faktoren beruht, so ist diesen Abgrenzungsschwierigkeiten mit besonderen Regeln gerecht zu werden. 7.1.2 Bei den Folgen von Schleudertraumen (vgl. BGE 136 V 279 ) etwa ist die Ätiologie - die zu Grunde liegende Ursache - in leichteren Fällen meist nicht objektiv ausgewiesen. Immerhin ist aber von morphologischen Schädigungen (Mikroverletzungen; vgl. BGE 117 V 359 E. 5d/aa S. 363 f.) auszugehen; die Rechtsprechung nimmt denn auch nach wie vor an, dass eine bei einem Unfall erlittene Verletzung im Bereich der Halswirbelsäule oder des Kopfes auch ohne organisch nachweisbare (objektivierbare) Funktionsausfälle zu länger dauernden, die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit beeinträchtigenden Beschwerden führen kann ( BGE 134 V 109 E. 6.2.1, BGE 134 V 7 und 9 S. 116 ff.). Andere von der Rechtsprechung gemäss BGE 130 V 352 erfasste Krankheitsbilder, so die anhaltende somatoforme BGE 139 V 547 S. 561 Schmerzstörung, haben eine (überwiegend) psychische Ursache, vorbehältlich des oft vorhandenen somatischen Kerns (vgl. die Definition in ICD-10, German Modification [GM] 2011, Ziff. 45.41) und des Umstands, dass psychische Prozesse als generell von neurophysiologischen Abläufen begleitet gelten (URS MÜLLER, Die materiellen Voraussetzungen der Rentenrevision in der Invalidenversicherung, 2003, S. 28). Bei weiteren Syndromen ist die Ursache gänzlich unbekannt, so bei der Fibromyalgie ( BGE 132 V 65 E. 3.3 S. 68 f.; vgl. aber auch EGLE UND ANDERE, Fibromyalgie und Leistungseinschränkung, Psychotherapeut 2007 S. 436 ff., 442) oder beim chronischen Müdigkeitssyndrom (Urteil 9C_662/2009 vom 17. August 2010 E. 2.3, in: SVR 2011 IV Nr. 26 S. 73). 7.1.3 Sämtlichen unterstellten Beschwerdebildern gemeinsam ist, dass die Pathogenese - der Mechanismus, wie der Gesundheitsschaden entsteht - durchwegs unbekannt oder zumindest ungesichert ist; die Wirkungsweise als solche wie auch ihre Intensität sind nicht pathogenetisch spezifizierbar. Hinzu kommt, dass die Diagnose einer somatoformen Störung anhand der ICD-10 weitgehend auf Beobachtung des äusseren Störungsbildes und nicht auf krankheitskonzeptioneller Einordnung beruht; psychodynamische Zusammenhänge wurden in der Klassifikation ausgeklammert (RENATO MARELLI, Nicht können oder nicht wollen? Beurteilung der Arbeitsfähigkeit bei somatoformen Störungen, typische Schwierigkeiten und ihre Überwindung, SZS 2007 S. 327). Der Einblick in die Entstehungsweise des Gesundheitsschadens fehlt auch insoweit. Ist demzufolge zunächst dessen Bestand an sich ungesichert, so lässt sich eine Simulation weder feststellen noch ausschliessen (zur Simulation: FOERSTER/WINCKLER, in: Psychiatrische Begutachtung, 2009, S. 27 ff.; HARDY LANDOLT, Die Rechtsvorstellung der zumutbaren Willensanstrengung im Sozialversicherungsrecht, in: Schmerz und Arbeitsunfähigkeit, 2003, S. 158 ff.). Sodann bedeutet der Mangel an objektivierbarem Substrat, dass auch das Ausmass der mit dem versicherten Gesundheitsschaden korrelierenden Funktions- und damit Leistungseinbusse dem direkten Beweis grundsätzlich entzogen bleibt; insoweit kann auch Aggravation kaum je zuverlässig ausgeschlossen werden (dazu Urteil 8C_4/2010 vom 29. November 2010 E. 4.2, in: SVR 2011 IV Nr. 41 S. 120 und Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts I 518/01 vom 24. Mai 2002 E. 3b/bb, in: SVR 2003 IV Nr. 1 S. 1). All dies erfordert spezielle Regeln, mit denen eine gesetzeskonforme Einschätzung der Arbeitsunfähigkeit gesichert werden kann. BGE 139 V 547 S. 562 7.1.4 Gewisse Störungsbilder, wie etwa Schizophrenie sowie Zwangs-, Ess- und Panikstörungen (vgl. Rz. 1003 KSSB), können auf Grund klinischer psychiatrischer Untersuchungen klar diagnostiziert werden. Bezüglich ihrer Überprüf- und Objektivierbarkeit sind diese Leiden mit den somatischen Erkrankungen vergleichbar. Beim (im Wesentlichen psychogenen) Schmerzsyndrom und ähnlichen Störungen hingegen gibt es keine derartigen direkt beobachtbaren Befunde. Auch im Gegensatz zu den "klassischen", beispielsweise affektiven, psychischen Störungen fehlt es mithin in zwei Richtungen an Massstäben, wie sie zur Klärung von invalidenversicherungsrechtlichen Ersatzansprüchen nötig sind: Einerseits ist die rechtskonforme Abgrenzung zu nicht versicherten (sozialen) Faktoren weitaus stärker gefährdet als bei anderen psychischen Beschwerdebildern. Anderseits mangelt es an einer substanziellen Grundlage zur Feststellung, wie weit die somatoformen Beschwerden eine erwerbliche Tätigkeit gegebenenfalls unzumutbar machen. Die Grenzziehung ist im Einzelfall nicht leicht vorzunehmen (vgl. nachfolgend E. 9.2). Die medizinische Diagnosestellung bleibt aber in jedem Fall den ärztlichen Fachpersonen vorbehalten. Immerhin gibt die internationale Klassifikation der Krankheiten ICD-10 nachvollziehbare Unterscheidungskriterien vor. Dem Gericht bleibt es vorbehalten, die Vollständigkeit und Plausibilität der medizinischen Begutachtung nach den anerkannten Regeln (vgl. BGE 137 V 210 ff.) zu überprüfen. 7.2 Die pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen Beschwerdebilder sind nach dem Gesagten nicht messbar und folglich kaum zu überprüfen. Daher mangelt es an der Objektivierbarkeit dieser Störungen. Deren beschriebene Eigenschaften lassen den direkten Nachweis einer anspruchsbegründenden Arbeitsunfähigkeit vorerst nicht zu (vgl. MEYER/SCHWENDENER, Krankheit als leistungsauslösender Begriff im Sozialversicherungsrecht, in: Rechtsfragen zum Krankheitsbegriff, 2009, S. 20). An dessen Stelle tritt behelfsweise ein auf Indizien gestützter indirekter Beweis über das Vorliegen eines Gesundheitsschadens (insoweit: Morbiditätskriterien, BGE 137 V 64 E. 5.1 S. 69; zum Erfordernis einer nach einem wissenschaftlich anerkannten Klassifikationssystem gestellten Diagnose: BGE 130 V 398 E. 5.3 und 6 S. 398 ff.; vgl. auch die Ausschlusskriterien in BGE 131 V 49 E. 1.2 S. 51 [zweiter Abs.]), über dessen funktionelle Auswirkungen sowie über die Unzumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit. Die notgedrungen weitgehend subjektiven BGE 139 V 547 S. 563 Symptome werden einer objektivierenden Konsistenzprüfung unterzogen (dazu MICHAEL PHILIPP, Zur Bedeutung der objektivierten Beschwerdeschilderung für die psychiatrische Rentenbegutachtung, Der medizinische Sachverständige, 2010, S. 181 ff., 185). Würden die Defizite in der Beweisbarkeit, wie sie in der Eigenart der geschilderten Symptome angelegt sind, nicht durch Hilfstatsachen ausgeglichen, wäre eine invalidisierende Einschränkung oft von vornherein nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ( BGE 126 V 353 E. 5b S. 360) nachweisbar. Insofern verhindert das mit BGE 130 V 352 etablierte normative Instrumentarium - je nach Ausgang der Wertung - eine Beweislosigkeit, die sich nach dem Grundsatz der materiellen Beweislast zuungunsten der von den fraglichen Leiden betroffenen versicherten Personen auswirken und letztlich dazu führen müsste, dass die fragliche Gruppe von Gesundheitsschädigungen im Ergebnis generell aus dem Kreis der entschädigungsfähigen Tatbestände ausschiede. Insofern hat die kritisierte Rechtsprechung BGE 130 V 352 eine gewährleistende Funktion. Der primäre Mangel an Beweisbarkeit rechtserheblicher Tatsachen führt erst dann und insoweit zu einer Ablehnung des Leistungsanspruchs, wenn die Indizien, wie sie bei einer umfassenden, kriteriengeleiteten Prüfung zutage gefördert wurden, nicht hinreichend Grund zur Annahme bieten, eine Erwerbstätigkeit sei ganz oder teilweise unzumutbar. 8. Auch aus rechtlicher Sicht nehmen die Beschwerdebilder ohne organische Grundlage eine Sonderstellung ein. 8.1 Nach der allgemeinen Beweisregel ( Art. 8 ZGB ) hat die versicherte Person die invalidisierenden Folgen der gesundheitlichen Beeinträchtigung mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit nachzuweisen. Gelingt dieser Nachweis nicht, verfügt sie über keinen Leistungsanspruch. Mit anderen Worten wird bei Beweislosigkeit vermutet, dass sich der geklagte Gesundheitsschaden nicht invalidisierend auswirkt: Vermutet wird Validität, nicht Invalidität. An diesem Nachweis kann es unter mehreren Aspekten mangeln: Die Einschränkung ist nicht gesundheitlich, sondern sozial/soziokulturell bedingt (1); die gesundheitliche Einschränkung ist nicht evident, wiegt nicht schwer, sodass sie überwindbar und der versicherten Person die Verrichtung einer adaptierten Tätigkeit dennoch zumutbar ist (2); die Einschränkung ist medizinisch angeh- oder gar heilbar (3); die Einschränkung ist nur vorübergehender Natur, sei es, weil sie von selbst oder nach einer medizinischen BGE 139 V 547 S. 564 Behandlung abklingt (4). Die entsprechenden Elemente (gesundheitlicher Charakter, Evidenz und Erheblichkeit, Unheilbarkeit und Dauerhaftigkeit der Beeinträchtigung) sind stets - auch ausserhalb der unklaren Beschwerdebilder - nachzuweisen, damit ein Anspruch auf eine Dauerleistung der Invalidenversicherung geltend gemacht werden kann. 8.2 Im Zusammenhang mit den unklaren Beschwerden, aber auch mit anderen psychischen Leiden, wird etwa zu prüfen sein, ob das Störungsbild einen medizinischen Hintergrund hat und ob der somatoforme Schmerz derart schwer wiegt, dass er nicht zu überwinden ist. Eine Erwerbstätigkeit trotz Schmerzen kann mangels Evidenz zumutbar erscheinen, weil die Betroffenen ganzzeitlich - also auch in der Freizeit - davon betroffen sind und, mit oder ohne Arbeit, damit leben müssen. Weiter wird regelmässig zu untersuchen sein, ob das Leiden dauerhaft ist oder ob es dank nachhaltiger Heilungs- oder Rehabilitationsbemühungen bzw. bei geeigneter Medikamentierung nicht abklingt und eine leidensangepasste Tätigkeit aus diesem Grunde als ausführbar betrachtet werden kann. Es geht dabei nicht (nur) um die erwähnten Faktoren, sondern um die Objektivierbarkeit von gesundheitlichen Beeinträchtigungen generell. Diese ist nach der Definition der unklaren Beschwerden grundsätzlich in Frage gestellt: Die invalidisierenden Auswirkungen der unter den Begriff fallenden Schädigungen entziehen sich einer objektiven Beurteilung, da sie im Wesentlichen auf subjektiven Schilderungen der Betroffenen beruhen und einer klinischen Überprüfung nicht zugänglich sind. Die Diagnose eines pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen Beschwerdebildes ohne nachweisbare organische Grundlage für sich allein muss daher zur Beweislosigkeit im Rechtssinne führen. Bei dieser Beweislage dürfen die Sozialversicherungsträger keine Leistungen zusprechen. Würde anders entschieden, hätten es die versicherten Personen in der Hand, solche durch den blossen Beschrieb unklarer Beschwerdebilder auszulösen. Die unklaren Beschwerden unterscheiden sich demnach hinsichtlich ihrer invalidisierenden Folgen von anderen (psychischen) Leiden durch die mangelnde Objektivierbarkeit. Dabei handelt es sich um ein sachliches Kriterium, das überprüft werden kann. Die hinreichende Objektivierbarkeit der gesundheitlichen Beeinträchtigung wird für Ansprüche auf Sozialversicherungsleistungen seit jeher vorausgesetzt (vgl. E. 5.2 hievor) und hat im Rahmen der BGE 139 V 547 S. 565 5. IV-Revision auch Eingang in die Gesetzgebung gefunden ( Art. 7 Abs. 2 ATSG ; E. 5.6 in fine und E. 5.7 hievor). Von einer unbegründeten Schlechterstellung bzw. einer Diskriminierung der betroffenen Versicherten in verfassungsmässigem Sinne bzw. nach Massgabe der EMRK kann daher nicht gesprochen werden. 9. 9.1 Allein auf der Grundlage eines pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen Beschwerdebildes ohne nachweisbare organische Grundlage lässt sich daher die Vermutung, die versicherte Person sei erwerbsfähig und es liege keine invalidisierende Beeinträchtigung vor, in der Regel nicht widerlegen. Die Rechtsprechung hat deshalb die Voraussetzungen umschrieben, unter denen sich eine Arbeitsunfähigkeit dennoch nachweisen lässt (sog. "Foerster-Kriterien"). Diese Kriterien lassen mit anderen Worten den Gegenbeweis der Arbeitsunfähigkeit bei diagnostizierten unklaren Beschwerden zu. 9.1.1 Als diesbezüglich massgebliche Kriterien sind von der Rechtsprechung anerkannt worden ( BGE 131 V 49 E. 1.2 S. 50 f.; BGE 130 V 352 E. 2.2.3 S. 354 f. mit Hinweisen): - das Vorliegen einer mitwirkenden, psychisch ausgewiesenen Komorbidität von erheblicher Schwere, Intensität, Ausprägung und Dauer oder aber das Vorhandensein anderer qualifizierter, mit gewisser Intensität und Konstanz erfüllter Kriterien wie etwa: - chronische körperliche Begleiterkrankungen und mehrjähriger Krankheitsverlauf bei unveränderter oder progredienter Symptomatik ohne längerfristige Remission - ein ausgewiesener sozialer Rückzug in allen Belangen des Lebens - ein verfestigter, therapeutisch nicht mehr angehbarer innerseelischer Verlauf einer an sich missglückten, psychisch aber entlastenden Konfliktbewältigung (primärer Krankheitsgewinn ["Flucht in die Krankheit"]) - ein unbefriedigendes Behandlungsergebnis trotz konsequent durchgeführter ambulanter und/oder stationärer Behandlungsbemühungen (auch mit unterschiedlichem therapeutischem Ansatz) und gescheiterte Rehabilitationsmassnahmen bei vorhandener Motivation und Eigenanstrengung der versicherten Person. 9.1.2 Mit Blick auf das erstgenannte Kriterium der Komorbidität ist Folgendes anzufügen: Die Diagnose eines pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen Beschwerdebildes ohne nachweisbare organische Grundlage kann insbesondere im Zusammenhang mit BGE 139 V 547 S. 566 anderen Krankheitsbildern stehen. Soweit es sich dabei um Störungen handelt, deren Nachweis anhand klinischer Untersuchungen klar erbracht werden kann, ist die Arbeitsunfähigkeit durch die Ärztin oder den Arzt auf Grund der betreffenden Diagnose zu schätzen. Seitens des Gerichts besteht sodann keine Notwendigkeit, diese Einschätzung in Zweifel zu ziehen, wenn sie auf den anerkannten Grundsätzen einer medizinischen Begutachtung beruht. Genau betrachtet ergibt sich die Arbeitsunfähigkeit in dieser Konstellation nicht aus dem Gegenbeweis der Komorbidität, sondern aus den Folgen einer Grunderkrankung ausserhalb der unklaren Beschwerden. 9.1.3 Bezüglich der Kritik an den "Foerster-Kriterien" kann zunächst auf das in E. 3.2.3 hievor Dargelegte verwiesen werden. Sie ermöglichen der beweispflichtigen versicherten Person im Sinne von Hilfstatsachen den Ersatzbeweis der invalidisierenden Folgen von an sich nicht nachweisbaren Leiden. Sie erweitern daher deren Beweismöglichkeiten ausserhalb der rein medizinischen Betrachtungsweise. So stellt etwa der soziale Rückzug in allen Belangen des Lebens keine medizinische Diagnose dar, sondern beschreibt eine Lebenssituation, die an sich keinen unmittelbaren Zusammenhang mit der Gesundheit aufweist, können doch auch gesunde Menschen vollständig zurückgezogen leben. Dennoch wird anerkannt, dass bei einem solchen Rückzug im Zusammenspiel mit einem unklaren Beschwerdebild eine gesundheitliche Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit nachgewiesen werden kann. Der Nachweis der Kriterien wirkt sich demnach zu Gunsten der versicherten Person aus. Es braucht daher auch nicht abschliessend zur Frage Stellung genommen zu werden, ob die Kriterien - im Sinne eines polydisziplinären Konsenses - neu evaluiert werden sollten. Die hier geltend gemachte Diskriminierung bezieht sich nicht auf die "Foerster-Kriterien", sondern auf den Umstand, dass für Personen mit pathogenetisch-ätiologisch unklarem syndromalem Beschwerdebild ohne nachweisbare organische Grundlage diese Krankheitsdiagnose allein für den Nachweis der Invalidität nicht genügt. 9.2 Die einzelnen psychischen Störungsbilder weisen Gemeinsamkeiten und Überschneidungen auf. Ob sie pathogenetisch-ätiologisch klar nachweisbar sind, lässt sich medizinisch nicht ohne Weiteres klären. Zudem stehen sie meist in Relation zu somatischen Leiden. Das Bundesgericht hat diese Problematik erkannt und die Bedeutung einer fachkompetenten Abklärung und Begutachtung daher stets BGE 139 V 547 S. 567 betont. Die entsprechenden Verfahrensrechte der Beteiligten sind letztmals in BGE 137 V 210 zusammengefasst und modifiziert worden (vgl. ferner ULRICH MEYER, Die psychiatrische Begutachtung als Angelpunkt der juristischen Beurteilung: Entwicklung und Perspektiven, in: Berufliche Vorsorge, Stellwerk der Sozialen Sicherheit, 2013, S. 131 ff.). 9.2.1 Besondere Bedeutung kommt im vorliegend zu beurteilenden Kontext einer fachgerechten Abklärung zu. Die Gutachter haben einleuchtend darzutun, aus welchen Gründen sie ein unklares Beschwerdebild diagnostiziert haben und weshalb die klinisch psychiatrische Untersuchung keine nachvollziehbaren und in Bezug auf deren invalidisierende Folgen objektivierbaren Störungsbilder ergeben hat. Der aus der Diagnosestellung resultierende Rechtsnachteil der bleibenden Beweislast bedingt eine fachgerechte und aktuelle Untersuchung, welche die rechtsprechungsgemässen Anforderungen an eine Begutachtung erfüllt. Dies ist durch das geltende Recht gewährleistet. 9.2.2 Die entsprechende Schwierigkeit offenbart sich mit Blick auf die rechtliche Situation der Betroffenen im Falle der Rentenrevision noch deutlicher, da unter Umständen mit dem Verlust eines langjährigen Leistungsanspruchs zu rechnen ist. Aus diesem Grund hat es das Bundesgericht abgelehnt, die Rechtsprechung von BGE 130 V 352 auf laufende Renten anzuwenden (vgl. E. 5.6 hievor). 9.3 Hiefür ist im Rahmen der auf den 1. Januar 2012 in Kraft getretenen 6. IV-Revision eine spezielle Rechtsgrundlage geschaffen worden. Der Gesetzgeber war sich der geschilderten Problematik ebenfalls bewusst und hat die voraussetzungslose Überprüfung bestehender Renten nicht unbeschränkt zugelassen. Diese kann zum einen nur während dreier Jahre vorgenommen werden und ist weder zulässig im Falle von über 55-jährigen Rentenbezügern noch bei Renten, die seit mehr als 15 Jahren ausgerichtet werden (lit. a Abs. 1 und 4 SchlBest. IVG). Überdies sehen die Schlussbestimmungen zur Vermeidung unbilliger Härtefälle spezielle Integrationsmassnahmen vor. So haben versicherte Personen, deren Rente unter diesem Revisionstitel aufgehoben werden, für maximal zwei Jahre Anspruch auf Massnahmen zur Wiedereingliederung (lit. a Abs. 2 und 3 SchlBest. IVG). Darauf sind sie anlässlich eines persönlichen Gesprächs hinzuweisen (Rz. 1004 KSSB). Betroffene können im Rahmen der 6. IV- Revision somit neue Leistungen erwirken, die sie befähigen sollen, BGE 139 V 547 S. 568 ihr Leben durch den Einsatz ihrer Erwerbsfähigkeit und damit ohne Rente zu bestreiten. Diese Zielsetzung verdient uneingeschränkte Unterstützung, da mit der wirtschaftlichen regelmässig eine soziale Eingliederung einhergeht. Die entsprechenden Vorkehren sind geeignet, die Rentenbezüger vor einem sozialen Rückzug und vor steter Abhängigkeit von staatlichen Institutionen zu bewahren. Sie stärken ihr Selbstverständnis und ihre psychische Gesundheit. Demgegenüber können mit der Zusprache einer Rente die Verhältnisse der betroffenen Personen nur in wenigen Fällen ganzheitlich, sondern einzig in finanzieller Hinsicht verbessert werden. So verstanden und umgesetzt bietet die 6. IV-Revision den Betroffenen die Chance, ihre Lebenssituation deutlich zu optimieren. 9.4 Zusammenfassend setzt der Nachweis der Invalidität eine gesundheitlich bedingte, erhebliche und evidente, dauerhafte sowie objektivierbare Beeinträchtigung voraus. Dieser Massstab gilt für sämtliche Leiden gleichermassen. Den unklaren Beschwerden ist eigen, dass mittels klinischer psychiatrischer Untersuchungen weder Pathologie noch Ätiologie erklärbar sind. Sie vermögen daher aus rechtlicher Sicht für sich allein den Nachweis einer gesundheitlichen Einschränkung mangels Objektivierbarkeit nicht zu erbringen. Insofern unterscheiden sich die Diagnosen pathogenetisch-ätiologisch unklarer syndromaler Beschwerdebilder ohne nachweisbare organische Grundlage sachlich entscheidend von anderen Krankheitsbildern und es rechtfertigt sich, sie namentlich mit Blick auf die Beweislast gesondert zu beurteilen. Die gestützt auf diese Erkenntnisse und Überlegungen ergangene bundesgerichtliche Rechtsprechung ist vom Gesetzgeber in das Bundesrecht übernommen worden. Die Anwendung der Vorschriften setzt allerdings eine fachgerechte und umfassende Begutachtung der betroffenen Versicherten voraus. Zudem sind sie auf die speziell geschaffenen Wiedereingliederungsmassnahmen hinzuweisen. 10. Für den hier zu beurteilenden Fall ergibt die Anwendung dieser Grundsätze Folgendes: 10.1 Damit eine Rente nach Massgabe der SchlBest. IVG aufgehoben oder herabgesetzt werden kann, bedarf es zwar keiner erheblichen Veränderung des Gesundheitszustandes im Sinne von Art. 17 ATSG . Indessen ist die Revision an drei Voraussetzungen geknüpft: 10.1.1 Die Rentenzusprache erfolgte ausschliesslich auf Grund der Diagnose eines pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen BGE 139 V 547 S. 569 Beschwerdebildes ohne nachweisbare organische Grundlage. Nur unter dieser Bedingung kann die Überprüfung der Rente nach den SchlBest. IVG eingeleitet werden. 10.1.2 Weiter ist für die Herabsetzung oder Aufhebung der Rente erforderlich, dass auch im Revisionszeitpunkt ausschliesslich ein unklares Beschwerdebild vorliegt. Zu klären ist daher ferner, ob sich der Gesundheitszustand seit der Rentenzusprache allenfalls verschlechtert hat und ob neben den nicht objektivierbaren Störungen anhand klinischer psychiatrischer Untersuchungen nunmehr nicht klar eine Diagnose gestellt werden kann (E. 7.1.4 hievor). 10.1.3 Schliesslich ist zu prüfen, ob die "Foerster-Kriterien" als erfüllt zu betrachten sind und eine Validitätseinbusse auf diese Weise - trotz des hinsichtlich der invalidisierenden Folgen nicht objektivierbaren Beschwerdebildes - nachweisbar ist (vgl. E. 9.1-9.1.3 hievor). 10.2 Da es sich bei den erwähnten Punkten, von deren Beantwortung der Bestand laufender Renten abhängt, in erster Linie um solche medizinischer Art handelt, sind an die entsprechenden Abklärungen besonders hohe Anforderungen zu stellen. Namentlich muss verlangt werden, dass die Untersuchungen im Zeitpunkt der Revision aktuell sind und sich mit der massgeblichen Fragestellung auseinandersetzen. Soweit die versicherte Person sich - auch mit Bezug auf die Chancen, welche die Wiedereingliederungsmassnahmen bieten - der Beurteilung durch die Verwaltung und deren Regionalen Ärztlichen Dienst nicht anschliessen kann, dürfte sich in der Regel eine neue, polydisziplinäre Begutachtung als unumgänglich erweisen.
null
nan
de
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CH
Federation
005ff42d-b92e-43f7-bb7f-e24a7948bd29
Urteilskopf 111 Ia 303 53. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 25. September 1985 i.S. Sozialdemokratische Partei Graubünden und Mitbeteiligte gegen Grossen Rat des Kantons Graubünden (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Art. 85 lit. a OG : Ungültigkeit einer Initiative; Kompetenzabgrenzung Bund - Kantone auf dem Gebiet der Atomgesetzgebung; Vereinbarkeit mit kantonalem Recht. 1. Befugnis zur Prüfung einer Initiative auf deren materielle Rechtmässigkeit (E. 3). 2. Auslegung von Initiativbegehren (E. 4). 3. Kompetenzabgrenzung zwischen Bund und Kantonen auf dem Gebiet der Gesetzgebung betreffend Atomanlagen (E. 5). 4. Die Bündner Volksinitiative für den Erlass eines Gesetzes gegen Atomanlagen und -lagerstätten widerspricht sowohl dem Bundesrecht (E. 6) als auch dem übergeordneten kantonalen Recht (E. 7).
Sachverhalt ab Seite 303 BGE 111 Ia 303 S. 303 Im Mai 1984 wurde der Staatskanzlei des Kantons Graubünden eine kantonale Volksinitiative für den Erlass eines "Gesetzes gegen Atomanlagen und -lagerstätten" eingereicht. Die Initiative in Form eines ausgearbeiteten Entwurfes hat folgenden Wortlaut: "Art. 1 Die Behörden des Kantons Graubünden sind verpflichtet, mit allen rechtlichen und politischen Mitteln darauf hinzuwirken, dass auf BGE 111 Ia 303 S. 304 Kantonsgebiet keine Atomkraftwerke, keine Aufbereitungsanlagen für Kernbrennstoffe und keine Lagerstätten für radioaktive Abfälle errichtet werden oder dazu vorbereitende Handlungen vorgenommen werden. Art. 2 Dieses Gesetz tritt nach Annahme durch das Volk in Kraft." Dem Initiativtext ist auf den Unterschriftenbogen eine Begründung beigegeben, welche folgenden Wortlaut hat: "Weshalb diese Initiative? Die Regierung und der Grosse Rat sollen den Volkswillen vertreten Das Bündner Volk hat bereits im Frühling 1979 der eidgenössischen Atomschutz-Initiative gegen den Bau von Atomanlagen zugestimmt. Die Bevölkerung der Mesolcina hat im Zusammenhang mit dem drohenden Atommüllager in ihrem Tal überaus deutlich ihre Ablehnung bekundet. Die Mesolcina braucht breite Unterstützung Der Bündner Grosse Rat hat eine Resolution der Misoxer Parlamentarier gegen die NAGRA-Bohrungen mit 62 zu 53 Stimmen in geheimer Abstimmung abgelehnt. Statt einer Randregion beizustehen, hat er sie in empörender Weise im Stich gelassen. Gefahr für Tausende von Jahren Atomanlagen sind eine höchst unsichere Sache. Niemand kann und will langfristig für deren Sicherheit einstehen. Bei der Lagerung von Atommüll geht die Spekulation vor der Sicherheit. Ein Atomkraftwerk liefert für 25 Jahre Strom und Atommüll für 100'000 Jahre. Die schwachradioaktiven Abfälle aus der Nuklearmedizin machen einen winzigen Anteil aus und erfordern keine derartigen gigantischen Lagerstätten. Graubünden ist nicht der Abfallkübel der Schweiz Unser Gebirgskanton hat schon namhafte Opfer für die Energieversorgung des Unterlandes gebracht und trägt mit seinen Stauseen bereits ein grosses Risiko. Ein Grossteil des produzierten Stromes wird zu ungünstigen Bedingungen exportiert. Eine weitere Belastung mit Atomanlagen ist unannehmbar. Eine gesunde und erholsame Landschaft ist unser Kapital Als Tourismuskanton ist Graubünden besonders stark von einer intakten Landschaft abhängig. Touristen besuchen keine Gegenden mit Atomanlagen und -lagerstätten mit grossen Bergwerkbetrieben, gefährlichen Transporten und polizeilicher Bewachung. Energie: Sparen statt verschwenden und versenken Die Energiesparpolitik des Bundes ist bisher weitgehend wirkungslos geblieben. Neue Atomkraftwerke bringen neue Sachzwänge für die Endlagerung. Statt immer mehr Energie auf Vorrat und sogar für den Export zu produzieren, täte ein griffigeres Energiesparkonzept und die Förderung von Alternativenergien durch Bund und Kanton not." Der Grosse Rat des Kantons Graubünden erklärte die Initiative am 22. November 1984 auf Antrag der Regierung als ungültig und beschloss, die Initiative dem Volk nicht zur Abstimmung vorzulegen. BGE 111 Ia 303 S. 305 Zur Begründung führte er an, die Initiative verstosse sowohl gegen Bundesrecht als auch gegen das übergeordnete kantonale Recht. Gegen diesen Beschluss reichten die Sozialdemokratische Partei Graubünden und die rückzugsberechtigten Mitglieder des Initiativkomitees beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde ein. Sie rügen eine Verletzung ihrer politischen Rechte und machen geltend, die Initiative verstosse nicht gegen Bundesrecht oder kantonales Recht. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Erwägungen Auszug aus den Erwägungen: 3. Nach konstanter Praxis des Bundesgerichts ist diejenige kantonale Behörde, welche nach kantonalem Recht zur Anordnung einer Volksabstimmung über Verfassungs- und Gesetzesinitiativen berufen ist, befugt, neben dem Vorliegen der formellen Voraussetzungen über das Zustandekommen der Initiative auch deren materielle Rechtmässigkeit zu prüfen. Ob die Behörde zu dieser Prüfung der inhaltlichen Rechtmässigkeit der Initiative auch verpflichtet ist, hängt vom kantonalen Recht ab ( BGE 110 Ia 175 E. 3b, BGE 105 Ia 12 E. 2a, 364, mit Hinweisen). Im vorliegenden Fall ergibt sich die Befugnis des Grossen Rates zur Prüfung der materiellen Rechtmässigkeit der Initiative klarerweise aus Art. 55 des Gesetzes über die Ausübung der politischen Rechte im Kanton Graubünden vom 7. Oktober 1962 (GPR). Die Beschwerdeführer erblicken daher im Umstand, dass der Grosse Rat überhaupt eine Überprüfung der Initiative auf deren Rechtmässigkeit vorgenommen hat, auch keine Verfassungsverletzung. 4. Für die Beurteilung der materiellen Rechtmässigkeit einer Initiative ist deren Text nach den anerkannten Interpretationsgrundsätzen auszulegen. Grundsätzlich ist vom Wortlaut der Initiative auszugehen und nicht auf den subjektiven Willen der Initianten abzustellen. Eine allfällige Begründung des Volksbegehrens und Meinungsäusserungen der Initianten dürfen allerdings mit berücksichtigt werden ( BGE 105 Ia 154 E. 3a, BGE 105 Ia 366 E. 4). Es ist von verschiedenen Auslegungsmöglichkeiten jene zu wählen, welche einerseits dem Sinn und Zweck der Initiative am besten entspricht und zu einem vernünftigen Ergebnis führt und welche andererseits im Sinne der verfassungskonformen Auslegung mit dem übergeordneten Recht von Bund und Kanton vereinbar BGE 111 Ia 303 S. 306 erscheint ( BGE 105 Ia 154 E. 3a, BGE 105 Ia 366 E. 4, BGE 104 Ia 250 oben, BGE 103 Ia 426 oben). Kann der Initiative ein Sinn beigemessen werden, der sie nicht klarerweise als unzulässig erscheinen lässt, ist sie als gültig zu erklären und der Volksabstimmung zu unterstellen ( BGE 104 Ia 348 E. 4). 5. Nach der Auffassung des Grossen Rates steht die hier streitige Initiative mit dem Bundesrecht, insbesondere mit der Atomgesetzgebung, im Widerspruch. Für die Beurteilung der Bundesrechtmässigkeit ist daher vorerst die Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Kantonen, wie sie sich aus der Bundesverfassung und der Atomgesetzgebung des Bundes ergibt, zu prüfen. a) Gemäss Art. 24quinquies Abs. 1 BV ist die Gesetzgebung auf dem Gebiet der Atomenergie Bundessache; Abs. 2 dieser Bestimmung gibt dem Bund die Kompetenz, Vorschriften über den Schutz vor den Gefahren ionisierender Strahlen zu erlassen. Auf diese Kompetenz stützt sich das Bundesgesetz vom 23. Dezember 1959 über die friedliche Verwendung der Atomenergie und den Strahlenschutz (AtG; SR 732.0). Nach Art. 4 Abs. 1 AtG bedürfen die Erstellung und der Betrieb sowie jede Änderung des Zwecks, der Art und des Umfanges einer Atomanlage einer Bewilligung des Bundes. Unter Atomanlagen werden Einrichtungen zur Erzeugung von Atomenergie oder zur Gewinnung, Aufbereitung, Lagerung oder Unschädlichmachung von radioaktiven Kernbrennstoffen und Rückständen verstanden ( Art. 1 Abs. 2 AtG ). Diese Bewilligung, welche in der Praxis in verschiedene Teilbewilligungen aufgeteilt wurde (vgl. BGE 103 Ia 335 ), ist zu verweigern oder von der Erfüllung geeigneter Bedingungen oder Auflagen abhängig zu machen, wenn dies notwendig ist zur Wahrung der äusseren Sicherheit der Schweiz, zur Einhaltung der von ihr übernommenen völkerrechtlichen Verpflichtungen oder zum Schutz von Menschen, fremden Sachen oder wichtigen Rechtsgütern ( Art. 5 Abs. 1 AtG ). Art. 7 AtG schreibt betreffend das Verfahren vor, dass das Gesuch von einem ausführlichen technischen Bericht begleitet sein muss und dass die Bewilligungsbehörde ein Gutachten darüber einzuholen hat, ob das Projekt alle zumutbaren Massnahmen zum Schutz von Menschen, Sachen und wichtigen Rechtsgütern vorsieht; ausserdem ist die Stellungnahme des betreffenden Kantons einzuholen, in dem die Atomanlage erstellt werden soll. Das Bundesgericht hat wiederholt festgehalten, dass dem Bund gestützt auf Art. 24quinquies BV eine umfassende Kompetenz zur Gesetzgebung auf dem Gebiet der Atomenergie zusteht. Den Kantonen BGE 111 Ia 303 S. 307 kommt in dem von der Atomgesetzgebung des Bundes geregelten Bereich keine Rechtsetzungsbefugnis mehr zu ( BGE 111 Ib 105 E. 5a; BGE 103 Ia 336 E. 3b; 102 Ia 135 E. 4; BGE 99 Ia 256 E. 5b). Angesichts der Bedeutung der Nutzung von Kernenergie sowie im Hinblick auf die damit verbundenen besondern Probleme erwies es sich als unumgänglich, für die Erstellung und den Betrieb von Atomanlagen einheitliche bundesrechtliche Vorschriften zu erlassen und deren Vollzug den Organen des Bundes zu übertragen. Diese Kompetenzordnung soll einerseits gewährleisten, dass beim Bau und Betrieb von Atomanlagen sämtliche nach dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik möglichen und notwendigen Schutzmassnahmen getroffen werden; sie soll aber andererseits auch verhindern, dass die im gesamten Landesinteresse liegende Nutzung der Kernenergie durch unsachgerechte Bedingungen und Auflagen erschwert wird. Insoweit dient das AtG auch dem Zweck, die Nutzung der Kernenergie zu fördern und den Bau von Atomkraftwerken zu ermöglichen ( BGE 103 Ia 336 E. 3a; BGE 99 Ia 256 E. 5b). Der Bundesgesetzgeber hat indessen davon abgesehen, die Errichtung und den Betrieb von Atomanlagen zu einer Bundesaufgabe zu machen. Er hat dies vielmehr der Privatwirtschaft überlassen (vgl. BGE 111 Ib 105 E. 5a; BGE 103 Ia 336 f.). Die Errichtung und der Betrieb von Atomanlagen bedürfen aber einer Bewilligung des Bundes nach Art. 4 ff. AtG . In diesem Verfahren sind die mit dem Bau und dem Betrieb von Atomanlagen verbundenen Fragen abschliessend zu beurteilen. Diese können daher nicht Gegenstand eines zusätzlichen kantonalen Bewilligungsverfahrens bilden. Der betreffende Kanton kann demnach den Bau und Betrieb einer Atomanlage nicht verbieten unter Geltendmachung öffentlicher Interessen, deren Wahrung ins bundesrechtliche Bewilligungsverfahren verwiesen ist oder die nach der gesetzlichen Ordnung nicht massgebend sein sollen ( BGE 111 Ib 105 E. 5a; BGE 103 Ia 340 E. 5b; BGE 102 Ia 135 f.; BGE 99 Ia 257 E. 5c). Von den bundesrechtlich abschliessend geregelten Fragen sind hingegen die der kantonalen Kompetenz nach wie vor unterstehenden Befugnisse, insbesondere die Beurteilung der raumplanungsrechtlichen, baupolizeilichen und gewässerschutzrechtlichen Belange, zu unterscheiden. Art. 4 Abs. 3 AtG behält - wie der Wortlaut sagt - die polizeilichen Befugnisse des Bundes und der Kantone, insbesondere mit Bezug auf die Bau-, Feuer- und Gewässerpolizei, ausdrücklich vor. Das Bundesgericht hat im Entscheid Verbois klargestellt, dass sich dieser Vorbehalt auch auf die kantonale BGE 111 Ia 303 S. 308 Zonenordnung - die Nutzungsplanung im Sinne der heutigen Terminologie - bezieht ( BGE 103 Ia 341 f. E. 5d). Die Raumplanung ist im Rahmen der bundesrechtlichen Prinzipien gemäss Art. 22quater BV durch die Kantone zu schaffen. Die Verpflichtung, für die Errichtung und den Betrieb von Atomanlagen eine Bewilligung des Bundes einzuholen, schliesst es demnach nicht aus, Atomanlagen auch einem kantonalen Bewilligungsverfahren zu unterstellen. Die kantonale Regelung bleibt in dem Masse bestehen, als sie nicht mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes unvereinbar ist ( BGE 103 Ia 344 E. 5e). Nach wie vor gilt aber, dass die im bundesrechtlichen Bewilligungsverfahren abschliessend beurteilten Fragen im kantonalen Verfahren nicht wieder aufgeworfen werden können und dass dieses nicht als Instrument zur Verhinderung der Errichtung von Atomanlagen missbraucht werden darf ( BGE 111 Ib 106 E. b). Die kantonalen Kompetenzen dürfen nicht als Vorwand für Übergriffe in den Bereich anderer Anliegen verwendet werden (vgl. PETER SALADIN, Bund und Kantone, in: ZSR 103/1984 II S. 460). b) An dieser Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Kantonen hat der Bundesbeschluss vom 6. Oktober 1978 zum Atomgesetz (BB AtG; SR 732.01) grundsätzlich nichts geändert. Mit dem Beschluss ist das atomrechtliche Bewilligungsverfahren ausgebaut und die Rahmenbewilligung eingeführt worden, welche nun auch die Standortbewilligung umfasst. Die Erteilung der Rahmenbewilligung obliegt dem Bundesrat und bedarf der Genehmigung der Bundesversammlung ( Art. 8 BB AtG ). Auch bei dieser Bewilligung ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, es handle sich um eine - in mancher Hinsicht freilich besonders gelagerte - Polizeibewilligung für die grundsätzlich auf privatwirtschaftlicher Basis zu lösende Aufgabe der Energieerzeugung und -versorgung. Der Bundesrat beabsichtigte im Entwurf für den Bundesbeschluss zum Atomgesetz, mit der Rahmenbewilligung den Standort der Atomanlage in einer die Kantone bindenden Weise festzulegen; damit sollte Missbräuchen und der missbräuchlichen Verhinderung von Endlagerstätten entgegengetreten werden. Dieser Vorbehalt wurde indessen in der parlamentarischen Beratung gestrichen, in der Meinung, dass am Rechtszustand, wie er durch den Bundesgerichtsentscheid Verbois festgestellt worden ist, nichts geändert werden soll. Auch die Verpflichtung, nach Art. 6 BB AtG Gutachten einzuholen, die sich u.a. über den Schutz von Menschen, fremden Sachen und wichtigen Rechtsgütern einschliesslich der BGE 111 Ia 303 S. 309 Erfordernisse des Umweltschutzes, des Natur- und Heimatschutzes sowie der Raumplanung aussprechen, beseitigt die kantonalen Zuständigkeiten auf diesen Gebieten nicht. Atomanlagen, d.h. Einrichtungen zur Erzeugung von Atomenergie oder zur Gewinnung, Aufbereitung, Lagerung oder Unschädlichmachung von radioaktiven Kernbrennstoffen und Rückständen, bedürfen daher ausser der Rahmenbewilligung und der weitern atomrechtlichen Bau- und Betriebsbewilligungen auch der sonstigen vom Bundesrecht geforderten Spezialbewilligungen (z.B. Rodungsbewilligungen) sowie der von den Kantonen zu erteilenden planungs- und baupolizeilichen Bewilligungen (vgl. BGE 111 Ib 106 E. b mit Hinweisen auf Entstehungsgeschichte und Doktrin). c) Schliesslich stellt sich die Frage nach der Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Kantonen in bezug auf vorbereitende Handlungen zur Erstellung eines Lagers für radioaktive Abfälle. Der Bundesgesetzgeber ging entsprechend der grundsätzlich privatwirtschaftlichen Lösung der friedlichen Nutzung der Kernenergie davon aus, dass auch das Problem der radioaktiven Abfälle durch deren Erzeuger selbst zu lösen sei. Endlager bedürfen wie andere Atomanlagen einer Bewilligung der Bundesbehörden. Der Bund soll in einem besondern Verfahren die Bewilligung für vorbereitende Handlungen erteilen und nötigenfalls den Erzeugern radioaktiver Abfälle das Enteignungsrecht übertragen können. Der Bundesrat regelte das Verfahren aufgrund von Art. 10 BB AtG in der Verordnung vom 24. Oktober 1979 über vorbereitende Handlungen im Hinblick auf die Errichtung eines Lagers für radioaktive Abfälle (Verordnung über vorbereitende Handlungen; SR 732.012). Darin ist umschrieben, was unter vorbereitenden Handlungen zu verstehen ist und welche Angaben und Beilagen das Bewilligungsgesuch zu enthalten hat. Das Gesuch ist den Kantonen und zuständigen Fachstellen des Bundes zur Vernehmlassung zu unterbreiten sowie öffentlich aufzulegen ( BGE 111 Ib 109 E. b mit Hinweisen). Aus den bundesrechtlichen Vorschriften geht nicht ausdrücklich hervor, ob mit der bundesrätlichen Bewilligung sämtliche Voraussetzungen für die Vornahme von vorbereitenden Handlungen gegeben seien und ob allenfalls ein kantonales Bewilligungsverfahren entfalle, in welchem u.a. über raumplanungsrechtliche Gesichtspunkt zu entscheiden wäre. Das Bundesgericht hat in seinem Urteil NAGRA dazu Stellung genommen und entschieden, dass auch für vorbereitende Handlungen ein kantonales Bewilligungsverfahren BGE 111 Ia 303 S. 310 durchzuführen sei. Dies bedeutet, dass die kantonalen Kompetenzen auch in diesem Bereich der vorbereitenden Handlungen nicht beseitigt worden sind und dass die Kompetenzabgrenzung zwischen Bund und Kantonen gegenüber der Rechtslage, wie sie sich aus dem Entscheid Verbois ergibt, grundsätzlich unverändert geblieben ist ( BGE 111 Ib 109 E. b mit Hinweisen). 6. a) Bei der Beurteilung der Bundesrechtmässigkeit der Initiative ist vorerst in terminologischer Hinsicht darauf hinzuweisen, dass sie sich im Titel gegen "Atomanlagen und -lagerstätten" und im Text selber gegen "Atomkraftwerke, Aufbereitungsanlagen für Kernbrennstoffe und Lagerstätten für radioaktive Abfälle" richtet. Der Initiativtext weicht damit von der Begriffsbestimmung in Art. 1 Abs. 2 AtG ab, wonach unter Atomanlagen Einrichtungen zur Erzeugung von Atomenergie oder zur Gewinnung, Aufbereitung, Lagerung oder Unschädlichmachung von radioaktiven Kernbrennstoffen und Rückständen verstanden werden. Dieser Umstand ist für die Beurteilung der Rechtmässigkeit der Initiative nicht von Bedeutung, und diese ist demnach so zu verstehen, dass sie ganz allgemein Atomanlagen im Sinne des Atomgesetzes zum Gegenstand hat. b) Die Beschwerdeführer und das von ihnen beigelegte Kurzgutachten von Prof. Andreas Auer (Kurzgutachten zur Frage der Rechtmässigkeit der kantonalen Volksinitiative für ein Gesetz gegen Atomanlagen und -lagerstätten, publiziert in: Zeitschrift für Gesetzgebung und Rechtsprechung in Graubünden, ZGRG 1984 Heft 4 S. 74 ff.) weisen darauf hin, dass in andern Kantonen ähnliche Initiativen wie die im vorliegenden Fall streitige angenommen worden sind. Sie behaupten allerdings selber nicht, dass diese Tatsache allein die Bundesrechtmässigkeit der Bündner Initiative begründe; doch sehen sie darin ein gewichtiges Indiz. Denn ihrer Ansicht nach wäre es bei der Annahme der Bundesrechtswidrigkeit solcher Erlasse gewissermassen die Pflicht des Bundesrates gewesen, gegen solche Gesetze gestützt auf Art. 83 lit. a OG staatsrechtliche Klage zu erheben. Die Frage, ob dem Bundesrat nach Art. 102 Ziff. 2 BV geradezu eine Pflicht zukommt, gegen bundesrechtswidrige kantonale Erlasse staatsrechtliche Klage zu erheben, wird in der Doktrin nicht beantwortet; es wird im allgemeinen lediglich darauf hingewiesen, dass dieser Weg selten beschritten wird (vgl. ANDREAS AUER, La juridiction constitutionnelle en Suisse, S. 265 f.; JEAN-FRANÇOIS AUBERT, Traité de droit constitutionnel suisse, S. 581 Nr. 1621; WALTHER BURCKHARDT, Kommentar zur Bundesverfassung, 3. Auflage 1931, S. 734). BGE 111 Ia 303 S. 311 Die Frage kann indessen offengelassen werden. Aus der Tatsache allein, dass ähnliche Erlasse anderer Kantone nicht mit staatsrechtlicher Klage angefochten worden sind, lässt sich die Bundesrechtmässigkeit der hier allein zu beurteilenden streitigen Initiative nicht ableiten. c) Der Grosse Rat führt in seiner Vernehmlassung aus, die Verweigerung der vom Bundesrecht geforderten kantonalen Mitwirkung in Atomenergieangelegenheiten und die zum vornherein durch die Initiative geforderte negative Haltung in diesen Bereichen widersprächen nicht nur dem positiven Bundesrecht, sondern verletzten auch die bundesrechtliche Treuepflicht des Kantons. Dem halten die Beschwerdeführer entgegen, ein allfälliger Zielkonflikt zwischen dem Bundesrecht und dem kantonalen Recht sei nicht unzulässig; auf jeden Fall genüge ein solcher nicht, um die Initiative als bundesrechtswidrig zu bezeichnen. Die Tragweite des Grundsatzes der Bundestreue oder der bundesstaatlichen Treuepflicht ist in der Doktrin wenig geklärt und durch die Praxis nicht näher umschrieben worden (vgl. ALFRED KÖLZ, Bundestreue als Verfassungsprinzip?, in: ZBl 81/1980 S. 145 ff.; PETER SALADIN, a.a.O., S. 513 ff.). Das Bundesgericht hat hierzu ausgeführt, ein genereller Zielkonflikt des kantonalen Rechts mit dem Bundesrecht genüge noch nicht, um eine Initiative ungültig zu machen; die Kantone seien nicht schlechthin gehindert, andere Ziele zu verfolgen als der Bund ( BGE 109 Ia 140 f.). Wie es sich damit verhält, kann im vorliegenden Fall offengelassen werden. Soweit in der streitigen Initiative lediglich ein Zielkonflikt mit dem Bundesrecht erblickt werden kann, reicht dieser Umstand nicht aus, um diese als bundesrechtswidrig und damit ungültig zu erklären. Hierfür ist vielmehr notwendig, dass in den Kompetenzbereich des Bundes eingegriffen wird bzw. die kantonalen Kompetenzen überschritten oder missbraucht werden (oben E. 5a). d) Nach dem Wortlaut der Initiative sollen die Behörden des Kantons Graubünden verpflichtet werden, mit allen rechtlichen und politischen Mitteln darauf hinzuwirken, dass auf dem Kantonsgebiet keine Atomanlagen errichtet werden. Die Beschwerdeführer erklären zwar, dass damit kein absolutes Verbot von Atomanlagen angestrebt werde. Der Initiativtext zeigt indessen die Stossrichtung des Vorhabens deutlich: Die Behörden sollen sich auch dort mit allen (rechtlichen und politischen) Mitteln gegen Atomanlagen einsetzen, wo solche allenfalls von den Behörden des BGE 111 Ia 303 S. 312 Bundes bewilligt worden sind. Das weist auf die Absicht zu einer absoluten Verhinderung von Atomanlagen hin, ungeachtet des Umstandes, ob dem Kanton irgendwelche Kompetenzen zukommen und ob diese allenfalls missbräuchlich eingesetzt werden. Die Initiative will die Behörden verpflichten, u.a. mit allen politischen Mitteln die Errichtung von Atomanlagen zu verhindern. Aus der Begründung der Initiative geht die Tragweite des Einsatzes dieser politischen Mittel nicht hervor. Es könnte etwa bedeuten, dass sich die Behörden im Rahmen von Vernehmlassungen oder sonstigen Stellungnahmen gegen die Errichtung von Atomanlagen auszusprechen hätten. Prof. Auer misst diesem Teil der Initiative keine selbständige rechtliche Bedeutung zu (AUER, Kurzgutachten, Ziff. 14). In der Tat hat er mehr programmatischen Charakter; er bringt allenfalls einen Zielkonflikt zum Ausdruck und greift damit für sich allein genommen nicht in die Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Kantonen ein. Anders verhält es sich mit demjenigen Teil der Initiative, wonach sich die Behörden mit allen rechtlichen Mitteln dagegen zur Wehr zu setzen haben, dass im Kanton Graubünden Atomanlagen errichtet werden. Die Initiative bringt in dieser Hinsicht keinerlei Vorbehalte an und gibt damit zum Ausdruck, dass diese rechtlichen Mittel unabhängig von der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen auf jeglichem Sachgebiet eingesetzt werden sollen. Die Beschwerdeführer wenden allerdings ein, sie seien sich der Kompetenzordnung bewusst und wollten die Errichtung von Atomanlagen nur auf jenen Gebieten und mit denjenigen Mitteln verhindern, welche den bestehenden kantonalen Zuständigkeiten entsprechen. Für diese Ansicht ergeben sich indessen aus dem Initiativtext keinerlei Anhaltspunkte. Auch die Begründung der Initiative weist nicht in diese Richtung. Irgendwelche den Kantonen verbleibende Zuständigkeiten im Zusammenhang mit der Errichtung von Atomanlagen werden nicht erwähnt, und es ist auch nicht die Rede davon, dass solche Anlagen etwa aus raumplanerischen oder wasserrechtlichen Gründen verhindert werden sollen. Die Initiative zielt vielmehr unabhängig von der Kompetenzabgrenzung auf eine absolute Verhinderung von Atomanlagen hin. Darüber hinaus verlangt sie, dass jeglicher Ermessensspielraum der Behörden in diese Richtung ausgenützt wird. Sie verbietet damit eine Abwägung der Interessen im Einzelfall nach sachlichen Gründen. Auch in dieser Hinsicht machen die Beschwerdeführer geltend, Text und Begründung der Initiative verlangten von den Behörden nicht, dass die Behörden nach unsachlichen BGE 111 Ia 303 S. 313 Kriterien zu entscheiden hätten. Doch ist dem Initiativtext und seiner Begründung nichts Derartiges zu entnehmen. Es wird beispielsweise nicht darauf hingewiesen, dass Gründe der besondern Schönheit des Misox es verböten, in dieser Gegend eine Atomanlage zu errichten. Nach der Initiative hätten die Behörden vielmehr bei jedem Entscheid, der im weitern Zusammenhang mit Atomanlagen steht, eine zum vornherein negative Haltung einzunehmen. Fragen der Raumplanung oder etwa Rodungsbewilligungen (vgl. Art. 26 FPolV ) könnten daher nicht nach sachgerechten Kriterien gelöst werden. Selbst in den dem Kanton verbleibenden Sachbereichen benützt demnach die Initiative das kantonale Recht und das kantonale Bewilligungsverfahren als Vorwand für die Verhinderung von Atomanlagen und damit für einen Übergriff in die Kompetenz des Bundes. Sie erweist sich demnach als bundesrechtswidrig. Der Übergriff in die Kompetenzen wird im weitern auch durch die dem Initiativtext beigegebene Begründung bestätigt. Darin wird u.a. ausgeführt, Atomanlagen seien eine höchst unsichere Sache und niemand könne und wolle für deren Sicherheit einstehen. Ferner gehe es darum, Energie zu sparen, anstatt solche mit neuen Atomanlagen zu produzieren und sie dann zu verschwenden. Sowohl die Frage nach der Sicherheit als auch diejenige nach dem Bedürfnis von neuen Atomanlagen betreffen indessen Bereiche, welche im bundesrechtlichen Verfahren abschliessend beurteilt wurden und in einem kantonalen Verfahren auch nicht unter einem unterschiedlichen rechtlichen Gesichtswinkel erneut aufgeworfen werden dürfen. Soweit die Initiative aber verlangt, bei der Ermessensausübung in einem kantonalen Verfahren auch solche Gesichtspunkte mit zu berücksichtigen, widerspricht sie dem Bundesrecht. e) Aus diesen Überlegungen ergibt sich, dass die streitige Initiative in unzulässiger Weise in den Kompetenzbereich des Bundes eingreift und damit bundesrechtswidrig ist. 7. Der Grosse Rat des Kantons Graubünden hat die hier streitige Initiative nicht nur als bundesrechtswidrig, sondern auch als im Widerspruch zum kantonalen Recht stehend bezeichnet. Im folgenden ist zu prüfen, ob die Initiative auch aus diesem zweiten Grund als ungültig erklärt werden durfte. a) Gemäss Art. 3 Abs. 1 der Verfassung für den Kanton Graubünden (KV) sind auf ein Initiativbegehren hin der Volksabstimmung zu unterbreiten Vorschläge zum Erlass neuer Gesetze und BGE 111 Ia 303 S. 314 grossrätlicher Verordnungen sowie Vorschläge zur Aufhebung oder Änderung von Gesetzen und grossrätlichen Verordnungen, welche schon mindestens zwei Jahre in Kraft gestanden haben. Nach Art. 49 des Gesetzes über die Ausübung der politischen Rechte (GPR) können Initiativen in Form der allgemeinen Anregung oder des ausgearbeiteten Entwurfes eingereicht werden. Der Begriff des Gesetzes kann im materiellen oder formellen Sinn verstanden werden. Welchen Gesetzesbegriff Art. 3 Abs. 1 KV und Art. 49 GPR meinen, ist im Zusammenhang mit weiteren Bestimmungen der Kantonsverfassung festzustellen. Gemäss Art. 2 Abs. 2 KV unterliegen der Volksabstimmung nebst Verfassungsänderungen (Ziff. 1), Staatsverträgen und Konkordaten (Ziff. 2), Beschlüssen des Grossen Rates, durch welche neue Kantonsbehörden aufgestellt werden sollen (Ziff. 5), Kreditbeschlüssen (Ziff. 6a) und anderweitigen Beschlüssen des Grossen Rates, welche derselbe der Volksabstimmung zu unterstellen für gut findet (Ziff. 7), folgende Gegenstände: "3. Gesetze: a) organische Gesetze, bürgerliche und Strafgesetze mit Einschluss derjenigen über das gerichtliche Verfahren in Zivilsachen sowie in Kriminal- und Strafpolizeisachen; b) Verwaltungsgesetze, insbesondere im Steuer-, Schul-, Strassen-, Forst-, Jagd- und Fischerei-, im Gesundheits- und Armenwesen sowie in anderen Gebieten der Verwaltung und Volkswirtschaft; 4. diejenigen Bestimmungen kantonaler Ausführungsverordnungen zu Bundesgesetzen, welche nicht notwendige Folge der letzteren sind, und ihrer Natur nach im Sinne vorstehender Ziffer 3 in das Gebiet der Volksgesetzgebung fallen." Ferner unterstehen gemäss Art. 2bis KV der Volksabstimmung Wasserrechtsverleihungen und interkantonale Verträge. In Art. 2 und 2bis KV werden somit nebst Verfassungsänderungen, Staatsverträgen, Konkordaten, Wasserrechtsverleihungen und interkantonalen Verträgen Gesetze einerseits und Beschlüsse andererseits aufgeführt. Diese Aufgliederung und insbesondere die Aufzählung innerhalb von Art. 2 Ziff. 3 KV lässt darauf schliessen, dass unter Gesetz das Gesetz im materiellen Sinn zu verstehen ist. Die bündnerische Verfassung unterscheidet im übrigen zwischen Gesetzen, grossrätlichen Verordnungen und grossrätlichen Beschlüssen. Gemäss Art. 29 KV hat die Regierung kantonale und eidgenössische Gesetze, Verordnungen und Beschlüsse zu vollziehen und der Grosse Rat hat diesen Vollzug gemäss Art. 15 Abs. 1 KV zu überwachen. Nach Art. 15 Abs. 3 KV erlässt der BGE 111 Ia 303 S. 315 Grosse Rat die nötigen Vollziehungsverordnungen und Ausführungsbestimmungen zu den kantonalen Gesetzen. Gemäss Art. 15 Abs. 4 KV ist der Grosse Rat befugt, in allen Landesangelegenheiten, welche nicht zufolge Art. 2 und 3 KV der Volksabstimmung unterliegen, gültige Verordnungen zu erlassen und Beschlüsse zu fassen. Bei diesen grossrätlichen Verordnungen, wie sie auch in Art. 3 Abs. 1 KV und Art. 49 GPR aufgeführt sind, handelt es sich um Rechtsverordnungen und somit ebenfalls um Gesetze im materiellen Sinn (vgl. WOLF SEILER, Die Organe der Rechtssetzung im Kanton Graubünden, S. 86 ff.). Der Beschluss ist die Form für Verwaltungsverfügungen des Grossen Rates. Dies ergibt sich mit aller Deutlichkeit aus der historischen Entwicklung von Art. 3 KV. In der früheren Fassung von Art. 3 Abs. 1 Ziff. 1 KV war die Volksinitiative nicht nur auf Erlass neuer Gesetze und grossrätlicher Verordnungen, sondern auch in bezug auf grossrätliche Beschlüsse möglich (vgl. SEILER, a.a.O., S. 116). Aus diesem Grund wies GIACOMETTI darauf hin, dass im Kanton Graubünden eine Verwaltungsinitiative zulässig sei (Z. GIACOMETTI, Das Staatsrecht der Schweizerischen Kantone, Zürich 1941, S. 536 f. Anm. 51). Mit der Verfassungsrevision vom 2. März 1980 wurde diese Initiative auf Erlass neuer Beschlüsse sowie Abänderung und Aufhebung von bestehenden Beschlüssen des Grossen Rates aufgehoben. Eine Verwaltungsinitiative existiert demnach heute im Kanton Graubünden nicht mehr. Es besteht somit unter keinem Gesichtspunkt ein Anlass zu bezweifeln, dass Art. 3 Abs. 1 KV und Art. 49 GPR als Gegenstand der Initiative auf Erlass, Änderung oder Aufhebung eines Gesetzes einzig Gesetze im materiellen Sinn, d.h. generell-abstrakte Rechtssetzungserlasse zulassen. b) Rechtssätze, d.h. allgemeine Normen, die verbindlich und auf Verwirklichung ausgerichtet sind, müssen in ihrem Inhalt zumindest minimal bestimmt sein. Andernfalls halten sie gerade, weil ihnen mehr als programmatische Bedeutung zukommt, vor dem Gebot der Rechtssicherheit nicht stand ( BGE 102 Ia 138 , BGE 109 Ia 282 ff. E. 4a, mit Hinweisen). Wie das Bundesgericht in BGE 102 Ia 138 f. festgestellt hat, wurde bereits mehrfach entschieden, dass auf dem Wege der Gesetzesinitiative keine individuell-konkreten Anordnungen vorgeschlagen werden dürfen, wenn sich der Kantonsverfassung entnehmen lässt, dass Inhalt eines Gesetzes nur Rechtssätze generell-abstrakter Natur sein können BGE 111 Ia 303 S. 316 ( BGE 98 Ia 641 E. 3, BGE 89 I 375 E. 3/4, BGE 73 I 108 E. 5). Blosse Programmsätze ohne direkte Verbindlichkeit als Inhalt einer Gesetzesinitiative sind demnach unzulässig, wenn das kantonale Recht einen materiellen Gesetzesbegriff kennt (vgl. BGE 89 I 375 E. 3/4, BGE 96 I 654 E. 8). Allerdings haben nicht schon einzelne programmatische Bestimmungen zur Folge, dass ein Gesetz nicht mehr Gesetz im materiellen Sinn ist ( BGE 102 Ia 138 ). Für die Vereinbarkeit der hier zu beurteilenden Initiative mit Art. 2 und 3 KV ist demnach entscheidend, ob die vorgeschlagenen Verhaltensnormen insgesamt mehr als bloss programmatische Bedeutung besitzen und als Rechtssätze hinreichend bestimmt sind oder ob die Initiative eine eigentliche Verwaltungsinitiative darstellt. c) Nach dem Initiativtext werden die Behörden des Kantons Graubünden verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass auf dem Kantonsgebiet keine Atomanlagen errichtet werden oder hierzu vorbereitende Massnahmen vorgenommen werden. Hinsichtlich der Mittel wird lediglich bestimmt, dass dies mit allen rechtlichen und politischen Mitteln zu erfolgen habe. Im Initiativtext und in der Begründung finden sich keine Angaben darüber, an welche Möglichkeiten und Massnahmen die Initianten gedacht haben. Die Beschwerdeführer machen indessen geltend, es gehe bei der Initiative um die Verwirklichung einer Leitidee. Diese soll die Behörden in einer bestimmten energiepolitischen Optik leiten und sie auf diese Optik verpflichten. Der Ermessens- und Beurteilungsspielraum und der politische Einfluss seien im Sinne dieser klaren Zielsetzung einzusetzen. Welche konkreten Handlungen die Behörden jedoch vornehmen sollen, kann der Initiative nicht entnommen werden. Daraus ergibt sich, dass die Initiative in erster Linie programmatischen Charakter hat. Als verpflichtendes Verhaltensrecht im Sinne eines materiellen Gesetzes entbehrt daher die Initiative der notwendigen Bestimmtheit. Die im vorliegenden Fall streitige Initiative unterscheidet sich demnach nicht wesentlich von dem vom Bundesgericht im Fall Albonico beurteilten Initiativbegehren ( BGE 102 Ia 131 ). Die Bündner Initiative für ein Gesetz gegen Atomanlagen und -lagerstätten weist denn auch vielmehr den Charakter einer Verwaltungsinitiative oder allenfalls eines Bündels von Verwaltungsinitiativen auf. Die Behörden sollen verpflichtet werden, sich mit allen (rechtlichen und politischen) Mitteln gegen ein konkretes Projekt wie beispielsweise die Probebohrungen im Misox und allenfalls gegen weitere Projekte für Atomanlagen im Sinne BGE 111 Ia 303 S. 317 von Art. 1 Abs. 2 AtG zur Wehr zu setzen. Verwaltungsinitiativen können indessen, wie oben dargelegt, nicht Gegenstand eines Initiativbegehrens sein. Auch unter diesem Gesichtspunkt verstösst daher die Initiative gegen übergeordnetes kantonales Recht. 8. Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Initiative für ein Gesetz gegen Atomanlagen und -lagerstätten sowohl im Widerspruch mit dem Bundesrecht als auch mit dem kantonalen Recht steht. Der Grosse Rat des Kantons Graubünden durfte sie daher als ungültig bezeichnen und sie dem Volk nicht zur Abstimmung unterbreiten, ohne dadurch die politischen Rechte der Beschwerdeführer zu verletzen. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und ist abzuweisen.
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Urteilskopf 88 I 331 50. Auszug aus dem Urteil vom 21. Dezember 1962 i.S. Möri & Co. gegen Regierungsrat des Kantons Bern.
Regeste Einspruch gegen Liegenschaftskäufe. 1. Beschwerdegründe (Erw. 1). 2. Das Einspruchsverfahren ist auch auf Kleinheimwesen anwendbar (Erw. 2). 3. Kauf zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben? (Erw. 2). 4. Begriff der Spekulation. Fall einer Bauunternehmung, die den gekauften Boden zum Eintausch von Bauland verwenden will (Erw. 3).
Sachverhalt ab Seite 331 BGE 88 I 331 S. 331 A.- Mit Vertrag vom 26. September 1961 verkaufte Frau Katharina Kunz ihrlandwirtschaftliches Heimwesen in Lyss im Halte von 274,32 a für Fr. 300'000.-- an das Baugeschäft Reinhard Möri & Co. Hiegegen erhob der Grundbuchverwalter Einspruch auf Grund von Art. 19 Abs. 1 lit. a und c des BG über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes (EGG). In der Folge, am 1. März 1962, schloss die Käuferin mit der Einwohnergemeinde Lyss einen Vorvertrag, gerichtet auf Abtausch von 192,55 a des gekauften Bodens gegen Bauland der Gemeinde. Gestützt hierauf wies der Regierungsstatthalter von Lyss am 29. März 1962 den Einspruch ab mit der Begründung, es handle sich um die Erfüllung öffentlicher Aufgaben im Sinne von Art. 21 Abs. 1 lit. b EGG . Eine Beschwerde der kantonalen Landwirtschaftsdirektion hiegegen wurde vom Regierungsrat mit Entscheid BGE 88 I 331 S. 332 vom 4. September 1962 geschützt. Er führte aus, dem Einspruchsverfahren unterlägen auch Kleinheimwesen. Die Firma Möri & Co. habe das Heimwesen der Frau Kunz gekauft, um in der Landwirtschaftszone liegende Grundstücke gegen Bauland auszutauschen, dieses zu überbauen und damit eine entsprechende Rendite zu erzielen. Dieses Vorgehen müsse als offensichtliche Spekulation im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. a EGG bezeichnet werden. Zudem liege auch der Tatbestand der lit. c vor, weil das Heimwesen durch den Verkauf seine Existenzfähigkeit verliere und kein Ausnahmegrund gegeben sei .... B.- Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Firma Möri & Co., diesen Entscheid aufzuheben und den Einspruch abzuweisen. Sie macht geltend, sie wolle das Heimwesen der Frau Kunz nicht aus spekulativen Erwägungen erwerben, sondern um eine Landreserve zu schaffen, damit sie beim Kauf von Bauland den Landwirten Realersatz bieten könne; das sei eine Notwendigkeit, die in den Rahmen der normalen Geschäftstätigkeit eines Bauunternehmens falle. Spekulation sei schon deshalb ausgeschlossen, weil die grösste Parzelle in der Freiflächenzone liege und der Überbauung gänzlich entzogen sei, während die übrigen Parzellen vorwiegend landwirtschaftliche Grundstücke seien, die wegen ihrer Lage in den nächsten 25 Jahren für eine spekulative Überbauung nicht in Frage kämen. Daran ändere der Vorvertrag betreffend einen Bodenabtausch mit der Gemeinde nichts; dieser sei zu Unrecht in das Verfahren einbezogen worden, da er erst fünf Monate nach dem Kaufvertrag abgeschlossen worden sei und für die Beurteilung der Frage, ob Spekulation vorliege, die Verhältnisse im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags massgebend seien. Entgegen der Auffassung des Regierungsrates bestehe ein Ausnahmegrund im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. c EGG ... C. - Der Regierungsrat beantragt Abweisung der Beschwerde. Er führt u.a. aus, der Tauschvorvertrag sei zu Recht berücksichtigt worden, da nach Art. 40 des kantonalen BGE 88 I 331 S. 333 Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege die mit ihr betrauten Behörden auf den Sachverhalt abzustellen hätten, wie er sich im Zeitpunkt des Urteils am Schlusse der Verhandlungen darbiete. D.- Das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement erklärt in seiner Vernehmlassung, die Würdigung des Tatbestands als Spekulation lasse sich im Lichte von BGE 87 I 232 halten. Es beantrage daher, die Beschwerde abzuweisen oder aber den Begriff der Spekulation wieder enger zu fassen, was zu ihrem Schutze führen könnte. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Gemäss Art. 104 Abs. 1 OG kann mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nur Verletzung von Bundesrecht geltend gemacht werden. Das tut die Beschwerdeführerin insoweit, als sie behauptet, der angefochtene Entscheid verstosse gegen Art. 19 Abs. 1 lit. a und c EGG , indem er offensichtliche Spekulation (lit. a) annehme und das Vorliegen eines wichtigen Grundes (lit. c) verneine. Auf diese Rügen ist einzutreten. Dagegen wird mit dem Vorwurf, der Regierungsrat habe zu Unrecht den erst fünf Monate nach dem Kaufvertrag abgeschlossenen Vorvertrag mit der Einwohnergemeinde betreffend den Landabtausch in das Verfahren einbezogen, keine Verletzung von Bundesrecht geltend gemacht. Die Beschwerdeführerin beruft sich auf keine bundesrechtliche Bestimmung, welche dieses Vorgehen ausschliessen würde, und es ist auch keine ersichtlich. Das Bundesrecht ( Art. 20 Abs. 2 und Art. 44 EGG ) überlässt die nähere Ordnung des Einspruchsverfahrens den Kantonen. Ob eine Bestimmung des kantonalen Rechtes verletzt sei, hat das Bundesgericht nicht zu prüfen. Die Beschwerdeführerin nennt übrigens keine solche Bestimmung, und nach der Antwort des Regierungsrates schreibt vielmehr Art. 40 des kantonalen Verwaltungsrechtspflegegesetzes die Berücksichtigung des im Zeitpunkt des Entscheides vorliegenden BGE 88 I 331 S. 334 Sachverhaltes vor. Auf diese Rüge betreffend das Verfahren ist nicht einzutreten. 2. Vor Bundesgericht bestreitet die Beschwerdeführerin nicht mehr, dass das Kaufsobjekt ein landwirtschaftliches Heimwesen im Sinne des Art. 19 EGG ist. Mit Recht; denn diese Bestimmung ist auch auf Kleinheimwesen anwendbar, die für sich allein eine Familie nicht zu ernähren vermögen ( BGE 80 I 96 , 412; BGE 81 I 109 , 254). Wohl können die Kantone nach Art. 21 Abs. 2 EGG Liegenschaften bis zu 3 ha vom Einspruchsverfahren ausnehmen; doch hat der Kanton Bern gestützt auf diese Bestimmung Ausnahmen nur für einmalige Kaufverträge zum Zwecke der Arrondierung über Liegenschaften bis zu 36 a und für einmalige Kaufverträge bis zu 18 a (oder bis zu einem halben Kuhrecht) vorgesehen (Art. 8 Einführungsgesetz). Das Heimwesen der Frau Kunz umfasst 274,32 a und ist als Ganzes verkauft worden. Es steht, obwohl es klein ist, unter dem Schutze des Art. 19 EGG . Mit Recht macht die Beschwerdeführerin auch nicht geltend, das Einspruchsverfahren sei, wie der Regierungsstatthalter angenommen hat, nach Art. 21 Abs. 1 lit. b EGG nicht anwendbar, weil durch den Vorvertrag mit der Gemeinde das Land zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben bestimmt worden sei. Abgesehen davon, dass aus den Akten nicht ersichtlich ist, für welche Zwecke die Gemeinde das Land erwerben will, könnte jene Bestimmung nur auf einen direkten Verkauf an die Gemeinde angewendet werden, nicht aber auf den Kaufvertrag der Frau Kunz mit der Beschwerdeführerin, um den es sich hier handelt. Die Beschwerdeführerin hat das Land nicht zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben gekauft, sondern in ihrem geschäftlichen Interesse, als Tauschobjekt für die spätere Gewinnung von Bauland. 3. Nach Art. 19 Abs. 1 lit. a EGG kann u.a. Einspruch erhoben werden, wenn jemand ein Heimwesen offensichtlich zum Zwecke der Spekulation erwirbt. Das Bundesgericht hat ursprünglich, in Anlehnung an den allgemeinen BGE 88 I 331 S. 335 Sprachgebrauch, Spekulation nur dann angenommen, wenn der Käufer das Land erwirbt, um es bei sich bietender Gelegenheit, möglichst bald, mit Gewinn weiterzuveräussern ( BGE 83 I 313 ). Sodann hat es den Begriff der Spekulation ausgedehnt auf Fälle, wo ein ansehnlicher Gewinn nicht durch Weiterveräusserung, wohl aber durch eine andere Verwendung des bisher landwirtschaftlich genutzten Bodens angestrebt wird, insbesondere durch sukzessive Überbauung und Vermietung der erstellten Wohnungen ( BGE 87 I 239 /40). Diese neue Praxis ist von Professor LIVER kritisiert worden (ZbJV Jg. 98 S. 439), und auch das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement scheint sie nach seiner Vernehmlassung als unrichtig zu betrachten. Ob an ihr festzuhalten sei, braucht im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden, da hier Spekulation auch im Sinne der früheren Rechtsprechung vorliegt. Die Beschwerdeführerin hat nach ihrer eigenen Darstellung das Heimwesen der Frau Kunz gekauft, um den grössten Teil des Bodens als Tauschobjekt für von ihr begehrtes Bauland zu verwenden. Dabei macht es keinen Unterschied, ob ein Tausch im Laufe der Zeit gegenüber Landwirten geplant war, wie sie zuerst angegeben hat, oder schon bald gegenüber der Einwohnergemeinde Lyss, mit der sie nun einen darauf abzielenden Vorvertrag abgeschlossen hat. In beiden Fällen liegt in dem Tausch eine - von Anfang an beabsichtigte - Weiterveräusserung, die auf Gewinn gerichtet ist, indem das einzutauschende Bauland für das Geschäft der Beschwerdeführerin mehr wert ist als der landwirtschaftliche Boden der Frau Kunz. Das Argument der Beschwerdeführerin, ein solches Vorgehen falle in den Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit und sei für ihr Unternehmen sogar notwendig, schlägt nicht durch; denn auch wenn es an sich zutrifft, schliesst es den spekulativen Charakter des Kaufs nicht aus, sondern zeigt nur, dass auch ein Bauunternehmen wie ein solches des Handels Spekulationen mit sich bringen kann. Sowohl nach dem zuerst angegebenen Motiv als auch nach dem dann BGE 88 I 331 S. 336 abgeschlossenen Tauschvorvertrag ist die Spekulationsabsicht offensichtlich, weshalb mit Recht der Einspruch auf Grund von Art. 19 Abs. 1 lit. a EGG geschützt worden ist. 4. (Ausführungen betreffend Art. 19 Abs. 1 lit. c EGG .) Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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Urteilskopf 112 Ia 305 46. Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 21. Mai 1986 i.S. G. und Mitbeteiligte gegen Gemeinde Bonaduz und Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Art. 4 BV , überspitzter Formalismus, fehlerhafte Rechtsbelehrung. Begriff des überspitzten Formalismus (E. 2a). Es ist überspitzter Formalismus, auf die Eingabe eines Anwalts mit ausserkantonalem Fähigkeitsausweis aber ohne kantonale Berufsausübungsbewilligung nicht einzutreten, ohne ihm eine Nachfrist zur Beibringung dieser Bewilligung anzusetzen (E. 2b). Aus einer mangelhaften Rechtsbelehrung darf den Betroffenen insbesondere dann kein Nachteil erwachsen, wenn sich deren Fehlerhaftigkeit anhand des Gesetzes nicht erkennen liess (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 305 BGE 112 Ia 305 S. 305 Der Gemeindevorstand von Bonaduz auferlegte G.G. und weiteren Mitbeteiligten mit Verfügung vom 3./4. Juli 1985 eine Busse von je Fr. 40.-- "wegen Missachtung von Fahr- und Campingverboten" und wies die Genannten an, den zum Campieren benutzten BGE 112 Ia 305 S. 306 Platz bis 10. Juli 1985 zu verlassen. In der Verfügung wird angegeben, dass gegen diese gemäss Art. 180 des kantonalen Gesetzes über die Strafrechtspflege innert 20 Tagen beim Verwaltungsgericht Graubünden Beschwerde geführt werden könne. Die Gebüssten gelangten hierauf - vertreten durch den St. Galler Rechtsanwalt X. - an das kantonale Verwaltungsgericht und verlangten, dass die angefochtene Verfügung aufgehoben und die Gemeinde Bonaduz angewiesen werde, das Stationierungsgesuch der Beschwerdeführer zu prüfen. Das Gericht trat mit Entscheid vom 1. Oktober 1985 auf den Rekurs nicht ein. Es erwog, Rechtsanwalt X. habe zur Zeit der Rekurseingabe keine Berufsausübungsbewilligung für den Kanton Graubünden besessen und im Verlaufe des Verfahrens auch nicht um Erteilung einer solchen nachgesucht. Nach Art. 22 des bündnerischen Verwaltungsgerichtsgesetzes, das auf Art. 39 der Zivilprozessordnung verweise, seien jedoch nur zur Berufsausübung zugelassene Rechtsanwälte zur Parteivertretung vor Verwaltungsgericht befugt. Nun enthalte das bündnerische Verfahrensrecht keine Vorschrift über die Rechtsfolge eines "Verstosses gegen die Bestimmungen über die Stellvertretung im Prozess". Doch habe das Kantonsgericht schon vor geraumer Zeit Prozesshandlungen eines vor den bündnerischen Gerichten nicht zugelassenen Anwaltes als ungültig betrachtet. Diese Auffassung sei vom Bundesgericht im Jahre 1961 unterstützt (vgl. PKG 1961 Nr. 1 Erw. 2) und in neuerer Zeit bei der Beurteilung von Fällen in anderen Kantonen jedenfalls nicht ausdrücklich abgelehnt worden ( BGE 105 IV 286 und 105 Ia 79 E. 8). Die Gebüssten haben gegen den Verwaltungsgerichtsentscheid staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV eingereicht und sich über Willkür, überspitzten Formalismus und formelle Rechtsverweigerung beklagt. Sie machen geltend, die Verfügung des Gemeindevorstandes Bonaduz sei im Rahmen eines "Strafverfahrens vor Verwaltungsbehörden" im Sinne von Art. 177 ff. der kantonalen Strafprozessordnung ergangen und könne, wie sich auch aus der erteilten Rechtsmittelbelehrung ergebe, gemäss Art. 180 StPO mit Rekurs angefochten werden. Für die Beurteilung solcher Rekurse sei nach Art. 5 der grossrätlichen Verordnung über die Organisation, Geschäftsführung und Gebühren des Verwaltungsgerichts (VOG) der Ausschuss des Verwaltungsgerichts zuständig, vor welchem gemäss Art. 15 VOG jeder handlungsfähige Bürger zur Parteivertretung berechtigt sei. Der BGE 112 Ia 305 S. 307 Nichteintretensentscheid stehe in klarem Widerspruch zu dieser Bestimmung und sei daher willkürlich. Ausserdem sei dem Verwaltungsgericht formelle Rechtsverweigerung und überspitzter Formalismus vorzuwerfen. Das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden räumt in seiner Beschwerdeantwort ein, dass Bussverfahren nach Art. 180 StPO und Art. 5 VOG durch den Ausschuss des Verwaltungsgerichtes zu beurteilen seien und für diese Verfahren jeder handlungsfähige Bürger zur Parteivertretung zugelassen werde. Die angefochtene Verfügung des Gemeindevorstandes Bonaduz habe indessen auch einen Räumungsbefehl enthalten, mit dem zugleich eine - nachträgliche - Campingbewilligung verweigert worden sei. Über die Rechtmässigkeit dieses Räumungsbefehls sei nicht im Strafverfahren, sondern im ordentlichen Rekursverfahren von der Vollkammer zu befinden, vor welcher keine freie Rechtsvertretung möglich sei. Dass in einem solchen "gemischten" Fall die Vollkammer auch über die Busse entscheide, entspreche ständiger Praxis und rechtfertige sich aus prozessökonomischen Gründen. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Wie das Verwaltungsgericht in seiner Vernehmlassung zu Recht bemerkt, enthält die umstrittene Verfügung des Gemeindevorstandes Bonaduz einerseits einen Bussenbescheid und andererseits eine Wegweisungsanordnung. Beide Teile dieser Verfügung können mit Rekurs beim Verwaltungsgericht angefochten werden. Für die Beurteilung der Busse ist jedoch an sich der Ausschuss des Verwaltungsgerichtes zuständig (Art. 5 Ziff. 3 der Verordnung über die Organisation, Geschäftsführung und Gebühren des Verwaltungsgerichtes/VOG vom 30. November 1966 in Verbindung mit Art. 180 des Gesetzes über die Strafrechtspflege vom 8. Juni 1958), vor welchem für die Rechtsvertretung kein Fähigkeitsausweis für Rechtsanwälte erforderlich ist (Art. 15 VOG), während die Überprüfung der Wegweisungsverfügung der vollständig besetzten Kammer obliegt, für deren Verhandlungen sinngemäss die Bestimmungen der Zivilprozessordnung über die Stellvertretung gelten, wonach die Rechtsvertretung grundsätzlich nur Anwälten mit Fähigkeitsausweis erlaubt ist (Art. 22 Abs. 1 des Gesetzes über die Verwaltungsgerichtsbarkeit/VGG vom 9. April 1967; Art. 39 der hier noch anwendbaren Zivilprozessordnung/ZPO vom 20. Juni 1954). Dass aus Gründen der Prozessökonomie die BGE 112 Ia 305 S. 308 Rekurssache insgesamt von der "Vollkammer" behandelt worden ist, ist unter dem Gesichtswinkel von Art. 4 BV nicht zu beanstanden. Allerdings fragt sich, ob hinsichtlich der Parteivertretung ohne weiteres auf die strengere Norm von Art. 22 VGG abgestellt werden dürfe, wie das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf seine Praxis meint. Diese Frage kann indessen letztlich offenbleiben, da die Beschwerde aus den im folgenden dargelegten Gründen gutzuheissen ist. 2. Die Beschwerdeführer halten das Nichteintreten des Bündner Verwaltungsgerichtes auf den Rekurs eines Anwaltes, der wohl über einen ausserkantonalen, aber (noch) über keinen kantonalen Fähigkeitsausweis verfügt, für überspitzten Formalismus. a) Überspitzter Formalismus ist eine besondere Form der Rechtsverweigerung. Eine solche liegt vor, wenn für ein Verfahren rigorose Formvorschriften aufgestellt werden, ohne dass die Strenge sachlich gerechtfertigt wäre, wenn die Behörde formelle Vorschriften mit übertriebener Schärfe handhabt oder an Rechtsschriften überspannte Anforderungen stellt und dem Bürger den Rechtsweg in unzulässiger Weise versperrt (vgl. etwa BGE 108 Ia 107 E. 2 mit Hinweisen auf weitere Entscheide). Wohl hat das Bundesgericht immer wieder betont, dass im Rechtsgang prozessuale Formen unerlässlich sind, um die ordnungsgemässe und rechtsgleiche Abwicklung des Verfahrens sowie die Durchsetzung des materiellen Rechts zu gewährleisten. Nicht jede prozessuale Formstrenge steht demnach mit Art. 4 BV im Widerspruch. Überspitzter Formalismus ist nur gegeben, wenn die strikte Anwendung der Formvorschriften durch keine schutzwürdigen Interessen gerechtfertigt ist, zum blossen Selbstzweck wird und die Verwirklichung des materiellen Rechts in unhaltbarer Weise erschwert oder verhindert (ARTHUR HAEFLIGER, Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich, S. 121 ff). b) Diese Grundsätze sind insbesondere auch für die Anwendung der Vorschriften über die Parteivertretung massgebend. Zwar kann von einer formellen Rechtsverweigerung nicht die Rede sein, wenn das Bestehen eines rechtsgenüglichen Vertretungsverhältnisses als Prozessvoraussetzung qualifiziert und bei Fehlen derselben auf ein Rechtsmittel nicht eingetreten wird. In diesem Sinne ist die vom Verwaltungsgericht erwähnte Praxis (PVG 1983 Nr. 83 S. 178) nicht zu beanstanden. Eine andere Frage ist indessen, ob dem Anwalt, der unbestrittenermassen über einen ausserkantonalen Fähigkeitsausweis verfügt, im konkreten Fall nicht BGE 112 Ia 305 S. 309 von Verfassungs wegen eine kurze Nachfrist zur Beibringung der vom kantonalen Verfahrensrecht geforderten Berufsausübungsbewilligung anzusetzen sei. Diese Frage ist zu bejahen. Das Bundesgericht hat bereits in BGE 81 I 117 f. dargelegt, es gehe nicht an, eine Prozesshandlung für ungültig zu erklären, wenn bei ihrer Vornahme die Zulassungsbewilligung des Parteivertreters noch nicht vorgelegen habe. Vorschriften über die Zulassung von Anwälten hätten den Zweck, die Vertretungsbefugnis den hiezu aufgrund ihrer Kenntnisse und ihres Charakters geeigneten Personen vorzubehalten. Dieser Zweck erfordere keineswegs, dass der Anwalt schon innert der Beschwerdefrist um Zulassung zum Handeln vor den fraglichen Gerichten ersuche, es genüge auch, wenn ein solches Begehren erst später gestellt werde. Allerdings hat das Bundesgericht in dem vom Bündner Verwaltungsgericht angerufenen Urteil vom 29. März 1961 (das in der Amtlichen Sammlung nicht veröffentlicht worden ist, jedoch in PKG 1961 Nr. 1 wiedergegeben wird) das Gegenteil ausgeführt und, ohne sich mit BGE 81 I 113 ff. auseinanderzusetzen, die Annahme als nicht verfassungswidrig erklärt, dass Prozesshandlungen ungültig seien, die ein Vertreter vor dem Erwerb des bündnerischen Fähigkeitsausweises vornimmt. In der neueren bundesgerichtlichen Praxis sind verschiedentlich die Fälle, in denen ein Rechtsmittel von einer zur Vertretung nicht berechtigten Person eingereicht wird und daher sofort als ungültig betrachtet werden darf, von jenen unterschieden worden, in denen die Vertretungsbefugnis an sich gegeben ist, aber irgendein Formmangel vorliegt, der während einer von der Behörde anzusetzenden Nachfrist ohne weiteres geheilt werden kann (vgl. BGE 111 Ib 201 nicht publ. E. 5c, BGE 108 Ia 103 f., Urteil vom 16. August 1982, ASA 53 S. 166 ff., BGE 107 IV 68 ff. je mit Hinweisen auf weitere Entscheide). Zu dieser zweiten Gruppe sind auch diejenigen Fälle zu zählen, in denen ausserkantonale Rechtsanwälte in Kantonen mit Anwaltsmonopol tätig werden, noch bevor ihnen die Zulassungsbewilligung erteilt worden ist. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn - wie im Kanton Graubünden - die Zulassungsbewilligung von keiner anderen Bedingung als vom Besitz eines ausserkantonalen Anwaltspatentes abhängig gemacht wird (vgl. Art. 36 Abs. 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 24. September 1978). Im übrigen bestimmt Art. 28 Abs. 2 VGG ausdrücklich, dass der Partei eine kurze Nachfrist zur Behebung formeller Mängel einer Rechtsschrift anzusetzen ist. Das Verwaltungsgericht wäre somit verpflichtet gewesen, dem Vertreter BGE 112 Ia 305 S. 310 der Rekurrenten eine kurze Nachfrist zur Beibringung der bündnerischen Berufsausübungsbewilligung anzusetzen. Wie sich im weiteren zeigt, hätte das Verwaltungsgericht hier allerdings aufgrund der in der umstrittenen Verfügung enthaltenen Rechtsmittelbelehrung sofort auf den Rekurs eintreten müssen. 3. In der Rechtsmittelbelehrung des Gemeindevorstandes von Bonaduz wird ausschliesslich auf Art. 180 des kantonalen Strafrechtspflegegesetzes und damit auf die Möglichkeit hingewiesen, an den Ausschuss des Verwaltungsgerichtes zu rekurrieren. Die Rechtsmittelbelehrung war daher insofern unvollständig, als sie nur die Möglichkeit der Anfechtung des Bussenbescheides erwähnt und den Wegweisungsbefehl ausser acht lässt, und hat sich schliesslich sogar als unrichtig erwiesen, weil das Verwaltungsgericht nach seinen Angaben "gemischte" Verfügungen gesamthaft in Vollbesetzung überprüft, was die Anwendung strengerer Vorschriften über die Parteivertretung zur Folge hat. Nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung darf einer Partei, welche sich auf eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung verlässt und verlassen durfte, daraus kein Nachteil erwachsen (vgl. die in BGE 106 Ia 16 f. zitierten Entscheide). Nur wer die Unrichtigkeit der Rechtsmittelbelehrung kennt oder sie bei gebührender Aufmerksamkeit hätte erkennen müssen, darf sich nach Treu und Glauben nicht auf diese berufen. Wie das Bundesgericht in BGE 106 Ia 17 f. E. 3b ausgeführt hat, sind nur grobe Fehler der von der Verfügung betroffenen Partei oder ihres Vertreters geeignet, eine falsche Rechtsmittelbelehrung aufzuwiegen. So geniesst der Private keinen Vertrauensschutz, wenn er oder sein Anwalt die Mängel der Rechtsmittelbelehrung durch Konsultierung des massgebenden Gesetzestextes allein erkennen könnte, während von ihm nicht erwartet werden kann, dass er neben diesem Text auch Literatur oder Rechtsprechung nachschlage. Aus diesen Grundsätzen ergibt sich klar, dass die Rekurrenten bzw. ihr Anwalt sich auf die Rechtsmittelbelehrung des Gemeindevorstandes Bonaduz verlassen durften: In wessen Kompetenz die Beurteilung "gemischter" Verfügungen fällt, geht aus dem kantonalen Recht nicht hervor, sondern ergibt sich nur aus der Praxis des Verwaltungsgerichts, die übrigens - soweit ersichtlich - in den Veröffentlichungen keinen Niederschlag gefunden hat. Unter diesen Umständen durfte dem Anwalt der Rekurrenten - und demnach den Rekurrenten selber - kein prozessualer Nachteil daraus erwachsen, dass er sich aufgrund der erwähnten Rechtsmittelbelehrung BGE 112 Ia 305 S. 311 für befugt hielt, die umstrittene Verfügung vom 3./4. Juli 1985 anzufechten. Der Nichteintretensentscheid des Verwaltungsgerichtes verletzt auch aus diesem Grunde Art. 4 BV und ist in Gutheissung der staatsrechtlichen Beschwerde aufzuheben.
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Urteilskopf 102 IV 70 18. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 14. August 1976 i.S. X. gegen Generalprokurator des Kantons Bern.
Regeste Art. 42 Ziff. 1 Abs. 1 StGB . Auch derjenige kann erneut verwahrt werden, der das neue Verbrechen oder Vergehen während der bedingten Entlassung aus einer Verwahrung verübt hat.
Sachverhalt ab Seite 70 BGE 102 IV 70 S. 70 A.- X. ist bereits dreimal verwahrt worden, letztmals durch das Amtsgericht Aarwangen am 4. Februar 1969. Am 5. Februar 1973 wurde er bedingt entlassen, unter Ansetzung einer dreijährigen Probezeit. In diesem Zeitabschnitt wechselte X. oft die Stelle, hielt sich wegen Alkoholismus in der psychiatrischen Universitätsklinik Bern auf und wurde in die Trinkerheilanstalt Tannenhof versetzt. Neue Plazierungsversuche blieben wegen des übermässigen Alkoholgenusses erfolglos. Die letzte Stelle trat X. am 11. März 1975 bei den Gebrüdern I. in Auswil an. Am 28. April 1975 lief er davon, nachdem er im Zimmer von I. nach Geld gesucht und solches auch an sich genommen hatte. Am 30. April 1975 stahl er einem Bauern in Auswil Bargeld im Betrage von Fr. 2'500.--. B.- Wegen dieses letztern Diebstahls verurteilte das Amtsgericht von Aarwangen X. am 20. Oktober 1975 zu acht Monaten Gefängnis, abzüglich 36 Tage Untersuchungshaft. Anstelle des Vollzuges der Gefängnisstrafe ordnete es die Verwahrung an. Das Obergericht des Kantons Bern bestätigte am 29. Januar 1976 das erstinstanzliche Urteil. C.- X. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde. Er beantragt, von der Anordnung der Verwahrung abzusehen. BGE 102 IV 70 S. 71 Erwägungen Aus den Erwägungen: Die frühere Rechtsprechung hatte Art. 42 Ziff. 1 Abs. 1 StGB dahin ausgelegt, dass ein neues vorsätzliches Verbrechen oder Vergehen nur dann Anlass zur Verwahrung geben könne, wenn die neue Tat nach Ablauf der Bewährungszeit für frühere Taten verübt wurde. Werde die neue Tat in der Anstalt, auf der Flucht aus der Anstalt oder während der Probezeit verübt, könne sie nicht zu neuer Verwahrung Anlass geben. Für diese Auslegung spreche der Wortlaut des Gesetzes ("innert fünf Jahren seit der endgültigen Entlassung") und die Überlegung, dass der noch nicht endgültig Entlassene nicht die volle Wirkung der vorangehenden Strafe oder Massnahme an sich erfahren habe, sodass der Rückfall noch nicht ohne weiteres als Beweis der Erfolglosigkeit der frühern Sanktion angesehen werden könne ( BGE 98 IV 3 E. 3). Diese Praxis hat das Bundesgericht geändert mit der Begründung, der Entstehungsgeschichte könne entnommen werden, dass das Gesetz mit der Wendung "innert fünf Jahren seit der endgültigen Entlassung" nur den Endtermin, nicht den Anfang der Zeit bestimmen wollte, innert welcher die neue Tat begangen sein muss, um zu einer Verwahrung führen zu können ( BGE 100 IV 138 ff.). Es wurde hervorgehoben, eine solche Änderung sei angezeigt, weil sonst die Verwahrung nach Art. 42 StGB selbst in Fällen nicht verhängt werden könnte, in denen sie sich aufdränge, der Täter aber seinen verbrecherischen Hang jeweils schon vor einer endgültigen Entlassung aus dem Vollzug einer Freiheitsstrafe kundgetan habe. Dass der Praxisänderung in jenen Fällen in der Regel keine grosse Bedeutung zukommt, in denen der Täter aus der Verwahrung bedingt entlassen wurde und daher eine Rückversetzung nach Art. 45 Ziff. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 42 Ziff. 4 Abs. 3 StGB erfolgt, wurde nicht verkannt. Aber auch für diesen Fall sieht der erwähnte Entscheid die Möglichkeit vor, dass der Richter eine neue Verwahrung verhängt, wird doch ausgeführt: "Das gleiche würde gelten, wenn er (der Täter) die neue Tat beginge, nachdem er bedingt aus einer Verwahrung oder Arbeitserziehung entlassen worden wäre. Dem Umstand, dass der noch nicht endgültig Entlassene noch nicht die volle Wirkung des Vollzugs erfahren hat, kann beim Entscheid Rechnung getragen werden, ob für die neue Tat von BGE 102 IV 70 S. 72 einer Verwahrung abgesehen werden kann, weil begründete Erwartung besteht, auch der Vollzug der Freiheitsstrafe werde den Täter bessern" ( BGE 100 IV 141 , vor Erw. 4). An dieser Praxis, dass selbst eine Rückversetzung in die Verwahrung durch die Vollzugsbehörde den Richter nicht hindert, auch seinerseits eine neue Verwahrung anzuordnen, ist festzuhalten. Dafür spricht einmal der Umstand, dass das Gesetz selber keinen Unterschied zwischen jenen Fällen macht, in denen die Vollzugsbehörde bereits eine Rückversetzung in die Verwahrung angeordnet hat oder noch anordnen wird, und jenen, in denen dies nicht zutrifft. Sodann sind die Voraussetzungen für eine Rückversetzung in die Verwahrungsanstalt und die Anordnung einer neuen Verwahrung nicht identisch. So kann eine Rückversetzung nur angeordnet werden, wenn der Täter bedingt entlassen wurde. Hat er hingegen die neue Tat während der Phase des Anstaltsvollzugs verübt, ist eine Rückversetzung ausgeschlossen. Die vom Richter allenfalls neu angeordnete Verwahrung setzt alsdann der frühesten bedingten Entlassung aus der Verwahrung einen neuen, spätern Termin. Eine Rückversetzung in die Verwahrung muss die Vollzugsbehörde sodann nur anordnen, wenn der Entlassene während der Probezeit ein Verbrechen oder Vergehen verübt hat, für das er zu einer drei Monate übersteigenden und unbedingt zu vollziehenden Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Ist der Entlassene zu einer mildern oder zu einer bedingt zu vollziehenden Strafe verurteilt worden, so liegt die Rückversetzung im Ermessen der Vollzugsbehörde. Der Richter, der die neue Tat zu beurteilen hat, ist an diese Beschränkung nicht gebunden. Fällt somit der Richter, welcher die neue Tat zu beurteilen hat, eine Strafe unter drei Monaten aus, so kann er es doch für angezeigt finden, selber eine neue Verwahrung anzuordnen, wenn er glaubt, diese Massnahme sei wegen der Gefährlichkeit des Täters notwendig. Denn wie die Vollzugsbehörden, welche den richterlichen Entscheid abwarten, urteilen werden, kann er nicht immer voraussehen. Umgekehrt können in solchen Fällen Erwägungen, welche den Richter von einer neuen Verwahrung absehen lassen, der Vollzugsbehörde den Ermessensentscheid nach Art. 45 Ziff. 3 Abs. 2 StGB und den Entlassungsentscheid erleichtern. Auch sonst kann eine neue richterliche Überprüfung der Notwendigkeit des Massnahmeregimes nützlich sein. So kann sie z.B. BGE 102 IV 70 S. 73 Anlass sein, eine Verwahrung nach Art. 43 StGB anzuordnen, die dann in der Regel dem Vollzug der Verwahrung nach Art. 42 StGB vorgehen wird ( Art. 2 Abs. 8 VStGB 1 ). Es kann auch nicht gesagt werden, die Kumulierung der Rückversetzung durch die Vollzugsbehörde in die Verwahrung wegen Nichtbewährung und die Anordnung einer erneuten Verwahrung wegen neuer Delikte durch den Richter widerspreche der Rechtslogik und der Systematik der Rechtsordnung. Die frühere Verwahrung wurde angeordnet, weil der damals urteilende Richter fand, sie sei nötig, um die Gesellschaft vor dem Täter wegen seines Hangs zu Verbrechen zu schützen. Die gleiche Überlegung müssen im Hinblick auf einen späteren Zeitpunkt oft jene Richter machen, welche die neuen Taten zu beurteilen haben. Dass deshalb beide Richter die gleiche sichernde Massnahme anordnen, entspricht in einem solchen Fall der Logik der Dinge und widerspricht ihr keineswegs, wie der Beschwerdeführer meint. Es verbleibt alsdann das Problem der Überschneidung, wenn die erste Verwahrung noch nicht endgültig dahingefallen ist, bevor die zweite Verwahrung angeordnet wurde. Dass aber Richter und Verwaltungsbehörden, zu denen auch die Strafvollzugsbehörden zählen, je unter verschiedenen Gesichtspunkten und bei ungleichen Voraussetzungen auf demselben Gebiete Entscheidungen zu treffen haben, ist eine häufige Erscheinung. Es sei nur an die Nebenstrafen, die sichernden, die andern Massnahmen und die Massnahmen des Jugendstrafrechts erinnert, welchen ähnliche Eingriffe des öffentlichen und des privaten Rechts entsprechen. Es widerspricht daher weder dem Prinzip der Gewaltentrennung noch der Systematik des schweizerischen Rechts, wenn Urteile des Richters und Verfügungen der Vollzugsbehörden nebeneinander bestehen. Daraus kann der Beschwerdeführer umso weniger etwas ableiten, als das Zusammentreffen mehrerer Verwahrungen eine Erscheinung ist, welche schon seit Inkrafttreten des Strafgesetzbuches bekannt ist. Sie belastet den Täter nicht mehr, als es das Gesetz im Interesse gerechter Sühne und der Sicherheit der Gesellschaft verlangt (vgl. Art. 2 Abs. 7 VStGB 1 ). Der Gesetzgeber fand daher trotz verschiedener Gesetzesrevisionen keinen Anlass, daran etwas zu ändern.
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Urteilskopf 104 V 131 30. Extrait de l'arrêt du 12 septembre 1978 dans la cause Bernhard contre Caisse de compensation de l'Industrie horlogère et Commission cantonale neuchâteloise de recours en matière d'AVS
Regeste Art. 12, Art. 14 Abs. 1 und Art. 21 Abs. 1 IVG . - Zur Gewährung von Hilfsmitteln im Rahmen der medizinischen Eingliederungsmassnahmen. - Der Fahrstuhl, der nach einer von der Invalidenversicherung übernommenen intertrochanteren Osteotomie benötigt wird, gehört nicht zur versicherten Behandlung.
Sachverhalt ab Seite 131 BGE 104 V 131 S. 131 Résumé des faits: Germain Bernhard, souffrant de coxarthrose, a été opéré de la hanche droite en août 1973 et de la hanche gauche en janvier 1976. L'assurance-invalidité a pris en charge l'une et l'autre de ces interventions. A sa sortie de l'hôpital le 15 avril 1976, après la seconde intervention, l'intéressé a loué une chaise roulante, le médecin ayant interdit toute marche durant plusieurs semaines encore, même avec appui. Germain Bernhard a demandé que l'assurance-invalidité assume notamment la location de la chaise roulante, mais la BGE 104 V 131 S. 132 Commission de l'assurance-invalidité du canton de Neuchâtel a estimé que les conditions de l'octroi d'un moyen auxiliaire n'étaient pas remplies. Ce refus a été notifié à l'assuré par décision de la Caisse de compensation de l'Industrie horlogère du 25 octobre 1976. B.- L'assuré a recouru. Il faisait valoir, attestation médicale à l'appui, que l'emploi d'un fauteuil roulant avait été condition de sa sortie de l'hôpital. La Commission cantonale de recours en matière d'AVS, Neuchâtel, a considéré qu'un handicap passager, consécutif par exemple à une opération, n'ouvrait pas droit à l'octroi d'un moyen auxiliaire selon l'art. 21 al. 1 LAI, qu'un tel droit ne découlait pas non plus de l'art. 11 al. 1 LAI. Aussi a-t-elle rejeté le recours, par jugement du 30 août 1977. C.- Germain Bernhard interjette recours de droit administratif. Il souligne que l'usage d'un fauteuil roulant résultait d'un ordre du médecin, s'étonne du refus d'un fauteuil roulant alors que des cannes sont accordées, note au passage que, sans fauteuil roulant, il aurait dû rester plusieurs semaines encore à l'hôpital, ce qui eût engendré des frais supérieurs. Erwägungen Considérant en droit: 1. Selon l'art. 21 al. 1 LAI, l'assuré a droit, d'après une liste que dressera le Conseil fédéral, aux moyens auxiliaires dont il a besoin pour exercer une activité lucrative ou accomplir ses travaux habituels, pour étudier ou apprendre un métier ou à des fins d'accoutumance fonctionnelle. L'art. 14 al. 1 RAI, en vigueur jusqu'à fin 1976, mentionne dans cette liste notamment les "cannes, béquilles, cannes-béquilles" (lettre f) et les "fauteuils roulants" (lettre g). L'OMA du 29 novembre 1976, en vigueur depuis le 1er janvier 1977, mentionne pour sa part les "cannes-béquilles, déambulateurs et supports ambulatoires" (ch. 12), ainsi que les "fauteuils roulants" (ch. 9). Mais l'octroi de moyens auxiliaires est une mesure de réadaptation et, pour y avoir droit, l'assuré doit donc satisfaire aux conditions générales d'obtention de telles mesures. Il doit par conséquent être "invalide ou menacé d'une invalidité imminente", ainsi que l'exige l'art. 8 al. 1 LAI. Or l'art. 4 LAI définit l'invalidité comme étant la diminution de la capacité de gain "présumée permanente ou de longue durée". C'est dire qu'un BGE 104 V 131 S. 133 handicap passager, consécutif par exemple à un accident ou à une opération précisément, ne peut ouvrir droit à l'octroi d'un moyen auxiliaire (arrêt non publié Fahrni du 18 avril 1972). Dans l'espèce, lors de l'usage du fauteuil roulant, l'assuré était en convalescence après l'opération subie. Il est manifeste que l'on se trouvait ainsi en présence non d'un état stabilisé mais d'un handicap passager; et on ne pouvait donc parler d'invalidité au sens de la loi, ce qui excluait l'octroi de moyens auxiliaires. 2. La question litigieuse doit cependant être examinée sous un autre angle, qui est celui du traitement. L'assurance-invalidité a en effet pris à sa charge l'opération de la hanche gauche, à titre de mesure médicale selon l'art. 12 LAI. L'usage d'un fauteuil roulant fait-il ou non partie du traitement ainsi assumé? a) Aux termes de l'art. 14 al. 1 LAI, les mesures médicales comprennent le traitement entrepris dans un établissement hospitalier ou à domicile par le médecin ou, sur ses prescriptions, par le personnel paramédical, ainsi que les médicaments ordonnés par le médecin. Pris littéralement, ces termes pourraient laisser entendre que le traitement ne comprend que les actes médicaux proprement dits. Et l'Office fédéral des assurances sociales relève dans sa réponse que, en refusant de payer les frais de location d'un fauteuil roulant, la commission de l'assurance-invalidité n'a fait que reprendre une définition stricte de la notion de mesures médicales; il se réfère aux normes que connaît l'assurance-maladie, déclare applicables par analogie les art. 20 ss Ord. III et paraît vouloir ne retenir comme mesures médicales que les mesures diagnostiques ou thérapeutiques appliquées par le médecin et le personnel paramédical. Pareille définition n'est toutefois guère de mise dans l'assurance-invalidité où, tant selon les textes que d'après la pratique administrative, la notion de mesures médicales déborde quelque peu le cadre étroit des prestations obligatoires selon la LAMA (dont aucune disposition de la LAI ne déclare d'ailleurs les normes applicables, même par analogie). D'une part, en effet, l'art. 2 al. 1 RAI considère comme mesures médicales "notamment" les actes chirurgicaux, physiothérapeutiques et psychothérapeutiques; et, si l'art. 14 al. 1 RAI en vigueur jusqu'à fin 1976 ne se référait formellement qu'au seul art. 21 BGE 104 V 131 S. 134 al. 1 LAI, le nouvel art. 1er al. 2 OMA, en vigueur depuis le 1er janvier 1977, prévoit expressément une application par analogie de ses règles "à la remise de moyens de traitement qui font nécessairement partie d'une mesure médicale de réadaptation au sens des art. 12 et 13 LAI". D'autre part, la pratique administrative (que l'art. 1er al. 2 OMA ne fait au fond que codifier) a toujours admis la remise de tels moyens dans le cadre des mesures médicales; preuve en soit précisément la remise en prêt de cannes après les opérations de la coxarthrose assumées par l'assurance-invalidité, prêt accordé en l'espèce également. b) Le problème à résoudre est si, à l'instar des cannes-béquilles, un fauteuil roulant peut être considéré comme un moyen thérapeutique faisant nécessairement partie du traitement pris en charge par l'assurance-invalidité. Après une ostéotomie intertrochantérienne de varisation de la hanche, le patient doit éviter plusieurs semaines ou mois durant de trop charger le membre opéré. Les cannes-béquilles procurent la décharge indispensable, tout en donnant au convalescent la possibilité de se déplacer. Vu sous cet angle, un fauteuil roulant offre certes une faculté de déplacement comparable, ainsi que l'allègue le recourant. Mais ce point de vue n'est aucunement déterminant. Ce n'est en effet pas la possibilité de se déplacer en tant que telle qui motive et justifie l'octroi de cannes dans le cadre des mesures médicales de réadaptation. La remise de cannes-béquilles tend aussi à permettre et hâter la rééducation à la marche; seule cette rééducation, qui fait partie encore du traitement, motive et justifie pareille remise. Or le fauteuil roulant, simple moyen de déplacement, ne contribue en rien à la rééducation et ne relève pas du traitement; il ne saurait donc être remis dans le cadre des mesures médicales de réadaptation. Le recourant note que, sans fauteuil roulant, il aurait dû rester plusieurs semaines encore à l'hôpital, ce qui eût engendré des frais supérieurs. Mais il relève lui-même, à raison, que cet élément n'a pas de poids sur le plan juridique. Même s'il était avéré que la location d'un fauteuil roulant a réduit les frais, ce fait ne pourrait suppléer le défaut de dispositions légales... Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral des assurances prononce: Le recours de droit administratif est rejeté.
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Urteilskopf 117 Ia 90 17. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 25. Januar 1991 i.S. X. gegen Regierungsrat des Kantons Appenzell A.Rh. (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Art. 88 OG ; Art. 2 und 10 des Gesetzes des Kantons Appenzell A.Rh. über das Gesundheitswesen; Art. 4 und 31 BV . Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde. Rechtliches Gehör. 1. Legitimation: Rechtlich geschütztes Interesse bei Berufung auf ein spezielles Grundrecht und auf das Willkürverbot (E. 2). 2. Wenn die Zulassung zur Ausübung eines Medizinalberufs grundsätzlich den Inhabern eidgenössischer Diplome vorbehalten ist, kann sich der Bewerber um eine ausschliesslich im öffentlichen Interesse vorgesehene Ausnahmebewilligung nicht auf die Handels- und Gewerbefreiheit berufen (E. 3). 3. Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde wegen formeller Rechtsverweigerung bei Fehlen der Legitimation in der Sache (E. 4). 4. Gehörsanspruch: Kein Recht auf Stellungnahme bezüglich eines bloss verwaltungsinternen Dokuments (E. 5).
Sachverhalt ab Seite 91 BGE 117 Ia 90 S. 91 Grundsätzlich lässt der Kanton Appenzell A.Rh. Zahnärzte zur uneingeschränkten Ausübung dieser Berufstätigkeit nur zu, wenn sie das eidgenössische Diplom erworben haben (Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes vom 25. April 1965 über das Gesundheitswesen; GG). Wenn jedoch ein Mangel an eidgenössisch diplomierten Zahnärzten besteht, kann der Regierungsrat Personen, die an einer in- oder ausländischen Hochschule ein dem eidgenössischen Diplom gleichwertiges Fähigkeitszeugnis erworben haben und sich über BGE 117 Ia 90 S. 92 eine ausreichende Praxis ausweisen, den eidgenössisch diplomierten Medizinalpersonen gleichstellen (Art. 2 Abs. 2 GG). Daneben gibt es kantonal approbierte Zahnärzte (Art. 10 GG), die alle Befugnisse eines Zahnarztes ausüben können mit Ausnahme amtlicher Verrichtungen im Sinne von Art. 4 GG, der Behandlung von Kieferkrankheiten und der Verschreibung rezeptpflichtiger Heilmittel (Art. 10ter GG). Gemäss der 1986 revidierten Fassung von Art. 10 Abs. 1 GG wird die Bewilligung zur Ausübung des Zahnarztberufes als kantonal approbierter Zahnarzt nur noch nach erfolgreicher Ablegung einer Prüfung erteilt. Nach erfolgreichem Universitätsstudium in den Vereinigten Staaten Amerikas promovierte der Schweizer Bürger X. 1986 zum Doktor der Zahnmedizin. Zur Zeit ist er in eigener Praxis im Staate New York tätig. Mit Eingabe vom 22. Mai 1989 an das Sanitätssekretariat beantragte X., er sei den eidgenössisch diplomierten Zahnärzten gleichzustellen, eventualiter sei ihm zu bewilligen, den Zahnarztberuf im Kanton Appenzell A.Rh. prüfungsfrei als kantonal approbierter Zahnarzt selbständig auszuüben, subeventuell sei er zur Prüfung gemäss Art. 10 GG zuzulassen. Da zur Behandlung des Hauptantrages der Regierungsrat auf Antrag der Sanitätskommission und zur Behandlung der Eventualanträge die Sanitätskommission zuständig waren, bat er um Weiterleitung an die zuständigen Behörden. Gleichzeitig ersuchte er, es sei ihm Gelegenheit zu geben, zum Antrag der Sanitätskommission Stellung zu nehmen. Mit Beschluss vom 25. Juli 1989 verfügte der Regierungsrat, dem Gesuch um Gleichstellung mit den Medizinalpersonen, d.h. dem Hauptantrag der am 22. Mai 1989 an das Sanitätssekretariat gerichteten Eingabe, werde nicht stattgegeben. Dagegen erhob X. am 13. September 1989 staatsrechtliche Beschwerde. Am 28. August 1989 gelangte X. mit einem neuen Gesuch bzw. einem Wiederaufnahmebegehren oder Wiedererwägungsgesuch an den Regierungsrat. Den Beschluss des Regierungsrates, auf das Wiederaufnahmegesuch werde nicht eingetreten und das neue Gesuch betreffend Gleichstellung werde abgelehnt, focht er mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 6. Dezember 1989 an. Eine weitere staatsrechtliche Beschwerde erhob X. am 2. Januar 1990 gegen den Beschwerdeentscheid des Regierungsrates betreffend kantonale Approbation. Der Regierungsrat des Kantons Appenzell A.Rh. schliesst auf Abweisung der staatsrechtlichen Beschwerden. BGE 117 Ia 90 S. 93 Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. a) Das Bundesgericht prüft die Legitimation des Beschwerdeführers frei und von Amtes wegen ( BGE 115 Ib 508 ; BGE 114 Ia 223 E. 1b, 330 E. 2b). Nach Art. 88 OG steht das Recht zur Beschwerdeführung Bürgern (Privaten) und Korporationen bezüglich solcher Rechtsverletzungen zu, die sie durch allgemein verbindliche oder sie persönlich treffende Erlasse oder Verfügungen erlitten haben. Gemäss ständiger Rechtsprechung kann mit staatsrechtlicher Beschwerde lediglich die Verletzung in rechtlich geschützten eigenen Interessen gerügt werden ( BGE 115 Ia 78 E. 1c; BGE 114 Ia 311 E. 3b; BGE 113 Ia 349 mit Hinweisen). Zur Verfolgung bloss tatsächlicher Interessen wie auch zur Geltendmachung allgemeiner öffentlicher Interessen ist die staatsrechtliche Beschwerde nicht gegeben ( BGE 115 Ia 78 E. 1c). b) Die eigenen Interessen des Beschwerdeführers, der sich auf ein spezielles Grundrecht beruft, können durch die Bundesverfassung selber rechtlich geschützt sein, sofern die Interessen auf dem Gebiet liegen, welches die angerufene Verfassungsbestimmung beschlägt ( BGE 105 Ia 45 E. 1a). Nach ständiger Rechtsprechung verschafft dagegen das allgemeine Willkürverbot, das bei jeder staatlichen Verwaltungstätigkeit nach Art. 4 Abs. 1 BV zu beachten ist, für sich allein dem Betroffenen keine geschützte Rechtsstellung im Sinne von Art. 88 OG . Die Legitimation zur Willkürbeschwerde besteht nur, wenn das Gesetzesrecht, dessen willkürliche Anwendung gerügt wird, dem Beschwerdeführer einen Rechtsanspruch einräumt oder den Schutz seiner beeinträchtigten Interessen bezweckt ( BGE 110 Ia 75 E. 2a; BGE 107 Ia 184 E. 2a mit Hinweisen). 3. a) Der Beschwerdeführer beruft sich auf die Handels- und Gewerbefreiheit und verlangt Gleichstellung mit den eidgenössisch diplomierten Zahnärzten bzw. Zulassung als kantonal approbierter Zahnarzt. Ferner rügt er die Verletzung des Willkürverbotes. b) Der Beschwerdeführer kann sich grundsätzlich auf die Handels- und Gewerbefreiheit berufen, um als Zahnarzt tätig zu sein. Gemäss Art. 31 Abs. 2 BV bleiben aber kantonale Bestimmungen über die Ausübung von Handel und Gewerben vorbehalten. Den Kantonen steht es nach Art. 33 BV insbesondere frei, die Ausübung wissenschaftlicher Berufsarten von einem Fähigkeitsausweis abhängig zu machen. Dabei ist auf dem Wege der Bundesgesetzgebung BGE 117 Ia 90 S. 94 dafür zu sorgen, dass derartige Ausweise für die ganze Eidgenossenschaft gültig erworben werden können. Der Kanton Appenzell A.Rh. hat in Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes vom 25. April 1965 über das Gesundheitswesen (Gesundheitsgesetz, GG; bGS 811.1) von seiner Befugnis, grundsätzlich nur eidgenössisch diplomierte Zahnärzte als Medizinalpersonen anzuerkennen, Gebrauch gemacht. Diese kantonale Regelung wird vom Beschwerdeführer nicht in Frage gestellt. Sie bedeutet, dass der Beschwerdeführer, der kein eidgenössisches Zahnarztdiplom besitzt, im Kanton Appenzell A.Rh. grundsätzlich nicht als Medizinalperson tätig sein kann. Art. 2 Abs. 2 GG gibt indessen dem Regierungsrat die Möglichkeit, vom Erfordernis des eidgenössischen Diploms abzusehen, um auch in einer Notlage die medizinische Versorgung der Bevölkerung gewährleisten zu können. Das heisst allerdings nicht, dass sich der Beschwerdeführer für die Anwendung dieser Bestimmung auf die Handels- und Gewerbefreiheit berufen kann. Die Kantone sind nämlich nicht verpflichtet, eine solche Ausnahmebestimmung zu erlassen, und diese selbst dient im Gegensatz zu andern Kannvorschriften in keiner Weise der Berücksichtigung privater Interessen. Mit Art. 2 Abs. 1 GG hat der kantonale Gesetzgeber einen aus der Handels- und Gewerbefreiheit fliessenden Rechtsanspruch nicht eidgenössisch Patentierter auf die Zulassung als ordentliche Medizinalpersonen ausgeschlossen. Art. 2 Abs. 2 GG bezweckt allein, den Behörden zu ermöglichen, im öffentlichen Interesse vom Erfordernis des eidgenössischen Diploms abzusehen. Da Art. 2 Abs. 2 GG dem Beschwerdeführer weder einen Rechtsanspruch einräumt, noch den Schutz seiner Interessen bezweckt, ist die Legitimation zur Willkürbeschwerde ebenfalls zu verneinen. Auf die staatsrechtlichen Beschwerden vom 13. September 1989 und 6. Dezember 1989 betreffend Gleichstellung mit den eidgenössisch diplomierten Zahnärzten ist daher - unter Vorbehalt von E. 4 hienach - nicht einzutreten. c) Gemäss Art. 10 GG lässt der Kanton Appenzell A.Rh. auch kantonal approbierte Zahnärzte zu. Der Beschwerdeführer kann sich für die Zulassung unter diesem Titel auf die Handels- und Gewerbefreiheit berufen, wobei gegebenenfalls auch die Anwendung des kantonalen Rechts - bei schweren Eingriffen frei, bei leichten Eingriffen auf Willkür - zu prüfen ist. Die Legitimation zur Beschwerde betreffend kantonale Approbation ist daher gegeben. Da BGE 117 Ia 90 S. 95 auch die übrigen formellen Voraussetzungen erfüllt sind, ist auf die staatsrechtliche Beschwerde vom 2. Januar 1990 einzutreten. 4. a) Hinsichtlich Gleichstellung mit den Medizinalpersonen kann der Beschwerdeführer trotz fehlender Legitimation in der Sache selbst die Verletzung von Verfahrensvorschriften rügen, deren Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung darstellt ( BGE 115 Ia 79 E. 1d; BGE 114 Ia 312 E. 3c; BGE 113 Ia 250 E. 3). Das nach Art. 88 OG erforderliche, rechtlich geschützte Interesse ergibt sich in solchen Fällen nicht aus einer Berechtigung in der Sache, sondern aus einer Berechtigung am kantonalen Verfahren. Eine solche besteht dann, wenn dem Beschwerdeführer im kantonalen Verfahren Parteistellung zukommt. Dieser kann mit der staatsrechtlichen Beschwerde die Verletzung jener Parteirechte rügen, die ihm nach dem kantonalen Verfahrensrecht oder unmittelbar aufgrund von Art. 4 BV zustehen. Der Beschwerdeführer, der in der Sache nicht berechtigt ist, dem aber im kantonalen Verfahren Parteistellung zukam, kann beispielsweise geltend machen, auf ein Rechtsmittel sei zu Unrecht nicht eingetreten worden, er sei nicht angehört worden, habe keine Gelegenheit erhalten, Beweisanträge zu stellen, oder er habe nicht Akteneinsicht nehmen können. Hingegen kann er weder die Würdigung der beantragten Beweise noch die Tatsache, dass seine Anträge wegen Unerheblichkeit oder aufgrund vorweggenommener Beweiswürdigung abgelehnt wurden, rügen ( BGE 114 Ia 313 E. 3c). Gleich verhält es sich hinsichtlich der Rüge, eine Begründung sei mangelhaft bzw. die Behörde habe sich nicht genügend mit den Argumenten des Beschwerdeführers auseinandergesetzt. Die Beurteilung dieser Fragen kann nämlich nicht von der Prüfung der Sache selber getrennt werden; auf eine solche hat der in der Sache selbst nicht Legitimierte keinen Anspruch. b) Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich folgendes: Auf die staatsrechtliche Beschwerde vom 6. Dezember 1989 kann auch hinsichtlich der vorgebrachten formellen Rügen, die Begründung sei ungenügend und der Regierungsrat habe sich mit den Argumenten des Beschwerdeführers nicht auseinandergesetzt, nicht eingetreten werden. Hingegen ist auf die staatsrechtliche Beschwerde vom 13. September 1989 einzutreten, soweit damit eine formelle Rechtsverweigerung gerügt wird. 5. In der Beschwerde vom 13. September 1989 wird geltend gemacht, der Gehörsanspruch sei dadurch verletzt worden, dass BGE 117 Ia 90 S. 96 der Regierungsrat dem Gesuchsteller keine Möglichkeit gegeben habe, zum Antrag der Sanitätskommission bezüglich des Gleichstellungsgesuches Stellung zu nehmen. a) Der Umfang des Gehörsanspruchs wird zunächst durch die kantonalen Verfahrensvorschriften bestimmt; erst wo sich dieser Rechtsschutz als ungenügend erweist, greifen die unmittelbar aus Art. 4 BV folgenden bundesrechtlichen Minimalgarantien Platz. Da der Beschwerdeführer nicht behauptet, kantonale Verfahrensvorschriften seien verletzt worden, ist einzig und zwar mit freier Kognition zu prüfen, ob unmittelbar aus Art. 4 BV folgende Regeln missachtet wurden ( BGE 115 Ia 10 E. 2a; BGE 114 Ia 98 E. 2). b) Das Recht auf Akteneinsicht und Äusserung besteht dann, wenn es sich um ein beweiserhebliches Dokument und nicht bloss um ein verwaltungsinternes Papier handelt ( BGE 113 Ia 288 E. 2d). Zu prüfen ist somit, welcher Natur der Antrag der Sanitätskommission im Gleichstellungsverfahren ist. Über das Gleichstellungsgesuch entscheidet nicht die Sanitätskommission, sondern auf deren Antrag hin der Regierungsrat. Gemäss Art. 3 Abs. 1 der Verordnung vom 8. Dezember 1986 zum Gesundheitsgesetz (GVO; bGS 811.11) ist es Aufgabe der Sanitätskommission, der Sanitätsdirektion in allen Fragen der öffentlichen Gesundheitspflege und der Medizinalpolizei beratend zur Seite zu stehen. Vorsitzender der sieben Mitglieder zählenden Sanitätskommission ist denn auch der Sanitätsdirektor (Art. 2 GVO). Der Sanitätsdirektion selber obliegt, unter der Oberaufsicht des Regierungsrates, die Leitung des Gesundheitswesens (Art. 1 GVO). Unter diesen Umständen dient der Bericht der Sanitätskommission der internen Vorbereitung des Regierungsratsentscheides. Dass der Regierungsrat entgegen dem Gesuch des Beschwerdeführers diesen nicht zur Stellungnahme zum Antrag eingeladen hat, kann daher nicht beanstandet werden.
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Urteilskopf 120 V 435 61. Urteil vom 9. August 1994 i.S. J. K. gegen Ausgleichskasse Basel-Stadt und Kantonale Rekurskommission für die Ausgleichskassen, Basel
Regeste Art. 66 Abs. 1 und 2 IVV (in Verbindung mit Art. 46 IVG ). - Sofern es sich beim Versicherten um eine urteilsfähige Person handelt, ist zur Befreiung von der Schweigepflicht ( Art. 66 Abs. 2 IVV ), im Gegensatz zur Geltendmachung des Anspruchs ( Art. 66 Abs. 1 IVV ), ausschliesslich er selbst legitimiert. Dem revidierten Art. 66 IVV liegen Persönlichkeitsschutzüberlegungen zugrunde, so dass eine Legitimation Dritter unter allen Umständen ausser Betracht fällt. Rz. 1051 Abs. 2 des BSV-Kreisschreibens über das Verfahren in der Invalidenversicherung (KSVI) ist bundesrechtswidrig (Erw. 2b und 3d). - Arztberichte über einen urteilsfähigen Versicherten, die ohne dessen Einwilligung zur Entbindung von der ärztlichen Geheimhaltungspflicht in das Abklärungsdossier der Invalidenversicherung gelangten, unterliegen einem von Amtes wegen zu beachtenden Beweisverwertungsverbot. Eine aus den Fallumständen abgeleitete, allein zugunsten der Verwaltung wirkende, stillschweigende Entbindung von der Geheimhaltungspflicht ist unzulässig. Das Beweisverwertungsverbot geht dem Schutz der Persönlichkeitsrechte durch Beschränkung der Akteneinsicht des anmelde- und beschwerdelegitimierten Dritten im Verwaltungsprozess vor (Erw. 3a, b und c).
Sachverhalt ab Seite 436 BGE 120 V 435 S. 436 A.- Die Eheleute M. und J. K. sind gerichtlich getrennt; die Ehefrau lebt in Basel, der Ehemann in X. Das Zivilgericht des Sensebezirks verpflichtete J. K. mit Entscheid vom 30. April 1991, seiner Ehefrau einen monatlichen Unterhalt von Fr. 1'300.-- zu bezahlen, wobei es berücksichtigte, dass M. K., ihres Gesundheitszustandes wegen, eine umfangreichere als die vor der Trennung ausgeübte 50%ige Erwerbstätigkeit nicht zumutbar sei. Eine Berufung gegen diese Unterhaltsregelung wies das Kantonsgericht des Staates Freiburg am 20. September 1991 rechtskräftig ab. Im entsprechenden Entscheid führte es u.a. aus: "Das Gesuch um eine Rente hat grundsätzlich die Berufungsbeklagte zu stellen ( Art. 66 IVV [...]). Doch steht auch dem Berufungskläger in seiner Eigenschaft als unterhaltspflichtiger Ehemann dieses Recht zu ( BGE 99 V 166 Erw. 1). Weder sie noch er haben es bisher getan. Das vorinstanzliche Urteil ist daher zu bestätigen. Sollte die Invalidenversicherung auf Gesuch einer der Parteien in der Folge der Berufungsbeklagten eine Rente zusprechen, wird der Berufungskläger die Abänderung oder die Revision des Urteils verlangen." Gestützt auf diese Belehrung meldete J. K. seine Ehefrau am 18. Oktober 1991 zum Rentenbezug an. Die Invalidenversicherung setzte M. K. von diesem Sachverhalt in Kenntnis, zog Arztberichte des Dr. med. S., Spezialarzt für Physikalische Medizin und Rehabilitation/Rheumatologie FMH, Basel, vom 5. Dezember 1991, und des Dr. med. H., Spezialarzt für Innere Medizin FMH, Basel, vom 21. Dezember 1991, sowie einen Arbeitgeberbericht bei und liess durch den Regionalen Abklärungsdienst am 12. März 1992 Erhebungen bei der BGE 120 V 435 S. 437 Versicherten über ihre häusliche Situation anstellen. Mit Vorbescheid vom 15. Juli 1992 wurde M. K. mitgeteilt, dass aufgrund der veranlassten Nachforschungen eine Rentenberechtigung nicht gegeben sei. Nachdem die Versicherte die ihr eingeräumte Frist zur Stellungnahme unbenützt verstreichen liess, wies die Ausgleichskasse Basel-Stadt das Leistungsbegehren mit einer an J. K. gerichteten Verfügung vom 5. August 1992 ab. B.- J. K. suchte in der Folge "zur allfälligen Ausübung des Beschwerderechtes" um Akteneinsicht nach. Diese wurde ihm jedoch seitens der Verwaltung verweigert, da sie sich nunmehr auf den Standpunkt stellte, sie hätte das Dossier über die Versicherte ohne deren Einwilligung gar nicht erstellen und keine Abklärungen durchführen dürfen. Hierauf erhob J. K. Beschwerde und rügte u.a. die Nichtgewährung der Akteneinsicht. Am 28. Oktober 1992 eröffnete die Ausgleichskasse M. K. eine der angefochtenen entsprechende Verfügung, nachdem sie ihr vorgängig den ganzen Sachverhalt und die resultierende Problematik (Verletzung der Persönlichkeit) aus Verwaltungssicht nochmals mitgeteilt hatte. Die Versicherte nahm am 17. November 1992 Einsicht in ihr Dossier; eine Beschwerde erhob sie jedoch nicht. Die Kantonale Rekurskommission für die Ausgleichskassen, Basel, nahm sodann in der Beschwerdesache von J. K. eine Interessenabwägung zwischen dessen Anspruch auf Akteneinsicht als Teil des Anspruchs auf rechtliches Gehör und des ungeschriebenen verfassungsmässigen Freiheitsrechts seiner Frau auf Schutz ihrer Privatsphäre und ihres Privatlebens vor. Sie kam zum Schluss, letzteres müsse höher gewichtet werden als das Akteneinsichtsrecht. Die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör könne daher nicht die Aufhebung der angefochtenen Verfügung zur Folge haben. In materieller Hinsicht wies die Rekurskommission das wiederum gestellte Leistungsbegehren nach einer halben Rente ab (Entscheid vom 22. Februar 1993). C.- J. K. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt, es sei primär M. K. eine halbe Invalidenrente ab Oktober 1990 auszurichten, subsidiär das Verwaltungsverfahren zu wiederholen, unter voller Respektierung der Mitwirkungsrechte, insbesondere der Akteneinsicht. Die Ausgleichskasse beantragt in ihrer Stellungnahme die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. M. K. als Mitinteressierte und das Bundesamt für Sozialversicherung verzichten auf die Einreichung einer Vernehmlassung. BGE 120 V 435 S. 438 Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. (Kognition) 2. a) Die Vorinstanz hat ausgeführt, dass der zur Zahlung von Unterhaltsbeiträgen an seine getrennt lebende Ehefrau verpflichtete Beschwerdeführer nach der gesetzlichen Regelung ( Art. 66 Abs. 1 IVV in Verbindung mit Art. 46 IVG ) und der Rechtsprechung ( BGE 99 V 166 f. Erw. 1 mit Hinweisen) einerseits befugt war, die Ehefrau zum Bezug von Leistungen bei der Invalidenversicherung anzumelden, und ihm anderseits die Legitimation zukam, den streitigen Anspruch im Verwaltungsprozess selbständig zu verfolgen (vgl. BGE 98 V 55 Erw. 1 mit Hinweisen). Auf diese zutreffenden Erwägungen im angefochtenen Entscheid kann verwiesen werden. b) Zu beachten ist indessen, dass mit der u.a. Art. 66 IVV betreffenden Verordnungsänderung vom 29. Juni 1983, welche auf 1. Januar 1984 in Kraft trat, einerseits der Kreis der zur Anmeldung befugten Personen eingeschränkt ( Art. 66 Abs. 1 IVV ) und anderseits, in einem neuen Abs. 2, eine Regelung über die Befugnis zur Befreiung von der Schweigepflicht eingefügt wurde. Art. 66 Abs. 2 IVV lautet wie folgt: "Ist der Versicherte urteilsunfähig, so kann sein gesetzlicher Vertreter andere Personen gegenüber den Organen der Versicherung von der Schweigepflicht befreien, soweit dies zur Abklärung des Anspruchs oder für den Rückgriff auf haftpflichtige Dritte erforderlich ist. Ist kein gesetzlicher Vertreter bestimmt, so steht diese Befugnis auch der betreuenden Person zu, die den Anspruch geltend macht." Mit dieser Neuerung wurde in erster Linie Bedenken des Persönlichkeitsschutzes Rechnung getragen, welche unter der bis 31. Dezember 1983 geltenden Regelung auftraten, wenn nicht der Versicherte oder sein gesetzlicher Vertreter die Anmeldung zum Leistungsbezug vornahmen. Der Persönlichkeitsschutz gebietet es nach Auffassung des Bundesrates nämlich, dass die für die Abklärung der Leistungsberechtigung notwendige Befreiung von der Schweigepflicht (etwa von Ärzten, medizinischen Hilfspersonen, Spitälern, Fürsorgeeinrichtungen usw.) auch bei der Anmeldung durch Dritte ausdrücklich dem Versicherten oder seinem gesetzlichen Vertreter vorbehalten bleibt. Eine andere Person kann diese Befreiung nur erteilen, wenn der Versicherte urteilsunfähig ist. In diesem Fall kann entweder der gesetzliche Vertreter oder bei dessen Fehlen die den Versicherten betreuende Person Dritte vom Berufsgeheimnis entbinden, nicht hingegen die anmeldungsberechtigten Behörden, weil sie nicht in dem gleichen engen BGE 120 V 435 S. 439 Verhältnis zum Versicherten stehen. Für den urteilsfähigen Versicherten schliesslich darf aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes weder ein gesetzlicher Vertreter noch ein anmeldungsberechtigter Dritter andere von der Schweigepflicht befreien (vgl. Erläuterungen zur Verordnungsänderung vom 29. Juni 1983 in: ZAK 1983 S. 430 f.). Mit andern Worten steht bei urteilsfähigen Versicherten die Befugnis zur Schweigepflichtbefreiung ausschliesslich diesen selbst zu. c) Die Verwaltung vertritt vorliegend die Auffassung, dass sie diesen Punkt übersehen und der Beizug der Arztberichte ohne das erforderliche Einverständnis der Versicherten erfolgt sei. Dies trifft zu; denn es wird weder geltend gemacht noch ergeben sich aus den Akten irgendwelche Anhaltspunkte für die Annahme, die Versicherte könnte urteilsunfähig sein, so dass eine sie betreuende Person oder ihr gesetzlicher Vertreter zur Erteilung der Schweigepflichtbefreiung hätte ermächtigt sein können. Daraus folgt, dass die fraglichen Aktenstücke rechtswidrig in das Dossier der Versicherten Eingang gefunden haben. 3. a) Angesichts dieser Sachlage hat sich die Vorinstanz die Frage gestellt, ob das im Zusammenhang mit der Beschwerdelegitimation des Ehemanns zu beachtende Recht auf Akteneinsicht - welches nach gefestigter Rechtsprechung und Lehre aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör folgt, der seinerseits aus Art. 4 BV abgeleitet wird, sofern keine besonderen bundes- oder kantonalrechtlichen Bestimmungen vorgehen ( BGE 115 V 302 Erw. 2e, ZAK 1988 S. 39 Erw. 2a; vgl. ferner BGE 117 Ia 96 Erw. 5a, BGE 113 Ia 4 Erw. 4a, BGE 112 Ia 100 Erw. 5, BGE 110 Ia 85 Erw. 3b; KNAPP, Précis de droit administratif, 4. Aufl. 1991, S. 144 ff., Rz. 669 ff.; RHINOW/KRÄHENMANN, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband zur 5./6. Aufl., 1990, Nr. 82/83, S. 265 ff.; COTTIER, Der Anspruch auf rechtliches Gehör, in: "recht" 2/1984, S. 1 ff., je mit weiteren Hinweisen) - die Persönlichkeitsrechte der Ehefrau zu verdrängen vermöge. Sie hat diese Frage verneint und, in Verweigerung des Akteneinsichtsrechts des Beschwerdeführers, gestützt auf die "eindeutige Aktenlage" die Ausrichtung von Rentenleistungen abgelehnt. b) Dieser Vorgehensweise kann nicht zugestimmt werden; denn auch für die Verwaltungsjustizorgane gilt ein Verbot der Verwertung rechtswidrig erlangter Beweismittel (RKUV 1985 Nr. K 646 S. 242 f. Erw. 5d; IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Bd. I, 5./6. Aufl., 1986, Nr. 89, S. 555 mit Hinweis auf BGE 99 V 15 und BGE 96 I 440 f.). BGE 120 V 435 S. 440 Dieses Verwertungsverbot gilt allerdings nicht absolut: Nur wenn die Beweismittel nicht auch rechtmässig hätten beschafft werden können, ist deren Berücksichtigung untersagt. Diese Praxis wurde in BGE 109 Ia 244 ff. dahingehend ergänzt, dass rechtswidrig erlangte Beweismittel auch dann nicht verwertet werden dürfen, wenn bei ihrer Beschaffung ein Rechtsgut verletzt wurde, das im konkreten Fall den Vorrang vor dem Interesse an der Erforschung der Wahrheit und der Durchsetzung des Rechts verdient (RHINOW/KRÄHENMANN, a.a.O., Ergänzungsband, Nr. 89, S. 301; vgl. auch Urteil des EGMR vom 12. Juli 1988 i.S. Schenk, Serie A, Band 140 = EuGRZ 1988, S. 390 ff.). Vorliegend sind die umstrittenen Arztberichte ins Dossier der Verwaltung gelangt, ohne dass die Persönlichkeitsschutzrechte des Art. 66 Abs. 2 IVV Beachtung fanden. Diese aber sind gerade geeignet und mit dem Ziel in der Verordnung verankert worden, einer urteilsfähigen Person allein um ihrer Persönlichkeit willen zu ermöglichen, die Durchsetzung des Rechts, letztlich bestehend in der Abklärung der Rentenberechtigung, zu verhindern. c) Die Vorinstanz hätte daher im Rahmen ihrer Prozessleitung die betroffene Versicherte anfragen sollen, ob sie nachträglich die Entbindung ihrer Ärzte von der Schweigepflicht erteile. Hiezu bestand Anlass, da sich die Versicherte ohne weiteres auf die Abklärung ihrer Betätigungsmöglichkeiten im Haushalt eingelassen hat. Wie die Vorinstanz zu schliessen, sie hätte deswegen (und durch die Nichtanfechtung der auch ihr zugestellten Verfügung) die Ärzte ausschliesslich gegenüber der Invalidenversicherung implizite von der Schweigepflicht befreit, geht indessen nicht an. Für die Heilung des Mangels der Rechtswidrigkeit des Beweismittels muss nach dem Sinn von Art. 66 Abs. 2 IVV aktives Zutun der in der Persönlichkeit geschützten Versicherten gefordert werden. Hätte sie die nachträgliche Entbindung verweigert, wäre die kantonale Rekurskommission im Rahmen des die Verwaltungsrechtspflege und insbesondere das Beweisverfahren prägenden Untersuchungsgrundsatzes nach dem Gesagten von Amtes wegen verpflichtet gewesen, die rechtswidrig zu den Akten gekommenen Arztberichte prozessleitend aus dem Recht zu weisen (GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., Bern 1983, S. 208 f. und 277 f.; MATTHEY/HOTTELIER, La légalité des preuves en procédure administrative genevoise, in: RDAF 1989, S. 154). Die Frage nach einer allfälligen Beschränkung des Akteneinsichtsrechts des Beschwerdeführers im Sinne der Rechtsprechung ( BGE 115 V 302 Erw. 2f mit Hinweisen, BGE 113 Ia 4 Erw. 4a mit BGE 120 V 435 S. 441 Hinweisen, 113 Ib 268 f. Erw. 4c, 100 Ia 104 Erw. 5d) hätte sich demnach überhaupt nicht gestellt. Sodann wäre der invalidenversicherungsrechtlich massgebende Sachverhalt unter Wahrung der Persönlichkeitsrechte der betroffenen Versicherten erneut abzuklären gewesen, da es - ohne die nicht berücksichtigten Arztberichte - an der Spruchreife des Prozesses mangelte. d) Da der eigentliche Verfahrensfehler, die unautorisierte Einholung der fraglichen Arztberichte, wie die Verwaltung bereits in einem frühen Prozessstadium erkannte, während der administrativen Abklärung unterlief, rechtfertigt es sich, die Sache nicht an die Vorinstanz, sondern an die Ausgleichskasse zurückzuweisen, damit diese das Rentengesuch des Beschwerdeführers vom 18. Oktober 1991 noch einmal zur - rechtmässigen - Prüfung an die Hand nehme. Dabei wird sie, sofern die Versicherte ihre Mitwirkungspflicht an der Abklärung der Rentenberechtigung - bestehend in der Entbindung der Ärzte von der Schweigepflicht - verweigert, die aus BGE 108 V 229 fliessende Praxis zu beachten haben. Rz. 1051 Abs. 2 des Kreisschreibens über das Verfahren in der Invalidenversicherung (KSVI), welche das Recht zur Befreiung von der Schweigepflicht im ohne achtenswerte Gründe erfolgten Weigerungsfalle des - urteilsfähigen - Versicherten (oder seines Vertreters) über Rz. 1051 Abs. 1 und den dortigen Verweis auf Rz. 1016 Dritten einräumt, ist im Lichte des revidierten Art. 66 IVV (vgl. oben Erw. 2b in fine) bundesrechtswidrig. Wenn die Versicherte mit einem solchen Verhalten die zivilrechtlich begründeten Interessen ihres unterhaltspflichtigen Ehemannes zu schädigen trachten sollte, wird dies der Zivilrichter zu würdigen haben. 4. (Kostenpunkt)
null
nan
de
1,994
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
007c1a99-05fb-4488-a1f9-923b45e78de8
Urteilskopf 101 V 215 45. Auszug aus dem Urteil vom 4. September 1975 i.S. Ausgleichskasse des Kantons Aargau gegen Obrist und Obergericht des Kantons Aargau
Regeste Art. 9 Abs. 4 FLG . Auch Bezüger ganzer Renten der Invalidenversicherung können Anspruch auf Kinderzulagen erheben.
Erwägungen ab Seite 215 BGE 101 V 215 S. 215 Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. a) Gemäss Art. 5 Abs. 1 FLG haben Anspruch auf Familienzulagen für Kleinbauern die hauptberuflichen selbständigerwerbenden Landwirte, deren reines Einkommen Fr. 16'000.-- im Jahre nicht übersteigt; die Einkommensgrenze erhöht sich um Fr. 1'500.-- für jedes Kind im Sinne von Art. 9 FLG . Als hauptberuflich tätig gilt ein Kleinbauer, BGE 101 V 215 S. 216 der im Verlaufe des Jahres vorwiegend in seinem landwirtschaftlichen Betrieb tätig ist und aus dem Ertrag dieser Tätigkeit in überwiegendem Masse den Lebensunterhalt seiner Familie bestreitet ( Art. 5 Abs. 2 FLG ). Gestützt auf Art. 5 Abs. 3 FLG hat der Bundesrat in Art. 4 ff. FLV nähere Vorschriften über die Bewertung und Ermittlung des Einkommens erlassen. b) Nach dem seit dem 1. April 1974 in Kraft stehenden Art. 9 Abs. 4 FLG besteht für Kinder, denen eine Kinderrente oder Waisenrente der AHV gewährt wird, keine Zulagenberechtigung. Im gleichen Sinne bestimmt Art. 3 Abs. 4 FLG , dass landwirtschaftliche Arbeitnehmer, denen eine Rente gemäss AHVG ausgerichtet wird, keinen Anspruch auf Haushaltungszulage haben. 2. Im vorliegenden Fall ist streitig, ob Dominik Obrist anspruchsberechtigter Kleinbauer im Sinne von Art. 5 FLG ist. Dies beurteilt sich vorab danach, ob sein Renteneinkommen (ganze einfache Invalidenrente mit Zusatzrente für die Ehefrau und Kinderrenten) als Ersatzeinkommen zum Ertrag aus dem Landwirtschaftsbetrieb zu rechnen ist. a) Unter der Herrschaft des bis Ende 1952 gültig gewesenen Bundesbeschlusses über die Ausrichtung von Familienzulagen an landwirtschaftliche Arbeitnehmer und Gebirgsbauern vom 22. Juni 1949 hatte das Eidg. Versicherungsgericht entschieden, dass eine hauptberufliche Tätigkeit als selbständiger Landwirt dann vorliege, wenn jemand das Jahr hindurch den Grossteil der Arbeitszeit einem landwirtschaftlichen Unternehmen widme und hiebei ein Einkommen erziele, das allfällige Einkünfte aus anderweitiger Tätigkeit übersteige; ob ausserdem ein Kapital- oder Renteneinkommen bezogen werde, sei belanglos (EVGE 1951 S. 62). Mit dem Inkrafttreten des FLG vom 20. Juni 1952 wurde diese Rechtsprechung insofern überholt, als in Art. 5 Abs. 2 des Gesetzes für die Anerkennung einer hauptberuflichen Tätigkeit vorausgesetzt wird, dass der Landwirtschaftsbetrieb die bedeutendste Einkommensquelle zur Bestreitung des Familienunterhaltes bildet, weshalb das landwirtschaftliche Einkommen grundsätzlich mit dem gesamten übrigen Einkommen zu vergleichen ist. Das Gericht stellte im Sinne der bisherigen Rechtsprechung indessen fest, dass Einkünfte, die BGE 101 V 215 S. 217 dazu bestimmt sind, den Wegfall eines landwirtschaftlichen Einkommens zu ersetzen, im Rahmen des FLG dem landwirtschaftlichen Einkommen gleichzustellen seien (EVGE 1959 S. 156). b) In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung enthielten die bis Ende März 1974 gültigen Erläuterungen des Bundesamtes für Sozialversicherung zum FLG die Weisung, dass Ersatzeinkommen aus Renten (AHV, Invalidenversicherung, Unfall- und Militärversicherung) beim Vergleich des landwirtschaftlichen Einkommens mit den übrigen Einkünften dem landwirtschaftlichen Einkommen zuzurechnen sei. In den ab 1. April 1974 gültigen Erläuterungen fehlt ein entsprechender Hinweis. Statt dessen wurden besondere Weisungen über das Zusammenfallen von Kinderzulagen mit Renten der Invalidenversicherung aufgenommen. Nach Rz. 108 der Erläuterungen gelten Landwirte, denen eine halbe Rente der Invalidenversicherung gewährt wird, als Kleinbauern im Hauptberuf; Landwirte, denen eine ganze Invalidenrente ausgerichtet wird, können dagegen nicht als solche anerkannt werden, weshalb ihnen kein Anspruch auf Kinderzulagen zusteht. Die neue Weisung, deren Zweck darin besteht, die Kumulation von Kinderrenten der Invalidenversicherung mit Kinderzulagen gemäss FLG jedenfalls für Bezüger ganzer Invalidenrenten auszuschliessen, läuft auf eine Änderung der bisherigen Praxis hinaus: wird der Bezüger einer ganzen Invalidenrente nicht mehr als hauptberuflicher Kleinbauer anerkannt, weil sein Haupteinkommen aus der Rente und nicht aus der Landwirtschaft stammt, so wird dieses Einkommen nicht mehr als Ersatzeinkommen aus der Landwirtschaft betrachtet. Es erhebt sich die Frage, ob sich diese Weisung mit der gesetzlichen Ordnung vereinbaren lässt. 3. a) Die Praxisänderung wird offensichtlich im Hinblick auf die mit der 8. AHV-Revision wesentlich erhöhten Renten angestrebt. Die Vorinstanz weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass ganze Invalidenrenten, namentlich Ehepaar-Invalidenrenten oder einfache Invalidenrenten mit Zusatzrente für die Ehefrau, zu denen Kinderrenten hinzukommen, leicht das zufolge Invalidität entgehende Erwerbseinkommen übersteigen können. Berücksichtige man zudem, dass der Landwirtschaftsbetrieb häufig unter vermehrter Mitwirkung der Familienangehörigen sowie allfälliger Arbeitskräfte BGE 101 V 215 S. 218 weitergeführt werde und das landwirtschaftliche Erwerbseinkommen der Familie nicht einfach wegfalle, sondern unter Umständen ungeschmälert erhalten bleibe, so ergebe sich in Kleinbauernverhältnissen regelmässig eine beträchtliche Überversicherung. Ein gleichzeitiger Bezug von Kinderzulagen nach FLG erscheine daher als stossend. Diese Bedenken sind nicht unbegründet. Es gilt indessen zu beachten, dass die landwirtschaftlichen Arbeitnehmer und Kleinbauern eine vom Gesetzgeber gewollte Vorzugsstellung gegenüber Erwerbstätigen anderer Berufe geniessen, welchen bei gleichem Erwerbseinkommen keine entsprechenden (bundesrechtlichen) Ansprüche zustehen. Im übrigen handelt es sich um eine allgemeine, nicht auf die Landwirtschaft beschränkte Erscheinung, dass das Invalidenrenteneinkommen - zuzüglich eines allfälligen Erwerbseinkommens aus noch verwertbarer Restarbeitsfähigkeit - das ohne Invalidität erzielte Erwerbseinkommen übersteigen kann. Ob nun die Ausrichtung von Familienzulagen an landwirtschaftliche Arbeitnehmer und Kleinbauern mit Anspruch auf eine ganze Invalidenrente eine über Sinn und Zweck des FLG hinausgehende, untragbare Bevorzugung dieser Bevölkerungsgruppe darstellt, erscheint fraglich. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass es sich im Vergleich zum Invalidenrenteneinkommen um verhältnismässig geringe Zulagen handelt. Sodann werden stossende Ergebnisse auch dadurch eingeschränkt, dass die Einkommensverhältnisse der landwirtschaftlichen Arbeitnehmer in der Regel bescheiden sind und der Anspruch auf Familienzulagen bei Kleinbauern von Einkommensgrenzen abhängig ist. Schliesslich darf auch angenommen werden, dass es in der Zwecksetzung des FLG liegt, selbst jene Kleinbauernbetriebe zu unterstützen, die nebst der häufig erhalten gebliebenen Betriebsleiterfunktion des invaliden Kleinbauern nur dank des zusätzlichen Einsatzes der Angehörigen und allfälliger Drittkräfte weitergeführt werden können. b) Entscheidend für die Beurteilung der vorliegenden Frage ist indessen, dass der Gesetzgeber anlässlich der Änderung des FLG vom 14. Dezember 1973 die Kumulation von Familienzulagen mit Renten der Invalidenversicherung weiterhin als zulässig erachtet hat. Im Hinblick auf die mit der 8. AHV-Revision wesentlich erhöhten Leistungen der AHV und Invalidenversicherung hatte der Bundesrat in der Botschaft vom BGE 101 V 215 S. 219 16. Mai 1973 betreffend die Änderung des FLG beantragt, den gleichzeitigen Bezug von Kinderzulagen und Waisen- und Kinderrenten der AHV und Invalidenversicherung auszuschliessen; gleichzeitig wurde vorgeschlagen, landwirtschaftlichen Arbeitnehmern, die eine Rente der AHV oder Invalidenversicherung beziehen, keine Haushaltungszulage zu gewähren (BBl 1973 I S. 1430/31). Das Parlament folgte diesem Antrag jedoch nur hinsichtlich des Doppelbezuges von Familienzulagen mit Leistungen der AHV. In den Beratungen wurde darauf hingewiesen, dass die Renten der Invalidenversicherung den durch Invalidität verursachten Ausfall an Erwerbseinkommen zu decken hätten, zu welchem Einkommen ohne Invalidität ebenfalls Familienzulagen hinzugekommen wären. Bezugsberechtigte Personen, die invalid werden, sollten daher nicht der Haushaltungs- und der Kinderzulage verlustig gehen (Sten.Bull. NR 1973 S. 1497 ff., SR 1973 S. 728 ff.). Demzufolge hat der Gesetzgeber mit dem geltenden Wortlaut von Art. 9 Abs. 4 FLG die Kumulation der Kinderzulagen gemäss FLG mit Renten der Invalidenversicherung offensichtlich nicht ausschliessen wollen. Dieser gesetzlichen Regelung widerspricht die Weisung des Bundesamtes für Sozialversicherung, mit welcher auf dem Wege einer Praxisänderung zu Art. 5 Abs. 2 FLG die Möglichkeit des Doppelbezuges generell auf Bezüger einer halben Invalidenrente beschränkt werden soll. Bezeichnenderweise hat sich denn auch der Gesetzgeber nicht veranlasst gesehen, Art. 5 Abs. 2 FLG in einem der bisherigen Praxis entgegenstehenden Sinne zu ändern. In diesem Punkt darf daher bei der Beurteilung des Falles nicht auf die erwähnte Weisung abgestellt werden.
null
nan
de
1,975
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
0080e626-d9fe-4d5b-8232-e7bb806b61bd
Urteilskopf 101 Ia 298 50. Urteil vom 17. September 1975 i.S. X. gegen Stadtrat Winterthur und Verwaltungsgericht des Kantons Zürich
Regeste Art. 4 BV ; Disziplinarrecht des Beamten. 1. Voraussetzung der Beschwerdeergänzung (E. 2). 2. Verfolgungsverjährung von Disziplinarfehlern (E. 3). 3. Rechtliches Gehör: Zustellung der Vernehmlassung der Gegenpartei und Anzeige des Akteneingangs (E. 4a); Begründungspflicht (E. 4c). 4. Willkürliche Beweiswürdigung: widersprechende Aussagen (E. 5a); Verhältnis von Straf- und Disziplinarverfahren (E. 5b). 5. Grundsatz der Verhältnismässigkeit von Disziplinarmassnahmen; Kriterium der besonderen Anforderungen an das bekleidete Amt (E. 6).
Sachverhalt ab Seite 299 BGE 101 Ia 298 S. 299 X. war seit 6. Januar 1969 als Adjunkt des Schulpsychologischen Dienstes der Stadt Winterthur tätig. Am 19. November 1970 wurde er vom Stadtrat von Winterthur unter Hinweis auf "die zu erstattende Strafanzeige betreffend Sittlichkeitsdelikte" provisorisch im Dienste eingestellt. Das zugleich eingeleitete Disziplinarverfahren wurde bis zur Erledigung der Strafuntersuchung ausgesetzt und erst am 16. Mai 1973 fortgesetzt. Das Bezirksgericht Winterthur sprach X. am 5. Januar 1973 von der Anklage der Unzucht mit Kindern frei - einmal aus formellen Gründen, weil den Untersuchungsbehörden zum Teil schwere Verfahrensfehler vorzuwerfen waren; sodann erkannte es auch materiell, dass die dem Angeklagten zur Last gelegten Handlungen nicht von jener Intensität seien, welche die Gerichtspraxis zur Erfüllung des Tatbestandes von Art. 191 Ziff. 2 StGB verlange. Dem Angeklagten wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt, weil er sich den Mädchen gegenüber zumindest leichtfertig benommen und deshalb die Einleitung der Strafuntersuchung veranlasst habe. Mit Beschluss vom 6. Juli 1973 entliess der Stadtrat von Winterthur X. wegen Verletzung der Amts- und Dienstpflicht gemäss § 134 ff. des Personalstatuts der Stadt Winterthur (PS) rückwirkend auf das Datum der vorläufigen Einstellung im Dienst. Hiegegen erhob X. beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich Rekurs und zugleich verwaltungsrechtliche Klage. Das Verwaltungsgericht hiess den Rekurs soweit gut, als es erkannte, dass die rückwirkende Entlassung nicht zulässig gewesen sei, bestätigte aber die Entlassung auf den 6. Juli 1973 und wies die verwaltungsrechtliche Klage ab. Hiegegen reichte X. staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV und zugleich beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich Revision wegen Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften ein. Das Verwaltungsgericht wies das Revisionsbegehren vollumfänglich ab, wogegen X. erneut staatsrechtliche Beschwerde erhoben hat. Das Bundesgericht weist die Beschwerden ab, soweit es auf sie eintritt, aus folgenden Erwägungen Erwägungen: 1. a) Nach Art. 87 OG ist die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV erst zulässig, nachdem BGE 101 Ia 298 S. 300 von kantonalen Rechtsmitteln Gebrauch gemacht worden ist. Hiezu gehört nach ständiger Rechtsprechung auch das Ergreifen der ausserordentlichen kantonalen Rechtsmittel, sofern damit die gerügte Verfassungsverletzung geltend gemacht werden kann. Das trifft auf die Revision gemäss § 67 lit. a und b des zürcherischen Verwaltungsrechtspflegegesetzes (VRG) zu ( BGE 100 Ia 33 E. 2). Soweit also mit der ersten staatsrechtlichen Beschwerde die Verletzung des rechtlichen Gehörs, somit einer wesentlichen Verfahrensvorschrift, gerügt wird, kann auf sie nicht mehr eingetreten werden. b) Der Beschwerdeführer hat den Revisionsentscheid des Verwaltungsgerichts in seiner zweiten staatsrechtlichen Beschwerde mit ähnlicher Begründung angefochten wie in seiner ersten. Es handelt sich in beiden Verfahren um dieselbe Streitsache und die gleichen Parteien. Die beiden Verfahren sind daher zu vereinigen. 2. Der Beschwerdeführer hat am 9. Dezember 1974 nachträglich darum ersucht, sich zu den Vernehmlassungen des Verwaltungsgerichts und des Stadtrates von Winterthur äussern zu dürfen, und er hat dies mit einer beigefügten Begründung gleich getan. Nach Art. 93 Abs. 2 OG kann dem Beschwerdeführer eine Frist zur Ergänzung der Beschwerde angesetzt werden, wenn die Entscheidungsgründe erst in der Vernehmlassung der Behörde enthalten sind. Ein weiterer Schriftenwechsel findet gemäss Art. 93 Abs. 3 OG nur ausnahmsweise statt. Die Voraussetzung des Art. 93 Abs. 2 OG ist hier jedoch nicht erfüllt. Das Verwaltungsgericht hat seine angefochtenen Entscheide ausführlich begründet und auch im Revisionsverfahren zu den Vorbringen des Beschwerdeführers Stellung genommen. So erklärt es im Revisionsentscheid ausdrücklich, dass seiner Auffassung nach weder nach kantonalem Recht noch nach Art. 4 BV einer Partei in allen Fällen das Doppel der Rechtsschrift der Gegenpartei zuzustellen oder Kenntnis vom Eingang allfälliger Akten zu geben sei. Damit bestreitet es bereits dort sinngemäss das Bestehen eines Gewohnheitsrechtes. Die Vernehmlassung zur Beschwerdeschrift enthält demnach nichts wesentlich Neues, das dem Beschwerdegegner Anspruch auf zusätzliche Ausführungen gäbe. Ähnliches gilt für dessen weiteres Vorbringen, wonach das Verwaltungsgericht in seiner Vernehmlassung bezüglich der BGE 101 Ia 298 S. 301 vom Beschwerdeführer gerügten Glaubwürdigkeit der betroffenen Mädchen nun eine Argumentation verwende, die der Urteilsbegründung eindeutig widerspreche. Auch wenn das Verwaltungsgericht in Abschwächung der Argumentation des angefochtenen Urteils in der Vernehmlassung davon spricht, dass nicht das einzelne Vorkommnis entscheidend sei, sondern dass die gesamten Akten der Straf- und Disziplinaruntersuchung mit ihrer Vielzahl von gewichtigen Anhaltspunkten es bei freier Beweiswürdigung davon überzeugt hätten, dass der Beschwerdeführer den untersuchten Mädchen wiederholt in sittlich ungehöriger Weise körperlich nahe getreten sei, so will es damit gleich wie im angefochtenen Urteil sagen, dass nach seiner Auffassung der Beschwerdeführer eindeutig Sitte und Anstand verletzt habe. Neue Entscheidungsgründe hat es damit nicht vorgebracht. Dem Antrag des Beschwerdeführers, die Eingabe vom 9. Dezember 1974 zu den Akten zu nehmen, kann deshalb nicht entsprochen werden. 3. Es rechtfertigt sich, zunächst den vom Beschwerdeführer erhobenen Einwand der Verjährung zu untersuchen. Denn hätte das Verwaltungsgericht - wie der Beschwerdeführer behauptet - die Verjährungsvorschriften in unhaltbarer Weise ausgelegt und wäre die Verjährung offensichtlich eingetreten, so müssten die angefochtenen Entscheide aufgehoben werden, ohne dass noch die weiteren Rügen zu prüfen wären. Die massgebende Bestimmung, § 140 PS in der Fassung vom 8. Dezember 1963, lautet: "(1) Die Disziplinarfehler verjähren in sechs Monaten vom Zeitpunkt an, da sie der zu ihrer Verfolgung zuständigen Behörde bekanntgeworden sind. (2) Die Verjährungsfrist beginnt mit jeder Untersuchungshandlung neu zu laufen. Die Verjährung ruht, solange ein vom Betroffenen ergriffenes Rechtsmittel gegen die Disziplinarstrafe anhängig ist. Die Verfolgung des Disziplinarfehlers verjährt jedoch spätestens zwei Jahre nach seiner Begehung. (3) Wird eine Strafuntersuchung eingeleitet, so läuft die Frist für die Verfolgungsverjährung von der rechtskräftigen Erledigung des Strafverfahrens an. (4) Eine Disziplinarstrafe verjährt in einem Jahr; die Frist beginnt mit der Rechtskraft des Disziplinarentscheides zu laufen." a) Der Beschwerdeführer behauptet, entweder habe das Verwaltungsgericht willkürlich den letzten Satz von Abs. 2 BGE 101 Ia 298 S. 302 nicht auf Abs. 3 angewandt oder aber § 140 PS verletze Art. 4 BV , indem er die Frist für die absolute Verfolgungsverjährung an das rein formale, sachlich nicht zu rechtfertigende Kriterium des Vorliegens einer Strafuntersuchung knüpfe. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts begründet aber Abs. 3 insofern eine Ausnahme, als die sechsmonatige Verfolgungsverjährung des ersten Absatzes - die mit jeder Untersuchungshandlung neu zu laufen beginnt (Abs. 2 Satz 1) - wie auch die absolute Verfolgungsverjährung von zwei Jahren (Abs. 2 letzter Satz) erst von der rechtskräftigen Erledigung des Strafverfahrens an zu laufen beginnt. Hätte der Gesetzgeber vorschreiben wollen, dass die absolute Verfolgungsverjährung in jedem Fall - also auch bei Durchführung einer Strafuntersuchung - spätestens zwei Jahre nach der Begehung eintrete, so hätte er dies ausdrücklich sagen müssen; Abs. 3 habe deshalb eine selbständige Bedeutung. Es werde nicht darauf abgestellt, ob die Strafuntersuchung Anlass zur Einleitung des Disziplinarverfahrens gegeben habe oder umgekehrt. Diese Auslegung und die Folgerung hieraus, dass die Verjährungsfristen - weder die sechsmonatige, die durch die Einvernahme des Beschwerdeführers am 19. Juni 1973 unterbrochen wurde, noch die absolute - jedenfalls während der Dauer der verwaltungsgerichtlichen Verfahren noch nicht abgelaufen waren, sind sachlich durchaus haltbar und auf keinen Fall willkürlich. Auch § 140 PS als solcher verstösst nicht gegen Art. 4 BV , da diese Regelung, die zuerst die Durchführung einer Strafuntersuchung erlaubt und danach für ein Disziplinarverfahren aufgrund des gleichen Sachverhalts noch genügend Zeit einräumt, ist sachlich offenkundig gerechtfertigt; die zeitliche Grenze für die Verfolgung von Disziplinarfehlern darf weit gezogen werden ( BGE 73 I 291 E. 4). b) In einer weiteren Eingabe vom 3. Februar 1975 weist der Beschwerdeführer darauf hin, dass jedenfalls spätestens am 5. Januar 1975 nach § 140 Absatz 3 PS die absolute Verjährung seiner allfälligen Disziplinarfehler eingetreten sei. Die Eingabe ist verspätet, doch prüft das Bundesgericht in öffentlichrechtlichen Streitigkeiten in der Regel von Amtes wegen, ob eine Verjährung vorliegt ( BGE 98 Ib 355 E. 2a, mit Hinweisen). Das Verwaltungsgericht hat die Frage offen gelassen, ob unter "rechtskräftiger Erledigung des Strafverfahrens" (§ 140 Abs. 3 PS) ein rechtskräftiges Erkenntnis über das Bestehen BGE 101 Ia 298 S. 303 oder Fehlen eines Straftatbestandes zu verstehen sei oder ob das Verfahren als Ganzes - also auch bezüglich der prozessualen Nebenfolgen - rechtskräftig abgeschlossen sein müsse. Je nachdem hätte die Frist für die absolute Verjährung am 5. Januar 1973 oder - da der Beschwerdeführer den Kosten- und Entschädigungsentscheid weitergezogen hatte - erst am 13. November 1973 zu laufen begonnen. Das Bundesgericht braucht die Frage ebenfalls nicht zu entscheiden, da die Verfolgungsverjährung mit dem zweiten Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 12. September 1974 - also jedenfalls innert der zweijährigen Frist - zu laufen aufgehört hat. Die Strafverfolgung wird mit der Ausfällung des letztinstanzlichen kantonalen Urteils, das sofort vollstreckbar wird, beendet und damit hört auch die Verfolgungsverjährung auf. Daran ändert die Einreichung einer staatsrechtlichen Beschwerde (vgl. BGE 101 Ia 109 E. 3) oder einer Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof des Bundesgerichts ( BGE 92 IV 173 und BGE 97 IV 157 E. 2, mit Hinweisen) nichts, denn diese Rechtsbehelfe hemmen die Vollstreckbarkeit der angefochtenen Entscheide nicht von Gesetzes wegen (vgl. auch PERRIN, ZStR 79/1963 S. 13 ff.). Was für das gemeine und das Polizeistrafrecht ( BGE 101 Ia 109 E. 3) gilt, trifft auch auf das Disziplinarrecht zu. Der Einwand der Verjährung erweist sich somit in allen Teilen als unbegründet. 4. Da der Anspruch auf rechtliches Gehör ebenfalls formeller Natur ist ( BGE 100 Ia 10 ), rechtfertigt es sich, als nächstes die Rüge der Gehörsverweigerung zu prüfen. Der Anspruch wird auch für ein Disziplinarverfahren zunächst grundsätzlich von den kantonalen Verfahrensvorschriften umschrieben; erst wo sich dieser Rechtsschutz als ungenügend erweist, greifen die unmittelbar aus Art. 4 BV folgenden Verfahrensregeln Platz. Ob der bundesrechtliche Gehörsanspruch verletzt ist, prüft das Bundesgericht frei ( BGE 99 Ia 23 E. a). a) Der Beschwerdeführer beklagt sich, dass ihm das Verwaltungsgericht weder die Vernehmlassung der Gegenpartei zugestellt noch den Eingang der Akten angezeigt habe. Nach dem massgebenden § 58 VRG bestand hiezu aber keine Pflicht; namentlich bleibt es dem Verwaltungsgericht überlassen, ob es nach Einholung der Vernehmlassung noch einen weiteren Schriftenwechsel anordnen will. Die §§ 8 und 57 BGE 101 Ia 298 S. 304 Abs. 1 VRG regeln nur das allgemeine Akteneinsichtsrecht. Der Beschwerdeführer behauptet indessen, es entspreche ständiger Übung sämtlicher Zürcher Gerichte, einer Partei das Doppel einer Rechtsschrift der Gegenpartei zuzustellen, auch wenn sich diese hiezu nicht mehr äussern dürfe; das Verwaltungsgericht bestreitet, dass dies ausnahmslos gelte. Wie es sich damit im einzelnen verhält, kann dahingestellt bleiben, denn der Beschwerdeführer vermag nicht nachzuweisen, dass sich eine allfällige Übung bereits zum Gewohnheitsrecht verdichtet hätte. Auch aus Art. 4 BV ergibt sich nicht, dass eine Beschwerdeantwort in jedem Falle von Bundesrechts wegen dem Rekurrenten zugestellt werden müsste (vgl. TINNER, Das rechtliche Gehör, ZSR 83/1964 II S. 356 N. 84). Diese Pflicht besteht höchstens, wenn in der Beschwerdeantwort neue erhebliche Gesichtspunkte geltend gemacht werden. Das Verwaltungsgericht führt jedoch überzeugend aus, dass das vorliegend nicht zugetroffen habe. Eine Disziplinarbehörde ist auch nicht unbedingt verpflichtet, den Beurteilten über den Beizug von Akten zu orientieren. Dieser muss lediglich Gelegenheit erhalten, in die Akten Einsicht zu nehmen und sich dazu zu äussern (vgl. BGE 100 Ia 8 ff. E. 3). Der Beschwerdeführer wusste aus den Präsidialverfügungen vom 27. Juli und 3. September 1973 genau, welche Akten das Verwaltungsgericht einverlangte. Kannte er deren Inhalt nicht, so hätte er Einsicht verlangen können. Mit Präsidialverfügung vom 11. April 1974 wurde ihm zudem eine Frist zur freigestellten Vernehmlassung zu den beigezogenen Akten des Straf- und Rekursverfahrens angesetzt. Der Vertreter des Beschwerdeführers teilte darauf am 9. Mai 1974 dem Verwaltungsgericht "nach Einsicht der Akten auf Ihrem Büro" mit, er habe zu den Akten des Strafverfahrens keine weiteren Bemerkungen anzubringen. Freilich war in den Verfügungen nicht gesagt, dass auch in die vom Stadtrat Winterthur beigezogenen Akten Einsicht genommen werden könne; dem Beschwerdeführer war dies aber schon vor der Rekurseinreichung offen gestanden, und er wusste aus der Präsidialverfügung vom 27. Juli 1973, dass der Stadtrat seine Akten einlegen musste. Er hätte sich daher um die Einsicht bemühen müssen. Von einer Verweigerung des rechtlichen Gehörs kann keine Rede sein. BGE 101 Ia 298 S. 305 b) Der weitere Vorwurf, dass der Stadtrat Winterthur dem Verwaltungsgericht nicht sämtliche Akten eingereicht habe und dass deshalb dem Beschwerdeführer willkürlich keine Gelegenheit gegeben worden sei, sich zu den Akten der Gegenpartei zu äussern, erweist sich schon deswegen als haltlos, weil sich der Beschwerdeführer auf Aktenstücke beruft, die entweder er selbst geschrieben hat oder die ihm aus dem Disziplinarverfahren bereits bekannt waren, da er diese Schriften selbst unterzeichnet hatte. c) Der Beschwerdeführer macht ferner geltend, die Entscheidgründe, die zu seiner disziplinarischen Entlassung geführt hätten, seien ihm nicht genügend bekanntgegeben worden. Ob und inwieweit eine kantonale Behörde ihre Verfügungen und Entscheide zu begründen hat, ist vorab eine Frage des kantonalen Rechts. § 10 VRG sieht nun - im Gegensatz zu den entsprechenden Erlassen anderer Kantone - keine Begründungspflicht vor. Die zürcherische Rechtsprechung nimmt an, eine solche Pflicht bestehe nur insoweit, als sie im positiven Recht vorgesehen sei ( BGE 96 I 723 , mit Hinweisen). Darüber hinaus ergibt sich aber eine Begründungspflicht unmittelbar aus Art. 4 BV ( BGE 98 Ia 129 und 464 E. 5a, mit Hinweisen). Der Betroffene muss sich über die Tragweite des Entscheids und über allfällige Anfechtungsmöglichkeiten ein Bild machen können; an die Begründung dürfen unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs indessen keine allzuhohen Ansprüche gestellt werden, wenn wie hier das kantonale Recht keine Begründungspflicht vorsieht ( BGE 96 I 723 ; TINNER, a.a.O., S. 357). Die Anforderungen sind allerdings in Fällen wie dem vorliegenden, wo es um die wirtschaftliche Existenz des Beschwerdeführers geht, strenger zu nehmen. Dieser muss dem Entscheid entnehmen können, was ihm vorgeworfen wird, worauf sich dieser Vorwurf stützt und weshalb er zu der schwersten Disziplinarstrafe führt, obschon das Strafgericht zu einem Freispruch gelangt ist; ferner gehören die Bekanntgabe der Beweise, auf die abgestellt wird, und deren Würdigung dazu. Diese Anforderungen werden von den Entscheiden des Stadtrates vom 6. Juli 1973 und insbesondere des Verwaltungsgerichtes vom 27. Mai 1974 vollauf erfüllt. Beide Instanzen stützen sich auf die in § 11 PS enthaltenen Pflichten der städtischen Bediensteten und weisen darauf hin, dass an den BGE 101 Ia 298 S. 306 Schulpsychologen in Anbetracht seiner grossen Verantwortung gerade in sittlicher Beziehung strengere Anforderungen zu stellen seien, als sie den strafrechtlichen Bestimmungen über Unzucht mit Kindern zugrunde lägen. Sie nehmen zu den inkriminierten Vorfällen und den daraus folgenden Vorwürfen an den Beschwerdeführer ausführlich Stellung und begründen einlässlich, weshalb nach ihrer Auffassung die schwerste Disziplinarstrafe ausgefällt werden musste. Damit musste dem Beschwerdeführer klar sein, weshalb er sofort entlassen worden war. Die Rüge der formellen Rechtsverweigerung ist somit offensichtlich unbegründet. d) In seiner ersten Beschwerde hatte der Beschwerdeführer schliesslich als Gehörsverweigerung gerügt, dass das Verwaltungsgericht die von ihm zum integrierenden Bestandteil der Rekursbegründung erklärten strafgerichtlichen Plädoyernotizen nicht zur Kenntnis genommen habe. Auf diesen Vorwurf ist nach dem in E. 1a Gesagten nicht mehr einzugehen. Das Verwaltungsgericht hat als Revisionsinstanz darüber befunden und der Beschwerdeführer hat ihn mit Grund in seiner zweiten Beschwerdeschrift weggelassen. 5. Zur Hauptsache macht der Beschwerdeführer geltend, die gegen ihn ausgesprochene sofortige Entlassung sei mit Art. 4 BV unvereinbar, da ihr eine willkürliche Beweiswürdigung zugrunde liege. In der Beweiswürdigung steht den kantonalen Instanzen ein weiter Ermessensspielraum zu, und das Bundesgericht kann auf staatsrechtliche Beschwerde hin nur eingreifen, wenn die tatsächlichen Feststellungen offensichtlich falsch oder willkürlich sind oder auf einem offenbaren Versehen beruhen ( BGE 98 Ia 142 E. 3a, mit Hinweisen). a) Das Verwaltungsgericht erachtete es - durchaus unter Beachtung der Fragwürdigkeit der Aussagen der befragten Mädchen - als erstellt, dass der Beschwerdeführer während seiner schulpsychologischen Untersuchungen wiederholt mit einzelnen Mädchen körperlichen Kontakt suchte, so, indem er ihnen mit der Hand über dem Kleid seitlich von der Taille bis zur Achselhöhle und vorne von der Hüfte bis zur Brust fuhr, sie über den Kleidern in der Brustgegend berührte, am Rücken streichelte und sie auf der Aussenseite der Oberschenkel, am Gesäss und am Hüftgelenk betastete. Der Beschwerdeführer hat diese Handlungen immer wieder abgestritten, doch stellte das Verwaltungsgericht mit der gebotenen Vorsicht auf BGE 101 Ia 298 S. 307 die Aussagen der Mädchen im Disziplinar- und Strafverfahren ab. Nach seiner Auffassung lägen keine Anzeichen dafür vor, dass die Kinder unter einem Druck gestanden hätten oder unbewusst entscheidenden Einflüssen von Eltern oder Dritten erlegen wären. Kontakte seien nur zwischen zwei Mädchen festgestellt worden; dass die andern mit diesen Kindern und unter sich ihre Beobachtungen hätten austauschen können, erscheine als praktisch ausgeschlossen. Der Beschwerdeführer macht es sich demgegenüber allzu leicht, wenn er die Aussagen aller Mädchen samt und sonders als völlig unglaubwürdig abtut und es als willkürlich bezeichnet, dass das Verwaltungsgericht nicht seine Aussage über jene der acht verschiedenen Mädchen stellte. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht bemerkte, fällt auf, dass die Wahrnehmungen der Mädchen ein weitgehend geschlossenes Bild zeigen: Zwar bezichtigen sie den Beschwerdeführer nicht stereotyp der gleichen Handlungen - was verdächtig wäre -, doch liegt das geschilderte Verhalten in einem einheitlichen Rahmen und weist wiederkehrende Züge auf. Angesichts dieser Umstände ist das Verwaltungsgericht nicht in Willkür verfallen, wenn es den Aussagen der Mädchen im grossen ganzen Glauben geschenkt hat. Wie es selbst sagt, wäre in einzelnen Punkten eine abweichende Beweiswürdigung denkbar; aus der Gesamtheit der Indizien durfte aber geschlossen werden, der Beschwerdeführer habe die Regeln von Anstand und Sitte eindeutig verletzt. Jedenfalls ist eine solche Feststellung nicht offensichtlich falsch oder willkürlich. b) Auch das Bezirksgericht Winterthur hatte in seinem Strafurteil festgehalten, dass dem Beschwerdeführer gewisse unschickliche, leicht gegen Sitte und Anstand verstossende Handlungen zur Last zu legen waren, die aber nicht so intensiv seien, um die Voraussetzungen von Art. 191 Ziff. 2 StGB zu erfüllen; insbesondere habe es am subjektiven Tatbestand gefehlt. Der Beschwerdeführer habe sich gegenüber den Mädchen ungeschickt verhalten und seine "Aufmunterungen" hätten sich zeitweilig in verhängnisvollen Bahnen - ja mitunter recht hart an der Grenze des noch Erlaubten - bewegt. Dass das Gericht ihn dennoch freigesprochen hat, hat auf das Disziplinarverfahren keinen entscheidenden Einfluss, denn Straf- und Disziplinarverfahren sind entsprechend ihrem unterschiedlichen Zweck selbst in derselben Angelegenheit grundsätzlich von einander BGE 101 Ia 298 S. 308 unabhängig und geben somit jeder Behörde das Recht, frei Beweise abzunehmen und diese selbständig zu würdigen (GRISEL, Droit administratif suisse, S. 268; IMBODEN, Verwaltungsrechtsprechung Bd. I Nr. 366). Es steht grundsätzlich nichts entgegen, eine strafrechtlich unwesentliche Verletzung von Sitte und Anstand unter dem Gesichtspunkt der Dienstverletzung disziplinarisch zu ahnden (vgl. B. GARBADE, Das Disziplinarrecht der Funktionäre der kantonal- und stadtzürcherischen Verwaltung, Zürcher Diss. 1943, S. 39 N. 27). 6. Disziplinarmassnahmen müssen dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit entsprechen ( BGE 100 Ia 360 E. 3b). Den kantonalen und kommunalen Behörden steht bei der Wahl der Massnahme jedoch ein gewisser Ermessensspielraum offen, und das Bundesgericht könnte nur bei dessen Überschreitung eingreifen ( BGE 100 Ia 360 E. 3a). Der Beschwerdeführer verweist in dieser Hinsicht bloss auf die angeblich willkürliche Begründung des Entlassungsentscheides, doch ergibt sich aus seinen gesamten Vorbringen, dass er auch die Disziplinarmassnahme als solche mit Art. 4 BV unvereinbar hält. Ob die Verfehlung eines Beamten als schwerwiegend zu betrachten ist, kann nur nach den Anforderungen des Amtes, das er bekleidet, beurteilt werden. Zweifellos muss das Vertrauen der Öffentlichkeit, von Eltern, Lehrerschaft und Kindern in den Schulpsychologischen Dienst gewahrt bleiben. Was den Umgang des Schulpsychologen mit Schulkindern angeht, muss ein strenger Massstab angelegt werden. Der Schulpsychologe hat eine besondere Vertrauensstellung; zudem hat er es auch vielfach mit schwierigen und gefährdeten Kindern zu tun. Die Eltern, die ihre Kinder zu ihm schicken müssen, wollen zu Recht Gewissheit haben, dass diese dort nicht in unsittlicher Weise belästigt werden. Die Dienstpflicht gebietet dem Schulpsychologen daher, sich bei seinen Untersuchungen aller fragwürdigen und zweideutigen Gesten zu enthalten. Daran hat sich der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall nicht gehalten. Dass die subjektive Schuld des Beschwerdeführers an seiner Dienstpflichtverletzung allenfalls weniger schwer ist als der von ihm geschaffene objektive Tatbestand, fällt nicht ins Gewicht. Die sofortige Entlassung stellt entgegen der Bezeichnung in § 138 PS eher BGE 101 Ia 298 S. 309 eine Massnahme als eine Strafe dar, da sie ja nicht den Beschwerdeführer bessern, sondern vor allem die öffentlichen Interessen an einem integren und vertrauenswürdigen Schulpsychologischen Dienst schützen soll. Indem die kantonalen Behörden weniger auf die subjektive Strafwürdigkeit des Beschwerdeführers als vielmehr auf diesen objektiven Schutz abstellten, haben sie den ihnen eingeräumten Ermessensspielraum nicht überschritten, wenn sie annahmen, es handle sich vorliegend um eine schwere Dienstverletzung, die nur mit einer sofortigen Entlassung zu ahnden sei. Eine andere, weniger weit gehende Massnahme hätte den objektiven Schutzzweck nicht genügend wahren können.
public_law
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00830fed-c903-4923-bd1d-99b4b0e82c6d
Urteilskopf 122 I 250 33. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 14. Mai 1996 i.S. G. gegen D. und Obergericht des Kantons Appenzell Ausserrhoden (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Rückweisungsentscheid des Bundesgerichts; Zulässigkeit des nachträglichen Rückzugs einer Appellation. Wird mit dem Rückweisungsentscheid das angefochtene Urteil teilweise bestätigt, kann die Appellation insoweit nicht zu Ungunsten der Gegenpartei, die Anschlussappellation erhoben hat, zurückgezogen werden.
Sachverhalt ab Seite 250 BGE 122 I 250 S. 250 Auf Klage von D., mit der er Fr. 90'405.20 nebst Zins verlangte, verpflichtete das Kantonsgericht von Appenzell Ausserrhoden G. mit Urteil vom 26. Oktober 1992 zur Zahlung von Fr. 48'720.-- nebst Zins. Dieser Entscheid wurde von G. mit Appellation und von D. mit Anschlussappellation angefochten. Der Hauptantrag von G. lautete auf Abweisung der Klage. D. verlangte mit der Anschlussappellation die Zahlung von Fr. 89'405.20 nebst Zins. Mit Urteil vom 22. Juni 1993 wies das Obergericht von Appenzell Ausserrhoden die Appellation ab und verpflichtete G. in Gutheissung der Anschlussappellation zur Zahlung von Fr. 89'405.20 nebst Zins. G. focht das Urteil des Obergerichts mit Berufung und staatsrechtlicher Beschwerde beim Bundesgericht an. Dieses hiess die Beschwerde mit Urteil vom 24. Februar 1994 teilweise gut und hob den Entscheid des Obergerichts BGE 122 I 250 S. 251 auf. Die damit gegenstandslos gewordene Berufung wurde mit Beschluss vom gleichen Tag abgeschrieben. Nach Vorliegen des bundesgerichtlichen Urteils erklärte G. am 13. Mai 1994 den Rückzug der Appellation. Dem widersetzte sich D. unter Hinweis auf Art. 269 ZPO AR. Während der Fortsetzung des obergerichtlichen Verfahrens reduzierte D. dann die eingeklagte Forderung auf Fr. 77'372.-- nebst Zins. Mit Urteil vom 21. Februar 1995 verpflichtete das Obergericht G. zur Zahlung von Fr. 77'372.-- nebst 5% Zins seit 1. März 1991. In der Urteilsbegründung wird festgehalten, dass der Rückzug der Appellation durch G. nach kantonalem ( Art. 269 ZPO AR) und bundesrechtlichem ( Art. 66 OG ) Verfahrensrecht unzulässig sei. G. hat den Entscheid des Obergerichts mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten, die vom Bundesgericht abgewiesen wird. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Gemäss Art. 66 Abs. 1 OG hat die kantonale Instanz, an die eine Sache zurückgewiesen wird, der neuen Entscheidung die rechtliche Beurteilung zugrunde zu legen, mit der die Rückweisung begründet worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung gilt dieser Grundsatz auch für das staatsrechtliche Beschwerdeverfahren. Der Umstand, dass sich das Bundesgericht gemäss der vorwiegend kassatorischen Funktion der staatsrechtlichen Beschwerde im Urteilsdispositiv mit der Aufhebung des fehlerhaften Urteils begnügt, ändert nichts daran, dass die Urteilsmotive von der kantonalen Instanz zu beachten sind ( BGE 100 Ia 28 E. 2 S. 30, BGE 104 Ia 63 , BGE 111 II 94 E. 2 S. 95, BGE 112 Ia 353 E. 3a/bb S. 354; POUDRET, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, Bd. II, N. 1.3.2 zu Art. 66 OG ; KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, 2. Auflage, S. 399). a) In BGE 83 II 544 (E. 2 S. 550) hat das Bundesgericht einen mit dem vorliegenden vergleichbaren Fall beurteilt. Dort ist es gestützt auf Art. 66 Abs. 1 OG zum Ergebnis gelangt, der Rückzug der Appellation sei unbeachtlich, wenn sich aus den Erwägungen des Rückweisungsentscheides ergebe, dass der rechtliche Standpunkt der appellierenden Partei unbegründet, jener der Gegenpartei, die im kantonalen Verfahren Anschlussappellation erhoben hatte, dagegen begründet sei. b) Die Lehre hat diesem Urteil im Ergebnis, nicht aber hinsichtlich der Begründung zugestimmt. KUMMER hat eingewendet, Art. 66 OG könne die BGE 122 I 250 S. 252 Dispositionsbefugnis der Parteien, über die Streitsache nach ihrem Willen zu verfügen, nicht einschränken (ZBJV 95/1959 S. 156 ff.). Diese Bestimmung vermöge der kantonalen Instanz nicht vorzuschreiben, sie müsse in jedem Fall ein Urteil in der Sache fällen, gleichviel ob die Parteien das wollten oder nicht; sondern sie verlange nur, dass ein neuerliches Urteil, falls es hiezu komme, den bundesgerichtlichen Weisungen folge. Nach Auffassung KUMMERS hätte in der Begründung des Urteils richtigerweise darauf hingewiesen werden müssen, dass die Zulässigkeit des Rückzugs der Appellation nicht vom zufälligen Umstand abhängen könne, ob das Bundesgericht selbst in der Sache entscheide oder ob es diese mangels hinreichender Abklärung des Sachverhalts an die Vorinstanz zurückweise. Es ist zwar richtig, dass ein Rückweisungsentscheid des Bundesgerichts die Dispositionsfreiheit der Prozessparteien grundsätzlich nicht einschränkt. Dabei handelt es sich aber um eine Frage, die im damals beurteilten Fall nicht entscheiderheblich war, denn die Gegenpartei hatte sich - wie vorliegend - dem Rückzug der Appellation widersetzt (vgl. BGE 83 II 548 ). Die weiteren Ausführungen KUMMERS sind sodann in der Lehre zu Recht kritisiert worden. POUDRET (a.a.O., N. 1.3.1 zu Art. 66 OG ) hat zutreffend darauf hingewiesen, dass das von KUMMER genannte Kriterium nicht massgeblich sein kann. Entscheidend ist vielmehr auf die materielle Tragweite des bundesgerichtlichen Urteils abzustellen und folglich danach zu fragen, ob damit der kantonale Entscheid insgesamt oder nur teilweise aufgehoben wurde. Ergibt sich aus der Urteilsbegründung, dass es sich materiell um eine Teilaufhebung handelt, gilt das kantonale Urteil im übrigen als bestätigt und kann die mit dieser Bestätigung beschwerte Partei ihr eigenes Rechtsmittel nicht mehr zu Ungunsten der Gegenpartei zurückziehen. c) Daran ändert die vom Beschwerdeführer angerufene kassatorische Natur der staatsrechtlichen Beschwerde nichts. Die Bindungswirkung eines Rückweisungsurteils hängt nicht davon ab, ob das Bundesgericht damit über ein reformatorisches oder ein kassatorisches Rechtsmittel entscheidet. Massgebend ist in diesem Zusammenhang einzig, dass der kantonale Entscheid vom Bundesgericht aufgehoben wird. Die reformatorische Natur der Berufung ermöglicht zwar, dass das Bundesgericht das angefochtene Urteil nicht nur aufhebt, sondern selbst in der Sache entscheidet, was beim kassatorischen Rechtsmittel der staatsrechtlichen Beschwerde in der Regel nicht möglich ist. Die reformatorische Natur der Berufung schliesst aber nicht aus, dass BGE 122 I 250 S. 253 sich das Bundesgericht mit einer Aufhebung begnügt und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückweist. In diesem Fall hat auch die Berufung lediglich kassatorische Wirkung. Kommt es danach zu einem neuen Entscheid, so hat sich das kantonale Gericht an die im Rückweisungsentscheid vorgenommene Beurteilung des Bundesgerichts zu halten. Genau gleich verhält es sich aber auch dann, wenn der Rückweisungsentscheid nicht auf Berufung, sondern auf staatsrechtliche Beschwerde hin ergangen ist. Der vom Beschwerdeführer erhobene Vorwurf, das Obergericht habe verkannt, dass der vorliegende Fall wesentlich von dem in BGE 83 II 544 ff. beurteilten abweiche, erweist sich somit als unbegründet.
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CH
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0084f77f-9bcf-4eea-bdb9-0d2cbbd2e1cd
Urteilskopf 112 II 337 57. Urteil der I. Zivilabteilung vom 4. November 1986 i.S. Firma X. gegen Y. Corporation Inc. (Berufung)
Regeste Auktion von Kunstgegenständen, Scheingebote des Einlieferers. 1. Art. 57 Abs. 5 OG . Abweichung von der Regel, dass die staatsrechtliche Beschwerde vor der Berufung zu beurteilen ist (E. 1). 2. Auktionsvertrag mit internationalem Schuldverhältnis, anwendbares Recht (E. 2). 3. Rechte und Pflichten der Beteiligten nach den Vereinbarungen des Versteigerers mit dem Einlieferer einerseits und mit den Bietern andererseits (E. 3). 4. Zuschlag an den Einlieferer: Berufung auf Simulationsabrede; Beweislast und Anforderungen an den Beweis (E. 4a und b). Rechtsfolgen eines allfälligen Zuschlags unter der vereinbarten Limite (E. 4c). 5. Umstände, unter denen ein Scheinangebot des Einlieferers weder als Willensmangel noch als Widerruf des Auftrages betrachtet werden kann, sondern es sich rechtfertigt, ihn das Risiko eines solchen Angebotes selber tragen zu lassen (E. 4d).
Sachverhalt ab Seite 338 BGE 112 II 337 S. 338 A.- Die Firma X. in Zürich handelt mit Kunstgegenständen und veranstaltet periodisch Auktionen. Gemäss "Auktionsvertrag" vom 18. Oktober 1982 wollte die Y. Corporation Inc., Panama, durch die Firma X. mehrere Kunstgegenstände versteigern lassen. Dazu gehörte insbesondere ein dreiteiliges Gemälde BGE 112 II 337 S. 339 (Triptychon) von Z. aus dem Jahre 1914, wofür der Vertrag bei einem Schätzungswert von Fr. 300'000.-- bis 350'000.-- eine "Bruttolimite" von Fr. 262'500.-- vorsah. Die Versteigerung fand am 12. November 1982 im Rahmen einer Auktion statt. Für die Y. Corporation Inc. nahm daran unter anderen Frau B. teil, die im August 1982 in Genf mit einer Vertreterin der Firma X. bereits die Schätzungswerte der Kunstgegenstände besprochen und festgelegt hatte. Als das Gemälde versteigert wurde, überbot Frau B. das letzte Angebot eines Dritten um Fr. 5'000.--, worauf das Gemälde zum Preise von Fr. 265'000.-- ihr zugeschlagen wurde. Die Firma X. betrachtete hierauf die Y. Corporation Inc. als Käuferin des von ihr eingelieferten Gemäldes. Mit Rechnung vom 22. November forderte sie von ihr den Kaufpreis, 10% Kommission und 6,2% Warenumsatzsteuern (WUST), was zusammen angeblich Fr. 309'573.-- ausmachte. Die Y. Corporation Inc. wies die Rechnung am 26. November zurück. In ihrer Auktionsabrechnung vom 17. Dezember, die zugunsten der Y. Corporation Inc. einen Nettoerlös von Fr. 494'582.-- aus den Versteigerungen ergab, hielt die Firma X. an ihren Forderungen jedoch fest und verrechnete sie einige Tage später mit diesem Betrag. Den Saldo von Fr. 185'009.--, den sie am 7. Januar 1983 auf Fr. 195'009.-- erhöhte, zahlte sie der Y. Corporation Inc. aus. B.- Am 24. Januar 1984 klagte die Y. Corporation Inc. gegen die Firma X. auf Zahlung von Fr. 74'323.-- nebst 5% Zins seit verschiedenen Verfalldaten. Sie forderte damit einen Teil des Versteigerungserlöses, den sie aus anderen Kunstgegenständen erzielt hatte, den die Beklagte aber mit Gegenforderungen aus dem Verkauf des Gemäldes verrechnet wissen wollte. Die Klägerin machte geltend, durch den Zuschlag des Gemäldes an sie sei kein Kauf zustande gekommen, weshalb sich daraus auch keine Forderungen zugunsten der Beklagten ergäben. Das Handelsgericht des Kantons Zürich schützte am 30. November 1985 die eingeklagte Forderung nebst 5% Zins seit 26. Oktober 1983. Es schloss sich der Auffassung der Klägerin an; es fand zudem, die Klägerin hafte auch nicht dafür, dass sie das letzte Angebot eines Dritten durch Weiterbieten verhindert habe, da dieses Angebot noch unter dem vereinbarten Mindestpreis von Fr. 262'500.-- gelegen sei. Eine Nichtigkeitsbeschwerde der Beklagten gegen dieses Urteil wurde vom Kassationsgericht des Kantons Zürich am BGE 112 II 337 S. 340 30. April 1986 abgewiesen, soweit auf sie eingetreten werden konnte. C.- Die Beklagte hat gegen das Urteil des Handelsgerichts auch Berufung eingelegt. Sie beantragt, es aufzuheben und die Klage abzuweisen oder die Sache zur Durchführung eines Beweisverfahrens an die Vorinstanz zurückzuweisen. Sie führt ausserdem staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Kassationsgerichts. Die Klägerin beantragt, die Berufung abzuweisen. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Mit der staatsrechtlichen Beschwerde macht die Beklagte geltend, das Handelsgericht habe entgegen ihrem Beweisantrag nicht abgeklärt, dass im Zürcher Auktionshandel die Übung bestehe, Kunstgegenstände auch unter der Bruttolimite an den Meistbietenden zuzuschlagen. Das Kassationsgericht habe sich darüber ebenfalls hinweggesetzt in der Meinung, dass das Bundesgericht im Berufungsverfahren prüfen könne, ob eine solche Übung genügend behauptet worden und ob sie für die Auslegung der Vereinbarungen zwischen den Beteiligten von Bedeutung sei. Dadurch sei ihr das rechtliche Gehör verweigert worden. Wie es sich mit dieser Rüge verhält, kann indes dahingestellt bleiben, wenn es für die Beurteilung der Berufung so oder anders nicht auf die behauptete Handelsübung ankommt. Das ist der Fall, wenn die Vereinbarungen der Beteiligten unbekümmert um eine solche Übung für die Rechtsauffassung der einen oder anderen Partei sprechen. Wie Vertragsbestimmungen nach Treu und Glauben auszulegen sind, ist aber eine Frage der Rechtsanwendung, die im Berufungsverfahren frei überprüft werden kann ( BGE 102 II 246 E. 2, BGE 101 II 325 E. 1 und 331 E. 2, je mit weiteren Hinweisen). Die Berufung kann daher entgegen der Regel des Art. 57 Abs. 5 OG vor der staatsrechtlichen Beschwerde behandelt werden. 2. Die Parteien sind sich einig über die Vorfrage, dass die Streitigkeit nach schweizerischem Recht zu beurteilen ist, weil es sich beim Auktionsvertrag um ein auftragsähnliches Vertragsverhältnis handelt und die für das Rechtsverhältnis charakteristische Leistung in Zürich erbracht worden ist ( BGE 96 II 89 E. 7c, BGE 91 II 446 , BGE 77 II 93 ). Davon geht auch das Handelsgericht aus. 3. Die Parteien streiten sich hingegen darüber, ob an einer freiwilligen öffentlichen Versteigerung ein Gegenstand seinem BGE 112 II 337 S. 341 Einlieferer, der wie hier meistens auch sein Eigentümer ist, wie einem anderen Interessenten zugeschlagen werden kann, wenn er mitbietet und das letzte Angebot macht. Die Beklagte ist der Auffassung, als Kommissionärin habe sie unbekümmert um die Person, der das Gemälde zugeschlagen worden sei, Anspruch auf die mit der Kommittentin vereinbarten Vergütungen. Die Klägerin beharrt dagegen darauf, dass sie der Beklagten mangels eines rechtlich relevanten Angebotes weder Provisionen noch Schadenersatz schulde. Das Handelsgericht seinerseits hält für gerichtsnotorisch, dass Einlieferer häufig mitbieten, um eine Rücknahme des Auktionsgegenstandes vor dem Publikum zu vermeiden oder einen möglichst hohen Preis zu erzielen; wenn der Versteigerer den Gegenstand dem Eigentümer zuschlage, liege daher eine Simulation vor. Ein Verkauf an sich selbst sei übrigens rechtlich und sachlich unmöglich. Wie ein Zuschlag an den Eigentümer zu beurteilen ist und welche Rechtsfolgen sich daraus für die Beteiligten ergeben, hängt vor allem von ihren Vereinbarungen ab, wobei zwischen den Abreden des Versteigerers mit dem Einlieferer einerseits und mit den Bietern andererseits zu unterscheiden ist. Der Auktionsvertrag vom 18. Oktober 1982, bestehend aus einem vorgedruckten Formular der Beklagten, enthält auf der Vorderseite namentlich Angaben über die vereinbarte Kommission, die Versicherung und die WUST, ferner eine Liste der eingelieferten Gegenstände mit der festgesetzten Bruttolimite und ihrem ungefähren Schätzungswert. Aus den allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) auf der Rückseite ergibt sich insbesondere, dass an den Meistbietenden zugeschlagen wird, der Versteigerer bei zu tiefen Angeboten berechtigt ist, im Interesse des Einlieferers nicht zu verkaufen, und dass Mindestpreise vereinbart werden können (Ziff. 1), dass ferner die Firma X. vom Total der erzielten Zuschläge 18% Kommission erhält (Ziff. 2), die vorliegend im Vertrag auf 15% beschränkt worden ist, und dass der Auftraggeber ihr auf nicht verkaufte Gegenstände 3% der festgesetzten Limite als Rückkauf zu vergüten hat (Ziff. 6). Wer als Interessent an einer Versteigerung der Beklagten teilnehmen will, erhält eine "Bieternummer" und hat unterschriftlich zu bestätigen, dass er die Auktionsbedingungen anerkennt und "für alle Käufe dieser Nummer während der Auktion" haftet. Nach den Auktionsbedingungen (AB) wird gegen Barzahlung in Schweizer Franken versteigert (Ziff. 1). Ausser dem Zuschlagspreis BGE 112 II 337 S. 342 hat der Ersteigerer ein Aufgeld zu entrichten, das bei einem Zuschlag über Fr. 100'000.-- 10% beträgt (Ziff. 2). Auf Gegenständen, deren Nummern mit einem Sternchen versehen sind, werden zudem 6,2% WUST erhoben (Ziff. 3). Bieter, die dem Versteigerer persönlich unbekannt sind, haben sich vor Abgabe eines Angebotes bei der Auktionsleitung auszuweisen (Ziff. 6). "Die Abgabe eines Gebotes bedeutet eine verbindliche Kaufofferte" (Ziff. 8). Die Auktionsbedingungen gelten als Bestandteil jedes Kaufvertrages, der an der Auktion geschlossen wird; Abänderungen sind nur schriftlich gültig (Ziff. 12). "Angebote, Aufrufe und Zuschläge unter etwaigen Limiten sind zulässig, somit können Gegenstände ohne Verkauf zugeschlagen werden" (Ziff. 14). 4. Eine klare Antwort auf die Streitfrage, welches die Rechtsfolgen eines Zuschlages an den Einlieferer (Auftraggeber) sind, ist dem Auktionsvertrag und den dazu gehörenden allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten nicht zu entnehmen; die Möglichkeit eines solchen Zuschlages wird darin ausdrücklich weder ausgeschlossen noch vorbehalten. Ziff. 1 und 2 AGB sprechen immerhin eher dafür, dass ein Einlieferer wie ein anderer Teilnehmer zu behandeln ist, wenn er bei von ihm eingelieferten Gegenständen mitbietet und einen von ihnen zugeschlagen erhält. Dem entspricht jedenfalls für Zuschläge über der Bruttolimite auch die Meinung der Beklagten. Die Klägerin hingegen leitet ihre Auffassung nicht aus einer schriftlichen Vereinbarung mit der Beklagten ab. Sie beruft sich vielmehr auf das Interesse des Einlieferers an Scheingeboten, die an Kunstauktionen häufig vorkämen und auch nach den Auktionsbedingungen der Beklagten möglich seien, um den Nichtverkauf eines Gegenstandes zu verschleiern; der Auktionsvertrag stehe gleichsam unter dem stillschweigenden Vorbehalt, dass der Einlieferer solche Angebote machen könne, wenn von seiten Dritter zu wenig oder nicht mehr geboten werde. a) Damit behauptet die Klägerin, mit der Beklagten eine Simulation verabredet zu haben, wofür nach der allgemeinen Regel des Art. 8 ZGB sie beweispflichtig ist. Mit diesem Beweis ist es zudem streng zu nehmen (JÄGGI/GAUCH, N. 134 zu Art. 18 OR ). Allgemeine Behauptungen oder blosse Vermutungen reichen nicht aus. Das gilt insbesondere von den Einwänden der Klägerin, wer als Versteigerer wie die Beklagte bereit sei, auch zum Scheine zuzuschlagen, könne die Ernsthaftigkeit seiner Willensbildung erst beurteilen, wenn ihm bekannt werde, wem er den Zuschlag tatsächlich erteilt habe; diesen Umstand habe das Auktionshaus zu vertreten, wenn BGE 112 II 337 S. 343 es unbekümmert um seine Organisation Zuschläge an Unbekannte in Kauf nehme. In jedem Angebot stecke aus der Sicht des Versteigerers auch die Möglichkeit eines Scheingebotes; deshalb genüge selbst ein nachträglicher Simulationswille des Auktionshauses. Solche Einwände scheitern schon am Begriff eines simulierten Rechtsgeschäfts im Sinne von Art. 18 OR . Ein solches Geschäft liegt vor, wenn beide Parteien darüber einig sind, dass die gegenseitigen Erklärungen nicht ihrem Willen entsprechende Rechtswirkungen haben sollen, weil sie entweder ein Vertragsverhältnis vortäuschen oder mit dem Scheingeschäft einen wirklich beabsichtigten Vertrag verdecken wollen ( BGE 97 II 207 E. 5 mit Hinweisen; VON TUHR/PETER, OR Allg. Teil I S. 293/94; GUHL/MERZ/KUMMER, OR 7. Aufl. S. 113/14). Die Simulationsabrede setzt in Fällen wie hier somit voraus, dass der Versteigerer um das Scheingebot eines bestimmten Bieters weiss und bei der damit verfolgten Täuschung Dritter mitmacht, notfalls also bewusst zum Scheine zuschlägt (JÄGGI/GAUCH, N. 104 ff. zu Art. 18 OR ). Ob die Beklagte dies getan habe, hat das Handelsgericht aber ausdrücklich offengelassen. Es meint freilich, die Beklagte müsse sich bei ihrem nachträglichen Wissen so oder anders behaften lassen, weil es ihr gleichgültig gewesen sei, "mit wem sie den Vertrag abschloss". Aus einem solchen Wissen darf hier indes ebenfalls nicht auf einen Simulationswillen des Auktionshauses zur Zeit der Versteigerung geschlossen werden, hiesse dies doch, die Beklagte habe sich den Absichten der Klägerin, gegebenenfalls Scheingebote zu machen, zum vornherein unterworfen und mit ihr bewusst gemeinsame Sache gemacht; das aber hat ihr Versteigerer gerade stets bestritten. Bei dieser Beweislage taugt auch der Vorhalt nicht, dass das nachträgliche Verhalten von Vertragspartnern nach der Rechtsprechung ( BGE 107 II 418 ) Rückschlüsse auf ihren wirklichen Willen bei Vertragsabschluss erlaube; der Vorhalt läuft darauf hinaus, der Beklagten unter Umgehung der Beweislast der Klägerin einen Simulationswillen zu unterstellen. Das ist auch dem Hinweis der Klägerin auf Art. 32 Abs. 2 OR entgegenzuhalten. b) Dass die Simulationsabrede keiner besonderen Form bedarf und sich aus konkludentem Verhalten der Beteiligten ergeben kann, z.B. wenn der Versteigerer von der Simulationsabsicht eines Bieters Kenntnis hat und dessen Angebot widerspruchslos "annimmt" (JÄGGI/GAUCH, N. 103 zu Art. 18 OR ), ändert daran nichts. Das entbindet den Einlieferer nicht von der Pflicht, auch eine stillschweigende Abrede zu beweisen, wenn er aus irgendwelchen BGE 112 II 337 S. 344 Gründen mitgeboten hat, das Angebot im Falle eines Zuschlages aber nicht gegen sich gelten lassen will. Auch diesen Beweis hat die Klägerin nicht erbracht; fest steht vielmehr, dass der Versteigerer der Beklagten von einem echten Angebot ausgegangen ist, als er das Gemälde zum Preise von Fr. 265'000.-- Frau B. zugeschlagen hat. Der Hinweis auf RUOSS (Scheingebote an Kunstauktionen, Diss. Zürich 1983, S. 90) hilft der Klägerin nicht. Gewiss nimmt dieser Autor an, der Versteigerer könne die Eigenschaft eines Einlieferers, der mitbietet, "regelmässig" erkennen, weil jedes Auktionshaus ein genaues Verzeichnis darüber führe, wer welchen Gegenstand eingeliefert habe. Dass dies für die Annahme einer stillschweigenden Simulationsabrede stets ausreiche, leuchtet bei grossen Auktionen mit über 100 Teilnehmern jedoch nicht ein. Deshalb sehen die in der Schweiz verwendeten Auktionsbedingungen, wie RUOSS an der gleichen Stelle beifügt, denn auch durchwegs vor, dass Bieter sich vor der Abgabe des ersten Angebots auszuweisen haben, wenn sie dem Versteigerer nicht persönlich bekannt sind. Dazu war gemäss Ziff. 6 AB auch Frau B. verpflichtet, die am 12. November 1982 die Bieternummer 739 erhalten und die Auktionsbedingungen der Beklagten vorbehaltlos anerkannt, sich bei der Eingangskontrolle über ihre Eigenschaft als Vertreterin der Klägerin aber ausgeschwiegen hat. Die Klägerin verkehrt diese Bestimmung ins Gegenteil, wenn sie aus der Auskunftspflicht des Bieters eine Informationspflicht der Auktionsleitung macht. Ebensowenig hilft der Klägerin, dass im Auktionsvertrag nicht auf die Auktionsbedingungen verwiesen worden ist, diese Bedingungen folglich nicht als Bestandteil dieses Vertrages zu betrachten sind. Die Klägerin verkennt, dass ihre Vertreterin nicht nur die Pflichten einer Bieterin übernommen, sondern sich auch als solche benommen hat, sie sich daher deren Verhalten anrechnen und auch die Auktionsbedingungen, insbesondere Ziff. 1 bis 3 und Ziff. 8 AB, entgegenhalten lassen muss. Aus Ziff. 14 AB sodann, die unklar abgefasst ist, könnte die Klägerin höchstens folgern, dass Frau B. unbekümmert um ihre Auskunftspflicht bis zum vorgesehenen Mindestpreis mitbieten durfte, ohne mit einem verbindlichen Zuschlag und der damit verbundenen Kommission der Beklagten rechnen zu müssen. Auch das würde sie aber nicht vom Nachweis einer Simulationsabrede mit der Beklagten befreien; das gälte selbst dann, wenn man im zweiten Satzteil der Bestimmung ein Indiz für eine solche Abrede erblicken wollte. BGE 112 II 337 S. 345 c) Etwas Abweichendes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beklagte ohne das klägerische Angebot das Triptychon unter der vereinbarten Limite zugeschlagen hätte. Denn die Vereinbarung eines Betrages, unter dem nicht zugeschlagen werden darf, soll in erster Linie den Einlieferer vor Verlust schützen, wenn keine Angebote in ausreichender Höhe gemacht werden. Schlägt der Versteigerer unter der vereinbarten Limite zu, ist er dennoch verpflichtet, dem Einlieferer den vereinbarten Mindestpreis zu bezahlen. Bei einer Bruttolimite von Fr. 262'500.-- beträgt die Nettolimite nach Abzug von 15% Verkaufsprovision Fr. 223'125.--, bei einer Bruttolimite von Fr. 275'000.-- beträgt sie Fr. 233'750.--. Die Beklagte war auf jeden Fall gehalten, der Klägerin den Nettomindestbetrag zukommen zu lassen, gegebenenfalls unter Verzicht auf einen Teil ihrer Kommission. Die Klägerin wäre also, wenn sie nicht mitgeboten hätte, nicht zu Schaden gekommen. Dass, wie die Vorinstanz annimmt, sich aus Ziff. 2 AGB keine Pflicht zum teilweisen Provisionsverzicht ergebe, überzeugt nicht. Denn der Versteigerer hat dem Einlieferer den vertraglich zugesicherten Mindestnettobetrag auf jeden Fall zu erbringen ( Art. 428 Abs. 1 OR ; vgl. GAUTSCHI, N. 3c zu Art. 428 OR ). Fragen kann man sich einzig, ob die Klägerin aus verkaufspsychologischen Gründen einen Anspruch darauf hat, dass keinesfalls unter der vereinbarten Bruttolimite zugeschlagen wird. Diese Frage braucht hier nicht abschliessend beantwortet zu werden; denn es liegt auf der Hand, dass der geringe Preisunterschied zwischen dem letzten Angebot vor demjenigen der Klägerin von Fr. 260'000.-- und einer Bruttolimite von Fr. 262'500.-- verkaufspsychologisch ohne jede Bedeutung ist. Für den Aussenstehenden ist das Gemälde zu einem Preis von rund Fr. 260'000.-- gehandelt worden. Dasselbe müsste auch gelten, wenn die Bruttolimite Fr. 275'000.-- betragen sollte. Somit ergibt sich, dass sich die Klägerin bei ihrem Angebot behaften lassen muss. Mangels einer rechtzeitigen Abrede mit dem Versteigerer trug sie als Letztbietende das Risiko, dass ihr das Gemälde schliesslich nicht bloss zum Scheine, sondern tatsächlich zugeschlagen wurde. Sie hat es sich selbst zuzuschreiben, wenn man letztlich, wie sie sagt, "auf dem Auktionsgegenstand sitzengeblieben" ist. d) Der Einwand der Klägerin, dass Dissens und damit ein Willensmangel vorläge, wenn der Versteigerer den Willen gehabt haben sollte, mit Frau B. einen Kaufvertrag zu schliessen, geht BGE 112 II 337 S. 346 schon deshalb fehl, weil die Klägerin nach den Vereinbarungen zwischen den Beteiligten für den hier eingetretenen Fall als Verkäuferin und als Käuferin des Gemäldes anzusehen war. Daran scheitert auch der weitere Einwand, ein Verkauf an sich selbst sei unmöglich. Ist der Einlieferer bereits Eigentümer, kann zwar entgegen Art. 235 Abs. 1 OR der Eigentumsübergang mit dem Zuschlag nicht mehr eintreten. Dies schliesst jedoch nicht aus, dass die Parteien vereinbaren, der Einlieferer habe in einem solchen Fall dem Versteigerer die gleichen Zahlungen zu entrichten wie beim Zuschlag an einen Dritten. Aus BGE 109 II 124 ergibt sich entgegen der Vorinstanz nichts Abweichendes. Schliesslich geht es auch nicht an, das dem Zuschlag vorausgehende Scheingebot der Frau B. als Widerruf des Auktionsvertrages ausgeben zu wollen. Gewiss sieht die Verordnung des Zürcher Obergerichts vom 19. Dezember 1979 über das Verfahren bei freiwilligen öffentlichen Versteigerungen in § 12 Abs. 3 vor, dass ein Auftraggeber vor dem dritten Aufruf ein Angebot, das ihm nicht annehmbar oder ungenügend erscheint, ausdrücklich ablehnen kann. Daraus kann die Klägerin schon deshalb nichts für sich ableiten, weil es um kantonales Recht geht, dessen Anwendung das Bundesgericht auf Berufung hin nicht zu überprüfen hat ( Art. 55 Abs. 1 lit. c OG ). Sie behauptet übrigens nicht, dass ihre Vertreterin spätestens vor dem dritten Aufruf eingeschritten sei, um einem verbindlichen Zuschlag vorzubeugen. Frau B. hat vielmehr, ohne sich als Vertreterin der Klägerin zu erkennen zu geben, an der Auktion teilgenommen, mitgeboten und es auf einen Zuschlag ankommen lassen. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine nähere Stellungnahme zum Einwand der Beklagten, das anrüchige Mitbieten an Kunstauktionen durch Einlieferer könne nur dann unterbunden werden, wenn diese im Fall eines Zuschlages wie echte Käufer behandelt werden. Zu bemerken ist immerhin, dass der Steigerungswettbewerb an Auktionen, wie bereits in BGE 109 II 125 ff. ausgeführt worden ist, nicht nur durch das Versprechen von Teilnehmern, gegen Entgelt nicht mitzubieten, sondern auch durch Scheingebote des Einlieferers erheblich verfälscht werden kann, diesfalls solche Versprechen und Gebote folglich als sittenwidrig erscheinen. Das gilt auch für Simulationsabreden zwischen dem Versteigerer und einem Bietenden, was selbst der Klägerin nicht entgangen ist, räumt sie doch ein, dass dadurch die Interessen von "ehrlichen" Mitbietern verletzt werden, Scheingebote des Einlieferers deswegen BGE 112 II 337 S. 347 gegen Treu und Glauben verstossen und höchst verpönt sein können. Um so mehr rechtfertigt es sich, Einlieferer das Risiko eines Scheingebotes selber tragen zu lassen. 5. Das angefochtene Urteil verletzt Art. 18 Abs. 1 OR , weil es zu Unrecht davon ausgeht, es liege eine Simulationsabrede zwischen den Parteien vor; es ist deshalb aufzuheben. Die Sache ist ferner gestützt auf Art. 64 Abs. 1 OG zur näheren Abklärung der gegenseitigen Ansprüche, die noch streitig sind, an die Vorinstanz zurückzuweisen. Was darüber in tatsächlicher Hinsicht feststeht, erlaubt dem Bundesgericht kein abschliessendes Urteil, zumal das Handelsgericht offengelassen hat, ob die Bruttolimite kurz vor der Auktion mündlich auf Fr. 275'000.-- erhöht worden sei, wobei es zudem aus Versehen von Nettolimite spricht. Zu klären ist ferner, ob die WUST mangels eines gültigen Kaufvertrages tatsächlich geschuldet gewesen oder, wie die Klägerin einwendet, fälschlicherweise bezahlt worden sei. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Berufung wird dahin gutgeheissen, dass das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 30. Oktober 1985 aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen wird.
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CH_BGE_004
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Urteilskopf 92 II 39 6. Urteil der I. Zivilabteilung vom 1. März 1966 i.S. Grädel gegen Krapf und Mitbeteiligte
Regeste Motorfahrzeughaftpflicht. Intertemporales Recht MFG/SVG (Erw. 3). Schadenersatzpflicht zwischen Haltern, Art. 61 SVG . Begriff des Halters (Erw. 4 a). Erfordernis der Verletzung eines Halters (Erw. 4 b). Ermässigung der Ersatzpflicht des Halters wegen Mitverschuldens des Geschädigten, Art. 59 Abs. 2 SVG . Allgemeine Grundsätze (Erw. 5). Einfluss unrichtiger Strassensignalisierung auf das Verschulden des Halters (Erw. 6). Sorgfaltspflichten des Vortrittsberechtigten (Erw. 7). Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften? Art. 8 ZGB (Erw. 2).
Sachverhalt ab Seite 40 BGE 92 II 39 S. 40 A.- Frau Pia Krapf, die Ehefrau und Mutter der Kläger, fiel am 6. Juli 1962 einem Verkehrsunfall zum Opfer, der sich unter den folgenden Umständen ereignete: Frau Krapf fuhr am Steuer des ihrem Ehemann gehörenden PW "Morris" von Arbon über Stachen gegen Baumannshaus. Ihr Ehemann Johann Krapf sass neben ihr im Wagen. Als sie in Riedern zu der Kreuzung mit der Strasse Roggwil-Ebnet gelangte, kam von links, von Roggwil her, Ernst Grädel in seinem PW "Peugeot 404" mit einer Geschwindigkeit von ungefähr 80 km. Grädel bremste, als er den andern Wagen in die unübersichtliche Kreuzung einfahren sah, vermochte aber auf der regennassen Strasse nicht mehr rechtzeitig anzuhalten, so dass es zum Zusammenstoss kam. Der Wagen Grädels traf den andern Wagen auf der linken Seite hinten und stiess ihn in die Wiese hinaus. Johann Krapf und seine Ehefrau wurden aus dem Wagen geschleudert. Während ersterer nur unerheblich verletzt wurde, starb seine Ehefrau einige Tage später an den erlittenen Verletzungen. Grädel blieb unverletzt. Frau Krapf hinterliess neben dem Ehemann sieben Kinder im Alter von 2-17 Jahren. Der Ehemann Krapf ist infolge eines im Jahre 1961 erlittenen Schlaganfalles halbseitig gelähmt und daher voll invalid. Das landwirtschaftliche Gewerbe der Familie wurde seither von der Ehefrau mit Hilfe eines Knechtes betrieben. Die Anklagekammer des Kantons Thurgau stellte das gegen Grädel eröffnete Strafverfahren ein, da sie der Auffassung war, Grädel sei auf einer Hauptstrasse gefahren und daher vortrittsberechtigt gewesen, weshalb ihn kein strafrechtliches Verschulden am Unfall treffe. B.- Johann Krapf und seine sieben Kinder belangten Grädel auf Bezahlung von Schadenersatz- und Genugtuungsleistungen von insgesamt Fr. 66'059.-- nebst Zins. Der Beklagte bestritt, haftpflichtig zu sein, und beantragte, die Klage abzuweisen. C.- Das Bezirksgericht Arbon und das Obergericht des Kantons Thurgau schützten die Klage im Betrage von Fr. 63'065.20 nebst 5% Zins seit 6. Juli 1962. Beide kantonalen Instanzen nahmen an, der Beklagte sei entgegen der Auffassung der Anklagekammer nicht vortrittsberechtigt gewesen, da die von ihm befahrene Strasse Roggwil-Ebnet gleich wie die Strasse Stachen-Baumannshaus eine BGE 92 II 39 S. 41 Nebenstrasse sei; die Geschwindigkeit des Beklagten von 80 km sei zu hoch gewesen und zudem habe er es an der gebotenen Aufmerksamkeit fehlen lassen; es treffe ihn daher ein schweres Verschulden am Unfall. Das Mitverschulden der vortrittsberechtigten Frau Krapf sei gering und rechtfertige nicht, die Ansprüche der Kläger um mehr als die von ihnen zugestandenen 25% zu kürzen. D.- Gegen das Urteil des Obergerichts vom 28. September 1965 hat der Beklagte die Berufung erklärt. Er stellt den Hauptantrag, die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen; eventuell beantragt er, die Klage abzuweisen, soweit sie den Betrag von Fr. 48'000.-- nebst Zins übersteigt. Die Kläger beantragen, die Berufung abzuweisen und den angefochtenen Entscheid zu bestätigen. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 2. Der Beklagte bringt zur Begründung der behaupteten Verletzung des Art. 8 ZGB vor, die Vorinstanz habe sein Begehren betreffend Abklärung der Lebenserwartung der Erstklägers durch medizinische Expertise ohne st i chhaltige Begründung abgelehnt, obschon es fraglich sei, ob beim vollinvaliden Kläger von einer nach den statistischen Tabellen errechneten Lebenserwartung ausgegangen werden dürfe. Mit der Annahme, die körperliche Lähmung allein lasse nicht auf einen vorzeitigen Tod schliessen, und ein Experte werde die voraussichtliche Lebensdauer kaum näher bestimmen können, habe die Vorinstanz den Rahmen der ihr zustehenden Beweiswürdigung überschritten. Der Beklagte stützt seinen Antrag im Berufungsverfahren wie schon vor den kantonalen Instanzen einzig auf die unbestrittene Tatsache, dass Johann Krapf im Jahre 1961 einen Gehirnschlag erlitten hat und seither halbseitig gelähmt ist. Einen Anhaltspunkt dafür, dass diese körperliche Behinderung oder ihre Ursache sich lebensverkürzend auswirken könnte und wahrscheinlich auch auswirken werde, hat er nicht geltend gemacht. Bei dieser Sachlage war die Vorinstanz zur Anordnung einer medizinischen Expertise nur verpflichtet, wenn sie bezüglich der normalen Lebenserwartung des Johann Krapf Zweifel hegte. Da sie dies mit der Begründung verneinte, Krapf sei nicht von einem innern Leiden befallen, und - auf Grund der allgemeinen Lebenserfahrung - die Auffassung vertrat, die BGE 92 II 39 S. 42 körperliche Lähmung allein lasse nicht auf einen vorzeitigen Tod schliessen, verstiess die Abweisung des Antrages auf Einholung eines medizinischen Gutachtens nicht gegen Art. 8 ZGB . Die Vorinstanz hätte die Schadenersatzberechnung selbst dann nicht anders vornehmen dürfen, wenn ein medizinischer Gutachter bloss die Möglichkeit einer verkürzten Lebenserwartung bejaht hätte. Mehr war von einem solchen Gutachten aber bei der gegebenen Sachlage nicht zu erwarten. Eine Rückweisung der Sache zur Durchführung der verlangten Begutachtung rechtfertigt sich daher nicht. 3. Da der Verkehrsunfall, aus dem die Kläger ihre Ansprüche ableiten, sich am 6. Juli 1962 ereignet hat, beurteilt sich die Haftung des Beklagten nach den Vorschriften der Art. 58 ff. SVG betreffend Haftpflicht und Versicherung, die am 1. Januar 1960 in Kraft getreten sind (VVV vom 20. November 1959 Art. 61 Abs. 1). Für die Beurteilung des Verhaltens der beteiligten Fahrzeuglenker dagegen ist auf die im Zeitpunkt des Unfalls noch massgebenden Verkehrsregeln des MFG abzustellen. 4. Der Beklagte verlangt, seine Ersatzpflicht sei nicht nur um 25%, sondern um 50% herabzusetzen. Diese hälftige Schadensteilung leitet er in erster Linie aus Art. 61 SVG ab, den die Vorinstanz durch Nichtanwendung verletzt haben soll. a) Art. 61 SVG regelt die Schadenersatzpflicht zwischen Motorfahrzeughaltern. Der Beklagte hält diese Bestimmung für anwendbar, weil nach den tatsächlichen Verhältnissen Frau Krapf als Halter des von ihr gelenkten Fahrzeugs zu betrachten sei. Diese Ansicht ist unrichtig. Halter des Motorfahrzeugs war im massgebenden Zeitpunkt des Unfalls der Ehemann Krapf. Dass der Fahrzeugausweis auf ihn lautete, ist zwar nicht von entscheidender Bedeutung, da dem Gesetz nicht der formelle, sondern der materielle Halterbegriff zugrunde liegt, wonach "als Halter derjenige aufzufassen ist, auf dessen eigene Rechnung und Gefahr der Betrieb des Fahrzeuges erfolgt und der zugleich über dieses und allenfalls über die zum Betrieb erforderlichen Personen die tatsächliche, unmittelbare Verfügung besitzt" (OFTINGER, Haftpflichtrecht, 2. Aufl. II/1 S. 481). Diese Voraussetzungen treffen auf den Ehemann Krapf zu: Er ist Inhaber des Landwirtschaftsbetriebes, aus dessen Erträgnissen die Unterhalts- und Betriebskosten des Fahrzeuges BGE 92 II 39 S. 43 bestritten werden. Er ist daher in erster Linie an dessen Halten interessiert. Ebenso steht ihm als Betriebsinhaber das Verfügungsrecht über das Fahrzeug zu. Es fehlt jeder Anhaltspunkt, der den Schluss zuliesse, Krapf habe sich in keiner Weise um den Besitz eines Fahrzeuges interessiert, und dieses sei einzig von seiner Ehefrau gewünscht und betrieben worden. Dass Krapf im Zeitpunkt des Unfalles seit ungefähr 9 Monaten voll invalid war und seine Ehefrau den Betrieb in der im vorinstanzlichen Urteil umschriebenen Weise leitete, ändert nichts. Gerade wegen seiner Invalidität hatte Krapf vielmehr am Halten des Fahrzeugs das überwiegende Interesse, obwohl er es nicht selber führen konnte. b) Der Beklagte macht geltend, selbst wenn Krapf Halter sei, finde Art. 61 Abs. 1 SVG gleichwohl Anwendung, weil die Kausalhaftung des Halters auch die Haftung seiner Ehefrau als Lenkerin des Fahrzeugs umfasse. Nach Art. 58 Abs. 4 SVG ist wohl der Halter für das Verschulden des Fahrzeugführers und mitwirkender Hilfspersonen wie für eigenes Verschulden verantwortlich. Daraus allein kann jedoch nicht gefolgert werden, wenn den Lenker, der nicht Halter ist, ein Verschulden treffe, finde die Vorschrift von Art. 61 SVG über die Haftung zwischen Haltern Anwendung. Voraussetzung hiefür ist, wie Art. 61 Abs. 1 SVG ausdrücklich sagt, dass ein Halter körperlich geschädigt ist, was im vorliegenden Fall eben nicht zutrifft. Daher kann die Auferlegung des Schadens zu gleichen Teilen nicht schon aus dieser Bestimmung abgeleitet werden, ganz abgesehen davon, dass eine andere Verteilung zulässig ist, wenn sich dies nach den Umständen, namentlich nach dem Verschulden, rechtfertigt. Die Rüge der Verletzung von Art. 61 SVG ist somit nicht begründet. 5. Fällt Art. 61 SVG ausser Betracht, so beurteilt sich die Haftung des Beklagten ausschliesslich nach Art. 58/59 SVG. a) Der Beklagte behauptet im Berufungsverfahren nicht mehr, von seiner durch Art. 58 SVG begründeten Kausalhaft gemäss Art. 59 Abs. 1 gänzlich befreit zu sein. Er macht lediglich unter Berufung auf Art. 59 Abs. 2 SVG geltend, seine Ersatzpflicht sei auf die Hälfte herabzusetzen, weil Frau Krapf als Lenkerin des am Unfall mitbeteiligten Fahrzeugs ein erhebliches Selbstverschulden treffe, das sich die Kläger im Streit um den Versorgerschaden entgegenhalten lassen müssten. BGE 92 II 39 S. 44 Die Kläger anerkennen, dass die Ersatzpflicht des Beklagten gestützt auf Art. 59 Abs. 2 SVG zu kürzen ist. Die Herabsetzung kann jedoch nach ihrer Auffassung nicht mehr als 25% ausmachen, da das Verschulden der Getöteten nur ganz geringfügig sei. b) Für das Ausmass der Herabsetzung der Ersatzpflicht des Beklagten ist in erster Linie die Schwere des Verschuldens der getöteten Fahrzeuglenkerin massgebend, das der Beklagte zu beweisen hat. Je schwerer dieses Verschulden ist, umsomehr vermindert sich die Ersatzpflicht des Beklagten, der kraft seiner Kausalhaftung grundsätzlich für den vollen Schaden einzustehen hat. Trifft ihn zusätzlich ein Verschulden, so wiegt dieses das mitwirkende Verschulden der Frau Krapf zum Teil auf, mit der Folge, dass sich die Ersatzpflicht des Beklagten in geringerem Masse vermindert, als es das Mitverschulden der Getöteten, für sich allein betrachtet, rechtfertigen würde ( BGE 91 II 223 ). Es ist somit das Verschulden der beiden Fahrzeugführer abzuklären. 6. a) Der Beklagte wirft dem Obergericht vor, es habe sein Verschulden unrichtig beurteilt, indem es annehme, für die Würdigung seiner Fahrweise sei bedeutungslos, dass in Roggwil ein blauer Wegweiser zur Verbindungsstrasse Roggwil-Ebnet hinleitet. Mit diesem Einwand hat es folgende Bewandtnis: Die Strasse Roggwil-Ebnet verbindet die Hauptstrasse Nr. 153 St. Gallen-Arbon mit der Hauptstrasse Nr. 33 Amriswil-Arbon. Sie ist eine gut ausgebaute Staatsstrasse, jedoch nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz nicht als Hauptstrasse im Sinne von Art. 27 Abs. 2 MFG gekennzeichnet und in der Liste der Hauptstrassen mit Vortrittsrecht nicht aufgeführt. Dementsprechend war sie auch nicht mit einer Nummer (Art. 1 Abs. 2 BRB vom 26. Januar 1937 über die Numerierung der Hauptstrassen usw.) versehen, welche nach den einschlägigen Vorschriften unter dem Ortsbezeichnungssignal am Ausgang der Ortschaften und auf den Wegweisern anzubringen gewesen wäre. Bei der in Roggwil (innerorts) gelegenen Verzweigung der Strassen nach Arbon und Ebnet wies ein blauer Wegweiser ohne Nummer zur Verbindungsstrecke Roggwil-Ebnet, wo die Einmündung in die Hauptstrasse Nr. 33 erfolgt. Die Vorinstanz ist der Ansicht, ein solcher blauer Wegweiser ohne Nummer bedeute nur, dass die Strasse zu einer Hauptstrasse BGE 92 II 39 S. 45 führe, ohne selbst eine solche zu sein; wo die Hauptstrasse beginne, sage der Wegweiser nicht. Der Beklagte habe daher auf Grund dieser Signalisierung nicht annehmen dürfen, er befinde sich auf einer Hauptstrasse. Der Beklagte wendet hiegegen ein, die Strassensignalisierung in Roggwil sei unrichtig; die Strassen nach Ebnet hätte richtigerweise mit einem weissen Wegweiser bezeichnet sein müssen. Auf Grund der unzutreffenden Strassensignalisation habe er in guten Treuen annehmen dürfen, er befinde sich auf einer vortrittsberechtigten Hauptstrasse, so dass er auf allfällige Einmündungen und Kreuzungen nicht oder doch weniger zu achten habe und mit entsprechender Geschwindigkeit fahren dürfe. b) Das Obergericht irrt, indem es annimmt, ein blauer Wegweiser ohne Nummer zeige lediglich an, dass man in der angegebenen Richtung zu einer Hauptstrasse komme, gebe aber keinen Aufschluss darüber, wo die Hauptstrasse beginne, so dass deren Beginn der Nummernangabe auf der nächsten Ortstafel oder auf dem nächsten blauen Wegweiser entnommen werden müsse. Art. 4 des massgebenden BRB vom 26. März 1934 bestimmt: "Die Hauptstrasse mit Vortrittsrecht wird auf dieser selbst durch den blauen Wegweiser gekennzeichnet. Ausserorts darf dieser Wegweiser nur an Hauptstrassen zur Bezeichnung der Richtung dieser Strassen verwendet werden; innerorts nur, wenn er auf eine Ortschaft hinweist, zu der auf der Überlandstrecke eine Hauptstrasse führt. Für die Richtungsbezeichnung nach und auf Nebenstrassen darf nur der weisse Wegweiser verwendet werden." Abs. 1 dieser Vorschrift kann nur so verstanden werden, dass die ganze zur angegebenen Ortschaft hinführende Ausserortsstrecke Hauptstrasse sein muss. Ist die Ausserortsstrecke, die sich unmittelbar an die Ortschaft anschliesst, in der der Wegweiser steht, eine Nebenstrasse, so muss ein weisser Wegweiser angebracht werden. Da im vorliegenden Fall die unmittelbar anschliessende Überlandstrecke (d.h. die Verbindungsstrecke Roggwil-Ebnet) keine Hauptstrasse ist, hätte somit in Roggwil eine weisse Tafel nach Ebnet weisen sollen. Angesichts der tatsächlichen Signalisierung durfte daher der Beklagte, trotz dem Fehlen einer Nummer auf dem Wegweiser, der Meinung sein, er befahre eine Hauptstrasse; dies um so mehr, als auch der (richtigerweise) blaue Wegweiser für die BGE 92 II 39 S. 46 Hauptstrasse nach Arbon, der ebenfalls an der Strassenverzweigung in Roggwil steht, nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz keine Nummer aufwies. Der erwähnten irrtümlichen Meinung konnte der Beklagte aber nur sein, bis er zum Gefahrsignal Nr. 3 (heute Nr. 114) "Kreuzung" gelangte, das gemäss verbindlicher Feststellung der Vorinstanz gut sichtbar ungefähr 150 m vor der Unfallstelle angebracht ist. Hätte der Beklagte dieses Signal beachtet, dann hätte ihm nicht nur klar werden müssen, dass er sich einer gefährlichen Kreuzung nähere (ansonst kein Gefahrsignal angebracht worden wäre), sondern er hätte überdies erkennen müssen, dass er sich doch nicht auf einer Hauptstrasse befinde; denn sonst hätte nicht das Kreuzungssignal Nr. 3, sondern das Signal "Kreuzung mit Strasse ohne Vortrittsrecht" (Nr. 10, jetzt Nr. 115) angebracht sein müssen, das durch BRB vom 8. März 1953 (in Kraft seit 15. März 1953) geschaffen wordenwar. Bei der gegebenen Sachlage, wie auch in Anbetracht der beidseits der Strasse liegenden Gebäude, der Erkennbarkeit der Strassenkreuzung und der schlechten Sicht nach rechts, bestand daher für den Beklagten die Pflicht, seine Geschwindigkeit zu mässigen und sich darauf einzurichten, einem von rechts kommenden Fahrzeug den Vortritt gewähren zu können. Statt dessen fuhr er mit der von ihm selber zugegebenen unverminderten Geschwindigkeit von 80 km weiter und bremste erst, als er sah, dass der andere Wagen, der noch etwa 6 m von der Kreuzung entfernt war, nicht anhielt, sondern in die Kreuzung einfuhr. Dass der Beklagte das Kreuzungssignal übersehen hatte und darum weiter wähnte, auf der Hauptstrasse zu fahren, hat er allein zu verantworten. Nur wenn kein Kreuzungssignal angebracht gewesen wäre, könnte er sich mit Grund auf den durch die unrichtige Signalisierung in Roggwil hervorgerufenen Irrtum berufen. Selbst dann wäre übrigens seine Geschwindigkeit wegen der örtlichen Verhältnisse und der regennassen Strasse übersetzt gewesen. Die Vorinstanz hat daher die Art. 25 und 27 MFG entgegen der Auffassung des Beklagten nicht verletzt, wenn sie ihm ein schweres Verschulden am Unfall zur Last legt. Ihre irrtümliche Auffassung über die Bedeutung des blauen Wegweisers in Roggwil ist für die Bemessung der Schwere dieses Verschuldens unerheblich; es bleibt ein schweres Verschulden. Auch der Vorwurf der Vorinstanz, der Beklagte hätte ein BGE 92 II 39 S. 47 Hornsignal geben sollen, als er den andern Wagen erblickte, was möglicherweise Frau Krapf noch rechtzeitig zum Anhalten veranlasst hätte, ist angesichts der örtlichen Verhältnisse keineswegs unbegründet. Übrigens handelt es sich dabei um ein zusätzliches Argument, das bei der Bewertung des Verschuldens des Beklagten nicht ins Gewicht fiel. 7. Der Beklagte rügt, die Vorinstanz habe Art. 25 MFG und Art. 59 Abs. 2 SVG dadurch verletzt, dass sie das Verschulden der Frau Krapf zu gering bewertet habe. Diese Rüge ist unbegründet. Frau Krapf war gegenüber dem von links kommenden Beklagten vortrittsberechtigt. Da ihre Sicht nach links durch ein Gebäude, sowie durch abgelagerte Baumaterialien und durch Bäume beeinträchtigt war, hatte sie allerdings trotz ihres Vortrittsrechts auch ihrerseits erhöhte Vorsicht walten zu lassen. Einen Sicherheitshalt brauchte sie jedoch nicht einzuschalten. Eine solche Zumutung würde eine völlige Entwertung des Vortrittsrechts bedeuten. Sie durfte vielmehr davon ausgehen, ein von links kommender Vortrittsbelasteter werde seinerseits dem beschränkten Überblick Rechnung tragen und seine Geschwindigkeit entsprechend vermindern ( BGE 90 IV 90 f. und dort erwähnte Entscheide). War Frau Krapf aber zu einem Sicherheitshalt nicht verpflichtet, so ist es für die Beurteilung ihres Verschuldens belanglos, ob sie tatsächlich einen solchen gemacht hat oder nicht, und infolgedessen ist es auch für die Haftung des Beklagten ohne Bedeutung, dass diese Frage nicht hat abgeklärt werden können; denn nur die Unbeweisbarkeit eines Umstandes, der dem Geschädigten zum Verschulden gereichen würde, kann sich zum Nachteil des beweispflichtigen Halters auswirken. Die erhöhte Vorsicht, die Frau Krapf wegen der schlechten Sichtverhältnisse oblag, konnte nur darin bestehen, dass sie ihre Geschwindigkeit verminderte und sich auch nach links vergewisserte, ob sie freie Fahrt habe. Sah sie oder konnte sie sehen, dass von dort ein Fahrzeug herannahe, dessen Lenker ihr den Vortritt nicht lassen wolle oder nicht mehr lassen könne, so hatte sie alles Zumutbare vorzukehren, um einen Zusammenstoss zu verhüten. Sie brauchte aber nicht von vorneherein mit der Missachtung ihres Vortrittsrechts zu rechnen und sich entsprechend zu verhalten ( BGE 90 IV 90 und dortige Hinweise). BGE 92 II 39 S. 48 Wie nicht streitig ist, näherte sich Frau Krapf der Kreuzung mit geringer Geschwindigkeit, die vom Beklagten selber mit 18 km angegeben wird. Wie an dieser Stelle üblich, hielt ihr Ehemann nach rechts Ausschau, während sie ihre Aufmerksamkeit vorab der linken Seite zuwendete. Insoweit kann ihr deshalb nicht ein Mangel an Sorgfalt vorgeworfen werden. Da sie gemäss verbindlicher Feststellung der Vorinstanz ungefähr 6 m vor der Kreuzung die von links kommende Strasse auf ca. 150 m zu überblicken vermochte, hätte sie das herannahende Fahrzeug Grädels sehen und erkennen müssen, dass ihr dieser den Vortritt nicht mehr gewähren könne. Ob sie das Fahrzeug nicht oder zu spät wahrnahm oder ob sie dessen Geschwindigkeit falsch einschätzte und daher glaubte, sie gelange noch vor diesem über die Kreuzung, ist nicht abgeklärt. Das Verschulden, das ihr im einen wie im andern Falle zur Last gelegt werden muss, ist jedoch im Vergleich zum Verschulden des Beklagten gering und rechtfertigt nicht, die Ersatzpflicht des letzteren um mehr als 25% zu kürzen. 8. Die Höhe des Schadens der Kläger und ihre Genugtuungsansprüche sind vor Bundesgericht nicht mehr streitig. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 28. September 1965 bestätigt.
public_law
nan
de
1,966
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
Federation
008815ce-d775-4d82-8132-6f88484be942
Urteilskopf 114 V 219 44. Auszug aus dem Urteil vom 29. September 1988 i.S. U. gegen Ausgleichskasse des Schweizerischen Baumeisterverbandes und Kantonale Rekurskommission Uri für die AHV/IV/EO
Regeste Art. 52 AHVG : Arbeitgeberhaftung. Bestätigung der Rechtsprechung bezüglich - der subsidiären Organhaftung (Erw. 3); - des strengen Verschuldensmassstabes auch bei der Delegation von Geschäftsführungskompetenzen (Erw. 4a).
Erwägungen ab Seite 220 BGE 114 V 219 S. 220 Aus den Erwägungen: 3. Der Beschwerdeführer Alfred U. ersucht in erster Linie um eine Überprüfung der Rechtsprechung zu Art. 52 AHVG , gemäss welcher die Organe einer Aktiengesellschaft subsidiär haftbar sein können. Er beruft sich auf den Wortlaut dieser Bestimmung und die in der Lehre erhobene Kritik, wonach die Ausdehnung der Haftpflicht auf Organe nicht unbedenklich sei (MAURER, Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, Bd. II, S. 67; FORSTMOSER, Aktienrechtliche Verantwortlichkeit, 2. Aufl., S. 305, N. 1071). a) Das Bundesgericht hat sich bei der Auslegung von Erlassen stets von einem Methodenpluralismus leiten lassen und nur dann allein auf die grammatikalische Auslegungsmethode abgestellt, wenn sich daraus zweifellos eine sachlich richtige Lösung ergab ( BGE 110 Ib 8 ). Wohl ist das Gesetz in erster Linie nach seinem Wortlaut auszulegen. Ist indessen der Text nicht klar bzw. sind verschiedene Auslegungen möglich, so muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden unter Berücksichtigung aller Auslegungselemente, namentlich der Auslegung nach dem Zweck, nach dem Sinn und nach den dem Text zugrundeliegenden Wertungen. Wichtig ist ebenfalls der Sinn, der einer Norm im Kontext zukommt ( BGE 112 V 171 Erw. 3a mit Hinweisen; MAURER, Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, Bd. I, S. 227). b) Bei der Auslegung des in Art. 52 AHVG für das Haftungssubjekt verwendeten Begriffs "Arbeitgeber" ist das Eidg. Versicherungsgericht davon ausgegangen, dass dem Arbeitgeber bezüglich der in Art. 14 Abs. 1 AHVG in Verbindung mit Art. 34 ff. AHVV statuierten öffentlichrechtlichen Pflicht zum Bezug, zur Ablieferung und zur Abrechnung der paritätischen Sozialversicherungsbeiträge die Stellung eines gesetzlichen Vollzugsorgans zukommt. Die Haftung des Arbeitgebers gemäss Art. 52 AHVG bildet das Korrelat zu dieser öffentlichrechtlichen Organstellung ( BGE 112 V 155 Erw. 5, BGE 96 V 124 ; ZAK 1987 S. 208 Erw. 5). Kommt dem Arbeitgeber bezüglich Bezug, Ablieferung und Abrechnung der paritätischen Sozialversicherungsbeiträge Organstellung bei der Durchführung verschiedener Zweige der bundesrechtlichen Sozialversicherung BGE 114 V 219 S. 221 zu, untersteht er dem Verantwortlichkeitsrecht des Bundes. Art. 52 AHVG bildet innerhalb des Systems des Verantwortlichkeitsgesetzes (VG) eine Spezialbestimmung. Hingegen sind die diesem Gesetz zugrunde liegenden allgemeinen Rechtsnormen auch bei der Auslegung von Art. 52 AHVG heranzuziehen. Hier fällt insbesondere auf, dass im Bereich der internen Haftung, auch wenn die öffentliche Aufgabe einer Organisation übertragen ist, primär der Schadensverursacher persönlich und die Organisation erst subsidiär haftet ( Art. 19 VG ). Es fehlen Anhaltspunkte für die Annahme, dass Art. 52 AHVG diese Verantwortlichkeit der für die Organisation handelnden Personen hätte wegbedingen wollen. Es handelt sich vielmehr um die Umkehrung des allgemeinen Grundsatzes, indem nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung primär der Arbeitgeber, also gegebenenfalls die Organisation haftet. Daneben muss im Hinblick auf den erwähnten allgemeinen Grundsatz aber auch die - wenigstens subsidiäre - Haftung der handelnden Personen angenommen werden. Dass eine solche Haftung allgemeinen Rechtsgrundsätzen entspricht, ergibt sich ferner aus der im Privatrecht getroffenen Regelung hinsichtlich der Haftung der Organe einer juristischen Person (vgl. Art. 55 Abs. 3 ZGB und Art. 754 OR ; BGE 96 V 125 ). c) Nach Auffassung von MAURER, Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, Bd. II, S. 67, N. 62, lässt diese Argumentation ausser acht, dass Art. 19 VG nur hoheitliches Handeln im Auge habe; der Arbeitgeber besitze aufgrund des AHVG keine hoheitliche Gewalt. Indessen setzt die Haftung nach Art. 19 Abs. 1 VG lediglich voraus, dass "ein Organ oder ein Angestellter einer mit öffentlichrechtlichen Aufgaben des Bundes betrauten und ausserhalb der ordentlichen Bundesverwaltung stehenden Organisation in Ausübung der mit diesen Aufgaben verbundenen Tätigkeit" einen Schaden verursacht. Die dem Arbeitgeber durch Art. 14 AHVG in Verbindung mit Art. 34 ff. AHVV übertragenen Pflichten zum Bezug, zur Ablieferung und Abrechnung der paritätischen Sozialversicherungsbeiträge sind eine öffentlichrechtliche Aufgabe im Sinne des zitierten Art. 19 Abs. 1 VG . Hoheitliche Tätigkeit liegt stets vor, wo ein Rechtsverhältnis einseitig durch öffentliches Recht geregelt ist und der Private in einem Subordinationsverhältnis zum Staat steht. In diesem Sinne ist die Rechtsstellung des Arbeitgebers beim Bezug, der Ablieferung und der Abrechnung der paritätischen Sozialversicherungsbeiträge hoheitlich. Die Bezugnahme BGE 114 V 219 S. 222 auf die Grundsätze des Staatshaftungsrechts des Bundes für die Auslegung von Art. 52 AHVG ist daher zulässig. Nichts anderes kann für den vom Beschwerdeführer gerügten Rückgriff auf die privatrechtlichen Grundsätze über die Haftung der Organe einer juristischen Person gelten. Enthält das Privatrecht Rechtsgrundsätze, die im öffentlichen Recht fehlen, dürfen diese zur Auslegung und Ergänzung unklarer oder lückenhafter Bestimmungen des Sozialversicherungsrechtes herangezogen werden - dies unter Berücksichtigung ihres Normzwecks und der ihnen zugrundeliegenden Interessenlage (GRISEL, Traité de droit administratif, Bd. I, S. 120 f.; MAURER, Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, Bd. I, S. 234 f. mit Hinweisen). Eine Auslegung des Begriffs "Arbeitgeber" in Art. 52 AHVG ohne Beachtung der privatrechtlichen Rechtsgrundsätze zur Haftung der Organe einer juristischen Person würde zum stossenden Ergebnis führen, dass die für die Verletzung von Vorschriften im Sinne dieser Bestimmung Verantwortlichen überhaupt nicht belangt werden könnten, sofern sie als Organ einer juristischen Person gehandelt haben. Die persönliche Haftung wäre im Falle der Zahlungsunfähigkeit einer Arbeitgeberfirma auf Einzelunternehmer, einfache Gesellschafter, Kollektivgesellschafter und Komplementäre beschränkt. Darin läge eine sachlich nicht zu rechtfertigende Privilegierung der für den Bezug, die Ablieferung und die Abrechnung der paritätischen Sozialversicherungsbeiträge Verantwortlichen jener Arbeitgeberfirmen, die sich als juristische Personen konstituiert haben. Es fehlen Anhaltspunkte dafür, dass mit Art. 52 AHVG eine solche Ungleichbehandlung beabsichtigt gewesen wäre. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die öffentlichrechtliche Abrechnungs- und Beitragspflicht nicht nur eine Aufgabe der juristischen Person ist, sondern ebensosehr und unmittelbar jener natürlichen Personen, welche für sie in massgeblicher Weise tätig sind und ihre Willensbildung massgeblich beeinflussen, mithin Organstellung innehaben. Regelmässig entsteht der Sozialversicherung ein Schaden dann, wenn die juristische Person die Beitragsforderungen nicht zu begleichen vermag, zahlungsunfähig ist und damit auch ihrer Schadenersatzpflicht nicht mehr genügen kann. In allen diesen häufigen Fällen würde die gesetzlich vorgesehene Schadenersatzpflicht als Rechtsfolge eines grobfahrlässigen bzw. absichtlichen sowie schadenskausalen Verstosses gegen AHV-Vorschriften praktisch gegenstandslos, wenn den Ausgleichskassen die Belangung der Organe versagt wäre. Dies kann nicht der Rechtssinn von BGE 114 V 219 S. 223 Art. 52 AHVG sein (nicht veröffentlichtes Urteil B. vom 4. Juli 1988). Es besteht somit kein Anlass, von der dargelegten Rechtsprechung zur subsidiären Haftung der verantwortlichen Organe einer juristischen Person nach Art. 52 AHVG abzugehen ( BGE 108 V 17 Erw. 3b; ZAK 1987 S. 583 Erw. 2b). 4. Ferner bestreitet der Beschwerdeführer seine Haftung als Organ der B. AG, weil seit Gründung dieser Gesellschaft Beat B. durch Kompetenzdelegation im Sinne von Art. 717 Abs. 2 OR die Geschäftsführung als Delegierter des Verwaltungsrates besorgt habe. Neben Beat B. sei ab 1983 Bruno B. von der V. Treuhand für die Sozialversicherungsbeiträge zuständig gewesen. Der Beschwerdeführer habe seiner Überwachungspflicht schon dadurch genügt, dass er Herrn Bruno B. als Experten für die Buchhaltung und die Erstellung der Bilanz beigezogen habe. Die Vorstellung, dass er als Präsident des Verwaltungsrates jede einzelne Handlung der übrigen Verwaltungsräte hätte kontrollieren müssen, sei lebensfremd. Die in Art. 722 Abs. 2 Ziff. 3 OR statuierte Aufsichtspflicht umfasse lediglich die Überwachung des allgemeinen Geschäftsganges und nicht die Überprüfung jeder einzelnen Geschäftstätigkeit. a) Hat die Verwaltung einer Aktiengesellschaft die Geschäftsführung gemäss Art. 717 Abs. 2 OR an Delegierte oder Direktoren übertragen, so untersteht die Verwaltung bezüglich der delegierten Bereiche nur noch der Haftung für Auswahl, Instruktion und Überwachung der Beauftragten (FORSTMOSER, a.a.O., S. 115, N. 321 mit Hinweisen; BÜRGI/NORDMANN, Kommentar zu Art. 753/754 OR, N. 79; HORBER, Die Kompetenzdelegation beim Verwaltungsrat der AG und ihre Auswirkungen auf die aktienrechtliche Verantwortlichkeit, Diss. Zürich 1986, S. 113 und S. 123; VON STEIGER, Das Recht der Aktiengesellschaft in der Schweiz, 4. Aufl., S. 235). Kernstück dieser nicht delegierbaren Sorgfaltspflichten bildet die cura in custodiendo. Zwar ist der nicht geschäftsführende Verwaltungsrat gestützt auf Art. 722 Abs. 2 Ziff. 3 OR nicht verpflichtet, jedes einzelne Geschäft der mit der Geschäftsführung und Vertretung Beauftragten zu überwachen, sondern darf sich auf die Überprüfung der Tätigkeit der Geschäftsleitung und des Geschäftsganges beschränken. Dazu gehört, dass er sich laufend über den Geschäftsgang informiert, Rapporte verlangt, sie sorgfältig studiert, nötigenfalls ergänzende Auskünfte einzieht und Irrtümer abzuklären versucht ( BGE 97 II 411 Erw. 5b; BGE 114 V 219 S. 224 BÜRGI/NORDMANN, Kommentar zu Art. 753/754 OR, N. 79; BÜRGI, Kommentar zu Art. 722 OR , N. 20 und 22; SCHUCANY, Kommentar zu Art. 722 OR , N. 4; HORBER, a.a.O., S. 121 f. mit weiteren Hinweisen). Ergibt sich aus diesen Informationen der Verdacht falscher oder unsorgfältiger Ausübung der delegierten Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnisse, ist der Verwaltungsrat verpflichtet, sogleich die erforderlichen Abklärungen zu treffen (nötigenfalls durch Beizug von Sachverständigen) und eine genaue und strenge Kontrolle hinsichtlich der Beobachtung gesetzlicher Vorschriften auszuüben (VON STEIGER, a.a.O., S. 236). Umstritten ist, ob der Beizug von Hilfspersonen zur Ausführung bestimmter Geschäftsführungsaufgaben dieselbe Haftungsbeschränkung auf sorgfältige Auswahl, Instruktion und Überwachung bewirkt oder ob dies zu einer Haftung des Verwaltungsrates ohne eigenes Verschulden im Sinne von Art. 101 OR führt (vgl. dazu FORSTMOSER, a.a.O., S. 117 f., N. 327a bis 330 mit Hinweisen). Die vom Beschwerdeführer unter Hinweis auf FORSTMOSER (a.a.O., S. 108, N. 553, S. 309, N. 1084, und S. 338, N. 1199) erhobenen Einwände gegen den vom Eidg. Versicherungsgericht auch bei der Delegation von Geschäftsführungskompetenzen angewendeten - strengen - Verschuldensmassstab erfüllen die Voraussetzungen für eine Praxisänderung nicht ( BGE 108 V 17 Erw. 3b; ZAK 1987 S. 583 Erw. 2b). Vielmehr ist an der einlässlich begründeten Rechtsprechung festzuhalten. Die hohen Anforderungen an die erforderliche Sorgfalt eines Verwaltungsrates bei der Auswahl, Instruktion und Überwachung von Geschäftsführern und Hilfspersonen sind entgegen der in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vertretenen Auffassung im Hinblick auf die - rechtsgleiche - Durchführung des Beitragsbezugs gerechtfertigt.
null
nan
de
1,988
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
008f883d-dded-498d-983c-16f8be2304b6
Urteilskopf 90 IV 254 53. Aususzug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 28. Dezember 1964 i.S. H. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich.
Regeste Art. 397 StGB . Wiederaufnahme des Verfahrens. Beurteilung der Erheblichkeit neuer Beweismittel im Falle, dass dem frühern Urteil (Schwurgerichtsurteil) nicht zu entnehmen ist, auf welchen Sachverhalt es im fraglichen Punkte abstellte. Feststellung dieses Sachverhalts im Wiederaufnahmeverfahren. Entsprechende Anwendung von Art. 277 BStP ?
Sachverhalt ab Seite 254 BGE 90 IV 254 S. 254 Das Schwurgericht des Kantons Zürich verurteilte H. am 5. Juli 1949 u.a. wegen vollendeten Mordversuchs und Raubs gegenüber K. zu 20 Jahren Zuchthaus. Am 12. September 1962 stellte H. (der mit seinen Messerstichen einen nächtlichen homosexuellen Angriff seines Zimmergenossen K. abgewehrt haben will) beim Obergericht des Kantons Zürich das Gesuch um Wiederaufnahme des Strafverfahrens, weil er nachweisen könne, dass K. falsches Zeugnis abgelegt habe, indem er bestritt, homosexuell veranlagt zu sein und je homosexuelle Beziehungen unterhalten zu haben. Nach einer Aktenergänzung hat das Obergericht das Wiederaufnahmegesuch am 8. Juli 1964 abgewiesen; dies in erster Linie mit der Begründung, die Aktenergänzung habe zwar den Verdacht einer homosexuellen Annäherung K.s an H. verstärkt, doch habe sich dieser Verdacht schon im frühern Verfahren aufgedrängt. Der Kassationshof weist die Nichtigkeitsbeschwerde H.s gegen das obergerichtliche Urteil ab. BGE 90 IV 254 S. 255 Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Wie das Schwurgericht die Frage beurteilte, ob K. homosexuell veranlagt sei und sich dem Beschwerdeführer in unzüchtiger Weise genähert habe, lässt sich seinem Urteil nicht entnehmen. Wollte die Vorinstanz prüfen, ob die aus den ergänzten Akten zu ziehenden Schlüsse in diesem Punkte wesentlich vom Beweisergebnis des frühern Verfahrens abweichen, so blieb ihr also nichts anderes übrig, als dieses Beweisergebnis anhand der Akten, die dem Schwurgericht vorlagen, selbst zu ermitteln. Indem sie dies tat, hat sie nicht gegen Bundesrecht verstossen. Der Beschwerdeführer macht freilich geltend, dieses Vorgehen verletze Art. 397 StGB , weil es an die Stelle der fehlenden tatsächlichen Feststellungen des Schwurgerichts "fragwürdige Hypothesen" setze und weil die Verweigerung der Wiederaufnahme auf Grund solcher Vermutungen dem Zweck der genannten Bestimmung (Beseitigung von Justizirrtümern) zuwiderlaufe. Die Vorinstanz hat sich jedoch nicht auf Vermutungen darüber beschränkt, was die Geschworenen semerzeit gedacht haben dürften, sondern auf Grund ihrer eigenen Würdigung der Akten festgestellt, welche tatsächlichen Schlüsse sich im frühern Verfahren objektiv rechtfertigten. Ihr Urteil stützt sich also nicht auf blosse Hypothesen. Dem Beschwerdeführer ist auch nicht zuzugeben, dass im Wiederaufnahmeverfahren Art. 277 BStP entsprechend anzuwenden sei, wenn das frühere Urteil nicht hinlänglich erkennen lässt, welche Tatsachen damals als feststehend und welche Anbringen des Anklägers oder Einwendungen des Angeklagten als nicht bewiesen oder rechtlich unerheblich betrachtet wurden, und daher Mängel aufweist, die eine Nachprüfung der Gesetzesanwendung verunmöglichen (vgl. BGE 78 IV 134 ff.). Im Wiederaufnahmeverfahren ist nicht die Gesetzesanwendung zu überprüfen, die dem - rechtskräftig gewordenen - frühern Urteil zugrunde liegt. Daher können Mängel dieses Urteils im Wiederaufnahmeverfahren nicht geltend gemacht werden. Sie bilden BGE 90 IV 254 S. 256 keinen Wiederaufnahmegrund und entbinden die mit dem Wiederaufnahmegesuch befasste Behörde nicht von der Prüfung der Frage, ob die neu beigebrachten Tatsachen oder Beweismittel im Sinne von Art. 397 StGB erheblich seien. Wenn es für die Beurteilung dieser Frage darauf ankommt, auf welchem Sachverhalt das frühere Urteil beruht, ist das, soweit dieses Urteil hierüber keinen Aufschluss gibt, im Wiederaufnahmeverfahren festzustellen, wie es im vorliegenden Falle geschehen ist. Gegen die Feststellung der Vorinstanz, der Verdacht einer homosexuellen Annäherung habe sich schon im frühern Verfahren aufgedrängt, ist demnach vom Standpunkte des Bundesrechts aus nichts einzuwenden. Stellt man auf diese Feststellung ab, so ist aber auch nicht als bundesrechtswidrig zu beanstanden, dass die Vorinstanz fand, die Abnahme der neuen Beweise (die sich nicht auf den Hergang der Tat, sondern nur auf die Frage der homosexuellen Veranlagung K.s bezogen) habe am Beweisergebnis des frühern Verfahrens nichts Wesentliches geändert und die neuen Beweismittel seien deshalb unerheblich.
null
nan
de
1,964
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
0091cc41-4c9c-4086-9f61-d3de510f067b
Urteilskopf 141 IV 284 38. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit public dans la cause Ministère public de l'Etat de Fribourg contre A. et consorts (recours en matière pénale) 1B_363/2013 du 12 mai 2015
Regeste Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG ; Art. 140 und 141 StPO ; Strafverfahren; Zulässigkeit der Beschwerde gegen Zwischenentscheide über die Verwertbarkeit von Beweisen. Zwischenentscheide, welche die Verwertung von Beweisen zulassen, bewirken in der Regel keinen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG (E. 2.2). Ausnahmen von dieser Regel (E. 2.3). Entscheide, welche die Verwertung von Beweisen verbieten und ihre Entfernung aus den Strafakten anordnen, bewirken für die Staatsanwaltschaft einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil, wenn sie ohne diesen Beweis das Strafverfahren einstellen muss. Dies trifft nicht zu, wenn sie das Strafverfahren gestützt auf andere Beweise oder Beweismassnahmen weiterführen kann (E. 2.4 und 2.5).
Sachverhalt ab Seite 285 BGE 141 IV 284 S. 285 A. Le 25 novembre 2010, la Banque G. a signalé au Bureau de communication en matière de blanchiment d'argent (MROS) une possible infraction de la part de l'un de ses clients; à l'appui de ses soupçons, la banque a notamment produit des rapports internes relatifs à la gestion de cette relation d'affaires. Le MROS a dénoncé ce cas le 6 décembre 2010 au Ministère public de l'Etat de Fribourg, lequel a ouvert une enquête pénale contre H. pour diverses infractions économiques. Une plainte pénale a été déposée le 27 juin 2011 et l'instruction a été suspendue le 27 mars 2012. Le 22 mars et le 4 avril 2012, l'Autorité fédérale de surveillance des marchés financiers (FINMA) a dénoncé au Procureur fribourgeois les cosignataires de la dénonciation du 25 novembre 2010 au MROS, soit A., fondé de pouvoir à la Banque G. en charge des relations bancaires de H., ainsi que I., responsable du service "compliance" de la Banque G., pour défaut de vigilance en matière d'opérations financières et droit de communication (art. 305 ter CP) et pour violation de son devoir d'annonce (art. 37 de la loi fédérale du 10 octobre 1997 concernant la lutte contre le blanchiment d'argent et le financement du terrorisme dans le secteur financier [LBA; RS 955.0]).Le 4 avril 2012, le Ministère public a ouvert une procédure pénale contre les deux banquiers, instruction ensuite étendue à l'infraction de BGE 141 IV 284 S. 286 blanchiment d'argent ( art. 305 bis CP ). Les procédures contre H. d'une part, A. et. I. d'autre part, ont été jointes par la suite. B. Le 4 septembre 2012, A. a notamment demandé que la dénonciation de la FINMA du 22 mars 2012, ainsi que de toutes ses annexes, en particulier la dénonciation au MROS qu'il avait lui-même signée, soient retirées du dossier pénal le concernant, sous peine de porter atteinte à son droit de ne pas contribuer à sa propre incrimination. Cette requête a été rejetée par ordonnance du 10 septembre 2012. Le Procureur a estimé qu'il disposait des pièces litigieuses depuis le 6 décembre 2010 dans le cadre de la première procédure; en l'absence de celles-ci, il aurait ordonné leur dépôt et dès lors, ces moyens de preuve devaient être considérés comme des découvertes fortuites exploitables. Par arrêt du 17 septembre 2013, la Chambre pénale du Tribunal cantonal fribourgeois a admis partiellement le recours intenté par A. contre l'ordonnance du 10 septembre 2012. L'utilisation à charge de A. de certaines pièces produites avec la dénonciation au MROS - laquelle découlait d'une obligation légale de collaboration - violait le droit de ne pas s'auto-incriminer. Les pièces suivantes ont été retirées du dossier: la communication du 25 novembre et ses annexes (soit quatre classeurs de documents), notamment les documents internes rédigés par A., ainsi que des extraits de comptes bancaires. C. Par acte du 14 octobre 2013, le Ministère public de l'Etat de Fribourg forme un recours en matière pénale contre cet arrêt. Il requiert le maintien au dossier de la communication du 25 novembre 2010 et de ses annexes et, à titre subsidiaire, le renvoi de la cause à l'autorité précédente pour nouvelle décision au sens des considérants. Le Tribunal fédéral a déclaré le recours irrecevable. (résumé) Erwägungen Extrait des considérants: 2. Une décision relative à l'exploitation des moyens de preuve ( art. 140 et 141 CPP ) ne met pas fin à la procédure pénale; elle a donc un caractère incident. Le recours en matière pénale contre une telle décision n'est dès lors recevable qu'aux conditions de l' art. 93 al. 1 let. a LTF , soit en présence d'un préjudice irréparable, l' art. 93 al. 1 let. b LTF n'étant généralement pas applicable en matière pénale. 2.1 Vu la nécessité d'établir les modalités de prise en compte des art. 140 et 141 CPP dans le cadre d'un recours devant le Tribunal BGE 141 IV 284 S. 287 fédéral, la cause 1B_363/2013 a donné lieu à une procédure de coordination de la jurisprudence au sens de l' art. 23 al. 2 LTF à laquelle ont participé la Cour de droit pénal et la Première Cour de droit public. Cet échange de vues a conduit à préciser la jurisprudence. 2.2 En matière pénale, le préjudice irréparable au sens de l' art. 93 al. 1 let. a LTF se rapporte à un dommage de nature juridique qui ne puisse pas être réparé ultérieurement par un jugement final ou une autre décision favorable au recourant ( ATF 137 IV 172 consid. 2.1 p. 173 s.). Le seul fait qu'un moyen de preuve dont la validité est contestée demeure au dossier ne constitue en principe pas un tel préjudice, dès lors qu'il est possible de renouveler ce grief jusqu'à la clôture définitive de la procédure. En particulier, la question de la légalité des moyens de preuve peut être soumise au juge du fond ( art. 339 al. 2 let . d CPP), autorité dont il peut être attendu qu'elle soit en mesure de faire la distinction entre les moyens de preuve licites et ceux qui ne le seraient pas, puis de fonder son appréciation en conséquence. Les motifs retenus par le juge de première instance peuvent ensuite être contestés dans le cadre d'un appel ( art. 398 CPP ) et, en dernier ressort, le prévenu peut remettre en cause ce jugement devant le Tribunal fédéral ( ATF 139 IV 128 consid. 1.6 et 1.7 p. 134 s.; arrêt 6B_883/2013 du 17 février 2014 consid. 2, in SJ 2014 I p. 348). 2.3 Cette règle comporte toutefois des exceptions. Tel est notamment le cas lorsque la loi prévoit expressément la restitution immédiate, respectivement la destruction immédiate, des preuves illicites (cf. par exemple les art. 248, 271 al. 3, 277 et 289 al. 6 CPP). Il en va de même quand, en vertu de la loi ou de circonstances spécifiques liées au cas d'espèce, le caractère illicite des moyens de preuve s'impose d'emblée. De telles circonstances ne peuvent être admises que dans la situation où l'intéressé fait valoir un intérêt juridiquement protégé particulièrement important à un constat immédiat du caractère inexploitable de la preuve. En vertu de l' art. 42 al. 1 LTF , il incombe au recourant d'alléguer les faits qu'il considère comme propres à fonder sa qualité pour recourir ( ATF 141 IV 1 consid. 1.1; ATF 138 IV 86 consid. 3 p. 88 et les arrêts cités) et ceux permettant de démontrer l'existence d'un préjudice irréparable lorsque celui-ci n'est pas d'emblée évident ( ATF 138 III 46 consid. 1.2 p. 47 et les arrêts cités). 2.4 La situation procédurale est différente lorsque, pendant la procédure préliminaire et contre l'avis du ministère public, l'autorité BGE 141 IV 284 S. 288 cantonale de recours reconnaît le caractère non exploitable des moyens de preuve et ordonne de les retirer du dossier ( art. 141 al. 5 CPP ). Le ministère public risque de subir un préjudice irréparable lorsque, sans ces moyens de preuve, l'accusation est entravée au point de rendre impossible ou, à tout le moins, particulièrement difficile, la continuation de la procédure pénale. Tel n'est cependant pas le cas si le ministère public dispose d'autres mesures d'instruction pour continuer la procédure et, cas échéant, rendre une ordonnance de mise en accusation (cf. ATF 139 IV 25 consid. 1 p. 27). Il appartient dans tous les cas au ministère public d'alléguer et de démontrer la réalisation des conditions d'application de l' art. 93 al. 1 let. a LTF pour que son recours au Tribunal fédéral soit recevable ( ATF 138 III 46 consid. 1.2 p. 47 et les arrêts cités). 2.5 En l'occurrence, le Ministère public affirme que l'arrêt attaqué aurait pour conséquence de "vider entièrement de sa substance la procédure pénale visant l'intimé", dès lors que la majorité des pièces doivent être retirées du dossier. En particulier, les notes internes transmises au MROS exprimeraient les réflexions de l'intimé après que des clients aient fait part de leur inquiétude auprès de la banque, et démontreraient le temps écoulé entre l'intervention des clients et l'annonce au MROS. Faute de pouvoir utiliser ces pièces, les soupçons à l'encontre de l'intimé devraient être relativisés, ce qui pourrait conduire à une décision de classement. 2.5.1 Les procédures menées, d'une part, contre H. et, d'autre part, contre l'intimé et le responsable du service "compliance" de la banque ont été jointes formellement par décision du 10 octobre 2012, contre laquelle les parties n'ont pas recouru. Le dossier, tel qu'il a été produit au Tribunal fédéral, contient ainsi l'ensemble des pièces relatives aux deux procédures et il est loisible au Ministère public d'utiliser, à charge de l'intimé, l'ensemble des renseignements recueillis dans le cadre de l'instruction dirigée contre H. Comme le relève le Ministère public lui-même, des soupçons à l'égard de l'établissement bancaire étaient déjà évoqués dans la plainte déposée le 27 juin 2011, aux termes de laquelle les plaignants, citant nommément l'intimé, se demandaient si les responsables de la banque avaient rempli leurs obligations découlant de la LBA. Indépendamment des renseignements ressortant des documents litigieux, le Ministère public pouvait déjà fonder ses soupçons sur la plainte de la FINMA et sur le simple fait qu'en dépit de l'intervention des plaignants, la banque avait attendu une seconde démarche BGE 141 IV 284 S. 289 en septembre 2010 pour convoquer son client et mettre un terme à la relation d'affaires, puis pour dénoncer le cas le 2 novembre 2010. L'autorité d'instruction peut également obtenir des renseignements sur ce point auprès des plaignants, ou interroger le cas échéant les prévenus ou d'autres responsables de l'établissement bancaire. 2.5.2 Pour leur plus grande part, les pièces écartées de la procédure (pièces 20'000-21'286, trois classeurs) sont des documents bancaires (extraits, relevés, avis) que le Ministère public peut obtenir auprès de la banque, ainsi que le relève d'ailleurs la décision attaquée. Le quatrième classeur (pièces 21'287-21'380) contient la communication proprement dite faite par la banque. La question de savoir si les prévenus ont tardé à agir peut toutefois être instruite sans avoir recours à ces derniers documents, puisqu'il s'agit de rechercher en premier lieu si les inculpés ont fait preuve de l'attention nécessaire et s'ils devaient procéder à des clarifications. Le Ministère public relève qu'il y aurait lieu de déterminer l'intervalle de temps écoulé entre la prise de contact de la part des plaignants et le dépôt de l'annonce MROS; ces renseignements, qui paraissent ressortir de la plainte de la FINMA, peuvent facilement être obtenus sans utilisation des pièces litigieuses. 2.5.3 En définitive, rien ne permet d'affirmer qu'à défaut des pièces écartées du dossier, la procédure contre l'intimé aboutirait nécessairement et immédiatement à un classement. Le Ministère public ne parvient dès lors pas à démontrer, comme l'exige l' art. 42 al. 1 LTF , que la décision attaquée causerait un préjudice irréparable.
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2,015
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CH
Federation
009361bd-ece7-481e-a1dd-003e4465b949
Urteilskopf 105 III 101 24. Extrait de l'arrêt de la Chambre des poursuites et des faillites du 27 novembre 1979 dans la cause P. (recours LP)
Regeste Rechtsstillstand wegen schwerer Erkrankung des Schuldners ( Art. 61 SchKG ). 1. Wo ein praktisches Interesse besteht, ist der Beschwerdeweg auch dann offen, wenn die angefochtene Verfügung weder rückgängig gemacht noch berichtigt werden kann. Dies ist der Fall, wenn der Beschwerdeführer der Wiederholung einer zeitlich begrenzten Anordnung ausgesetzt bleibt und diese ihre Gültigkeit in der Regel vor Einreichung eines Rekurses beim Bundesgericht verliert (E. 2). 2. Kann der in Art. 61 SchKG vorgesehene Rechtsstillstand gewährt werden, wenn eine Krankheit des Schuldners diesem zwar die Ausübung der Erwerbstätigkeit verunmöglicht, die Zahlungsunfähigkeit jedoch auf andere Umstände zurückzuführen ist (E. 3-4)?
Sachverhalt ab Seite 101 BGE 105 III 101 S. 101 A.- La société P. a accordé un prêt de 300'000 fr. à A. G., à Granges-Veveyse. Sa créance est incorporée dans diverses obligations et cédules hypothécaires grevant un immeuble sis à Granges-Veveyse, propriété du débiteur. Le 31 mai 1978, la société P. adressa à l'Office des poursuites de la Veveyse une réquisition de poursuite en réalisation de BGE 105 III 101 S. 102 gage pour une somme de 6'912 fr. 45, soit les intérêts échus le 31 décembre 1977. Par mégarde, l'Office y donna suite par l'ouverture d'une poursuite ordinaire par voie de saisie ou de faillite (poursuite No 21'741). Le débiteur n ayant pas fait opposition, la créancière requit la vente le 10 janvier 1979. Le préposé se rendit alors compte de sa méprise et, par lettre du 12 janvier 1979, invita la créancière à requérir la continuation de la poursuite ordinaire par voie de saisie. La créancière répondit le 8 février 1979 qu'elle renonçait à intervenir auprès de l'autorité de surveillance, à la condition que l'Office prit à sa charge les frais frustratoires. Entre-temps la créancière avait, le 4 décembre 1978, requis l'ouverture de deux nouvelles poursuites en réalisation de gage, l'une pour 7'875 fr. représentant les intérêts échus le 30 juin 1978 (poursuite No 23'033), l'autre pour 300'000 fr., soit le capital du prêt dénoncé pour le 31 octobre 1978 (poursuite No 23'034). L'Office donna régulièrement suite à ces réquisitions. Le débiteur ne fit pas opposition. Le 12 juillet 1979, la créancière requit la vente, limitant toutefois sa réquisition à la poursuite No 23033. Le 7 août 1979, l'Office prit la décision qui suit: "L'Office des poursuites de la Veveyse ... considérant que le poursuivi allègue être actuellement, et dès le 12 mars 1979, dans un état d'incapacité totale de travail; qu'il produit un certificat médical du 19 juillet 1979 délivré par la Policlinique universitaire de Lausanne; qu'il y est mentionné que son incapacité de travail est de 100% pour une durée indéterminée... décide la suspension des poursuites ouvertes contre A. G., pour un délai d'un mois, dès la présente notification. Cette suspension sera prolongée de mois en mois, sur présentation de certificats médicaux mensuels." B.- La société P. a déposé plainte auprès de l'autorité cantonale de surveillance le 14 août 1979. Elle a demandé que l'Office des poursuites de la Veveyse fût invité à donner suite à la réquisition du 31 mai 1978 par l'ouverture d'une poursuite en réalisation de gage. Elle a en outre conclu à la révocation de la suspension de poursuite accordée au débiteur le 7 août 1979. Elle a motivé le second chef de ses conclusions en exposant notamment ce qui suit: BGE 105 III 101 S. 103 "... l'interruption du travail par suite de maladie doit être à l'origine de l'insolvabilité existante. Ceci n'est absolument pas réalisé dans le présent cas. Aux termes de la décision attaquée l'incapacité de gain indiquée a pris naissance le 12 mars 1979, alors que les derniers intérêts payés ont été ceux de la période du 1er janvier au 30 juin 1977..." Par arrêt du 12 septembre 1979, la Chambre des poursuites et faillites du Tribunal cantonal de l'Etat de Fribourg a rejeté la plainte dans la mesure où elle était recevable. La Chambre a refusé d'entrer en matière sur le premier chef des conclusions de la plaignante, qu'elle a déclarée forclose. Elle a jugé le second chef mal fondé, admettant un lien de causalité entre l'incapacité de travail du poursuivi et son insolvabilité. Se fiant au certificat délivré le 19 juillet 1979 par la Policlinique universitaire de Lausanne, l'autorité cantonale a en effet considéré que le poursuivi se trouvait dans l'incapacité de travailler depuis l'année 1978. Elle a ajouté: "Quant à la date du début de cette incapacité, admise par l'Office au 12 mars 1978, elle n'est pas contestée non plus par la plaignante." C.- La société P. a recouru contre l'arrêt de la Chambre des poursuites et faillites du Tribunal cantonal. Elle conclut à la révocation de la suspension de poursuite accordée à A. G. le 7 août 1979. La recourante fait valoir que le certificat délivré le 19 juillet 1979 par la Policlinique universitaire de Lausanne contient une faute de frappe: l'auteur du certificat entendait attester le début de l'incapacité de travail d'A. G. au 8 mai 1979 et non au 8 mai 1978. A l'appui de son allégation, la recourante produit un nouveau certificat de la policlinique susmentionnée, daté du 19 juillet 1979 mais délivré le 21 septembre. Elle produit en outre des fiches de salaire établissant que le débiteur était son employé jusqu'au 11 septembre 1978 et n'a, en 1978, touché d'allocations pour cause de maladie que pour une durée de huit jours. Dans ses observations, l'Office précise que l'auteur du premier certificat médical lui a personnellement confirmé avoir commis un " lapsus calami ". A. G. n'a pas déposé d'observations. La Chambre des poursuites et des faillites a admis le recours dans la mesure où il était recevable; elle a annule la décision de suspension de la poursuite. BGE 105 III 101 S. 104 Erwägungen Extrait des considérants: 2. Selon la jurisprudence constante ( ATF 97 III 38 consid. 2, ATF 96 III 105 et les arrêts cités), la plainte à l'autorité de surveillance et le recours au Tribunal fédéral ont pour but de garantir le déroulement régulier de la procédure d'exécution et ne peuvent tendre à la simple constatation d'une irrégularité; partant, ils sont irrecevables lorsque l'acte attaqué ne peut plus être annule ni redressé. L'Office des poursuites de la Veveyse a, le 7 août 1979, accordé à A. G. une suspension de poursuite d'une durée d'un mois. La mesure avait pris fin à la date du dépôt du recours au Tribunal fédéral, le 25 septembre 1979. Elle ne peut donc plus être révoquée ni redressée. Toutefois, la voie de la plainte et du recours conserve en l'espèce un intérêt pratique certain pour la créancière et lui demeure donc ouverte ( ATF 77 III 78 ). L'Office des poursuites a en effet décidé de prolonger la suspension de mois en mois sur simple présentation de certificats médicaux. Tout en rejetant la plainte, l'autorité de surveillance a certes précisé que chaque prolongation devait faire l'objet d'une nouvelle décision prise sur la base d'un rapport médical circonstancié indiquant la durée probable de l'incapacité de travail. La mesure de l'Office prolongeant la suspension pourrait dès lors être attaquée par la voie d'une nouvelle plainte et d'un nouveau recours. Cependant, la nouvelle mesure, limitée à une durée d'un mois, aurait normalement pris fin au jour du dépôt du recours au Tribunal fédéral. De ce fait, la créancière serait pratiquement privée de son droit de recours tout en restant exposée à des décisions réitérées de suspension de poursuite. Elle a donc un intérêt légitime à faire examiner, dans la présente instance de recours, les conditions de l'octroi d'une suspension de poursuite à son débiteur. 3. En cas de maladie grave du débiteur, le préposé peut, en vertu de l' art. 61 LP , suspendre la poursuite pendant un temps déterminé. Le préposé peut mettre au bénéfice de la disposition précitée le débiteur qui, ensuite de maladie, n'est pas en mesure de défendre ses droits ni de désigner un représentant. Pour des motifs d humanité, le législateur a également voulu permettre l'octroi d'un atermoiement au débiteur qui tire ses revenus de son travail et que la maladie prive de son gain ( ATF 58 III 20 ); il faut toutefois, dans ce cas, que la cessation d'activité ensuite BGE 105 III 101 S. 105 de maladie soit la cause de l'insolvabilité du poursuivi ( ATF 74 III 39 ; FAVRE, Droit des poursuites, p. 114; FRITZSCHE, Schuldbetreibung und Konkurs, t. 1, p. 96). L'octroi d'une suspension est une question d'opportunité qui relève de l'appréciation de l'office ou, sur plainte, de celle de l'autorité de surveillance ( ATF 85 III 120 s.). L'office doit déterminer si la mesure de suspension paraît justifiée au vu des circonstances de l'espèce. Le recours au Tribunal fédéral pour violation de la loi n est ouvert que si la décision de suspension repose sur des motifs étrangers au but de l'institution ou si l'autorité cantonale a ignoré des facteurs déterminants pour l'application de l' art. 61 LP ( ATF 74 III 38 s.). 4. Aucun élément ne permet de penser en l'espèce que le débiteur soit hors d'état de défendre ses intérêts ou de désigner un représentant. Il ne l'a d'ailleurs pas allégué. L'autorité cantonale a par contre constaté souverainement que le débiteur tire tous ses revenus de son activité professionnelle, activité qu'il n'est présentement plus en mesure d'exercer. L'autorité de surveillance a fixé le début de l'incapacité de travail du débiteur au 12 mars 1978, ajoutant que cette date n'était pas contestée par la créancière. Ce faisant, elle a commis une inadvertance manifeste. Dans sa plainte, la créancière avait fait valoir que l'incapacité de travail du débiteur ne pouvait avoir causé son insolvabilité, puisqu'elle remontait au 12 mars 1979 seulement. La plaignante se référait sur ce point aux termes mêmes de la décision attaquée, laquelle ne faisait que reprendre les allégations du poursuivi. La constatation de l'arrêt attaqué ne lie donc pas le Tribunal fédéral ( art. 81 et 63 al. 2 OJ ). La recourante a produit, devant le Tribunal fédéral, des pièces destinées à prouver l'existence d'une faute de frappe dans le certificat délivré le 19 juillet 1979 par la Policlinique universitaire de Lausanne. Dans l'instance cantonale de plainte, la recourante s'en était remise, pour les faits, à la motivation de la décision attaquée, laquelle ne faisait que reproduire les allégations du débiteur. Elle n'avait donc aucune raison de consulter le certificat en cause et d'en établir le caractère erroné. Partant, en produisant des pièces nouvelles devant le Tribunal fédéral, elle n'offre pas des moyens de preuve qui auraient pu être présentés dans la procédure cantonale ( art. 79 al. 1 OJ ; ATF 102 III 132 s., ATF 84 III 78 consid. 1 et les arrêts cités). BGE 105 III 101 S. 106 Les pièces versées par la recourante sont concluantes. Leur exactitude est confirmée dans les observations de l'Office. La Chambre de céans admet donc que le débiteur n est incapable de travailler que depuis le 8 mai 1979 ou, au plus tôt, le 12 mars 1979. La poursuite No 21741 a été ouverte par un commandement de payer du 5 juin 1978. Les poursuites Nos 23'033 et 23'034 ont été ouvertes le 6 décembre 1978. Le débiteur n a ni payé ni fait opposition. Son insolvabilité est donc antérieure à son incapacité de travail et n'est pas l'effet de sa maladie. Le débiteur ne peut bénéficier d'une suspension de poursuite accordée en application de l' art. 61 LP . On peut se demander si la jurisprudence n'est pas rigoureuse à l'excès et si la suspension prévue à l' art. 61 LP ne devrait pas être parfois accordée au débiteur que la maladie prive de son gain, mais dont l'insolvabilité est due à des causes différentes. Les délais du droit des poursuites reposent certes sur un examen attentif des intérêts des parties et ne peuvent être éludés par un recours systématique à l' art. 61 LP . On peut cependant concevoir que dans certains cas un atermoiement d'une durée déterminée permette au débiteur de rétablir durablement sa situation financière, tandis que la continuation de la procédure le conduirait à la ruine: la suspension de la poursuite pourrait alors être accordée, à moins qu'elle ne constitue une atteinte inéquitable aux intérêts des créanciers poursuivants. La question peut rester ouverte en l'espèce, car aucun des éléments du dossier ne permet de conclure à l'existence d'une telle situation. Il manque notamment un rapport médical détaille indiquant la nature et la durée prévisible de la maladie du débiteur. Les rapports que l'Office des poursuites a produits devant le Tribunal fédéral ne peuvent être pris en considération, bien qu'ils soient datés des 26 septembre et 7 novembre 1979. L'Office aurait pu et même dû inviter d'emblée le débiteur à fournir un rapport médical circonstancié. Or l' art. 79 al. 1 OJ , qui restreint la production de moyens nouveaux, s'applique aussi à l'office.
null
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fr
1,979
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CH_BGE_005
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0095d8bc-a8d9-46a8-a6d7-194a31904825
Urteilskopf 96 I 282 47. Urteil vom 9. Juni 1970 i.S. Kanton Zürich gegen Gebr. Abegg.
Regeste Feststellung der bestrittenen Rechte aus einer Sondernutzungskonzession ( Art. 69 Abs. 2 EntG ). Kantonale Konzession, die den Inhaber eines Textilveredlungsbetriebes zeitlich unbeschränkt zur unentgeltlichen Benutzung des Wassers eines Baches als Brauchwasser berechtigt und als selbständiges und dauerndes Recht im Grundbuch eingetragen ist. Auslegung der Konzession nach Treu und Glauben (Erw. 4). Bedeutung der in der Konzession enthaltenen Klausel, nach der sich die Konzessionsbehörde vorbehält, die Konzession jederzeit aufzuheben, wenn das öffentliche Interesse es erfordert (Erw. 5 a, b). Eine die bestimmungsgemässe Verwendung des Wassers beeinträchtigende Verschmutzung infolge der Bauarbeiten für die Nationalstrasse bildet einen Enteignungstatbestand, der den Kanton zur Entschädigung verpflichtet (Erw. 5 c).
Sachverhalt ab Seite 283 BGE 96 I 282 S. 283 Aus dem Tatbestand: A.- Die Kollektivgesellschaft Gebr. Abegg betreibt in Horgen eine Fabrik zum Bleichen, Färben und Appretieren von Textilien, die seit dem Jahre 1815 besteht. In diesem Betrieb wurde von Anfang an das Wasser des Horgener Dorfbachs, eines öffentlichen Gewässers des Kantons Zürich, zur Gewinnung von Wasserkraft und "zum Waschen" benutzt. Die Wasserkraftanlage wurde ursprünglich mit zwei Wasserrädern betrieben, von denen eines "ehehaft" (= wasserzinsfrei) war, während für das andere schon unter der Herrschaft des zürch. Wasserrechtsgesetzes von 1836 ein Wasserzins verlangt wurde. Über die Brauchwasserbenützung fehlen Angaben aus früherer Zeit, insbesondere auch jeder Anhaltspunkt, dass dafür je eine Abgabe erhoben worden wäre. Nach dem Inkrafttreten des zürch. Wasserbaugesetzes vom 15. Dezember 1901 (WBG) wurde am bisherigen Zustand während über 10 Jahren weder tatsächlich noch rechtlich etwas geändert. Im Jahre 1915 baute der damalige Betriebsinhaber die Wasserkraftanlage um, indem er die zwei bisherigen Wasserräder durch eine Turbine ersetzte. Auf das in der Folge eingereichte Gesuch hin verlieh ihm der Regierungsrat des Kantons Zürich durch Beschluss vom 26. Juli 1917 ohne zeitliche Beschränkung einerseits das Recht, mit dem Wasser des Dorfbachs die Turbine zu betreiben, und anderseits das Recht, das gesamte nutzbare Wasser des Dorfbachs auch fernerhin zum Waschen usw. zu verwenden. Eine Gebühr für die Brauchwassernutzung wurde nicht festgesetzt. Dagegen war für die Kraftgewinnung ein Wasserzins von Fr. 36.- jährlich zu entrichten. Ferner wurde der Konzessionär verpflichtet, die Verleihung ins Grundbuch eintragen zu lassen. Mit Beschlüssen vom 8. Juli 1943 ersetzte der Regierungsrat diese Verleihung durch zwei getrennte Konzessionen. Mit der einen (RRB Nr. 1867) verlieh er den Gebr. Abegg das Recht zur Verwendung des Wassers des Dorfbachs zum Betrieb einer BGE 96 I 282 S. 284 Turbine, mit der andern (RRB Nr. 1868) das Recht, das gesamte Wasser der Wasserkraftanlage in Waschtröge, Bleichmaschinen, Kondensatoren usw. zu leiten, es für die Textilveredlung zu verwenden und das Abwasser in für das öffentliche Gewässer unschädlichem Zustand in den Ablauf der Wasserkraftanlage abzuleiten. Für diese zweite Verleihung sollten nach Ziff. I a die "beigelegten allgemeinen Bedingungen für Wasserrechte" gelten, ferner nach Ziff. I b besondere Bedingungen, von denen Ziff. 3 lautet: "Der Regierungsrat behält sich vor, diese Bewilligung jederzeit aufzuheben, sofern das öffentliche Interesse es erfordert, insbesondere dann, wenn der Reinigungsgrad des Abwassers den Anforderungen nicht entspricht." Weiter wurde in dieser zweiten Verleihung den Beliehenen eine jährliche Benutzungsgebühr von Fr. 330.-- auferlegt (Ziff. II) und bestimmt, dass die Verleihung "von Amtes wegen als selbständiges und dauerndes Recht ins Grundbuch einzutragen" sei (Ziff. III). Da diese Verleihung für die Konzessionäre eine Verschlechterung ihrer bisherigen Rechtslage bedeutete, reichten sie am 10. August 1943 ein Wiedererwägungsgesuch ein, mit dem sie geltend machten, dass ihnen ein uneingeschränktes ehehaftes Recht auf die Wasserbenutzung zustehe, und den Regierungsrat ersuchten, die Konzession aufzuheben, eventuell von der Erhebung einer Benutzungsgebühr abzusehen. Der Regierungsrat wies das Hauptbegehren am 7. September 1944 ab, verzichtete aber auf die Benutzungsabgabe, dies mit der Begründung, es sei bei der Neuabfassung der Konzession übersehen worden, dass das Recht zur Benützung des gesamten Bachwassers als Brauchwasser im Jahre 1917 zeitlich unbeschränkt und unentgeltlich verliehen worden war. B.- Beim Bau der Nationalstrasse N 3 wurden im Einzugsgebiet des Horgener Dorfbachs umfangreiche Erdbewegungen notwendig. Der in den Dorfbach fliessende Mühlebach, der von der N 3 überquert wird, musste in einen aus Kunstbauten bestehenden Durchlass verlegt werden und wurde überdies in einem ausgedehnten Bereich als Vorfluter für Oberflächen- und Grundwasser-Entwässerung eingesetzt. Im Anpassungsbereich herrschen ungünstige Bodenverhältnisse. Alles zusammen bewirkte, dass namentlich bei Regenfällen und Schneeschmelzen BGE 96 I 282 S. 285 das Bachwasser durch Abraum und andere Stoffe verschmutzt und deswegen für die gewerbliche Benutzung durch die Gebr. Abegg zeitweilig unbrauchbar wurde. Diese erstellten daher eine eigene Anlage zur Reinigung und Enthärtung des Bachwassers und mussten überdies von der Wasserversorgung Horgen Ersatzwasser beziehen. Die Gebr. Abegg verlangten vom Kanton Zürich Ersatz des erlittenen Schadens und wandten sich an die Eidg. Schätzungskommission des Kreises VI (ESchK) mit dem Begehren, der Kanton Zürich sei - unter Vorbehalt des Nachklagerechts - zu verpflichten, ihnen Fr. 257 000.-- nebst Verzugszins seit 1. Mai 1966 zu bezahlen. Nachdem der Schriftenwechsel durchgeführt worden war und der Präsident der ESchK die nachträgliche Forderungseingabe in Anwendung von Art. 41 EntG als zulässig erklärt hatte, schlossen die Parteien am 21. Januar 1969 einen Teilvergleich ab. Darin übertrugen sie den Entscheid über den Bestand der von der Klägerin als Konzessionsinhaberin behaupteten nachbarrechtlichen Ansprüche gemäss Art. 69 Abs. 2 EntG der ESchK und einigten sich für den Fall, dass die Entschädigungspflicht der Beklagten letztinstanzlich bejaht werden sollte, auf eine Entschädigungssumme von Fr. 200 000.-- unter allen Titeln (Wert per Datum des Vergleichsabschlusses). Mit Entscheid vom 4./9. Juni 1969 erkannte die ESchK, der Beklagte habe die Klägerin mit Fr. 200 000.--, Wert per Datum des Vergleichsabschlusses, zu entschädigen. C.- Der Kanton Zürich hat den Entscheid der ESchK an das Bundesgericht weitergezogen mit dem Antrag, die Entschädigungsforderung der Klägerin sei abzuweisen. D.- Die Kollektivgesellschaft Gebr. Abegg beantragt die Abweisung des Weiterzuges und die Bestätigung des Urteils der ESchK. E.- Auf Ersuchen des Bundesgerichtes hat der Kanton Zürich die Akten ergänzt, indem er am 4. Juni 1970 weitere, die fragliche Konzession betreffende Aktenstücke einreichte, die bei der vorstehenden Darstellung des Sachverhaltes berücksichtigt wurden und auch für die rechtliche Beurteilung in Betracht fallen. BGE 96 I 282 S. 286 Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Die Parteien haben sich schon vor der ESchK über die Höhe der gegebenenfalls zu leistenden Entschädigung geeinigt. Streitig und im vorliegenden Weiterzugsverfahren zu beurteilen ist einzig, ob der Beklagte entschädigungspflichtig ist. Dabei geht es um eine reine Rechtsfrage, die vom Bundesgericht ohne Beizug von Experten zu beurteilen ist. In solchen Fällen wird nach der Praxis von der Zustellung eines Urteilsentwurfes des Instruktionsrichters nach Art. 84 EntG abgesehen und die Sache unmittelbar durch das Bundesgericht entschieden ( BGE 82 I 56 E. 2, BGE 88 I 194 E. 1). 2. Mit dem angefochtenen Entscheid hat die ESchK zunächst festgestellt, dass die Klägerin ein wohlerworbenes, unter dem Schutz der Eigentumsgarantie stehendes Recht besitzt, das Wasser des Horgener Dorfbaches als Brauchwasser in ihrem Textilveredlungsbetrieb zu benutzen. Sodann hat sie entschieden, dass der Kanton Zürich verpflichtet ist, die Klägerin zu entschädigen für die Beeinträchtigung der Wasserqualität, die infolge der Veränderung am Oberlauf des Baches eingetreten ist. Zur Beurteilung der ersten Frage war die ESchK nur zuständig, weil ihr die Parteien den Entscheid hierüber im Sinne von Art. 69 Abs. 2 EntG übertragen haben. Das hat nach dieser Bestimmung zur Folge, dass auch der Entscheid über diese Frage beim Bundesgericht anfechtbar ist. Er bildet im vorliegenden Rechtsstreit sogar die Hauptsache, weil der Schaden und der Kausalzusammenhang zwischen ihm und den Bauarbeiten des Kantons nicht bestritten sind und die Parteien die Höhe der Entschädigung für den Fall, dass der Kanton ersatzpflichtig sein sollte, durch den Teilvergleich vom 21. Januar 1969 festgelegt haben. 3. Die Klägerin machte vor der ESchK zur Begründung ihres Entschädigungsanspruchs geltend, sie besitze ein 150 Jahre altes, wohlerworbenes Recht auf Wasserbenutzung, und dieses Recht habe der Kanton Zürich verletzt. Der Beklagte bestreitet das Bestehen eines wohlerworbenen Rechts und beruft sich dafür auf den Inhalt der Konzession vom 8. Juli 1943, welche diejenige vom 26. Juli 1917 ersetzte. Als diese frühere Konzession erteilt wurde, hatten die Rechtsvorgänger der Klägerin das Wasser des Horgener Dorfbaches schon etwa 100 Jahre lang für ihren Textilveredlungsbetrieb BGE 96 I 282 S. 287 als Brauchwasser verwendet, und zwar, wie nicht streitig ist, ohne dafür eine Abgabe zu bezahlen. Der Umstand, das die Konzession von 1917 zeitlich unbeschränkt und dass danach keine Benutzungsgebühr zu entrichten war, spricht dafür, dass die bisherige Wassernutzung aufgrund eines Rechts erfolgte. Was für ein Recht dies war, ist allerdings nicht abgeklärt. Nach der Weiterziehungsbegründung ist es möglich, dass es sich um eine privatrechtliche Dienstbarkeit (nach altem kantonalen Recht) handelte; auch ein sog. ehehaftes Recht erscheint nicht als ausgeschlossen. Wie es sich damit verhielt, kann jedoch dahingestellt bleiben. Seit der Verleihung von 1917, die unangefochten blieb, bildete diese die Rechtsgrundlage der Wasserbenutzung und ersetzte, wie im RRB vom 7. September 1944 zutreffend ausgeführt ist, ein bisher allfällig bestehendes ehehaftes (oder anderes) Recht. An die Stelle der Verleihung von 1917 ist dann diejenige von 1943 getreten, die ebensowenig mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten wurde. Seither bestimmte sich die Rechtslage der Klägerin, was die Benützung des Dorfbachwassers als Brauchwasser betrifft, nach der zweiten Konzession von 1943. Von ihr ist auch bei der Beurteilung des vorliegenden Rechtsstreites auszugehen. 4. Die Konzession von 1943 sichert, wie der Kanton Zürich mit Recht geltend macht, der Klägerin weder ein minimales Wasserquantum noch eine minimale Wasserqualität zu. Es wird ihr einfach gestattet, dasselbe Wasser aus dem Dorfbach, mit dem sie Strom erzeugen darf, auch noch als Brauchwasser für die Bedürfnisse ihres Textilveredlungsbetriebes zu verwenden. Diese Bewilligung erstreckt sich, wie aus Erw. 3 des RRB vom 7. September 1944 hervorgeht, auf das gesamte Bachwasser. Inbezug auf die Qualität enthält die Konzession zwar eine Vorschrift, aber ausschliesslich zulasten der Klägerin: die nach der doppelten Benutzung abgeleiteten Abwässer dürfen "keine schädigenden Einwirkungen ausüben und insbesondere den Fischbestand der Gewässer, in die sie gelangen, nicht gefährden" (Ziff. I b 2). Mit der Feststellung, dass die Konzession keine ausdrückliche Gewähr für die Qualität des der Klägerin zufliessenden Wassers enthält, ist jedoch noch nicht gesagt, dass keine solche Gewähr besteht, und noch weniger, dass der Kanton berechtigt ist, die Qualität des Wassers durch eigene Vorkehren zu verschlechtern oder sie durch Dritte verschlechtern zu lassen. Vielmehr ist zu prüfen, BGE 96 I 282 S. 288 ob sich eine Gewähr für die Qualität des Wassers oder doch ein Verbot der Verschlechterung derselben aus dem übrigen Inhalt der Konzession ableiten lässt. Zu diesem Zweck ist die Konzession auszulegen. Dabei fällt neben dem Inhalt des RRB vom 8. Juli 1943 und des ihn ergänzenden RRB vom 7. September 1944 auch die Konzession vom 26. Juli 1917 in Betracht, denn bei der Erteilung der Konzession von 1943 ging es, wie im RRB vom 7. September 1944 ausgeführt wird, im wesentlichen nur um die Bereinigung oder Neufassung derjenigen von 1917. Wiewohl das Bundesgericht nach bisheriger Rechtsprechung die Konzession als einseitigen staatlichen Hoheitsakt versteht ( BGE 65 I 313 ), schliesst es nicht aus, dass ihr Inhalt, soweit er nicht durch zwingende Regeln des öffentlichen Rechts vorausbestimmt ist, durch Vereinbarung zwischen dem Konzedenten und dem Konzessionär festgelegt wird ( BGE 80 I 246 ). Insofern ist die Konzession "einem durch Vertrag begründeten Rechtsverhältnis vergleichbar" ( BGE 57 I 334 /35). Dass ein Rechtssatz des Zürcher Rechts bei Brauchwasserkonzessionen die Gewähr einer bestimmten Wasserqualität ausschliesse oder aber eine solche Gewähr vorschreibe, wird von keiner Seite behauptet. Es wäre daher zulässig gewesen, in die der Klägerin erteilten Konzessionen eine Bestimmung über die Qualität des Wassers aufzunehmen. Da dies nicht geschehen ist, weist die Konzession eine Lücke auf, die vom Richter auszufüllen ist. Dabei fragt sich, wie das Problem der Wasserqualität bei der Verleihung von 1943 geordnet worden wäre, wenn es sich schon damals gestellt hätte, d.h. welche Ordnung richtigen administrativen Gesichtspunkten und den Regeln von Treu und Glauben gemäss ist, im Rahmen des ganzen Konzessionsinhaltes einer angemessenen Interessenabwägung gerecht wird und insofern dem mutmasslichen Parteiwillen entspricht ( BGE 61 I 77 E. 4, BGE 78 I 389 , BGE 93 I 231 und 511/12; IMBODEN, Verwaltungsrechtsprechung, 3. Aufl. Nr. 332 VIII). Für die Auslegung der Konzession von 1943 fallen die "Allgemeinen Bedingungen für auf Zusehen hin bewilligte Wasserbenützungsanlagen" vom 4. März 1948, auf die der Beklagte verweist und die offenbar auch der von ihm angerufenen Auffassung von KURT SINTZEL (Die Sondernutzungsrechte an öffentlichen Sachen im Gemeingebrauch im Kanton BGE 96 I 282 S. 289 Zürich, Diss. 1962 S. 151) zugrunde liegen, schon deshalb ausser Betracht, weil die in der Konzession von 1943 als anwendbar erklärten "Allgemeinen Konzessionsbedingungen für Wasserrechte" mit den erst 5 Jahre später erlassenen nicht identisch sind und im Gegensatz zu diesen keinen Ausschluss jeglicher Gewähr für die Qualität des benützten Wassers enthalten. Davon abgesehen handelt es sich, wie nachher zu zeigen sein wird, bei der Konzession von 1943 nicht um eine "auf Zusehen hin" erteilte Bewilligung, sondern um die Einräumung eines Rechts, das zeitlich unbegrenzt ist und vom Regierungsrat nur unter einer bestimmten Voraussetzung wieder aufgehoben werden kann. Dass das Recht zur Wasserbenutzung für die Bedürfnisse des Textilveredlungsbetriebs der Klägerin in der Konzession von 1943 wie schon in derjenigen von 1917 zeitlich unbeschränkt und unentgeltlich verliehen wurde, dürfte seinen Grund darin haben, dass die Rechtsvorgänger der Klägerin das Wasser schon seit 1815 unentgeltlich zu diesem Zwecke benutzt hatten und manches dafür sprach, dass sie dies aufgrund einer privatrechtlichen Dienstbarkeit oder eines ehehaften Rechtes getan hatten. Wie dem auch sei, darfaus der Erteilung der Bewilligung geschlossen werden, dass der Regierungsrat die Fortführung eines sehr alten und auf die Benutzung des Wassers angewiesenen Industriebetriebes erleichtern wollte. Anderseits verbietet sich nach der ganzen Sachlage und insbesondere angesichts der Unentgeltlichkeit der gestatteten Benutzung die Annahme, dass der Regierungsrat mit der Erteilung der Konzession zulasten des Kantons eine im Text der Konzession nicht ausgesprochene Gewähr für die gleichbleibende Qualität des der Klägerin natürlich zufliessenden Wassers übernehmen wollte. Das konnte die Konzessionärin nach Treu und Glauben unmöglich erwarten, umso weniger, als die Konzession nicht einmal zeitlich begrenzt war. Dagegen durfte sie, zumal da ihr das Recht zur Wasserbenutzung ausdrücklich für die Bedürfnisse ihres Textilveredlungsbetriebes eingeräumt wurde, nach Treu und Glauben darauf vertrauen, dass der Regierungsrat während der Dauer der Konzession weder selber etwas unternehmen werde, was das Wasser für den angegebenen Zweck unbrauchbar machen könnte, noch Dritten irgendwelche Vorkehren oder Massnahmen mit dieser Folge gestatten werde. Diese mit der Konzessionserteilung übernommene Pflicht, BGE 96 I 282 S. 290 die Qualität des der Klägerin natürlich zufliessenden Wassers nicht in einer die bestimmungsgemässe Verwendung verunmöglichenden oder sie erheblich beeinträchtigenden Weise zu verändern noch verändern zu lassen, hat der Kanton durch die der Erstellung der Nationalstrasse dienenden Bauarbeiten im Einzugsgebiet des Baches verletzt. Ob dabei Fehler begangen oder nicht begangen wurden, braucht nicht geprüft zu werden. Indem der Kanton die Konzession bestehen liess, aber als Bauherr zeitweilig der Klägerin die Sondernutzung verunmöglichen liess, die er ihr als Konzedent zugestanden hatte, hat er sie enteignet. Er hat sie daher zu entschädigen, sofern durch die Konzession ein durch die Eigentumsgarantie geschütztes Recht begründet wurde. 5. Der Kanton Zürich bestreitet dies und beruft sich dabei auf § 33 (heute 62) WBG und insbesondere auf die in der Konzession von 1943 enthaltene Widerrufsklausel. a) Nach § 33 WBG können bestehende Wasserrechte, die weder auf beschränkte Zeit noch auf Zusehen oder mit dem Vorbehalt des Rückkaufs erteilt worden sind, nur auf dem Wege der freien Verständigung oder der Expropriation zurückgenommen werden. Diese Bestimmung spricht nicht für, sondern gegen den Standpunkt des Beklagten. Die Konzession von 1943 wurde, wie schon diejenige von 1917, auf unbeschränkte Zeit erteilt und enthält keinen Vorbehalt des Rückkaufs. Sie wurde auch nicht bloss auf Zusehen hin erteilt im Sinne einer "autorisation à bien plaire", wie sie HENRI ZWAHLEN in RDAF 25/1969 S. 161 ff. gekennzeichnet hat. Vielmehr muss daraus, dass der Regierungsrat angeordnet hat, die Konzession sei als "selbständiges und dauerndes Recht" ins Grundbuch einzutragen, geschlossen werden, dass mit ihr ein eigentliches Sondernutzungsrecht begründet werden wollte. Denn diese Eintragung hat nach Art. 655 ZGB zur Folge, dass das Recht "Gegenstand des Grundeigentums" wird, was jedenfalls das Bestehen eines wirklichen Rechtsverhältnisses im Gegensatz zu einem bloss prekaristischen Verhältnis voraussetzt, auch wenn die Eintragung am Inhalt und an der öffentlich-rechtlichen Natur des Rechts nichts ändert (MEIER-HAYOZ N. 5 und 19 zu Art. 655 ZGB ). Dass es sich nicht um eine bloss auf Zusehen hin erteilte Bewilligung handelt, ergibt sich auch daraus, dass sich der Regierungsrat eine Aufhebung der Konzession nur vorbehielt für den Fall, dass "das öffentliche BGE 96 I 282 S. 291 Interesse es erfordert, insbesondere dann, wenn der Reinigungsgrad des Abwassers den Anforderungen nicht entspricht". b) Der Beklagte behauptet, aufgrund dieser Klausel (gegen deren Aufnahme in die Konzession die Klägerin im Wiedererwägungsgesuch vom 10. August 1943 erfolglos protestiert hat) hätte der Regierungsrat die Konzession jederzeit entschädigungslos aufheben können, und dieser vollständigen Aufhebung gegenüber stelle die Verschmutzung des Wassers ein minus dar. Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. Die Klausel nennt als Beispiel eines öffentlichen Interesses, das zur Aufhebung der Konzession berechtigt, einen mangelhaften Reinigungsgrad des Abwassers. Ob auch ein ganz anders geartetes öffentliches Interesse oder gar ein fiskalisches Interesse wie dasjenige an einer möglichst billigen Erstellung der Nationalstrasse die Aufhebung zu rechtfertigen vermag, erscheint zweifelhaft, und erst recht ist fraglich, ob die Konzession beim Vorliegen eines hinreichenden öffentlichen Interesses im Widerspruch zu § 33 WBG entschädigungslos aufgehoben werden könnte. Diese Fragen können indessen offen bleiben, da die Konzession vom Regierungsrat nicht aufgehoben worden ist und noch immer besteht. Auf keinen Fall haltbar ist die vom Beklagten vertretene Auffassung, in der Befugnis zur Aufhebung der Konzession sei das Recht enthalten, durch irgendwelche Vorkehren die Qualität des Wassers zum Nachteil der Konzessionärin zu verändern und ihr dadurch die durch die Konzession zugestandene Sondernutzung zu verunmöglichen. Ein solches Recht wäre nur anzunehmen, wenn es in der Konzession ausdrücklich vorbehalten wäre. Es lässt sich im Hinblick auf § 33 WBG und nach Treu und Glauben nicht auf dem Wege der Auslegung aus jener Klausel ableiten. c) Dass eine Sondernutzungskonzession wie die vorliegende ein durch die Eigentumsgarantie geschütztes Vermögensrecht sein kann, steht ausser Zweifel und wird vom Beklagten mit Recht nicht bestritten. Die Einräumung einer Sondernutzungskonzession kommt in der Regel der rechtsgeschäftlichen Einräumung eines beschränkten dinglichen Rechtes an der öffentlichen Sache praktisch gleich (so IMBODEN, Der verwaltungsrechtliche Vertrag, ZSR 1958 S. 170 a; ebenso ZWAHLEN, Le contrat de droit administratif, daselbst S. 581 a ff.). Hier kommt hinzu, dass die Befugnis der Konzessionärin nach dem Willen des Konzedenten als selbständiges und dauerndes Recht BGE 96 I 282 S. 292 ins Grundbuch aufgenommen wurde, also "Gegenstand des Grundeigentums" der Konzessionärin geworden ist. Die Eigentumsgarantie schützt das Eigentum und darüber hinaus einen weiten Kreis vermögenswerter Rechte ( BGE 94 I 448 , BGE 91 I 419 und dort zitierte Urteile), namentlich auch solche, die durch Konzessionen verliehen wurden ( BGE 74 I 470 /71, BGE 65 I 302 /03; MEIER-HAYOZ, N. 192 zu Art. 664 ZGB ). Der zeitweilige Entzug der durch die Konzession bewilligten Sondernutzung bildet daher einen Enteignungstatbestand ( Art. 5 Abs. 2 EntG ), der den Enteigner zur Entschädigung verpflichtet. Der Umstand, dass davon weder in der Konzession, noch in den ihr beigelegten "Allgemeinen Konzessionsbedingungen für Wasserkräfte" noch im WBG die Rede ist, verschlägt nichts. Die Eigentumsgarantie war schon vor dem Inkrafttreten des Art. 22ter BV (AS 1969 S. 1250) Bestandteil des Bundesverfassungsrechts ( BGE 89 I 98 , BGE 93 I 137 und 711, BGE 94 I 610 ). Die Frage, ob der zeitweilige Entzug der Sondernutzung sich als Enteignung qualifiziere und den Kanton Zürich entschädigungspflichtig mache, ist daher eine solche des Bundesrechts. 6. Ist die Entschädigungspflicht des Beklagten aus den dargelegten Gründen zu bejahen, so braucht nicht geprüft zu werden, ob sie sich auch rein nachbarrechtlich begründen lässt, wie dies im angefochtenen Entscheid geschehen ist. 7. Über die Höhe der Entschädigung ist nicht zu befinden; sie ist durch den Teilvergleich vom 21. Januar 1969 festgelegt worden. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Der Weiterzug des Kantons Zürich wird abgewiesen und das Urteil der Schätzungskommission des Kreises VI vom 4./9. Juni 1969 bestätigt.
public_law
nan
de
1,970
CH_BGE
CH_BGE_001
CH
Federation
009d6ed2-f55c-4902-bee0-10ef4e703c3b
Urteilskopf 112 V 1 1. Auszug aus dem Urteil vom 15. Januar 1986 i.S. Furler gegen Ausgleichskasse Basel-Stadt und Kantonale Rekurskommission für die Ausgleichskassen, Basel
Regeste Art. 52 AHVG , Art. 104 und 105 Abs. 2 OG . - Die vom Verwaltungsratsmitglied einer Aktiengesellschaft nach seiner Demissionserklärung für die Gesellschaft vorgenommenen Handlungen gehören zur Tatbestandsfeststellung, wogegen die Wirkungen jener Handlungen bezüglich des Einflusses auf die Geschäftsführung ( BGE 109 V 94 ) als Rechtsfragen zu prüfen sind (Erw. 3b). - Dauer der Haftung des einzigen Verwaltungsrates einer Aktiengesellschaft: i.c. Datum der Demissionserklärung als massgebend erachtet (Erw. 3c, d).
Sachverhalt ab Seite 1 BGE 112 V 1 S. 1 Furler war ab 1. Januar 1982 einziger Verwaltungsrat der Firma M. AG, einer Tochtergesellschaft der Firma A. Holding AG. Am 6. September 1982 legte er dieses Mandat mit sofortiger Wirkung nieder; die entsprechende Publikation im Handelsamtsblatt erfolgte am 22. Februar 1983. Am 10. März 1983 fiel die Firma M. AG in Konkurs, und am 21. April 1983 wurde dieses Verfahren mangels BGE 112 V 1 S. 2 Aktiven eingestellt. Dabei kam die Ausgleichskasse Basel-Stadt mit einer Beitragsforderung von Fr. ... zu Verlust. Mit Entscheid vom 7. Februar 1985 hiess die Kantonale Rekurskommission für die Ausgleichskassen die Schadenersatzklage der Ausgleichskasse im wesentlichen gut, wogegen Furler Verwaltungsgerichtsbeschwerde erheben lässt. Erwägungen Aus den Erwägungen: I.2. a) Es steht fest, dass die Firma M. AG entgegen der Vorschrift von Art. 14 Abs. 1 AHVG paritätische bundesrechtliche Sozialversicherungsbeiträge sowie Verwaltungskostenbeiträge, Verzugszinsen, Betreibungs- und Mahngebühren der Ausgleichskasse nicht bezahlt hat und dass dieser dadurch ein Schaden entstanden ist. Dazu macht der Beschwerdeführer jedoch geltend, es hätten entgegen der Annahme der Vorinstanz "komplexe Verhältnisse im Sinne der Rechtsprechung" vorgelegen, weshalb er "nicht verpflichtet war, die Zahlungen an die Ausgleichskassen ständig zu kontrollieren". Dem vorinstanzlichen Vorwurf, sich zu wenig bzw. gar nicht um den Zahlungsverkehr der Gesellschaft gekümmert zu haben, hält er entgegen, dass er unbestrittenermassen gar keine Möglichkeit gehabt habe, Einblick in Buchhaltung und Zahlungsverkehr zu nehmen, weil die administrativen Geschäfte über die Holding bzw. andere Gesellschaften abgewickelt worden seien. Überdies habe er die Angaben der in ihrer Eigenschaft als Verwaltungsräte der Muttergesellschaft A. Holding AG effektiv massgebenden Herren X und Y, welche über alle wesentlichen Vorgänge der Firma M. AG informiert gewesen seien und die Abrechnungen teilweise selber vorgenommen hätten, als glaubhaft erachten dürfen, wonach die Sozialversicherungsbeiträge pünktlich abgerechnet und bezahlt würden. Zudem könne aus seiner Tätigkeit als Unternehmensberater bzw. Treuhänder nichts in bezug auf seine Sorgfaltspflicht abgeleitet werden, weil er sich als juristischer Laie lediglich mit Fragen der Werbung und Sicherheit befasst habe. b) Dieser Betrachtungsweise kann nicht gefolgt werden. Bei der Firma M. AG handelte es sich um ein kleines Unternehmen mit einfacher Verwaltungsstruktur; das Aktienkapital belief sich auf Fr. 50'000.--; der Beschwerdeführer war einziger und einzelzeichnungsberechtigter Verwaltungsrat. Bei derart einfachen und leicht überschaubaren Verhältnissen muss vom einzigen Verwaltungsrat BGE 112 V 1 S. 3 einer Aktiengesellschaft, der als solcher die Verwaltung der Gesellschaft als einzige Person in Organstellung zu besorgen hat, der Überblick über alle wesentlichen Belange der Firma selbst dann verlangt werden, wenn gewisse Befugnisse von aussenstehenden Personen wahrgenommen werden. Er kann mit der Delegation von Funktionen an Dritte nicht zugleich auch seine Verantwortung als einziges Verwaltungsorgan an diese Dritten delegieren. Es liegt hier daher kein Sonderfall eines Grossunternehmens im Sinne von BGE 103 V 124 vor, was allenfalls eine Beschränkung der Kontrollpflicht des Beschwerdeführers gerechtfertigt hätte. Er kann sich seiner gesetzlichen Verantwortung auch nicht mit der Begründung entschlagen, er habe keine Einsicht in Buchführung und Zahlungsverkehr gehabt. Wenn er sich aufgrund des sog. Treuhandvertrages vom 1. Januar 1982 als blosser Strohmann der Holding zur Verfügung stellte und seine Kontrollrechte nicht ausübte, so liegt darin eine grobe Fahrlässigkeit im Sinne der Rechtsprechung. Dass er sich dessen auch tatsächlich bewusst war, geht aus dem Treuhandvertrag hervor, wo er sich die "ihm in seiner Eigenschaft als Verwaltungsrat nach Gesetz zustehenden Rechte und Pflichten" vorbehielt, "insbesondere seine Kontrollrechte gemäss Art. 722 OR ". Der Einwand, dass er Treuhänder bzw. Unternehmensberater "ohne bestimmte Qualifikationen" gewesen sei und dass es an den Herren X und Y gelegen hätte, die Sozialversicherungsbeiträge abzurechnen, worauf er sich verlassen habe, vermag den Beschwerdeführer somit nicht zu entlasten. Auch wenn es zutreffen mag, dass die genannten Personen teilweise die AHV-Abrechnungen selbst vornahmen und über diese Belange im einzelnen besser orientiert waren, so ändert dies doch nichts daran, dass dem Beschwerdeführer selber im Sinne der vorstehenden Darlegungen grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist. Er kann sich als einziger Verwaltungsrat - entgegen seinen Ausführungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde - namentlich auch nicht darauf berufen, dass sich seine Tätigkeit vor allem "auf die Beratung ... bezüglich Fragen der Sicherheit und der Werbung" beschränkt habe. I.3. a) Somit ist zu prüfen, in welchem Umfang der eingetretene Schaden auf einem Verschulden des Beschwerdeführers im Sinne von Art. 52 AHVG beruht. Diesbezüglich lässt der Beschwerdeführer beantragen, er sei nur in reduziertem Umfang für schadenersatzpflichtig zu erklären und die Sache sei "zur Ermittlung des Quantitativs an die Vorinstanz zurückzuweisen". Zur BGE 112 V 1 S. 4 Begründung macht er im wesentlichen geltend, er sei laut seinem Schreiben an die Firma A. Holding AG vom 6. September 1982 mit sofortiger Wirkung als Verwaltungsrat der Firma M. AG zurückgetreten; nach diesem Zeitpunkt habe er keine Möglichkeit zur Beeinflussung der Geschäftsführung mehr gehabt, weshalb er für die Beiträge vom 3. Quartal 1982 hinweg nicht haftbar gemacht werden könne. Auf die gleichen, schon vor der Rekurskommission erhobenen Einwände hat diese darauf hingewiesen, wohl habe der Beschwerdeführer am 6. September 1982 seinen Rücktritt als Verwaltungsrat der Gesellschaft erklärt; indessen habe er noch am 1. November 1982 namens der Firma M. AG eine Vollmacht für Herrn Y ausgestellt; sodann habe er mit Schreiben vom 2. Dezember 1982 an die Firma A. Holding AG festgehalten, dass es entgegen den Abmachungen unterlassen worden sei, seinen Rücktritt dem Handelsregister zu melden, weshalb er diese Mitteilung selber vornehmen werde; im weiteren habe er angekündigt, er werde für seine Bemühungen im Interesse der Firma A. Holding AG resp. der betroffenen Tochtergesellschaft seit 6. September 1982 eine Honorarrechnung stellen. Damit stehe aber fest, dass der Beschwerdeführer am 6. September 1982 nicht effektiv aus dem Verwaltungsrat ausgeschieden sei, weil er auch nach diesem Datum die Geschäftsführung noch massgeblich habe beeinflussen können ( BGE 109 V 86 ff.). Als Zeitpunkt des effektiven Austritts müsse daher die Löschung im Handelsregister betrachtet werden. b) Soweit diese Ausführungen der Vorinstanz Feststellungen tatsächlicher Natur - insbesondere solche über die konkreten Handlungen des Beschwerdeführers nach dem 6. September 1982 - betreffen, sind sie für das Eidg. Versicherungsgericht verbindlich ( Art. 105 Abs. 2 OG ). Näher zu prüfen ist dagegen, ob die nach dem Zeitpunkt der Demission vorgenommenen Handlungen die Schlussfolgerung der Vorinstanz zulassen, der Beschwerdeführer habe dadurch die Geschäftsführung noch massgeblich beeinflussen können bzw. es liege trotz der Rücktrittserklärung kein effektives Ausscheiden aus dem Verwaltungsrat vor ( BGE 109 V 94 f.). Bei dieser vorinstanzlichen Schlussfolgerung geht es - entgegen der Auffassung des Bundesamtes für Sozialversicherung - nicht um eine Sachverhaltsfeststellung, sondern um eine Rechtsfrage, die durch das Eidg. Versicherungsgericht frei überprüfbar ist ( Art. 104 lit. a OG ). c) Der Beschwerdeführer hat der Firma A. Holding AG mit Schreiben vom 6. September 1982 erklärt, dass er sein Mandat als BGE 112 V 1 S. 5 Verwaltungsrat der Firma M. AG per sofort niederlege. Mit dieser - an sich unbestrittenermassen korrekt erklärten - Demission trat die Beendigung des Amtes als Verwaltungsrat ein, und zwar mit sofortiger Wirkung (BÜRGI, Zürcher Kommentar, N. 8 zu Art. 705 OR ; VON STEIGER, Das Recht der Aktiengesellschaft in der Schweiz, 4. Aufl., S. 226 f.; SCHUCANY, Kommentar zum Schweizerischen Aktienrecht, 2. Aufl., N. 2 zu Art. 705 OR ; PATRY, Précis du droit Suisse des Sociétés, vol. II, S. 250; BGE 104 Ib 323 Erw. 2b). Eine faktische Fortsetzung des Mandats über den genannten Zeitpunkt hinaus mit der Möglichkeit, die Geschäftsführung der Gesellschaft noch massgeblich zu beeinflussen, ist trotz der Vollmachterteilung vom 1. November 1982 bzw. des Schreibens vom 2. Dezember 1982 zu verneinen. Es erscheint nämlich als glaubhaft, dass der Beschwerdeführer gewisse Handlungen nur noch zur Liquidation seines Mandats im Sinne der Erfüllung einer Sorgfaltspflicht vornahm, weil die Aktiengesellschaft infolge der fristlosen Demission ihres einzigen Verwaltungsrates formell handlungsunfähig wurde. Wenn sich der Beschwerdeführer zu diesen Handlungen - sei es zu Recht oder zu Unrecht - berechtigt oder verpflichtet fühlte, so kann daraus nicht abgeleitet werden, er habe seine Demission vorläufig suspendiert. Dies muss vorliegend um so mehr gelten, als er bereits im Schreiben vom 6. September 1982 um die entsprechende Publikation im Handelsregister ersucht hatte und in der Folge wiederholt und unwidersprochen geltend machte, die Löschung des Eintrages sei durch die Verantwortlichen der Firma A. Holding AG hinausgezögert worden (vgl. hiezu FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ, Aktienrecht, 2. Aufl., S. 171 N. 23; BGE 104 Ib 324 f. Erw. 2b und 3b). Bei diesen Gegebenheiten kann entgegen der Meinung von Verwaltung und Vorinstanz nicht auf die Löschung des Eintrags im Handelsregister abgestellt werden. Als massgebender Zeitpunkt des effektiven Ausscheidens aus dem Verwaltungsrat muss vielmehr der 6. September 1982 betrachtet werden. d) Da der Beschwerdeführer am 6. September 1982 effektiv aus dem Verwaltungsrat ausgeschieden ist, hatte er ab diesem Datum keine Möglichkeit mehr, Zahlungen an die Ausgleichskasse zu veranlassen. Es wird auch von keiner Seite behauptet, noch bestehen Anhaltspunkte dafür, dass der Sonderfall einer grobfahrlässig verursachten Zahlungsunfähigkeit, welche die Bezahlung der Forderungen innert den jeweiligen Zahlungsfristen zum vornherein verunmöglicht hätte, gegeben war (ZAK 1985 S. 581 f.). Demnach BGE 112 V 1 S. 6 kann der Beschwerdeführer namentlich für die Beiträge des 3. Quartals 1982, welche erst am 30. September 1982 fällig geworden sind und die bis zum 10. Oktober 1982 hätten bezahlt werden müssen ( Art. 34 Abs. 1 lit. a und Abs. 4 AHVV ), nicht haftbar gemacht werden. Eine Schadenersatzpflicht fällt vielmehr nur für die von der Kasse in der Abrechnung angeführten ersten drei Positionen (22. Juli, 5. und 12. August 1982) sowie allenfalls noch teilweise für jene vom 2. August 1983 (Nachforderung für das Jahr 1982) in Betracht. Hinsichtlich der zuletzt genannten Position geht aus den Akten nicht hervor, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang sie sich auf Beiträge bezieht, die vor dem Demissionsdatum vom 6. September 1982 hätten bezahlt werden müssen. Sodann ist auch unklar, auf welche Schadenpositionen die in der "Schlussabrechnung 1982" vom 25. April 1983 vermerkten Zahlungen, welche zu einer Gutschrift von insgesamt Fr. ... führten, angerechnet worden sind. Hiezu ist zu sagen, dass diese Zahlungen vorab an die ältesten und nicht an jüngere, allenfalls dem Beschwerdeführer nicht mehr zur Last fallende Schadenpositionen anzurechnen sind. Dabei ist - entgegen der Auffassung der Kasse - der Zeitpunkt dieser Zahlungen unerheblich; auch wenn sie erst nach dem 6. September 1982 geleistet worden sein sollten, liegt insoweit kein Schaden (mehr) vor, als sie auf die fraglichen Positionen anrechenbar sind. Ob und allenfalls inwieweit diese Zahlungen bei der Schadenersatzforderung richtig berücksichtigt worden sind, lässt sich aufgrund der vorliegenden Akten nicht abschliessend beurteilen. Die Sache ist daher an die Verwaltung zurückzuweisen. Diese wird die notwendigen Erhebungen durchzuführen und hernach über die Schadenersatzforderung neu zu befinden haben. In diesem Sinne erweist sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde des Beschwerdeführers teilweise als begründet.
null
nan
de
1,986
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
00a3eb0c-c36c-4695-a300-1aadb738b851
Urteilskopf 135 V 124 17. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. C. gegen INTRAS Krankenkasse (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) 9C_781/2008 vom 25. März 2009
Regeste Art. 89 Abs. 1 und 2, Art. 56 Abs. 1 und 2 sowie Art. 32 Abs. 1 KVG ; Art. 116 und 139 OR ; Art. 46 Abs. 1 und Art. 83 Abs. 2 SchKG ; sachliche und örtliche Zuständigkeit des Schiedsgerichts zur Beurteilung der Aberkennungsklage eines Leistungserbringers. Ein einzelrichterlicher Nichteintretensentscheid mangels örtlicher oder sachlicher Zuständigkeit ist im Verfahren nach Art. 89 KVG unzulässig (E. 3). Das Schiedsgericht nach Art. 89 KVG ist sachlich zuständig zur Beurteilung der Aberkennungsklage eines Leistungserbringers betreffend eine vom Krankenversicherer auf dem Betreibungsweg geltend gemachte Forderung gestützt auf eine Vereinbarung im Zusammenhang mit einer behaupteten Verletzung des Gebots der wirtschaftlichen Behandlung (Art. 56 Abs. 1 und 2 sowie Art. 32 Abs. 1 KVG ), auch wenn die Vereinbarung alle Merkmale einer Neuerung im Sinne von Art. 116 OR aufweist (E. 4.3.1). Der Gerichtsstand nach Art. 89 Abs. 2 KVG (Kanton, in welchem die ständige Einrichtung des Leistungserbringers liegt) geht dem Gerichtsstand des Betreibungsortes nach Art. 83 Abs. 2 SchKG vor (E. 4.3.2). Fristwahrung durch Klage beim örtlich unzuständigen Gericht ( Art. 139 OR analog; E. 5).
Sachverhalt ab Seite 125 BGE 135 V 124 S. 125 A. Der im Kanton Luzern wohnhafte Arzt C. führt im Kanton Aargau eine Praxis. Gemäss einer vom 26. April 2007 datierenden Vereinbarung verpflichtete sich C., der INTRAS Versicherungen unter dem Titel "Abgeltung Rückforderung für die Jahre 2005-2006" den Betrag von pauschal Fr. 16'100.- (entsprechend 40 % der fakturierten Leistungen bis Ende 2006) innert 30 Tagen zu überweisen. Da die Zahlung ausblieb, leitete die INTRAS Krankenkasse (nachfolgend: Intras) die Betreibung ein. Gegen den Zahlungsbefehl vom 22. Dezember 2007 erhob C. Rechtsvorschlag. Mit Entscheid vom 15. Mai 2008 erteilte der Präsident des Amtsgerichts Luzern-Stadt der Intras für den Betrag von Fr. 16'100.- provisorische Rechtsöffnung. B. Am 5. August 2008 liess C. beim Schiedsgericht gemäss Art. 89 KVG des Kantons Luzern Aberkennungsklage einreichen und zur Hauptsache beantragen, es sei festzustellen, dass er der Intras nichts schulde, und die am 22. Dezember 2007 eingeleitete Betreibung aufzuheben. BGE 135 V 124 S. 126 Mit Entscheid des Präsidenten vom 13. August 2008 trat das Schiedsgericht auf die Klage nicht ein (Dispositiv-Ziffer 1) und überwies die Akten dem Amtsgericht Luzern-Stadt zur Behandlung (Dispositiv-Ziffer 2). C. C. lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Rechtsbegehren, der Entscheid vom 13. August 2008 sei aufzuheben und das Schiedsgericht nach Art. 89 KVG des Kantons Luzern anzuweisen, auf die Aberkennungsklage einzutreten. Die Intras beantragt Nichteintreten auf die Beschwerde oder deren Abweisung. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Der vorinstanzliche Nichteintretensentscheid kann als Endentscheid im Sinne von Art. 91 BGG (Urteil 9C_740/2008 vom 10. Oktober 2008 E. 1) oder als - selbständig eröffneter - Vor- oder Zwischenentscheid über die Zuständigkeit nach Art. 92 Abs. 1 BGG betrachtet werden. Die dagegen erhobene Beschwerde in öffentlich- rechtlichen Angelegenheiten ist somit zulässig und es ist darauf einzutreten, da auch die übrigen formellen Gültigkeitserfordernisse gegeben sind. 2. Die Vorinstanz hat ihr Nichteintreten auf die Aberkennungsklage damit begründet, bei der in Betreibung gesetzten Forderung von Fr. 16'100.- sei es ursprünglich um die Rückforderung von angeblich zu hohen Rechnungsstellungen des Klägers zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung gegangen. Am 26. April 2007 sei deswegen eine Vereinbarung getroffen worden, wonach sich der Leistungserbringer zwecks Abgeltung sämtlicher Forderungen der Jahre 2005 und 2006 verpflichtete, dem beklagten Krankenversicherer diese Summe zu bezahlen. Der Einwand des Klägers, die auf der Vereinbarung aufgeführte Unterschrift stamme nicht von ihm, sei vom Rechtsöffnungsrichter verworfen worden. Mit der Vereinbarung vom 26. April 2007 sei unter den Parteien eine neue Verpflichtung begründet worden (sog. Novation). Damit werde diese zu einem privatrechtlichen Vertrag. Allenfalls daraus entstehende Streitigkeiten seien somit privatrechtlicher Natur. Mithin stütze sich die Forderung der Beklagten nicht mehr auf die Bestimmungen des Krankenversicherungsgesetzes. Vielmehr habe sie mit der Vereinbarung ein direktes zivilrechtliches Forderungsrecht gegenüber dem BGE 135 V 124 S. 127 Kläger erhalten (Urteil U 537/06 vom 13. Juni 2007). Zuständig zum Entscheid über die Aberkennungsklage sei somit nicht das Schiedsgericht nach Art. 89 KVG , sondern das Zivilgericht am Ort der Betreibung nach Art. 83 Abs. 2 SchKG . Selbst wenn im Übrigen Sozialversicherungsrecht zur Anwendung käme, wäre das Schiedsgericht des Kantons Aargau, wo die Praxis des Klägers liegt, und nicht dasjenige das Wohnsitzkantons Luzern örtlich zuständig. Der Beschwerdeführer bestreitet einen "animus novandi" im Sinne von Art. 116 OR . Mit der Vereinbarung vom 26. April 2007 sei - soweit die Unterschrift überhaupt von ihm stamme - nicht ein anderes Schuldverhältnis begründet, sondern eine zulässige aussergerichtliche Vereinbarung über die pauschale Abgeltung der vom Krankenversicherer behaupteten zu hohen Abrechnungen für die Behandlungsjahre 2005 und 2006 getroffen worden. Hätte er sich dem Abschluss einer Vereinbarung verschlossen, hätte die Beschwerdegegnerin gestützt auf dieselben tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen eine Rückforderungsklage eingereicht. Dieser wäre dasselbe Schuldverhältnis zugrunde gelegen. Das von der Vorinstanz erwähnte Urteil U 537/06 vom 13. Juni 2007 sei aufgrund des ganz verschiedenen Sachverhalts nicht einschlägig. Schliesslich sei für die Frage der örtlichen Zuständigkeit der Betreibungsort im Kanton Luzern und nicht der Praxisstandort im Kanton Aargau massgebend. 3. Der in Verneinung der sachlichen und eventualiter örtlichen Zuständigkeit ergangene Nichteintretensentscheid der Vorinstanz erging als Entscheid des Präsidenten des Schiedsgerichts nach Art. 89 KVG des Kantons Luzern. 3.1 Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen die formellen Gültigkeitserfordernisse des vorinstanzlichen Verfahrens. Dazu gehört auch die Frage der (numerisch) richtigen Besetzung des Schiedsgerichts. Dabei gilt folgende Kognitionsregelung: Auslegung und Anwendung kantonalen Gesetzesrechts beurteilen sich lediglich unter dem eingeschränkten Blickwinkel der Willkür ( Art. 9 BV ). Dagegen ist frei und ohne Bindung an allfällige Vorbringen der Parteien zu prüfen, ob die - als vertretbar erkannte - Auslegung kantonaler Vorschriften mit der in Art. 30 Abs. 1 BV gewährleisteten Garantie eines durch Gesetz geschaffenen, zuständigen, unabhängigen und unparteiischen Gerichts und mit dem übrigen Bundesrecht, namentlich Art. 89 KVG , vereinbar ist BGE 135 V 124 S. 128 (vgl. BGE 129 V 335 E. 1.3.2 S. 338 und BGE 123 V 280 E. 1 S. 283; je mit Hinweisen; Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts K 139/04 vom 27. März 2006 E. 2.2, nicht publ. in: BGE 132 V 303 , aber in: SVR 2006 KV Nr. 31 S. 111). 3.2 Nach Art. 89 KVG entscheidet ein Schiedsgericht Streitigkeiten zwischen Versicherern und Leistungserbringern (Abs. 1). Zuständig ist das Schiedsgericht desjenigen Kantons, dessen Tarif zur Anwendung gelangt, oder desjenigen Kantons, in dem die ständige Einrichtung des Leistungserbringers liegt (Abs. 2). Der Kanton bezeichnet ein Schiedsgericht. Es setzt sich zusammen aus einer neutralen Person, die den Vorsitz innehat, und aus je einer Vertretung der Versicherer und der betroffenen Leistungserbringer in gleicher Zahl. Die Kantone können die Aufgaben des Schiedsgerichts dem kantonalen Versicherungsgericht übertragen; dieses wird durch je einen Vertreter oder eine Vertreterin der Beteiligten ergänzt (Abs. 3). Im Kanton Luzern gilt die in Art. 89 Abs. 3 Satz 2 KVG vorgesehene Regelung. Dabei ist der Präsident der sozialversicherungsrechtlichen Abteilung des Verwaltungsgerichts (= Versicherungsgericht) vorsitzendes Mitglied des Schiedsgerichts. Die Parteien können je einen Schiedsrichter oder eine Schiedsrichterin ernennen resp. bezeichnen (§ 7 Abs. 2 des Einführungsgesetzes vom 23. März 1998 zum Bundesgesetz über die Krankenversicherung [SRL Nr. 865] und § 19 Abs. 4 der Geschäftsordnung für das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern vom 16. Mai 1973 [SRL Nr. 43]). 3.2.1 Die in Art. 89 Abs. 4 KVG vorgeschriebene Zusammensetzung des Schiedsgerichts stellt eine bundesrechtliche Minimalvorschrift dar, an welche die Kantone gebunden sind ( Art. 49 Abs. 1 BV ). Die paritätische Besetzung mit Vorsitz einer neutralen Person ist gleichsam Wesensmerkmal des Schiedsgerichts. Einzelrichterliche Entscheide können sich daher höchstens auf rein formelle Entscheide beziehen wie etwa Prozesserledigungen zufolge Rückzugs oder Vergleichs oder Ausstandsbegehren (SVR 2008 KV Nr. 17 S. 65, 9C_149/2007 E. 2.2.3). Dagegen fallen Nichteintretensentscheide mangels sachlicher Zuständigkeit des Schiedsgerichts nach Art. 89 Abs. 1 KVG grundsätzlich nicht in die Kategorie der Einzelrichter-Befugnisse. Die aufgrund zwingender Gesetzesvorschriften sowie unter Berücksichtigung der aus Art. 30 Abs. 1 BV fliessenden grundrechtlichen Ansprüche zu beurteilenden BGE 135 V 124 S. 129 Fragen der Sachzuständigkeit sind generell - auch mit Blick auf die Interessenlage der Beteiligten - als gewichtig einzustufen. Ob eine Streitigkeit zwischen Versicherer und Leistungserbringer im Sinne von Art. 89 Abs. 1 KVG vorliegt, lässt sich nicht losgelöst von mitunter komplexen materiellrechtlichen Erwägungen wie beispielsweise über die Natur des betreffenden Rechtsverhältnisses, dessen konkrete Rechtswirkungen und die Zuordnung der ihm zu Grunde liegenden Rechtsnormen zum Privatrecht oder zum öffentlichen Recht beurteilen. Dies trifft auch auf die materiell streitige Aberkennungsklage des Beschwerdeführers gegen die von der Beschwerdegegnerin gestützt auf die Vereinbarung vom 26. April 2007 auf dem Betreibungsweg geltend gemachte Forderung zu. Dass die Prüfung der sachlichen Zuständigkeit nach Art. 89 Abs. 1 KVG primär juristisches Fachwissen voraussetzt, stellt keinen triftigen Grund dar, um von der ordentlichen, paritätischen Besetzung des Schiedsgerichts gemäss Art. 89 Abs. 4 KVG und den diese Vorschrift konkretisierenden kantonalen Bestimmungen abzusehen (Urteil K 139/04 vom 27. März 2006 E. 3.3.1 und 3.3.2, nicht publ. in: BGE 132 V 303 , aber in: SVR 2006 KV Nr. 31 S. 111). 3.2.2 Der Präsident des Schiedsgerichts nach Art. 89 KVG des Kantons Luzern hat seine Zuständigkeit als Einzelrichter damit begründet, mangels Zuständigkeit des Schiedsgerichts sei er nicht befugt, die Parteien zur Bestellung von Schiedsrichtern aufzufordern. Dabei hat er auf § 8a Abs. 1 lit. e der Geschäftsordnung für das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern verwiesen. Nach dieser Bestimmung entscheiden die Abteilungs- und Kammerpräsidenten oder die von ihnen bezeichneten Verwaltungsrichter als Einzelrichter u.a. Klagen, die wegen offensichtlicher Unzuständigkeit nicht materiell zu beurteilen sind. Es kann offenbleiben, ob mit Bezug auf die Aberkennungsklage des Beschwerdeführers, auf welche der vorinstanzliche Richter nicht eingetreten ist, ein Anwendungsfall offensichtlicher Unzuständigkeit im Sinne von § 8a Abs. 1 lit. e der Geschäftsordnung für das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern vorliegt (vgl. E. 4). Die Frage der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit für die Beurteilung dieser Klage ist von Bundesrechts wegen zwingend in der ordentlichen Besetzung des Schiedsgerichts, somit unter Mitwirkung von zwei Schiedsrichtern zu entscheiden. Von der Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zu erneuter Entscheidung in gehöriger Besetzung ist indessen aus prozessökonomischen Gründen abzusehen. Die Parteien haben sich zur BGE 135 V 124 S. 130 sachlichen und örtlichen Zuständigkeit des Schiedsgerichts nach Art. 89 Abs. 1 und 2 KVG , welche Frage in diesem Verfahren einzig streitig ist ( BGE 116 V 265 E. 2a S. 266), geäussert, sodass darüber abschliessend entschieden werden kann. 4. 4.1 Bei der Rückforderung von in Verletzung des Gebots der Wirtschaftlichkeit der Leistungen erbrachten Vergütungen aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung ( Art. 56 Abs. 1 und 2 KVG sowie Art. 32 Abs. 1 KVG ) handelt es sich um eine Streitigkeit im Sinne von Art. 89 Abs. 1 KVG , zu deren Beurteilung - von der hier nicht interessierenden Zuständigkeit der kantonalen Versicherungsgerichte (vgl. RKUV 2002 S. 468, K 25/02 E. 3) abgesehen - das nach Abs. 2 dieser Bestimmung örtlich zuständige Schiedsgericht berufen ist (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts K 119/04 vom 6. Oktober 2005 E. 2.2; Urteil 9C_393/2007 vom 8. Mai 2008 E. 3; vgl. auch RKUV 2003 S. 216, K 9/00 E. 4.1). 4.2 Das Gesetz umschreibt die Neuerung oder Novation in Art. 116 Abs. 1 OR als Tilgung einer alten Schuld durch Begründung einer neuen. Darunter ist die vertragliche Einigung von Gläubiger und Schuldner zu verstehen, eine bestehende Obligation untergehen zu lassen und durch eine neue zu ersetzen ( BGE 126 III 375 E. 2e/bb S. 381), also die rechtliche Grundlage des bestehenden Schuldverhältnisses auszuwechseln (Urteil 4C.60/2002 vom 16. Mai 2002 E. 1.4 mit Hinweisen auf die Lehre). Der tatsächliche übereinstimmende Wille der Kontrahenten, das alte Schuldverhältnis in seiner Identität zu beseitigen ("animus novandi"), muss klar zum Ausdruck kommen und ist im Streitfalle von derjenigen Partei zu beweisen, welche sich darauf beruft ( BGE 107 II 479 E. 3 S. 481). Eine blosse Schuldanerkennung resp. die Ausstellung eines neuen Schuldscheins begründet in der Regel keine Neuerung ( Art. 116 Abs. 2 OR ; BGE 131 III 586 E. 4.2.3.3 S. 592), wohl häufig aber ein aussergerichtlicher Vergleich ( BGE 105 II 273 E. 3a S. 277 mit Hinweisen). In dem von der Vorinstanz erwähnten Urteil U 537/06 vom 13. Juni 2007 qualifizierte die I. sozialrechtliche Abteilung des Bundesgerichts unter den gegebenen Umständen, welche hier nicht näher darzulegen sind, eine Zahlungsvereinbarung zwischen einem Unfallversicherer und einem diesem unterstellten Betrieb als Novation der Prämienschuld. Die - von der Firma bestrittene - neue BGE 135 V 124 S. 131 Schuld sei vom ursprünglichen Verpflichtungsgrund losgelöst. Bei der Zahlungsvereinbarung handle es sich (somit) um einen privatrechtlichen Vertrag. Das kantonale Versicherungsgericht sei somit nicht zuständig für die Beurteilung der bei ihm anhängig gemachten Aberkennungsklage (E. 3.3). 4.3 Es kann offenbleiben, ob die Vereinbarung vom 26. April 2007 zwischen dem Beschwerdeführer und der Beschwerdegegnerin eine Novation im Sinne von Art. 116 OR darstellt und demzufolge der ursprüngliche Verpflichtungsgrund (Verletzung des Gebots der Wirtschaftlichkeit der Leistungen) für die Frage der Begründetheit der Forderung des Krankenversicherers, auf deren Aberkennung der Leistungserbringer geklagt hat ( Art. 83 Abs. 2 SchKG ), ohne Bedeutung ist. 4.3.1 Das einer Rückforderung wegen unwirtschaftlicher Behandlung nach Art. 56 Abs. 1 und 2 KVG zu Grunde liegende Rechtsverhältnis ist öffentlich-rechtlicher Natur. Inwieweit es das Gesetz zulässt, dass eine solche Forderung durch Vereinbarung, beispielsweise im Rahmen eines aussergerichtlichen Vergleichs, von ihrem Verpflichtungsgrund losgelöst und auf eine gänzlich neue tatsächliche und rechtliche Grundlage gestellt werden kann, braucht hier nicht abschliessend beurteilt zu werden. Durch einen solchen Vertrag kann jedenfalls der öffentlich-rechtliche Charakter der Rechtsbeziehung zwischen Krankenversicherer und Leistungserbringer nicht geändert werden. Der Versicherer handelt nach wie vor als Durchführungsorgan der sozialen Krankenversicherung in Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe des Bundes (RKUV 2002 S. 1, K 34/01 E. 5a; Urteil 2P.147/1999 vom 8. September 1999 E. 2b). Das neu begründete Schuldverhältnis ist somit wie das ursprüngliche öffentlich-rechtlicher Natur (vgl. BGE 114 Ib 142 E. 3b/aa-cc S. 147 ff. [Enteignungsvertrag]), was von der Vorinstanz und auch im Urteil U 537/06 vom 13. Juni 2007 verkannt worden ist. Es kann sich nicht anders verhalten als bei einem Vergleich in Streitigkeiten über sozialversicherungsrechtliche Leistungen zwischen Versicherern und Versicherten ( Art. 50 Abs. 1 ATSG [SR 830.1] in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 KVG ). Dieser Vergleich ist öffentlich-rechtlicher Natur, was sich schon daraus ergibt, dass er vom Versicherungsträger in Form einer anfechtbaren Verfügung zu eröffnen ist ( Art. 50 Abs. 2 ATSG ). Streitigkeiten über die Bedeutung und Tragweite einer Vereinbarung zwischen Krankenversicherer und Leistungserbringer wie diejenige vom 26. April 2007 zwischen den BGE 135 V 124 S. 132 am Recht stehenden Parteien sind daher im Klageverfahren vor dem örtlich zuständigen Schiedsgericht nach Art. 89 KVG auszutragen, unabhängig davon, ob die Vereinbarung novierend ist oder nicht. Wird der (neu begründete) Anspruch auf dem Betreibungsweg verfolgt und dem Gläubiger provisorische Rechtsöffnung erteilt, kann der Schuldner nach Art. 83 Abs. 2 SchKG auf dem Weg des ordentlichen Prozesses auf Aberkennung der Forderung klagen. Dabei gilt die gleiche sachliche Zuständigkeit wie für die entsprechende Klage ausserhalb eines Betreibungsverfahrens ( BGE 133 III 645 E. 5.2 S. 652; BGE 99 V 78 E. 1a in fine S. 80; Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts H 341/00 vom 15. März 2001 E. 2a; ADRIAN STAEHELIN UND ANDERE, Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs [Unter Einbezug der Nebenerlasse] SchKG I [Art. 1-87], 1998, N. 39 und 43 zu Art. 83 SchKG ). Vorliegend ist somit unabhängig davon, ob die Vereinbarung vom 26. April 2007 alle Merkmale einer Neuerung im Sinne von Art. 116 OR aufweist, ein Schiedsgericht nach Art. 89 Abs. 1 KVG zuständig zum Entscheid über die Aberkennungsklage des Beschwerdeführers. Der vorinstanzliche Nichteintretensentscheid verletzt insoweit Bundesrecht ( Art. 95 lit. a BGG ). 4.3.2 In Bezug auf die örtliche Zuständigkeit ergibt sich Folgendes: Nach Art. 83 Abs. 2 SchKG ist beim Gericht des Betreibungsortes auf Aberkennung der Forderung zu klagen. Der in die Rolle des Klägers gedrängte Schuldner soll nicht des ordentlichen Betreibungsstandes an seinem Wohnsitz ( Art 46 Abs. 1 SchKG ) verlustig gehen ( BGE 124 III 207 E. 3b/aa S. 209; PIERRE-ROBERT GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite [art. 1-88], 1999, N. 83 zu Art. 83 SchKG ; STAEHELIN UND ANDERE, a.a.O., N. 34 zu Art. 83 SchKG ). Der Wohnsitz des Beschwerdeführers ist im Kanton Luzern, wo er auch betrieben wurde. Gemäss Art. 83 Abs. 2 SchKG wäre somit das Schiedsgericht nach Art. 89 KVG des Kantons Luzern auch örtlich zuständig zum Entscheid über dessen Aberkennungsklage. Nach Art. 89 Abs. 2 KVG ist indessen das Schiedsgericht desjenigen Kantons zuständig, in welchem die ständige Einrichtung des Leistungserbringers liegt; dies ist vorliegend der Kanton Aargau, wo die Arztpraxis des Beschwerdeführers liegt. Es stellt sich somit die Frage des Verhältnisses zwischen Art. 83 Abs. 2 SchKG und Art. 89 Abs. 2 KVG . Diese Frage ist weder im SchKG noch im KVG ausdrücklich geregelt. Sie wird auch nicht dadurch beantwortet, dass Art. 1 Abs. 2 BGE 135 V 124 S. 133 lit. b GestG (SR 272) die Zuständigkeitsbestimmungen des SchKG vorbehält. Denn das Gerichtsstandsgesetz regelt insgesamt nur die Zuständigkeit in Zivilsachen ( Art. 1 Abs. 1 GestG ). Entscheidend ist jedoch, dass der Gerichtsstand des Betreibungsortes nach Art. 83 Abs. 2 SchKG nicht zwingend ist (GILLIÉRON, a.a.O., N. 90 zu Art. 83 SchKG ; STAEHELIN UND ANDERE, a.a.O., N. 35 zu Art. 83 SchKG mit zahlreichen Hinweisen auf die Rechtsprechung). Die Parteien können somit einen anderen Gerichtsstand vereinbaren. Eine solche, allerdings gesetzliche Prorogation kann auch in der Regelung der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit zum Entscheid über die Aberkennungsklage eines Leistungserbringers gegen einen Versicherer gemäss Art. 89 Abs. 1 und 2 KVG gesehen werden. Art. 89 Abs. 2 KVG , wonach das Schiedsgericht des Kantons zuständig ist, in welchem die ständige Einrichtung des Leistungserbringers liegt, derogiert somit dem ordentlichen Gerichtsstand des Betreibungsortes am Wohnsitz des Schuldners nach Art. 83 Abs. 2 und Art. 46 Abs. 1 SchKG (im Ergebnis gleich aber mit anderer Begründung STAEHELIN UND ANDERE, a.a.O., N. 34 zu Art. 83 SchKG ). Örtlich zuständig für die Beurteilung der Klage auf Aberkennung der von der Beschwerdegegnerin auf dem Betreibungsweg geltend gemachten Forderung aus der Vereinbarung vom 26. April 2007 ist somit das Schiedsgericht nach KVG des Kantons Aargau. Der vorinstanzliche Entscheid verletzt somit Bundesrecht nicht, soweit er im Eventualstandpunkt dieses Gericht als zuständig bezeichnet. 4.3.3 Was die in E. 4.3.1 und 4.3.2 entschiedenen Zuständigkeitsfragen betrifft, hat die erkennende Abteilung die Zustimmung der I. sozialrechtlichen Abteilung und der II. zivilrechtlichen Abteilung eingeholt ( Art. 23 Abs. 2 BGG ). 5. Der angefochtene Entscheid ist somit im Ergebnis richtig, soweit die Vorinstanz auf die Klage nicht eintritt, aber falsch und zu korrigieren, soweit er die Akten dem Amtsgericht Luzern-Stadt zur Behandlung überweist. Der Beschwerdeführer beantragt nicht, auch nicht im Sinne eines Eventualantrags, die Überweisung der Sache an das Schiedsgericht des Kantons Aargau. Das Bundesgericht kann daher keine solche Überweisung vornehmen ( Art. 107 Abs. 1 BGG ). Es steht dem Beschwerdeführer jedoch frei, die Aberkennungsklage beim zuständigen Gericht neu einzureichen. Dafür läuft ihm eine neue 20-tägige BGE 135 V 124 S. 134 Frist ab Zustellung dieses Urteils ( Art. 83 Abs. 2 SchKG und Art. 139 OR analog; BGE 109 III 49 E. 4 S. 51 f.), sofern mit der fälschlicherweise beim Luzerner Gericht eingereichten Klage die Frist nach Art. 83 Abs. 2 SchKG gewahrt wurde, was nicht hier zu entscheiden ist.
null
nan
de
2,009
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
00a60de7-cc2c-44ec-9e76-1d93f2a29b30
Urteilskopf 85 IV 204 53. Entscheid der Angeklagekammer vom 19. Dezember 1959 i. S. Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich.
Regeste Art. 346 Abs. 2 StGB , Art. 262 und 263 BStP . 1. Gerichtsstand der Prävention bei Dauerdelikt (Erw. 1). 2. Von der gesetzlichen Norm abweichende Bestimmung des Gerichtsstandes aus Gründen der Zweckmässigkeit; Berücksichtigung der konkreten Umstände nach ihrer tatsächlichen wie rechtlichen Seite hin (Erw. 2-5).
Sachverhalt ab Seite 204 BGE 85 IV 204 S. 204 A.- Der in Zürich wohnhafte X. wird beschuldigt, seiner Geliebten Y., die sich zumindest seit April 1959 vorwiegend in Zürich, bisweilen aber auch an andern BGE 85 IV 204 S. 205 Orten, so in Basel, regelmässig als Dirne betätigte, aus Eigennutz bei Ausübung ihres Gewerbes Schutz gewährt und seinen Unterhalt zum Teil aus deren Dirnenlohn bestritten zu haben. Am 13. November 1959 wurden X. und Y. in Basel auf Anzeige eines Freiers hin polizeilich angehalten. B.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt ersucht mit Eingabe vom 11. Dezember 1959 die Anklagekammer des Bundesgerichtes, für die Verfolgung und Beurteilung der dem Beschuldigten zur Last gelegten strafbaren Handlungen die Behörden des Kantons Zürich, in dessen Gebiet das Schwergewicht der strafbaren Tätigkeit liege, zuständig zu erklären. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt demgegenüber unter Berufung auf Art. 346 Abs. 2 StGB , es sei der Kanton Basel-Stadt mit der Sache zu befassen. Erwägungen Die Anklagekammer zieht in Erwägung: 1. Das Verbrechen der Zuhälterei ( Art. 201 StGB ) scheint nach den Umständen des vorliegenden Falles den Tatbestand eines Dauerdeliktes zu erfüllen. Der dieser Straftat beschuldigte X. hat an verschiedenen Orten, namentlich im Kanton Zürich, bisweilen auch in Basel gehandelt. Da die Untersuchung zuerst in Basel angehoben wurde, wären nach Art. 346 Abs. 2 StGB die Basler Behörden zuständig. 2. Indessen rechtfertigt es sich hier, von der gesetzlichen Norm abzuweichen. Art. 262 und 263 BStP sehen zwar nur Ausnahmen von den Gerichtsständen der Art. 349 und 350 StGB vor. Die Anklagekammer hat sich jedoch von jeher für befugt erachtet, aus Gründen der Zweckmässigkeit auch vom Gerichtsstand des Art. 346 StGB abzugehen ( BGE 79 IV 57 und dort angeführte Entscheidungen). Dazu kann insbesondere begründeter Anlass bestehen, wenn dem Beschuldigten ein Dauerdelikt vorgeworfen wird, das mehrere getrennte Handlungen in sich schliesst. BGE 85 IV 204 S. 206 Die Rechtsprechung hat je nach den Umständen des Einzelfalles bei Zusammentreffen mehrerer Straftaten schon wiederholt die Behörden desjenigen Kantons für zuständig erklärt, in dem das Schwergewicht oder das Zentrum der strafbaren Tätigkeit lag (vgl. statt vielerBGE 72 IV 96). Was aber bei einer Mehrheit von strafbaren Handlungen möglich ist, muss es auch sein, wenn nur eine Straftat, jedoch ein Dauerdelikt in Frage steht, das sich aus einer Mehrzahl an verschiedenen Orten ausgeführter Handlungen zusammensetzt (vgl. BGE 69 IV 43 ). Im allgemeinen ist jedoch Begehren um eine von den gesetzlichen Vorschriften abweichende Bestimmung des Gerichtsstandes, die damit begründet werden, dass der Schwerpunkt der strafbaren Tätigkeit in einem andern Kanton liege, nicht leichthin zu entsprechen. Die Tatsache beispielsweise, dass die hauptsächlichste Ausführungshandlung des in Frage stehenden Delikts in einem andern als dem ersuchenden Kantons verübt wurde, rechtfertigt für sich allein sowenig ein Abweichen vom gesetzlichen Gerichtsstand ( BGE 71 IV 59 ) wie der Umstand, dass die rein zahlenmässige Mehrheit der einem Beschuldigten zur Last gelegten Straftaten in ein anderes Kantonsgebiet fällt. Die Umstände des vorliegenden Falles sind jedoch nach ihrer tatsächlichen wie rechtlichen Seite hin derart, dass man ohne Bedenken von einem Schwergewicht der strafbaren Tätigkeit des Beschuldigten im Kanton Zürich sprechen kann. 3. In tatsächlicher Beziehung haben die bisherigen Erhebungen ergeben, dass Frau Y. in Zürich wohnt und dass sie dort zumindest seit April 1959 regelmässig der gewerbsmässigen Unzucht nachgegangen ist. Aus den Untersuchungsakten geht überdies hervor, dass X. ebenfalls in Zürich lebt, dass er seit ungefähr zwei Jahren mit Frau Y. ein Liebesverhältnis unterhält und dass seine BGE 85 IV 204 S. 207 Beziehungen zu dieser Frau ernstlich auf Zuhälterei schliessen lassen. X. hat zudem im Kanton Zürich nicht nur seinen Wohnsitz, sondern ist dort auch heimatberechtigt. Die Erhebungen der Basler Behörden haben ferner zur Feststellung geführt, dass Frau Y. und X. nur gelegentlich, etwa zwei bis vier Male nach Basel gefahren sind. Nach der vorläufigen Aktenlage hat demnach der Beschuldigte, was auch die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich nicht bestreitet, die ihm zur Last gelegten Handlungen als Zuhälter vorwiegend in Zürich begangen. 4. Dazu fällt in rechtlicher Beziehung entscheidend in Betracht, dass das Verbrechen der Zuhälterei hier als Dauerdelikt erscheint. Die Beurteilung einer solchen Straftat verlangt vom Richter eine Kenntnis der tatsächlichen Gegebenheiten, die das Verhalten des Beschuldigten in seiner Gesamtheit, jedenfalls in grösstmöglichem Rahmen erfasst. Dass der Richter am Ort, wo die strafbare Tätigkeit zur Hauptsache ausgeübt wurde, zu einer so umfassenden Beurteilung in der Regel am besten in der Lage ist, versteht sich von selbst. Da das Verbrechen der Zuhälterei in hohem Masse die öffentliche Sittlichkeit berührt, liegt es auch in der Natur der Sache, dass der Täter an dem Orte abgeurteilt werde, an dem er vorwiegend gehandelt hat. Der Auffassung der Staatsanwaltschaft von Basel-Stadt, dass es gerade der Verfolgung der Zuhälterei abträglich wäre, wenn diejenige Behörde zur Durchführung des Verfahrens verpflichtet würde, in deren Gebiet der Täter zufällig, anlässlich eines sporadischen Auftauchens, festgestellt und angehalten werde, ist daher in vollem Umfang beizupflichten. 5. Schliesslich sei noch darauf hingewiesen, dass die Beziehungen des Beschuldigten zu weiteren Dirnen in Zürich einer näheren Abklärung bedürfen. Es sprechen daher auch prozessuale Gründe dafür, die Zürcher Behörden mit der weiteren Verfolgung des X. zu betrauen. BGE 85 IV 204 S. 208 Dispositiv Demnach erkennt die Anklagekammer: Die Behörden des Kantons Zürich werden berechtigt und verpflichtet erklärt, X. für alle ihm zur Last gelegten strafbaren Handlungen zu verfolgen und zu beurteilen.
null
nan
de
1,959
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
00aabd7d-8b71-49fc-9958-16a04a8cfa5d
Urteilskopf 98 IV 314 61. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 14. Dezember 1972 i.S. Oertli gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich.
Regeste Art. 139, 182 Ziff. 1 StGB . Verhältnis dieser Bestimmungen zueinander. Art. 139 StGB schliesst die Anwendung von Art. 182 Ziff. 1 StGB aus, wenn zwischen dem Raub und der Freiheitsberaubung ein derart enger zeitlicher Zusammenhang besteht, dass die Handlungen des Täters bei natürlicher Betrachtungsweise als ein einheitliches, zusammengehörendes Tun erscheinen.
Sachverhalt ab Seite 314 BGE 98 IV 314 S. 314 Aus dem Tatbestand: A.- Dem in Frankfurt wohnhaften Oertli wurde im Laufe des Jahres 1970 bekannt, dass im Kassenschrank der Firma Novelectric AG in Buchs/ZH jeden Monat vor der Gehaltsauszahlung BGE 98 IV 314 S. 315 ca. Fr. 300'000.-- aufbewahrt werden. In der Absicht, sich der Dezember-Lohnauszahlung der genannten Firma zu bemächtigen, fuhr Oertli im Auto mit zwei Komplizen am 17. Dezember 1970 nach Zürich. Dort hielten er und seine Bekannten um ca. 23.00 Uhr den die Kassenschrankschlüssel der Firma Novelectric AG auf sich tragenden Prokuristen Walther unter Bedrohung mit einer Pistole vor dessen Wohnhaus an und zwangen ihn, in ihren Wagen zu steigen, wo sie ihm den Kopf auf den hinteren Rücksitz drückten. Anschliessend fuhren sie nach Buchs vor das Gebäude der Novelectric AG, wo sie den Prokuristen fesselten und ihm Kopf und Augen mit breitem Klebeband umwickelten. Sie verabreichten ihm sodann zwei bis drei Spritzen eines unbekannten Schlaf- oder Betäubungsmittels, worauf Walther das Bewusstsein verlor. Hierauf führte Oertli einen der zwei Mittäter, der dem Prokuristen die Schlüssel abgenommen hatte, ins Gebäudeinnere und zeigte ihm den Kassenschrank. Diesem entnahmen die beiden Zahltagstaschen im Gesamtbetrag von ca. Fr. 340'000.--. Nachher wurde Prokurist Walther in bewusstlosem Zustand ins Gebäude getragen und dort mit den Füssen an ein Treppengeländer gefesselt. Die Täter fuhren danach unverzüglich nach Deutschland zurück. B.- Am 10. Februar 1972 verurteilte das Obergericht des Kantons Zürich an Stelle des Geschworenengerichts Oertli wegen Raubes im Sinne von Art. 139 Ziff. 1 und 2 Abs. 4 StGB , sowie wegen Freiheitsberaubung im Sinne von Art. 182 Ziff. 1 StGB zu sieben Jahren Zuchthaus, abzüglich 218 Tage erstandener Untersuchungshaft. C.- Gegen diesen Entscheid führt der Angeschuldigte eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde. Er beantragt Verurteilung ausschliesslich wegen einfachen Raubes im Sinne von Art. 139 Ziff. 1 Abs. 1 StGB und entsprechende Herabsetzung der ausgefällten Freiheitsstrafe. Erwägungen Aus den Erwägungen: Die Vorinstanz hat Oertli nicht nur des Raubes, sondern zusätzlich auch der Freiheitsberaubung im Sinne von Art. 182 Ziff. 1 StGB schuldig befunden. Sie vertritt die Ansicht, dass das Verbringen des betäubten und gefesselten Prokuristen nach ausgeführtem Diebstahl in das Innere des Gebäudes und namentlich das Fesseln und Festbinden der Füsse am Treppengeländer BGE 98 IV 314 S. 316 eine zweite, vom Raub unabhängige und für diesen entbehrliche Handlung darstelle, die nicht bloss als straflose Nachtat betrachtet werden dürfe. Demgegenüber wendet der Beschwerdeführer ein, der ganze Ablauf der Tat sei als Handlungseinheit zu qualifizieren; sämtliche Handlungen der Täter stellten aufeinanderfolgende kausale Beiträge zum gleichen Erfolg dar, wobei die Strafandrohung für den Raub zugleich die zur Sicherung der Flucht verübte Gewalt allseitig abgelte. Es ist davon auszugehen, dass Oertli nicht wissen konnte, wie lange die Bewusstlosigkeit des Prokuristen anhalten werde. Deshalb wollten er und seine Komplizen mit dem zusätzlichen Festbinden des Opfers am Treppengeländer die Zeitspanne bis zur Entdeckung der Tat verlängern und sich damit eine unbehelligte Flucht sichern. Daran ändert der Umstand nichts, dass Walther im Zeitpunkt der Fesselung noch bewusstlos war. Die Gewaltanwendung zur Sicherung der Flucht steht demnach in direktem Zusammenhang mit dem vorausgegangenen Raub. Angesichts des engen zeitlichen Zusammenhanges, der bei natürlicher Betrachtungsweise das gesamte Tätigwerden des Beschwerdeführers und seiner Komplizen als ein einheitliches, zusammengehörendes Tun erscheinen lässt, rechtfertigt sich somit die Annahme, der im Fesseln und Festbinden des Prokuristen liegenden Freiheitsbeschränkung komme keine selbständige Bedeutung zu und sie werde durch die Verurteilung wegen Raubes abgegolten. Die Beschwerde ist daher in diesem Punkte begründet. Die Sache wird an die Vorinstanz zurückgewiesen, damit sie Oertli von der Anschuldigung der Freiheitsberaubung freispreche und die Strafe dementsprechend neu bemesse.
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de
1,972
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00b4c7bf-912d-4805-b754-e9e8e0f1c0d0
Urteilskopf 110 V 83 14. Estratto della sentenza del 13 aprile 1984 nella causa Pellanda contro Cassa cantonale di compensazione e Tribunale delle assicurazioni del Cantone Ticino
Regeste Art. 9 Abs. 1 AHVG , Art. 17 AHVV . Einkommen aus selbständiger nebenberuflicher Erwerbstätigkeit, die in der Vermietung einer im Hause des Vermieters befindlichen möblierten Wohnung an Touristen besteht und mehrmals während des Jahres erfolgt. Dieses Einkommen wird nicht als Vermögensertrag betrachtet.
Sachverhalt ab Seite 83 BGE 110 V 83 S. 83 A.- Mediante decisione del 10 dicembre 1982 la Cassa di compensazione ha affiliato Valerio Pellanda in qualità di indipendente dal 1o gennaio 1977 e fissato il contributo AVS/AI/IPG dal 1o gennaio al 31 dicembre 1977 su un reddito medio di Fr. 3900.--, come indicato dall'Ufficio di tassazione. B.- Valerio Pellanda è insorto contro il provvedimento amministrativo con ricorso al Tribunale cantonale delle assicurazioni, chiedendo l'annullamento della decisione. In sostanza l'insorgente ha addotto di aver locato - a partire dal settembre 1977 - un appartamento di vacanza di cui egli aveva indicato, nella dichiarazione d'imposta, l'utile quale reddito della sostanza. L'autorità fiscale aveva invece classificato l'entrata quale reddito aziendale. Chieste informazioni all'amministrazione tributaria, quest'ultima gli aveva precisato che comunque l'importo da solvere non sarebbe mutato. Secondo l'insorgente BGE 110 V 83 S. 84 doveva essere operata una distinzione tra la locazione di un appartamento e l'attività di affittacamere. Benché la tassazione fosse cresciuta in giudicato doveva pur essere stabilito se erano dati i presupposti per un'imposizione contributiva. La Cassa di compensazione, nella risposta al gravame, ricordata che l'attività dell'insorgente era iniziata nel settembre del 1977, ha proposto di sostituire la decisione con altra che tenesse conto di un periodo ridotto. Con giudizio dell'11 marzo 1983 il Tribunale cantonale delle assicurazioni ha parzialmente tutelato il gravame fissando l'obbligo di contribuzione dell'insorgente per il periodo decorso dal 1o settembre al 31 dicembre 1977. Per i primi giudici i proventi derivanti da locazione di camere o appartamenti di vacanza costituivano un reddito aziendale. L'insorgente, proprietario di un appartamento che veniva messo a disposizione di turisti, rinnovando la locazione con persone diverse più volte durante la medesima stagione, esercitava come tale una certa attività di rigoverno, di ricerca di clienti e di amministrazione. Ininfluente era sapere se egli non fosse titolare di un permesso di affittacamere, termine che nel senso tecnico era da intendere inclusivo pure della locazione di appartamenti di vacanza. Per i primi giudici il reddito aziendale esposto in sede fiscale, corrispondente di regola al reddito netto considerato dall' art. 9 LAVS , era stato rettamente posto dalla cassa alla base del computo del contributo personale dovuto dall'insorgente. C.- Con il ricorso di diritto amministrativo Valerio Pellanda chiede l'annullamento della decisione che fissa il periodo di contribuzione dal 1o settembre al 31 dicembre 1977 e implicitamente l'annullamento del querelato giudizio. Adduce di aver nel 1976/77, costruendo la propria casa, aggiunto un appartamento di 4 letti, successivamente locato a turisti per periodi da 2 a 3 settimane. Per far conoscere l'appartamento egli ha fatto inserzioni e si è iscritto al servizio alloggi dell'ente turistico locale, pagando per questo servizio una tassa fissa oltre alle tasse di soggiorno. Ne deduce che minima sarebbe l'attività svolta per locare l'appartamento, non riconducibile a attività indipendente nel senso indicato dalla Cassa di compensazione. Infatti, l'effettivo lavoro sarebbe assolutamente irrilevante, quantificabile in pochi minuti all'arrivo e alla partenza degli ospiti: a suo parere quindi non sarebbe dato il presupposto di un'attività lucrativa. Precisa che il fisco l'aveva inizialmente tassato BGE 110 V 83 S. 85 per un reddito aziendale di Fr. 3350.--, senza tener conto delle deduzioni. A seguito di un reclamo e poi di un ricorso, la tassazione era stata modificata nel senso di un aumento del reddito aziendale da un canto, ma di aumento delle deduzioni dall'altro, in misura tale da comportare una diminuzione globale dell'imponibile. Per il ricorrente le deduzioni avevano avuto luogo sul reddito complessivo della sostanza, quindi anche dell'appartamento. Rifiuta di subire le conseguenze del fatto che la tassazione, pur distinguendo reddito della sostanza da reddito aziendale, operi una deduzione globale. A suo parere, se del caso, il contributo sarebbe da versare sul reddito reale e non su introiti gravati da oneri. Una volta ammortizzata la proprietà, un eventuale reddito effettivo potrà essere soggetto all'AVS. Conclude dichiarando incomprensibile come la Cassa di compensazione consideri un reddito aziendale ciò che in effetti altro non sarebbe che un reddito della sostanza e ravvisa, nel fatto che altre persone nella sua stessa condizione non siano tenute a contribuire all'AVS, una violazione dell'art. 4 della Costituzione. A sostegno del gravame produce documentazione fiscale. Cassa di compensazione e Ufficio federale delle assicurazioni sociali propongono la reiezione del gravame. Erwägungen Estratto dai considerandi: 3. Giusta l' art. 9 cpv. 1 LAVS il reddito proveniente da un'attività lucrativa indipendente comprende qualsiasi reddito che non sia mercede per lavoro a dipendenza d'altri. Per l' art. 17 OAVS è considerato reddito proveniente da un'attività lucrativa indipendente nel senso dell' art. 9 cpv. 1 LAVS il reddito conseguito in proprio nell'agricoltura, nella selvicoltura, nel commercio, nelle arti e mestieri, nell'industria e nelle professioni liberali. Secondo l' art. 8 cpv. 2 LAVS (nel testo in vigore sino al 30 aprile 1978 ed applicabile in concreto) se il reddito di un'attività lucrativa indipendente era inferiore a Fr. 2000.-- l'anno doveva essere versato un contributo fisso di Fr. 78.-- l'anno e siffatto contributo era prelevato solo a richiesta dell'assicurato se il reddito inferiore a Fr. 2000.-- l'anno proveniva da un'attività lucrativa indipendente accessoria. 4. Nell'evenienza concreta la Cassa di compensazione si è basata, nel determinare il contributo personale del ricorrente, sulla BGE 110 V 83 S. 86 comunicazione del competente ufficio di tassazione. Essa si è prevalsa nei suoi allegati dell' art. 23 cpv. 4 OAVS , giusta il quale le indicazioni fornite dall'autorità fiscale sono vincolanti per le casse di compensazione. Mette conto di essere osservato che il vincolo assoluto per le casse di compensazione e relativo per il giudice delle assicurazioni alle indicazioni dell'autorità di tassazione è limitato al reddito determinante e al capitale proprio investito nell'azienda dell'assicurato. Detto vincolo non concerne invece la qualifica contributiva del reddito e nemmeno lo statuto del contribuente e in particolare non discrimina sempre il reddito di attività indipendente da quello di attività dipendente e non permette di asserire se un assicurato sia o meno tenuto a contribuire. Quindi spetta alle casse di compensazione, in questo caso svincolate dalle indicazioni delle autorità fiscali, e sulla sola scorta del diritto sull'AVS di stabilire la natura del reddito. È comunque evidente che le casse di compensazione debbano agire in questo modo e quindi procedere a ulteriori accertamenti solo nella misura in cui possano insorgere dubbi seri sulla qualifica dell'assicurato. Necessari sono comunque ulteriori chiarimenti ogni volta che si debba stabilire se l'assicurato svolge o meno un'attività soggetta a contributi. Altrimenti è lecito scostarsi dalle tassazioni cresciute in giudicato solo nella misura in cui esse contengano errori manifesti e debitamente comprovati che possano essere immediatamente corretti ( DTF 106 V 130 consid. 1, 102 V 30 consid. 3a; RCC 1983 pag. 21 consid. 5). 5. La presente controversia verte, da un lato, sulla questione di sapere come debba essere qualificato il reddito proveniente dall'attività accessoria del ricorrente, dall'altro sulla determinazione, subordinata alla soluzione del primo quesito, di tale reddito ai fini contributivi nell'ambito dell'AVS/AI/IPG. a) È pacifico che il ricorrente dia in locazione - a titolo accessorio - un appartamento ammobiliato a turisti. Irrilevante dal profilo delle assicurazioni sociali è che - come asserito dal ricorrente stesso - ciò possa aver luogo secondo il diritto cantonale senza il conseguimento di un particolare permesso di affittacamere. Da detto profilo deve unicamente essere stabilito se il reddito costituisca reddito della sostanza oppure reddito aziendale, qualificabile come provento di un'attività lucrativa indipendente esercitata a titolo accessorio. Il reddito netto derivante dall'amministrazione dei propri beni non è soggetto a contribuzione AVS/AI/IPG nella misura in cui BGE 110 V 83 S. 87 tale attività non ecceda la mera amministrazione degli stessi e non sia qualificabile come attività lucrativa (STFA 1966 pag. 205, 1965 pag. 65; RCC 1979 pag. 270; v. anche DTF 104 Ib 166 consid. 1a). Ne scende che il reddito di un immobile si sottrae all'obbligo contributivo soltanto quando costituisca provento della sola amministrazione dello stabile e non della destinazione dello stesso ad attività che ne oltrepassi l'ambito acquistando così carattere di reddito derivante dall'esercizio di un'attività lucrativa. Secondo la giurisprudenza la locazione di immobili con camere e appartamenti ammobiliati oltrepassa di regola l'ambito della mera amministrazione della sostanza ed è occupazione equiparabile all'esercizio di un'attività a carattere lucrativo preponderante. Già i necessari controlli del mobilio e il rinnovo periodico dei supellettili vanno oltre il lavoro di ordinaria amministrazione di un immobile, motivo per cui in questi casi ricorrono gli estremi di un'attività lucrativa indipendente, il cui reddito è sottoposto all'obbligo contributivo (STFA 1965 pag. 65; RCC 1965 pag. 36, 1952 pag. 89). In concreto, ai principi giurisprudenziali sopra richiamati, nulla immuta il fatto che il ricorrente sia locatore, a lato di un'attività professionale quale dipendente a tempo pieno, di un solo appartamento ammobiliato della casa di sua proprietà. Anche se per la locazione egli ricorre ai servizi dell'ente turistico locale, l'attività da lui esercitata e richiesta dalla locazione dell'appartamento, rinnovata a turisti più volte all'anno, oltrepassa la mera amministrazione dei propri beni e deve essere qualificata come attività lucrativa indipendente, il cui reddito è soggetto a contribuzione ai sensi della LAVS. b) Rimane da esaminare se il reddito realizzato dal ricorrente dal 1o settembre al 31 dicembre 1977 costituisca i 4/12 dell'importo di Fr. 2000.-- ( art. 8 cpv. 2 LAVS nel tenore allora vigente), il che consentirebbe di assoggettarne a contribuzione la quota parte come fatto dall'istanza cantonale in accoglimento della proposta della Cassa di compensazione. Nella comunicazione del 2 giugno 1982 l'amministrazione tributaria ha indicato un reddito proveniente da attività indipendente di Fr. 3900.-- per il 1977. Manifestamente si trattava degli esiti di una procedura di ricorso conclusa il 18 gennaio 1982 e riassunta nella decisione di tassazione definitiva resa alla stessa data. Da essa risulta che il reddito aziendale è stato stabilito a Fr. 3900.--, quello della sostanza a Fr. 5327.--, con una deduzione complessiva sul reddito della sostanza di Fr. 12'562.--. BGE 110 V 83 S. 88 Emerge comunque dal verbale del 18 gennaio 1982 che parte delle deduzioni, almeno quelle per acqua calda, erano state operate sul reddito dell'appartamento di vacanza. Orbene, giusta l' art. 9 cpv. 2 LAVS il reddito proveniente da un'attività lucrativa indipendente è stabilito deducendo, tra l'altro, da tale reddito, le spese generali necessarie per conseguirlo (lett. a) e un interesse del capitale proprio investito nell'azienda (lett. e) fissato dal Consiglio federale su proposta della Commissione federale dell'assicurazione per l'AVS, che nel tenore dell' art. 18 cpv. 2 OAVS vigente dal 1o gennaio 1976 ed applicabile in concreto era di un tasso del 6 1/2%. È evidente che l'esercizio dell'attività di locatore di un appartamento ammobiliato di vacanza imponga un certo investimento di capitale, determinate spese e che dal reddito lordo, per la mobilia, debba essere operata una deduzione per l'ammortamento della stessa. In concreto, la tassazione non indicava da un canto il capitale investito nell'azienda, segnatamente quello essenzialmente destinato a permettere la locazione dell'appartamento, né operando le deduzioni il fisco ha fatto una distinzione tra quelle in generale necessarie a conseguire il reddito della sostanza e quelle destinate a realizzare il reddito dell'attività lucrativa accessoria esercitata dal ricorrente. Se questi elementi sono irrilevanti ai fini della tassazione per l'imposta diretta, essi risultano tuttavia di rilievo per la determinazione dei contributi AVS/AI/IPG. In queste condizioni questa Corte non può che confermare l'assoggettamento a contribuzione del ricorrente ... e costatare la carenza negli allegati di causa degli elementi necessari di giudizio per definire l'ammontare del contributo personale dovuto dal ricorrente come indipendente per il 1977. Si giustifica pertanto l'accoglimento del gravame, l'annullamento del querelato giudizio, della decisione amministrativa del 10 dicembre 1982 e il rinvio degli atti alla Cassa di compensazione affinché, dopo complemento d'istruttoria, determini con nuova decisione il contributo personale dovuto dal ricorrente sul reddito realizzato nel 1977 con l'attività lucrativa accessoria come indipendente. Dispositiv Per questi motivi, il Tribunale federale delle assicurazioni pronuncia: Il ricorso di diritto amministrativo è accolto e il querelato giudizio dell'11 marzo 1983 e la decisione amministrativa del BGE 110 V 83 S. 89 10 dicembre 1982 annullati nel senso che gli atti vengono ritrasmessi alla Cassa di compensazione per complemento d'istruttoria e nuova decisione secondo i considerandi.
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1,984
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00bece2a-6395-4e1f-8e97-f03bc29418e5
Urteilskopf 99 V 48 17. Auszug aus dem Urteil vom 14. Februar 1973 i.S. Ausgleichskasse Nidwalden gegen Hermann und Kantonsgericht des Kantons Nidwalden
Regeste Art. 54 Abs. 1 lit. d IVG . Pflicht der Ausgleichskasse, über alle gestellten Leistungsbegehren verfügungsmässig zu befinden.
Erwägungen ab Seite 48 BGE 99 V 48 S. 48 Aus den Erwägungen: Die Versicherte erhält nur dann eine Rente, wenn sie im Rahmen des Zumutbaren bestmöglich eingegliedert ist. Wer Leistungen der Invalidenversicherung fordert, muss das ihm Zumutbare vorkehren, um die Folgen seiner Invalidität möglichst zu mildern (EVGE 1969 S. 163, 1967 S. 33 und 75; nicht veröffentlichtes Urteil i.S. Scherer vom 8. Juni 1971), und sich jeder zumutbaren Massnahme unterziehen, welche die Invalidenversicherung zu seiner Eingliederung oder Wiedereingliederung ins Erwerbsleben anordnet. Im vorliegenden Fall hielten sich Verwaltung und Vorinstanz an diese Grundsätze und gingen davon aus, eine Rente könne der Versicherten erst gewährt werden, wenn sie im Sinne des Gesetzes eingegliedert sei. Die Ausgleichskasse sprach ihr daher nach Abklärung des medizinischen Sachverhalts durch die Invalidenversicherungs-Kommission ein Hilfsmittel und medizinische BGE 99 V 48 S. 49 Massnahmen zu, ohne aber in der Verfügung zum Ausdruck zu bringen, dass die Rentenfrage erst nach Durchführung der Eingliederungsmassnahmen entschieden werden könne. Zwar hatte die Invalidenversicherungs-Kommission die Versicherte in ihrem Brief vom 11. Dezember 1970 auf den Vorrang der Eingliederungsmassnahmen aufmerksam gemacht. Dies genügte indessen nicht. Vielmehr muss in einem solchen Fall verlangt werden, dass die Ausgleichskasse im erwähnten Sinne über das gestellte Rentengesuch ausdrücklich verfügt. Denn die Versicherte hat - auch im Hinblick auf eine allfällige Beschwerde - Anspruch darauf, dass in der Verfügung zu ihrem Rentenbegehren Stellung genommen wird.
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1,973
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Urteilskopf 137 III 130 22. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause A. SA contre B. et C. (recours en matière civile) 4A_80/2011 du 31 mars 2011
Regeste Art. 405 Abs. 1 ZPO ; Eröffnung des Entscheids. Massgebend ist das Datum des Versands durch das Gericht und nicht dasjenige des Empfangs durch eine der Parteien (E. 2).
Sachverhalt ab Seite 130 BGE 137 III 130 S. 130 Par jugement du 23 décembre 2010, la I re Cour civile du Tribunal cantonal neuchâtelois a partiellement accueilli une action en paiement fondée sur un contrat d'entreprise. Ce jugement n'a pas été prononcé en audience. Le 27 décembre 2010, le Tribunal cantonal en a adressé une expédition motivée à toutes les parties. Les défendeurs l'ont reçue le lendemain 28 décembre 2010; la demanderesse l'a reçue le 4 janvier 2011. BGE 137 III 130 S. 131 Le Tribunal fédéral est saisi d'un recours en matière civile formé par la demanderesse. En l'état de la cause, les défendeurs n'ont pas été invités à répondre. La I re Cour de droit civil du Tribunal fédéral a délibéré en public le 22 mars 2011. Appelée à trancher une question juridique concernant plusieurs cours, elle a suspendu la cause en vue d'une décision commune des cours concernées. Une décision commune des deux cours de droit civil est intervenue le 31 mars 2011. La I re Cour de droit civil a prononcé que le recours est recevable au regard de l' art. 75 al. 1 LTF ; pour le surplus, la cause est renvoyée au juge rapporteur. (résumé) Erwägungen Extrait des considérants: 2. La communication visée par l' art. 405 al. 1 CPC (RS 272) est une notion autonome de droit fédéral; il n'y a pas de renvoi ni de référence au droit cantonal. Pour appréhender cette notion dans le système du code de procédure unifié, il faut se référer d'abord à l' art. 239 CPC (MARC PASCAL FISCHER, in Schweizerische Zivilprozessordnung, Baker & McKenzie [éd.], 2010, n° 2 ad art. 405 CPC ; opinion contraire: DENIS TAPPY, Le droit transitoire applicable lors de l'introduction de la nouvelle procédure civile unifiée, JdT 2010 III 11 p. 31/32, auteur pour qui le droit cantonal est déterminant). La communication peut donc intervenir par remise d'un dispositif à l'audience ( art. 239 al. 1 let. a CPC ), par notification d'un dispositif écrit ( art. 239 al. 1 let. b CPC ) ou par notification d'une expédition motivée, incluant le dispositif. En cas de notification, il faut, à première vue, se référer aussi à l' art. 138 CPC ; selon cette disposition, la notification est accomplie lorsque l'acte est remis à son destinataire, à l'un de ses employés ou à une personne de son ménage âgée de seize ans au moins ( art. 138 al. 2 CPC ). Toutefois, le critère adopté par le législateur fédéral pose un problème bien prévu par les commentateurs de l' art. 405 CPC : il est possible que l'une des parties à l'instance reçoive le jugement en 2010 et que l'autre le reçoive en 2011 (FISCHER, loc. cit.; FREI/WILLISEGGER, in Commentaire bâlois, CPC, 2010, n° 4 ad art. 405 CPC ; TAPPY, op. cit., p. 32; TANJA DEMEJ, in Schweizerische Zivilprozessordnung, Paul Oberhammer [éd.], 2010, n° 2 ad art. 405 CPC ); c'est BGE 137 III 130 S. 132 précisément la situation de la présente affaire. La notification aux défendeurs est intervenue le 28 décembre 2010; celle à la demanderesse s'est accomplie le 4 janvier 2011. Les commentateurs proposent de prendre pour référence la date d'envoi du jugement par le tribunal (TAPPY et DEMEJ, loc. cit.). En pratique, le plus souvent, les tribunaux envoient toutes les copies d'un jugement le même jour et cette date est donc, en principe, commune à toutes les parties. Il est surtout indiscutable que les voies de recours doivent être les mêmes pour toutes les parties, et que seule une date, soit en 2010, soit en 2011, est donc décisive. Il faut aussi que le tribunal puisse indiquer avec sûreté, dans le jugement, la voie de recours disponible. La solution ainsi proposée par la doctrine est donc pertinente, alors même qu'elle ne s'accorde pas entièrement avec le système du code unifié et qu'elle diverge, en particulier, de la théorie de la réception consacrée par l' art. 138 CPC . En conséquence, les deux cours de droit civil du Tribunal fédéral ont décidé en commun, le 31 mars 2011 et en application de l' art. 23 al. 2 LTF , que la date de la "communication de la décision aux parties", aux termes de l' art. 405 al. 1 CPC , est celle de l'envoi de l'acte par le tribunal. Elles ont par ailleurs décidé, également, que la remise aux parties d'un dispositif écrit, le cas échéant, est suffisante, et que la communication n'est pas reportée à la remise d'une expédition motivée.
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Urteilskopf 96 III 124 22. Arrêt du 8 octobre 1970 dans la cause Von Dach Frères SA
Regeste In der Betreibung auf Pfandverwertung hat das Betreibungsamt dem Dritteigentümer des Pfandes die Mitteilung des Verwertungsbegehrens zuzustellen. Der Dritteigentümer des Pfandes, der diese Mitteilung nicht erhält, kann nicht Beschwerde führen, wenn er vom Verwertungsbegehren gleichwohl früh genug Kenntnis erlangt hat, um seine Interessen wahren zu können.
Sachverhalt ab Seite 124 BGE 96 III 124 S. 124 A.- La maison Stromeyer Kohlenhandel AG a introduit contre Raymond Jubin, à Courgenay, une poursuite en réalisation d'un gage constitué par une cédule hypothécaire qui appartient à la société Von Dach Frères SA, dont Raymond Jubin est l'unique administrateur. Le 16 juin 1970, l'Office des poursuites de Porrentruy a informé Raymond Jubin qu'il avait reçu une réquisition de vente. Il n'a pas adressé un pareil avis à Von Dach Frères SA Le 28 août, il a communiqué à Raymond Jubin et à Von Dach Frères SA un exemplaire de la publication de la vente aux enchères de la cédule hypothécaire. B.- Le 2 septembre 1970, Von Dach Frères SA a porté plainte à l'autorité de surveillance. Elle a conclu à ce que l'office BGE 96 III 124 S. 125 des poursuites fût invité à lui notifier un avis de réception de la réquisition de vente et à surseoir à la publication de la vente. Statuant le 15 septembre 1970, l'Autorité de surveillance pour les offices des poursuites et des faillites du canton de Berne a rejeté la plainte. C.- Contre cette décision, Von Dach Frères SA recourt au Tribunal fédéral et reprend les conclusions de sa plainte. Erwägungen Considérant en droit: 1. Selon l'art. 155 al. 2 LP, l'office informe dans les trois jours le débiteur de la réquisition de vente. Il est aussi tenu, bien que la loi ne le précise pas, de communiquer le même avis au tiers propriétaire du gage (JAEGER, n. 5 à l'art. 155 LP). Ce dernier ne saurait toutefois se prévaloir de l'omission d'un tel avis pour s'opposer, jusqu'à ce qu'elle soit réparée, aux opérations subséquentes de la poursuite en cours, lorsqu'il a eu connaissance de la réquisition de vente suffisamment tôt pour sauvegarder ses intérêts. A cet égard, la situation est analogue à celle du débiteur qui, bien que n'ayant pas reçu l'avis de saisie prévu par l'art. 90 LP, ne peut porter plainte contre la saisie, s'il y a effectivement assisté et s'il a été ainsi en mesure de faire valoir ses droits (RO 79 III 152, 89 IV 80/81). 2. En l'espèce, Raymond Jubin a reçu l'avis de réception de la réquisition de vente plus d'un mois avant qu'un exemplaire de la publication de la vente aux enchères lui soit communiqué. Comme il est administrateur unique de la recourante, on doit admettre que celle-ci a également appris que la créancière avait adressé une réquisition de vente à l'office des poursuites. Elle a donc été à même de prendre en temps utile toutes les mesures qu'elle jugeait nécessaires. Cela étant, elle ne peut pas, après avoir reçu un exemplaire de la publication de la vente aux enchères, exiger par la voie de la plainte que l'office sursoie à cette publication et lui transmette un avis de réception de la réquisition de vente. Dispositiv Par ces motifs, la Chambre des poursuites et des faillites: Rejette le recours.
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00c4e106-30f6-4039-bc5f-92c919beffc0
Urteilskopf 124 IV 162 29. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 3. Juli 1998 i.S. G. gegen A. AG, B. und Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste Art. 3 lit. a UWG und Art. 23 UWG . Unlautere Herabsetzung durch Äusserungen in einem Zeitungsartikel. Taten im Sinne dieses Straftatbestands sind einzelne Äusserungen, nicht die Schaffung eines negativen Gesamtbildes. Ein solches Gesamtbild kann aber für die Auslegung der einzelnen Äusserungen im Gesamtzusammenhang von Bedeutung sein (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 162 BGE 124 IV 162 S. 162 In den Ausgaben einer Wochenzeitung vom 18. Oktober 1990, 8. November 1990, 10. Januar 1991 und 11. April 1991 erschienen vier Artikel, in denen der als Verfasser zeichnende G. sich kritisch mit den Geschäftsgepflogenheiten unter anderem der A. AG und von B. auseinandersetzte. Diese erstatteten mit Eingabe vom 9. Juli 1991 gegen G. sowie gegen den damaligen Chefredaktor und Herausgeber X. Strafantrag wegen Kreditschädigung gemäss Art. 160 aStGB und wegen Widerhandlungen im Sinne von Art. 23 i.V.m. Art. 3 lit. a des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG; SR 241). BGE 124 IV 162 S. 163 Die Bezirksanwaltschaft III des Kantons Zürich erhob nach Durchführung einer umfangreichen Strafuntersuchung am 13. Februar 1995 gegen G. und X. Anklage wegen mehrfachen unlauteren Wettbewerbs im Sinne von Art. 23 i.V.m. Art. 3 lit. a UWG , angeblich begangen als Mittäter durch verschiedene unrichtige, irreführende und/oder unnötig verletzende Äusserungen im Artikel vom 11. April 1991. In Bezug auf die übrigen drei Artikel sowie hinsichtlich des Vorwurfs der Kreditschädigung (Art. 160 aStGB) stellte die Bezirksanwaltschaft III gleichentags das Verfahren ein. Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte G. am 19. März 1997 wegen mehrfacher Widerhandlung im Sinne von Art. 23 i.V.m. Art. 3 lit. a UWG zu einer Busse von 10'000 Franken, bedingt vorzeitig löschbar bei einer Probezeit von einem Jahr. G. wurde verpflichtet, der A. AG und B. eine Genugtuung von je Fr. 5'000.-- zu bezahlen. G. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Mit Beschluss vom 20. Januar 1998 wies das Kassationsgericht des Kantons Zürich die von G. gegen das Urteil des Obergerichts erhobene kantonale Nichtigkeitsbeschwerde ab, soweit es darauf eintrat. Die A. AG und B. stellen in ihrer Vernehmlassung den Antrag, die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde sei abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Das Bundesgericht hat diese teilweise gutgeheissen. Erwägungen Auszug aus den Erwägungen: 3. Das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb bezweckt, den lauteren und unverfälschten Wettbewerb im Interesse aller Beteiligten zu gewährleisten ( Art. 1 UWG ). Unlauter und widerrechtlich ist jedes täuschende oder in anderer Weise gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossende Verhalten oder Geschäftsgebaren, welches das Verhältnis zwischen Mitbewerbern oder zwischen Anbietern und Abnehmern beeinflusst ( Art. 2 UWG ). Unlauter handelt unter anderem insbesondere, wer andere, ihre Waren, Werke, Leistungen, deren Preise oder ihre Geschäftsverhältnisse durch unrichtige, irreführende oder unnötig verletzende Äusserungen herabsetzt ( Art. 3 lit. a UWG ). Wer vorsätzlich unlauteren Wettbewerb unter anderem nach Art. 3 UWG begeht, wird auf BGE 124 IV 162 S. 164 Antrag mit Gefängnis oder Busse bis zu 100'000 Franken bestraft ( Art. 23 Satz 1 UWG ). a) Dem Beschwerdeführer wird im Wesentlichen vorgeworfen, der von ihm verfasste Zeitungsartikel enthalte zum Nachteil der Beschwerdegegner 1 und 2 Tatsachenbehauptungen und Darstellungen, die teils nicht der Wahrheit entsprechen und teils durch Verdrehungen, Weglassungen und Suggerierung falscher Zusammenhänge irreführend oder unnötig verletzend seien. Dadurch seien die Beschwerdegegner 1 und 2 in unzulässiger, gegen Treu und Glauben verstossender Weise im Sinne des Schlechtmachens und Anschwärzens in ihrer Stellung im Wettbewerb beeinträchtigt worden. aa) In der Anklageschrift der Bezirksanwaltschaft werden unter dem Anklagepunkt A. («Einzeldarstellungen») 18 Textpassagen aus dem 1 1/2 Seiten umfassenden Zeitungsartikel wiedergegeben, die nach Auffassung der Anklägerin tatbestandsmässig sind. Unter dem Anklagepunkt B. («Einzeldarstellungen im Zusammenhang») werden drei Eindrücke genannt, die der Leser aus einzelnen unter dem Anklagepunkt A. eingeklagten Textpassagen gewinne, nämlich dass erstens die Beschwerdegegnerin 1 als Produktionsbetrieb nicht überlebensfähig sei, weil entscheidende Grundlagen für Bestand und Fortführung der angestammten Unternehmenstätigkeit nicht mehr vorhanden seien; dass zweitens die Schliessung der Beschwerdegegnerin 1 als eigenständiger Betrieb in Aussicht stehe, da die massgebliche Unternehmensleitung es anscheinend auf die Schliessung angelegt und die Substanz im Auge habe; dass drittens der Beschwerdegegner 2 ganz allgemein ein unfähiger und unredlicher Unternehmer sei. bb) Die Vorinstanz und die 1. Instanz setzten sich eingehend mit den inkriminierten Äusserungen im Einzelnen und im Gesamtzusammenhang des Artikels auseinander. Sie legten dar, wie der unbefangene Leser die einzelnen Textpassagen im Gesamtzusammenhang verstehen musste, und sie befassten sich dabei auch eingehend mit den vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen Einwänden. Die kantonalen Instanzen führten aus, inwiefern und weshalb die so verstandenen Textpassagen grösstenteils unrichtig und im Übrigen jedenfalls zumindest irreführend seien. Sie legten dar, weshalb und inwieweit der Beschwerdeführer um die Unrichtigkeit etc. gewusst bzw. diese zumindest in Kauf genommen habe. cc) Die 1. Instanz legte dar, inwiefern der Beschwerdeführer durch die eingeklagten «Einzeldarstellungen» und durch die eingeklagten «Einzeldarstellungen im Zusammenhang» den Tatbestand des BGE 124 IV 162 S. 165 unlauteren Wettbewerbs im Sinne von Art. 23 i.V.m. Art. 3 lit. a UWG erfüllt habe. Sie sprach den Beschwerdeführer in Bezug auf 12 von 18 eingeklagten «Einzeldarstellungen» und in Bezug auf eine der drei eingeklagten «Einzeldarstellungen im Zusammenhang» frei und verurteilte ihn in den übrigen Anklagepunkten wegen mehrfacher Widerhandlung im Sinne von Art. 3 lit. a i.V.m. Art. 23 UWG . dd) Die Vorinstanz lehnt es demgegenüber ab, die verschiedenen eingeklagten Äusserungen, soweit sie ihres Erachtens unrichtig etc. sind und der Beschwerdeführer dies zumindest in Kauf genommen hat, jeweils einzeln unter dem Gesichtspunkt von Art. 3 lit. a UWG zu prüfen. Sie stellt vielmehr auf das negative «Gesamtbild» ab, welches durch den Zeitungsartikel über die Beschwerdegegner 1 und 2 ihres Erachtens gezeichnet worden ist. Sie führt aus, wer den gesamten Zeitungsartikel vom 11. April 1991 lese, erhalte den Eindruck, der Beschwerdegegner 2 habe es darauf abgesehen, die von ihm beherrschte Beschwerdegegnerin 1 zu schliessen und damit die ganze Belegschaft zu entlassen, ohne dazu aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen gewesen zu sein. Nicht zuletzt habe sich der Beschwerdegegner 2 damit einen persönlichen Vorteil erhofft. Im Zeitungsartikel werde das finanzielle Fundament der Beschwerdegegnerin 1 als äusserst schlecht dargestellt, weshalb von Seiten der Banken zu unüblichen Mitteln habe gegriffen werden müssen. Der Beschwerdegegner 2 werde aufgrund des ganzen Textes auch sonst in einem negativen Licht dargestellt, indem der Eindruck erweckt werde, er habe sich auf dem Wege zur Erreichung des suggerierten Ziels unredlicher Machenschaften bedient. Die Vorinstanz führt eine Reihe von «sinngemässen und als unrichtig oder zumindest irreführend anzusehenden Behauptungen» des Beschwerdeführers an, welche das ungünstige Gesamtbild «prägen», und nennt sodann verschiedene für sich nicht in jedem Fall zu beanstandende Äusserungen, durch die «das im Artikel gezeichnete negative Bild ... abgerundet» wird. Die Vorinstanz hält fest, dass «die erwähnte Kernaussage» des Zeitungsartikels vom 11. April 1991 den objektiven Tatbestand von Art. 23 i.V.m. Art. 3 lit. a UWG erfülle, werde doch dem Leser und Mitbewerber ein negatives Bild der Beschwerdegegner 1 und 2 entworfen, welches einen erheblichen Einfluss auf deren Stellung im wirtschaftlichen Wettbewerb haben könne. Gemäss den weiteren Ausführungen der Vorinstanz ist auch der subjektive Tatbestand von Art. 23 i.V.m. Art. 3 lit. a UWG zweifellos erfüllt. Der Beschwerdeführer habe die falschen Darstellungen zumindest in Kauf genommen. Er habe abschätzen können, welcher BGE 124 IV 162 S. 166 Eindruck beim Durchschnittsleser entstehen könnte. Dies gelte bezüglich einzelner Äusserungen, aber insbesondere auch hinsichtlich des gesamten Artikels. Der Beschwerdeführer habe zumindest in Kauf genommen, die Beschwerdegegner 1 und 2 in ihren Leistungen oder Geschäftsverhältnissen herabzusetzen. Selbst wenn er einzelne Auskünfte erhalten haben sollte, welche seine Behauptungen im inkriminierten Text zu unterstützen vermöchten, habe es sich um Teilbereiche gehandelt, mit denen sich das im Artikel zum Ausdruck kommende Gesamturteil nicht begründen liesse. Das vom Beschwerdeführer gezeichnete Bild liesse sich auch diesfalls nicht rechtfertigen, da so oder so falsche Darstellungen verblieben. Der Beschwerdeführer habe jedenfalls gewusst, dass das von ihm vermittelte Gesamtbild aufgrund der ihm vorliegenden Erkenntnisse nicht stimmen konnte. Selbst wenn man ihm zubilligen wollte, Anhaltspunkte für die Feststellung gefunden zu haben, der Beschwerdegegner 2 scheine - zu einem bestimmten Zeitpunkt - am Garnverkauf gar nicht interessiert zu sein, hätte ihn dies keinesfalls zu der von ihm gezogenen Schlussfolgerung berechtigt. Dass unternehmerische Entscheide zur Frage gestanden hätten, die durchaus diskutabel und für einen Aussenstehenden auf den ersten Blick teilweise nicht nachvollziehbar gewesen seien, sei das eine; einer diesbezüglichen Kritik habe nichts im Wege gestanden. Was der Beschwerdeführer dem Leser jedoch als Begründung für das Verhalten der Leitung der Beschwerdegegnerin 1 präsentiert habe, sei eine Folgerung, welche letztlich auf einer blossen Vermutung beruhe und deshalb in der dargestellten Weise unzulässig sei, worüber sich der Beschwerdeführer als erfahrener Journalist im Klaren gewesen sei. Dass mit der (gesamten) Publikation des Zeitungsartikels vom 11. April 1991 die Beschwerdegegner 1 und 2 im wirtschaftlichen Wettbewerb erheblich herabgesetzt worden seien, habe sich dem Beschwerdeführer als derart wahrscheinlich aufgedrängt, dass daraus zwingend geschlossen werden müsse, er habe diesen Erfolg gebilligt. Die Vorinstanz sieht in der Schaffung des negativen Gesamtbildes eine einzige Tat. Zwar hat auch sie den Beschwerdeführer wegen mehrfacher Widerhandlung im Sinne von Art. 3 lit. a i.V.m. Art. 23 UWG verurteilt. Dies wird im angefochtenen Entscheid aber allein damit begründet, dass mehrere Personen geschädigt worden seien. «Im Verhältnis jedes einzelnen Geschädigten» liegt nach Auffassung der Vorinstanz «dagegen eine Tateinheit vor, welche in der Gesamtheit des Presseartikels zum Ausdruck kommt». Soweit der BGE 124 IV 162 S. 167 Anklage und dem erstinstanzlichen Entscheid die gegenteilige Auffassung zugrunde liege, sei dies richtig zu stellen. Da die Vorinstanz es ausdrücklich ablehnt, die insgesamt 21 Anklagepunkte einzeln zu beurteilen, nimmt sie, im Unterschied zur 1. Instanz, auch in ihrem Urteilsdispositiv nicht auf die einzelnen Anklagepunkte Bezug. Dieser Betrachtungsweise der Vorinstanz kann nach den zutreffenden Einwänden in der Nichtigkeitsbeschwerde nicht gefolgt werden. Im angefochtenen Urteil fehlt u.a. die erforderliche klare Trennung zwischen der Interpretation einer Äusserung anhand des Gesamtzusammenhangs einerseits und der anschliessenden rechtlichen Beurteilung der fraglichen Äusserung andererseits. b) aa) Strafbare Handlung im Sinne von Art. 23 i.V.m. Art. 3 lit. a UWG ist nicht die Schaffung eines unrichtigen negativen «Gesamtbildes» durch die im Zeitungsartikel enthaltenen Äusserungen. Straftaten im Sinne von Art. 23 i.V.m. Art. 3 lit. a UWG sind vielmehr Äusserungen, soweit sie den Betroffenen als Teilnehmer am wirtschaftlichen Wettbewerb herabsetzen, unrichtig, irreführend oder unnötig verletzend sind und der Urheber der Äusserung dies weiss oder zumindest in Kauf nimmt. Das durch den Zeitungsartikel gezeichnete «Gesamtbild» bzw. der dadurch geschaffene «Gesamteindruck» ist insoweit bloss, aber immerhin für die Interpretation der einzelnen eingeklagten Äusserungen von Bedeutung, d.h. für die Beantwortung der Rechtsfrage, wie der unbefangene Leser die einzelnen eingeklagten Äusserungen im Gesamtzusammenhang versteht. bb) Das Bundesgericht beurteilt denn auch bei Äusserungsdelikten, etwa bei Ehrverletzungen gemäss Art. 173 ff. StGB und bei herabsetzenden Äusserungen im Sinne von Art. 23 i.V.m. Art. 3 lit. a UWG , die einzelnen eingeklagten Äusserungen, so wie sie vom Adressaten im Gesamtzusammenhang verstanden werden (siehe zum Beispiel BGE 117 IV 193 E. 3 S. 198 ff.; BGE 118 IV 153 ff.; BGE 121 IV 76 E. 2a S. 82 f.; Urteil des Kassationshofes vom 13. Dezember 1994, wiedergegeben in SMI 1995 438 ff.; vgl. auch SCHUBARTH, Grundfragen des Medienstrafrechtes im Lichte der neueren bundesgerichtlichen Rechtsprechung, ZStrR 113/1995 S. 141 ff., 154 ff., mit Hinweisen auf weitere Entscheide). Das gilt unabhängig davon, ob beispielsweise ein Zeitungsartikel nur einige wenige oder aber viele angeblich tatbestandsmässige Äusserungen enthält. Auch im letzteren Falle sind die einzelnen Äusserungen die Straftaten, nicht die Schaffung eines «Gesamtbildes» durch den Zeitungsartikel. BGE 124 IV 162 S. 168 cc) Es ist dem Richter aber von Bundesrechts wegen unbenommen und kann im übrigen sinnvoll sein, eine Vielzahl von eingeklagten Textpassagen, soweit möglich, zu einigen Aussagen zusammenzufassen, die seines Erachtens der Leser daraus entnimmt. So ist die Vorinstanz im Grunde verfahren, indem sie in ihrem Urteil einerseits die ihres Erachtens «sinngemässen und als unrichtig oder zumindest irreführend anzusehenden Behauptungen» des Beschwerdeführers aufzählte, welche das ungünstige Gesamtbild prägen, und andererseits die Eindrücke beschrieb, die ihres Erachtens der Leser des ganzen Zeitungsartikels gewinnt. Die Vorinstanz hat es aber unterlassen, diese ihres Erachtens sinngemässen bzw. nach dem Eindruck des Lesers im Artikel enthaltenen Äusserungen unter dem Gesichtspunkt von Art. 3 lit. a i.V.m. Art. 23 UWG strafrechtlich zu beurteilen, und sie hat stattdessen zu Unrecht ein durch den Zeitungsartikel insgesamt geschaffenes «Gesamtbild» beurteilt. dd) Aus dem angefochtenen Urteil geht im Übrigen nicht hervor, worin das durch den Zeitungsartikel geschaffene «Gesamtbild» nach der Auffassung der Vorinstanz besteht, ausser darin, dass es für die Betroffenen «negativ» bzw. «ungünstig» ist. Unklar ist auch, inwiefern dieses nicht näher beschriebene Gesamtbild die Beschwerdegegnerin 1 und inwiefern es den Beschwerdegegner 2 betreffe. Aus den vorinstanzlichen Erwägungen ergibt sich nur, dass das negative Gesamtbild durch die im angefochtenen Urteil aufgelisteten, sinngemässen und als unrichtig oder zumindest irreführend anzusehenden Behauptungen des Beschwerdeführers «geprägt» und durch die im angefochtenen Entscheid im Sinne von Beispielen genannten weiteren Äusserungen «abgerundet» wird, dass mit andern Worten das «negative Bild ... durch eine Anreihung verschiedener unwahrer, halbwahrer oder auch bloss missverständlicher Behauptungen erzeugt (wird)» und dem «Leser ... im wesentlichen der damit vermittelte Gesamteindruck haften (bleibt), weshalb dieser für die rechtliche Bedeutung entscheidend ins Gewicht fällt». Worin dieser dem Leser vermittelte «Gesamteindruck» aber besteht, ergibt sich aus den vorinstanzlichen Erwägungen nicht. Sowohl das «Gesamtbild» als auch der «Gesamteindruck», die nach der Auffassung der Vorinstanz durch den Zeitungsartikel geschaffen bzw. erweckt werden, sind mithin unklar. ee) Wohl kann die Wirkung eines Zeitungsartikels für die davon Betroffenen umso nachteiliger und nachhaltiger sein, je mehr negative Äusserungen darin enthalten sind. Strafbare Handlungen im Sinne von Art. 3 lit. a i.V.m. Art. 23 UWG sind aber die Äusserungen. BGE 124 IV 162 S. 169 Ihre Gesamtwirkung ist strafrechtlich allenfalls bei der Strafzumessung von Bedeutung. c) Indem die Vorinstanz die relevante Tathandlung in der Schaffung eines nicht näher beschriebenen, unrichtigen negativen «Gesamtbildes» durch den Zeitungsartikel erblickt, die Unlauterkeit im Sinne von Art. 3 lit. a UWG darin sieht, dass durch dieses Gesamtbild die Beschwerdegegner 1 und 2 im wirtschaftlichen Wettbewerb erheblich herabgesetzt worden seien, und den Vorsatz damit begründet, dass der Beschwerdeführer um die Unrichtigkeit des Gesamtbildes gewusst und die Herabsetzung im wirtschaftlichen Wettbewerb als Folge des negativen Gesamtbildes in Kauf genommen habe, hat sie Art. 3 lit. a i.V.m. Art. 23 UWG verletzt. Die Vorinstanz hätte nicht ein durch den Zeitungsartikel insgesamt geschaffenes Gesamtbild rechtlich beurteilen dürfen. Vielmehr hätte sie darlegen müssen, inwiefern der Beschwerdeführer durch bestimmte Äusserungen, sei es durch die in der Anklage unter den Anklagepunkten A. («Einzeldarstellungen») und/oder B. («Einzeldarstellungen im Zusammenhang») eingeklagten Äusserungen, sei es durch die ihres Erachtens das ungünstige Gesamtbild prägenden, sinngemässen und als unrichtig oder zumindest irreführend anzusehenden Behauptungen des Beschwerdeführers, sei es durch die Äusserungen, die ihres Erachtens der Zeitungsartikel nach dem Eindruck des Lesers enthält, sei es durch bestimmte, konkret zu benennende «Kernaussagen», den Straftatbestand von Art. 3 lit. a i.V.m. Art. 23 UWG unter Beachtung der massgeblichen Auslegungsgrundsätze objektiv und subjektiv erfüllt habe. Der Kassationshof kann diese Fragen im vorliegenden Verfahren schon deshalb nicht selbst beurteilen, weil es insoweit an einem letztinstanzlichen kantonalen Entscheid fehlt. Die Sache ist daher in teilweiser Gutheissung der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde in diesem Punkt an die Vorinstanz zurückzuweisen. Diese wird im neuen Verfahren darlegen, inwiefern sich der Beschwerdeführer durch welche Äusserungen im Sinne der vorstehenden Erwägung der Widerhandlung gemäss Art. 3 lit. a i.V.m. Art. 23 UWG schuldig gemacht habe.
null
nan
de
1,998
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
00c52bdc-e0ac-457b-8fd1-9ff8d90683a0
Urteilskopf 97 I 45 7. Auszug aus dem Urteil vom 17. Februar 1971 i.S. X. gegen Bezirksanwaltschaft Zürich und Justizdirektion des Kantons Zürich.
Regeste Persönliche Freiheit; Untersuchungshaft. Die durch ungeschriebenes Verfassungsrecht des Bundes gewährleistete persönliche Freiheit schützt als verfassungsrechtlicher Leitgrundsatz alle Freiheiten, welche elementare Erscheinungen der Persönlichkeitsentfaltung des Menschen darstellen. Sie bietet auf diese Weise einen umfassenden Grundrechtsschutz, der sich auf den Inhalt und Umfang der übrigen verfassungsmässig gewährleisteten Freiheitsrechte entscheidend auswirkt; sie gilt als notwendige Voraussetzung für deren Ausübung und wirkt überdies als unmittelbar anwendbares Verfassungsrecht in dem Sinne komplementär, als sich der Bürger in Fällen, in denen kein dem geschriebenen oder ungeschriebenen Verfassungsrecht angehörendes Freiheitsrecht in Frage steht, zum Schutz seiner Persönlichkeit und Menschenwürde auf sie berufen kann. Der Untersuchungsgefangene darf in seiner individuellen Freiheit nicht weiter beschränkt werden, als es der Zweck der Untersuchung und die Gefängnisordnung erfordern; er darf während der Untersuchungshaft insbesondere nicht zur Arbeit verpflichtet werden.
Sachverhalt ab Seite 46 BGE 97 I 45 S. 46 A.- § 76 der zürcherischen Strafprozessordnung (StPO) lautet wie folgt: "Die Untersuchungsverhafteten werden, wenn nicht besondere Gründe entgegenstehen, in Einzelhaft verwahrt. Sie werden bezüglich Nahrung und Kleidung wie die zu Haft Verurteilten gehalten. Im übrigen dürfen sie in ihrer Freiheit nicht mehr beschränkt werden, als der Zweck des Verhaftes es erfordert. Ordnungswidriges Betragen des Verhafteten wird mit Ordnungsbusse oder mit den in der Hausordnung für die Bezirksgefängnisse vorgesehenen Disziplinarstrafen geahndet, und zwar während der Untersuchung vom Untersuchungsbeamten und nach Überweisung an das Gericht durch das letztere". Die zürchereische Verordnung über die Bezirksgefängnisse vom 7. Februar 1963 (GefängnisVO) enthält hiezu folgende ergän zende Bestimmungen: § 60 "Untersuchungsgefangene können sich gemäss § 33 Absatz 2 selbst beschäftigen. Die Untersuchungs- oder Anklagebehörde kann die Zuweisung von Arbeit schriftlich untersagen." § 33 Abs. 2 und 3 "Gefangene, die berechtigt sind, sich selbst Arbeit zu beschaffen..., können dies nur im Rahmen der Gefängnisordnung tun (insbesondere BGE 97 I 45 S. 47 Einhaltung der Tagesordnung, Beschränkung hinsichtlich der Besuche und Briefe). Die Arbeit nach eigener Wahl ist in Einzelhaft auszuführen. Arbeiten, welche die Sicherheit des Gefängnisses oder den Zweck der Inhaftierung gefährden oder die der Verwaltung erhebliche zusätzliche Umtriebe verursachen, sind unzulässig. Beschäftigt sich der hiezu berechtigte Gefangene nicht selber, so hat er die ihm zugewiesene Arbeit zu verrichten". B.- Frl. X. steht bei der Bezirksanwaltschaft Zürich in Strafuntersuchung und befindet sich seit 31. August 1970 in Untersuchungshaft. Ihr Verteidiger liess der Gefängnisverwaltung mit Zustimmung des zuständigen Bezirksanwalts Malutensilien zugehen mit der Bitte, diese der Untersuchungsgefangenen auszuhändigen. Die Wärterin lehnte dieses Begehren jedoch ab mit der Begründung, Frl. X. weigere sich, die ihr zugewiesenen Klebearbeiten auszuführen, weshalb ihr auch keine Freizeitbeschäftigung gestattet werden könne. Der Verteidiger stellte hierauf beim zuständigen Bezirksanwalt das förmliche Gesuch, es sei Frl. X. das erwähnte Malzeug auszuhändigen. Dieser wies indessen das Gesuch am 16. November 1970 ab und verwies zur Begründung auf die Vernehmlassung der Gefängnisverwaltung, in welcher ausgeführt wurde, dem Begehren könne mit Rücksicht auf die Gefängnisordnung nicht stattgegeben werden. C.- Frl. X. erhob gegen die Verfügung des Bezirksanwalts Rekurs bei der Justizdirektion mit dem Antrag, die Gefängnisverwaltung sei anzuweisen, ihr das Malen in der Untersuchungshaft zu gestatten. Die Justizdirektion wies den Rekurs am 2. Dezember 1970 ab, und zwar im wesentlichen mit folgender Begründung: Der angefochtene Entscheid des Bezirksanwalts stelle eine Disziplinarmassnahme dar. Der Rekurrentin werde das Malzeug vorenthalten, weil sie sich weigere, die ihr zugewiesene Arbeit zu verrichten. Hinsichtlich der Arbeitspflicht der Untersuchungsgefangenen gälten grundsätzlich die gleichen Vorschriften wie für die Strafgefangenen, mit der Ausnahme, dass sich jene selbst eine Beschäftigung verschaffen könnten (§§ 33 und 60 GefängnisVO). Die Rekurrentin mache zu Unrecht geltend, die Arbeitspflicht der Untersuchungsgefangenen verstosse gegen die verfassungsmässig gewährleistete persönliche Freiheit. Wohl dürften die Untersuchungshäftlinge in ihrer Freiheit nicht mehr beschränkt werden, als es der Zweck der Verhaftung erfordere ( § 76 Abs. 3 StPO ); ebenso sei richtig, dass diese Bestimmung bezwecke, den Untersuchungsgefangenen BGE 97 I 45 S. 48 eine dem Leben ausserhalb der Anstalt möglichst angenäherte Lebensführung zu ermöglichen. Da jedoch die grosse Mehrheit der Bevölkerung einer auf den Erwerb ausgerichteten Arbeit nachgehe, dürften auch die Untersuchungsgefangenen zur Arbeit verhalten werden, da ihnen § 76 Abs. 3 StPO keine grösseren Freiheiten gewährleiste, als sie der Bürger nach allgemein herrschender Überzeugung geniesse, zumal es heute noch einer ethisch begründeten Auffassung entspreche, dass ein gesunder Mensch im arbeitsfähigen Alter einer geordneten Beschäftigung nachzugehen habe; wer dies nicht tue, stehe ausserhalb der Gesellschaft. Die resozialisierende Wirkung der Arbeit solle im übrigen auch dem Untersuchungsgefangenen zuteil werden; dies gelte insbesondere für die zur Verwahrlosung neigenden Elemente, die keiner geordneten Arbeit nachgingen. Da mithin auch Untersuchungsgefangene zur Arbeit angehalten werden dürften, bleibe lediglich zu prüfen, ob die Rekurrentin ihrer Arbeitspflicht in genügendem Masse nachkomme, wenn sie sich durch Malen selbst beschäftige. Dies sei zu verneinen, denn sie habe eine kaufmännische Ausbildung genossen, so dass in der Malerei lediglich ein Zeitvertreib erblickt werden könne, der einer Erwerbstätigkeit, wie sie in der Freiheit üblich sei, offensichtlich nicht entspreche. Die Rekurrentin, welche ihrer Arbeitspflicht nicht nachkomme, sei daher disziplinarisch zu bestrafen. Die angefochtene Massnahme sei angemessen und gebe somit keinen Anlass zu Kritik. D.- Frl. X. führt staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung der persönlichen Freiheit (Art. 7 KV). Sie beantragt, der Entscheid vom 2. Dezember 1970 sei aufzuheben und die Justizdirektion sei anzuweisen, ihr die freie Beschäftigung, namentlich das Malen, in der Untersuchungshaft zu gestatten. Die Beschwerdebegründung ergibt sich, soweit wesentlich, aus den nachfolgenden Erwägungen. E.- Die Justizdirektion des Kantons Zürich beantragt in ihrer Vernehmlassung, die Beschwerde sei abzuweisen. Die Bezirksanwaltschaft Zürich hat auf Gegenbemerkungen verzichtet. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. (Formelles). 2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, der angefochtene Entscheid verstosse gegen die in Art. 7 KV gewährleistete BGE 97 I 45 S. 49 persönliche Freiheit. Dieses Grundrecht gehört nach heute herrschender Auffassung dem ungeschriebenen Verfassungsrecht des Bundes an ( BGE 95 I 359 , BGE 90 I 34 Erw. 3, BGE 89 I 98 Erw. 3). Die entsprechenden Garantien in den Kantonsverfassungen haben demnach keine selbständige Bedeutung, sofern sie nicht weiter gehen als die bundesrechtliche Gewährleistung. Dass dies für Art. 7 KV zutreffe, behauptet die Beschwerdeführerin mit Recht nicht. Zu prüfen bleibt demnach bloss, ob der angefochtene Entscheid vor dem ungeschriebenen Verfassungsrecht des Bundes standhält. 3. Das Bundesgericht hat im grundlegenden Entscheid BGE 90 I 36 ausgeführt, dem Grundrecht der persönlichen Freiheit komme insoweit überragende Bedeutung zu, als es als notwendige Voraussetzung für die Ausübung der übrigen verfassungsrechtlich gewährleisteten Freiheitsrechte zu gelten habe; die persönliche Freiheit garantiere somit nicht bloss das Recht auf freie Bewegung bzw. körperliche Unversehrtheit, sondern schütze den Bürger vielmehr auch in der ihm eigenen Fähigkeit, eine bestimmte tatsächliche Begebenheit zu würdigen und danach zu handeln. Mit dieser Rechtsprechung hat sich das Bundesgericht zwar nicht die Auffassung GIACOMETTIS zu eigen gemacht, wonach die Verfassung - unter Vorbehalt ausdrücklicher Ausnahmen - überhaupt jede individuelle Freiheit gewährleistet, die durch einen staatlichen Eingriff je verletzt werden könnte (Z. GIACOMETTI, Die Freiheitsrechtskataloge als Kodifikation der Freiheit, ZSR 74/1955, S. 149 ff.; vgl. dazu auch Y. HANGARTNER, Die Freiheitsgarantie der Bundesverfassung, ZBl 70/1969, S. 337 ff.; kritisch JÖRG P. MÜLLER, Die Grundrechte der Verfassung und der Persönlichkeitsschutz des Privatrechts, Diss. Bern 1964, S. 134 ff., und P. SALADIN, Grundrechte im Wandel, Bern 1970, S. 289 sowie BGE 96 I 107 , 223/4). Es hat sich jedoch im erwähnten Urteil BGE 90 I 36 in unzweideutiger Weise zu einer Wertordnung bekannt, die es sich zur Aufgabe macht, "die Menschenwürde und den Eigenwert des Individuums sicherzustellen" (GIACOMETTI a.a.O., S. 165). Die in diesem Sinne institutionell verstandene persönliche Freiheit gewährleistet somit als verfassungsrechtlicher Leitgrundsatz alle Freiheiten, welche elementare Erscheinungen der Persönlichkeitsentfaltung des Menschen darstellen; sie bietet auf diese Weise einen umfassenden Grundrechtsschutz, der sich auf den Inhalt und Umfang der übrigen verfassungsmässig gewährleisteten BGE 97 I 45 S. 50 Freiheitsrechte entscheidend auswirkt. Die persönliche Freiheit in diesem Sinne ist zwar mit den andern Freiheitsrechten der Verfassung nicht identisch und kann deshalb grundsätzlich nicht zum Schutz gegen Beschränkungen derselben angerufen werden ( BGE 88 I 272 ); sie gilt indessen als notwendige Voraussetzung für deren Ausübung und wirkt überdies als unmittelbar anwendbares Verfassungsrecht in dem Sinne komplementär, als sich der Bürger in Fällen, in denen kein dem geschriebenen oder ungeschriebenen Verfassungsrecht angehörendes Freiheitsrecht in Frage steht, zum Schutz seiner Persönlichkeit und Menschenwürde auf sie berufen kann. Die persönliche Freiheit gehört zum Kreis der unverzichtbaren und unverjährbaren Rechte ( BGE 90 I 37 mit Verweisungen). Daraus folgt namentlich, dass der Bürger dem Staate gegenüber nicht zum voraus und endgültig darauf verzichten kann. Das heisst indessen nicht, dass die persönliche Freiheit keinen Beschränkungen unterliegt. Eingriffe sind jedoch nur zulässig, wenn sie auf gesetzlicher Grundlage beruhen, im öffentlichen Interesse liegen und wenn sie das Grundrecht überdies weder völlig unterdrücken noch seines Gehalts als fundamentale Institution unserer Rechtsordnung entleeren ( BGE 95 I 360 Erw. 2, BGE 91 I 34 Erw. 2, BGE 90 I 36 /7). Der Wesenskern der persönlichen Freiheit geniesst somit einen absoluten Schutz. Welche Beschränkungen vor der Freiheitsgarantie standhalten, lässt sich jedoch mit Rücksicht auf die dem Wandel unterworfene ethische Wertordnung und in Anbetracht der sich verändernden Sozialverhältnisse nicht ein für allemal verbindlich festsetzen. Ob staatliche Eingriffe mit der persönlichen Freiheit vereinbar sind, ist vielmehr von Fall zu Fall zu entscheiden ( BGE 90 I 37 ). Als Leitidee hat dabei die Erhaltung eines Staatswesens zu gelten, welches dem Bürger in jedem Fall ein bestimmtes Mindestmass an persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten belässt. Ebenso sind der Entscheidung je nach den Verhältnissen des konkreten Falles die einer rechtsstaatlichen Freiheitsidee entsprechenden philosophischen und ethischen Prinzipien zugrunde zu legen, die jedoch ihrerseits gewissen Wandlungen unterworfen sein können. Weiter hat der Verfassungsrichter bei der Umschreibung der geschützten Freiheitssphäre den Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu beachten und eine Wertung der sich gegenüberstehenden Rechtsgüter und Interessen vorzunehmen. Nicht zuletzt hat er auch rechtsvergleichende Überlegungen BGE 97 I 45 S. 51 anzustellen und nötigenfalls Grundsätze zu berücksichtigen, wie sie den von überstaatlichen Organisationen aufgestellten Normen innewohnen. 4. Wohl obliegt die Mehrzahl der gesunden und arbeitsfähigen Bürger einer Erwerbstätigkeit, um daraus den Lebensunterhalt bestreiten zu können. Eine Rechtspflicht hiezu besteht indessen grundsätzlich nicht (vgl. Art. 1 des Internationalen Übereinkommens von Genf über Zwangs- und Pflichtarbeit vom 28. Juni 1930; BS 14, S. 38 ff.). In der Tat entspricht es einer freiheitlichen abendländischen Rechtsauffassung, dass ein freier Bürger, dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse es ihm gestatten, auf eine Erwerbstätigkeit zu verzichten, grundsätzlich nicht zur Arbeit gezwungen werden darf (vgl. dazu auch Art. 4 Ziff. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (abgedruckt in BBl 1968, S. 1147 ff.), der die Schweiz allerdings noch nicht beigetreten ist; vgl. die entsprechende Botschaft des Bundesrats vom 9. Dezember 1968, BBl 1968, S. 1057). Dieser Grundsatz, der seine Rechtfertigung unmittelbar in der soeben umschriebenen persönlichen Freiheit (Erw. 3) findet, gilt indessen nicht schrankenlos. In den erwähnten internationalen Konventionen werden denn auch Verpflichtungen zu gewissen Arbeitsleistungen (namentlich solche der rechtskräftig verurteilten Strafgefangenen) ausdrücklich vorbehalten (Art. 2 Ziff. 2 des Übereinkommens vom 28. Juni 1930, BS 14, S. 39; Art. 4 Ziff. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention, BBl 1968, S. 1148). Derartige Beschränkungen der persönlichen Freiheit halten indessen vor der Bundesverfassung nur stand, wenn sie auf gesetzlicher Grundlage beruhen, im öffentlichen Interesse liegen bzw. verhältnismässig sind und den Wesenskern der individuellen Freiheit unangetastet lassen. Nach diesen Grundsätzen ist somit im vorliegenden Fall zu prüfen, ob der Untersuchungsgefangene während der Untersuchungshaft zu Arbeitsleistungen verhalten werden darf. a) Die Beschwerdeführerin steht als Untersuchungsgefangene in einem sog. besonderen Gewaltverhältnis zum Staat. Wohl bedarf die zwangsweise Begründung eines solchen Gewaltverhältnisses (z.B. Eintritt in den Militärdienst, Anstaltsversorgung, Einweisung in eine Strafanstalt) als Beschränkung der individuellen Freiheit in jedem Fall einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage, welche das Bundesgericht frei prüft, wenn BGE 97 I 45 S. 52 die Freiheitsbeschränkung - was für den vorliegenden Fall offensichtlich zutrifft - besonders schwer wiegt (vgl. BGE 90 I 39 Erw. 4 a.E.). Das Bundesgericht hat jedoch stets davon abgesehen, für jede einzelne Beschränkung der persönlichen Freiheit, die sich aus der Natur des in Frage stehenden besonderen Gewaltverhältnisses ergibt, eine entsprechende explizite gesetzliche Grundlage zu verlangen. Die Gewaltunterworfenen haben die sich aus dem Gewaltverhältnis notwendigerweise ergebenden Eingriffe in ihre individuelle Freiheit auf sich zu nehmen, unbekümmert darum, ob sie in einer Norm ausdrücklich vorgesehen sind (vgl. A. GRISEL, Droit administratif suisse, p. 166). Selbst wenn davon auszugehen wäre, es sei in diesem Fall zum mindesten eine gesetzliche Generalklausel erforderlich, welche es dem Gewaltinhaber erlauben würde, die Freiheitssphäre des Gewaltunterworfenen angemessen zu beschränken (vgl. G. KÖHL, Die besonderen Gewaltverhältnisse im öffentlichen Recht, Diss. Zürich 1955, S. 92), so wäre im vorliegenden Fall eine hinreichende gesetzliche Grundlage vorhanden, denn § 76 Abs. 3 StPO sieht vor, dass der Untersuchungsgefangene in seiner Freiheit beschränkt werden darf, soweit es der Zweck der Haft erfordert. Es braucht daher nicht geprüft zu werden, ob sich der umstrittene Arbeitszwang allenfalls unmittelbar auf die von der Justizdirektion angerufenen Bestimmungen der Gefängnisverordnung (§ 60 Abs. 1 in Verbindung mit § 33 Abs. 2 und 3) stützen liesse. b) Die Zulässigkeit der angefochtenen Freiheitsbeschränkung hängt nach dem Gesagten entscheidend davon ab, ob sie als verhältnismässig bezeichnet werden kann, d.h. ob das öffentliche Interesse an der Durchführung einer auf die Erforschung der materiellen Wahrheit ausgerichteten Strafuntersuchung eine Beschränkung der sich unmittelbar aus dem Grundrecht der persönlichen Freiheit ergebenden elementaren Befugnis auf freie Beschäftigung erheischt. Diese Frage prüft das Bundesgericht frei. Die Untersuchungshaft bezweckt, die ordnungsgemässe Durchführung einer Strafuntersuchung sicherzustellen; sie soll verhindern, dass der Angeschuldigte sich dem Verfahren durch Flucht entzieht oder dass er die Spuren seiner Straftat verwischen und damit die Abklärung des Sachverhalts vereiteln kann ( BGE 96 IV 46 ; vgl. auch V. SCHWANDER, Das schweizerische Strafgesetzbuch, 2. Aufl., S. 236 ff.; F. CLERC, La détention BGE 97 I 45 S. 53 avant jugement, in: Recueil de travaux suisses présentés au VIIIe Congrès international de droit comparé, Bâle 1970, p. 396 ss.; MARKUS MEYER, Der Schutz der persönlichen Freiheit im rechtsstaatlichen Strafprozess, Diss. Zürich 1962, S. 94). Die Anordnung der Untersuchungshaft ist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft (Bestehen hinreichender Verdachtsgründe, Flucht- oder Kollusionsgefahr) und darf den Betroffenen in seiner individuellen Freiheit nicht weiter beschränken, als es der Zweck der Untersuchung bzw. die Aufrechterhaltung einer vernünftigen Gefängnisordnung erfordert ( § 49 Abs. 1 und § 76 Abs. 3 StPO ; vgl. auch Art. 48 Abs. 1 BStP und die Rechtsprechung des deutschen Bundesverfassungsgerichts zu Art. 2 Abs. 2 des Grundgesetzes, z.B. Entscheidungen Bd. 27 S. 219, Bd. 20 S. 49 und 147, Bd. 19 S. 347). Die Untersuchungshaft ist von der Strafhaft, d.h. vom Vollzug einer vom Richter ausgesprochenen Freiheitsstrafe i.S. von Art. 35 ff. StGB streng zu trennen, denn sie bezweckt nach dem Gesagten nicht das gleiche wie diese (vgl. Art. 37 StGB und V. SCHWANDER, a.a.O., S. 168 ff.). Dass die Untersuchungshaft unter bestimmten Voraussetzungen auf die Freiheitsstrafe anzurechnen ist ( Art. 69 StGB ), ändert daran nichts. Für resozialisierende Massnahmen zum Zwecke der Arbeitserziehung bleibt somit während der Untersuchungshaft kein Raum, denn es kann nicht ernstlich behauptet werden, der Untersuchungsgefangene müsse im Interesse der Strafuntersuchung zur Arbeit verhalten werden. Das Grundrecht der persönlichen Freiheit garantiert vielmehr auch dem Untersuchungsgefangenen das Recht auf freie Beschäftigung, soweit dadurch die Anstaltsordnung nicht gefährdet wird. Die schweizerische Lehre geht denn auch einhellig davon aus, dass der Untersuchungshäftling nicht zur Arbeit gezwungen werden darf (F. CLERC, a.a.O., S. 405; derselbe, Réflexions sur la détention préventive, in: Etudes pénologiques dédiées à la mémoire de Sir Lionel Fox, La Haye, 1964, p.60; MARKUS MEYER a.a.O., S. 138; M. SANDMEIER, Die Untersuchungshaft im Schweiz. Strafprozessrecht, Diss. Bern 1909, S. 178). Zum gleichen Ergebnis gelangen auch die französische Doktrin (vgl. H. DONNEDIEU DE VABRES, Traité de droit criminel, 3e éd. no 1311 p. 752; BOUZAT-PINATEL, Traité de droit pénal et de criminologie, Tome II, Procédure pénale, 1970, no 1282 p. 1224) und die deutsche Lehre (vgl. H. GERLAND, Der deutsche Strafprozess, Leipzig 1927, S. 262; EBERHARDT SCHMIDT, Lehrkommentar zur BGE 97 I 45 S. 54 Strafprozessordnung, Teil II, 1957, N. 8 zu § 116 StPO , S. 304; LÖWE-ROSENBERG-DÜNNEBIER, Die Strafprozessordnung, 21. Aufl., Ergänzungsband 1967, S. 209 unten; BRUN-HAGEN HENNERKES, Die Grundrechte des Untersuchungsgefangenen, Diss. Freiburg i.Br. 1966, S. 116). Ebenso wird die Arbeitspflicht der Untersuchungsgefangenen in Art. 2 Ziff. 2 lit. c des zitierten Genfer Übereinkommens über Zwangs- oder Pflichtarbeit vom 28. Juni 1930 sinngemäss verpönt (vgl. Rapport de la trentehuitième session (1968) de la Commission d'experts pour l'application des conventions et recommendations; Bureau International du Travail, Genève 1968, S. 222). Schliesslich sieht Ziff. 89 der "Règles minima pour le traitement des détenus", wie sie vom "Premier Congrès des Nations Unies pour la Prévention du Crime et le Traitement des Délinquants" (Genève, 22 août - 3 septembre 1955) aufgestellt (vgl. Rapport, New York, 1956, S. 79) und vom Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinigten Nationen am 31. Juli 1957 genehmigt worden sind (Doc. E/3048, p. 12), ausdrücklich vor, dass Untersuchungsgefangene nicht zur Arbeit verhalten werden dürfen. 5. Da die Beschwerdeführerin nicht zur Arbeit verpflichtet werden kann, erweist sich die gegen sie verhängte Disziplinarmassnahme als verfassungswidrig. Das Grundrecht der persönlichen Freiheit erheischt, der Beschwerdeführerin während der Untersuchungshaft wie den übrigen Untersuchungsgefangenen das Recht auf freie Beschäftigung zuzuerkennen, wie es der zürcherische Gesetzgeber im übrigen in § 60 Abs. 1 in Verbindung mit § 33 Abs. 2 GefängnisVO ausdrücklich vorgesehen hat. Dabei ist unerheblich, ob die von der Beschwerdeführerin gewählte Beschäftigung als eigentliche Erwerbstätigkeit bezeichnet werden kann oder als blosser Zeitvertreib anzusehen ist. Dass das Malen in der Zelle die Gefängnisordnung in unzulässiger Weise beeinträchtige oder den Zweck der Untersuchung gefährde, wird im übrigen weder von der Gefängnisverwaltung noch von der Justizdirektion behauptet, so dass einer entsprechenden Erlaubnis grundsätzlich nichts entgegensteht. Die Gefängnisverwaltung hat freilich das Recht, der Beschwerdeführerin bestimmte, sich aus den räumlichen Verhältnissen ergebende Beschränkungen aufzuerlegen. Mit Rücksicht darauf ist davon abzusehen, die kantonalen Behörden im Dispositiv des vorliegenden Entscheids in der von der Beschwerdeführerin begehrten allgemeinen Form anzuweisen, ihr das BGE 97 I 45 S. 55 Malen zu gestatten (vgl. oben Erw. 1). Das ändert indessen nichts daran, dass die Gefängnisverwaltung gehalten ist, dem Begehren der Beschwerdeführerin in einem mit der Gefängnisordnung vereinbaren Mass zu entsprechen. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird gutgeheissen und der angefochtene Entscheid der Justizdirektion des Kantons Zürich vom 2. Dezember 1970 aufgehoben.
public_law
nan
de
1,971
CH_BGE
CH_BGE_001
CH
Federation
00c6c26b-a3f5-4b32-9b56-f8b616f0fd09
Urteilskopf 124 V 380 65. Arrêt du 12 octobre 1998 dans la cause Caisse publique cantonale vaudoise de chômage contre T. et Tribunal administratif du canton de Vaud
Regeste Art. 31 Abs. 3 lit. a, Art. 95 Abs. 1 und 4 AVIG : Rückforderung von Kurzarbeitsentschädigungen; Verwirkung. Beginn der einjährigen Frist für die Rückerstattungsforderung, wenn die betroffenen Arbeitnehmer wegen ungenügender Überprüfbarkeit der Arbeitszeit nicht entschädigungsberechtigt waren.
Sachverhalt ab Seite 381 BGE 124 V 380 S. 381 A.- T. exploite une entreprise de chiffonnerie et de récupération, à V. Ses deux fils travaillent comme employés au service de cette entreprise. T. a déposé, les 10 mars 1994, 20 juin 1994 et 20 septembre 1994, des préavis de réduction d'horaire de travail pour ses deux employés. Ces derniers ont alors perçu de l'assurance-chômage les indemnités demandées pour la période du 20 mars au 15 décembre 1994. Le 18 octobre 1995, T. a déposé un nouveau préavis de réduction de l'horaire de travail pour une durée indéterminée. L'Office cantonal vaudois de l'assurance-chômage a fait partiellement opposition en ce sens qu'il a autorisé la caisse à ne verser l'indemnité prétendue que jusqu'au 31 décembre 1995 (décision du 26 octobre 1995). B.- Le 18 décembre 1995, la Caisse publique cantonale vaudoise de chômage a demandé à l'employeur de lui communiquer les relevés des heures travaillées, ainsi que des congés payés et non payés accordés aux deux salariés intéressés. Le 9 janvier 1996, T. a répondu qu'il ne tenait aucun registre ou relevé des heures travaillées et des heures chômées. Il a précisé que le travail prenait fin le matin déjà, vers 11h00 ou 11h30, en raison de la diminution constante du volume de travail dans le secteur d'activité de l'entreprise. Par décision du 17 janvier 1996, la caisse de chômage a réclamé à T. la restitution, par 12'423 fr. 50, des indemnités versées de mars à décembre 1994, au motif qu'il n'était pas en mesure d'établir (par exemple, par des cartes de timbrage ou des rapports d'activité) un décompte exact des heures travaillées ou perdues durant cette période. Statuant le 29 novembre 1996, l'Office cantonal de l'assurance-chômage a rejeté le recours formé contre cette décision par T. C.- Saisi à son tour d'un recours de l'employeur, le Tribunal administratif du canton de Vaud l'a admis par jugement du 28 août 1997 et il a annulé la décision attaquée. Il a retenu que le droit de la caisse de demander la restitution des indemnités en cause était périmé, parce que la décision du 17 janvier 1996 avait été rendue plus d'une année après la date du dernier versement à l'employeur (5 janvier 1995). BGE 124 V 380 S. 382 D.- La Caisse publique cantonale vaudoise de chômage interjette un recours de droit administratif dans lequel elle conclut à l'annulation de ce jugement et à la confirmation de sa décision de restitution du 17 janvier 1996. T. conclut au rejet du recours, tandis que l'Office fédéral de l'industrie, des arts et métiers et du travail (OFIAMT; actuellement l'Office fédéral du développement économique et de l'emploi) propose de l'admettre. Erwägungen Considérant en droit: 1. Selon l' art. 95 al. 1 LACI , la caisse est tenue d'exiger du bénéficiaire la restitution des prestations de l'assurance auxquelles il n'avait pas droit. Elle exige de l'employeur la restitution d'indemnités allouées en cas de réduction de l'horaire de travail ou d'intempéries quand cette indemnité a été versée à tort. Aux termes de l'art. 95 al. 4, première phrase, LACI, le droit de répétition se prescrit une année après que l'organe qui a payé a eu connaissance des faits, mais au plus tard cinq ans après le versement de la prestation. Nonobstant la terminologie légale, il s'agit de délais de péremption ( ATF 122 V 274 consid. 5a et la jurisprudence citée). Selon la jurisprudence, le délai de péremption d'une année de l' art. 95 al. 4 LACI commence à courir dès le moment où la caisse de chômage aurait dû connaître les faits fondant l'obligation de restituer, en faisant preuve de l'attention que l'on pouvait raisonnablement exiger d'elle ( ATF 122 V 274 s. consid. 5a). Cette jurisprudence s'inspire des principes développés à propos de la réglementation analogue figurant à l' art. 47 al. 2 LAVS ( ATF 122 V 275 consid. 5a; SVR 1997 ALV no 84 p. 256 consid. 2c/aa; voir à propos de l' art. 47 al. 2 LAVS : ATF 119 V 433 consid. 3a, ATF 111 V 17 consid. 3). Elle vise un double but, à savoir obliger l'administration à faire preuve de diligence, d'une part, et protéger l'assuré au cas où celle-ci manquerait à ce devoir de diligence, d'autre part. Elle est au demeurant en harmonie avec les principes développés par le Tribunal fédéral des assurances à propos de l' art. 82 al. 1 RAVS , qui fixe le début du délai d'une année dans lequel la caisse de compensation doit demander la réparation d'un dommage selon l' art. 52 LAVS dans des termes semblables à ceux figurant à l' art. 47 al. 2 LAVS (voir, par exemple, ATF 121 V 240 consid. 3c/aa, ATF 118 V 195 s. consid. 3a et les références citées). D'après la jurisprudence rendue à propos de l' art. 47 al. 2 LAVS (et donc aussi applicable en matière d'assurance-chômage; ATF 122 V 275 consid. BGE 124 V 380 S. 383 5b/aa), lorsque la restitution est imputable à une faute de l'administration (par exemple, une erreur de calcul d'une prestation), on ne saurait considérer comme point de départ du délai le moment où la faute a été commise, mais bien celui auquel l'administration aurait dû, dans un deuxième temps (par exemple, à l'occasion d'un contrôle comptable), se rendre compte de son erreur en faisant preuve de l'attention requise. En effet, si l'on plaçait le moment de la connaissance du dommage à la date du versement indu, cela rendrait souvent illusoire la possibilité pour une administration de réclamer le remboursement de prestations versées à tort en cas de faute de sa part ( ATF 110 V 304 ). 2. a) En matière de réduction de l'horaire de travail, le Tribunal fédéral des assurances a jugé que ces principes ne sauraient sans plus être transposés à la restitution d'indemnités allouées pour un membre du conseil d'administration d'une société anonyme travaillant au service de celle-ci. Etant donné l'effet de publicité de l'inscription au registre du commerce - à la lecture duquel la qualité de membre du conseil d'administration est reconnaissable - la caisse de chômage est réputée avoir eu connaissance d'emblée de l'appartenance du travailleur audit conseil, qui est une circonstance excluant le droit de l'intéressé à une indemnité en cas de réduction de l'horaire de travail (cf. art. 31 al. 3 let . c LACI). Dans cette éventualité, un report du point de départ du délai d'une année au sens de l'arrêt ATF 110 V 304 n'entre pas en ligne de compte ( ATF 122 V 274 ss consid. 5 et les références): le droit de restitution de la caisse est périmé en ce qui concerne les indemnités versées plus d'un an avant le prononcé de la décision de restitution ( ATF 122 V 276 consid. 5b/bb). En l'espèce, la demande de restitution se fonde sur le fait que les travailleurs concernés n'avaient pas droit à l'indemnité, parce que leur horaire de travail n'était pas suffisamment contrôlable ( art. 31 al. 3 let. a LACI ), situation qui ne relève pas du cas spécial envisagé par cette jurisprudence. On ne peut donc pas tirer de celle-ci la conclusion que le droit de la caisse était en l'espèce périmé pour les prestations versées plus d'une année avant la décision de restitution. b) Selon les premiers juges, la caisse aurait dû procéder, tout au long de la période d'indemnisation, aux vérifications nécessaires sur le mode de contrôle des heures chômées. Elle aurait pu de cette manière se rendre compte que les prestations avaient été versées indûment. En rendant sa décision le 17 janvier 1996, soit plus d'une année après avoir opéré son dernier versement, elle a agi hors du délai de péremption d'une année. BGE 124 V 380 S. 384 La recourante objecte que, pendant de nombreuses années, l'OFIAMT n'a pas imposé aux organes d'exécution l'obligation de pratiquer des contrôles systématiques en matière de réduction de l'horaire de travail. Ce n'est qu'en novembre 1994 qu'il a pris des mesures visant à renforcer la lutte contre les abus, notamment par l'introduction d'une nouvelle formule dans laquelle les travailleurs concernés étaient invités à confirmer par leur signature leur accord sur l'introduction de la réduction de l'horaire de travail. Aussi bien la caisse conteste-t-elle, en l'espèce, avoir manqué à son devoir de diligence en ne procédant pas, dès le début, aux vérifications nécessaires quant au nombre d'heures de travail perdues. Selon elle, le délai d'une année a commencé à courir en janvier 1996, au moment où elle a eu connaissance de toutes les circonstances propres à fonder sa demande de restitution. Dans son préavis, l'office fédéral précise à ce propos que les autorités d'exécution n'avaient pas toujours le temps, ni les moyens de contrôler toutes les entreprises requérantes d'indemnités en cas de réduction de l'horaire de travail. Les indemnités étaient ainsi versées sans excès de formalités; l'administration de l'assurance-chômage exigeait toutefois des employeurs qu'ils conservent pendant cinq ans les pièces comptables et les relevés des heures perdues, pour le cas où un contrôle approfondi serait effectué. c) Sur cette base, on peut retenir que l'administration n'était pas obligée, en vertu d'instructions de l'autorité fédérale de surveillance, de procéder pour chaque entreprise concernée à des contrôles réguliers et systématiques. Légalement, elle n'y était pas non plus tenue. De manière générale, de tels contrôles peuvent s'avérer compliqués, voire disproportionnés. Ils pourraient aussi retarder le versement des indemnités, au détriment des intérêts des travailleurs et des employeurs concernés. Dans son message, le Conseil fédéral souligne d'ailleurs à cet égard qu'il est pratiquement impossible de vérifier, dans chaque cas particulier, s'il est ou non nécessaire d'introduire une réduction de l'horaire de travail dans l'entreprise: cela exigerait la mise sur pied d'une organisation particulière, avec un personnel nombreux et spécialement qualifié; un tel examen, au demeurant, ne pourrait souvent pas être achevé en temps voulu. Aussi bien a-t-on renoncé à donner dans la loi à l'autorité cantonale compétente le pouvoir de mener des enquêtes dans l'entreprise déjà au moment du dépôt du préavis de réduction de l'horaire de travail et de l'examen des conditions dont dépend le droit à l'indemnité (cf. art. 36 LACI ). En revanche, note le Conseil fédéral, il peut se révéler utile de BGE 124 V 380 S. 385 réexaminer certaines situations ultérieurement - c'est-à-dire une fois versées les indemnités - afin de s'assurer qu'il y a bien eu perte de travail à l'époque indiquée par l'employeur (message concernant une nouvelle loi fédérale sur l'assurance-chômage obligatoire et l'indemnité en cas d'insolvabilité du 2 juillet 1980, FF 1980 III 529 et 601). On conçoit dès lors que l'administration procède seulement à des contrôles ponctuels ou par sondages, que ce soit en cours de période d'indemnisation ou après coup seulement. En définitive, c'est à l'employeur qu'il incombe de communiquer à l'administration, à la demande de celle-ci, tous les documents et informations nécessaires à un examen approfondi du droit à l'indemnité, lorsque des doutes apparaissent et qu'un tel examen se révèle nécessaire. Du point de vue de la sauvegarde du délai de péremption d'une année, on ne saurait, dans ces conditions, reprocher à l'administration de n'avoir pas vérifié de manière approfondie - au moment du dépôt du préavis ou en cours d'indemnisation - si toutes les conditions du droit à l'indemnité étaient remplies. On ne voit donc pas de motif de s'écarter, en l'espèce, des principes posés par l'arrêt ATF 110 V 304 . Il faut en conséquence considérer, dans ce cas également, que le début du délai coïncide avec le moment où l'administration, dans un deuxième temps (par exemple, à l'occasion d'un contrôle ou à réception d'informations propres à faire naître des doutes sur le bien-fondé de l'indemnisation), s'aperçoit ou aurait dû s'apercevoir que les indemnités ont été versées à tort, parce qu'une des conditions légales mises à leur octroi faisait défaut. 3. Sur le vu de ce qui précède, il y a lieu d'admettre, dans le cas particulier, que le délai d'une année a commencé à courir à réception de la lettre du 9 janvier 1996, par laquelle l'employeur informait la caisse qu'il ne tenait aucun décompte de la perte de travail pour laquelle il avait demandé des indemnités. Auparavant, la caisse ne disposait d'aucun indice ou élément lui permettant d'admettre que l'employeur n'était pas à même de fournir le relevé des heures de travail prétendument perdues. En rendant sa décision le 17 janvier 1996, elle a donc agi en temps utile. Il convient dès lors d'annuler le jugement attaqué et de renvoyer la cause au tribunal administratif, afin qu'il examine les questions de fait et de droit qu'il n'a pas abordées, compte tenu de la solution à laquelle il est parvenu, et qu'il rende ensuite un nouveau jugement.
null
nan
fr
1,998
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
00c6f97b-93f9-4f93-b0d9-8a857bec521e
Urteilskopf 100 Ib 75 13. Urteil vom 3. April 1974 i.S. Korporation Burghof und Cons. gegen SBB und Eidg. Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement
Regeste Enteignungsverfahren. Übersetzungsversehen. Art. 109 Abs. 2 EntG . In den verschiedenen Amtssprachen abweichender Gesetzeswortlaut; Übersetzungsversehen (Erw. 1). Was gilt als amtliches Blatt im Sinne von Art. 109 EntG ? (Erw. 2).
Sachverhalt ab Seite 76 BGE 100 Ib 75 S. 76 A.- Im Enteignungsverfahren der Schweizerischen Bundesbahnen gegen verschiedene Grundeigentümer in den Gemeinden Thalheim (ZH), Oberneunforn (TG) und Waltalingen (ZH) wurden Planauflage und Einsprachefrist für die Gemeinde Oberneunforn am 29. März 1972 in der Thurgauer Zeitung, dem Weinländer Tagblatt und der Andelfingerzeitung bzw. am 30. März im Amtsblatt des Kantons Thurgau veröffentlicht. Die persönlichen Anzeigen gingen den Enteigneten am 25. und 27. März zu. Für 22 Grundeigentümer in Oberneunforn reichte Fürsprech Bommer am 1. Mai 1972 Einsprache ein. Das Eidgenössische Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement trat in seinem Entscheid vom 14. November 1973 auf die 22 Einsprachen wegen Verspätung nicht ein. B.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde machen die 22 Grundeigentümer von Oberneunforn geltend, massgebend für die Einhaltung der Einsprachefrist sei der Tag der Veröffentlichung im Amtsblatt des Kantons Thurgau. Die dreissigtägige Frist sei daher am Samstag, den 29. April 1972, abgelaufen und habe sich bis zum 1. Mai 1972 verlängert. In der Gemeinde Oberneunforn sei keine der Zeitungen, in denen die Bekanntmachung erschienen sei, als amtliches Publikationsorgan anerkannt. C.- Die SBB und das Eidg. Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement beantragen, auf die Beschwerde nicht einzutreten oder diese abzuweisen. Es wurde ein Amtsbericht der Staatskanzlei des Kantons Thurgau eingeholt. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Die Einsprachen der Beschwerdeführer sind am 1. Mai 1972 rechtzeitig eingereicht worden, falls die Frist ab Veröffentlichung im Amtsblatt des Kantons Thurgau zu berechnen ist. Sind hingegen die einen Tag früher erschienenen Publikationen in der Thurgauer Zeitung, dem Weinländer Tagblatt und der Andelfinger Zeitung massgebend, so sind die Einsprachen - wie die Vorinstanz angenommen hat - verspätet. Der letzte Satz von Art. 109 Abs. 2 EntG bestimmt über den Beginn des Fristenlaufes bei Bekanntmachungen: "Für die Berechnung der Fristen ist die erste Veröffentlichung in den amtlichen BGE 100 Ib 75 S. 77 Blättern massgebend." Der entsprechende italienische Text lautet identisch: "Per il computo dei termini fa forma la prima pubblicazione nei fogli officiali." In der französischen Fassung heisst es dagegen verkürzt: "Les délais se calculent à compter de la première publication." Nach der französischen Fassung ist also die erste gleich welcher Publikationen für den Beginn des Fristenlaufes massgebend; sie braucht nicht in amtlichen Blättern erfolgt zu sein. Es sprechen verschiedene Gründe für die Annahme, dass der französische Wortlaut der fraglichen Bestimmung ungewollt unvollständig ist. Bedeutungsvoll - aber nicht massgeblich - ist, dass der deutsche Text - wie aus der Entstehungsgeschichte des Enteignungsgesetzes hervorgeht (vgl. BBl 1926 II 2 ff.) - der ursprüngliche ist und dass er mit dem italienischen Wortlaut übereinstimmt. Entscheidend ist hingegen, dass der Bundesrat nicht nur in der deutschen, sondern auch in der französischen Fassung seiner Botschaft davon ausging, dass die Publikation in den amtlichen Blättern massgeblich sei: "La publication dans les feuilles officielles demeure d'ailleurs d'une portée particulière, du fait qu'elle fait seule règle pour le calcul des délais" (FF 1926 II 112/13; übereinstimmend BBl 1926 II 107). In der französischen Fassung des heutigen Art. 109 Abs. 2 EntG sind die Worte "dans les feuilles officielles" offensichtlich vergessen worden. Selbst wenn aber das Übersetzungsversehen nicht so offenkundig wäre, müsste dem deutschen und italienischen Text der Vorzug gegeben werden, weil eine formelle Vorschrift wie die des Art. 109 Abs. 2 EntG im Interesse der Rechtssicherheit eng auszulegen ist. Die Adressaten der Bekanntmachungen müssen mit Bestimmtheit wissen, welche der Publikationen für den Beginn des Fristenlaufes allein massgeblich ist. 2. Das Gesetz sagt nicht, was als "amtliches Blatt" im Unterschied zu "andern Blättern", die in Art. 109 Abs. 2 EntG erwähnt sind, gilt. Die Botschaft verstand darunter das kantonale Amtsblatt oder "dieses ersetzende sonstige amtliche Anzeiger" (BBl 1926 II 107, FF 1926 II 112). Entscheidend ist offenbar, ob das kantonale Recht einer Zeitung einen amtlichen Charakter verleiht. Das thurgauische Dekret über die Herausgabe eines Kantonsblattes und eines Amtsblattes vom 18. Februar 1850 erlaubt den Gemeinden, "wo die Bekanntmachung durch das Amtsblatt BGE 100 Ib 75 S. 78 nicht genügt", zur weitern Verbreitung einer Anzeige öffentliche Blätter in und ausser dem Kanton zu benutzen. Die Munizipalgemeinden Frauenfeld, Arbon und Kreuzlingen haben insofern davon Gebrauch gemacht, als sie bestimmte Tageszeitungen zusätzlich als "amtliche Publikationsorgane" der Gemeinde bezeichnet haben. Für die Gemeinde Oberneunforn fehlt ein entsprechender Beschluss. Sie begnügt sich in der Regel mit der Bekanntgabe amtlicher Mitteilungen am Anschlagbrett. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kann dem Umstand, dass verschiedene Zeitungen sich im Kopf als Publikationsorgane der Gemeinde Oberneunforn bezeichnen, keine Bedeutung zukommen. Auch der Umstand, dass die betreffenden Blätter in der Gemeinde stark verbreitet sind, ist gemäss Art. 109 Abs. 2 EntG nicht entscheidend. Wie sich eindeutig aus dem Amtsbericht der Staatskanzlei ergibt, ist offensichtlich in vielen Gemeinden des Kantons ausser dem Amtsblatt kein amtliches Publikationsorgan vorhanden; die Veröffentlichungen erfolgen regelmässig nur am Anschlagbrett. Es mag offen bleiben, wie es wäre, wenn die Gemeinde Oberneunforn, ohne je einen ausdrücklichen Beschluss gefasst zu haben, alle ihre amtlichen Bekanntmachungen in den erwähnten Zeitungen erscheinen liesse, sodass die Einwohner sich nach Treu und Glauben darauf verlassen könnten. Es fehlen alle Anhaltspunkte dafür, dass diese Voraussetzungen hier gegeben sind. Vielmehr erfolgten die in Frage stehenden Publikationen in der Andelfinger Zeitung, dem Weinländer Tagblatt sowie der Thurgauer Zeitung im Sinne der Vorschrift des Art. 109 Abs. 2 EntG , wonach die Veröffentlichungen ausser in den amtlichen Anzeigeblättern noch in mindestens zwei verbreiteten andern Blättern erfolgen müssen. Für den Fristenlauf war dies aufgrund der konkreten Gesetzesvorschrift nicht massgebend. Ausserdem wurde zumindest die Andelfinger Zeitung den Abonnenten in Oberneunforn erst am folgenden Tag, d.h. am 30. März 1972, per Post zugestellt. Die Vorinstanz ist daher zu Unrecht auf die Einsprachen aus der Gemeinde Oberneunforn nicht eingetreten. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird gutgeheissen, Ziffer 1 des Entscheides vom 14. November 1973 hinsichtlich der Beschwerdeführer aufgehoben BGE 100 Ib 75 S. 79 und das Eidg. Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement angewiesen, die Einsprachen der Beschwerdeführer zu behandeln.
public_law
nan
de
1,974
CH_BGE
CH_BGE_003
CH
Federation
00c70761-0ee4-41c9-8c83-518e0dbebd72
Urteilskopf 103 Ia 310 51. Extrait de l'arrêt du 21 septembre 1977 en la cause Rassemblement jurassien et Unité jurassienne contre Conseil-exécutif du canton de Berne
Regeste Versammlungsfreiheit, polizeiliche Generalklausel; Art. 5 BV . Erlass eines Verbots für jegliche politische Versammlung auf dem Gebiet einer jurassischen Gemeinde durch die bernische Regierung aufgrund der polizeilichen Generalklausel. Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts. Verhältnismässigkeitsprinzip. Rechtsgleiche Behandlung.
Sachverhalt ab Seite 310 BGE 103 Ia 310 S. 310 Dans le but de protester contre la proposition de la Délégation pour les affaires jurassiennes au Conseil-exécutif bernois tendant à supprimer, aux art. 1er et 2 de la constitution cantonale, la mention du peuple jurassien, les associations "Rassemblement jurassien" et "Unité jurassienne" organisèrent une manifestation qui devait se tenir à l'Hôtel de la Gare de Moutier, le 2 avril 1977. Le 1er avril 1977, le groupe "Sanglier" convoqua tous ses membres, amis et sympathisants, à se rendre à Moutier, le 2 avril 1977, au restaurant du Moulin. Les autorités communales demandèrent au Préfet du district de Moutier de prévoir des renforts de police. Le 1er avril 1977, le Conseil-exécutif bernois, constatant que la BGE 103 Ia 310 S. 311 situation s'aggravait dangereusement, décida d'interdire toute réunion politique sur le territoire de la commune de Moutier les 2 et 3 avril 1977. Une manifestation a cependant eu lieu le 2 avril 1977 à Moutier. Plusieurs centaines de personnes venant du Jura-Nord y ont participé. Les forces de l'ordre ont dû intervenir. Le 4 avril 1977, les mouvements autonomistes, au nombre desquels figurent les associations précitées, convoquèrent toute la population jurassienne à une nouvelle manifestation, pour le 16 avril 1977 à l'Hôtel de la Gare de Moutier. "Force démocratique" invita pour sa part toute la population du Jura bernois à se rendre massivement à Moutier le 16 avril 1977. Le 13 avril 1977, le Conseil-exécutif bernois décida à nouveau d'interdire toute réunion politique à Moutier du vendredi 15 avril à 18 heures au dimanche 17 avril 1977. Il estimait urgent d'éviter des affrontements dont les suites seraient imprévisibles. La manifestation prévue pour le 16 avril 1977 a néanmoins eu lieu. Des affrontements entre forces de l'ordre et manifestants autonomistes se sont produits. Le Rassemblement jurassien et Unité jurassienne ont forme un recours de droit public contre chacune des décisions prises par le Conseil-exécutif bernois les 1er et 13 avril 1977. Erwägungen Extrait des considérants: 3. a) Doctrine et jurisprudence admettent que la liberté de réunion peut être restreinte par l'application de la clause générale de police ( ATF 99 Ia 694 consid. 7, ATF 97 I 914 consid. 3a, ATF 96 I 224 , ATF 92 I 30 consid. 5, ATF 91 I 327 consid. 4 et les arrêts cités; AUBERT, Droit constitutionnel suisse, vol. II, n. 1758 et 1772, p. 633 ss; A. GRISEL, Droit administratif suisse, p. 166; E. GRISEL, La définition de la police, dans: Stabilité et dynamisme du droit dans la jurisprudence du Tribunal fédéral, p. 102; IMBODEN-RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, vol. II, p. 989, n. 134 B/I et B/II; SALADIN, Grundrechte im Wandel, 2e éd., p. 340 ss; en ce qui concerne la République fédérale allemande: DREWS-WACKE, Allgemeines Polizeirecht, 7e éd., p. 11 et 144; pour le droit français, qui fait appel à la notion de "circonstance exceptionnelle": LAUBADÈRE, Traité de droit administratif, 7e éd., p. 278, n. 455; WALINE, Précis de droit BGE 103 Ia 310 S. 312 administratif, vol. I, p. 446, n. 867). Ainsi que l'a rappelé le Tribunal fédéral dans son arrêt du 2 mars 1966 en la cause Rassemblement jurassien c. Conseil-exécutif bernois ( ATF 92 I 30 /31), l'une des missions essentielles de l'Etat est d'assurer l'harmonie de la vie collective. Le développement harmonieux de cette dernière n'est possible que si règne l'ordre public, que l'Etat doit assurer. Les atteintes à l'ordre public peuvent revêtir des formes si diverses que le constituant ni le législateur ne sauraient les prévoir toutes. Elles doivent être empêchées ou réprimées, puisqu'elles compromettent la réalisation d'une tâche étatique fondamentale. La clause générale de police répond à cette nécessité. Elle confère à l'autorité exécutive le droit, en vertu de son pouvoir général de police, soit sans base constitutionnelle ou légale expresse, de prendre les mesures indispensables pour rétablir l'ordre public s'il a été troublé, ou pour le préserver d'un danger sérieux qui le menace d'une façon directe et imminente. La clause générale de police est ainsi un principe constitutionnel qui limite valablement les libertés garanties par la constitution. b) L'autorité cantonale ne doit user de son pouvoir général de police qu'avec retenue. La liberté est la règle, la restriction à son exercice l'exception. Admise trop largement, l'application de la clause générale de police conduirait à priver d'une part importante de leur substance les libertés garanties par la constitution. En ce qui concerne les atteintes à la liberté de réunion, la jurisprudence distingue selon que la réunion a lieu dans des locaux fermés ou qu'elle se tient sur le domaine public. Des réunions politiques dans des locaux privés ne peuvent être interdites que si des motifs de police particulièrement importants le justifient. En revanche, les autorités peuvent exercer un pouvoir de contrôle plus étendu lorsque la réunion se déroule, en tout ou en partie, sur le domaine public et qu'elle implique donc un usage accru de celui-ci; dans ce cas, en effet, elle ne se distingue plus essentiellement d'une manifestation sur le domaine public. Or il n'existe pas de droit constitutionnel de manifester sur la voie publique; par ailleurs, les risques de troubles sont considérablement accrus, mettant en plus grand péril les droits et les libertés d'autrui ( ATF 100 Ia 398 consid. 4, ATF 99 Ia 695 consid. 7b, ATF 97 I 314 consid. 3b; cf. BOSSHART, Demonstrationen auf öffentlichem Grund, p. 33). BGE 103 Ia 310 S. 313 c) Les recourantes affirment en l'espèce que les réunions prévues pour les 2 et 16 avril 1977 devaient se tenir dans des locaux fermés, ceux de l'Hôtel de la Gare de Moutier. Une telle allégation ne peut être sérieusement soutenue. Les recourantes, qui ont invité les Jurassiens à participer massivement aux réunions annoncées, devaient s'attendre à ce que tous les participants ne puissent trouver place dans les locaux de l'hôtel. Elles ne pouvaient exclure que les réunions débordent sur le domaine public. Dans leur mémoire complétif, elles admettent d'ailleurs que "le débordement d'une réunion sur la voie publique a toujours été toléré". Il est au surplus établi que des attroupements se sont produits sur la place de la Gare lors des manifestations qui eurent lieu à Moutier les 2 et 16 avril 1977, malgré les interdictions prononcées. Il n'est ainsi pas contestable que le Conseil-exécutif pouvait en l'espèce faire usage du pouvoir de contrôle plus étendu qui est le sien lorsque la réunion prévue doit avoir lieu sur le domaine public. 4. Il convient d'examiner si le Conseil-exécutif pouvait in casu user de son pouvoir général de police pour préserver l'ordre et la tranquillité publics d'un danger qui les menaçait de manière directe et imminente. Il s'agit en d'autres termes de dire si les conditions d'application de la clause générale de police étaient réalisées. Cette question doit être résolue par l'affirmative. Il existe incontestablement un état de tension dans les districts du Jura-Sud qui, lors du plébiscite du 16 mars 1975, optèrent pour le maintien de leur territoire dans celui du canton de Berne. Les plébiscites organisés dans les communes limitrophes de la frontière du canton de Berne et du nouveau canton du Jura furent l'occasion de heurts et d'affrontements, en particulier à Moutier. Dans cette ville, où séparatistes et antiséparatistes sont presque de force égale, la situation ne s'est guère apaisée depuis septembre 1975. En juin 1976, le Conseil municipal de Moutier a décidé d'interdire les manifestations sur la voie publique, craignant qu'elles ne soient la cause de troubles graves. Le 31 mars 1977, il a d'ailleurs rappelé cette décision aux recourantes, en les priant de s'y conformer. Devant le Tribunal fédéral, le Conseil-exécutif a produit une liste des délits enregistrés "en relation avec la question jurassienne" au cours des années 1975, 1976 et 1977 BGE 103 Ia 310 S. 314 (premier trimestre); il en ressort que le district de Moutier est de loin celui où les atteintes à l'ordre et à la tranquillité publics ont été les plus nombreuses. Dans ces conditions, le Conseil-exécutif pouvait légitimement craindre que l'ordre et la tranquillité publics ne soient sérieusement mis en péril lorsque les recourantes organisèrent des réunions auxquelles devaient participer de nombreuses personnes. Certes, le Rassemblement jurassien et Unité jurassienne soulignent que les réunions organisées et présidées par eux n'ont jamais provoqué, au cours de la partie officielle, des heurts et des affrontements. Mais cela n'est pas décisif. On sait d'expérience que les organisateurs de réunions politiques, se déroulant entièrement ou en partie sur la voie publique, ne sont pas toujours à même d'assurer le comportement correct des participants, pendant et surtout après la partie officielle de la manifestation. Par ailleurs, les appels lancés par les recourantes n'étaient pas de nature à calmer les passions. Enfin, les réunions projetées et auxquelles devaient participer massivement des habitants du Jura-Nord, se tenaient dans une ville que divise profondément la question jurassienne. Les associations recourantes insistent sur le fait que l'on ne saurait les tenir pour responsables des risques de désordres dus uniquement, selon elles, au comportement des organisations pro-bernoises. Ce serait en effet l'annonce, par ces dernières, de contre-manifestations qui serait à l'origine du danger menaçant l'ordre et la tranquillité publics. C'est donc contre ces mouvements que devait agir le Conseil-exécutif bernois, car l'autorité doit s'en prendre au perturbateur si l'ordre juridique est menacé ou violé. Cette argumentation ne peut être retenue. La jurisprudence récente a tendu à élargir la notion de perturbateur, en considérant comme tel non seulement l'auteur d'un risque ou d'un dommage, mais également celui qui, par son comportement, crée le risque d'une violation, par des tiers, de l'ordre public ( ATF 99 Ia 511 et les arrêts cités). En réalité, la notion de perturbateur paraît susceptible de varier selon le domaine du droit considéré, les intérêts protégés et les buts visés (voir par exemple, en ce qui concerne la législation sur la protection des eaux contre la pollution, ATF 101 Ib 414 consid. 5 et ATF 102 Ib 206 ss). Il n'y a cependant pas lieu d'examiner plus avant cette question. BGE 103 Ia 310 S. 315 En effet, la clause générale de police, si elle est applicable, permet à l'autorité d'adopter les mesures qu'impose la sauvegarde de l'ordre et de la tranquillité publics, en s'écartant, le cas échéant, du principe selon lequel l'administration doit agir contre le perturbateur (cf. MATHYS, Zum Begriff des Störers im Polizeirecht, thèse Zurich 1974, p. 11 à 13). En l'espèce, on doit admettre que le Conseil-exécutif bernois se trouvait dans l'impossibilité de ne prendre que des mesures partielles, soit qu'il interdise uniquement les contre-manifestations, soit qu'il autorise toutes les réunions en veillant à séparer, par des forces de police, les groupements séparatistes et pro-bernois. Il ne lui suffisait donc pas d'agir contre tel ou tel groupement dont l'activité était de nature à troubler l'ordre public, mais il s'agissait de prendre envers les uns et les autres les mesures qu'exigeait l'intérêt de la collectivité tout entière. Dans ces conditions, il n'y a pas lieu d'examiner si seul l'un des groupements en présence doit être qualifié de perturbateur, pas plus qu'il ne convient de déterminer la part que ces mouvements ont éventuellement prise à l'instauration du climat de tension et d'insécurité justifiant la mesure d'interdiction générale prononcée par l'autorité bernoise. 5. Les recourantes soutiennent que le Conseil-exécutif a violé le principe de la proportionnalité en interdisant toutes les réunions sur le territoire de Moutier. A leur avis, l'autorité cantonale aurait pu et dû autoriser les réunions qu'elles avaient organisées et interdire les contre-manifestations annoncées par les groupements pro-bernois; elle aurait aussi pu autoriser toutes les réunions prévues, en prenant les mesures de police nécessaires pour éviter des affrontements entre partisans et adversaires du maintien des districts du Jura-Sud dans le territoire du canton de Berne. Le Conseil exécutif aurait ainsi exagéré les risques de troubles; il aurait pris des mesures qui vont bien au-delà de celles que demandaient les autorités locales. Le Tribunal fédéral examine ici librement si le principe de la proportionnalité a été respecté. Pour que tel soit le cas, il faut que les mesures prises par l'autorité cantonale aient été propres à atteindre le but visé tout en sauvegardant dans la mesure du possible l'exercice des libertés individuelles. L'autorité cantonale jouit à cet égard d'un certain pouvoir d'appréciation. Le Tribunal fédéral, qui n'est pas une autorité supérieure BGE 103 Ia 310 S. 316 de surveillance, doit en tenir compte et ne pas substituer sa propre appréciation à celle de l'autorité cantonale. Il ne doit intervenir que si celle-ci a abusé de son pouvoir ou qu'elle en a excédé les limites. En l'espèce, on ne saurait soutenir qu'il en est ainsi et que le Conseil-exécutif a violé le principe de la proportionnalité en interdisant toutes les réunions, dans le but d'assurer le maintien de l'ordre et de la tranquillité publics. Certes, les autorités de Moutier n'avaient pas requis du Conseil-exécutif qu'il interdise toutes les réunions. Cela n'est cependant pas décisif. L'autorité cantonale n'était pas liée par les propositions du Conseil municipal de Moutier. Cette commune n'était pas la seule concernée en l'espèce, les recourantes ayant demandé aux habitants du Jura-Nord de participer massivement aux réunions prévues. Celles-ci se rapportaient au surplus au problème particulièrement complexe et controversé de la réunification du Jura. Enfin, la ligne de conduite des autorités de Moutier, qui avaient rappelé aux recourantes l'interdiction de toute manifestation sur le domaine public, n'a pas été toujours bien définie. Le 31 mars 1977, la Municipalité de Moutier informa la préfecture du district que le Conseil municipal demandait que soient prévus des renforts de police en uniforme, patrouillant dans la ville dès le début de l'après-midi du 2 avril 1977 jusqu'à la fermeture des établissements publics. Le 1er avril 1977, ce même conseil exprimait le désir que soient prises les dispositions nécessaires pour que l'ordre et la tranquillité puissent être assurés sur le territoire de la commune. Il demandait que des forces de sécurité soient stationnées à proximité du territoire communal, l'intervention de ces forces ne devant être effective "que si la manifestation du Rassemblement jurassien et la contre-manifestation du Groupe Sanglier provoquaient des troubles et des affrontements". Il précisait qu'il n'entendait pas requérir l'intervention des forces spéciales en cas d'attroupement sur la place de la Gare ou lors de déplacement de personnes, si ces dernières ne manifestaient pas d'intentions délibérément agressives. Le 2 avril 1977, le Conseil municipal de Moutier demanda au Conseil-exécutif de rapporter sa décision d'interdire toutes les réunions politiques. Cette requête fut écartée, le même jour, par le Président du Conseil-exécutif bernois. Le 12 avril 1977, le Conseil municipal requit du Gouvernement BGE 103 Ia 310 S. 317 qu'il mette à sa disposition des forces de sécurité, pour éviter des affrontements. Il relevait que l'intervention des forces spéciales ne devrait être effective que si la manifestation du Rassemblement jurassien et la contre-manifestation de Force démocratique provoquaient des troubles et des affrontements, ou si les participants faisaient montre d'intentions délibérément agressives. Ainsi, l'autorité municipale, qui souhaitait que les réunions prévues se déroulent dans le calme, n'excluait cependant nullement que des heurts se produisent. Il est vrai qu'elle paraît avoir estimé que les risques d'atteintes à la tranquillité et à la paix publiques n'étaient pas tels que toute manifestation devait être interdite; son appréciation de la situation n'était cependant pas la seule possible. Ainsi, les maires du district de Moutier, après avoir pris connaissance des événements du 2 avril 1977, approuvèrent à l'unanimité les mesures de sécurité prises par les autorités, mesures qui, à leur sens, permirent d'éviter de dangereux affrontements. Pour sa part, le Mouvement pour la tolérance et la non-violence, dans un communiqué de presse du 14 avril 1977 se refusait d'admettre "que les Jurassiens de toutes tendances auraient perdu le sens de la fraternité ou de la simple dignité humaine pour souhaiter en découdre samedi (16 avril) dans un affrontement dont nul ne peut prévoir l'ampleur ni la violence, mais dont tout porte à croire qu'il devrait servir d'épreuve de force sans précédent". En l'espèce, le Conseil-exécutif avait de sérieux motifs de craindre que la situation déjà très tendue ne s'aggrave au risque d'engendrer des affrontements violents entre éléments incontrôlés, participants aux réunions et forces de l'ordre. Il n'a pas abusé de son pouvoir d'appréciation en considérant que la seule interdiction des contre-manifestations ne suffirait pas pour assurer l'ordre et la tranquillité publics. Il pouvait également craindre que les forces de sécurité ne soient pas à même d'empêcher les affrontements, si les réunions prévues et les contre-manifestations annoncées étaient toutes autorisées. Le fait que trois "cocktails Molotov" aient été découverts près de la préfecture de Moutier après la manifestation du 16 avril 1977 permet de penser que le Conseil exécutif n'a pas surestimé le danger et que les mesures prises, propres à atteindre le but visé, étaient raisonnables. Le grief de violation du principe de la proportionnalité doit ainsi être rejeté. BGE 103 Ia 310 S. 318 6. Les recourantes reprochent au Conseil-exécutif d'avoir violé le principe de l'égalité de traitement en interdisant, sous la pression des organisations pro-bernoises, toutes les réunions sur le territoire de la commune de Moutier. L'autorité cantonale reconnaîtrait ainsi aux mouvements précités le pouvoir de faire interdire toute réunion tenue par les partisans du rattachement des districts du Jura-Sud au nouveau canton du Jura, en organisant systématiquement des contre-manifestations. Les décisions déférées ont interdit toutes les réunions, qu'elles soient autonomistes ou pro-bernoises. A l'avis des recourantes, c'est précisément dans cette mesure d'interdiction générale que résiderait la violation de l' art. 4 Cst. Il faut certes admettre que les réunions politiques dans le Jura-Sud seront organisées en premier lieu par des mouvements qui entendent obtenir la modification de la situation actuelle; l'activité des organisations pro-bernoises aura ainsi tendance à se limiter à la mise sur pied de contre-manifestations. Une telle situation pourrait engendrer une inégalité de traitement si l'annonce de contre-manifestations suffisait, à elle seule, pour que toute réunion soit interdite. Mais tel n'a pas été le cas en l'espèce. Au surplus, le grief soulevé par les recourantes doit être écarté pour d'autres motifs. Le territoire du futur canton du Jura a été déterminé à la suite des plébiscites de 1974 et de 1975. Les habitants des districts de Moutier, de Courtelary et de La Neuveville ont opté pour le maintien de ces territoires dans celui du canton de Berne. Même si elle nécessite encore la modification de dispositions de la Constitution fédérale, la création du nouveau canton, dont les frontières ont été ainsi définies, est devenue un fait dont il convient de tenir compte. Il est de notoriété publique que le canton de Berne s'est depuis lors abstenu d'exercer toute influence politique dans le Jura-Nord et qu'il se limite pour l'essentiel à des tâches d'administration courante. Dans un communiqué de presse paru le 16 avril 1977, le Bureau de l'Assemblée constituante déclare d'ailleurs qu'il entend assumer pleinement, au nom de cette assemblée, ses responsabilités sur le territoire du nouveau canton du Jura, où règne une tranquillité parfaite. Dans ces conditions, on doit reconnaître au canton de Berne le droit de protéger son territoire contre les atteintes qui pourraient y être portées par BGE 103 Ia 310 S. 319 les districts du Jura-Nord, de la même manière qu'il pourrait le défendre des atteintes provenant d'un autre canton. En l'espèce, il a été établi que les réunions organisées par les recourantes les 2 et 16 avril 1977 devaient être ouvertes non seulement aux habitants du Jura-Sud, mais également, et largement, à ceux du Jura-Nord. Certes, on ne saurait suivre le Conseil-exécutif bernois lorsqu'il soutient que le territoire du canton de Berne était menacé par le nouveau canton; le fait que le Secrétaire général du Rassemblement jurassien, Vice-Président de l'Assemblée constituante du canton du Jura, ait participé à l'organisation des réunions, au cours desquelles il devait prendre la parole, ne suffit pas à étayer une telle allégation. Mais la garantie qu'accorde l' art. 5 Cst. vise non seulement les atteintes qu'un canton porte à l'intégrité territoriale d'un autre canton, mais également celles qui sont le fait d'habitants d'autres cantons agissant en leur nom personnel. Si tel n'était pas le cas, l'intégrité territoriale des cantons ne pourrait plus être sérieusement garantie, car il suffirait aux gouvernements cantonaux de laisser agir les membres d'organisations ayant leur siège sur leur territoire tout en restant eux-mêmes à l'arrière-plan. Pour ces motifs, il faut admettre que le Conseil-exécutif pouvait traiter différemment les réunions organisées et soutenues par des organisations ayant leur siège dans le canton (à l'exclusion du Jura-Nord) et celles qui sont organisées et soutenues par des mouvements rattachés au nouveau canton du Jura. Il ne s'agit pas de situations de fait semblables nécessitant un traitement juridique identique. Cela ne signifie toutefois pas qu'un traitement diffèrent des organisations séparatistes et antiséparatistes se justifierait en soi. Si une organisation séparatiste, dont les membres sont domiciliés dans le Jura-Sud, entendait tenir une réunion à laquelle ne participeraient pas massivement des habitants du Jura-Nord, le Conseil-exécutif devrait veiller à ce qu'une telle manifestation puisse avoir lieu dans les mêmes conditions que des réunions des mouvements pro-bernois, et cela même si des orateurs du Jura-Nord devaient y prendre part. Les présents recours doivent ainsi être rejetés dans la mesure où ils sont recevables.
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00c71bc1-4103-45f9-a26e-1f86ada48581
Urteilskopf 141 II 483 36. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) gegen Stadt Zürich (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) 1C_506/2014 vom 14. Oktober 2015
Regeste Instandsetzung und Sanierung eines Nationalstrassenabschnitts; Qualifikation als wesentliche Änderung i.S.v. Art. 18 USG i.V.m. Art. 8 Abs. 2 LSV trotz Reduktion der Lärmimmissionen. Darstellung des Streitstands (E. 2). Das USG unterscheidet neue Anlagen ( Art. 25 USG ), bestehende sanierungsbedürftige Anlagen (Art. 16 f. und 20 USG) und geänderte Anlagen ( Art. 18 USG ), mit unterschiedlichen Rechtsfolgen für den passiven Schallschutz (E. 3). Art. 18 USG wird durch Art. 8 LSV konkretisiert (E. 3.3). Danach gilt eine Änderung als wesentlich, wenn zu erwarten ist, dass sie wahrnehmbar stärkere Lärmimmissionen erzeugt ( Art. 8 Abs. 3 Satz 1 LSV ). Diese Regelung ist nicht abschliessend: Geboten ist eine gesamthafte Betrachtung, unter Berücksichtigung des Umfangs der baulichen Massnahmen, der Kosten und der Auswirkungen auf die Lebensdauer der Gesamtanlage (E. 4). Vorliegend ist von einer wesentlichen Änderung auszugehen (E. 5). Dies hat insbesondere zur Folge, dass der Bund Schallschutzfenster an allen Gebäuden anordnen und finanzieren muss, an denen die Immissionsgrenzwerte nicht eingehalten werden können (Art. 8 Abs. 2 i.V.m. Art. 10 und 11 LSV ).
Sachverhalt ab Seite 484 BGE 141 II 483 S. 484 A. Am 26. März 2013 erteilte das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) dem Bundesamt für Strassen (ASTRA) die Plangenehmigung für das Ausführungsprojekt "N01/36 Anschluss Schlieren - Europabrücke / Umgestaltung und Lärmschutz Grünau" (nachfolgend: Ausführungsprojekt). Dieses umfasst den rund 1,5 km langen Abschnitt der Nationalstrasse N1 von der Unterführung Bändlistrasse beim Anschluss Zürich Schlieren bis zur Europabrücke. Die Einsprachen der Stadt Zürich, insbesondere zur lärmrechtlichen Beurteilung des Ausführungsprojekts als reine Lärmsanierung, wurden abgewiesen. B. Die dagegen erhobene Beschwerde der Stadt Zürich hiess das Bundesverwaltungsgericht am 17. September 2014 gut, soweit es darauf eintrat. Es hob die angefochtene Plangenehmigung teilweise auf und wies die Angelegenheit an das UVEK zurück, um im Rahmen der BGE 141 II 483 S. 485 Detailprojektierung über weitergehende Emissionsbegrenzungen und allenfalls zu gewährende Erleichterungen zu entscheiden. C. Gegen den bundesverwaltungsgerichtlichen Entscheid hat das UVEK am 20. Oktober 2014 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht erhoben. Dieses wies die Beschwerde in der Sitzung vom 14. Oktober 2015 ab. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Der Nationalstrassenabschnitt soll umfassend instandgesetzt und zugleich lärmrechtlich saniert werden. Zudem ist ein neues Verkehrs- und Anschlusskonzept vorgesehen, mit dem Ziel, den Verkehr auf der Nationalstrasse zu kanalisieren und die angrenzenden Quartiere vom Verkehr zu entlasten. Hierzu soll der bestehende langgestreckte Autobahnanschluss in zwei Anschlüsse (Zürich Schlieren und Zürich Altstetten) aufgeteilt werden. Der Strassenraum soll in gestalterischer Hinsicht aufgewertet werden, indem im besiedelten Bereich ein 3,5 m breiter grüner Mittelstreifen mit Bäumen angelegt wird. Der gesamte Nationalstrassenabschnitt soll künftig über eine Strassenabwasserbehandlungsanlage entwässert werden, die im nördlichen Ohr des Autobahnanschlusses Schlieren vorgesehen ist. Zwar wird der Verkehr auf der N1 projektbedingt zunehmen; dagegen ist aufgrund der Sanierungsmassnahmen - insbesondere des Einbaus eines lärmarmen Belags, der Herabsetzung der Geschwindigkeit auf 60 km/h und dem Bau von Lärmschutzmauern - mit einer Reduktion der Lärmimmissionen in der Umgebung zu rechnen. Streitig ist die lärmrechtliche Beurteilung dieses Projekts: Während ASTRA und UVEK von einer reinen Lärmsanierung ausgehen (Art. 16 f. und 20 USG [SR 814.01]), weil die Lärmimmissionen nicht wahrnehmbar zunehmen, qualifizierte das Bundesverwaltungsgericht das Ausführungsprojekt aufgrund der starken Veränderung der bestehenden Bausubstanz und der erheblichen Kosten als wesentliche Änderung, weshalb eine verschärfte Sanierungspflicht gemäss Art. 18 USG in Verbindung mit Art. 8 Abs. 2 der Lärmschutz-Verordnung vom 15. Dezember 1986 (LSV; SR 814.41) bestehe. Dies hat insbesondere zur Folge, dass der Bund (als Eigentümer der Nationalstrasse) den Einbau von Lärmschutzfenstern an allen Bauten in der Umgebung anordnen und finanzieren muss, in denen die BGE 141 II 483 S. 486 Immissionsgrenzwerte für Strassenlärm nicht eingehalten werden können ( Art. 10 und 11 LSV ). Das Ausführungsprojekt sieht diese Massnahme dagegen erst ab Überschreiten der Alarmwerte vor. 2.1 Das UVEK beruft sich in seiner Beschwerde auf die Legaldefinition in Art. 8 Abs. 3 LSV : Danach gelten als wesentliche Änderung ortsfester Anlagen nur Umbauten, Erweiterungen oder Änderungen des Betriebs, wenn zu erwarten sei, dass die Anlage selbst oder die Mehrbeanspruchung bestehender Verkehrsanlagen wahrnehmbar stärkere Lärmimmissionen erzeugten. Damit sehe die Verordnung ein klares Abgrenzungskriterium vor. Folge man der Auffassung der Vorinstanz, wäre jede umfassende Sanierung einer bestehenden Strasse als wesentliche Änderung zu qualifizieren; dadurch würde die im Gesetz vorgegebene Differenzierung zwischen neuen und bestehenden Anlagen mit Bezug auf die Schallschutzfenster ( Art. 20 und Art. 25 Abs. 3 USG ) hinfällig: (...) Nach Auffassung des UVEK wäre das Ausführungsprojekt aber auch dann nicht als als wesentliche Änderung zu qualifizieren, wenn man - wie das Bundesverwaltungsgericht - nicht auf die Zunahme der Lärmimmissionen, sondern den Umfang der baulichen Massnahmen abstellen würde. Das Ausführungsprojekt betreffe nicht eine einzige, sondern mehrere Anlagen, die lärmrechtlich verschieden zu qualifizieren seien: Die neuen Anschlussbauwerke seien als Neubauten betrachtet worden, weshalb hier sogar die Planungswerte einzuhalten seien. Dagegen seien die Eingriffe bei der Stammlinie der Nationalstrasse nicht so gross, dass von einer wesentlichen Änderung gesprochen werden könne: Neben den eigentlichen Lärmsanierungsmassnahmen (lärmarmer Deckbelag, Lärmschutzwände) handle es sich überwiegend um Unterhaltsmassnahmen. Der Strassenkörper werde nur bis zur Fundationsschicht erneuert, was nur 27 cm ausmache. Fundationsschicht und Unterbau blieben dagegen bestehen. Dies sei mit einer Fassadenrenovation an bestehenden Gebäuden vergleichbar. 2.2 Dem widerspricht die Stadt Zürich: Der 1,5 km lange Autobahnabschnitt zwischen der Europabrücke und dem Anschluss Zürich-Schlieren stamme aus dem Anfang der 70er Jahre und sei seit seiner Inbetriebnahme vor über 40 Jahren weitgehend unverändert geblieben. Mit dem Projekt werde die Autobahn komplett erneuert und baulich in einen Zustand versetzt, der einem Neubau vergleichbar sei. Sämtliche Anlageteile könnten nach der Inbetriebnahme im Oktober 2018 bis BGE 141 II 483 S. 487 mindestens ins Jahr 2063, zum Teil sogar bis ins Jahr 2103 betrieben werden. Einzig der Deckbelag müsse nach der üblichen Verschleissdauer von etwa 15 Jahren und die Binderschicht sowie die Zäune nach 30 Jahren ersetzt werden. An beiden Enden des Projektperimeters würden die Anschlüsse neu erstellt bzw. geordnet. Dies bedinge tiefgreifende Veränderungen an den umliegenden Strassen. Die Projektkosten von weit über 100 Millionen Franken seien mit denjenigen eines Neubaus vergleichbar. Dies gelte selbst dann, wenn man mit dem ASTRA die "Stammachse" als eigenständige Anlage betrachte. Nach Auffassung der Stadt Zürich ist allerdings das Ausführungsprojekt als Einheit zu betrachten, da eine Nationalstrasse ohne Ein- und Ausfahrten sinnlos wäre. Der Vergleich mit einer Fassadenrenovation sei verfehlt: Die Fundationsschicht diene der Aufnahme und Verteilung der auf den Strassenkörper wirkenden Lasten sowie dem Frostschutz der Strasse und bestehe aus chemisch nicht gebundenem Material (hier: mechanisch verdichteter Kiessand). Erst die darauf aufbauenden, chemisch gebundenen Belagsschichten bildeten die Strasse im eigentlichen Sinne und entsprächen von ihrer Funktion her dem eigentlichen Gebäude (Rohbau). Im Übrigen müssten auch Teile der Fundationsschicht (Strassenkoffer) instandgestellt bzw. verstärkt werden. 3. Das USG unterscheidet bestehende, geänderte und neue ortsfeste Anlagen. Stichtag ist das Inkrafttreten des USG am 1. Januar 1985 ( Art. 47 LSV ). 3.1 Neue ortsfeste Anlagen dürfen nur errichtet werden, wenn die durch diese Anlagen allein erzeugten Lärmimmissionen die Planungswerte in der Umgebung nicht überschreiten ( Art. 25 Abs. 1 USG ). Erleichterungen können nach Massgabe von Art. 25 Abs. 2 USG bis zu den Immissionsgrenzwerten gewährt werden. Für Strassen und andere öffentliche oder konzessionierte Anlagen sind weitergehende Erleichterungen möglich. Diesfalls müssen die vom Lärm betroffenen Gebäude durch Schallschutzfenster oder ähnliche bauliche Massnahmen geschützt werden, auf Kosten des Inhabers der lärmigen Anlage ( Art. 25 Abs. 3 USG ). 3.2 Bestehende Anlagen , die den gesetzlichen Vorgaben nicht entsprechen, müssen saniert werden ( Art. 16 USG ), und zwar so weit, als dies technisch und betrieblich möglich sowie wirtschaftlich tragbar ist und die Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden ( Art. 13 Abs. 2 LSV ). Würde die Sanierung unverhältnismässige BGE 141 II 483 S. 488 Betriebseinschränkungen oder Kosten verursachen oder stehen ihr überwiegende Interessen entgegen, können Erleichterungen gewährt werden, jedoch darf der Alarmwert für Lärmimmissionen nicht überschritten werden ( Art. 17 USG ; Art. 14 LSV ). Auch hier gilt jedoch eine Ausnahme für bestehende Strassen und andere öffentliche oder konzessionierte ortsfeste Anlagen: Lassen sich die Lärmimmissionen auf bestehende Gebäude in der Umgebung durch Massnahmen bei der Quelle nicht unter den Alarmwert herabsetzen, müssen passive Schallschutzmassnahmen angeordnet werden ( Art. 20 Abs. 1 USG ; Art. 15 LSV ); diese sind in der Regel vom Eigentümer der lärmigen ortsfesten Anlage zu bezahlen (vgl. Art. 20 Abs. 2 USG ). Die Sanierungspflicht wird in der LSV konkretisiert ( Art. 16 Abs. 2 USG ), die insbesondere Sanierungsfristen festlegt ( Art. 17 LSV ). Sanierungen und Schallschutzmassnahmen müssen spätestens 15 Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung durchgeführt sein (d.h. am 1. Januar 2000); für Nationalstrassen wurden die Fristen bis zum 31. März 2015 und für die übrigen Strassen bis zum 31. März 2018 verlängert ( Art. 17 Abs. 3 LSV ). 3.3 Schliesslich sieht das Lärmschutzrecht besondere Bestimmungen für (wesentlich) geänderte Altanlagen vor ( Art. 18 USG ; Art. 8 LSV ). Art. 18 USG bestimmt, dass sanierungsbedürftige Anlagen nur umgebaut oder erweitert werden dürfen, wenn sie gleichzeitig saniert werden (Abs. 1); bereits erteilte Erleichterungen (gemäss Art. 17 USG ) können eingeschränkt oder aufgehoben werden (Abs. 2). In der Botschaft zu dieser Bestimmung wird ausgeführt, dass Anlagen, die (wesentlich) umgebaut oder erweitert werden, grundsätzlich den gleichen Anforderungen genügen müssen wie neue Anlagen. Erleichterungen, wie sie für die Sanierung alter Anlagen gewährt werden können, sollten hier, von Härtefällen abgesehen, wegfallen (Botschaft des Bundesrats vom 31. Oktober 1979 zu einem Bundesgesetz über den Umweltschutz, BBl 1979 III 798 zu Art. 17 E-USG; vgl. auch S. 800 zu Art. 22 E-USG [entspricht Art. 25 USG ] und BGE 115 Ib 456 E. 5b S. 466 f.). Art. 8 LSV konkretisiert Art. 18 USG und unterscheidet dabei wesentliche und unwesentliche Änderungen: 3.3.1 Unwesentliche Änderungen oder Erweiterungen lösen keine Sanierungspflicht für die bestehenden Anlageteile aus. Gemäss Art. 8 Abs. 1 LSV müssen nur die Lärmemissionen der neuen oder geänderten Anlageteile so weit begrenzt werden, als dies technisch und BGE 141 II 483 S. 489 betrieblich möglich sowie wirtschaftlich tragbar ist. Für die Sanierung der bestehenden Anlageteile bleibt es daher bei den Vorgaben von Art. 16 f. USG i.V.m. Art. 14 f. LSV. 3.3.2 Die Lärmimmissionen wesentlich geänderter oder erweiterter Anlagen müssen die Immissionsgrenzwerte einhalten und nicht - wie bei Neuanlagen gemäss Art. 25 Abs. 1 USG - die Planungswerte. Werden jedoch Erleichterungen erteilt, müssen - wie bei Neubauten gemäss Art. 25 Abs. 3 USG - ab Überschreitung der Immissionsgrenzwerte Schallschutzmassnahmen an bestehenden Bauten angeordnet und vom Eigentümer der lärmigen Anlage finanziert werden (Art. 8 Abs. 2 i.V.m. Art. 10 und 11 LSV ). 3.3.3 Diese Regelung wurde von Rechtsprechung und Literatur insofern ergänzt, als in bestimmten Fällen eine vollständige Gleichstellung mit Neubauten geboten ist, d.h. die Planungswerte gelten. Dies ist der Fall, wenn eine bestehende ortsfeste Anlage in konstruktiver oder funktionaler Beziehung so weit verändert wird, dass der weiterbestehende Teil der Anlage von geringerer Bedeutung erscheint als der erneuerte Teil ( BGE 116 Ib 435 E. 5d/bb S. 443 ff.; BGE 123 II 325 E. 4c/aa S. 329; BGE 125 II 643 E. 17a S. 670; sog. übergewichtige Erweiterung). Gleiches gilt bei einer vollständigen Zweckänderung ( Art. 2 Abs. 2 LSV ). Diese Kategorie kann im Folgenden ausser Betracht bleiben, denn es ist unstreitig, dass die Änderungen (jedenfalls für die Stammlinie) nicht so gewichtig sind, dass von einer neuen Anlage auszugehen ist. Dies ist nicht zu beanstanden, bleiben doch Funktion (Nationalstrasse 1. Klasse) und Trassee unverändert. 4. Näher zu betrachten sind die Kriterien für die Unterscheidung von wesentlichen und unwesentlichen Änderungen. 4.1 Art. 8 Abs. 3 LSV sieht vor, dass Umbauten, Erweiterungen und vom Inhaber der Anlage verursachte Änderungen des Betriebs als wesentliche Änderungen ortsfester Anlagen gelten, wenn zu erwarten ist, dass die Anlage selbst oder die Mehrbeanspruchung bestehender Verkehrsanlagen wahrnehmbar stärkere Lärmimmissionen erzeugen (Satz 1). Der Wiederaufbau von Anlagen gilt in jedem Fall als wesentliche Änderung (Satz 2). 4.2 Das Bundesgericht führte im Urteil 1C_372/2009 vom 18. August 2010 E. 3.2 (in: URP 2010 S. 723; RDAF 2011 I S. 466) aus, dass die vorhersehbare Erhöhung der Lärmimmissionen nicht das einzige BGE 141 II 483 S. 490 Kriterium für eine wesentliche Änderung i.S.v. Art. 8 Abs. 2 und 3 LSV sei. Es verwies auf die weiteren Kriterien der Literatur (weitreichender Eingriff in die Bausubstanz oder erhebliche Kosten), ohne dazu Stellung zu nehmen. Es verneinte im konkreten Fall eine erhebliche Änderung des Flugfelds, weil die streitigen Bauten keine Änderung des Flugbetriebs bewirken könnten, solange das Betriebsreglement nicht geändert worden sei. Die Prüfung sei daher im Rahmen des Verfahrens zur Genehmigung des neuen Betriebsreglements vorzunehmen (E. 3.3). In verschiedenen Urteilen wurde eine wesentliche Änderung - unabhängig von einer Erhöhung der Lärmimmissionen - bejaht, wenn die Änderung nicht nur der Sanierung, sondern auch der Kapazitätserweiterung diente ( BGE 133 II 181 E. 7.2 S. 201; BGE 119 Ib 463 E. 5d S. 470 f. und E. 7a S. 476; BGE 117 Ib 101 E. 4 S. 104 betreffend Schiessanlagen; BGE 124 II 293 E. 16b S. 328 betreffend Flughafen). 4.3 In der Literatur wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass Art. 8 Abs. 3 LSV nicht abschliessend sei, d.h. die Zunahme der Lärmimmissionen nicht das einzig massgebende Kriterium sei (a.A. ROBERT HOFMANN, Lärm und Lärmbekämpfung in der Schweiz, 2000, 7-7). Dies zeige bereits die Erwähnung des Wiederaufbaus in Abs. 3, der - unabhängig von einer Zunahme der Lärmimmissionen - eine wesentliche Änderung darstelle. Die gleichzeitige Sanierung einer Anlage rechtfertige sich zwecks Kostenersparnis und zur Verhinderung von Fehlinvestitionen auch dann, wenn das Ausmass der Änderung erheblich sei, weil sie die Bausubstanz stark verändere oder erhebliche Kosten verursache (SCHRADE/WIESTNER, in: Kommentar zum Umweltschutzgesetz, Stand: März 2001, N. 17 und 22 zu Art. 18 USG ; HEINZ AEMISEGGER, Aktuelle Fragen des Lärmschutzrechts in der Rechtsprechung des Bundesgerichts, URP 1994 S. 454; ALEXANDER ZÜRCHER, Die vorsorgliche Emissionsbegrenzung nach dem Umweltschutzgesetz, 1996, S. 155; THOMAS WIDMER DREIFUSS, Planung und Realisierung von Sportanlagen, 2002, S. 307 f.; ANNE-CHRISTINE FAVRE, La protection contre le bruit dans la loi sur la protection de l'environnement, 2002, S. 314; REGULA HUNGER, Die Sanierungspflicht im Umweltschutz- und im Gewässerschutzgesetz, 2010, S. 63 f.; ADRIAN GOSSWEILER, Entschädigungen für Lärm von öffentlichen Verkehrsanlagen, Elemente für eine Neuordnung durch den Gesetzgeber, 2014, Rz. 187). 4.4 Diese Auslegung entspricht den Gesetzesmaterialien: Der Bundesrat begründete die Verpflichtung zur gleichzeitigen Sanierung von BGE 141 II 483 S. 491 Anlagen, die vor Ablauf der Sanierungsfrist umgebaut oder erweitert werden, damit, dass die Kosten für eine Sanierung bedeutend niedriger seien, wenn diese in einem Zug mit einem Umbau oder einer Erweiterung durchgeführt werden könne (Botschaft, BBl 1979 III 798 zu Art. 17 E-USG [heute: Art. 18 USG ]). Wie das Bundesverwaltungsgericht überzeugend dargelegt hat, lässt sich dieses Anliegen nur sinnvoll umsetzen, wenn auch grössere bauliche Veränderungen der bestehenden Anlage als wesentlich gelten. Andernfalls könnte eine sanierungspflichtige Anlage vor Ablauf der Sanierungsfrist umfassend erneuert werden, ohne dass gleichzeitig die eigentlich notwendige Lärmsanierung durchgeführt werden müsste. Dies wäre nicht sachgerecht und widerspräche dem Anliegen des historischen Gesetzgebers. Mit dem Bundesverwaltungsgericht ist davon auszugehen, dass der für das Sanierungsrecht massgebliche Grundsatz des Vertrauensschutzes an Bedeutung verliert, wenn der Eigentümer den bestehenden Zustand und damit die zuvor getätigten Investitionen freiwillig aufgibt. Bei Nationalstrassen und anderen öffentlichen Anlagen steht allerdings weniger der Vertrauensschutz im Vordergrund, sondern das öffentliche Interesse am Weiterbetrieb von gesamtwirtschaftlich bedeutsamen Anlagen einerseits und an der Finanzierbarkeit der sehr hohen Sanierungskosten für das Gemeinwesen andererseits (THOMAS GÄCHTER, Grundsatzfragen und Konzepte der Sanierung, Gedanken zu den Zielen umweltrechtlicher Sanierungen und deren Durchsetzbarkeit, URP 2003 S. 477 f.). Auch im Lichte dieser Interessen rechtfertigt sich die Sanierung bei gesamthaften Erneuerungen und Umgestaltungen einer bestehenden Anlage: Wird bereits mit hohen Kosten in die Bausubstanz eingegriffen und damit die Funktionsfähigkeit der Anlage durch Baustellen über längere Zeit beeinträchtigt, müssen gleichzeitig die notwendigen Sanierungsmassnahmen vorgenommen werden. 4.5 Im Übrigen versagt der in Art. 8 Abs. 3 Satz 1 LSV gewählte Ansatz, wenn eine Anlage - wie im vorliegenden Fall - gleichzeitig geändert und saniert wird: Die Abgrenzung von wesentlichen und unwesentlichen Änderungen dient in erster Linie der Klärung, ob eine Sanierungspflicht für die bestehenden Anlagenteile besteht, wenn eine Altanlage vor Ablauf der Sanierungsfrist umgebaut oder erweitert wird; diese Frage steht auch im Mittelpunkt der oben zitierten Stellen aus der Botschaft, Literatur und Rechtsprechung. Art. 8 Abs. 3 LSV stellt deshalb darauf ab, BGE 141 II 483 S. 492 ob die Änderung oder Erweiterung ohne Sanierung zu einer wahrnehmbaren Zunahme der Lärmimmissionen führen würde. Ist dies der Fall, so löst der Umbau eine Sanierungspflicht aus. Für den vorliegend streitigen Nationalstrassenabschnitt stand jedoch von vornherein fest, dass er umfassend saniert werden musste, lief die Sanierungsfrist doch am 31. März 2015 ab ( Art. 17 Abs. 3 lit. a LSV ). Das Ausführungsprojekt umfasst daher Änderungs- und Sanierungsmassnahmen. Vergleicht man die Lärmimmissionen der bestehenden Anlage mit denjenigen des Ausführungsprojekts, so werden die Einwirkungen der Altanlage ohne Sanierung mit denjenigen der geänderten Anlagen mit Sanierung verglichen. Dies erscheint methodisch unzulässig. Der (methodisch korrekte) Vergleich des Ausgangszustands mit einem hypothetischen Projekt ohne Sanierungsmassnahmen erweist sich jedoch im vorliegenden Fall als undurchführbar: Das Ausführungsprojekt verfolgt mehrere Ziele gleichzeitig: (...) Eine Unterscheidung zwischen eigentlichen Sanierungs- und anderen Massnahmen ist kaum möglich. (...) 4.6 Entscheidend können daher nicht einzig die Lärmauswirkungen des Ausführungsprojekts sein, sondern es muss aufgrund einer gesamthaften Betrachtung entschieden werden, ob die Änderung gewichtig genug ist, um als "wesentlich" qualifiziert und den Rechtsfolgen von Art. 18 USG i.V.m. Art. 8 Abs. 2 LSV unterstellt zu werden. Zu berücksichtigen sind insbesondere der Umfang der baulichen Massnahmen und die Kosten: Kommen diese einem Neubau bzw. einem Wiederaufbau nahe (i.S.v. Art. 8 Abs. 3 Satz 2 LSV ), so ist die Änderung in der Regel als wesentlich einzustufen, auch wenn die Anlage gleichzeitig saniert wird und damit die Lärmemissionen reduziert werden. Hierfür kann auf das oben (E. 4.3-4.5) Gesagte verwiesen werden. Eine wesentliche Änderung ist in der Regel auch dann anzunehmen, wenn das Projekt die Lebensdauer der Gesamtanlage erheblich verlängert: Die Regelung in Art. 20 USG , wonach passive Schallschutzmassnahmen erst ab Erreichen des Alarmwerts anzuordnen und vom Inhaber der lärmigen Anlagen zu finanzieren sind, mutet den Anwohnern von bestehenden Verkehrsanlagen eine hohe Lärmbelastung zu. Die Bestimmung war schon in der parlamentarischen Debatte umstritten (vgl. AB 1982 N 389 ff. und 393 f., AB 1983 S 267) und wird in der Literatur als gesundheitspolitisch und verfassungsrechtlich bedenklich kritisiert (ZÄCH/WOLF, in: Kommentar zum Umweltschutzgesetz, BGE 141 II 483 S. 493 Stand: Mai 2000, N. 29 und 51 zu Art. 20 USG ; ADRIAN STRÜTT, Nationalstrassenrecht und Umweltschutzrecht. Die umweltfreundliche Autobahn? Zwei Bundesaufgaben im Widerstreit, 1994, S. 104 f.; RAUSCH/MARTI/GRIFFEL, Umweltrecht, 2004, N. 344; GOSSWEILER, a.a.O., Rz. 213; ALAIN GRIFFEL, Umweltrecht in a nutshell, 2015, S. 108 ff.). Immerhin beschränkt sich ihr Anwendungsbereich nach dem oben Gesagten auf bestehende, nicht wesentlich geänderte Altanlagen, d.h. auf Anlagen, deren Bausubstanz im Wesentlichen noch aus der Zeit vor Inkrafttreten des USG stammt und deren Lebensdauer daher beschränkt ist. Es würde dem verfassungsrechtlichen Auftrag, Menschen vor schädlichen und lästigen Einwirkungen zu schützen ( Art. 74 BV ) widersprechen, wenn bestehende Anlagen vollständig erneuert und ihre Lebensdauer damit um Jahrzehnte verlängert werden könnten, ohne dass die Anwohner wenigstens durch Schallschutzfenster vor übermässigen Immissionen geschützt würden. Eine derartige Auslegung würde den Anwendungsbereich von Art. 20 USG übergebührlich ausdehnen, zu Lasten von Art. 18 USG , und damit den Intentionen des Gesetzgebers widersprechen (vgl. oben E. 3.3). 5. Vorliegend beschränkt sich das Ausführungsprojekt nicht auf reine Unterhaltsarbeiten, sondern es wird praktisch die gesamte oberirdische Bausubstanz ersetzt. Sowohl von den baulichen Massnahmen als auch von den Kosten her kommt das Projekt einem Neu- bzw. Wiederaufbau nahe. Dadurch verlängert sich die Lebensdauer der Anlage bis 2063 und darüber hinaus. Dies gilt bereits bei Betrachtung der Stammlinie, wie die Stadt Zürich überzeugend dargelegt hat (oben E. 2.2). Erst recht ist von einer wesentlichen Änderung unter Einbezug der neuen Anschlussbauten auszugehen. Die vom ASTRA vorgenommene Aufteilung des nur 1,5 km langen Perimeters in mehrere Einzelanlagen, die z.T. als neu bzw. übergewichtig geändert beurteilt werden (neue bzw. optimierte Ein- und Ausfahrten; gewisse Strassenabschnitte im Grünau-Quartier) und im Übrigen als nicht wesentlich geänderte Altanlagen gelten, reisst räumlich und funktional zusammenhängende Anlageteile auseinander, ohne dass dies aus Sicht eines optimalen Umweltschutzes geboten erscheint (vgl. dazu GRIFFEL/RAUSCH, in: Kommentar zum Umweltschutzgesetz, Ergänzungsband zur 2. Auflage, 2011, N. 24 zu Art. 7 USG ). Das Bundesverwaltungsgericht hat das Ausführungsprojekt somit zu Recht als wesentliche Änderung qualifiziert. Dies hat zur Folge, dass das UVEK bzw. ASTRA die Eigentümer von Gebäuden, an denen die Immissionsgrenzwerte voraussichtlich nicht eingehalten BGE 141 II 483 S. 494 werden können, zum Einbau von Schallfenstern verpflichten und die hierdurch anfallenden Kosten übernehmen muss. Insofern erübrigt es sich, zu der von der Stadt Zürich aufgeworfenen Frage Stellung zu nehmen, ob - bei Annahme einer unwesentlichen Änderung - passive Schallschutzmassnahmen ab Erreichen oder erst ab Überschreiten der Alarmwerte zu verfügen wären.
public_law
nan
de
2,015
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
Federation
00c85be0-919f-49a9-90b5-ad2f0634fb95
Urteilskopf 106 Ia 76 18. Extrait de l'Arrêt de la Ire Cour de droit public du 24 septembre 1980 dans la cause Dussex c. Conseil d'Etat du canton du Valais (recours de droit public)
Regeste Art. 4 BV ; kommunale Zonenplanung; Gehörsanspruch der Grundeigentümer. Beim Erlass eines kommunalen Zonenplans sind die betroffenen Grundeigentümer in geeigneter Form individuell anzuhören - unabhängig von der rechtlichen Natur eines solchen Planes - bevor über die Zoneneinteilung ihrer Grundstücke definitiv entschieden wird (E. 2b); das gilt auch, wenn die Kantonsregierung einen kommunalen Zonenplan im Genehmigungsverfahren wesentlich abändert (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 76 BGE 106 Ia 76 S. 76 Georges Dussex est propriétaire d'une parcelle d'une surface de 10097 m2, inscrite au cadastre de la commune d'Ayent sous le no 3083. Cette parcelle lui a été adjugée dans le cadre des enchères publiques par lesquelles le syndicat du remaniement parcellaire d'Ayent a mis en vente les parcelles libres dont il était propriétaire. La commune d'Ayent a fait établir un projet de règlement des constructions avec plan de zones. Approuvé le 6 octobre 1978 par le Conseil communal, ce projet a été adopté par l'Assemblée primaire le 3 décembre 1978, puis soumis pour homologation au Conseil d'Etat du canton du Valais. Il instituait notamment une zone de développement futur d'une surface BGE 106 Ia 76 S. 77 de 425,26 hectares, dans laquelle il était en principe possible d'élever des constructions non agricoles sur la base de plans de quartier établis pour une surface minimale de 5000 m2 et avec une densité maximale de 0,20. Aux termes du plan de zones soumis à l'homologation du Conseil d'Etat, la parcelle de Dussex était classée en zone de développement futur. Elle était toutefois qualifiée de zone sensible au sens de l'art. 66 lettre a du règlement. Par décision du 28 novembre 1979, le Conseil d'Etat a homologué le règlement des constructions et le plan de zones de la commune d'Ayent, en y apportant cependant un certain nombre de modifications. Il a notamment décidé de supprimer, soit de déclasser en zone sans affectation définie, toute la zone de développement futur. La décision du 28 novembre 1979 n'a été notifiée qu'à l'administration communale d'Ayent. Pour le surplus, elle a fait l'objet d'une publication au Bulletin officiel du canton du Valais du 14 décembre 1979. Cette publication précise simplement que le Conseil d'Etat a approuvé, avec des réserves dont il peut être pris connaissance auprès de l'administration communale, le règlement des constructions et le plan de zones de la commune d'Ayent. Agissant par la voie du recours de droit public, Dussex a demandé au Tribunal fédéral d'annuler la décision du Conseil d'Etat du 28 novembre 1979. Dans ses observations, le Conseil d'Etat a conclu au rejet du recours. Erwägungen Considérant en droit: Le Tribunal fédéral a admis le recours et annulé la décision attaquée pour les motifs suivants: 1. b) Le recourant reproche à l'autorité cantonale d'avoir rendu sa décision sans lui avoir donné l'occasion de s'exprimer préalablement à son sujet. C'est à juste titre qu'il n'invoque pas la violation d'une disposition du droit cantonal, car ni l' art. 75 Cst. val., ni les art. 4 ss. de la loi sur les constructions du 19 mai 1924 (LC) LC, ne précisent quelle est la procédure à laquelle est soumise l'homologation d'un règlement communal ou d'un plan de zones par le Conseil d'Etat. L'art. 7 LC se borne simplement à imposer à l'autorité de surveillance de porter sa décision d'homologation à la connaissance du public et de la publier dans le bulletin officiel. c) Dans de la loi fédérale sur l'aménagement du territoire du 22 juin 1979 (LAT), le Conseil d'Etat a certes fixé une procédure précise pour l'adoption et la modification des plans de BGE 106 Ia 76 S. 78 zones (Bulletin officiel du canton du Valais du 15 février 1980 p. 121/122). Ce texte garantit également, en application de l' art. 33 LAT , aux personnes touchées par les mesures d'aménagement et qui possèdent un intérêt digne de protection à ce qu'elles soient modifiées, le droit d'être entendues et de former opposition. Toutefois, les dispositions de l'ordonnance du 7 février 1980 ne règlent pas leur droit à l'audition lorsque le plan est modifié de façon sensible à leur détriment par l'autorité de surveillance. Elles ne s'appliquent, au demeurant, pas à la présente espèce en vertu de l'art. 24 al. 2 de l'ordonnance. 2. a) Il est constant que seule la commune a été entendue au cours de la procédure d'homologation de son règlement des constructions et de son plan de zones par le Conseil d'Etat. Bien que l'une des modifications apportées par l'autorité cantonale ait pour conséquence le déclassement de la parcelle du recourant en zone non constructible, celui-ci n'a, au même titre que tous les particuliers touchés par la décision cantonale, pas été consulté sur ce point. Il n'en a été informé que par la publication de la décision attaquée. Il élève, dès lors, à l'encontre de celle-ci, le grief de violation de son droit d'être entendu tel qu'il découle de l' art. 4 Cst. A cet égard, le Conseil d'Etat affirme, dans ses observations sur le recours de droit public, que l' art. 4 Cst. , pas plus que le droit cantonal, ne lui fait obligation d'entendre les intéressés avant de prendre la décision de modifier un plan de zones communal, étant donné la nature législative d'un tel plan. La procédure suivie en l'espèce correspondrait, au reste, à une pratique constante, justifiée par l'impossibilité de mettre en oeuvre le droit d'être entendu au bénéfice de tous les particuliers touchés par une mesure de planification affectant l'ensemble d'une région. b) Comme on l'a vu (supra consid. 1b), le droit cantonal ne contient aucune disposition permettant aux propriétaires intéressés de s'exprimer avant que l'autorité de surveillance ne rende sa décision. Il s'agit dès lors seulement d'examiner si la procédure suivie par l'autorité cantonale est compatible avec les exigences minimales du droit d'être entendu, telles qu'elles découlent de l' art. 4 Cst. ( ATF 104 Ia 67 consid. 2a; ATF 101 Ia 310 consid. 1a). Selon la jurisprudence, un particulier a, moyennant certaines conditions, le droit d'être entendu en procédure administrative avant que ne soit rendue une décision qui le touche dans sa BGE 106 Ia 76 S. 79 situation juridique. Ce droit ne s'étend toutefois pas à la procédure législative, soit à celle qui conduit à l'adoption de normes générales et abstraites ( ATF 104 Ia 67 consid. 2b; ATF 100 Ia 391 consid. 3; ATF 90 I 338 consid. 2). Or, qu'elle ait un effet déclaratoire ou constitutif, la décision par laquelle l'autorité cantonale se prononce sur l'approbation d'un règlement communal ressortit à son devoir de surveillance et fait partie intégrante de la procédure législative (ZIMMERLIN, Baugesetz des Kantons Aargau, p. 405 IV/9). La question de la nature juridique d'un plan d'aménagement, soit celle de savoir s'il contient des normes générales et abstraites ou s'il consiste dans un ensemble de décisions individuelles est fort disputée en doctrine et en jurisprudence. Cependant, quelle que soit la réponse donnée à cette question, le fait que le plan de zones soit indissolublement lié à un règlement ne suffit pas, contrairement à ce que soutient le Conseil d'Etat, à refuser le droit d'être entendu aux propriétaires intéressés. Le Tribunal fédéral, suivi aujourd'hui par la majorité de la doctrine, s'est en effet refusé à classer de manière définitive les plans soit dans la catégorie des règles générales et abstraites (Erlass), soit parmi les décisions individuelles (Verfügung). Il a admis que le plan réunit des éléments des unes et des autres ( ATF 104 Ia 67 consid. 2b; ATF 99 Ia 714 consid. 4; ATF 94 I 350 consid. 5; ATF 90 I 354 et 356; IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, vol. I no 11 B I et II, p. 64 ss.; GRISEL, Droit administratif suisse, p. 395/396 ch. 3/b). Tout en maintenant son opinion selon laquelle le plan d'aménagement est une institution intermédiaire entre les actes législatifs et administratifs, le Tribunal fédéral a reconnu aux propriétaires fonciers touchés par un tel plan le droit d'être entendus individuellement, de manière appropriée, avant qu'une décision définitive ne soit prise au sujet de l'attribution de leurs biens-fonds à une zone déterminée. Il a cependant laissé indécise la question de savoir si ce droit pourrait être également garanti en cas d'adoption d'un plan de protection du paysage englobant toute une région ( ATF 104 Ia 67 consid. 2b, 1er alinéa in fine). Dans sa jurisprudence antérieure, à laquelle il se réfère expressément dans ce dernier arrêt, le Tribunal fédéral a cependant précisé que la reconnaissance du droit d'être entendu du propriétaire intéressé au cours d'une procédure d'adoption ou de modification d'un plan était indépendant de BGE 106 Ia 76 S. 80 la nature juridique de celui-ci. Il a admis que, même si l'on assimilait théoriquement le plan à une loi, on devrait dire qu'il constitue un cas particulier auquel il ne serait pas juste d'appliquer le principe selon lequel l'individu n'a pas le droit d'être entendu au cours d'une procédure législative (ATF du 11 septembre 1963 en la cause Balser Terraingesellschaft A.G., publié dans Zbl 1964, p. 216 ss.). Cette conclusion qui rejoint l'avis de la doctrine (IMBODEN/RHINOW, vol. I, op. cit.; no 81 B I/500-501; 87 II 546 /7; KNOEPFEL, Demokratisierung der Raumplanung, thèse Berne 1977, p. 203 ss.; MACHERET, "A propos de l'arrêt 'Rizzi A.G.'", dans Droit de la construction 1980/3, p. 44) doit être maintenue. Toute autre solution conduirait notamment à traiter de façon différente, sans justification, les propriétaires intéressés par un plan de zones selon qu'ils exercent ou non leurs droits politiques dans la commune. Seuls les premiers seraient appelés à se prononcer sur l'adoption du plan de zones, alors que les seconds seraient privés de tout moyen de donner leur avis à son sujet. Le critère de l'étendue de la région englobée dans un plan, allégué par l'autorité cantonale dans sa réponse au recours, n'est guère convaincant, dans la mesure où une procédure appropriée est de nature à garantir le droit d'être entendu des propriétaires intéressés sans compromettre l'intérêt public à la réalisation de la planification envisagée. 3. Rien ne justifie de limiter à la procédure devant l'autorité communale le droit d'être entendu ainsi reconnu aux intéressés lors de l'adoption ou de la modification de plans de zones, du moins lorsque l'autorité cantonale de surveillance a la compétence de substituer son pouvoir d'appréciation à celui de l'autorité communale et de modifier d'autorité, et sur des points essentiels, le plan élaboré par celle-ci (cf. KRAYENBÜHL, Participation et collaboration dans l'établissement des plans d'aménagement du territoire, ZBl 1979/9 p. 400/401; KNOEPFEL, op. cit., p. 274 ss.). La jurisprudence a clairement posé que si, dans de tels cas, le Conseil d'Etat ne veut pas approuver la répartition des zones projetées par la commune, il doit, avant d'ordonner une modification du plan, entendre les propriétaires touchés par la modification envisagée. On ne peut renoncer à une nouvelle audition que lorsque les propriétaires intéressés ont déjà soulevé dans la procédure communale les mêmes griefs contre la répartition des zones envisagée par le BGE 106 Ia 76 S. 81 Conseil d'Etat ( ATF 104 Ia 68 consid. 2c). Le Tribunal fédéral a par ailleurs admis que cette jurisprudence était applicable à la procédure d'homologation par le Conseil d'Etat valaisan d'un plan de zones concernant tout le territoire habitable d'une commune relativement étendue. Il a déclaré que, dans le cadre d'une telle procédure, le propriétaire qui était d'accord avec le projet communal et dont l'immeuble vient par la suite à être déclassé au cours de la procédure d'approbation par le Conseil d'Etat a le droit, préalablement à la décision de cette autorité, d'en être informé et que possibilité doit lui être donnée de se déterminer sur la modification projetée (ATF du 20 septembre 1978 en la cause Mabillard c. commune de Leytron et VS, Conseil d'Etat, non publié, consid. 2b p. 5). En l'espèce, le dossier ne révèle pas si, parallèlement à la procédure législative conduisant à la présentation du projet à l'Assemblée primaire, le Conseil communal d'Ayent a procédé à une mise à l'enquête publique de son plan de zones. Ce fait, de même que la détermination du recourant sur le projet élaboré par la commune, est sans signification pour la solution du présent recours. Ce qui est déterminant, c'est que le Conseil d'Etat a modifié de manière essentielle ce projet et que sa modification a entraîné le déclassement de la parcelle du recourant d'une zone à bâtir, aux possibilités apparemment restreintes, en une zone sans affectation définie, non constructible. Touché de manière importante par la nouvelle répartition, il devait avoir la possibilité de se déterminer à son sujet. Seule une telle possibilité correspond également aux exigences de la loi fédérale sur l'aménagement du territoire du 22 juin 1979, qui n'était à vrai dire pas encore applicable à la présente procédure. En effet, la protection juridique prévue à l' art. 33 LAT , qui exige au moins une voie de recours contre les décisions et les plans d'affectation, serait illusoire si l'autorité exécutive pouvait, sans entendre préalablement les propriétaires concernés, modifier à leur détriment un plan de zones établi par la commune. Il n'appartient pas au Tribunal fédéral de fixer les modalités de mise en oeuvre du droit d'être entendu des propriétaires dans le cadre d'une procédure d'homologation d'un plan de zones, problème qu'il incombe au droit cantonal de résoudre. Il faut cependant constater que dans un cas où, comme en l'espèce, un grand nombre de propriétaires est concerné par les modifications apportées au plan, le Conseil d'Etat peut toujours renvoyer BGE 106 Ia 76 S. 82 le plan à la commune et exiger qu'elle ordonne une nouvelle publication en indiquant les points sur lesquels l'autorité exécutive entend, dans la procédure d'homologation, s'écarter de la décision communale établissant le plan de zones. Il est toutefois essentiel que les zones concernées par les modifications éventuelles du plan, de même que celles prévues dans la nouvelle répartition, ressortent de la publication afin que les propriétaires intéressés puissent faire usage de leur droit d'opposition. A l'issue de cette procédure de publication, le Conseil d'Etat peut ainsi prendre sa décision en ayant connaissance de toutes les objections et statuer en même temps sur les oppositions avec plein pouvoir d'examen. 4. Vu ce qui précède, il y a lieu d'admettre que le Conseil d'Etat n'a pas respecté le droit d'être entendu du recourant et que, partant, sa décision doit être annulée.
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00ca1a87-8741-41fe-aad8-ec6358386efc
Urteilskopf 123 II 529 53. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit public du 27 octobre 1997 dans la cause B. contre Conseil d'Etat du canton de Genève (recours de droit administratif)
Regeste Art. 28 AsylG ; Niederlassungsbewilligung. Da weder das Asylgesetz vom 5. Oktober 1979 (AsylG) noch das Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge Anhaltspunkte für die Auslegung des in Art. 28 AsylG enthaltenen Begriffs des Ausweisungsgrundes enthalten, ist auf die Ausländerrechtsgesetzgebung im allgemeinen, insbesondere auf Art. 10 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG), abzustellen (E. 3). Vorliegend sind die Voraussetzungen des Ausweisungsgrundes gemäss Art. 10 Abs. 1 lit. d ANAG erfüllt, so dass die Niederlassungsbewilligung verweigert werden konnte (E. 4).
Sachverhalt ab Seite 530 BGE 123 II 529 S. 530 Ressortissant iranien né en 1951, B. est arrivé en Suisse avec sa femme et leurs deux enfants le 21 décembre 1985. Par décision du 30 juin 1988, l'asile a été accordé à B. et à sa famille. B. s'est vu octroyer, le 18 octobre 1988, une autorisation de séjour à l'année qui a été régulièrement prolongée. B. aurait exercé une activité lucrative du 24 septembre 1986 jusque dans le courant de l'année 1988. Le 30 janvier 1995, B. a demandé l'autorisation d'établissement. Le 2 août 1995, l'Office cantonal de la population du canton de Genève (ci-après: l'Office cantonal) a rejeté la demande sur la base notamment des art. 28 de la loi sur l'asile du 5 octobre 1979 (LAsi; RS 142.31) et 10 al. 1 lettre d de la loi fédérale du 26 mars 1931 sur le séjour et l'établissement des étrangers (LSEE; RS 142.20). Par arrêté du 12 février 1997, le Conseil d'Etat du canton de Genève a rejeté le recours déposé par B. contre la décision de l'Office cantonal du 2 août 1995. Agissant par la voie du recours de droit administratif, B. demande au Tribunal fédéral d'admettre que les conditions auxquelles est subordonnée l'extinction du droit qu'il tire de l'art. 28 LAsi ne sont pas remplies en l'espèce, de dire que seuls les motifs d'expulsion figurant à l'art. 44 al. 1 LAsi sont "relevants" dans la mise en oeuvre de l'art. 28 LAsi et qu'en tout état de cause les exigences requises pour prononcer l'expulsion au sens de l'art. 10 al. 1 lettre d LSEE ne sont pas réunies, d'annuler l'arrêté rendu le 12 février 1997 par le Conseil d'Etat du canton de Genève et d'ordonner l'octroi à lui-même et à sa famille d'une autorisation d'établissement. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours. Erwägungen Extrait des considérants: 3. Le litige porte essentiellement sur la notion de motif d'expulsion figurant à l'art. 28 LAsi. D'après le recourant, cette notion doit être interprétée à la lumière de l'art. 44 LAsi alors que, selon l'autorité intimée, elle doit l'être à la lumière de l'art. 10 LSEE. a) L'art. 24 LAsi consacre le principe "lex specialis derogat generali". Il établit que le statut des réfugiés en Suisse est régi par la législation visant les étrangers en général, à moins que ne soient applicables des dispositions particulières, notamment celles de la loi sur l'asile BGE 123 II 529 S. 531 et de la convention du 28 juillet 1951 relative au statut des réfugiés (ci-après: la Convention; RS 0.142.30). Il convient par conséquent de rechercher en priorité dans la loi sur l'asile et dans la Convention les dispositions qui permettraient de déterminer quels sont les motifs d'expulsion auxquels se réfère l'art. 28 LAsi. b) L'art. 44 LAsi est la seule disposition de la loi sur l'asile qui traite de l'expulsion. Il établit, à son premier alinéa, qu'un réfugié auquel la Suisse a accordé l'asile ne peut être expulsé que s'il compromet la sûreté intérieure ou extérieure de la Suisse ou s'il a porté gravement atteinte à l'ordre public. Quant à l'art. 44 al. 2 LAsi, il précise que l'asile prend fin par l'exécution de l'expulsion administrative ou judiciaire. L'art. 44 al. 1 LAsi mentionne les motifs d'expulsion applicables dans le cadre de la procédure d'expulsion, pour indiquer dans quels cas elle intervient. L'art. 28 LAsi, en revanche, se réfère aux motifs d'expulsion dans le cadre de la procédure de transformation de l'autorisation de séjour d'un réfugié en autorisation d'établissement. La finalité de l'art. 28 LAsi diffère donc fondamentalement de celle de l'art. 44 LAsi; cela influe sur les motifs d'expulsion à prendre en considération dans l'un et l'autre cas. A l'évidence, seules des raisons particulièrement graves peuvent justifier l'expulsion d'un réfugié, d'où le caractère très restrictif des motifs d'expulsion mentionnés à l'art. 44 al. 1 LAsi. En revanche, on peut se montrer plus large dans les critères justifiant le refus d'une autorisation d'établissement au réfugié qui bénéficie de toute façon d'une autorisation de séjour et pour qui la différence de régime entre ces deux sortes d'autorisations présente en définitive essentiellement des avantages pratiques et doit faciliter l'intégration. Dans son message du 31 août 1977 à l'appui d'une loi sur l'asile et d'un arrêté fédéral concernant une réserve à la Convention, le Conseil fédéral prévoyait d'ailleurs que l'octroi de l'autorisation d'établissement présupposerait que le réfugié n'ait pas contrevenu gravement à l'ordre public ou aux bonnes moeurs, motifs moins graves que ceux qui sont mentionnés à l'art. 44 al. 1 LAsi (FF 1977 III 113, p. 136). Au surplus, si on interprète l'art. 28 LAsi seulement à la lumière de l'art. 44 al. 1 LAsi, on subordonne le refus de l'autorisation d'établissement au fait que le réfugié remplisse les conditions d'une expulsion. Or, si l'intéressé a un comportement justifiant l'expulsion, on ne se contentera pas de lui refuser une autorisation d'établissement, tout en lui permettant de continuer à vivre en Suisse avec une simple autorisation de séjour. Autant dire que se fonder sur BGE 123 II 529 S. 532 l'art. 44 al. 1 LAsi pour interpréter l'art. 28 LAsi revient à enlever tout sens à cette disposition. Ce qui vient d'être dit à propos de l'art. 44 al. 1 LAsi est également valable en ce qui concerne l'art. 32 al. 1 de la Convention, qui contient une disposition comparable à l'art. 44 al. 1 LAsi, étant entendu au surplus que la Convention exige simplement que les réfugiés ne soient pas discriminés par rapport aux autres étrangers, ce qui n'est pas le cas de l'art. 28 LAsi (JOSEPH GYÖRÖK, Die Rechtsstellung der Flüchtlinge nach dem schweizerischen öffentlichen Recht, thèse Fribourg 1991, p. 92). Dès lors, force est de constater qu'aucune disposition de la loi sur l'asile ou de la Convention ne permet de définir à satisfaction la notion de motif d'expulsion contenue dans l'art. 28 LAsi. Il y a donc lieu de se référer à la législation visant les étrangers en général, notamment à la loi fédérale sur le séjour et l'établissement des étrangers, dont l'art. 10 al. 1 énumère les motifs d'expulsion (cf. PETER KOTTUSCH, Die Niederlassungsbewilligung gemäss Art. 6 ANAG , in ZBl 87/1986, p. 513 ss, p. 528; d'un autre avis: ALBERTO ACHERMANN/CHRISTINA HAUSAMMANN, Handbuch des Asylrechts, 2e éd., Berne 1991, p. 385, qui renvoient à l'art. 44 LAsi pour les motifs d'expulsion de l'art. 28 LAsi, mais ne motivent pas leur point de vue). L'art. 10 al. 1 lettre d LSEE en particulier prévoit que l'étranger peut être expulsé de Suisse ou d'un canton si lui-même, ou une personne aux besoins de laquelle il est tenu de pourvoir, tombe d'une manière continue et dans une large mesure à la charge de l'assistance publique. C'est sur la base de cette disposition qu'a été rendu l'arrêté attaqué. A cet égard, il convient de relever qu'à partir du moment où on admet d'interpréter la notion de motif d'expulsion de l'art. 28 LAsi à l'aide de l'art. 10 al. 1 LSEE, c'est toute cette disposition qui doit être prise en considération. Il n'y a pas de raison suffisante de ne retenir que certains des motifs d'expulsion qui y sont énumérés, dans l'interprétation de l'art. 28 LAsi. Certes, l'indigence n'est pas le principal motif d'expulsion figurant à l'art. 10 al. 1 LSEE, mais elle doit être prise en compte par l'autorité, qui examine alors les circonstances qui sont à la base de l'état d'indigence. Au demeurant, en accordant au réfugié auquel l'asile a été octroyé le droit d'exercer une activité lucrative (art. 27 LAsi), le législateur a attaché une importance certaine à son intégration professionnelle (FF 1977 III 136). 4. Le recourant aurait exercé une activité lucrative du 24 septembre 1986 jusque dans le courant de l'année 1988; une formule BGE 123 II 529 S. 533 remplie par l'intéressé le 21 juillet 1988 révèle qu'à cette date, il n'avait plus d'employeur. Quant à la femme du recourant, elle n'a jamais exercé d'activité lucrative en Suisse. Par ailleurs, le 23 octobre 1987, l'Hospice général genevois indiquait qu'il avait déjà versé à l'intéressé un montant de 96'840.60 fr. Pourtant, à cette époque, le recourant travaillait encore. Depuis qu'il n'exerce plus d'activité lucrative, soit depuis plus de neuf ans, lui-même et sa famille dépendent entièrement de l'assistance publique. Les conditions de l'art. 10 al. 1 lettre d LSEE sont donc remplies: le recourant et sa famille sont tombés d'une manière continue et dans une large mesure à la charge de l'assistance publique. En outre, le recourant et sa femme semblent se complaire dans leur situation d'assistés. Si l'intéressé a trouvé un travail neuf mois environ après son arrivée en Suisse, il n'a plus exercé d'activité lucrative depuis en tout cas le mois qui a suivi l'obtention du statut de réfugié. Pourtant, à ce moment, la crise économique n'était pas encore survenue. De plus, le recourant ne fait aucunement valoir que lui-même ou sa femme aurait entrepris des démarches pour trouver un emploi, alors même que leurs problèmes de langue ont dû diminuer au cours du temps. Dès lors, l'autorité intimée n'a aucunement violé le droit fédéral et, en particulier, elle n'a pas commis d'excès ni d'abus de son pouvoir d'appréciation, en rendant l'arrêté attaqué.
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nan
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1,997
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00cd71e1-9b1d-4e4c-9751-3a3a770be9ea
Urteilskopf 126 III 209 37. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 29. Februar 2000 i.S. Martin Gottlieb Kraska gegen Ringier AG und Y. (Berufung)
Regeste Persönlichkeitsverletzung; Tragweite von Rechtfertigungsgründen ( Art. 28 Abs. 2 ZGB ) und Urteilspublikation ( Art. 28a Abs. 2 ZGB ). Der Richter ist verpflichtet, persönlichkeitsverletzende Aussagen in einer Presseberichterstattung und die vom Medienunternehmen geltend gemachten Rechtfertigungsgründe sorgfältig gegeneinander abzuwägen; tatsachenwidrige persönlichkeitsverletzende Äusserungen lassen sich mit dem Informationsauftrag der Presse kaum je rechtfertigen (E. 3a und 3b). Hat der behandelnde Arzt eine ihm amtlich übertragene Pflicht verletzt, darf sein Name im Pressebericht erwähnt werden (E. 4). Der für die Publikation bestimmte Urteilstext muss diejenigen Punkte der persönlichkeitsverletzenden Berichterstattung nennen, die widerrechtlich (geblieben) sind, und muss so abgefasst sein, dass er den persönlichkeitsverletzenden Eindruck, den die Adressaten der verletzenden Mitteilung gewinnen mussten, beseitigen kann (Verhältnismässigkeitsgebot, E. 5a und 5b).
Sachverhalt ab Seite 210 BGE 126 III 209 S. 210 Im "Sonntagsblick" vom 22. Mai 1994 erschien ein von Y. verfasster Artikel, in dem über die Einweisung der alkoholkranken "Maya Z." in die psychiatrische Klinik Rheinau am 17. März 1993 berichtet wurde; die Einweisung hatte der die Patientin seit dem November 1991 behandelnde Arzt Martin Gottlieb Kraska angeordnet. Unter der mehr als sechs Mal grösser als der Text und fett geschriebenen Überschrift "Diagnose per Telefon! Arzt liess Patientin in Psychi einsperren" des Artikels stand folgender, weniger stark hervorgehobener Lead: "ZÜRICH - Ein krasser Fall: Der Arzt Martin Kraska wies eine Patientin (48) aufgrund von Telefongesprächen mit dem Ehemann in die Psychiatrische Klinik Rheinau ein. Ohne die Patientin persönlich untersucht zu haben!" Danach wurde unter dreimaliger Wiederholung des Namens des Arztes in vier Spalten über den Vorfall vom 17. März 1993 berichtet. Der auf Hausbesuche spezialisierte Mediziner habe die Patientin ohne Konsultation vor Ort gestützt auf einen Telefonanruf des Ehemannes unverzüglich in die Klinik einweisen lassen und dafür aufgrund einer einzigen Konsultation nach der Entlassung eine übersetzte Rechnung gestellt. Die Patientin werde gegen den Arzt und die Klinik auf Schadenersatz klagen. Der Artikel enthielt zwei zwischen Balken gesetzte und fett geschriebene Zwischentitel: "Acht Tage ausharren inmitten schwerkranker Psychiatrie-Patienten" sowie "Jetzt kommt's zur Klage gegen verantwortlichen Arzt und Klinik Rheinau". Die Klage gegen die Ringier AG (Beklagte 1) und Y. (Beklagten 2), mit der Martin Gottlieb Kraska die Feststellung der Verletzung seiner Persönlichkeit durch den Artikel vom 22. Mai 1994, die Publikation des Urteilsdispositivs an geeigneter Stelle im Sonntagsblick und eine BGE 126 III 209 S. 211 Genugtuung verlangt hatte, wies das Bezirksgericht Zürich mit Urteil vom 31. Oktober 1996 ab. Der Kläger gelangte mit Berufung vergeblich an das Obergericht des Kantons Zürich. Mit Beschluss und Urteil vom 13. Februar 1998 berichtigte dieses eine Parteibezeichnung, trat auf das Begehren um Ausrichtung einer Genugtuung in einer durch das Gericht zu bestimmenden Höhe nicht ein (Dispositiv-Ziff. 1 und 2 des Beschlusses) und wies das Feststellungs- und das Publikationsbegehren ab (Dispositiv-Ziff. 1 des Urteils). Martin Gottlieb Kraska beantragt dem Bundesgericht mit Berufung, der Beschluss und das Urteil des Obergerichts vom 13. Februar 1998 seien aufzuheben, es sei festzustellen, dass der Zeitungsartikel vom 22. Mai 1994 persönlichkeitsverletzend sei, und das Urteilsdispositiv sei in mit der Publikation des Artikels vergleichbarer Weise, nämlich im Leserbriefteil oder eventuell auf S. 6 des redaktionellen Teils des Sonntagsblicks zu publizieren. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Das Obergericht ist der Ansicht, das Wächteramt erlaube der Presse, über fragwürdige Geschäftsgebaren zu berichten. Dieses habe hier darin bestanden, dass der Kläger gegen den damals geltenden § 117c aEGzZGB/ZH verstossen habe, indem er die Patientin ohne vorgängige persönliche Konsultation in die Anstalt einwies. Weil er nicht habe rechtfertigen können, dass er die Patientin am 17. März 1993 nicht begutachtet hat, bleibe es bei der ihm anzulastenden Verletzung von § 117c aEGzZGB/ZH. Indem die Vorinstanz die Klage abweist, kommt sie im Ergebnis zum Schluss, die Pressemeldung sei insgesamt gerechtfertigt und damit auch insoweit, als dem Artikel entnommen werden könnte, der Kläger habe eine ihm unbekannte Person ohne hinreichende medizinische Gründe eingewiesen, was beides den verbindlichen Feststellungen im angefochtenen Entscheid ( Art. 63 Abs. 2 OG ) widerspricht. Auf Rechtfertigung erkennt es insoweit zwar nicht ausdrücklich; dieses Ergebnis folgt aber zwingend aus der Abweisung der Klage einerseits und der zuvor gezogenen Schlussfolgerung, die Persönlichkeit des Klägers sei schwer verletzt worden, andererseits. Unter Hinweis auf die Problematik der Rechtfertigungsgründe und auf die Notwendigkeit einer Interessenabwägung bestreitet der Kläger zunächst, dass der Informationsauftrag der Presse sein Schutzbedürfnis zu überwiegen vermag. In einer Art. 55 Abs. 1 lit. c OG genügenden Weise ( BGE 116 II 745 E. 3 S. 749) macht er weiter BGE 126 III 209 S. 212 geltend, es bleibe bei der Persönlichkeitsverletzung, weil er als Arzt dargestellt worden sei, der eine kerngesunde Patientin in eine Anstalt eingewiesen und dafür erst noch übersetzt Rechnung gestellt habe; dem Leser werde mit der Darstellung, die Patientin habe acht Tage unter Kranken verbringen müssen, wahrheitswidrig suggeriert, sie sei gesund gewesen. Im Weiteren sei ihm die Diagnose (schwerer Alkoholabusus) schon lange vor der Einweisung bekannt gewesen, weshalb er nicht als Arzt hätte hingestellt werden dürfen, der die Patientin aufgrund eines Streites mit ihrem Mann allein wegen dessen Telefonanruf eingewiesen habe. Die Einweisung sei in der Sache richtig gewesen und von den Ärzten des Kantonsspitals Winterthur denn auch bestätigt worden, was die Beklagten einräumen. a) Eine Persönlichkeitsverletzung ( BGE 120 II 369 E. 2 S. 371) ist unter anderem dann nicht widerrechtlich, wenn sie durch ein überwiegendes öffentliches Interesse gerechtfertigt ist ( Art. 28 Abs. 2 ZGB ). Das Interesse des Individuums auf Unversehrtheit seiner Person ist sorgfältig gegen dasjenige der Presse auf Information der Öffentlichkeit, hier insbesondere auf freie Information über unzulässiges Geschäftsgebaren (Wächteramt), abzuwägen. Bei diesem Vorgang steht dem Richter ein Ermessen zu ( Art. 4 ZGB ; BGE 122 III 449 E. 3b und c S. 456 f. mit Hinweisen). Dabei kann die Rechtfertigung stets nur so weit reichen, als ein Informationsbedürfnis besteht. Soweit ein solches zu verneinen ist, bleibt es bei der Widerrechtlichkeit der Persönlichkeitsverletzung (Urteile des Bundesgerichts vom 18. Dezember 1997 i.S. V., publiziert in SJ 1998 S. 301 E. 2a, und vom 19. Dezember 1994 i.S. G., publiziert in SJ 1995 S. 669 E. 3b und 3c; vgl. A. MEILI, Basler Kommentar, ZGB Bd. I/1, N. 45 und 49 zu Art. 28 ZGB ). Daher ist der Informationsauftrag der Presse kein absoluter Rechtfertigungsgrund, und eine Interessenabwägung ist unentbehrlich; die Presse muss für den Eingriff in die Persönlichkeit einen triftigen Grund haben ( BGE 109 II 353 E. 4c S. 361 f., BGE 95 II 481 E. 7 f. S. 494 ff.). Bei umfangreicherer Presseberichterstattung muss im Rahmen des festgestellten Sachverhalts somit geprüft werden, ob nur einzelne Artikel einer Serie oder gar einzelne Passagen eines Artikels widerrechtlich sind, wobei der Gesamteindruck massgebend ist. Gleichermassen differenziert ist das Vorliegen von Rechtfertigungsgründen zu prüfen (unveröffentlichte Urteile des Bundesgerichts vom 23. Juni 1998 i.S. D., E. 6, und vom 17. Mai 1994 i.S. T. AG, E. 3b bis e und 4; zu Letzterem H. FORKEL, Bemerkungen aus deutscher Sicht zum Urteil des Schweizerischen BGE 126 III 209 S. 213 Bundesgerichts in Sachen Tages-Anzeiger Zürich gegen Dr. Hans W. Kopp, SJZ 92/1996 S. 97 und 100 ff.). Da der Informationsauftrag der Presse nicht erlaubt, tatsachenwidrige (unwahre) persönlichkeitsverletzende Nachrichten zu veröffentlichen, ist deren Verbreitung grundsätzlich nicht gerechtfertigt ( BGE 119 II 97 E. 4a/bb S. 101; BGE 111 II 209 E. 3c S. 214 mit Hinweisen). Eine Ausnahme ist beispielsweise dann denkbar, wenn über eine Pressemitteilung einer Polizeibehörde berichtet, die Quelle angegeben und der Bericht selber nicht kommentiert wird; eine Sanktion hat diesfalls in Analogie zu Art. 27 Ziff. 5 StGB zu unterbleiben (Urteil des Bundesgerichts vom 31. Oktober 1996 i.S. V., publiziert in Medialex 1997 S. 33 E. 3b und c). In zahlreichen Fällen unwahrer Berichterstattung hat das Bundesgericht mit Blick auf den erwähnten Grundsatz daher nicht geprüft, ob eine Rechtfertigung in Frage kommt; dies selbst dann nicht, wenn der tatsachenwidrige und selbst verfasste Bericht unverschuldet oder gar in guten Treuen publiziert wurde ( BGE 106 II 92 E. 2d S. 99; BGE 103 II 161 E. 1c S. 165; 91 II 401 E. 3e). Für die Beurteilung des Eingriffes in die Persönlichkeit, dessen Schwere und der Frage, welche Aussagen dem Gesamtzusammenhang eines Artikels zu entnehmen sind, muss auf den Wahrnehmungshorizont des Durchschnittslesers abgestellt werden ( BGE 123 III 385 E. 4a S. 388 oben; BGE 122 III 449 E. 2b S. 454; BGE 119 II 97 E. 4a/aa S. 100; BGE 111 II 209 E. 2 S. 211, Urteil des Bundesgerichts vom 31. Oktober 1996 i.S. V., publiziert in Medialex 1997 S. 33 E. 4). b) Vor diesem Hintergrund greift die Begründung des Obergerichts zu kurz. Der Informationsauftrag hat den Beklagten zweifellos erlaubt, darüber zu berichten, dass der Kläger die Patientin entgegen der Vorschrift des kantonalen Rechts ohne unmittelbar vorausgehende Konsultation in eine Klinik einwies. Ein weiter gehendes Informationsbedürfnis unter Verletzung der Persönlichkeit des Klägers ist jedoch nicht ersichtlich. aa) Aus der Überschrift "Diagnose per Telefon! Arzt liess Patientin in Psychi einsperren" und dem folgenden Lead "ZÜRICH - Ein krasser Fall: Der Arzt Martin Kraska wies eine Patientin (48) aufgrund von Telefongesprächen mit dem Ehemann in die Psychiatrische Klinik Rheinau ein. Ohne die Patientin persönlich untersucht zu haben!" muss der Leser schliessen, der Kläger habe eine Patientin nur auf Grund von Telefongesprächen in eine Heilanstalt eingewiesen und habe sich über deren Gesundheitszustand nicht hinreichend ins Bild gesetzt. Das Obergericht führt zu Recht aus, der Artikel BGE 126 III 209 S. 214 spiele die weitverbreitete Urangst an, gewisse Ärzte könnten ihre Macht missbrauchen, um ihre Patienten grundlos in einer Heilanstalt zu "versenken". Dass der Kläger die Patientin vor den Telefonanrufen nicht gekannt hat, wird im Artikel zwar nicht behauptet, ergibt sich aber nicht nur aus dem Lead. Denn zum einen wird im Artikel berichtet, der Ehemann habe am 17. März 1993 mehrmals mit dem ihm als Notfallarzt bekannten Kläger telefoniert, bevor dieser die Einweisung denn auch angeordnet hat. Zum anderen wird ausgeführt, der Kläger habe eine Konsultation für unnötig befunden; es kann dem ganzen Artikel nichts entnommen werden, was darauf schliessen lässt, dass der Kläger schon anlässlich früherer Behandlung die Diagnose gestellt hatte. Auch dass die Patientin im Zeitpunkt der Einweisung gesund gewesen ist, wird im Artikel vom 22. Mai 1994 nicht behauptet. Weil im Artikel festgehalten ist, dass die Patientin einige Biere trank und Schmerzmittel nahm, bevor sie zu ihrem Ehemann ging und dort zu randalieren begann, wird zwar angedeutet, dass die Patientin unter gesundheitlichen Problemen gelitten haben könnte. Jedoch muss der Durchschnittsleser aus den zwei zwischen Balken gesetzten und fett geschriebenen Einschüben "Acht Tage ausharren inmitten schwerkranker Psychiatrie-Patienten" und "Jetzt kommt's zur Klage gegen verantwortlichen Arzt und Klinik Rheinau" sowie auch aus den Mitteilungen, die Patientin habe ihrer Internierung nicht schriftlich zugestimmt und werde gegen den Arzt und die Klinik auf Schadenersatz klagen, schliessen, die medizinischen Gründe hätten eine Einweisung nicht indizieren können. In dieser Ansicht wird der Leser auch durch die Wiedergabe der Meinung der Patientin bestärkt, ihr sei mit der Einweisung Unrecht geschehen. Wird der Kläger als Arzt geschildert, der ohne Beachtung der Regeln der ärztlichen Sorgfalt eine ihm unbekannte Patientin ohne ausreichende medizinische Gründe in die Anstalt einweist, was nach den Feststellungen im angefochtenen Entscheid nicht zutrifft, ist seine berufliche Ehre (MEILI, a.a.O., N. 28 zu Art. 28 ZGB ) widerrechtlich schwer verletzt. Weshalb es zum Informationsauftrag der Beklagten 1 gehören soll, den Kläger in ihrem Zeitungsbericht so darzustellen, obwohl die Patientin schon längere Zeit zuvor alkoholkrank gewesen und vom Kläger selber behandelt worden war, hat das Obergericht nicht begründet. In diesen beiden Punkten verletzt der Artikel vom 22. Mai 1994 den Kläger in seiner Persönlichkeit schwer, und eine Rechtfertigung für die Verbreitung ist insoweit nicht ersichtlich (MEILI, a.a.O., N. 49 f. zu Art. 28 ZGB ). BGE 126 III 209 S. 215 bb) Selbst wenn die Behauptung der Beklagten, der Kläger habe die Patientin vor der Einweisung anderthalb Jahre lang nicht mehr behandelt, zutrifft, rechtfertigt dies noch nicht die Unterstellung im Zeitungsartikel vom 22. Mai 1994, der Kläger habe weder die Patientin noch ihren Gesundheitszustand gekannt; der Einwand, dessen tatsächliche Basis für das Bundesgericht nicht festgestellt ist ( Art. 63 Abs. 2 OG ), vermöchte die Widerrechtlichkeit des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Klägers in diesem Punkt lediglich abzuschwächen, nicht aber aufzuheben. Soweit die Beklagten der Meinung sind, der Artikel vom 22. Mai 1994 sei insgesamt dadurch gerechtfertigt, dass der Kläger die Patientin ohne vorgängige Konsultation in die Klinik einwies, verkennen sie, dass dies nur den Bericht zu rechtfertigen vermag, der Kläger habe die Patientin unmittelbar vor der Einweisung nicht mehr begutachtet und somit gegen kantonales Recht verstossen, das dem Schutz des Patienten dient. Die Frage der Rechtfertigung ist nicht pauschal, sondern nach den einzelnen Aussagen im inkriminierten Presseartikel zu beurteilen. Vermögen die Einwände der Beklagten nicht durchzudringen, bleibt es dabei, dass der angefochtene Entscheid insoweit Bundesrecht verletzt, als darin im Ergebnis hingenommen wird, dass der Kläger von den Beklagten als Arzt dargestellt worden ist, der eine ihm unbekannte Patientin ohne zureichende Gründe in eine psychiatrische Klinik eingewiesen hat. Hinsichtlich des Vorwurfs übersetzter Honorarbemessung hat der Kläger die Beurteilung durch das Obergericht nicht rechtsgenüglich angefochten ( Art. 55 Abs. 1 lit. c OG ), weshalb es insofern mit dem obergerichtlichen Urteil sein Bewenden hat. cc) Da die Vorinstanz zwar zu Recht auf eine insgesamt schwere widerrechtliche Verletzung der Persönlichkeit des Klägers erkannt hat, dem Rechtfertigungsgrund aber eine zu grosse Tragweite beigemessen hat, ist die Berufung teilweise gutzuheissen. Auf die Bedeutung des Rechtfertigungsgrundes braucht im Urteilsdispositiv indessen nicht eigens hingewiesen zu werden, weil dessen Fehlen nur zur Folge hat, dass es bei der festgestellten Widerrechtlichkeit der Persönlichkeitsverletzung bleibt. 4. Der Kläger begründet die Widerrechtlichkeit der Pressemitteilung weiter damit, er sei keine Person der Zeitgeschichte, weshalb die Publikation seines Namens prinzipiell widerrechtlich sei. Diese Rüge geht fehl, weil die Veröffentlichung des Namens aus einem anderen Grund nicht widerrechtlich ist. Weist der vom kantonalen Recht hierzu befugte Arzt eine Patientin in eine Klinik ein, handelt er in behördlicher Funktion (E. SPIRIG, BGE 126 III 209 S. 216 Zürcher Kommentar, N. 57 zu Art. 397b ZGB ). Ein Interesse der Öffentlichkeit, von fehlerhaften Amtshandlungen zu erfahren und fehlbare Amtsträger auch zu kennen, kann nicht verneint werden. Deshalb ist weder begründet noch ersichtlich, weshalb im vorliegenden Fall die Nennung des Namens des Klägers im Artikel widerrechtlich (vgl. MEILI, a.a.O., N. 27 zu Art. 28 ZGB ) beziehungsweise nicht durch den Informationsauftrag der Beklagten 1 gedeckt sein sollte (vgl. ähnlich zur relativen Person der Zeitgeschichte MEILI, a.a.O., N. 52 zu Art. 28 ZGB ). 5. Das Begehren, das Urteilsdispositiv sei in vergleichbarer Weise, nämlich im Leserbriefteil oder eventuell auf S. 6 des redaktionellen Teils des Sonntagsblicks zu publizieren, begründet der Kläger damit, die Publikation sei ein adäquates Mittel, den Störungszustand und die Folgen der Persönlichkeitsverletzung zu beseitigen. a) Das vom Feststellungsanspruch abhängige Publikationsbegehren ( Art. 28a Abs. 2 ZGB ; BGE 118 II 369 E. 4c S. 373) zielt auf die Beseitigung der Folgen der Persönlichkeitsverletzung ab ( BGE 118 II 369 E. 4c S. 373 f., BGE 104 II 1 E. 4a mit Hinweisen; MEILI, a.a.O., N. 9 f. zu Art. 28a ZGB und A. BUCHER, Natürliche Personen und Persönlichkeitsschutz, 3. Aufl. 1999, Rz. 577 und 583 S. 142 und 144). Aus der Beseitigungsfunktion folgt zunächst, dass die Veröffentlichung möglichst die gleichen Adressaten erreichen sollte, die auch von der Persönlichkeitsverletzung erfahren hatten (unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 5. Juni 1997 i.S. V., E. 4). Art. 28a Abs. 2 ZGB eröffnet grundsätzlich die Wahl, das Urteilsdispositiv, einen Auszug aus dem Urteilstext oder eine Berichtigung zu publizieren. In Rücksicht auf den Willen des Gesetzgebers und auf die offene Formulierung des Gesetzestextes ist das Bundesgericht zum Ergebnis gelangt, dass auch Kombinationen oder Kumulationen der drei erwähnten Publikationsarten zulässig sind, wenn der Störungszustand anders nicht beseitigt werden kann. Weiter ist zu beachten, dass auch das Publikationsmittel demjenigen der Verletzung angepasst sein muss; somit kommen nach deren Adressatenkreis nicht nur die Massenmedien in Frage, sondern auch Rundschreiben, Flugblätter und Anschläge (unveröffentlichtes Urteil vom 23. Juni 1998 i.S. D., E. 7a und b). Da die Publikation den unrichtigen Eindruck, der durch die Presseäusserung entstanden ist, korrigieren soll, ist sie der den Dritten zur Kenntnis gebrachten Persönlichkeitsverletzung gegenüberzustellen und hat in einer Weise zu erfolgen, die jener der persönlichkeitsverletzenden Tatsachendarstellung möglichst nahe kommt. Insoweit gibt das Gesetz dem Richter BGE 126 III 209 S. 217 auf Parteiantrag hin die Möglichkeit, die Veröffentlichung dem jeweiligen Publizitätsgrad der Persönlichkeitsverletzung selbst anzupassen (Verhältnismässigkeitsgebot). Grösse und Platzierung der Publikation richten sich nach dem Umfang und der Stellung, die der widerrechtlich in die Persönlichkeit des Verletzten eingreifende Artikel innerhalb des Presseerzeugnisses selber hatte ( BGE 84 II 570 E. e S. 578; zum Ganzen MEILI, a.a.O., N. 11 ff. zu Art. 28a ZGB ; BUCHER, a.a.O., Rz. 582 und 585 S. 144 f.; F. RIKLIN, Schweizerisches Presserecht, § 7 Rz. 84 S. 222). b) Wenn der Verletzte die Publikation wünscht, kommt auf die von der Persönlichkeitsverletzung bis zur richterlich angeordneten Veröffentlichung verstrichene Zeit nichts an ( BGE 104 II 1 E. 4b S. 4). Daher steht dem Begehren des Klägers, das Dispositiv des Urteils sei zu publizieren, nichts entgegen. Der Umstand, dass dem Sachrichter bei der Anordnung der Urteilspublikation ein erhebliches Ermessen zustehen muss und dass dessen Urteile vom Bundesgericht entsprechend zurückhaltend überprüft werden ( BGE 123 III 193 E. 2c/cc S. 199; BGE 119 II 157 E. 2a S. 160 mit Hinweis), zwingt zum Schluss, dass das Bundesgericht seinerseits nach Ermessen über den Antrag auf Publikation des Urteils befindet. Ein Urteilsdispositiv muss im Hinblick auf seine Publikation durch den Richter so verdeutlicht werden, dass es geeignet ist, den falschen Eindruck des persönlichkeitsverletzenden Presseberichts bei dessen Lesern zu beseitigen (unveröffentlichtes Urteil vom 23. Juni 1998 i.S. D., E. 7c letzter Abs.; unveröffentlichte E. 4c von BGE 104 II 1 ). Die Publikation ist so präzis vorzuschreiben, dass das Urteil insoweit auch vollstreckt werden kann ( BGE 100 II 177 E. 6 S. 180 f.). Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: 1.- a) In teilweiser Gutheissung der Berufung wird das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 13. Februar 1998 aufgehoben, und es wird in teilweiser Gutheissung der Klage festgestellt, dass der Kläger durch den Artikel im Sonntagsblick vom 22. Mai 1994 (S. 6) in seiner Persönlichkeit insoweit widerrechtlich verletzt worden ist, als er darin tatsachenwidrig als Arzt dargestellt wurde, der eine ihm unbekannte Patientin aus unzureichenden medizinischen Gründen in eine Anstalt eingewiesen hatte. b) Die Beklagte 1 wird verpflichtet, innerhalb von sechs Wochen nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils ( Art. 38 OG ) im redaktionellen BGE 126 III 209 S. 218 Teil des "Sonntagsblicks" an derjenigen Stelle, wo Nachrichten aus der Region Zürich verbreitet werden, unter der fett und 1,2 cm gross geschriebenen Überschrift "Urteilspublikation zugunsten des Arztes Martin Kraska" auf eigene Kosten folgenden Text in der gleichen Schriftgrösse des persönlichkeitsverletzenden Artikels vom 22. Mai 1994 zu publizieren: In teilweiser Gutheissung der Berufung des Arztes Martin Kraska (Zürich) hat das Bundesgericht mit Urteil vom 29. Februar 2000 den Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich vom 13. Februar 1998 aufgehoben und dessen Urteilsspruch wie folgt neu gefasst: In teilweiser Gutheissung der Klage des Arztes Martin Kraska (Zürich) gegen die Ringier AG und den zuständigen Redaktor des Sonntagsblicks wird festgestellt, dass Martin Kraska durch den Artikel im Sonntagsblick vom 22. Mai 1994 (S. 6) in seiner Persönlichkeit insoweit widerrechtlich verletzt worden ist, als er darin tatsachenwidrig als Arzt dargestellt wurde, der eine ihm unbekannte Patientin (Maya Z.) aus unzureichenden medizinischen Gründen in eine psychiatrische Klinik eingewiesen hatte. c) Im Übrigen wird die Berufung abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist, und der Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich vom 13. Februar 1998 wird bestätigt.
null
nan
de
2,000
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
00cfcd9c-7823-4cd5-bd48-2110b92bbdc2
Urteilskopf 120 V 65 9. Urteil vom 4. Januar 1994 in Sachen Schweizerische Unfallversicherungsanstalt gegen F. und Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden
Regeste Art. 77 Abs. 2 und 3 lit. b UVG , Art. 100 Abs. 1 und 2 UVV . - Zuständigkeit der Versicherer bei Nichtberufsunfällen: Art. 77 Abs. 2 UVG enthält diesbezüglich keine abschliessende Regel. Vielmehr ist der Bundesrat gemäss Art. 77 Abs. 3 lit. b UVG befugt, die Leistungspflicht und das Zusammenwirken der Versicherer bei einem erneuten Unfall zu ordnen, und zwar nicht nur für die im Gesetz erwähnten Spezialfälle, sondern generell. Insofern sind Art. 100 Abs. 1 und 2 UVV gesetzmässig (Erw. 5b). - Die beiden Absätze von Art. 100 UVV stehen zueinander im Verhältnis von Grund- (Abs. 1) und Spezialregel (Abs. 2). Das in Abs. 1 aufgestellte Erfordernis "und versichert ist" meint nicht die beim bisherigen (letzten) Unfallversicherer bestehende, sondern die generelle, allenfalls durch die Zugehörigkeit bei einem anderen Versicherer begründete, Versicherteneigenschaft (Erw. 5c).
Sachverhalt ab Seite 66 BGE 120 V 65 S. 66 A.- Der 1968 geborene F. nahm am 28. Juli 1987 eine Aushilfstätigkeit für die A. AG auf und erlitt bereits am ersten Tag einen Arbeitsunfall mit erheblichen Verletzungen. Als Folgen resultierten eine langdauernde Arbeitsunfähigkeit, zahlreiche operative Eingriffe und schliesslich - nachdem er seine Lehre als Sanitärinstallateur nicht beenden konnte - eine Umschulung zum Helikopterpiloten. Da es sich bei der A. AG um eine der SUVA unterstellte Unternehmung handelte, kam die Anstalt für die Folgen dieses Unfalls ohne weiteres auf. Nach Erwerb des Berufspilotenbrevets arbeitete F. ab 1. Mai 1990 für die - ebenfalls der SUVA unterstellte - S. AG, und zwar zu Beginn mit einem vollen Pensum. Aufgrund der damit verbundenen Belastungen gelangte er jedoch bald an seine Leistungsgrenze, was mit ein Grund dafür gewesen sein mag, dass er auf Ende August 1990 aus diesem Betrieb austrat. In der Folge war F. vom 1. September bis 30. November 1990 im Restaurant D. und vom 15. Dezember 1990 bis 15. Januar 1991 für die I. AG tätig, bevor er aufgrund von Spätfolgen seines Unfalls erneut vollständig arbeitsunfähig wurde und ihm die SUVA ab 16. Januar 1991 wiederum Taggeldzahlungen ausrichtete. Im Verlaufe des Jahres 1991 flog F. zu einem Ansatz von Fr. 2.-- pro Flugminute verschiedene Einsätze für die H. AG, was ihm einen Gesamtverdienst von rund Fr. 8'000.-- einbrachte. Am 19. Mai 1992 erstattete er der SUVA Meldung über einen am 1. desselben Monats erlittenen Nichtberufsunfall: Beim Befestigen eines Drahtes hatte er sich mit der Zange den rechten Eckzahn ausgeschlagen und zwei weitere Zähne gelockert. Die SUVA stellte sich auf den Standpunkt, dass dafür kein Versicherungsschutz bestehe, weshalb sie am 2. September 1992 die Ablehnung von Leistungen verfügte. Zur Begründung führte sie im wesentlichen aus, dass F. nach Wiedererlangung seiner Arbeitsfähigkeit ab BGE 120 V 65 S. 67 1. September 1990 bis zur erneuten Arbeitsunfähigkeit ab 16. Januar 1991 in keinem ihr unterstellten Betrieb gearbeitet und daher der Versicherungsschutz am 30. September 1990 geendet habe; auch mit der Tätigkeit für die H. AG sei kein Anstellungsverhältnis begründet worden, das geeignet gewesen wäre, den Versicherungsschutz wiederherzustellen.- An dieser Auffassung hielt die SUVA mit Einspracheentscheid vom 19. November 1992 fest. B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons Graubünden, nach Einholung einer ablehnenden Vernehmlassung der SUVA, mit Entscheid vom 26. März 1993 gut. C.- Die SUVA führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, es sei der kantonale Gerichtsentscheid aufzuheben. F. lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen. Denselben Antrag stellt das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV). D.- Auf die Begründung des angefochtenen Gerichtsentscheides und der Anträge wird, soweit erforderlich, in den nachstehenden Erwägungen eingegangen. Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. a) Nach Art. 3 Abs. 2 UVG endet die obligatorische Unfallversicherung mit dem 30. Tag nach dem Tage, an dem der Anspruch auf mindestens den halben Lohn aufhört. Gemäss Abs. 5 der gleichen Bestimmung regelt der Bundesrat unter anderem die Vergütungen und Ersatzeinkünfte, die als Lohn gelten. Dazu zählen insbesondere die Taggelder der obligatorischen Unfallversicherung und der Invalidenversicherung ( Art. 7 Abs. 1 lit. b UVV ). b) Soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, werden die Versicherungsleistungen bei Berufsunfällen, Nichtberufsunfällen und Berufskrankheiten gewährt ( Art. 6 Abs. 1 UVG ). Art. 7 und 8 UVG umschreiben die Berufs- und Nichtberufsunfälle. Teilzeitbeschäftigte, deren Arbeitsdauer das vom Bundesrat festzusetzende Mindestmass nicht erreicht, sind gegen Nichtberufsunfälle nicht versichert, wohingegen bei ihnen auch die Unfälle auf dem Arbeitsweg als Berufsunfälle gelten (Art. 7 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 8 Abs. 2 UVG ). Das Mindestmass der Arbeitsdauer ist in Art. 13 UVV festgehalten. Danach sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer, deren wöchentliche Arbeitszeit bei einem Arbeitgeber mindestens 12 Stunden BGE 120 V 65 S. 68 beträgt, auch gegen Nichtberufsunfälle versichert ( Art. 13 Abs. 1 UVV ). Daraus folgt durch Umkehrschluss, dass keine Versicherung für Nichtberufsunfälle besteht, wenn der Teilzeitbeschäftigte wöchentlich weniger als 12 Stunden für einen Arbeitgeber tätig ist. c) Bei Berufsunfällen erbringt derjenige Versicherer die Leistungen, bei dem die Versicherung zur Zeit des Unfalls bestanden hat ( Art. 77 Abs. 1 Satz 1 UVG ). Bei Nichtberufsunfällen erbringt derjenige Versicherer die Leistungen, bei dem der Verunfallte zuletzt auch gegen Berufsunfälle versichert war (Abs. 2). Nach Abs. 3 lit. b (am Anfang) dieser Bestimmung ordnet der Bundesrat insbesondere die Leistungspflicht und das Zusammenwirken der Versicherer bei einem erneuten Unfall. Dazu hat er Art. 100 UVV erlassen, dessen vorliegend bedeutsame Absätze 1 und 2 wie folgt lauten: "Art. 100 Leistungspflicht bei erneutem Unfall 1 Wenn der Versicherte erneut verunfallt, während er wegen eines versicherten Unfalls noch behandlungsbedürftig, arbeitsunfähig und versichert ist, so muss der bisher leistungspflichtige Versicherer auch die Leistungen für den neuen Unfall erbringen. 2 Verunfallt der Versicherte während der Heilungsdauer eines oder mehrerer Unfälle, aber nach der Wiederaufnahme einer versicherten Tätigkeit, erneut und löst der neue Unfall Anspruch auf Taggeld aus, so erbringt der für den neuen Unfall leistungspflichtige Versicherer auch die Leistungen für die früheren Unfälle. Die anderen beteiligten Versicherer vergüten ihm diese Leistungen, ohne Teuerungszulagen, nach Massgabe der Verursachung; damit ist ihre Leistungspflicht abgegolten. Die beteiligten Versicherer können untereinander von dieser Regelung abweichende Vereinbarungen treffen, namentlich wenn der neue Unfall wesentlich geringere Folgen hat als der frühere." 2. Fest steht unbestrittenermassen, dass der Beschwerdegegner im Zeitpunkt seines neuerlichen Unfalls vom 1. Mai 1992 aufgrund des Anfang Januar 1991 eingetretenen Rückfalls im Genuss von Taggeldern der SUVA stand. Soweit er hingegen im vorliegenden Verfahren erneut dafürzuhalten scheint, dass sich bereits aus diesem Grund eine Leistungspflicht der SUVA auch hinsichtlich der am 1. Mai 1992 erlittenen Zahnverletzungen ergebe, kann ihm - wie Vorinstanz, SUVA und BSV zu Recht erkannt haben - nicht gefolgt werden. Denn es besteht kein Zweifel, dass der, seit Anfang Mai 1990 wiederum voll arbeitsfähige, Beschwerdegegner seine Versicherteneigenschaft 30 Tage nach dem auf Ende August 1990 erfolgten Austritt aus der - der SUVA unterstellten - S. AG verlor, nachdem ihm aus diesem Arbeitsverhältnis BGE 120 V 65 S. 69 keine weitergehenden Lohnansprüche mehr zustanden. Weder dem Gesetz noch der dazu ergangenen Verordnung lässt sich eine Vorschrift entnehmen, wonach bereits die wegen des Rückfalls am 16. Januar 1991 wieder auflebende Taggeldberechtigung geeignet gewesen wäre, das Versicherungsverhältnis zur SUVA erneut entstehen zu lassen. Ebensowenig vermag der Beschwerdegegner mit seiner Rüge der Ungleichbehandlung durchzudringen, lassen sich doch die Verhältnisse bei ununterbrochenem Taggeldbezug einerseits und neu entstandener Taggeldberechtigung nach Verlust der Versicherteneigenschaft anderseits weder sachlich noch rechtlich miteinander vergleichen: Der Versicherte, dessen Taggeldberechtigung zufolge Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit erlischt, ist in der Lage, sich den Versicherungsschutz durch Ausübung einer versicherungspflichtigen Arbeitnehmertätigkeit, sei es beim bisherigen, sei es bei einem anderen Arbeitgeber, zu wahren oder ihn durch Antritt einer Stelle wieder zu erlangen. Gerade in einem System, das nebst der SUVA noch andere registrierte Versicherer zulässt ( Art. 58 und 68 UVG ), kann dieser Unterschied nicht unberücksichtigt bleiben. 3. a) Im Rahmen seiner Hauptbegründung hat das kantonale Gericht die nach geleisteten Flugminuten entlöhnte Tätigkeit des Beschwerdegegners für die H. AG als versicherungspflichtige Arbeitnehmertätigkeit im Sinne von Art. 1 UVG qualifiziert, da er vom 19. Januar bis 10. August 1991 während ungefähr 66 Flugstunden mehr oder weniger regelmässig für jenen Betrieb gearbeitet habe. Diese Dauer und Regelmässigkeit zeigten - so die Vorinstanz -, dass es sich bei dieser Tätigkeit nicht um blosse Handreichungen oder kurzfristige Gefälligkeitstätigkeiten gehandelt habe. Vielmehr liege eine unselbständige Erwerbstätigkeit vor, womit der Beschwerdegegner im Januar 1991 automatisch wieder bei der SUVA versichert gewesen sei, welches Versicherungsverhältnis aufgrund der - ohne Unterbruch von mindestens 30 Tagen - erbrachten SUVA-Taggeldleistungen bis zum Unfall vom 1. Mai 1992 fortgedauert habe. b) In diesem Punkt wirft die SUVA der Vorinstanz zur Hauptsache vor, sie verkenne, dass es sich bei der fraglichen Tätigkeit lediglich um eine - das zeitliche Mindestmass gemäss Art. 7 Abs. 2 UVG in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 UVV nicht erfüllende - Teilzeitbeschäftigung gehandelt habe. Dem ist mit dem BSV beizupflichten. Denn weil der Beschwerdegegner mit den auf mehrere Monate (Januar bis August 1991) verteilten total 66 Stunden fraglos während weniger als 12 Stunden wöchentlich tätig gewesen war, BGE 120 V 65 S. 70 vermochte er jedenfalls hinsichtlich der Nichtbetriebsunfälle, um die es hier einzig geht, keinen Versicherungsschutz zu erlangen (vgl. Erw. 1b hievor). Daher lässt sich aus dem Umstand der ab 16. Januar 1991 wieder aufgenommenen, bis zum Unfall vom 1. Mai 1992 ununterbrochenen Taggeldausrichtung in Verbindung mit den Einsätzen für die H. AG nichts zugunsten des Beschwerdegegners ableiten. 4. Zu prüfen bleibt schliesslich, wie es sich mit der Zusatzbegründung des angefochtenen Gerichtsentscheides verhält. a) Die Vorinstanz ist davon ausgegangen, dass der Beschwerdegegner vom 15. Dezember 1990 bis zum 15. Januar 1991 für die der SUVA nicht unterstellte I. AG vollwertig gearbeitet habe. Dadurch und in Verbindung mit der am 16. Januar 1991 wieder einsetzenden Taggeldzahlung zufolge erneuter vollständiger Arbeitsunfähigkeit sei die durch den Eintritt bei der I. AG entstandene Unfallversicherungsdeckung aufrecht geblieben, sofern seither kein Wechsel des Versicherungsträgers wegen neuerlicher Aufnahme einer versicherten Erwerbstätigkeit erfolgte. Falls ein neues versicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis mit der H. AG zu verneinen sei - welche Auffassung in bezug auf Nichtberufsunfälle nach dem Gesagten (Erw. 3b hievor) die allein richtige ist -, habe das mit der Aufnahme der Arbeit bei der I. AG neu begründete Versicherungsverhältnis mit einem anderen Versicherer ( Art. 68 UVG ) infolge der anschliessend lückenlos geleisteten UVG-Taggelder der SUVA bis zum Unfall vom 1. Mai 1992 weitergedauert. Der neue Versicherer (der I. AG) hätte jedoch gemäss Art. 100 Abs. 2 UVV nur dann für die Unfallfolgen aufkommen müssen, wenn durch den neuen Unfall vom 1. Mai 1992 ein Anspruch auf Taggeldleistungen ausgelöst worden wäre, was hier nicht zutreffe. Der Zweck jener Bestimmung bestehe unter anderem wohl darin, aus verfahrensökonomischen Gründen bei blossen Bagatellunfällen die Leistungspflicht beim bisherigen Versicherer zu belassen, obwohl grundsätzlich - nach Wiederaufnahme einer versicherten Tätigkeit - ein später hinzugetretener Versicherer für den neuerlichen Unfall zuständig wäre. Ein solcher Bagatellunfall liege hier vor, nachdem der Beschwerdegegner am 1. Mai 1992 einen Zahnschaden erlitten habe, ohne dass er dadurch arbeitsunfähig geworden wäre. Infolgedessen sei die SUVA, die nach wie vor die Leistungen aus dem Unfall von 1987 erbringe, auch für den Unfall vom 1. Mai 1992 leistungspflichtig. b) Die beschwerdeführende SUVA widersetzt sich dieser Eventualbegründung insoweit nicht, als sie auf der Annahme beruht, es sei durch den Antritt BGE 120 V 65 S. 71 der Arbeit für die I. AG ein neues und wegen des lückenlosen UVG-Taggeldbezugs bis zum Unfall vom 1. Mai 1992 fortbestehendes Versicherungsverhältnis mit einem anderen zugelassenen Versicherer begründet worden. Hingegen wendet sie sich gegen die vorinstanzliche Auslegung von Art. 100 Abs. 2 UVV , die sich nach ihrem Dafürhalten mit Art. 77 Abs. 2 UVG nicht vereinbaren lasse. Denn die Leistungspflicht der Versicherer sei im Gesetz abschliessend geregelt, indem bei Nichtberufsunfällen derjenige Versicherer die Leistungen erbringe, bei dem der Verunfallte zuletzt auch gegen Berufsunfälle versichert war. Dies sei im vorliegenden Fall der Unfallversicherer der I. AG gewesen, und letztere habe die Prämien sowohl für die Berufs- als auch die Nichtberufsunfallversicherung geleistet. Zu Art. 100 Abs. 2 UVV führt die SUVA aus, dass darin die Leistungspflicht des neuen Versicherers für den neuen Unfall als Grundprinzip verankert werde. Diese Leistungspflicht gehe so weit, dass der spätere Versicherer auch für die Leistungen aus früheren Unfällen aufzukommen habe, sofern der neue Unfall einen Anspruch auf Taggeldleistungen auslöse, welche Zusatzleistungen ihm von den übrigen beteiligten Versicherern anteilsmässig zurückerstattet würden. Entgegen den vorinstanzlichen Annahmen sei also der Zweck von Art. 100 Abs. 2 UVV nicht in der Entlastung des späteren Versicherers zu suchen, sondern in dessen Zusatzbelastung durch Leistungen aus einem früheren Unfall. Dabei solle vor allem verhindert werden, dass der betroffene Versicherte mit mehreren Versicherungen verhandeln und allenfalls prozessieren müsse. Demgegenüber bringe die vorinstanzliche Auslegung, wonach die Leistungspflicht bei blossen Bagatellunfällen aus verfahrensökonomischen Gründen beim bisherigen Versicherer zu belassen sei, erhebliche Rechtsunsicherheit mit sich. So müsste bei einem Bagatellunfall jeder Arbeitgeber zunächst prüfen, ob eventuell der Versicherte aus einem früheren Unfall noch Leistungen beziehe, was bei bloss teilweiser Arbeitsunfähigkeit häufig vorkomme. In dieser Situation dürfte er nach der vorinstanzlichen Lesart den neuen Bagatellunfall nicht seinem eigenen Unfallversicherer melden, sondern er müsste die frühere Unfallversicherung ausfindig machen und dieser den Schaden anzeigen. Eine solche Regelung liefe dem Gesetzeswortlaut von Art. 77 UVG klar zuwider und wäre in der Praxis unhaltbar. Die SUVA beschliesst ihre Ausführungen damit, dass sie für den Nichtberufsunfall vom 1. Mai 1992 keine Leistungen zu erbringen habe, die Leistungspflicht vielmehr beim Unfallversicherer der I. AG liege, dem sie BGE 120 V 65 S. 72 die erforderlichen Akten nach Abschluss des vorliegenden Verfahrens zukommen lassen werde. c) Das BSV seinerseits pflichtet der vorinstanzlichen Eventualbegründung bei, da sie sich nicht nur vom Wortlaut her, sondern auch aus entstehungsgeschichtlicher Sicht rechtfertigen lasse. Unter anderem wird hervorgehoben, die SUVA selbst habe im Vernehmlassungsverfahren zur UVV auf den Kompromisscharakter der geltenden Lösungsvariante von Art. 100 Abs. 2 UVV hingewiesen und zudem ausdrücklich festgehalten, dass die gesetzliche Grundlage dafür in Art. 77 Abs. 3 UVG zu finden sei. Die von der Anstalt nunmehr beschwerdeweise vorgetragene Ansicht, die gesetzliche Grundlage zu Art. 100 Abs. 2 UVV bestehe in Art. 77 Abs. 2 UVG , welche Bestimmung die Leistungspflicht der Versicherer abschliessend regle, könne daher nicht geteilt werden. 5. a) Vorweg ist festzuhalten, dass der Beschwerdegegner im Zeitpunkt seines Nichtberufsunfalls vom 1. Mai 1992 grundsätzlich obligatorisch unfallversichert war. Dies folgt aus der Arbeitnehmertätigkeit für die I. AG vom 15. Dezember 1990 bis zum 15. Januar 1991 und den im Anschluss von der SUVA ab 16. Januar 1991 erbrachten Taggeldzahlungen. Insoweit besteht auch unter den Verfahrensbeteiligten Einigkeit. In Frage steht einzig, bei welchem Versicherer diese Deckung bestand. Es geht mithin aus unfallversicherungsrechtlicher Sicht nicht um die Versicherteneigenschaft als solche, sondern um die Abgrenzung der leistungsbezogenen Zuständigkeit, und zwar zwischen der SUVA einerseits und dem registrierten Unfallversicherer der I. AG anderseits. Mit Blick auf die zu klärende Rechtsfrage bestünde an sich Anlass, den Unfallversicherer der I. AG als Mitinteressierten in das vorliegende Verfahren einzubeziehen. Wie sich jedoch aus den nachfolgenden Erwägungen ergibt, kann von derartigen Weiterungen abgesehen werden. b) Bei der Beantwortung dieser Frage kann der SUVA zunächst insoweit nicht gefolgt werden, als sie die Abgrenzung der Versicherungszuständigkeit bei Nichtberufsunfällen durch Art. 77 Abs. 2 UVG abschliessend geregelt sehen möchte. Zwar trifft es zu, dass die in Art. 77 Abs. 1 und Abs. 2 UVG aufgestellten formellrechtlichen Grundsätze durch materielles Verordnungsrecht nur in dem Umfang abgeändert werden dürfen, als dazu nach Art. 77 Abs. 3 UVG eine delegationsrechtliche Zuständigkeit eingeräumt wird (vgl. BGE 116 V 53 f.). Soweit die Abgrenzung der Zuständigkeit der SUVA gegenüber anderen registrierten Versicherern in Frage steht BGE 120 V 65 S. 73 (unveröffentlichtes Urteil K. vom 14. März 1988), darf abweichendes Verordnungsrecht gesetzt werden, sofern dazu in Art. 77 Abs. 3 UVG eine Delegationsgrundlage besteht. Eine solche Grundlage ist im vorliegenden Sachzusammenhang gegeben. Denn gemäss Art. 77 Abs. 3 lit. b UVG ordnet der Bundesrat die Leistungspflicht und das Zusammenwirken der Versicherer unter anderem bei einem erneuten Unfall (erster Satzteil), und zwar - wie dem anschliessenden, durch das Wort "namentlich" eingeleiteten Satzteil zu entnehmen ist - generell, also nicht nur für die im Gesetz besonders erwähnten Spezialfälle (Verlust paariger Organe oder andere Änderungen des Invaliditätsgrades). Insofern halten sich Art. 100 Abs. 1 und 2 UVV sicherlich im gesetzlichen Rahmen. c) Was im weiteren den Aufbau von Art. 100 UVV , insbesondere das Verhältnis zwischen dessen beiden Absätzen anbelangt, handelt es sich beim zweiten um eine lex specialis zum ersten Absatz: Sofern und soweit der Tatbestand des Abs. 2 entfällt - was hier zutrifft, nachdem der neue Unfall keinen Anspruch auf Taggeld auslöste -, bleibt es bei der Grundregel des Art. 100 Abs. 1 UVV . Dessen Tatbestand ist im vorliegenden Fall, bis auf eine Ausnahme, in allen Punkten ohne weiteres gegeben: So verunfallte der Beschwerdegegner erneut, als ("während") er wegen eines versicherten Unfalls noch behandlungsbedürftig und arbeitsunfähig war. Fraglich bleibt einzig die soeben erwähnte Ausnahme, nämlich was die Verordnung mit der zusätzlich verlangten Versicherteneigenschaft ("und versichert ist") meint. Damit kann diejenige beim bisherigen (letzten) Unfallversicherer angesprochen sein oder aber ganz einfach die (generelle) Versicherteneigenschaft an sich, die allenfalls durch Zugehörigkeit bei einem anderen (registrierten) Versicherer begründet worden ist. Hinsichtlich der so gestellten Frage erweist sich als bedeutsam, dass sich der Passus "wegen eines versicherten Unfalls" wohl auf das "noch behandlungsbedürftig und arbeitsunfähig", nicht aber auf das "und versichert" beziehen kann. Denn wie sich aus den Darlegungen in Erw. 2 ergibt, gewährleistet der Umstand eines erlittenen versicherten Unfalls als solcher die Weiterdauer der Versicherteneigenschaft und damit des Versicherungsschutzes gerade nicht. Deshalb kann sich das kausale "wegen" notwendigerweise nicht auf das "und versichert ist" beziehen. Aus diesen grammatikalisch-systematischen Überlegungen ergibt sich schlüssig, dass das Erfordernis "und versichert ist" in Art. 100 Abs. 1 UVV generell die blosse unfallversicherungsrechtliche Versicherteneigenschaft meint. Damit erwarb BGE 120 V 65 S. 74 sich der Beschwerdegegner durch den Antritt der Vollzeitarbeit in der I. AG erneut die Versichertenqualität, weshalb er nach Art. 100 Abs. 1 UVV von der SUVA die Zusprechung der gesetzlichen Leistungen aus dem zweiten Unfall vom 1. Mai 1992 beanspruchen kann. Damit hält der angefochtene Gerichtsentscheid im Ergebnis stand.
null
nan
de
1,994
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
00d31983-b0b5-4c61-a5e9-0664b9f8d2a1
Urteilskopf 105 IV 286 72. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 5. Oktober 1979 i.S. Generaldirektion PTT gegen T. (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste 1. Art. 268 Ziff. 1 BStP . In Verwaltungsstrafsachen ist die Nichtigkeitsbeschwerde gegen Urteile unterer Gerichte auch zulässig, wenn diese als einzige kantonale Instanz entschieden haben (E. 2). 2. Art. 80 Abs. 2, 83 Abs. 1 VStrR. Die beteiligte Verwaltung ist selbständig zur Beschwerde legitimiert (E. 3).
Erwägungen ab Seite 287 BGE 105 IV 286 S. 287 Aus den Erwägungen: 2. Das Verwaltungsstrafrecht regelt die Zulassung der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde gegen Urteile der kantonalen Gerichte insofern abweichend vom Bundesstrafprozess, als Art. 83 VStrR absichtlich nicht auf Art. 268 BStP verweist und die in dieser Bestimmung enthaltene Beschränkung der Beschwerdemöglichkeit unerwähnt lässt (vgl. PETER, ZStR 1974/90, S. 356). Im Bereiche des Verwaltungsstrafrechts ist daher entgegen Art. 268 Ziff. 1 Satz 2 BStP die Nichtigkeitsbeschwerde gegen Urteile unterer Gerichte auch dann zulässig, wenn diese als einzige kantonale Instanz entschieden haben (nicht veröffentlichtes Urteil des Kassationshofes vom 30. Juli 1979 i.S. Ferraris c. Zürich). 3. Nach der nicht näher begründeten Auffassung von PETER (ZStR 1974/90, S. 354) soll die beteiligte Verwaltungsbehörde kein Rechtsmittel ergreifen können und die Beschwerdelegitimation ausschliesslich dem Bundesanwalt zustehen. Peter zieht diesen Schluss offenbar einerseits aus Art. 78 Abs. 1 VStrR , wonach für den Rückzug der Strafverfügung während des Gerichtsverfahrens die Zustimmung des Bundesanwalts erforderlich ist, und anderseits aus der Vorschrift des Art. 80 Abs. 2 VStrR , welche dem Bundesanwalt ausdrücklich die Befugnis zur Ergreifung kantonaler Rechtsmittel einräumt. Im vorliegenden Fall hat die Bundesanwaltschaft kein Rechtsmittel eingelegt, so dass zu prüfen ist, ob die Generaldirektion PTT - entgegen der Auffassung von Peter - als beteiligte Verwaltung zur Beschwerde legitimiert ist. Für die selbständige Beschwerdelegitimation der beteiligten Verwaltung spricht Art. 74 Abs. 1 VStrR , welcher für das gerichtliche BGE 105 IV 286 S. 288 Verfahren der beteiligten Verwaltung (neben dem Beschuldigten, dem öffentlichen Ankläger des Kantons und dem Bundesanwalt) Parteistellung zuerkennt. In Art. 80 Abs. 2 und Art. 83 Abs. 1 VStrR wird allerdings ausdrücklich gesagt, dass die kantonalen Rechtsmittel und die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde "auch dem Bundesanwalt" zustehen. Aus dieser Formulierung lässt sich aber keineswegs ableiten, die beteiligte Verwaltung werde von der Beschwerdemöglichkeit ausgeschlossen und im Rechtsmittelverfahren durch den Bundesanwalt vertreten. Ein solcher Sinn kann auch nicht dem Umstand entnommen werden, dass die Beschwerdelegitimation des Bundesanwalts in Art. 80 Abs. 2 und Art. 83 Abs. 1 VStrR besonders erwähnt wird, schliesst doch die in beiden Bestimmungen gebrauchte Wendung "auch dem Bundesanwalt" die Anfechtungsmöglichkeit anderer Parteien nicht aus. Hätte die Beschwerdebefugnis ausschliesslich dem Bundesanwalt erteilt, anderen Parteien (wie der beteiligten Verwaltung oder dem kantonalen Ankläger) aber entzogen werden wollen, so hätte eine solche Regelung im Gesetz klar und eindeutig zum Ausdruck gebracht werden müssen. Das ist nicht geschehen. Denkbar wäre, dass der Gesetzgeber zur Vermeidung von Unzukömmlichkeiten, die sich aus der konkurrierenden Beschwerdelegitimation zweier Bundesstellen ergeben können, die Einlegung eines Rechtsmittels durch die Verwaltung an das Erfordernis der Zustimmung des Bundesanwalts geknüpft hätte (analog zu Art. 78 Abs. 1 VStrR ). Für eine solche Beschränkung fehlt aber jeder Anhaltspunkt, so dass davon auszugehen ist, der beteiligten Verwaltung komme als Partei eine selbständige Beschwerdebefugnis zu. Der von der Generaldirektion PTT beim Obergericht des Kantons Zürich eingereichte Rekurs ist daher als eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde entgegenzunehmen.
null
nan
de
1,979
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
00e0c811-4bd0-4463-8cc2-7b1db6f43ca2
Urteilskopf 82 III 35 13. Arrêt du 6 mars 1956 dans la cause Schweizer.
Regeste Art. 125 Abs. 3 SchKG enthält keine blosse Ordnungsvorschrift; die Nichtbeachtung rechtfertigt die Aufhebung der Steigerung. Wer durch die Missachtung des Art. 125 Abs. 3 SchKG betroffen ist, kann die Steigerung selbst innerhalb der Frist des Art. 17 SchKG durch Beschwerde anfechten.
Sachverhalt ab Seite 36 BGE 82 III 35 S. 36 A.- Dans les poursuites dirigées contre Kurt Brand, à Pully, l'Office des poursuites de Lausanne-Quest a saisi les droits du débiteur dans la succession de son père, décédé le 13 décembre 1950 à Müllheim (Thurgovie). La vente de cette part ayant été ordonnée par l'Autorité inférieure de surveillance, le 21 juillet 1955, l'office a fixé les enchères au 30 septembre 1955 et en a informé les intéressés par avis des 23 et 24 septembre 1955. Un certain nombre de ces avis n'ont toutefois été consignés à la poste que le 26 septembre 1955. Il en a été ainsi notamment de l'avis destiné à la créancière demoiselle Alice-Anna Wieser, à Romanshorn, qui ne l'a reçu que le 27 septembre. La publication de la vente a paru dans la Feuille d'Avis de Lausanne du 26 septembre 1955. Les enchères ont eu lieu le 30 septembre 1955 et la part successorale saisie au préjudice du débiteur a été adjugée pour 50 fr. au créancier Marcel Schweizer, dont le mandataire, l'agent d'affaires Peitrequin, assistait seul à la vente. Me Fischer, avocat à Romanshorn, conseil de demoiselle Wieser, a eu connaissance du résultat des enchères au cours d'un entretien téléphonique qu'il a eu le 1er octobre 1955 avec l'Office des poursuites de Lausanne-Quest. Par acte consigné à la poste le 10 octobre 1955, demoiselle Wieser a porté plainte à l'Autorité inférieure de surveillance et a conclu à l'annulation de la vente; elle s'est prévalue du fait que l'avis de vente ne lui était pas parvenu trois jours pleins avant les enchères. L'Autorité inférieure de surveillance, par décision du 24 novembre 1955, a admis la plainte et annulé la vente. Elle a tenu pour constant que l'avis destiné à la plaignante BGE 82 III 35 S. 37 n'avait pas atteint celle-ci ou son conseil trois jours pleins avant la vente et qu'en conséquence les enchères devaient être annulées parce qu'elles n'avaient pas été fixées de façon régulière. B.- Saisie d'un recours interjeté par Schweizer, la Cour des poursuites et faillites du Tribunal cantonal vaudois a confirmé la décision attaquée, par arrêt du 2 février 1956. C.- Schweizer a formé, en temps utile, un recours au Tribunal fédéral contre cet arrêt; il conclut à ce que la plainte de demoiselle Wieser soit "écartée préjudiciellement pour cause de tardiveté, la vente aux enchères du 30 septembre 1955 étant validée". Erwägungen Considérant en droit: Le recourant ne conteste pas que demoiselle Wieser n'a pas été avisée de la vente trois jours pleins avant que celle-ci ait lieu. Il prétend en revanche que le délai pour porter plainte en raison de cette irrégularité courait à partir du moment où l'intéressée a reçu l'avis de vente, qu'il expirait dès lors le 7 octobre 1955 et que la plainte déposée le 10 octobre 1955 est tardive. Ce moyen n'est pas fondé. Si l'opinion de JAEGER (Commentaire LP, éd. française, vol. I, p. 461, note 2 lettre E) invoquée par le recourant, selon laquelle l'intéressé doit, s'il en a la possibilité, porter plainte immédiatement contre les mesures illégales ou inopportunes prises par l'office pendant la préparation des enchères, peut se justifier lorsqu'il est ainsi possible d'empêcher qu'une vente irrégulière n'ait lieu, elle ne saurait valoir dans les cas où, comme en l'espèce, le délai de dix jours, pour porter plainte en raison de l'inobservation de l'art. 125 al 3 LP, expire de toute façon après la date fixée pour les enchères, même si on le fait courir dès le jour de la réception de l'avis tardif. Au surplus, JAEGER ne déclare pas que le principe qu'il énonce serait applicable au cas d'une violation de l'art. 125 al. 3 LP, et aucun des arrêts qu'il cite dans le passage auquel se BGE 82 III 35 S. 38 réfère le recourant ne concerne une situation semblable à l'espèce. Dans la note où il traite des conséquences de l'omission de l'avis prévu par l'art. 125 al. 3 LP, il admet en revanche sans restriction que cette irrégularité peut donner lieu à l'annulation de l'enchère. En l'espèce, le recourant reconnaît expressément que, même si l'on faisait partir le délai de plainte du jour où l'intéressé a reçu l'avis tardif, il n'aurait expiré que le 7 octobre 1955, soit sept jours après la vente. Il n'y a dès lors aucun motif de fixer de cette façon le point de départ du délai de plainte. Selon la jurisprudence (RO 38 I 741, 791), la règle de l'art. 125 al. 3 LP n'est pas une simple prescription d'ordre dont l'inobservation serait sans influence sur la validité des enchères; cette disposition doit permettre aux intéressés et particulièrement aux créanciers de sauvegarder leurs intérêts lors de la vente, soit en prenant part eux-mêmes aux enchères, soit en s'y faisant représenter, soit en engageant d'autres personnes à y participer; l'inobservation de cette disposition comporte une violation de la procédure de réalisation, qui est ainsi viciée, et justifie l'annulation des enchères. En raison de l'importance reconnue à l'art. 125 al. 3 LP par la jurisprudence, l'intéressé qui entend se plaindre du fait que l'office ne s'y est pas conformé doit être recevable à porter plainte contre les enchères elles-mêmes dans le délai de l'art. 17 LP. Dispositiv Par ces motifs, la Chambre des poursuites et des faillites prononce: Le recours est rejeté.
null
nan
fr
1,956
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
00e4da5b-ab0d-4262-862e-7a9451027126
Urteilskopf 124 II 110 15. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit public du 23 janvier 1998 dans la cause Hasan Kaynak contre Département fédéral de justice et police (recours de droit administratif)
Regeste Art. 13 lit. f BVO : Ausnahme von den Begrenzungsmassnahmen. (Härtefall) Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 13 lit. f BVO (E. 2). Bedeutung der Aufenthaltsdauer in der Schweiz bei der Würdigung der Situation eines Ausländers unter dem Gesichtspunkt von Art. 13 lit. f BVO . Ein Aufenthalt von zumindest zehn Jahren führt grundsätzlich zur Gewährung einer Ausnahme von den Begrenzungsmassnahmen, vorausgesetzt dass sich der Ausländer tadellos verhalten hat, finanziell unabhängig sowie sozial und beruflich allgemein gut integriert ist (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 110 BGE 124 II 110 S. 110 A.- Hasan Kaynak, ressortissant turc né le 5 février 1963, est arrivé en Suisse le 15 décembre 1987 pour déposer aussitôt BGE 124 II 110 S. 111 une demande d'asile, laquelle est toujours pendante auprès de la Commission suisse de recours en matière d'asile. Le 14 décembre 1993, les autorités bâloises ont informé l'Office fédéral des étrangers qu'elles entendaient délivrer à Hasan Kaynak, en application de l'art. 17 al. 2 de la loi fédérale du 5 octobre 1979 sur l'asile (LAsi; RS 142.31), une autorisation de séjour hors contingent fondée sur l'art. 13 lettre f de l'ordonnance du 6 octobre 1986 limitant le nombre des étrangers (OLE; RS 823.21). Par décision du 17 janvier 1994, confirmée sur recours le 15 décembre 1994 par le Département fédéral de justice et police (ci-après: le Département fédéral), l'Office fédéral des étrangers a refusé d'accorder une telle exception aux mesures de limitation. Le 25 mars 1996, les autorités bâloises ont à nouveau requis l'Office fédéral des étrangers d'accorder à l'intéressé une exemption au sens de l'art. 13 lettre f OLE. Le 25 juillet 1996, l'Office fédéral des étrangers a rejeté cette demande. B.- Statuant sur recours de Hasan Kaynak le 17 septembre 1997, le Département fédéral a confirmé cette décision. Certes, l'intéressé vivait depuis un peu plus de neuf ans et demi en Suisse où séjournaient une partie de sa famille et son amie. De même, il s'était comporté en Suisse de manière irréprochable; en particulier, il avait rapidement trouvé du travail et toujours eu à coeur de ne pas être une charge pour la société qui l'accueillait, ce qui démontrait sa bonne intégration professionnelle. Toutefois, Hasan Kaynak avait passé sa jeunesse et la plus grande partie de sa vie en Turquie, où vivaient sa mère, son oncle et des frères et soeurs. En outre, son activité de serveur dans un restaurant n'avait pas nécessité de formation spécialisée et, s'il ne pouvait exploiter la ferme familiale en Turquie, celle-ci ayant été transférée à son oncle, il lui serait certainement possible de faire valoir son nouvel acquis professionnel dans son pays d'origine. C.- Agissant le 20 octobre 1997 par la voie du recours de droit administratif, Hasan Kaynak conclut à l'annulation de la décision du Département fédéral du 17 septembre 1997 et à l'octroi d'une exception aux mesures de limitation selon l'art. 13 lettre f OLE. Le Département fédéral conclut au rejet du recours. Erwägungen Extrait des considérants: 2. Les mesures de limitation visent, en premier lieu, à assurer un rapport équilibré entre l'effectif de la population suisse et celui BGE 124 II 110 S. 112 de la population étrangère résidante, ainsi qu'à améliorer la structure du marché du travail et à assurer un équilibre optimal en matière d'emploi (art. 1er lettres a et c OLE). L'art. 13 lettre f OLE soustrait aux mesures de limitation "les étrangers qui obtiennent une autorisation de séjour dans un cas personnel d'extrême gravité ou en raison de considérations de politique générale". Cette disposition a pour but de faciliter la présence en Suisse d'étrangers qui, en principe, seraient comptés dans les nombres maximums fixés par le Conseil fédéral, mais pour lesquels cet assujettissement paraîtrait trop rigoureux par rapport aux circonstances particulières de leur cas ou pas souhaitable du point de vue politique. Il découle de la formulation de l'art. 13 lettre f OLE que cette disposition dérogatoire présente un caractère exceptionnel et que les conditions auxquelles la reconnaissance d'un cas de rigueur est soumise doivent être appréciées restrictivement. Il est nécessaire que l'étranger concerné se trouve dans une situation de détresse personnelle. Cela signifie que ses conditions de vie et d'existence, comparées à celles applicables à la moyenne des étrangers, doivent être mises en cause de manière accrue, c'est-à-dire que le refus de soustraire l'intéressé aux restrictions des nombres maximums comporte pour lui de graves conséquences. Lors de l'appréciation d'un cas personnel d'extrême gravité, il y a lieu de tenir compte de l'ensemble des circonstances du cas particulier. La reconnaissance d'un cas personnel d'extrême gravité n'implique pas forcément que la présence de l'étranger en Suisse constitue l'unique moyen pour échapper à une situation de détresse. Par ailleurs, le fait que l'étranger ait séjourné en Suisse pendant une assez longue période, qu'il s'y soit bien intégré socialement et professionnellement et que son comportement n'ait pas fait l'objet de plaintes ne suffit pas, à lui seul, à constituer un cas d'extrême gravité; il faut encore que la relation du requérant avec la Suisse soit si étroite qu'on ne saurait exiger qu'il aille vivre dans un autre pays, notamment dans son pays d'origine. A cet égard, les relations de travail, d'amitié ou de voisinage que le requérant a pu nouer pendant son séjour ne constituent normalement pas des liens si étroits avec la Suisse qu'ils justifieraient une exemption des mesures de limitation du nombre des étrangers ( ATF 123 II 125 consid. 2 p. 126/127 et consid. 5b/aa p. 132; ATF 119 Ib 33 consid. 4c p. 43; 117 Ib 317 consid. 4b p. 321/322). 3. Ainsi que l'a reconnu le Département fédéral, le recourant est bien intégré sur le plan professionnel et s'est toujours comporté de manière irréprochable en Suisse. De plus, le recourant est financièrement BGE 124 II 110 S. 113 autonome, est bien assimilé sur le plan social et entretient de bonnes relations avec son entourage. En outre, plusieurs membres de sa famille vivent en Suisse. Enfin, il n'a pas été contesté qu'il maîtrise le dialecte de Bâle, où il séjourne depuis son arrivée en Suisse. En principe, un long séjour en Suisse et une intégration normale, comme en l'espèce, ne suffisent pas à eux seuls pour obtenir une exception aux mesures de limitation. La jurisprudence en a ainsi décidé même dans le cas où les intéressés se trouvaient en Suisse depuis sept à huit ans (ALAIN WURZBURGER, La jurisprudence récente du Tribunal fédéral en matière de police des étrangers, RDAF 53/1997 I, p. 295 et les références citées à la note 85). Toutefois, dans l'appréciation d'ensemble de la situation d'un étranger sollicitant une exemption des mesures de limitation au sens de l'art. 13 lettre f OLE, il y a lieu de tenir compte de la très longue durée du séjour en Suisse. Dans un tel cas, l'exigence d'autres circonstances particulières attachées à la reconnaissance d'un cas de rigueur, telles qu'une intégration nettement supérieure à la moyenne ou d'autres facteurs rendant un retour au pays d'origine spécialement difficile, sera moins grande que si la présence en Suisse du requérant est relativement récente. On doit même admettre qu'à partir d'un séjour de dix ans en Suisse, le renvoi dans le pays d'origine d'un requérant dont la demande d'asile n'a pas encore été définitivement tranchée comporte normalement une rigueur excessive constitutive du cas personnel d'extrême gravité de l'art. 13 lettre f OLE, pour autant qu'il s'agisse d'un étranger financièrement autonome, bien intégré sur les plans social et professionnel et qui s'est comporté jusqu'ici tout à fait correctement. Enfin, encore faut-il que la durée du séjour n'ait pas été artificiellement prolongée par l'utilisation abusive de procédures dilatoires. Le recourant répond à ces conditions, de sorte qu'il doit bénéficier d'une exception aux mesures de limitation.
public_law
nan
fr
1,998
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
Federation
00e4ee8f-ddf7-4764-a26b-20613b14b736
Urteilskopf 117 II 11 3. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 22 janvier 1991 dans la cause S. contre dame S. (recours en réforme)
Regeste Löschung der Eintragung eines ausländischen Scheidungsurteils in den Zivilstandsregistern. Die Entscheidung der kantonalen Aufsichtsbehörde im Zivilstandswesen, mit der die Eintragung eines ausländischen Scheidungsurteils in den Zivilstandsregistern angeordnet wird, steht einer die Löschung oder Abänderung der fraglichen Eintragung anstrebenden Statusklage nicht im Wege.
Erwägungen ab Seite 12 BGE 117 II 11 S. 12 Extrait des considérants: 4. Il est exact que, dans l'application de l' art. 137 OEC concernant la transcription d'actes étrangers, notamment d'un jugement de divorce, l'autorité cantonale de surveillance dispose d'un plein pouvoir d'examen, qui peut même porter sur de délicates questions de droit international privé ( ATF 110 II 7 consid. 1b et les arrêts cités). A cet égard, l' ATF 87 I 472 est dépassé, comme le dit le recourant. En outre, la compétence de l'autorité cantonale de surveillance est considérée comme exclusive, dans la mesure où elle exclut une procédure cantonale d'exequatur ( ATF 99 Ib 241 consid. 2). L' art. 32 LDIP (qui n'était pas encore en vigueur au moment où la décision de transcription a été rendue) est fondé sur les mêmes principes. Mais cela ne signifie nullement que la décision de l'autorité cantonale de surveillance qui ordonne l'inscription fasse obstacle à une action d'état tendant à obtenir la radiation ou la modification de l'inscription en question. Le recourant perd de vue qu'une telle décision n'est que la condition de l'inscription dans les registres de l'état civil, que cette inscription n'apporte pas la preuve irréfragable des faits qu'elle constate et que l' art. 9 al. 1 CC permet expressément d'en prouver l'inexactitude (KUMMER, Berner Kommentar, n. 64 ad art. 9 CC ; ATF 114 II 4 consid. 3 et les références). La décision administrative d'inscription ne préjuge en rien de la compétence du juge pour statuer sur la validité du fait constaté par l'inscription ( ATF 91 I 373 ). Elle a uniquement une valeur déclarative et n'acquiert pas la force de chose jugée au sens matériel (GULDENER, Das internationale und interkantonale Zivilprozessrecht der Schweiz, Zurich 1951, p. 118 ch. 4; AUBERT, La transcription des divorces étrangers BGE 117 II 11 S. 13 dans les registres de l'état civil suisse, REC 1959 p. 339; BÜHLER/SPÜHLER, Berner Kommentar, Einleitung, n. 193; ATF 113 II 113 en haut). Il n'y a aucune raison de revenir sur cette pratique, qui est conforme à la nature de l'inscription dans les registres publics, ainsi qu'à la règle exprimée par l' art. 9 al. 1 CC . Il n'y a pas non plus de raisons (le recourant n'en indique du reste pas) de soustraire au juge du divorce l'examen, à titre préjudiciel, de la question relative au maintien, en dépit d'un jugement de divorce étranger invoqué par la partie défenderesse, du lien conjugal dont la dissolution est demandée ( ATF 114 II 4 consid. 1 et les références).
public_law
nan
fr
1,991
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
Federation
00e5abfc-9ed3-4217-907a-64a5978cf3a5
Urteilskopf 121 I 42 5. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 18. Januar 1995 i.S. W. gegen Staatsrat des Kantons Freiburg (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Art. 84 ff. OG ; Anfechtbarkeit von Aufsichtsentscheiden mit staatsrechtlicher Beschwerde. Entscheide, mit welchen auf eine Aufsichtsbeschwerde nicht eingetreten, diese abgewiesen oder ihr keine Folge gegeben wird, sind nicht mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechtbar (E. 2a; Bestätigung der Rechtsprechung). Aufsichtsrechtlicher Charakter eines Verfahrens vor dem Freiburger Staatsrat, in dem der Gesuchsteller die Beseitigung der religiösen Symbole aus den Gerichtsräumen des Kantons Freiburg verlangte (E. 2b-e). Art. 84 ff. OG ; Art. 49 BV ; Rechtsschutz gegen die Ausstattung der Gerichtssäle mit Kruzifixen. Soweit nicht ein Rechtssatz angefochten wird, ist als Anfechtungsobjekt der staatsrechtlichen Beschwerde ein individuell-konkreter, den Beschwerdeführer persönlich treffender Akt erforderlich. Grundsätzliche Anfechtbarkeit des Entscheids, die Hauptverhandlung eines Ehescheidungsprozesses nicht in einem Saal ohne Kruzifix durchzuführen (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 43 BGE 121 I 42 S. 43 A.- W., der in der Stadt Freiburg wohnt und in Bern als Fürsprecher - mit Zulassung auch für den Kanton Freiburg - tätig ist, stellte am 22. Oktober 1990 mit einer als Aufsichtsbeschwerde bezeichneten Eingabe beim Kantonsgericht Freiburg folgendes Begehren: "1. Die zuständigen Gerichtsbehörden sämtlicher kantonaler Gerichte seien anzuweisen, die in den öffentlich zugänglichen Räumen, namentlich Verhandlungssälen und Warteräumen, aufgehängten Kruzifixe umgehend zu entfernen. 2. Die Kruzifixe seien auch aus den Büroräumen zu entfernen, die der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind, sofern die darin arbeitenden Beamten und Beamtinnen die Beibehaltung nicht einstimmig ausdrücklich wünschen. 3. Eventuell sei die Beschwerde an den Staatsrat zur Behandlung zu überweisen." Das Kantonsgericht eröffnete in der Folge ein Vernehmlassungsverfahren bei den Bezirks- und Friedensgerichten des Kantons. B.- Am 26. März 1991 reichte W. beim Bezirksgericht der Saane in Freiburg die Klage auf Scheidung seiner Ehe ein. Am 10. Mai 1991 ersuchte er das Kantonsgericht, über die oben erwähnte Aufsichtsbeschwerde noch vor der auf BGE 121 I 42 S. 44 den 7. Juni 1991 angesetzten Hauptverhandlung im Scheidungsprozess zu entscheiden. Am gleichen Tag stellte er beim Bezirksgericht der Saane den Antrag, es sei die Hauptverhandlung vom 7. Juni 1991 in einem Gerichtssaal ohne Kruzifix durchzuführen. Das Kantonsgericht teilte W. am 21. Mai 1991 mit, es überlasse den Entscheid, ob die Scheidungsverhandlung in einem Gerichtssaal ohne Kruzifix durchzuführen sei, dem Präsidenten des Bezirksgerichts. Dessen Entscheid könne auf dem Rechtsmittelweg angefochten werden. Das Bezirksgericht wies das Gesuch, die Verhandlung in einem Saal ohne Kruzifix durchzuführen, ab. Es entsprach aber am 7. Oktober 1991 dem Scheidungsbegehren von W. Das Urteil des Bezirksgerichts blieb unangefochten. C.- Nach Eingang der Stellungnahmen der Bezirks- und Friedensgerichte überwies das Kantonsgericht Freiburg am 24. Juli 1992 die Aufsichtsbeschwerde vom 22. Oktober 1990 an den Staatsrat des Kantons Freiburg. Dieser wies sie am 18. Januar 1993 ab, soweit er darauf eintrat. D.- W. hat gegen den Entscheid des Staatsrats vom 18. Januar 1993 eine staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht erhoben. Er beantragt, es sei der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Angelegenheit an den Staatsrat zur Neubeurteilung zurückzuweisen. Ferner stellt er den Antrag, es hätten die Mitglieder des Bundesgerichts, welche einer Kirche angehören, die das Kreuz - insbesondere das Kruzifix - als Hauptsymbol betrachte, in den Ausstand zu treten und die zuständige Abteilung des Bundesgerichts habe die Beschwerde in einem Gerichtssaal ohne Kruzifix oder Kreuz zu beurteilen. Nach Auffassung des Beschwerdeführers verletzt der Entscheid des Staatsrats primär den Anspruch auf rechtliches Gehör ( Art. 4 BV ), ferner subsidiär die Grundrechte der Religions-, Gewissens- und Meinungsäusserungsfreiheit ( Art. 49 BV , Art. 9 EMRK , Art. 1 Abs. 1 der Freiburger Staatsverfassung) und der Handels- und Gewerbefreiheit ( Art. 31 BV ) sowie den Anspruch auf einen unabhängigen und unparteiischen Richter ( Art. 4 und 58 BV , Art. 6 EMRK ). Mit Eingaben vom 1. März 1993, 31. März 1993 und 22. Dezember 1993 ergänzte der Beschwerdeführer seine Vorbringen. Der Staatsrat des Kantons Freiburg beantragt, es sei auf die Beschwerde nicht einzutreten, eventuell sei sie abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden könne. BGE 121 I 42 S. 45 Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde nicht ein Erwägungen aus folgenden Erwägungen: 2. a) Nach der ständigen Rechtsprechung kann der Entscheid einer Behörde, auf eine Aufsichtsbeschwerde nicht einzutreten, sie abzuweisen oder ihr keine Folge zu geben, nicht mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden ( BGE 116 Ia 8 E. 1a S. 10; BGE 109 Ia 251 E. 3 S. 252; BGE 106 Ia 310 E. 6 S. 321). Dem Aufsichtsmassnahmen ablehnenden Beschluss fehlt der Verfügungscharakter, da er keinen Akt darstellt, der ein Verhältnis zwischen der Verwaltung und einem Bürger verbindlich regelt ( BGE 102 Ib 81 E. 3 S. 85). Zugleich geht dem Aufsichtsbeschwerdeführer das nach Art. 88 OG vorausgesetzte rechtlich geschützte Interesse ab, da die Einreichung einer Aufsichtsbeschwerde keinen Anspruch auf materielle Prüfung und Erledigung vermittelt ( BGE 109 Ia 251 E. 3 S. 252). b) Der Beschwerdeführer bezeichnete seine Eingabe an das Kantonsgericht vom 22. Oktober 1990, mit welcher er die Beseitigung der religiösen Symbole aus den Gerichtsräumen verlangte, als "Aufsichtsbeschwerde". Auch der Staatsrat, an den die Angelegenheit in der Folge weitergeleitet wurde, stufte sie als Aufsichtsbeschwerde ein. In den Erwägungen seines Entscheids führte er allerdings einleitend aus, der Beschwerdeführer besitze als Einwohner des Kantons Freiburg und als in diesem Kanton zugelassener Anwalt die erforderliche Aktivlegitimation, zumal er ein aktuelles und schützenswertes Interesse geltend machen könne. Unter Hinweis auf diese Feststellung des Staatsrats erachtet sich der Beschwerdeführer zur Einreichung einer staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert. Zwar habe er seine Eingabe seinerzeit als Aufsichtsbeschwerde bezeichnet. Da es aber um die Durchsetzung eines verfassungsrechtlichen Anspruchs gehe, müssten die für das streitige Verwaltungs- bzw. Verwaltungsjustizverfahren geltenden Verfahrensbestimmungen Anwendung finden. Der Staatsrat vertritt demgegenüber die Auffassung, sein Entscheid, der Aufsichtsbeschwerde keine Folge zu geben, stelle keinen mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechtbaren Akt dar. c) Nach dem kantonalen Recht bestimmt sich, welchen Charakter das vor dem Kantonsgericht bzw. dem Staatsrat durchgeführte kantonale Verfahren hatte. Der Beschwerdeführer stützt sein Begehren um Entfernung der religiösen Symbole aus den Gerichtssälen ausdrücklich auf Art. 95 des Gesetzes über BGE 121 I 42 S. 46 die Gerichtsorganisation vom 22. November 1949 (Gerichtsorganisationsgesetz, GOG). Nach dieser Bestimmung übt das Kantonsgericht unter Vorbehalt der Unabhängigkeit der Urteile die unmittelbare Aufsicht über die Gerichtsverwaltung aus (Abs. 1). Es überwacht seine Mitglieder sowie die übrigen Behörden und Beamten des Gerichtswesens in ihrer Amtsführung (Abs. 2) und gibt diesen von Amtes wegen oder auf Gesuch hin die nötigen Weisungen (Abs. 3). Dem Staatsrat obliegt gemäss Art. 96 GOG die Aufgabe, allgemein die Gerichtsverwaltung zu überwachen (Abs. 1). Seine Beobachtungen hat er dem Kantonsgericht zu übermitteln, und schwere Fälle kann er vor den Grossen Rat bringen (Abs. 2). Eine mit dieser Regelung übereinstimmende Kompetenzvorschrift enthält Art. 52 Abs. 1 lit. h der Staatsverfassung vom 7. Mai 1857 (KV; SR 131.219), nach welcher der Staatsrat den allgemeinen Justizgang zu überwachen hat. Schliesslich sehen die Art. 122 ff. GOG vor, dass der Staat dem Kantonsgericht Räumlichkeiten und Mobiliar zur Verfügung stellt, während dafür bei den Bezirks- und Friedensgerichten die betreffenden Gemeinden zu sorgen haben. Nötigenfalls trifft der Staatsrat auf Kosten der Gemeinden die erforderlichen Massnahmen (Art. 129 GOG). Er erlässt auch ein Reglement mit den für die Verhandlungssäle und anderen Räumlichkeiten, die Archive, das Bedarfsmaterial und die Gefängnisse nötigen Vorschriften, soweit das Gesetz keine diesbezüglichen Bestimmungen enthält (Art. 130 GOG). d) Wie die erwähnten Aufsichtsfunktionen von Kantonsgericht und Staatsrat voneinander abzugrenzen sind, bedarf an dieser Stelle keiner weiteren Abklärung. Jedenfalls handelte der Staatsrat, wenn er aufgrund der ihm überwiesenen Eingabe des Beschwerdeführers über eine allfällige Anweisung betreffend Ausgestaltung der Gerichtsräumlichkeiten zu entscheiden hatte, nicht im Rahmen eines individualrechtlichen Rechtsschutzverfahrens, sondern als Aufsichtsbehörde im Sinne von Art. 52 Abs. 1 lit. h KV und Art. 96 GOG. Nach Art. 112 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vom 23. Mai 1991 (VRG) verschafft die Einreichung einer Aufsichtsbeschwerde, vorbehältlich besonderer spezialgesetzlicher Bestimmungen, keine Parteirechte. Der Anzeiger hat lediglich Anspruch darauf, dass ihm die angegangene Behörde mitteilt, ob sie aufgrund der Aufsichtsbeschwerde etwas veranlasst hat oder nicht (Art. 112 Abs. 2 VRG). Dass und gegebenenfalls aufgrund welcher kantonaler Bestimmungen vorliegend etwas anderes gelten sollte, ist nicht ersichtlich. Der Hinweis des Beschwerdeführers auf Art. 11 BGE 121 I 42 S. 47 Abs. 1 lit. a VRG ist nicht stichhaltig, da sich diese Vorschrift offensichtlich nur auf Verfügungsverfahren und nicht auch auf Aufsichtsbeschwerden bezieht. Für letztere gilt die Spezialregelung von Art. 112 VRG. Die Tatsache, dass im angefochtenen Entscheid von der "Aktivlegitimation" des Beschwerdeführers die Rede ist, stellt die Einstufung der Eingabe als Aufsichtsbeschwerde ebenfalls nicht in Frage. Wohl ist die Befugnis zur Einreichung einer solchen an keine besonderen Legitimationsvoraussetzungen geknüpft. Insofern mag die erwähnte Legitimationserwägung des angefochtenen Entscheids unpassend erscheinen. Es ist einer Aufsichtsbehörde jedoch nicht verwehrt, die - in ihr Ermessen gestellte - Prüfung eines Anliegens wie in einem förmlichen Rechtsschutzverfahren davon abhängig zu machen, ob der Anzeiger durch die beanstandeten Verhältnisse in schutzwürdigen eigenen Interessen berührt ist, die allenfalls eine Intervention rechtfertigen könnten, oder ob es sich um Vorbringen handelt, deren aufsichtsrechtliche Behandlung weder im allgemeinen noch im Interesse des Anzeigers geboten erscheint. Im übrigen wird die Eingabe des Beschwerdeführers im angefochtenen Entscheid durchwegs als Aufsichtsbeschwerde bezeichnet, und der Staatsrat leitete seine Kompetenz zu ihrer Behandlung aus den erwähnten Bestimmungen des Gerichtsorganisationsgesetzes ab, welche die Aufsicht über die Justizverwaltung regeln. Unter ausdrücklichem Hinweis auf die erwähnte Sondervorschrift von Art. 134 VRG, wonach Aufsichtsbeschwerden grundsätzlich kostenlos sind, verzichtete der Staatsrat auch auf die Erhebung von Verfahrenskosten. e) Das vor dem Kantonsgericht bzw. dem Staatsrat durchgeführte Verfahren hatte somit rein aufsichtsrechtlichen Charakter. Bei dieser Sachlage kann nach der angeführten Rechtsprechung der angefochtene abschlägige Entscheid des Staatsrats nicht mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden. Dies gilt auch, soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung von Parteirechten rügt, da dem Anzeiger im Aufsichtsbeschwerdeverfahren wie erwähnt von vornherein keine Parteistellung zukommt. Der Rechtsuchende kann in diesem Zusammenhang allein geltend machen, es sei seine Eingabe zu Unrecht als blosse Aufsichtsbeschwerde und nicht als förmliches Rechtsmittel behandelt und ihm daher zu Unrecht die Parteistellung abgesprochen worden ( BGE 119 Ia 4 E. 1 S. 5; zur Publikation bestimmtes Urteil des Bundesgerichts vom 18. Januar 1995 i.S. VPM c. Regierungsrat des Kantons Zürich, E. 1c). Einen solchen Vorwurf erhebt der Beschwerdeführer BGE 121 I 42 S. 48 zu Recht nicht, hat er doch seine Eingabe an das Kantonsgericht ausdrücklich als Aufsichtsbeschwerde bezeichnet. f) Aus diesen Gründen ist auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht einzutreten. 3. Dieses Ergebnis stellt nicht in Frage, dass sich der Beschwerdeführer mit staatsrechtlicher Beschwerde gegen die Ausstattung von Gerichtssälen mit Kruzifixen zur Wehr setzen kann, wenn er sich dadurch in seinen verfassungsmässigen Rechten für verletzt hält. Soweit nicht ein Rechtssatz angefochten wird, ist jedoch als Anfechtungsobjekt ein individuell-konkreter, den Beschwerdeführer persönlich treffender Anwendungsakt erforderlich. Während des Aufsichtsbeschwerdeverfahrens hat der Beschwerdeführer beim Bezirksgericht der Saane in Freiburg den Antrag gestellt, es sei die Hauptverhandlung des ihn persönlich betreffenden Ehescheidungsprozesses in einem Saal ohne Kruzifix durchzuführen. Das Bezirksgericht wies diesen Verfahrensantrag am 7. Oktober 1991 ab. Der Beschwerdeführer hätte diesen abweisenden Entscheid mit einem kantonalen Rechtsmittel anfechten können, worauf ihn das Kantonsgericht im Schreiben vom 21. Mai 1991 hingewiesen hatte. Der letztinstanzliche kantonale Entscheid wäre mit staatsrechtlicher Beschwerde beim Bundesgericht anfechtbar gewesen. Der Beschwerdeführung hätte nicht entgegengestanden, dass die Hauptverhandlung im Zeitpunkt des Entscheids längst abgeschlossen war, da auf das Erfordernis eines aktuellen Interesses verzichtet wird, wenn sich der gerügte Eingriff jederzeit wiederholen könnte, an der Beantwortung der aufgeworfenen Fragen wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung ein hinreichendes öffentliches Interesse besteht und eine rechtzeitige verfassungsgerichtliche Überprüfung kaum je möglich wäre ( BGE 120 Ia 165 E. 1a S. 166 f.; BGE 118 Ia 46 E. 3c S. 53 f.; BGE 114 Ia 88 E. 5b S. 90 f.).
public_law
nan
de
1,995
CH_BGE
CH_BGE_001
CH
Federation
00ef79af-804d-481b-bedc-69011ba32262
Urteilskopf 96 V 70 16. Auszug aus dem Urteil vom 26. Mai 1970 i.S. Bucher gegen Ausgleichskasse des Kantons Luzern und Versicherungsgericht des Kantons Luzern
Regeste Art. 43bis AHVG und Art. 42 IVG . Die Hilflosenentschädigung nach IVG und AHVG ist begrifl ich dasselbe Rechtsinstitut. Verwaltung und Sozialversicherungsrichter haben von Amtes wegen zu prüfen, nach welchem Recht eine allfällige Hilflosenentschädigung zu gewähren ist.
Erwägungen ab Seite 71 BGE 96 V 70 S. 71 Aus den Erwägungen: Während der Versicherte in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde das Begehren gestellt hatte, die Kassenverfügung und der vorinstanzliche Entscheid, welche die Gewährung einer Hilflosenentschädigung gemäss AHVG zum Gegenstand haben, seien aufzuheben, verlangte er später, dass ihm eine Hilflosenentschädigung im Sinne des IVG zugesprochen werde. Es stellt sich damit zunächst die verfahrensrechtliche Frage, ob im Verlauf des Beschwerdeverfahrens das ursprüngliche Gesuch um Zusprechung einer Hilflosenentschädigung der AHV abgeändert werden darf in ein Begehren um Gewährung einer Hilflosenentschädigung der Invalidenversicherung. Diese Frage ist zu bejahen. Bei der Hilflosenentschädigung nach beiden Sozialversicherungen handelt es sich begrifflich um ein und dasselbe Rechtsinstitut. Es ist lediglich eine Frage des von Amtes wegen anzuwendenden Rechtes, ob die Hilflosenentschädigung zu Lasten der Invalidenversicherung oder der AHV zu gewähren sei. Grundsätzlich genügt es daher, dass der interessierte Versicherte eine Hilflosenentschädigung verlangt. Alsdann ist es Sache der Verwaltung bzw. des Sozialversicherungsrichters, die vom Ansprecher vorgebrachten oder sonstwie bekannten Tatsachen nach den zutreffenden rechtlichen Normen zu würdigen. Es liegt demzufolge keine unzulässige Änderung des Rechtsbegehrens vor, wenn der Versicherte, wie im vorliegenden Fall, zunächst eine Hilflosenentschädigung der AHV und danach im gleichen Verfahren statt jener eine solche der Invalidenversicherung verlangt.
null
nan
de
1,970
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
00efb6ce-fa72-42f3-aa0b-e00cfee20e78
Urteilskopf 88 IV 77 23. Urteil des Kassationshofes vom 30. Mai 1962 i.S. Polizeirichteramt der Stadt Zürich gegen Furer.
Regeste Art. 45 Abs. 2 MFV . Verboten ist nach dieser Bestimmung nicht nur das seitliche Überfahren der Sicherheitslinie, sondern auch deren senkrechtes Kreuzen zum Zwecke des Wendens.
Sachverhalt ab Seite 77 BGE 88 IV 77 S. 77 A.- Am 27. April 1961, um 23.25 Uhr, führte der Taxihalter Furer einen Taxameter in Zürich durch die Theaterstrasse Richtung Limmatquai. In der Nähe des mit Taxis besetzten Standplatzes vor dem Hause Nr. 12 hielt er an, nahm einen Fahrgast auf, steuerte sodann seinen Wagen nach links über die längs der stadteinwärts führenden Tramschienen angebrachte Sicherheitslinie und fuhr in der Anfahrtrichtung davon. B.- Der Polizeirichter der Stadt Zürich verfällte Furer am 24. Mai 1961 wegen Übertretung von Art. 45 Abs. 2 MFV (Überfahren der Sicherheitslinie) und Art. 33 Abs. 2 der städtischen Taxiverordnung (Aufnahme von Fahrgästen in der Nähe eines mit Taxis besetzten Standplatzes) in eine Busse von Fr. 30.-. Der Gebüsste verlangte gerichtliche Beurteilung. Am 15. Februar 1962 bestätigte der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirkes Zürich die Verfügung des Polizeirichters insoweit, als Furer damit wegen Übertretung der städtischen Taxiverordnung bestraft wurde. Er sprach ihn dagegen von der Anklage der Widerhandlung gegen Art. 45 Abs. 2 MFV frei, weil sich diese Bestimmung nur auf den Verkehr längs der Sicherheitslinie beziehe und daher das senkrechte Kreuzen dieser Linie nicht erfasse. C.- Das Polizeirichteramt der Stadt Zürich führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Einzelrichters sei aufzuheben und die Sache zur Bestrafung BGE 88 IV 77 S. 78 des Beschwerdegegners auch wegen Übertretung von Art. 45 Abs. 2 MFV an die Vorinstanz zurückzuweisen. D.- Der Beschwerdegegner hat auf Gegenbemerkungen zur Beschwerde verzichtet. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: Nach Art. 45 Abs. 2 MFV haben die Führer auf Strassen mit Sicherheitslinien rechts dieser Linien zu fahren. Damit nimmt die Verordnung den bereits im Gesetz (Art. 26 Abs. 1 MFG) enthaltenen Grundsatz des Rechtsfahrens auf, verleiht ihm aber für den besonderen Fall, dass die Strasse mit einer Sicherheitslinie markiert ist, absolute Bedeutung. Der Führer hat sich somit strikte rechts dieser Linie zu halten und darf sie nicht überfahren. Von diesem Gebot darf nach ständiger Rechtsprechung nur aus zwingenden Gründen abgewichen werden ( BGE 79 IV 84 , BGE 81 IV 298 , BGE 86 IV 114 ). Nach dem angefochtenen Urteil hat der Beschwerdegegner in der Theaterstrasse in Zürich ein Wendemanöver ausgeführt und dabei die dortige Sicherheitslinie überfahren. Das war unzweifelhaft regelwidrig. Denn dass Furer die Linie nicht in der Längsrichtung überfuhr, sondern senkrecht kreuzte, ist unter dem Gesichtspunkte von Art. 45 Abs. 2 MFV ohne Belang. Zwar gilt diese Bestimmung ihrem Wortlaute nach vor allem für den Längsverkehr. Wo aber um der Verkehrssicherheit willen ein seitliches Überfahren durch ein in der Längsrichtung verkehrendes Fahrzeug untersagt ist, kann auch ein senkrechtes Kreuzen der Linie nicht zulässig sein. Die Gefahren, welche durch die Sicherheitslinie vermieden werden wollen, sind bei solcher Fahrweise in der Regel nicht geringer als bei einem seitlichen Überfahren. Hieran ändert auch nichts, dass der Beschwerdegegner die Sicherheitslinie gequert hat, um seinen Wagen zu wenden, und dass der Verkehr dadurch nicht in konkreter Weise gestört wurde. Darauf, welches Manöver der Führer mit dem Überfahren der BGE 88 IV 77 S. 79 Sicherheitslinie ausführen will, ob es zum Zwecke des Wendens oder in anderer Absicht geschieht, kann nichts ankommen. Das Überfahren der Sicherheitslinie ist, zwingende Gründe vorbehalten, allgemein und insbesondere auch dann verboten, wenn ein Wenden des Fahrzeugs an dieser Stelle ohne die Sicherheitslinie zulässig wäre. Furer ist infolgedessen wegen Widerhandlung gegen Art. 45 Abs. 2 MFV zu bestrafen. Denn dass er gezwungen gewesen sei, die Sicherheitslinie zu überfahren, hat der Beschwerdegegner im kantonalen Verfahren nie behauptet und nimmt auch die Vorinstanz nicht an. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Einzelrichters in Strafsachen des Bezirkes Zürich vom 15. Februar 1962 aufgehoben und die Sache zur Verurteilung des Beschwerdegegners auch wegen Verletzung von Art. 45 Abs. 2 MFV an die Vorinstanz zurückgewiesen.
null
nan
de
1,962
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
00f465db-b148-4a2e-b5fc-8f0e831f3a4d
Urteilskopf 115 Ia 333 52. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 27. September 1989 i.S. P. AG gegen Stadt Wädenswil und Regierungsrat des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Art. 4 und 22ter BV ; Art. 2 RPG ; Revision der Ortsplanung; Zuweisung eines Grundstücks zur Reservezone gemäss § 65 des Zürcher Planungs- und Baugesetzes, PBG; Verpflichtung zur Ausarbeitung eines Gestaltungsplanes gemäss § 83 PBG . 1. Eine Reservezone gemäss § 65 PBG ist keine Nutzungszone im Sinne von Art. 14 Abs. 2 RPG (E. 2a). 2. Gesetzliche Grundlage für die Festsetzung einer Reservezone und die Anordnung eines Gestaltungsplanes (E. 3). 3. Begriff der Bauzone ( Art. 15 RPG , § 47 PBG ). Land, das die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, gehört grundsätzlich in eine Bauzone (E. 4). 4. Es ist zulässig, für ein Gebiet in landschaftlich empfindlicher Lage die Ausarbeitung eines Gestaltungsplanes anzuordnen (E. 5). 5. Die Planungspflicht gemäss Art. 2 RPG und § 8 ff. PBG erlaubt es nicht, die Festsetzung einer Nutzungszone unbefristet aufzuschieben (E. 6a). Zwar kann nach dem Zürcher Recht ein Gestaltungsplan an die Stelle der Festsetzung einer Bauzone gemäss § 48 PBG treten ( § 86 PBG ); dies befreit aber das zuständige Gemeindeorgan nicht davon, innert den gesetzlichen Fristen Zonenvorschriften zu erlassen (E. 6c).
Sachverhalt ab Seite 334 BGE 115 Ia 333 S. 334 P. AG ist Eigentümerin der zwei je rund 13 400 m2 grossen Grundstücke Kat. Nrn. 8155 und 8156 in Wädenswil, welche die Halbinsel Giessen bilden. Der nordwestliche Bereich (Parzelle Nr. 8156) ist mit industriell gewerblichen Fabrikations-, Lager- und Verwaltungsgebäuden überbaut. Auf dem südlich angrenzenden mittleren Teil, der zur Parzelle Nr. 8155 gehört, befinden sich dreigeschossige Wohnhäuser und, weiter südöstlich, landwirtschaftliche Lager- und Kleinbauten und ein Bootshaus in lockerer Bauweise neben Gärten und Wiesland. Die Halbinsel Giessen ist ein in den See vorspringender Landteil, der zwischen der SBB-Linie Zürich-Sargans und dem See liegt. Gemäss Bau- und Zonenordnung der Stadt Wädenswil vom 11. März 1964 war das Areal Giessen entlang dem See der Seeuferzone zugewiesen, in welcher gemäss Art. 17 der Bauordnung unter Vorbehalt der besonderen Bestimmungen und Auflagen für die staatlich konzessionierten Landanlagen zweigeschossige Wohnbauten zulässig waren. Das an BGE 115 Ia 333 S. 335 die Seeuferzone angrenzende Areal bis zur Eisenbahnlinie befand sich in der Industrie- und Gewerbezone. Bei der Revision der Ortsplanung, zu welcher die Gemeinde innerhalb der in den §§ 342 ff. des Gesetzes über die Raumplanung und das öffentliche Baurecht des Kantons Zürich vom 7. September 1975 (PBG) festgesetzten Fristen verpflichtet war, wurde das Areal Giessen im Zonenplan vom 3. April 1984 (vom Regierungsrat teilweise genehmigt am 6. März 1985) der Reservezone gemäss § 65 PBG zugewiesen. Im vom Regierungsrat des Kantons Zürich am 30. Juni 1982 genehmigten kommunalen Gesamtplan liegt der südwestliche Teil des Areales Giessen im Industriegebiet, der angrenzende mittlere und südöstliche Abschnitt im Wohngebiet. Zudem sieht dieser Plan für das Gebiet eine Gestaltungsplanpflicht vor, da es sich in landschaftlich empfindlicher Lage befindet. P. AG, die mit der Einweisung ihrer Liegenschaften in die Reservezone nicht einverstanden war, gelangte an die Baurekurskommission II. Diese hiess ihren Rekurs am 10. Juni 1986 gut, soweit sie darauf eintrat, und wies die Stadt Wädenswil an, die Grundstücke auf der Halbinsel Giessen einer Bauzone zuzuweisen und die Verpflichtung zum Bauen nach Gestaltungsplan, wie sie im kommunalen Gesamtplan vorgesehen worden war, zu streichen. Die Stadtgemeinde Wädenswil reichte gegen diesen Entscheid Rekurs beim Regierungsrat ein. Dieser hiess den Rekurs am 28. September 1988 gut und hob den Entscheid der Baurekurskommission II im angefochtenen Umfang auf. Er hielt fest, die Reservezone sei einzig im Hinblick auf die Ausarbeitung eines Gestaltungsplanes festgesetzt worden. Zufolge der besonderen Lage des Gebietes am Zürichsee sei auch die Gestaltungsplanpflicht zulässig, da diese sowohl den landschaftlichen Gegebenheiten als auch den vom Eisenbahnverkehr verursachten Immissionen Rechnung tragen könne. Bei dieser Sachlage hätte die Festsetzung einer Bauzone nach Auffassung des Regierungsrates keine praktische Bedeutung, da künftigen Baugesuchen die fehlende planungsrechtliche Baureife im Sinne von § 234 PBG entgegengehalten werden müsste. Das Bundesgericht heisst die von der P. AG eingereichte staatsrechtliche Beschwerde gut. BGE 115 Ia 333 S. 336 Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. a) Das Bundesgericht prüft bei Eingriffen in das Eigentum die Frage der gesetzlichen Grundlage ohne Beschränkung seiner Kognition umfassend, wenn es sich um einen schweren Eingriff in das Eigentum handelt ( BGE 114 Ia 117 , BGE 112 Ia 316 E. 3a, je mit Hinweisen). Die gesetzliche Grundlage für schwere Eingriffe muss ausserdem klar und eindeutig sein ( BGE 108 Ia 35 E. 3a mit Hinweisen). Mit der Einweisung der nach früherem Recht überbaubaren und auch weitgehend überbauten Liegenschaften der Beschwerdeführerin in die Reservezone wurden die Parzellen einer Nichtbauzone zugewiesen. Gemäss § 65 Abs. 2 PBG sind Bauten und Anlagen in der Reservezone nur zulässig, wenn sie der in den Richtplänen vorgesehenen Zweckbestimmung nicht zuwiderlaufen, keine sonstigen überwiegenden öffentlichen Interessen verletzt werden und ein sachlich begründetes Bedürfnis nachgewiesen wird. Auch wenn in der Richtplanung das Areal Giessen - unter Vorbehalt eines ausreichenden Uferschutzes - dem Baugebiet zugerechnet wird, so ändert dies nichts daran, dass seit dem Inkrafttreten des Eidgenössischen Raumplanungsgesetzes am 1. Januar 1980 die Reservezone keine Nutzungszone im Sinn dieses Gesetzes ( Art. 14 Abs. 2 RPG ) darstellt; Bauten dürfen daher bis zur Ausscheidung solcher Nutzungszonen ungeachtet ihrer Zweckbestimmung einer Ausnahmebewilligung nach Art. 24 RPG ( BGE 113 Ib 138 E. 4e; Entscheid des Zürcher Verwaltungsgerichts vom 17. Januar 1984, ZBl 85/1984 S. 269 mit Verweisungen). Daraus ergibt sich, dass die Einweisung der Grundstücke der Beschwerdeführerin in die Reservezone einen schweren Eingriff in das Eigentum darstellt. Erforderlich ist daher eine klare und eindeutige gesetzliche Grundlage. Ob auch die Verpflichtung zur Ausarbeitung eines Gestaltungsplanes als schwerer Eingriff zu bezeichnen ist, kann offengelassen werden, wie sich aus den nachfolgenden Erwägungen ergibt. 3. Als erstes ist zu beurteilen, ob sich die von der Stadtgemeinde Wädenswil angeordneten Planungsmassnahmen auf eine genügende gesetzliche Grundlage stützten. Auszugehen ist davon, dass die Stadtgemeinde aufgrund des kantonalen Planungs- und Baugesetzes zur Ortsplanung verpflichtet ist (§§ 8, 45 ff., 342 f. PBG). Seit Inkrafttreten des Eidgenössischen Raumplanungsgesetzes besteht die Verpflichtung zur Schaffung einer Nutzungsplanung, die den Anforderungen des Bundesrechts entspricht, auch BGE 115 Ia 333 S. 337 aufgrund der Art. 1, 2, 14 ff. und 35 Abs. 2 RPG. Somit findet sich die von Art. 22ter BV für Eigentumsbeschränkungen verlangte gesetzliche Grundlage sowohl im eidgenössischen wie im kantonalen Recht. a) Das Bundesrecht verpflichtet zur Festsetzung von Bau-, Landwirtschafts- und Schutzzonen und ermächtigt die Kantone, weitere Nutzungszonen vorzusehen und Vorschriften zu erlassen über Gebiete, deren Nutzung noch nicht bestimmt ist oder in denen eine bestimmte Nutzung erst später zugelassen wird ( Art. 18 Abs. 1 und 2 RPG ). Das kantonale Recht regelt die Nutzungsplanung in den § § 36 ff. PBG , wobei es die Gemeinden zum Erlass einer Bau- und Zonenordnung verpflichtet. Diese hat die Überbaubarkeit und die Nutzweise der Grundstücke zu regeln, soweit sie nicht abschliessend durch eidgenössisches oder kantonales Recht bestimmt sind. Zu diesem Zwecke wird der nicht von übergeordneten Zonen und nicht von Waldareal erfasste Gemeindebann in einem Zonenplan rechtsverbindlich in Bauzonen, Freihaltezonen und Reservezonen unterteilt ( § § 45 und 46 PBG ). Gemäss § 65 Abs. 1 PBG umfasst die Reservezone jene Flächen, welche keiner anderen Zone zugewiesen sind. Diese Bestimmungen des kantonalen und des eidgenössischen Rechts stellen eine klare und eindeutige gesetzliche Grundlage für die Festsetzung von Reservezonen dar (vgl. BGE 112 Ia 316 E. 3a, wo die gleiche Feststellung für das übrige Gemeindegebiet gemäss dem Tessiner Baugesetz getroffen wurde). b) Diese Feststellung gilt auch für die Verpflichtung zur Festsetzung eines Gestaltungsplanes, der die Überbauung detailliert regeln soll. Auch wenn die Frage offengelassen werden kann, ob es sich dabei um einen schweren Eingriff in das Eigentum handelt, ergibt sich selbst bei freier Prüfung, dass § 83 PBG klar und eindeutig anordnet, dass die Gemeinden für bestimmt umgrenzte Gebiete einen Gestaltungsplan festsetzen können, wenn daran ein wesentliches öffentliches Interesse besteht. Auch die Bestreitung der gesetzlichen Grundlage für die im kommunalen Gesamtplan vorgesehene Festsetzung eines Gestaltungsplanes erfolgt daher zu Unrecht. c) In Wirklichkeit betreffen die Einwendungen der Beschwerdeführerin die verfassungskonforme Anwendung dieser Vorschriften. Sie ist der Meinung, diese Bestimmungen seien in unhaltbarer Weise falsch angewendet worden, und sie bestreitet ein ausreichendes, ihre privaten Interessen überwiegendes öffentliches Interesse für die Einweisung ihrer Grundstücke in die Reservezone und für BGE 115 Ia 333 S. 338 die Anordnung eines Gestaltungsplanes. Ob diese Einwendungen begründet sind, ist nachfolgend zu prüfen. 4. Das Bundesrecht stellt für die Bauzonen Mindestanforderungen auf, indem es vorschreibt, dass diese Land umfassen, das sich für die Überbauung eignet und a) weitgehend überbaut ist oder b) voraussichtlich innert 15 Jahren benötigt und erschlossen wird ( Art. 15 RPG ). Das kantonale Recht deckt sich wörtlich mit dieser Vorschrift ( § 47 Abs. 2 PBG ). Präzisierend ordnet es an, bei der Festsetzung der Bauzonen sei darauf zu achten, dass immer genügend Land für Wohnungen und Arbeitsplätze eingezont ist und dass für Gebiete, die unzumutbaren Einwirkungen ausgesetzt sind, eine Beschränkung der Nutzung auf Wohnzwecke unzulässig ist ( § 47 Abs. 3 und 4 PBG ). Aus diesen klaren Vorschriften des eidgenössischen und des kantonalen Rechts ergibt sich, dass Land, das den gesetzlichen Voraussetzungen entspricht, grundsätzlich in eine Bauzone gehört, sofern es nicht als Folge der Abwägung aller für die Raumplanung massgebenden Zielsetzungen, insbesondere aus ortsplanerischen Erwägungen, ganz oder teilweise einer Nichtbauzone zuzuweisen ist ( BGE 114 Ia 368 f. E. 4; BGE 113 Ib 230 E. 2c; BGE 113 Ia 461 E. 5a). Es fragt sich daher als erstes, ob die Liegenschaften der Beschwerdeführerin im Sinne der gesetzlichen Umschreibung Bauland sind. Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist zur Beurteilung dieser Frage zunächst am bestehenden Zustand anzuknüpfen, wobei der Begriff der weitgehenden Überbauung parzellenübergreifend, gebietsbezogen zu verstehen ist ( BGE 113 Ia 450 E. da; 458 E. 4). Die beiden je rund 13 400 m2 grossen Grundstücke Nrn. 8155 und 8156 bilden ein in sich geschlossenes Areal, das durch das Ufer des Zürichsees und die Eisenbahnlinie Zürich-Sargans begrenzt ist. Es liegt indessen nicht ausserhalb des Siedlungsgebietes; es hängt vielmehr mit dem überbauten Gebiet zusammen, das jenseits der Bahnlinie der Industriezone B sowie der dreigeschossigen und viergeschossigen Wohnzone W3 und W4 zugewiesen ist. Die Liegenschaft Nr. 8156 ist sodann in Übereinstimmung mit der früheren Rechtslage vorwiegend mit industriellen und gewerblichen Fabrikations-, Lager- und Verwaltungsgebäuden und mit dazugehörenden Wohnhäusern überbaut. Die Freiflächen zwischen den Bauten gehören im wesentlichen zum üblichen Umschwung der Gebäude. Auf dem an Parzelle Nr. 8156 angrenzenden Teil der Parzelle Nr. 8155 befinden sich die stattlichen BGE 115 Ia 333 S. 339 dreigeschossigen Wohnhäuser Nrn. 11, 12, 13, 14 und 15 mit dazwischenliegendem Hof, der heute als Parkplatz benützt wird. Unüberbaut ist der nordöstlich anstossende Seeuferstreifen (ca. 1100 m2) und der südöstliche Teil des Grundstücks Nr. 8155 (rund 8500 m2), da sich auf diesem neben Gärten und Wiesland nur einige Lager- und Kleinbauten, sogenannte Fahrnisbauten, befinden. Bei dieser Sachlage ist Parzelle Nr. 8156 vollständig und Parzelle Nr. 8155 in ihrem angrenzenden, mit den Wohnhäusern Nr. 11 bis 15 überbauten Teil als "weitgehend überbaut" im Sinne Art. 15 lit. a RPG und § 47 Abs. 2 lit. a PBG zu bezeichnen. Bei der gebietsbezogenen Betrachtungsweise können wohl auch die genannten unüberbauten, noch überwiegend gärtnerisch und landwirtschaftlich genutzten Teile hierzu gezählt werden. Selbst wenn man diese Teile vom weitgehend überbauten Gebiet ausnehmen wollte, könnte nicht in Abrede gestellt werden, dass sie sich jedenfalls teilweise für eine Überbauung eignen und voraussichtlich hiefür innert 15 Jahren benötigt und erschlossen würden; es steht fest, dass die Stadtgemeinde Wädenswil in ihrer Bau- und Zonenordnung die benötigte Bauzonenfläche eher knapp, gemäss Regierungsratsentscheid vom 26. Mai 1987 i.S. Erben X. c. Stadtgemeinde Wädenswil sogar zu knapp bemessen hat. Auch zeigen die bei den Akten liegenden Studien der Beschwerdeführerin, dass sie gewillt ist, ihr Land zu überbauen. Aus diesen Erwägungen folgt, dass die beiden Grundstücke der Beschwerdeführerin die gesetzlichen Voraussetzungen für Bauzonenland im Sinne von Art. 15 RPG und § 47 PBG erfüllen. 5. Für das Festlegen der Bauzonen ist jedoch nicht allein Art. 15 RPG massgebend. Die Bauzonenausscheidung hat wie alle Raumplanung eine auf die erwünschte Entwicklung des Landes ausgerichtete Ordnung der Besiedlung zu verwirklichen, die von einer gesamthaften Abwägung und Abstimmung aller räumlich wesentlichen Gesichtspunkte und Interessen abhängt ( BGE 114 Ia 368 f. E. 4). Die Stadtgemeinde Wädenswil beruft sich für die Nichteinzonung der Grundstücke der Beschwerdeführerin auf die in der Richtplanung bezeichneten landschaftlich empfindlichen Lage ( § 22 Abs. 2 PBG ), zu deren Sicherung sie in Übereinstimmung mit der übergeordneten Richtplanung in ihrem Gesamtplan die Ausarbeitung eines Gestaltungsplanes anordnete. a) Der Augenschein hat bestätigt, dass die Halbinsel Giessen zu Recht als Gebiet in landschaftlich empfindlicher Lage bezeichnet BGE 115 Ia 333 S. 340 worden ist. Die Beschwerdeführerin stellt dies auch nicht in Abrede. Sie bestreitet hingegen, dass die Rücksichtnahme auf diese Lage, der sie selbst durch eine sorgfältige Baugestaltung im Sinne von § 238 PBG Rechnung tragen möchte, einen Gestaltungsplan erfordere. Sie bezeichnet diese Forderung als unverhältnismässig und durch kein genügendes öffentliches Interesse gedeckt. Für die Beurteilung dieses Vorwurfes ist zu beachten, dass das Zürcher Planungs- und Baugesetz den Gemeinden verschiedene Planungsinstrumente zur Verfügung stellt, welche städtebaulich gute Überbauungen sicherstellen wollen. Die Gemeinde hat von diesen Instrumenten in Ausübung des ihr zustehenden Beurteilungs- und Ermessensspielraumes pflichtgemäss Gebrauch zu machen. Es ist weder Aufgabe der kantonalen Rechtsmittelinstanzen noch des Bundesgerichts, eine von der Gemeinde mit gutem Grund getroffene Planungsmassnahme durch eine andere, möglicherweise ebenfalls vertretbare Anordnung zu ersetzen. b) Im Lichte dieser Erwägung ist die Forderung der Gemeinde, einen Gestaltungsplan für das Areal Giessen festzusetzen, nicht zu beanstanden. Es besteht ein wesentliches öffentliches Interesse an einer sorgfältigen Planung der Überbauung im Sinne der § § 83 ff. PBG . Die besondere örtliche Lage der Halbinsel Giessen zwischen Bahnlinie und Seeufer rechtfertigt es, Zahl, Lage, äussere Abmessungen sowie Nutzweise der Bauten bindend festzulegen. Mit gutem Grund durfte die Gemeinde annehmen, es gehe um mehr als die Sicherung einer bei jeder Baute zu beachtenden befriedigenden Gesamtwirkung. Sowohl der besonders zu schützende Seeuferbereich ( Art. 17 lit. a RPG ) als auch die vom intensiven Bahnverkehr ausgehenden Emissionen erfordern eine besonders sorgfältige Gestaltung. Diese kann mit dem Instrument des Gestaltungsplanes sichergestellt werden. Dem Begehren der Beschwerdeführerin, die Anordnung eines Gestaltungsplanes aufzuheben, kann daher nicht entsprochen werden. Von einer verfassungswidrigen, durch kein genügendes öffentliches Interesse gerechtfertigten unverhältnismässigen Massnahme kann keine Rede sein. Der Vorwurf ist um so weniger begründet, als die Beschwerdeführerin als alleinige Grundeigentümerin diesen Plan massgebend mitgestalten kann. Es ist nicht auszuschliessen, dass der Plan als privater Gestaltungsplan im Sinne von § 85 PBG von ihr mit öffentlichrechtlicher Wirkung aufgestellt werden kann; selbstverständlich bedarf er der Zustimmung durch die zuständigen Organe der Gemeinde und des Kantons. BGE 115 Ia 333 S. 341 6. Mit diesem Ergebnis ist jedoch noch nicht entschieden, ob die Festsetzung eines Gestaltungsplanes rechtfertigen könne, das Areal Giessen in die Reservezone einzuweisen. Diese ist - wie dargelegt - eine Nichtbauzone, in welcher bauliche Massnahmen nur gestützt auf Art. 24 RPG sowie das kantonale Ausführungsrecht zu Art. 24 Abs. 2 RPG zulässig sind ( § 357 Abs. 3 PBG ). a) Die Gemeinde und der Regierungsrat begründen die Zulässigkeit der Reservezone im wesentlichen damit, der Beschwerdeführerin entstünde kein Nachteil, weil ein Gestaltungsplan vorgesehen sei; dieser könne nicht nur den öffentlichen, sondern auch den privaten Interessen besser Rechnung tragen als eine der Bauzonen gemäss § 48 PBG . Nach Zürcher Recht könne der Gestaltungsplan in dem von ihm erfassten Bereich den Grundnutzungsplan ersetzen, nicht bloss ergänzen oder überlagern. Gegenüber dieser Argumentation ist zunächst festzustellen, dass es die Erfüllung der Planungspflicht ( § § 8 ff. PBG , Art. 2 RPG ) nicht erlaubt, die Festsetzung der Nutzungszone unbefristet aufzuschieben. Einem solchen Aufschub kommt es jedoch gleich, wenn Land, das die gesetzlichen Voraussetzungen des Bauzonenareales erfüllt, das überwiegend überbaut ist und das nach früherem Recht auch überbaut werden konnte, bei der erstmaligen Festsetzung eines dem Raumplanungsrecht des Bundes und des Kantons entsprechenden Nutzungsplanes vorläufig einer Reservezone zugewiesen wird. Dass diese später zu einem nicht näher festgelegten offenen Zeitpunkt durch einen Gestaltungsplan abgelöst werden soll, ändert hieran nichts. Das Bauzonenland ist in seiner Gesamtheit für die bauliche Nutzung bereit zu halten, und es dürfen ihrer Verwirklichung nicht Hindernisse in den Weg gestellt werden, die mit einer Neueinzonung vergleichbar sind oder einer solchen nahekommen ( BGE 112 Ia 159 E. c). Die bundesgerichtliche Rechtsprechung lässt den Aufschub der definitiven Zonenzuweisung nur zu, wenn Ungewissheit hinsichtlich der künftigen Nutzung besteht ( BGE 112 Ia 158 f. 316 E. 3b). Dies trifft für das Areal Giessen nicht zu. Die Anordnung einer Nichtbauzone ist daher als planerisch nicht sachgerecht zu bezeichnen. Sie führt im Ergebnis auch zu einer Umgehung der Vorschriften über Planungszonen, welche auf fünf Jahre angeordnet werden können, um Nutzungspläne festzusetzen oder anzupassen ( Art. 27 RPG , § 346 PBG ). b) Dieser Feststellung gegenüber kann nicht mit Grund eingewendet werden, die Beschwerdeführerin habe es selbst in der Hand, die Ausarbeitung des Gestaltungsplanes herbeizuführen, BGE 115 Ia 333 S. 342 indem sie ein Baugesuch einreiche. Abgesehen davon, dass es ihr nicht zuzumuten ist, ein Bauvorhaben projektieren zu lassen, solange die rechtsverbindlichen Zonenvorschriften fehlen, würde die Frist von fünf Jahren für die planungsrechtlichen Festlegungen gemäss § 235 PBG erst im Zeitpunkt zu laufen beginnen, in welchem dem Vorhaben das Fehlen der planungsrechtlichen Baureife entgegengehalten wird. Im übrigen ist es fraglich, ob diese Vorschrift überhaupt zum Zuge käme, könnte sich doch die Baubehörde mit Berufung auf die in der Reservezone verbindlich geltende Rechtslage damit begnügen, ein Art. 24 RPG und § 357 PBG nicht entsprechendes Vorhaben abzulehnen. c) Auch die Möglichkeit der Ausarbeitung eines privaten Gestaltungsplanes gemäss den § § 85 und 86 PBG kann der Beschwerdeführerin nicht entgegengehalten werden. Zwar trifft es zu, dass ein Gestaltungsplan nach Zürcher Recht für ein bestimmt begrenztes Gebiet an die Stelle der Festsetzung einer Bauzone gemäss § 48 PBG treten kann. Dies ergibt sich aus § 86 Abs. 2 PBG , wonach die in Abs. 1 angeordnete grundsätzliche Bindung an die Bau- und Zonenordnung nicht gilt, wenn das nach der Gemeindeordnung für den Erlass der Bau- und Zonenordnung zuständige Organ dem Gestaltungsplan zustimmt. Doch befreit diese Möglichkeit das zuständige Gemeindeorgan - im Falle von Wädenswil handelt es sich um den Grossen Gemeinderat - nicht davon, innert den gesetzlichen Fristen die planerisch sachgerechten rechtsverbindlichen Zonenvorschriften festzusetzen. Im übrigen ergibt sich aus § 86 Abs. 1 PBG , dass für die Ausarbeitung eines privaten Gestaltungsplanes in der Regel von der Zonenordnung auszugehen ist, da diese die für die Nutzungsart und das Nutzungsmass notwendigen Angaben enthält. Diese fehlen aber, wenn eine Nichtbauzone festgesetzt wird. d) Schliesslich vermag auch die Überlegung nicht zu helfen, die Beschwerdeführerin sei an der Festsetzung einer Bauzone gar nicht interessiert, weil diese den besonderen Verhältnissen des Areales Giessen nicht Rechnung tragen könne. Bereits der Hinweis darauf, dass möglicherweise gemäss § 86 Abs. 1 PBG ein Gestaltungsplan mit blosser Zustimmung des Gemeinderates festgesetzt werden kann, zeigt, dass diese Einwendung nicht zu überzeugen vermag. Im übrigen kennt das Zürcher Recht verschiedene Zonenarten, so dass kaum von vornherein gesagt werden kann, diese könnten unter dem Vorbehalt eines Gestaltungsplanes der zulässigen Grundstücksnutzung nicht gerecht werden. BGE 115 Ia 333 S. 343 e) Es ist somit nicht zu verkennen, dass die Rechtslage für die Grundeigentümerin günstiger ist, wenn Nutzungszonen festgesetzt sind. Auch die wirtschaftlichen Konsequenzen dieser Festsetzung liegen auf der Hand, steht doch mit der nötigen Rechtssicherheit fest, dass das Areal in bestimmter Weise als Bauland verwertet werden kann. Selbst wenn aufgrund der Gestaltungsplanordnung von der Bau- und Zonenordnung abgewichen werden muss, erleidet die Beschwerdeführerin keinen Nachteil; in diesem Fall muss der Grosse Gemeinderat unter Referendumsvorbehalt entscheiden, wie dies auch im Falle eines Gestaltungsplanes, der die Reservezone ablösen soll, zutrifft. Doch ist beim Bestehen einer Bauzone das zuständige Organ für die Festsetzung des Gestaltungsplanes an die Frist gemäss § 235 PBG gebunden, was den Interessen der Grundeigentümerin dient. 7. Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die Festsetzung der Reservezone für das weitgehend überbaute und zum Siedlungsgebiet zu zählende Areal Giessen planerisch nicht haltbar und daher auch nicht durch ein ausreichendes, die privaten Interessen der Beschwerdeführerin überwiegendes öffentliches Interesse gedeckt ist. Dem berechtigten Anliegen, eine der landschaftlich empfindlichen Lage angepasste Überbauung sicherzustellen, wird mit der als zulässig erkannten Gestaltungsplanpflicht ausreichend Rechnung getragen. Ob diese auch in anderen kantonalen Rechten bekannte Verpflichtung nur als Richtplananordnung getroffen oder ob er im Nutzungsplan in für jedermann verbindlicher Weise festgesetzt werden kann, haben die für die Anwendung des zürcherischen Planungsrechts zuständigen Behörden zu entscheiden. Von Bundesrechts wegen steht einer rechtsverbindlichen Festsetzung im Nutzungsplan nichts entgegen. Erwägungen der Rechtsklarheit und -sicherheit sprechen vielmehr hiefür. Die Sicherung des Vorbehaltes ist in jedem Falle gemäss § 235 PBG gegeben.
public_law
nan
de
1,989
CH_BGE
CH_BGE_002
CH
Federation
00f4d7e2-b858-48c6-b367-1d95ab69e80a
Urteilskopf 107 Ib 191 35. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 6. November 1981 i.S. Ramensperger und Küth gegen Regierungsrat des Kantons Nidwalden (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland. 1. Die Streichung eines Ortes aus Anhang 1 BewVF fällt in die Zuständigkeit des Bundesrats (E. 2). 2. Das Bundesgericht hat das im Zeitpunkt seines Entscheids geltende Recht anzuwenden. Wird im Laufe des bundesgerichtlichen Beschwerdeverfahrens ein Ort aus Anhang 1 BewVF gestrichen, kann die Bewilligung zum Erwerb des Grundstücks gestützt auf Art. 6 Abs. 2 lit. a Ziff. 3 BewB nicht erteilt werden (E. 3a). Dieser Grundsatz verstösst nicht gegen das Rückwirkungsverbot (E. 3b). 3. Das Bundesgericht prüft nicht, ob die Streichung eines Ortes aus Anhang 1 BewVF zweckmässig ist. Es untersucht nur, ob der Bundesrat sein Ermessen nach dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit ausgeübt hat (E. 3c).
Sachverhalt ab Seite 191 BGE 107 Ib 191 S. 191 Der Gemeinderat Ennetbürgen (NW) erteilte am 9. Mai 1980 Josef Ramensperger die Bewilligung zum Bau eines Einfamilienhauses BGE 107 Ib 191 S. 192 auf der Parzelle Nr. 1048, Grundbuch Ennetbürgen. Ebenfalls am 9. Mai 1980 verkaufte Ramensperger dem deutschen Staatsangehörigen Peter Küth, wohnhaft in Berlin, die genannte Parzelle. Gleichentags reichte Ramensperger bei der Güterschatzungskommission des Kantons Nidwalden das Gesuch um Erteilung der Bewilligung im Sinne von Art. 1 Bundesbeschluss über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (BewB; SR 211.412.41) ein. Die Güterschatzungskommission wies das Begehren am 3. Juli 1980 an den Gesuchsteller mit der Begründung zurück, das polizeiliche Führungszeugnis Küths müsse noch nachgereicht werden. In der Folge wurde das Bewilligungsgesuch zusammen mit einem Auszug aus dem Strafregister neu eingereicht. Am 22. Juli 1980 beschloss die Güterschatzungskommission, das Bewilligungsgesuch abzuweisen. Am 29. August 1980 erfolgte die Mitteilung an die Gesuchsteller. In der Begründung führte die Güterschatzungskommission aus, die Gemeinde Ennetbürgen habe bis zum 1. Juli 1980 als Fremdenverkehrsort im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Verordnung über den Erwerb von Grundstücken in Fremdenverkehrsorten durch Personen im Ausland (BewVF; SR 211.412.413) gegolten, und sie sei demzufolge in Anhang 1 BewVF aufgeführt gewesen. Am 24. April 1980 habe der Gemeinderat Ennetbürgen dem Regierungsrat des Kantons Nidwalden den Antrag gestellt, die Gemeinde aus Anhang 1 BewVF zu streichen. Mit Wirkung ab 1. Juli 1980 habe das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) diese Massnahme angeordnet. Massgebend sei daher das seit dem 1. Juli 1980 geltende Recht. Auf Beschwerde Ramenspergers und Küths hin bestätigte der Regierungsrat des Kantons Nidwalden den Entscheid der Güterschatzungskommission mit Beschluss vom 9. Februar 1981. In seiner Begründung ging der Regierungsrat davon aus, dass die Streichung Ennetbürgens als Fremdenverkehrsort unter den gegebenen Umständen gerechtfertigt war. Zu Recht habe die Güterschatzungskommission das im Zeitpunkt ihres Entscheides geltende Recht angewendet. Besondere Verhältnisse, welche die Anwendung des alten Rechts rechtfertigten, liegen nach Ansicht des Regierungsrates nicht vor. Gegen diesen Entscheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Ramensperger und Küth beantragen die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Erteilung der nachgesuchten Bewilligung. Landammann und Regierungsrat des BGE 107 Ib 191 S. 193 Kantons Nidwalden sowie das Bundesamt für Justiz beantragen, die Beschwerde abzuweisen. Das Bundesgericht heisst zwar die Beschwerde teilweise gut, verweigert aber die Erteilung der nach- gesuchten Bewilligung. Erwägungen Erwägungen: 1. (Formelle Fragen.) 2. Die Bewilligung im Sinne von Art. 1 BewB ist zu erteilen, wenn der Erwerber ein berechtigtes Interesse am Erwerb nachweist ( Art. 6 Abs. 1 BewB ). Das berechtigte Interesse ist unter anderem anzunehmen, wenn das zu erwerbende Grundstück in erster Linie dem Aufenthalt des Erwerbers oder seiner Familie dient, der Erwerber es auf seinen persönlichen Namen erwirbt und er, sein Ehegatte oder seine minderjährigen Kinder kein anderes diesem Zwecke dienendes Grundstück in der Schweiz erworben haben und ausserdem eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist: 1. ... 2. ... 3. Die Lage des Grundstückes an einem Orte, dessen Wirtschaft vom Fremdenverkehr abhängt und der Ansiedlung von Gästen bedarf, um den Fremdenverkehr zu fördern, insbesondere in Berggegenden (Art. 6 Abs. 2 lit. a Ziff. 3 BewB). Als Fremdenverkehrsorte gemäss dieser Bestimmung gelten in der Regel solche im Sinne der Bundesgesetzgebung über die Förderung des Hotel- und Kurortkredites (SR 935.121; Art. 2 Abs. 1 BewVF ). Diese Orte werden in Anhang 1 BewVF aufgeführt. Unbestritten ist, dass Ennetbürgen im Zeitpunkt der Einreichung des Bewilligungsgesuches darin aufgeführt war und die Bewilligung gestützt auf Art. 6 Abs. 2 lit. a Ziff. 3 BewB bei Vorliegen aller notwendigen Voraussetzungen zu erteilen war. Nach Auffassung der Vorinstanz schliesst die mit Wirkung ab 1. Juli 1980 erfolgte Streichung die Erteilung der Bewilligung aus, weil die Güterschatzungskommission erst nach diesem Datum über das Gesuch befand und daher das neue Recht anzuwenden hatte. a) Die BewVF stützt sich auf die dem Bundesrat gemäss Art. 34 Abs. 1 BewB delegierte Kompetenz zum Erlass von Ausführungsvorschriften. Die Anhänge 1 bis 3 bilden integrierende Bestandteile der BewVF. In Anhang 1 BewVF werden alle Fremdenverkehrsorte im Sinne von Art. 2 Abs. 1 BewVF aufgeführt. Die BewVF BGE 107 Ib 191 S. 194 enthält ferner Vorschriften, welche Behörde Änderungen in den Anhängen 1 bis 3 BewVF vornehmen kann. Insbesondere sieht Art. 2 Abs. 3 BewVF vor, dass das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) auf Antrag der zuständigen Kantonsregierung und im Einvernehmen mit dem Eidg. Volkswirtschaftsdepartement den Anhang 1 ergänzen kann. Das EJPD kann überdies Fremdenverkehrsorte der Bewilligungssperre unterstellen, auch wenn der Umfang des ausländischen Grundeigentums noch keinen erheblichen Umfang erreicht. In diesem Fall wird der betreffende Ort in Anhang 2 aufgeführt und mit zwei Sternchen versehen. Dieselbe Zuständigkeitsregelung ergibt sich für den Fall, dass der Umfang ausländischen Grundeigentums in einem Ort erheblich geworden ist ( Art. 3 Abs. 6 BewVF ). Die Zulässigkeit dieser Delegation von Rechtsetzungskompetenzen an das EJPD gibt zu keinen Beanstandungen Anlass ( BGE 102 Ib 32 E. c; vgl. auch Art. 7 Abs. 5 VwOG ). Unter welchen Voraussetzungen ein Fremdenverkehrsort aus Anhang 1 gestrichen werden kann, legt die BewVF jedoch nicht fest. Sinn und Zweck dieser Vorschriften gebieten jedoch, einen Ort streichen zu können, wenn dessen Qualität als Fremdenverkehrsort nicht mehr gegeben ist (Urteil des Bundesgerichts vom 19. September 1980 i.S. R., veröffentlicht in ZBl 82/1981 S. 22). Fraglich ist indessen, wer für die Streichung zuständig ist. Darüber gibt Art. 2 BewVF keinen Aufschluss. Da die Delegation rechtsetzender Kompetenzen an die Verwaltung einer ausdrücklichen Grundlage bedarf ( BGE 101 Ib 75 E. 4a am Ende) und die BewVF in bezug auf die Streichung aus Anhang 1 nichts vorsieht, ist der Bundesrat für diese Massnahme zuständig. b) Im vorliegenden Fall strich das EJPD am 1. Juli 1980 die Gemeinde Ennetbürgen aus Anhang 1 (AS 1980, 855). Der Bundesrat genehmigte diese Verordnungsänderung jedoch erst am 8. April 1981 und setzte sie auf den 19. Mai 1981 in Kraft (AS 1981, 455). Ennetbürgen ist somit erst seit dem 19. Mai 1981 aus Anhang 1 BewVF gestrichen. Die kantonalen Instanzen verweigerten mithin zu Unrecht die Bewilligung mit der Begründung, Ennetbürgen sei in Anhang 1 BewVF nicht mehr aufgeführt. Der angefochtene Entscheid verletzt Bundesrecht und ist grundsätzlich aufzuheben. Dies besagt jedoch nicht, dass die nachgesuchte Bewilligung zwangsläufig zu erteilen ist. Zu prüfen bleibt, nach welchem Recht das Bundesgericht die Voraussetzungen zur Erteilung der Bewilligung zu beurteilen hat. 3. a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts sind neue BGE 107 Ib 191 S. 195 gesetzliche Vorschriften, die um der öffentlichen Ordnung willen aufgestellt worden sind, auf alle Tatsachen anzuwenden, soweit das Gesetz nicht eine Ausnahme vorsieht, insbesondere auch in Verfahren, die bei Inkrafttreten des neuen Erlasses bereits hängig, aber noch nicht abgeschlossen sind. Diesen in Anlehnung an Art. 2 SchlTZGB entwickelten Grundsatz wandte das Bundesgericht zunächst im Zusammenhang mit dem Bau- und Gewässerschutzrecht an ( BGE 101 Ib 299 E. 2b, BGE 99 Ib 152 E. 1, BGE 99 Ia 124 E. 9 und 338, BGE 87 I 510 ). Es übernahm diese Praxis in der Folge auch für die Bewilligung von Grundstückverkäufen an Personen im Ausland (vgl. Urteil des Bundesgerichtes vom 2. Mai 1975 i.S. Hartmann, publiziert in ZBGR 56/1975 S. 295) und bestätigte diese Rechtsprechung im Urteil vom 10. Juli 1981 i.S. Sommer ( BGE 107 Ib 86 E. 4a). Auch das öffentliche Interesse gebietet die sofortige Anwendung des neuen Rechts, denn die Verhinderung eines volkswirtschaftlich unerwünschten Ausmasses ausländischen Grundeigentums kann in der Regel nur erreicht werden, wenn die Erteilung von Bewilligungen nach Art. 6 Abs. 2 lit. a Ziff. 3 BewB mit Inkrafttreten der Sperre, bzw. der Streichung aus Anhang 1 BewVF verhindert wird. Es besteht kein Grund, diese Grundsätze für das bundesgerichtliche Verwaltungsgerichtsbeschwerdeverfahren auszuschliessen (vgl. GRISEL, L'application du droit public dans le temps, ZBl. 75/1974, S. 252; Urteil des Bundesgerichts vom 2. Mai 1975 i.S. Hartmann, ZBGR 56/1975 S. 295/6). Allerdings führte das Bundesgericht in BGE 106 Ib 326 aus, die Rechtmässigkeit eines Verwaltungsaktes sei grundsätzlich nach der Rechtslage zur Zeit seines Erlasses zu beurteilen, während nachher eingetretene Änderungen unberücksichtigt bleiben müssen. Daraus wurde der Schluss gezogen, dass im Laufe des verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens eingetretene Rechtsänderungen in der Regel unbeachtlich sind und ausschliesslich zu prüfen ist, ob der angefochtene Entscheid mit dem zur Zeit seines Erlasses geltenden Recht im Einklang steht. Diese Auffassung ist jedoch mit der Eigenart des in jenem Entscheid zu beurteilenden Falles zu erklären. Die Anwendung des neuen Rechts hätte zur Folge gehabt, dass das Bundesgericht als erste und einzige Instanz zu entscheiden gehabt hätte, wobei ihm keine uneingeschränkte Ermessenskontrolle zugestanden wäre; das in jenem Fall angewandte Raumplanungsgesetz sieht hingegen ausdrücklich vor, dass wenigstens eine Beschwerdeinstanz den angefochtenen Entscheid voll überprüfen kann. Die Anwendung des neuen Rechts BGE 107 Ib 191 S. 196 war somit durch die neuen Bestimmungen selbst ausgeschlossen. Dies trifft im vorliegenden Fall aber nicht zu. Beizufügen ist, dass im erwähnten Entscheid erklärt wurde, das neue Recht sei dann massgebend, wenn es die alte Ordnung verschärfe. Unter diesen Umständen muss das Bundesgericht seinem heutigen Entscheid die Rechtslage zugrundelegen, wie sie sich zur Zeit der Urteilsfällung darstellt. Daraus ergibt sich, dass im vorliegenden Fall das Bundesgericht die am 19. Mai 1981 in Kraft getretene Streichung der Gemeinde Ennetbürgen aus Anhang 1 BewVF zu beachten hat. Der Erteilung der Bewilligung aufgrund von Art. 6 Abs. 2 lit. a Ziff. 3 BewB ist die Grundlage entzogen. b) Die Beschwerdeführer wenden ein, die Anwendung des neuen Rechts verstosse gegen das Rückwirkungsverbot. Sie verkennen damit den Begriff der Rückwirkung. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist ein Erlass rückwirkend, wenn bei der Anwendung des neuen Rechts an ein Ereignis geknüpft wird, das vor seinem Erlass abgeschlossen ist. Keine Rückwirkung im Sinne der Rechtsprechung liegt vor, wenn bei der Anwendung des neuen Rechts lediglich auf Verhältnisse abgestellt wird, die zwar noch unter der Herrschaft des alten Rechts entstanden sind, beim Inkrafttreten des neuen Rechts aber andauern. Diese sogenannte unechte Rückwirkung ist grundsätzlich zulässig ( BGE 106 Ia 258 , BGE 104 Ib 219 E. 6, BGE 101 Ia 85 /6 E. 2). Im vorliegenden Fall ist der Zeitpunkt des Erwerbes des Grundstücks massgebend. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer stellt der Abschluss des obligatorischen Kaufvertrages keinen Erwerb im Rechtssinne dar. Nach Art. 656 Abs. 1 ZGB wird ein Grundstück durch Anmeldung ins Grundbuch erworben. Dass diese Anmeldung vorliegt, behaupten die Beschwerdeführer nicht und kann im übrigen auch ausgeschlossen werden, da Rechtsgeschäfte auf bewilligungspflichtigen Erwerb unwirksam bleiben, solange die rechtskräftige Bewilligung nicht vorliegt ( Art. 20 Abs. 1 BewB ). Daraus folgt, dass das neue Recht anwendbar ist, soweit das Bewilligungsverfahren nicht abgeschlossen ist. Die Grundsätze über die Rückwirkung werden dadurch nicht verletzt. c) Die Beschwerdeführer machen eher beiläufig geltend, die Streichung Ennetbürgens sei nicht gerechtfertigt gewesen. Mit diesem Einwand sind sie nicht zu hören. Ob die Wirtschaft eines Ortes vom Fremdenverkehr abhängt und dieser der Ansiedlung von Gästen bedarf, war nach dem Willen des historischen Gesetzgebers BGE 107 Ib 191 S. 197 in letzter Instanz durch den Richter zu entscheiden. Mit dem Erlass der BewVF wurde diese Aufgabe dem Bundesrat zugewiesen. Diese Zuständigkeitsregelung ist nicht zu beanstanden (vgl. BGE 102 Ib 30 ). Der Bundesrat verfügt in dieser Frage über einen weiten Ermessensspielraum, welcher für das Bundesgericht verbindlich ist (Art. 113 Abs. 3 und 114bis Abs. 3 BV). Das Bundesgericht kann daher sein Ermessen nicht anstelle desjenigen des Bundesrates setzen. Insbesondere hat es nicht die Zweckmässigkeit solcher Entscheide zu überprüfen, sondern es untersucht nur, ob der Bundesrat sein Ermessen nach dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit ausgeübt hat ( BGE 105 Ib 369 /70 E. 11b mit Hinweis). Die Vorinstanz begründete im angefochtenen Entscheid einlässlich, warum sie dem Bundesrat die Streichung Ennetbürgens aus Anhang 1 BewVF beantragte. Sie vertrat die Auffassung, mit dem Zweitwohnungsverkauf an Personen im Ausland werde kein ausschlaggebender Beitrag zur Förderung des Tourismus in Ennetbürgen geleistet. Sie wies ausserdem auf die ihrer Ansicht nach negativen Begleiterscheinungen im Zusammenhang mit dem Grundstückverkauf an Personen im Ausland hin. Die Beschwerdeführer weisen zwar auf die Wichtigkeit des Tourismus hin, setzen sich jedoch mit keinem Wort mit der Auffassung der Vorinstanz auseinander, der Verkauf von Zweitwohnungen an Personen im Ausland sei gerade in Ennetbürgen nicht unabdingbar und notwendig. Unter diesen Umständen besteht kein Anlass, die Streichung Ennetbürgens als rechtswidrig zu betrachten. d) Zusammenfassend ergibt sich, dass die mit Wirkung ab 19. Mai 1981 in Kraft getretene Streichung Ennetbürgens aus Anhang 1 BewVF die Erteilung der Bewilligung gestützt auf Art. 6 Abs. 2 lit. a Ziff. 3 BewB grundsätzlich ausschliesst. Im folgenden bleibt zu prüfen, ob besondere Verhältnisse vorliegen, welche die Erteilung der Bewilligung gebieten. 4. (Es folgen Ausführungen darüber, dass keine besonderen Verhältnisse vorliegen.)
public_law
nan
de
1,981
CH_BGE
CH_BGE_003
CH
Federation
00f78b1c-5438-4811-a953-0cf540581c36
Urteilskopf 125 I 406 37. Estratto dalla sentenza 25 agosto 1999 della II Corte di diritto pubblico nella causa X. S.A. c. Consiglio di Stato del Cantone Ticino e A. S.A. (ricorso di diritto pubblico)
Regeste Art. 9 Abs. 1 - 3 des Bundesgesetzes über den Binnenmarkt (BGBM); Art. 27 des Tessiner Gesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen; Rechtsmittel; staatsrechtliche Beschwerde; Notwendigkeit einer verwaltungsunabhängigen kantonalen Beschwerdeinstanz. Grundsätzliche Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde gegen kantonale oder gemeindliche Vergabeentscheide (Bestätigung der Rechtsprechung) (E. 1). Das in Art. 9 Abs. 2 BGBM vorgesehene Recht, eine Streitigkeit im öffentlichen Beschaffungswesen einer verwaltungsunabhängigen kantonalen Beschwerdeinstanz zu unterbreiten, steht sowohl den ortsfremden als auch den ortsansässigen Anbietern zu (E. 2). Mangels Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges ( Art. 86 Abs. 1 OG ) Unzulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde gegen einen Entscheid der Tessiner Regierung, der von der kantonalen Gesetzgebung über das öffentliche Beschaffungswesen als letztinstanzlich behandelt wird. Überweisung der Beschwerde an den Kanton Tessin, damit er der Beschwerdeführerin eine verwaltungsunabhängige Beschwerdeinstanz zur Verfügung stellt (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 407 BGE 125 I 406 S. 407 A.- Mediante pubblicazione sul Foglio Ufficiale cantonale del 21 agosto 1998, il Dipartimento delle finanze e dell'economia del Cantone Ticino ha messo a concorso le opere di arredamento cucina per l'aula di economia familiare della Scuola media di Breganzona. Entro il termine utile del 15 settembre 1998 sono pervenute alla Cancelleria dello Stato del Cantone Ticino le seguenti offerte: A. S.A., Lugano fr. 32'429.25 B. S.A., Cadenazzo fr. 40'449.80 C., Mendrisio fr. 43'166.60 X. S.A., Pregassona fr. 44'559.60 D. S.A., Giubiasco fr. 53'527.95 E. S.A., Cadenazzo fr. 64'727.50 A causa di un errore di calcolo l'offerta inoltrata di C. è stata stralciata dalla graduatoria. L'11 dicembre 1998 la Divisione delle risorse del Dipartimento cantonale delle finanze e dell'economia ha quindi risolto di aggiudicare le opere a concorso alla A. S.A., ditta prima classificata. B.- Il 23 dicembre 1998 la X. S.A. ha impugnato la suddetta decisione dinanzi al Consiglio di Stato del Cantone Ticino. Il gravame è stato respinto con risoluzione del 10 febbraio 1999. BGE 125 I 406 S. 408 L'11 marzo 1999 la X. S.A. ha inoltrato davanti al Tribunale federale un ricorso di diritto pubblico, con cui chiede l'annullamento della predetta sentenza governativa e il rinvio degli atti alle autorità cantonali per un nuovo giudizio. Fa valere la violazione degli art. 4 e 31 Cost. Il Tribunale federale ha dichiarato l'impugnativa inammissibile ed ha rinviato gli atti al Cantone Ticino. Erwägungen Considerando in diritto: 1. In base alla più recente giurisprudenza del Tribunale federale, resa in seguito all'entrata in vigore dell'accordo sui mercati pubblici concluso nell'ambito del trattato per l'istituzione del GATT/OMC (AAP; RS 0.632.231.422), del Concordato intercantonale sugli appalti pubblici del 25 novembre 1994 (CIAP; RS 172.056.4; in vigore in Ticino dal 21 maggio 1996 in forza del decreto legislativo del 6 febbraio 1996 concernente l'adesione del Cantone Ticino al Concordato intercantonale sugli appalti pubblici del 25 novembre 1994) e della legge federale sul mercato interno, del 6 ottobre 1995 (LMI; RS 943.02), chi partecipa ad una gara per l'assegnazione di una commessa pubblica dispone, sulla base del diritto materiale applicabile, di un interesse giuridicamente protetto, ai sensi dell' art. 88 OG , che gli consente di sollevare nell'ambito di un ricorso di diritto pubblico delle censure riferite non soltanto allo svolgimento formale della procedura di concorso, ma anche al merito delle decisioni rese dal committente ( DTF 125 II 86 consid. 4). 2. a) Giusta l' art. 86 cpv. 1 OG il ricorso di diritto pubblico è ammissibile soltanto contro le decisioni cantonali di ultima istanza. A livello ticinese, l'art. 27 cpv. 1 LApp prevede che contro le decisioni dipartimentali è dato ricorso al Consiglio di Stato, il cui giudizio - stante quanto stabilito dall'art. 27 cpv. 2 LApp - è definitivo. Ciò corrisponde d'altra parte a quanto indicato nella decisione impugnata, motivo per il quale la ricorrente ha contestato la medesima introducendo dinanzi al Tribunale federale il ricorso di diritto pubblico in esame, rilevando comunque come, al momento attuale, la legislazione vigente nel Cantone Ticino non preveda un'istanza di ricorso indipendente dall'amministrazione, conformemente a quanto prescritto dall' art. 9 cpv. 2 LMI . b) Si pone dunque il quesito di sapere se una simile istanza ricorsuale si imponga in virtù del diritto federale e se la stessa non dovrebbe, semmai, pronunciarsi in merito alla presente vertenza prima di BGE 125 I 406 S. 409 codesta Corte, in modo tale che siano esaurite tutte le possibilità di ricorso a livello cantonale ( art. 86 cpv. 1 OG ). A questo proposito occorre innanzitutto rilevare come il già citato Concordato intercantonale sugli appalti pubblici - pur non essendo applicabile alla fattispecie in esame a causa del mancato raggiungimento dei valori soglia da esso fissati (cfr. art. 7 CIAP ) - preveda all'art. 15 cpv. 1 la facoltà di impugnare dinanzi ad un'istanza cantonale indipendente le decisioni rese dal committente. Nel caso in cui i Cantoni non dovessero emanare delle disposizioni d'applicazione istituenti delle autorità ricorsuali di questo genere, allora spetta al Tribunale federale il compito di dirimere le vertenze circa l'applicazione della normativa intercantonale in parola ( art. 15 cpv. 3 CIAP ). Sennonché questa stessa Corte ha già avuto modo di precisare come né il diritto cantonale, né quello intercantonale costituiscano una sufficiente base legale per imporre al Tribunale federale di ammettere la ricevibilità di un ricorso di diritto pubblico ( DTF 125 II 86 consid. 2c). Così come formulato, l' art. 15 CIAP non sembra sancire alcun obbligo per i Cantoni di istituire delle istanze di ricorso indipendenti; il che è riconducibile al fatto che questa norma è stata emanata tenendo conto del disegno di legge federale sul mercato interno, il quale, per l'appunto, non prevedeva alcunché in proposito (cfr. FF 1995 I 1066; EVELYNE CLERC, L'ouverture des marchés publics: effectivité et protection juridique, Friburgo, 1997, pag. 478). c) L' art. 9 LMI prescrive che le restrizioni concernenti il libero accesso al mercato, in particolare nel settore degli appalti pubblici, devono rivestire la forma di decisioni impugnabili (cpv. 1); il diritto cantonale deve prevedere perlomeno un rimedio giuridico presso un'istanza di ricorso indipendente dall'amministrazione: le decisioni di quest'ultima sono definitive, fatta salva la possibilità di introdurre un ricorso di diritto pubblico davanti al Tribunale federale (cpv. 2). Qualora il rimedio di diritto cantonale o il ricorso di diritto pubblico si dovessero rivelare fondati ed è già stato concluso un contratto con l'offerente prescelto dal committente, allora l'istanza ricorsuale cantonale o il Tribunale federale sono unicamente tenute ad accertare in che misura la decisione impugnata viola il diritto federale (cpv. 3). La legge federale sul mercato interno è in vigore dal 1o luglio 1996. Tuttavia, per le norme concernenti i rimedi giuridici esperibili in materia di appalti pubblici (art. 9 cpv. da 1 a 3 e art. 5 LMI ), l'entrata in vigore è stata posticipata al 1o luglio 1998. Il legislatore federale ha quindi assegnato ai Cantoni e ai Comunie, come pure agli altri BGE 125 I 406 S. 410 enti preposti all'esecuzione di compiti pubblici, un termine di due anni, a far tempo dal 1o luglio 1996, per emanare le dovute disposizioni organizzative ( art. 11 cpv. 1 LMI ). Mediante il citato differimento, si è voluto evitare che, durante il periodo necessario ai Cantoni per adeguare la loro organizzazione giudiziaria alle nuove esigenze procedurali fissate dal diritto federale, le decisioni rese in materia di appalti pubblici da istanze cantonali e comunali potessero essere impugnate direttamente davanti al Tribunale federale, quale unica istanza ricorsuale ( DTF 125 II 86 consid. 2a; CLERC, op.cit., pag. 476 e seg.). d) Per quanto concerne più specificatamente il caso concreto, va innanzitutto rilevato che la procedura di concorso ha preso avvio, mediante la pubblicazione del bando, il 21 agosto 1998, allorquando era ormai già entrato in vigore l'art. 9 cpv. da 1 a 3 LMI ed era trascorso il citato termine di due anni per l'adeguamento della legislazione cantonale alle regole di procedura previste da detta disposizione. La ricorrente avrebbe pertanto dovuto disporre della possibilità di adire a livello cantonale un'istanza di ricorso indipendente dall'amministrazione per censurare la pretesa illegalità della querelata decisione. Ciò non è avvenuto, dal momento che, come già rilevato in precedenza (cfr. consid. 2a), l'attuale legislazione ticinese in materia di appalti pubblici prevede unicamente la possibilità di contestare le decisioni dipartimentali dinanzi al Governo cantonale, il quale però non è certo un'autorità di giudizio che adempie il citato requisito d'indipendenza dall'apparato amministrativo statale. Occorre tuttavia ancora domandarsi se l'esigenza di disporre di un'istanza ricorsuale indipendente a livello cantonale valga anche per il caso in esame, dove tanto l'insorgente quanto le altre ditte offerenti hanno la loro sede nel Cantone Ticino, per cui la fattispecie non presenta nessuna connotazione intercantonale. A tale quesito dev'essere data risposta affermativa. La legge sul mercato interno ha in primo luogo per scopo di impedire che gli offerenti esterni possano essere discriminati allorquando si tratta di accedere ai mercati di altri Cantoni, rispettivamente, di altri Comuni (cfr. art. 3 LMI ; FF 1995 I 1054-1055; COTTIER/WAGNER, Das neue Bundesgesetz über den Binnenmarkt, in AJP 1995, pag. 1583). Giusta l' art. 1 cpv. 1 LMI , il diritto d'accedere liberamente e senza alcuna discriminazione al mercato vale in generale per ogni persona avente il proprio domicilio o la propria sede in Svizzera, e ciò indipendentemente dal fatto che, per rapporto ad una determinata situazione, la stessa intervenga quale offerente esterno o locale (ALBERTO CRAMERI, Das öffentliche Beschaffungswesen BGE 125 I 406 S. 411 aus der Sicht Graubündens, in ZGRG 1998, pag. 141). Ora, è certamente vero che il diritto alla parità di trattamento, ancorato all' art. 4 Cost. , e la libertà di industria e di commercio, di cui all' art. 31 Cost. , già tutelano il singolo offerente locale da possibili provvedimenti volti a discriminarlo in ambito economico e, segnatamente, nel settore degli appalti pubblici. Occorre tuttavia considerare che soltanto la legge sul mercato interno prevede la possibilità d'appellarsi ad un'istanza di giudizio cantonale indipendente dall'amministrazione, non essendo un simile diritto direttamente deducibile dalle norme costituzionali sopra menzionate. In questo senso, detta legge istituisce, per quanto attiene alla protezione giuridica dei partecipanti ad una procedura d'appalto pubblico, delle garanzie che non coincidono con quelle che possono essere desunte dalla Costituzione federale. Pertanto, se si volesse considerare che le regole procedurali sancite dall' art. 9 LMI valgono unicamente per coloro che, nel contesto di un determinato concorso, agiscono quali offerenti esterni, allora soltanto quest'ultimi potrebbero prevalersi della facoltà, fondata sull'ordinamento federale, di adire in sede cantonale un'istanza di giudizio indipendente. Per contro gli offerenti locali non avrebbero il diritto di rivolgersi ad una simile autorità ricorsuale. Il che darebbe luogo ad una situazione del tutto insoddisfacente, non solo sul piano giuridico ma anche dal punto di vista prettamente pratico, non potendosi ammettere che chi partecipa ad un concorso per l'aggiudicazione di una commessa pubblica benefici a livello processuale di una diversa protezione dei propri diritti, a seconda del fatto che si trovi ad agire nel caso specifico alla stregua di un offerente esterno o, per contro, come un offerente locale. 3. a) Stante quanto precede si deve dunque concludere che, in virtù del diritto federale, la presente vertenza andava previamente sottoposta al giudizio di un' istanza di ricorso cantonale indipendente dall'amministrazione. Di conseguenza il ricorso di diritto pubblico è inammissibile, a causa del mancato esaurimento delle istanze cantonali ( art. 86 cpv. 1 OG ). Gli atti sono pertanto da rinviare al Consiglio di Stato ticinese, il quale, non appena possibile, trasmetterà a sua volta gli stessi all'istanza di ricorso indipendente che le competenti autorità cantonali dovranno designare, al fine di adeguare l'ordinamento ticinese alle esigenze di procedura dettate dall' art. 9 cpv. 2 LMI . Verosimilmente sarà il Tribunale cantonale amministrativo a dover fungere da autorità di giudizio indipendente, dal momento che il medesimo svolge già una simile funzione nei casi d'applicazione del Concordato intercantonale sugli appalti pubblici (cfr. art. 4 cpv. 1 BGE 125 I 406 S. 412 del decreto legislativo del 6 febbraio 1996 concernente l'adesione del Cantone Ticino al Concordato intercantonale sugli appalti pubblici del 25 novembre 1994). Sarà comunque compito delle autorità cantonali, che dispongono in questo ambito della più ampia libertà decisionale, di operare le dovute scelte in proposito. b) Visto l'esito del gravame si rinuncia a prelevare una tassa di giustizia. Inoltre non vengono assegnate ripetibili, ritenuto comunque che sarà compito dell'autorità cantonale competente ad evadere il ricorso determinarsi su tale questione, a dipendenza del risultato a cui essa perverrà.
public_law
nan
it
1,999
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Federation
00faa341-53fe-4cba-b8df-8823a7947509
Urteilskopf 123 V 258 46. Sentenza dell'11 dicembre 1997 nella causa Ufficio federale delle assicurazioni sociali contro I. e Tribunale delle assicurazioni del Cantone Ticino
Regeste Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 4 lit. a, Art. 5 Abs. 1 ELG , Art. 11 ELV , Art. 11 Abs. 2 AHVV . Mehrkosten für auswärtige Verpflegung können nur in dem Masse als Gewinnungskosten vom Einkommen abgezogen werden, in welchem sie die in Art. 11 Abs. 2 AHVV in Verbindung mit Art. 11 ELV festgesetzten Beträge übersteigen.
Sachverhalt ab Seite 258 BGE 123 V 258 S. 258 A.- I., cittadino italiano nato nel 1964, domiciliato a L., svolge attività lucrativa quale operaio agricolo in un laboratorio protetto, gestito dalla Fondazione O., a R. Invalido nella misura di oltre i due terzi, egli è titolare di una rendita intera dell'assicurazione per l'invalidità ed è stato messo al beneficio pure di una prestazione complementare, ammontante, dopo più revisioni, a fr. 442.- mensili nel 1993. La Cassa di compensazione del Cantone Ticino, a seguito di una nuova revisione periodica delle prestazioni complementari, ha rifiutato per decisione del 25 marzo 1994 di ulteriormente concedere all'interessato la menzionata prestazione, considerando che a partire dal 1o aprile 1994 il reddito determinante superava il limite fissato dalla legge. B.- B., madre dell'assicurato, è insorta con ricorso al Tribunale delle assicurazioni del Cantone Ticino. In qualità di sua rappresentante, essa ha postulato l'annullamento della decisione della Cassa, argomentando che nel computo del reddito di suo figlio non si erano dedotti in debita misura i costi di alloggio e non si erano tenute in considerazione le spese per i pasti di mezzogiorno consumati presso la Fondazione che questi doveva sopportare. La Cassa ha proposto di accogliere parzialmente il gravame e di concedere all'assicurato una prestazione complementare mensile di fr. 175.- a BGE 123 V 258 S. 259 decorrere dal 1o aprile 1994. L'amministrazione ha condiviso il parere dell'istante per quel che concerne i costi di alloggio. Essa ha invece ritenuto che non poteva essere riconosciuta la pretesa deduzione inerente le spese per il pranzo. Mediante pronunzia del 20 marzo 1995, l'autorità giudiziaria cantonale, ammessa una deduzione forfettaria annuale di fr. 1200.- per le spese relative ai pasti presi fuori casa, ha integralmente accolto il ricorso e deciso che l'insorgente aveva diritto al versamento di una prestazione complementare mensile di fr. 249.- a partire dal 1o aprile 1994. C.- Contro il giudizio cantonale, l'Ufficio federale delle assicurazioni sociali (UFAS) interpone un ricorso di diritto amministrativo a questa Corte. Contesta la deduzione forfettaria di fr. 1200.-, ammessa dai giudici cantonali per i pasti consumati fuori casa, rilevando che il limite di reddito determinante per la copertura del fabbisogno del ricorrente comprende già le spese per i pranzi nella misura di fr. 8.- al giorno, il che corrisponde al costo del pasto fatturato presso la Fondazione O. Chiede pertanto l'annullamento del giudizio impugnato e il rinvio degli atti alla Cassa cantonale di compensazione per l'emanazione di una nuova decisione. La rappresentante di I. postula la disattenzione del ricorso, mentre l'amministrazione ne chiede l'accoglimento. Erwägungen Diritto: 1. Unico punto litigioso della presente vertenza è quello di sapere se, sul reddito conseguito dall'assicurato nell'attività lucrativa dipendente esercitata nel laboratorio protetto di R., possa essere ammessa una deduzione per costi supplementari dovuti al fatto che egli deve consumare i pasti fuori casa. Gli altri aspetti del calcolo della prestazione complementare, esaminati dai giudici cantonali, non sono contestati in questa sede e non formano pertanto oggetto della lite. 2. Prestazioni complementari sono concesse all'assicurato se il reddito annuo determinante non raggiunge il limite di reddito legale, fissato per persone sole e per minorenni assegnatari di rendite d'invalidità a fr. 16'140.- ( art. 2 cpv. 1 LPC ). L'importo della prestazione corrisponde alla differenza fra il limite di reddito applicabile e il reddito annuo determinante ( art. 5 cpv. 1 LPC ). Dal reddito determinante sono dedotti, tra altri elementi, le spese per il suo conseguimento, fino a concorrenza BGE 123 V 258 S. 260 del reddito lordo dell'attività lucrativa ( art. 3 cpv. 4 lett. a LPC ). Le spese di conseguimento del reddito sono costituite dalle spese che si trovano in relazione con l'esercizio di una professione e che sono direttamente legate alla realizzazione del reddito lordo o alla sua conservazione. Le spese che non sono in relazione con il conseguimento di un reddito o che hanno solo un rapporto indiretto con tale realizzazione non sono considerate come spese di conseguimento del reddito ( DTF 111 V 127 consid. 3c, DTF 108 V 221 consid. 3b; RCC 1980 pag. 127 consid. 3a). Come esattamente sottolinea l'Ufficio ricorrente, secondo la cifra marginale 2083 delle Direttive sulle prestazioni complementari all'AVS e AI, si possono dedurre quali spese di conseguimento del reddito, in particolare, le spese supplementari dovute al fatto di dover consumare i pasti fuori casa (RCC 1968 pag. 113). Deve invece essere considerato che le spese normali dovute al fatto di consumare i pasti fuori casa sono già comprese nel limite di reddito determinante per la copertura del fabbisogno stabilito dalla legge e fissato, nel periodo determinante, a fr. 16'140.-. In particolare, secondo la cifra marginale 2067 1/93 delle menzionate direttive, le spese normali per i pranzi corrispondono a fr. 8.- giornalieri. 3. a) Nell'evenienza concreta, come ritiene a giusta ragione la Cassa di compensazione e come postula l'UFAS nel ricorso di diritto amministrativo, le spese di vitto fanno squisitamente parte del fabbisogno. È vero che, in un caso analogo alla presente vertenza, il Tribunale federale delle assicurazioni aveva ammesso, fondandosi sulle direttive riguardanti il diritto fiscale allora vigente, essere ineccepibile la soluzione consistente nel dedurre dal reddito realizzato le spese dovute al consumo dei pasti fuori casa quali spese per il suo conseguimento (RCC 1980 pag. 127 consid. 3b). A questo proposito va ricordato che il limite di reddito legale ai sensi dell' art. 2 cpv. 1 LPC , limite di fabbisogno, ha per scopo di garantire un reddito minimo. Fanno parte di tale fabbisogno, oltre alle spese di vitto e di alloggio, costi di vario genere; detta norma non definisce però individualmente quali siano gli oneri che lo compongono, né in che misura i medesimi vengano singolarmente computati. Ora, diverso è invece il disciplinamento per quanto concerne il punto particolare delle spese di vitto: in effetti, secondo la legislazione applicabile in concreto, il reddito in natura è valutato secondo le prescrizioni valide per l'assicurazione per la vecchiaia ed i superstiti ( art. 11 OPC-AVS/AI ); orbene, giusta l' art. 11 cpv. 2 OAVS , il pasto di mezzogiorno viene computato in fr. 8.-. Ne deriva che, finché le menzionate spese non BGE 123 V 258 S. 261 superano il suindicato importo, l'assicurato non deve sovvenire alle medesime facendo capo a mezzi eccedenti quelli costitutivi del fabbisogno corrispondente al limite del reddito legale. Pertanto, spese supplementari per i pasti consumati fuori casa possono essere annoverate fra quelle deducibili, necessarie al conseguimento del reddito, soltanto se superano l'importo stabilito all' art. 11 cpv. 2 OAVS in relazione con l' art. 11 OPC-AVS/AI . b) Nella presente fattispecie, il pasto di mezzogiorno viene, ai fini delle prestazioni complementari e conformemente alla summenzionata normativa, computato in fr. 8.-, il che corrisponde a quanto effettivamente viene preteso presso il Centro ove lavora l'assicurato. Per converso, seguendo il ragionamento sostenuto dal Tribunale delle assicurazioni del Cantone Ticino, si procederebbe a una duplice presa in considerazione del costo in questione, da cui risulterebbe pertanto una differenza eccessiva fra il limite di reddito applicabile e il reddito annuo determinante a norma di legge. In esito a quanto precede, il ricorso merita accoglimento, nel senso che gli atti di causa devono essere rinviati all'amministrazione affinché renda una nuova decisione.
null
nan
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1,997
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CH_BGE_007
CH
Federation
00fd6593-aec9-4aa2-8a13-49ecd0cedfd3
Urteilskopf 120 II 285 55. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 2. September 1994 i.S. B. gegen P. (Berufung)
Regeste Beistandspflicht des Stiefelternteils ( Art. 278 Abs. 2 ZGB ); Bemessung des Unterhaltsbeitrages des Elternteils, dem die elterliche Gewalt nicht zusteht ( Art. 285 Abs. 1 ZGB ). Bloss subsidiäre Beistandspflicht des Stiefelternteils (E. 2b). Der leistungsfähigere Elternteil hat unter Umständen für den gesamten Barbedarf aufzukommen, wenn der andere dem Kind in umfassender Weise Naturalpflege zukommen lässt (E. 3a/cc). Der Unterhaltsbeitrag des Kindes ist nicht einfach linear nach der finanziellen Leistungskraft der Eltern und ohne jeden Bezug zur konkreten Situation des Kindes zu bemessen. Dass dieses mit finanziell weniger gut gestellten andern Kindern zusammenlebt, ist kein Grund, ihm einen geringeren Unterhaltsbeitrag zuzusprechen (E. 3b/bb). Zur Feststellung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen muss die Entwicklung von Einkommen und Vermögen seit der Scheidung in Betracht gezogen werden. In bezug auf die künftigen Einkommensaussichten rechtfertigt die unsichere Wirtschaftslage nicht, von einer Prüfung der Entwicklungstendenzen im konkreten Berufszweig abzusehen (E. 4b).
Sachverhalt ab Seite 287 BGE 120 II 285 S. 287 A.- Mit Urteil vom 17. April 1985 schied das Bezirksgericht Uster die Ehe von P. und C. Der aus der Ehe hervorgegangene Sohn B., geboren am 6. Juli 1981, wurde unter die elterliche Gewalt seiner Mutter gestellt. P. wurde verpflichtet, der Mutter an die Kosten des Unterhalts und der Erziehung des Sohnes einen monatlichen (indexierten) Unterhaltsbeitrag von Fr. 500.-- bis zu dessen Mündigkeit zu bezahlen. B.- Am 5. November 1990 reichte B. beim Bezirksgericht Hinwil Klage auf Abänderung des Scheidungsurteils seiner Eltern in bezug auf seinen Unterhaltsbeitrag ein. Dieses verpflichtete mit Urteil vom 23. Dezember 1992 P. zur Zahlung eines monatlichen (indexierten) Unterhaltsbeitrages für den Sohn B. von Fr. 900.-- ab 1. November 1990 bis 31. Juli 1998 und von Fr. 1'025.-- ab 1. August 1998 bis zur Mündigkeit. Dieses Urteil focht B. erfolglos mit Berufung beim Obergericht des Kantons Zürich an. C.- B. beantragt dem Bundesgericht mit seiner Berufung, das Urteil des Obergerichts vom 5. Januar 1994 aufzuheben. Er verlangt ferner u.a., P. sei zu verpflichten, ihm ab 1. November 1990 bis Ende Juli 1991 einen Unterhaltsbeitrag von Fr. 1'000.--, von Fr. 1'200.-- ab 1. August 1991 bis Ende Juli 1994 und von Fr. 1'500.-- ab 1. August 1994 bis zu seiner Mündigkeit zu bezahlen. P. beantragt Abweisung der Berufung. Das Obergericht hat auf Gegenbemerkungen verzichtet. Das Bundesgericht heisst die Berufung gut. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. a) Der Kläger wirft dem Obergericht vor, es habe gegen Art. 278 Abs. 2 ZGB verstossen. Er macht geltend, der Stiefelternteil habe seine Beistandspflicht gegenüber den im gemeinsamen Haushalt lebenden Stiefkindern direkt und durch Betreuung zu erfüllen; dieser habe an die finanziellen Kosten höchstens subsidiär beizutragen. Dies gälte um so mehr, als der Stiefvater, mit dem die Mutter des Klägers seit August 1990 verheiratet sei, eine unbefristete Scheidungsrente zu bezahlen und überdies seine leiblichen Kinder zu unterstützen habe. Sein Einkommen müsse deshalb ausser Betracht bleiben. b) Gemäss Art. 278 Abs. 2 ZGB hat jeder Ehegatte dem andern in der Erfüllung der Unterhaltspflicht gegenüber vorehelichen Kindern in angemessener Weise beizustehen. Stimmt der Stiefelternteil der Aufnahme vorehelicher Kinder seines Ehepartners in die Hausgemeinschaft zu, so hat BGE 120 II 285 S. 288 er seinem Ehepartner nur in angemessener Weise beizustehen, denn in bezug auf seine Leistungspflicht ist er dem leiblichen Elternteil nicht gleichgestellt. Die Beistandspflicht ist subsidiär; die elterliche Unterhaltspflicht gegenüber den eigenen leiblichen Kindern geht vor. Lebt das Kind, wie hier, bei Mutter und Stiefvater, so hat für die Barkosten des Kinderunterhalts der leibliche Vater aufzukommen ( Art. 276 Abs. 2 ZGB ). Der Beistand des Stiefvaters besteht darin, dass er einen allfälligen Unterschied zwischen einem ungenügenden Unterhaltsbeitrag des leiblichen Vaters und dem Bedarf des Kindes auszugleichen und das Risiko für die Einbringlichkeit der Unterhaltsbeiträge zu tragen hat (HEGNAUER, Der Unterhalt des Stiefkindes nach schweizerischem Recht, Festschrift für W. Müller-Freienfels, Baden-Baden 1986, S. 276 ff.; STETTLER, SPR III, S. 312 ff.; BRÄM/HASENBÖHLER, N. 140/141 zu Art. 159 ZGB ). Mit der darauf beschränkten Beistandspflicht des Stiefvaters verträgt es sich nicht, wenn sein gesamtes Erwerbseinkommen für die Berechnung des (auf die Mutter entfallenden) Unterhaltsbeitrages herangezogen wird, wie dies im angefochtenen Urteil geschehen ist. Der Beklagte hat sich seinerseits wieder verheiratet. Seine zweite Ehefrau erzielt - wie den kantonalen Akten entnommen werden kann - ein erhebliches Erwerbseinkommen, welches das Obergericht nicht einfach völlig beiseite lassen durfte, wenn es anderseits das Einkommen des jetzigen Ehemannes der Kindsmutter bei der Unterhaltsberechnung berücksichtigt hat. Jedenfalls erweist sich die Beanstandung des Klägers als begründet, dass das Obergericht der nur subsidiären Beistandspflicht des Stiefvaters in finanzieller Hinsicht keine Rechnung getragen hat. 3. Der Kläger macht weiter geltend, das Obergericht habe in mehrfacher Hinsicht gegen Art. 285 Abs. 1 ZGB verstossen. a) aa) Eine Verletzung von Bundesrecht erblickt der Kläger darin, dass das Obergericht seinen Unterhaltsbedarf ohne jede Begründung pauschal auf monatlich Fr. 800.-- festgelegt habe. Aus den Empfehlungen des Jugendamtes des Kantons Zürich für ein Einzelkind in der Altersgruppe 7-16 Jahre ergebe sich indessen ein durchschnittlicher Unterhaltsbedarf per 1. Januar 1993 von Fr. 1'220.-- und per Ende Dezember 1993 von Fr. 1'250.--, wobei sich diese Werte auf Haushalte von Arbeitnehmern in eher bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen bezögen. Auch sei der erwähnte durchschnittliche Bedarf bei sehr guten wirtschaftlichen Verhältnissen des Vaters zu erhöhen. Deswegen und auch angesichts der gehobenen BGE 120 II 285 S. 289 Lebensstellung des Beklagten müsse er sich nicht mit einem durchschnittlichen Unterhaltsbedarf abfinden, macht der Kläger geltend. bb) Bei der Festlegung des Unterhaltsbedarfs für den Kläger ist das Obergericht zwar von den Berechnungen des Jugendamtes des Kantons Zürich ausgegangen, hat aber beigefügt, dass es sich dabei um Richtwerte handle, von denen unter Umständen erheblich abgewichen werden könne. Bei der Beurteilung der Bedürfnisse des Kindes sei zu beachten - so erwog das Obergericht weiter - was die Eltern zu leisten vermöchten und welches ihre Lebensstellung sei; würden in dieser Hinsicht Unterschiede zwischen den beiden Elternteilen bestehen, so habe das Kind grundsätzlich gegenüber jedem Elternteil Anspruch darauf, an dessen Lebensstellung teilzuhaben. Im konkreten Fall lägen die Richtwerte für den Kläger und seine beiden Halbgeschwister derzeit bei Fr. 945.--, gesamthaft also bei Fr. 34'000.-- pro Jahr. Da die Mutter des Klägers und deren jetziger Ehemann im Jahre 1992 ein Gesamteinkommen von Fr. 100'000.-- erzielt hätten, liege der Unterhaltsbedarf des Klägers - bezogen auf die Leistungsfähigkeit und die Lebensstellung der Mutter - etwas unter dem Richtwert, so dass er auf Fr. 800.-- pro Monat zu beziffern sei. cc) Bei den Bedürfnissen des Kindes, die für die Festsetzung der Unterhaltsbeiträge zu berücksichtigen sind, handelt es sich nicht um eine von vornherein feststehende Grösse. Das Kind hat vielmehr auf eine den Verhältnissen seiner Eltern entsprechende Erziehung und Lebensstellung Anspruch. Leben die Eltern getrennt, so hat das Kind grundsätzlich gegenüber jedem Elternteil einen Anspruch darauf, an dessen Lebensstellung teilzuhaben. Von daher rechtfertigt es sich, für die von Vater und Mutter zu erbringenden Unterhaltsbeiträge auf ihre jeweils unterschiedliche Lebensstellung abzustellen ( BGE 116 II 110 E. 3b S. 113/114). Unter diesem Gesichtswinkel ist es zwar nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz den Unterhaltsbedarf des Klägers auf die Verhältnisse der Mutter zugeschnitten und ihn nach deren Leistungsfähigkeit und Lebensstellung bemessen hat. Hingegen ist aus der summarischen Begründung im angefochtenen Urteil nicht ersichtlich, aus welchen Überlegungen das Obergericht den Richtwert von Fr. 945.-- als zu hoch erachtet und nach welchen Kriterien es den monatlichen Bedarf des Klägers auf Fr. 800.-- festgelegt hat. Nach Auffassung der Vorinstanz hat die Mutter des Klägers die Hälfte des auf ihre Verhältnisse zugeschnittenen Unterhaltsbedarfs, d.h. Fr. 400.-- zu tragen, was der Kläger als unhaltbar und stossend beanstandet. BGE 120 II 285 S. 290 Im vorliegenden Fall lebt der Kläger bei seiner Mutter, die ihm die gesamte Naturalpflege gewährt. Der Beklagte hat nach den Feststellungen des Bezirksgerichts in den Jahren 1986-1990 ein durchschnittliches Einkommen von ca. Fr. 150'000.-- erzielt und im Jahre 1992 rund Fr. 141'000.-- verdient. Dagegen nimmt sich das Erwerbseinkommen der Mutter, das sich nach dem obergerichtlichen Massnahmeentscheid auf rund Fr. 22'000.-- pro Jahr beläuft, bescheiden aus. Das Bundesgericht hat für Fälle der vorliegenden Art den Grundsatz aufgestellt, dass dort, wo die Leistungsfähigkeit des einen Elternteils erheblich grösser ist als diejenige des andern, der zudem das Kind in Obhut hat und durch die tägliche Erziehung sowie die Zurverfügungstellung der Wohnung für das Kind sorgt ( Art. 276 Abs. 2 ZGB ), es in keiner Weise zu beanstanden sei, wenn dem wirtschaftlich leistungsfähigeren Elternteil zugemutet werde, für den gesamten Bedarf des Kindes aufzukommen (nicht veröffentlichtes Urteil der II. Zivilabteilung vom 2. März 1994 in Sachen R.-W. gegen R., E. 5). In Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung ist es gerechtfertigt, hier der Mutter, welche dem Kläger in umfassender Weise Naturalpflege zukommen lässt, nicht noch zusätzlich einen finanziellen Unterhaltsbeitrag aufzubürden, sondern den überdurchschnittlich leistungsfähigen Vater den gesamten Barbedarf des Klägers tragen zu lassen. b) aa) Das Bezirksgericht hat festgestellt, dass sich die wirtschaftliche Situation des Beklagten seit der Scheidung im Jahre 1985 erheblich und dauerhaft verbessert hat. Im Blick darauf hat es den von diesem zu leistenden Unterhaltsbeitrag, der im Scheidungsurteil auf Fr. 500.-- festgesetzt worden war, angehoben, und zwar für die Zeitspanne ab 1. November 1990 bis Ende Juli 1998 auf Fr. 900.--, und für den Zeitraum ab 1. August 1998 bis zur Mündigkeit auf Fr. 1'025.-- pro Monat. Diese Erhöhung hat der Beklagte nicht angefochten. Das Obergericht hat jedoch eine weitere Anhebung abgelehnt, und der Kläger hält dies für bundesrechtswidrig. Er beruft sich auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung, wonach ein Kind vom besser gestellten Elternteil nicht deshalb weniger Unterhalt bekommen dürfe, weil der andere in bescheideneren Verhältnissen lebe; massgebend sei die Lebenshaltung des unterhaltspflichtigen Elternteils. bb) Der Unterhaltsbeitrag hat in einem vernünftigen Verhältnis zur Lebensstellung und zur Leistungsfähigkeit des Beitragspflichtigen zu stehen. Gestattet sich dieser eine hohe Lebenshaltung, so hat das Kind grundsätzlich Anspruch darauf, dass auch seine Bedürfnisse höher BGE 120 II 285 S. 291 veranschlagt werden und dass es seine Wünsche aufwendiger und auch in erweitertem Umfang befriedigen kann. Immerhin können die Umstände im Einzelfall ergeben, dass aus erzieherischen Gründen dem Kind eine einfachere Lebensstellung zukommen soll als diejenige der Eltern ( BGE 116 II 110 E. 3b S. 113/114). Damit wollte zum Ausdruck gebracht werden, dass der Unterhaltsbeitrag des Kindes nicht einfach linear nach der finanziellen Leistungskraft der Eltern ohne jeden Bezug zur konkreten Situation des Kindes zu bemessen ist. Vorerst muss jedoch die dem Kind einzuräumende Lebensstellung aufgrund der von seinen Eltern tatsächlich praktizierten Lebenshaltung eruiert werden. Hernach ist zu prüfen, ob die Persönlichkeit des Kindes aus pädagogischen Gründen eine Zurückhaltung bei der Festlegung des Unterhaltes rechtfertigt. Das Obergericht hat die finanzielle Lage des Klägers mit derjenigen seiner beiden Halbgeschwister verglichen und wegen der dabei bestehenden Differenz geschlossen, eine weitere Erhöhung des Unterhaltes für den Kläger sei erzieherisch wegen dessen Bevorzugung gegenüber den Halbgeschwistern nicht verantwortbar. Diese Argumentation hält einer näheren Prüfung nicht stand. Einerseits fehlen konkrete Hinweise dafür, dass es sich auf das persönliche Wachstum des Klägers negativ auswirkte, wenn er einen höheren Unterhaltsbeitrag erhielte. Anderseits geht es nicht an, einem Kind aufgrund des zufälligen Umstandes, dass es mit finanziell weniger gut gestellten andern Kindern in Wohngemeinschaft lebt, einen geringeren Unterhaltsbeitrag zuzugestehen, als wenn es allein beim erziehenden Elternteil aufwächst (vgl. dazu auch HEGNAUER, Grundriss des Kindesrechts, 4. Aufl., S. 47/148, Ziff. 21.15b). Das darf nicht dem Unterhaltsberechtigten angelastet werden. Die Auffassung der Vorinstanz hat auch zur Folge, dass der unterhaltspflichtige Elternteil in einem solchen Fall von vornherein weniger leisten müsste und dadurch in ungerechtfertigter Weise entlastet würde. Was das finanzielle Gefälle zwischen miteinander aufwachsenden, aus unterschiedlichen Ehen stammenden Kindern betrifft, so obliegt es dem erziehenden Elternteil dafür zu sorgen, dass dieses Ungleichgewicht nicht zu einer Benachteiligung einzelner Kinder führt. cc) Auch das weitere Argument des Obergerichts, es sei nicht einzusehen, wie der Kläger zusätzliche Mittel sinnvoll verwenden könnte, weshalb eine weitere Erhöhung der Unterhaltsbeiträge nicht in Frage komme, vermag nicht zu überzeugen. Der Kläger ist derzeit 13jährig. Bei Jugendlichen in diesem BGE 120 II 285 S. 292 Alter fallen erfahrungsgemäss erhebliche Kosten für Freizeitaktivitäten und für die Befriedigung kultureller Bedürfnisse an; der Kläger betätigt sich denn auch in mehreren Sportvereinen. Vor allem aber ist die Ausbildung heute sehr kostenintensiv. Es macht durchaus Sinn, im Hinblick auf die berufliche Ausbildung oder ein mögliches Studium bereits jetzt vorzusorgen. 4. a) Im angefochtenen Urteil wird weiter ausgeführt, selbst wenn der Beklagte heute ausserordentlich gut gestellt wäre, sei eine weitere Erhöhung des Unterhaltsbeitrages nicht zu rechtfertigen. Deshalb erübrige es sich abzuklären, inwieweit sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beklagten seit der Scheidung verbessert hätten. Das Obergericht fährt fort, das Einkommen und Vermögen des selbständig tätigen Beklagten liesse sich bestenfalls bis zum Jahre 1992 sicher ermitteln, womit für die Folgezeit aber wenig gewonnen sei. Weil die Wirtschaftslage derzeit unsicher sei und sich nach wie vor nicht gerade günstig entwickle, liesse es sich keinesfalls rechtfertigen, aufgrund des heute beweisbaren Einkommens und Vermögens des Beklagten wesentlich höhere Unterhaltsbeiträge festzusetzen. Nur wenn klare Hinweise bestehen würden, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beklagten sehr stabil seien, wäre eine weitere Erhöhung denkbar. Der Kläger beanstandet diese Auffassung als bundesrechtswidrig und macht geltend, es komme entscheidend auf die seit dem Scheidungsurteil eingetretene kontinuierliche Einkommensverbesserung beim Beklagten an. b) Ob erhebliche und dauerhaft veränderte Verhältnisse gegeben sind, beurteilt sich nach der Tatbestandsfeststellung und der Prognose im Scheidungsurteil einerseits und den derzeitigen sowie den für die absehbare Zukunft gegebenen Verhältnissen anderseits. Ein ungewisser, bloss hypothetischer künftiger Sachverhalt ist kein Abänderungsgrund. Dagegen können konkrete Anhaltspunkte für das bevorstehende Eintreten veränderter Verhältnisse und das Interesse an einer Klärung der Rechtslage eine Urteilsabänderung rechtfertigen (BÜHLER/SPÜHLER, N. 85 zu Art. 157 ZGB ). Die Veränderung der Verhältnisse darf zwar nicht schon bei der Festsetzung des Beitrages im Scheidungsurteil berücksichtigt worden sein. Ist dies aber nicht geschehen, so sind für die Frage der Neuregelung primär die im Zeitpunkt der Beurteilung bestehenden Verhältnisse resp. die bis dahin eingetretene Entwicklung der finanziellen Lage des Unterhaltspflichtigen massgebend. Dabei fällt jede Einkommensverbesserung auf Seiten des leistungspflichtigen Elternteils als eine Verbesserung seiner BGE 120 II 285 S. 293 Leistungsfähigkeit in Betracht (BÜHLER/SPÜHLER, N. 151 zu Art. 157 ZGB ). Berücksichtigt werden kann zudem die in naher Zukunft sich abzeichnende Entwicklung der Verhältnisse, um spätere Abänderungsverfahren soweit wie möglich zu vermeiden (STETTLER, SPR III/2, S. 326). Nur gerade unter Berufung auf die Unsicherheit der allgemeinen Wirtschaftslage jede weitere Erhöhung der Unterhaltsbeiträge a priori abzulehnen, wie dies das Obergericht getan hat, ist indessen nicht haltbar. Vielmehr muss die Entwicklung von Einkommen und Vermögen des Beklagten in der Zeit seit der Scheidung in Betracht gezogen werden. In bezug auf die künftige Entwicklung genügt eine vage Prognose zur Feststellung der Leistungsfähigkeit des Beklagten im Sinne von Art. 285 Abs. 1 ZGB nicht, vielmehr sind die Entwicklungstendenzen im konkreten Berufszweig zu ermitteln. Insoweit ist der Sachverhalt nicht genügend abgeklärt.
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Urteilskopf 123 III 335 53. Extrait de l'arrêt de la Chambre des poursuites et des faillites du 13 août 1997 dans la cause SI M. SA (recours LP)
Regeste Verteilung des Erlöses. Aufforderung an einen Gläubiger, einen ihm überwiesenen Betrag zurückzuerstatten, welcher der Deckung der Massekosten im Sinne von Art. 262 SchKG dienen soll. Die an einen Gläubiger gerichtete Aufforderung des Konkursamtes, ihm einen zu Unrecht bezogenen Betrag zurückzuerstatten, ist keine im Sinne von Art. 17 SchKG anfechtbare Verfügung. Dem Konkursamt steht die Klage aus ungerechtfertigter Bereicherung offen (Bestätigung der Rechtsprechung).
Sachverhalt ab Seite 335 BGE 123 III 335 S. 335 Dans le cadre de la liquidation - sommaire - de la faillite de la SI M. SA, l'Administration cantonale des impôts (ci-après: ACI) a annoncé à l'office des faillites, en temps utile, son intervention provisoire afin de récupérer l'impôt sur le bénéfice en capital au titre de dette de la masse ( art. 262 al. 1 LP ). Après avoir vendu aux enchères un immeuble, principal actif de la faillie, pour le prix de 760'000 fr., l'office a versé à la banque X., créancière gagiste, la somme de 388'124 fr. 10, correspondant au montant de sa production en capital, frais et intérêts. L'ACI lui ayant ensuite notifié deux bordereaux d'impôt, l'office les adressa à la créancière gagiste en lui demandant de restituer 100'000 fr. en vue du règlement des impôts en question, qui constituaient des dettes de la masse. La créancière gagiste a refusé de restituer la somme réclamée; puis, sur confirmation de la demande de restitution, elle a déposé une plainte LP auprès de l'autorité cantonale inférieure de surveillance. La plainte ayant été admise et la décision de l'office annulée, la masse en faillite de la SI M. SA et l'ACI ont recouru à l'autorité cantonale BGE 123 III 335 S. 336 supérieure de surveillance. Celle-ci a rejeté les recours et confirmé le prononcé entrepris. Saisie d'un recours de la masse en faillite, la Chambre des poursuites et des faillites du Tribunal fédéral l'a rejeté. Elle a néanmoins annulé d'office la décision attaquée en tant qu'elle avait confirmé l'admission de la plainte, celle-ci devant être déclarée irrecevable. Erwägungen Extrait des considérants: 1. L'arrêt attaqué tient pour bien fondé le point de vue de l'autorité cantonale inférieure de surveillance selon lequel la masse en faillite, si elle entendait récupérer ce qu'elle avait versé prétendument à tort à la créancière gagiste, devait agir par la voie judiciaire. Le point de vue en question est parfaitement conforme à la jurisprudence du Tribunal fédéral ( ATF 35 I 480 ; ATF 61 III 36 ; cf. également C. JÄGER, Commentaire de la LP, n. 1 ad art. 266, dernier paragraphe). Pour ce motif, la Chambre de céans peut donc s'y rallier à son tour, sans avoir à se prononcer sur les motifs particuliers avancés en l'espèce par l'autorité cantonale supérieure de surveillance. Selon la jurisprudence précitée, l'invitation faite par l'office à un créancier d'avoir à lui restituer une somme touchée à tort est une simple déclaration de volonté dépourvue de caractère officiel; elle ne constitue pas une décision susceptible de plainte au sens de l' art. 17 LP . L'office qui entend se retourner contre celui qui a bénéficié indûment d'un versement ne peut ainsi se borner à le sommer de restituer les fonds reçus; si l'intéressé refuse de s'exécuter bénévolement, l'office en est réduit à lui intenter l'action en enrichissement illégitime ( ATF 35 I 480 consid. 2 p. 482/483; ATF 61 III 36 , spéc. p. 38/39). L'arrêt entrepris consacrant une solution conforme au droit, le recours ne peut qu'être rejeté. Une rectification s'impose néanmoins d'office quant au sort de la plainte formée par la créancière gagiste. En l'absence de décision attaquable au sens de l' art. 17 LP , la plainte ne pouvait pas être admise, comme cela a été jugé en première instance cantonale et confirmé en instance de recours, mais devait être déclarée irrecevable.
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Urteilskopf 118 II 392 77. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 22. Dezember 1992 i.S. Werner S. gegen Katharina S. (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Vollstreckung des Besuchsrechtes ( Art. 273 ZGB ). 1. Die Vollstreckung eines Besuchs- und Ferienrechts richtet sich nach kantonalem Verfahrensrecht. 2. Der Besuchsberechtigte hat konkret die Übergabe der Kinder gemäss den im Urteil festgelegten Modalitäten zu verlangen. 3. Sobald eine Klage auf Abänderung des Scheidungsurteils in bezug auf das Besuchsrecht eingereicht worden ist, ist es nicht willkürlich, dessen Vollstreckung zu verweigern.
Sachverhalt ab Seite 392 BGE 118 II 392 S. 392 A.- Der Gerichtspräsident von T. wies das folgende Vollstreckungsgesuch von Werner S. gegen Katharina S. ab: "1. Die Gesuchsgegnerin sei gerichtlich anzuweisen, jede Handlung, die das gemäss Scheidungsurteil des Appellationshofs des Kantons Bern vom 19. Dezember 1990 eingeräumte Besuchs- und Ferienrecht des Gesuchstellers gegenüber den Kindern Bernhard, Pia und Peter erschwert bzw. verunmöglicht, zu unterlassen. 2. Die Gesuchsgegnerin sei gerichtlich anzuweisen, gegenüber den drei Kindern die nötigen Anordnungen zu treffen, um das Besuchs- und Ferienrecht des Gesuchstellers zu erleichtern bzw. zu ermöglichen. 3. Die Anweisungen gemäss Ziffern 1 und 2 hiervor seien mit der Strafdrohung gemäss Art. 403 ZPO zu verbinden." BGE 118 II 392 S. 393 B.- Zwischenzeitlich beantragte Katharina S. beim Zivilamtsgericht von B., das Besuchs- und Ferienrecht von Werner S. sei in Abänderung des Scheidungsurteils zu sistieren. Der Appellationshof des Kantons Bern bestätigte auf Berufung hin den Entscheid des Gerichtspräsidenten von T. C.- Dagegen wendet sich Werner S. nun mit staatsrechtlicher Beschwerde an das Bundesgericht. Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. Der Beschwerdeführer rügt im wesentlichen die willkürliche Anwendung kantonalen Verfahrensrechts, die Verletzung seines rechtlichen Gehörs und eine willkürliche Beweiswürdigung. a) Die Vollstreckung eines Besuchs- und Ferienrechts ist gemäss kantonalem Verfahrensrecht vorzunehmen (VOGEL, Grundriss des Zivilprozessrechts, 3. A. Bern 1992, S. 376 N 7). Dabei hat der Besuchsberechtigte konkret die Übergabe der Kinder gemäss den im Urteil festgelegten Modalitäten wie Zeitpunkt und Dauer zu verlangen (BÜHLER/SPÜHLER, Art. 156 ZGB N 354, N 355). Damit ist aber noch nicht gesagt, dass im Falle der Weigerung der Kinder, ihren Vater zu besuchen, direkter Zwang zur Anwendung gelangen könnte ( BGE 111 II 409 ; VOGEL, a.a.O., S. 382 N 29). Im vorliegenden Falle sind die Begehren derart unbestimmt abgefasst, dass es - im Falle einer Gutheissung - nicht möglich wäre, deren tatsächliche Einhaltung zu überprüfen und eine allenfalls angedrohte Strafe zu verhängen. Bereits unter diesem Gesichtspunkt ist es somit nicht willkürlich, wenn die kantonale Instanz eine Vollstreckung der eingereichten Begehren verweigert hat. b) Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist Art. 399 ZPO /BE durch das angefochtene Urteil nicht willkürlich angewendet worden. Die genannte Bestimmung gewährleistet die Hilfe der Beamten bei der Durchsetzung von Urteilen, sobald die Bedingungen der Vollstreckung gegeben sind. Gerade letzteres ist im vorliegenden Falle jedoch umstritten. Wie das Vollstreckungsbegehren an sich abzufassen ist, darüber spricht sich Art. 399 ZPO /BE nicht aus. Weshalb die kantonale Instanz hier dennoch kantonales Verfahrensrecht willkürlich angewendet haben soll, wird in der Beschwerdeschrift nicht dargelegt. c) Ist im gleichen Zeitraum bezüglich des Besuchsrechts ein Vollstreckungsbegehren und eine Klage auf Abänderung des BGE 118 II 392 S. 394 Scheidungsurteils eingereicht worden, so ist es - entgegen der Meinung des Beschwerdeführers - nicht willkürlich, wenn die Vollstreckung während der Dauer eines Abänderungsverfahrens verweigert wird ( BGE 107 II 305 ), auch wenn mit einem Entscheid erst in sechs Monaten gerechnet werden kann.
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Urteilskopf 96 II 424 54. Arrêt de la IIe Cour civile du 23 décembre 1970 dans la cause Leyvraz contre Société en nom collectif Jean Pasquier et fils et des consorts.
Regeste Art. 48 Abs. 1 OG . Begriff des Endentscheides. Kein solcher ist der Entscheid, der den Beklagten verpflichtet, bis zur gerichtlichen Entscheidung über die Klage, mit welcher die Kläger die Zahlung verschiedener Forderungen verlangen, zugunsten der Kläger Sicherheiten zu bestellen.
Sachverhalt ab Seite 424 BGE 96 II 424 S. 424 A.- Par contrat du 3 juillet 1968, Emile Leyvraz, à Vevey, a chargé la société coopérative Ermaco, à Fribourg (en abrégé: Ermaco), de construire un immeuble locatif à Vevey. Ermaco a confié les travaux de construction du bâtiment à divers soustraitants, BGE 96 II 424 S. 425 notamment à la société en nom collectif Jean Pasquier et fils, à Albin Baeriswyl SA, à Lamelcolor SA, à Serge Müller SA, à Schnetzler SA, à Solesa SA et à Arnold Stadelmann. Agissant soit séparément, soit en consorité, les sous-traitants précités ont requis du Président du Tribunal civil du district de Vevey au cours des mois de mai, juillet et août 1969, l'inscription provisoire d'hypothèques légales des artisans et des entrepreneurs pour le montant de leurs créances respectives. Pour éviter ces inscriptions, Emile Leyvraz a constitué en faveur de la société en nom collectif Jean Pasquier et fils, en juin 1969, une garantie bancaire de Fr. 75 000.--, valable jusqu'au 1er décembre 1969 et fournie par la Banque cantonale vaudoise dont l'engagement a été garanti par la délivrance d'une cédule hypothécaire et le cautionnement d'un tiers. En juillet et août 1969, il a constitué en faveur des autres sous-traitants, pour un montant global de Fr. 58 549.--, plusieurs garanties bancaires valables jusqu'au 15 janvier 1970 et délivrées par l'Union de banques suisses. Cette dernière a elle-même été garantie par le dépôt d'une somme d'argent en compte bloqué, effectué par Leyvraz. Par suite de la constitution de ces garanties, le Président du Tribunal civil du district de Vevey a rejeté la requête de Serge Müller SA qui tendait à l'inscription provisoire d'une hypothèque légale, et ordonné la radiation de l'inscription provisoire qui avait été opérée en faveur d'Arnold Stadelmann. N'étant pas encore au bénéfice d'une telle inscription, les autres soustraitants ont retiré leurs requêtes. Le 10 septembre 1969, Ermaco a été déclarée en faillite. B.- Le 1er décembre 1969, la société en nom collectif Jean Pasquier et fils et, le 15 janvier 1970, les autres sous-traitants ont ouvert action contre Emile Leyvraz devant la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois. Ils ont conclu au paiement de leurs créances respectives pour les travaux exécutés dans l'immeuble du défendeur et à la prolongation de la validité des garanties bancaires fournies à chacun d'eux jusqu'à droit connu sur le procès au fond. Les deux actions ont été jointes. Le 7 avril 1970, les demandeurs ont saisi le Président de la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois d'une requête de mesures provisionnelles. La société en nom collectif Jean Pasquier et fils concluait notamment à ce que le défendeur fût BGE 96 II 424 S. 426 condamné à reconstituer en sa faveur une garantie bancaire de Fr. 75 000.-- valable jusqu'à droit connu sur le procès au fond. Les autres demandeurs requéraient la prolongation de la validité des garanties qui leur avaient été fournies jusqu'à droit connu sur le procès au fond. Par ordonnance du 24 juin 1970, le Président de la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois a rejeté la requête de mesures provisionnelles. Saisie d'un recours interjeté par les demandeurs, qui ont repris leurs chefs de conclusions précités, la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois, par arrêt du 28 octobre 1970, s'est déclarée incompétente et a transmis le dossier à la Chambre des recours. Elle a considéré que la requête du 7 avril 1970 était en réalité une requête tendant "à modifier les sûretés accordées pour tenir lieu d'inscription provisoire d'hypothèque légale des artisans et entrepreneurs" et que, dès lors, le recours formé contre l'ordonnance présidentielle du 24 juin 1970 devait être tranché par la Chambre des recours. Statuant le 28 octobre 1970, la Chambre des recours du Tribunal cantonal vaudois a condamné le défendeur à constituer immédiatement au bénéfice des demandeurs "jusqu'à droit connu sur le procès au fond qui divise les parties des garanties équivalentes à celles qu'il leur a fournies pour tenir lieu d'inscription provisoire d'hypothèques légales des artisans et entrepreneurs". Cet arrêt est motivé en bref comme il suit: L'entrepreneur peut demander au juge de prolonger la durée de l'inscription provisoire d'une hypothèque légale qui expire avant la fin du procès au fond. On doit dès lors lui reconnaître par analogie la faculté de requérir dans les mêmes conditions la prolongation de sûretés constituées pour un temps déterminé. En l'espèce, les sûretés ont été fournies par des tiers qui ne sont pas impliqués dans la présente procédure et ne peuvent par conséquent être astreints à prolonger leurs engagements. Aussi le défendeur doit-il constituer de nouvelles garanties jusqu'à droit connu sur le procès au fond. C.- Contre cet arrêt, le défendeur recourt en réforme au Tribunal fédéral. Il lui demande de prononcer qu'il n'est pas tenu de constituer les garanties ordonnées. Il requiert également que l'effet suspensif soit attribué à son recours. Le recourant a aussi formé un recours de droit public contre le même arrêt et celui rendu le 28 octobre 1970 par la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois. BGE 96 II 424 S. 427 Erwägungen Considérant en droit: 1. S'il est recevable, le recours en réforme suspend l'exécution de la décision attaquée dans la mesure des conclusions formulées (art. 54 al. 2 in fine OJ). La demande d'effet suspensif est ainsi sans objet. 2. Pour que le recours en réforme soit recevable, il faut, en vertu de l'art. 48 al. 1 OJ, qu'il vise une décision finale, c'est-à-dire un prononcé qui met définitivement fin au procès, soit qu'il tranche le fond, soit que, sans l'aborder parce qu'une condition de procédure n'est pas remplie, il ne permette plus à l'intéressé d'exercer son action (RO 93 II 285 consid. 2 et les arrêts cités). Selon la jurisprudence, les décisions rendues en matière d'inscription provisoire d'une hypothèque légale d'entrepreneur (RO 40 II 199, 43 II 458; arrêt non publié Bissig c. Einwohnergemeinde der Stadt Grenchen, du 30 octobre 1969, consid. 2) et celles qui ordonnent des mesures provisionnelles (RO 85 II 195, 289, 86 II 294) ne sont pas des décisions finales. En l'espèce, la Chambre des recours du Tribunal cantonal vaudois a condamné le défendeur à constituer immédiatement en faveur des demandeurs "jusqu'à droit connu sur le procès au fond qui divise les parties des garanties équivalentes à celles qu'il leur a fournies pour tenir lieu d'inscription provisoire d'hypothèques légales des artisans et entrepreneurs". Selon cet arrêt, les garanties devront subsister jusqu'à droit connu sur le procès au fond qui divise les parties. Aussi deviendrontelles caduques à ce moment-là, à moins que la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois en ordonne le maintien pour assurer le paiement des créances, actuellement litigieuses, dont elle admettrait le bien-fondé. Cela suppose qu'elle soit saisie de conclusions prises dans ce sens. Or, à cet égard, les demandeurs ont simplement conclu dans l'action qu'ils ont intentée au défendeur à ce que la validité des garanties qu'il leur avait fournies soit prolongée jusqu'à droit connu sur le procès au fond. Quoi qu'il en soit, l'arrêt attaqué ne tranche pas de façon définitive la question de savoir si le défendeur est tenu de constituer des sûretés en vue de garantir le paiement de créances dont le bien-fondé serait admis par la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois. En le condamnant à fournir des garanties BGE 96 II 424 S. 428 jusqu'à droit connu sur le procès au fond, la Chambre des recours du Tribunal cantonal vaudois a donc ordonné une mesure provisionnelle et n'a pas rendu un jugement au fond. Son arrêt ne constitue dès lors pas une décision finale au sens de l'art. 48 al. 1 OJ. D'autre part, le présent recours en réforme ne saurait être examiné comme un recours en nullité. Le recourant n'invoque en effet, et avec raison, aucun des motifs de nullité prévus à l'art. 68 OJ. Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: Déclare le recours en réforme irrecevable.
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Urteilskopf 100 IV 76 21. Urteil des Kassationshofes vom 26. März 1974 i.S. Roth gegen Generalprokurator des Kantons Bern
Regeste Art. 35 Abs. 3 SVG : 1. Ist der Überholte genötigt, wegen des zu engen Wiedereinbiegens des Überholenden seine Geschwindigkeit herabzusetzen, so wird er dadurch in seiner Fahrt behindert; der Überholende lässt an der gesetzlich vorgeschriebenen besonderen Rücksichtnahme gegenüber dem Überholten ermangeln (Erw. 2). 2. Fall eines Überholenden, der beim Ausschwenken und Wiedereinschwenken vom mit einer Geschwindigkeit von 80 km/h fahrenden Überholten nur 25 m Abstand wahrt (Erw. 2). Art. 35 Abs. 2 SVG : Ob der Gegenverkehr behindert wird, erklärt sich nicht nach dem subjektiven Empfinden des Lenkers des entgegenkommenden Wagens, sondern danach, ob der Überholende zu Beginn des Manövers nach der objektiven Verkehrslage annehmen durfte, er werde den Gegenverkehr nicht behindern (Erw. 3).
Sachverhalt ab Seite 77 BGE 100 IV 76 S. 77 A.- Roth fuhr Sonntag nachmittags, den 17. Juni 1973 mit seinem Personenwagen auf der geraden Solothurnstrasse von Pieterlen gegen Biel. In der Gegend des Ausstellplatzes beim Schutzwald unterhalb des Schiessplatzes Bözingenmoos überholte er mit 100 km/h einen mit 80 km/h fahrenden Personenwagen, wobei sich ihm ein von Biel herkommender Personenwagen näherte, der ebenfalls 80 km/h inne hatte. Die Strasse ist dort durch eine Leitlinie in zwei Fahrbahnen von je 3,6 m Breite geteilt, an die je ein Radfahrerstreifen von 1,4 oder 1,5 m angrenzt. Roth fuhr beim Überholen vollständig auf die linke Fahrbahn. Vor dem überholten Fahrzeug schwenkte er wieder auf die rechte Fahrbahn ein noch ehe er den entgegenkommenden Wagen kreuzte. Polizeikorporal Leu, der beim Ausstellplatz den Verkehr kontrollierte und an dem Roth und das überholte Fahrzeug ungefähr gleichzeitig vorbeifuhren, hatte jedoch den Eindruck, Roth habe die beiden anderen Wagen gefährdet; der entgegenkommende habe ihn gezwungen, den Überholweg zu kurz zu gestalten. Er zeigte Roth daher wegen Übertretung der Art. 34 Abs. 4 und 35 Abs. 2 SVG an. B.- Mit Urteil vom 15. Oktober 1973 erklärte der Gerichtspräsident von Büren Roth der Widerhandlung gegen diese beiden Bestimmungen schuldig und verurteilte ihn in Anwendung von Art. 90 Ziff. 1 SVG zu Fr. 90.- Busse. Die hiegegen erhobene Appellation wies die II. Strafkammer des Obergerichtes des Kantons Bern in Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils am 11. Januar 1974 ab. Das Obergericht kam zum Schluss, bei Geschwindigkeiten von 100 km/h bzw. 80 km/h der beteiligten Fahrzeuge erfordere korrektes Überholen vom Ausbiegen bis zum Wiedereinbiegen eine Strecke von mindestens 450 m. Es sei technisch allerdings gerade noch möglich, bei diesen Geschwindigkeiten auf 300 m zu überholen. Als Roth ausbog, müsse er somit von Leu noch etwa 150 m entfernt gewesen sein. Leu müsse diese Entfernung unterschätzt haben, als er sie mit 100 m angab. BGE 100 IV 76 S. 78 Diese Unterschätzung liege aber im Bereich des Möglichen. Deshalb sei davon auszugehen, dass Roth das Überholen auf einer Strecke von ca. 300 m ausgeführt habe. Eine solche Verkürzung des Überholweges sei aber nur bei knappem Aus- und Einbiegen möglich. Das knappe Wiedereinbiegen müsse zu Lasten des überholten Fahrzeuges gegangen sein und habe eine Behinderung desselben dargestellt. Weiter stehe fest, dass das entgegenkommende Fahrzeug Lichtzeichen gegeben habe, der Fahrer sich also gefährdet fühlte. Bewiesen sei auch, dass nie drei Fahrzeuge gleichzeitig nebeneinander fuhren. Aus den Zeugenaussagen könne nicht geschlossen werden, das überholte Fahrzeug habe sich an den äussersten rechten Rand der Fahrbahn gehalten. Vielmehr sei davon auszugehen, dass es eher im Bereich der Mitte seiner Fahrbahnhälfte gefahren sei. Das entgegenkommende Fahrzeug sei auch nicht zuäusserst rechts gefahren, sonst hätte sein Führer sich nicht veranlasst gesehen, Lichtzeichen zu geben. Da Roth seinerseits mit der ganzen Wagenbreite links der Mittellinie gefahren sei, hätte die zur Verfügung stehende Motorfahrzeugspur von 3,6 m Breite zum Kreuzen nicht ausgereicht. Wenn es ihm auch gelungen sei, noch vor dem Kreuzen des entgegenkommenden Fahrzeuges wieder einzubiegen oder doch mit dem Einbiegen zu beginnen, so habe er mit diesem riskanten Manöver doch eine Gefährdung des entgegenkommenden Fahrzeuges in Kauf genommen. C.- Roth führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu seiner Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der Generalprokurator des Kantons Bern beantragt, die Beschwerde abzuweisen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Die Feststellung des Obergerichtes, der Beschwerdeführer habe vom Ausbiegen bis zum Wiedereinbiegen nach rechts etwa 300 m zurückgelegt, ist tatsächlicher Natur und bindet daher das Bundesgericht ( Art. 277bis BStP ). Auf die Behauptung des Beschwerdeführers, die Überholstrecke müsse 450 m betragen haben, kann nicht eingetreten werden ( Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP ). Sie wird nicht dadurch zulässig, dass er die Auffassung des Obergerichtes als willkürliche Annahme BGE 100 IV 76 S. 79 hinstellt, die sich auf die Aussage des Polizeikorporals stütze, der ja auch nach der Meinung des Obergerichtes unrichtig geschätzt habe. 2. Ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer vom Ausbiegen bis zum Wiedereinbiegen nach rechts rund 300 m zurücklegte, so erweist sich die Distanz des Überholenden vom Überholten beim Wiedereinschwenken als zu kurz. Um mit 100 km/h die Überholstrecke von 300 m zurückzulegen, benötigte der Beschwerdeführer 10,78 Sekunden (10,78 x 27,8 = 299,68 m). Während der gleichen Zeit legte der überholte Wagen mit 80 km/h 239,31 m zurück (10,78 x 22,2 = 239,31), also 60,37 m weniger als der Beschwerdeführer. Die Längen der beiden Fahrzeuge sind nicht festgestellt. Der Wagen des Beschwerdeführers war ein "Alfa Romeo" und der unbekannt gebliebene überholte Wagen soll nach Angaben des Polizeikorporals ein solcher der Mittelklasse oder ein Kleinwagen gewesen sein. Es darf deshalb davon ausgegangen werden, dass die beiden Wagenlängen zusammen 9 m nicht überstiegen. Zieht man diese 9 m von den 60,37 m ab, die der Beschwerdeführer während des Überholens mehr zurücklegte als der überholte Wagen, so verbleiben 51,37 m. Verteilt man diese Strecke auf die Abstände, die der Beschwerdeführer vor dem Ausbiegen nach links und nach dem Wiedereinbiegen nach rechts vom anderen Wagen einhalten musste, so ergeben sich Abstände von je rund 25,5 m. Dass der Abstand vor und nach dem Überholen ungefähr gleich gross gewesen sein muss, ergibt sich daraus, dass nach der Feststellung des Obergerichtes der Wagen des Beschwerdeführers beim Ausbiegen etwa 150 m vom Polizeikorporal entfernt war, ungefähr gleichzeitig wie der überholte Wagen an Leu vorbeifuhr und zur Beendigung des Überholens nochmals etwa 150 m zur Verfügung hatte. Der ermittelte Abstand von rund 25 m zwischen dem Überholenden und dem Überholten war allerdings erst in der Schlussphase des Überholmanövers erreicht, d.h. im Moment, da das überholende Fahrzeug seine Stelle am rechten Strassenrand wieder eingenommen hatte. Zuvor - während des Wiedereinbiegens - bestand diese Distanz nicht. Sie vergrösserte sich erst im Verlaufe des Einbiegens wegen der höheren Geschwindigkeit von dem Punkt, in welchem die BGE 100 IV 76 S. 80 Fahrzeuge auf gleicher Höhe sich befanden, bis zu jenen 25 m bei Abschluss des Manövers. Da aber das überholende Fahrzeug zwischen diesen beiden Punkten einer vor dem überholten Wagen durchgehenden Schräge folgte, kam das erstere in bedrohliche Nähe des zweiten. Nach Art. 35 Abs. 3 SVG muss derjenige, der überholt, auf die übrigen Strassenbenützer, namentlich auf jene, die er überholen will, besondere Rücksicht nehmen. Das Überholen einzelner oder mehrerer Fahrzeuge ist nur erlaubt, wenn der Überholende sein Vorhaben gefahrlos abschliessen, d.h. ohne Behinderung des Gegenverkehrs und des zu Überholenden nach dem Manöver rechts wieder einschwenken kann ( BGE 93 IV 64 mit Verweisungen). Kann der Überholte seine Fahrt nicht ungestört fortsetzen, ist er vielmehr genötigt, wegen des zu engen Wiedereinbiegens des Überholenden seine Geschwindigkeit herabzusetzen, wird er dadurch behindert. Der Überholende lässt es in einem solchen Fall an der Rücksichtnahme ermangeln, zu der er nach Art. 35 Abs. 3 SVG verpflichtet ist ( BGE 93 IV 65 unten). Wenn Roth in der Schlussphase seines Überholmanövers lediglich 25 m Abstand vom Überholten hatte, muss er diesen beim Wiedereinschwenken nach rechts gefährdet haben. Bei den gegebenen Geschwindigkeiten hätte er für ein gefahrloses Überholen eine erheblich längere Strecke benötigt, als die 300 m, die ihm zur Verfügung standen. Nach dem vom Kassationshof immer wieder verwendeten Paravit-Kreisschieber hätte der Überholweg hier 550 m betragen. Auch nach der in der Literatur verwendeten Berechnungsformel würde die fragliche Strecke etwa gleich lang sein (BUSSY/RUSCONI, Code suisse de la circulation routière, N. 2.9 zu Art. 35 SVG auf S. 135). Danach muss derjenige, der einen anderen Wagen mit mehr als 70 km/h überholt, von diesem beim Aus- und beim Wiedereinschwenken einen Abstand von 50 m wahren. Die Summe dieser Strecken plus die Längen der beiden Wagen multipliziert mit der Geschwindigkeit des Überholenden und das Ganze geteilt auf die Differenz zwischen der Geschwindigkeit des Überholenden und derjenigen des Überholten ergibt im vorliegenden Fall 545 m (50 + 50 + 4,5 + 4,5) x 100: 20 = 545 m. Selbst wenn man diese Richtwerte etwas herabsetzen würde, falls es sich beim Überholenden um einen erfahrenen Motorfahrzeugführer handelt (BUSSY/RUSCONI, BGE 100 IV 76 S. 81 a.a.O. S. 136 oben), ergäbe das niemals eine so kurze Überholdistanz, wie sie Roth zur Verfügung stand. Der Beschwerdeführer ist somit seinen Rücksichtspflichten gemäss Art. 35 Abs. 3 SVG nicht nachgekommen, weshalb die Vorinstanz ihn zu Recht wegen Verletzung dieser Gesetzesbestimmung verurteilt hat. 3. Eine andere Frage ist, ob der Beschwerdeführer das entgegenkommende Fahrzeug behindert habe. Sie lässt sich nicht schon deshalb bejahen, weil der Lenker dieses Wagens den Beschwerdeführer durch ein Lichtzeichen warnte. Aus dem Zeichen ist an sich nur zu schliessen, dass er den Beschwerdeführer auf den entgegenkommenden Wagen aufmerksam machen wollte. Dass dieser Wagen die Geschwindigkeit herabsetzte, ist nicht festgestellt und behauptet auch der Polizeikorporal nicht. Fuhr er aber mit unveränderter Geschwindigkeit (von 80 km/h) weiter, so kann sich sein Führer vernünftigerweise trotz des abgegebenen Lichtzeichens nicht als gefährdet betrachtet haben, zumal er nicht einmal auf den Radfahrerstreifen auswich. Übrigens kommt auf das subjektive Empfinden des Führers des entgegenkommenden Fahrzeuges nichts an. Entscheidend ist nur, ob der Beschwerdeführer nach der objektiven Verkehrslage beim Beginn des Überholens annehmen musste, er werde das entgegenkommende Fahrzeug im Sinne des Art. 35 Abs. 2 SVG behindern, und er deshalb vom Überholen hätte absehen sollen. Der festgestellte Sachverhalt reicht zur Beantwortung dieser Frage nicht aus. Das Obergericht weiss nicht, wo sich das entgegenkommende Fahrzeug unmittelbar nach der Beendigung des Überholens befand. Es drückt sich reichlich unbestimmt dahin aus, es sei dem Beschwerdeführer gelungen, "noch vor dem Kreuzen des entgegenkommenden Fahrzeuges wieder einzubiegen oder doch mit dem Einbiegen zu beginnen". Es nimmt auch nicht zur Behauptung des Polizeikorporals Stellung, der entgegenkommende Wagen sei nur noch etwa 60-80 m von ihm, Leu, entfernt gewesen, als Roth an ihm, Leu, vorbeifuhr. Diese Behauptung ist übrigens offensichtlich unvereinbar mit der feststehenden Tatsache, dass der Beschwerdeführer vom Polizeikorporal aus bis zur Stelle, wo er das Überholen beendete, noch etwa 150 m zurückzulegen BGE 100 IV 76 S. 82 hatte. Die von Leu angegebenen 60-80 m liegen innerhalb dieser Strecke. Wäre die Behauptung Leus richtig, so hätte es unfehlbar zu einem frontalen Zusammstoss kommen müssen. Wenn der Beschwerdeführer, wie festgestellt ist, ungefähr 150 m vom Polizeikorporal entfernt das Überholen unbehelligt beenden konnte, muss der entgegenkommende Wagen noch wesentlich mehr als 150 m vom Polizeikorporal entfernt gewesen sein, als der Beschwerdeführer an diesem vorbeifuhr; denn während der Beschwerdeführer die 150 m zurücklegte - wofür er 5,39 Sekunden benötigte - näherte sich der mit 80 km/h entgegenkommende Wagen dem Polizeikorporal um 5,39 x 22,2 = 119,65 m. Wenn der entgegenkommende Wagen das Fahrzeug des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Beendigung des Überholens kreuzte, muss er somit, als der Beschwerdeführer am Polizeikorporal vorbeifuhr, noch etwa 119,65 + 150 = 269,65 m von diesem entfernt gewesen sein. Falls das Obergericht nicht in der Lage ist, zuverlässig festzustellen, wo der Beschwerdeführer den entgegenkommenden Wagen kreuzte, wird es den Beschwerdeführer vom Vorwurf, diesen Wagen behindert zu haben, freisprechen müssen. Der blosse Vorwurf, der Beschwerdeführer habe zu wenig berücksichtigt, dass dieser Wagen seine Fahrweise ändern oder der Beschwerdeführer sich verschätzen könnte, reicht zur Verurteilung wegen Übertretung der Art. 34 Abs. 4 und 35 Abs. 2 SVG nicht aus. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise gutgeheissen, das angefochtene Urteil entsprechend aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
null
nan
de
1,974
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
010c09da-e1c7-4b04-a4b6-435a4d2946b0
Urteilskopf 105 V 213 48. Urteil vom 16. Oktober 1979 i.S. Schweizerische Unfallversicherungsanstalt gegen Benninger und Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft
Regeste Art. 98 Abs. 3 KUVG . Kürzung der Versicherungsleistungen. Art. 121 Abs. 1 KUVG . Beweisregel nach BGE 96 V 96 .
Sachverhalt ab Seite 213 BGE 105 V 213 S. 213 A.- Der bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) versicherte Benninger wurde am 28. August 1977 zwischen 3 und 4 Uhr von einem jugoslawischen Gastarbeiter BGE 105 V 213 S. 214 und Amateurboxer namens D. mit einem Faustschlag zu Boden gestreckt, wo er bewusstlos liegen blieb; im Kantonsspital wurden eine Schädelfraktur, eine Contusio cerebri und ein epidurales Hämatom diagnostiziert. Benninger hatte eine Gruppe von randalierenden Jugoslawen, die an einem Fest Glühbirnen und Weinflaschen zerschlugen, zur Ruhe und Ordnung mahnen wollen. Mit Verfügung vom 31. August 1978 kürzte die SUVA ihre Leistungen gemäss Art. 98 Abs. 3 KUVG um 20%. B.- Das Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft hiess mit Entscheid vom 11. April 1979 die dagegen erhobene Beschwerde gut und hob die Kürzungsverfügung auf. C.- Die SUVA führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag auf Wiederherstellung der angefochtenen Verfügung. Benninger lässt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragen. Auf die Begründung der verschiedenen Standpunkte wird in den Erwägungen, soweit erforderlich, Bezug genommen. Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. Nach Art. 98 Abs. 3 KUVG werden die von der SUVA zu erbringenden Versicherungsleistungen in einem dem Grade des Verschuldens entsprechenden Verhältnis gekürzt, wenn der Versicherte den Unfall grobfahrlässig herbeigeführt hat. Nach der Rechtsprechung handelt grobfahrlässig, wer elementare Vorsichtsgebote verletzt, die jeder verständige Mensch in der gleichen Lage und unter den gleichen Umständen beachten würde, um schädigende Folgen, die nach dem natürlichen Lauf der Dinge voraussehbar sind, zu verhindern ( BGE 102 V 25 ). 2. Im vorliegenden Falle ist streitig, ob der Beschwerdegegner mit seiner Intervention bei den randalierenden Jugoslawen in grob schuldhafter Weise ein erkennbares Gefahrenrisiko eingegangen sei, ob er also ein elementares Vorsichtsgebot verletzt habe, das in jener Situation jeder verständige Mensch beachtet hätte. a) Die Frage, ob jemand berechtigt oder gar (zumindest moralisch) verpflichtet ist, zum Schutze eines Rechtsgutes einzugreifen, oder ob er das den Ordnungskräften überlassen soll, lässt sich nicht generell beantworten. Die Beurteilung ist nur im Einzelfall möglich und hängt von den konkreten Umständen ab: vor allem von der äusseren Situation, in welcher eine Intervention BGE 105 V 213 S. 215 in Erwägung gezogen werden kann, und von der Art der Durchführung der Intervention, wenn man sich dazu entschlossen hat. b) Die äussere Situation, in welcher sich die Frage nach einer Intervention ernsthaft stellen kann, ist immer aussergewöhnlich. Es gibt indes zahlreiche Abstufungen. Der zu beurteilende Unfall spielte sich zwischen 3 und 4 Uhr in der Nacht ab, als alle Beteiligten mehr oder weniger alkoholisiert waren. Das Verhalten der randalierenden Gruppe war offensichtlich in ganz besonderem Masse brutal und sinnlos. Der Beschwerdegegner sagt denn auch selber in der Vernehmlassung, die Jugoslawen seien "von blinder Zerstörungswut erfasst" gewesen und niemand habe gewusst, "wogegen sich ihre Gewalt noch richten werde". Der im Strafverfahren als Zeuge einvernommene B. erkannte, dass "die Gruppe Radaubrüder" nur Krach suchte, und sagte dies auch dem Beschwerdegegner, um ihn von einer Intervention abzuhalten (Einvernahmeprotokoll der Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt vom 29. August 1977). Die äussere Situation war demnach erkennbar schlecht geeignet für eine friedliche Intervention. Wenn sich der Beschwerdegegner trotzdem davon nicht abhalten liess, dann handelte er nicht so, wie es ein verständiger Mensch in dieser Lage getan hätte. Der Vorinstanz kann nicht beigepflichtet werden, wenn sie ausführt, die Intervention in solcher Lage stelle selbst dann keine Missachtung einer allgemeinen, anerkannten Sorgfaltspflicht dar, wenn Benninger "damit rechnen musste, in eine Schlägerei verwickelt zu werden". Dass der Beschwerdegegner das erkennbare Risiko einging, muss ihm zum Verschulden angerechnet werden. Dieses würde in milderem Lichte erscheinen, wenn er sich eingesetzt hätte, um ein bedeutsames Rechtsgut (wie Leib und Leben oder ein unersetzliches Kulturgut) vor Schaden zu bewahren. Dem war aber nicht so. Abgesehen davon fragt es sich, ob es ihm überhaupt darum ging, fremdes Gut zu schützen, oder ob er sich einfach die Anpöbeleien der randalierenden Gruppe nicht länger gefallen lassen und aus diesem Grunde Remedur schaffen wollte (vgl. die nachstehend zitierte Zeugenaussage). c) Über die Art, wie sich der Beschwerdegegner verhielt, als er sich zur Intervention entschloss, machte K. als Zeuge im Strafverfahren folgende Aussagen: BGE 105 V 213 S. 216 "Die Ausländer... pöbelten uns aus einiger Distanz, es dürften ca. 10 m gewesen sein, an. Mein Freund Benninger sagte mir dann, dies könnten wir uns nicht bieten lassen, wir wollen uns zu diesen Ausländern begeben und uns dort in einer drohenden Haltung aufstellen, ohne aber zu schlagen... Benninger stand dann in einer drohenden Haltung mit den Fäusten vor die Ausländer, worauf einer von diesen sagte "Ah, Du willst mich schlagen." Benninger sagte darauf: "Zuerst musst Du mir eine schlagen, dann schlage ich." Kaum hatte er dies gesagt, erhielt er von einem der Ausländer einen Faustschlag ins Gesicht..." (Einvernahme vom 28. August 1977.) Der Disput über das Schlagen wurde von Benninger selber im Strafverfahren etwas abweichend dargestellt: "Einer hat gesagt, ob ich einen an den Kessel wolle. Daraufhin erwiderte ich ihm: "Du muesch mir zuerst eine hauen! Ich bi da zum Fäschte, nit zum Brätsche!"" (Einvernahme vom 13. September 1977.) Es besteht kein Grund, auf die Aussagen des Zeugen K., der ein Arbeitskollege Benningers ist und sich selber als dessen Freund bezeichnet, nicht abzustellen. Der Umstand, dass andere im Strafverfahren einvernommene Zeugen nichts von einer drohenden Haltung Benningers erwähnen, macht die Zeugenaussage des K. nicht unglaubwürdig. Des weitern muss als feststehend betrachtet werden, dass der Beschwerdegegner gegenüber dem Jugoslawen Äusserungen machte (sei es nach der eigenen Version oder nach derjenigen des K.), die diesen provozieren mussten. Zu Unrecht nimmt die Vorinstanz an, der tatsächliche Ablauf lasse sich nicht mehr zuverlässig und eindeutig feststellen, weshalb Beweislosigkeit vorliege, die sich gemäss BGE 96 V 96 zu Ungunsten der SUVA auswirke, welche aus den unbewiesen gebliebenen Vorhalten gegenüber Benninger das Recht der Leistungskürzung habe ableiten wollen. Die Beweisregel nach BGE 96 V 96 greift erst Platz, wenn es sich als unmöglich erweist, im Rahmen der Untersuchungsmaxime auf Grund einer Beweiswürdigung einen Sachverhalt zu eruieren, der zumindest die Wahrscheinlichkeit für sich hat, der Wirklichkeit zu entsprechen ( BGE 104 V 211 ). Im vorliegenden Fall besteht diese Möglichkeit durchaus, wie sich aus dem oben Gesagten zeigt. d) Geht man davon aus, dass der Beschwerdegegner sich in einer riskanten Situation trotz Abmahnung zu einer Intervention entschloss und dabei gegenüber der Jugoslawen-Gruppe eine drohende Haltung einnahm und zumindest den Ausdruck "Schlagen" gebrauchte, dann entsprach dieses Verhalten nicht BGE 105 V 213 S. 217 demjenigen eines verständigen Menschen in einer solchen Lage. 3. Zusammenfassend ergibt sich aus dem Gesagten, dass der Beschwerdegegner grobfahrlässig im Sinne des Art. 98 Abs. 3 KUVG gehandelt hat. Daran ändert nichts, dass der Strafrichter den Schläger D. zu 15 Monaten Gefängnis verurteilt hat, ohne Strafmilderungsgründe gemäss Art. 64 StGB anzunehmen, und dass er die Zivilforderung Benningers ohne Reduktion gemäss Art. 44 Abs. 1 OR zusprach. Im Sozialversicherungsrecht, wo die Risikogemeinschaft der Versicherten ein bedeutsames Beurteilungskriterium darstellt, darf und muss das Verhalten Benningers eine andere Gewichtung erfahren als durch den Strafrichter. An die Beurteilung durch den letzteren ist der Sozialversicherungsrichter denn auch nach konstanter Praxis nicht gebunden. Dispositiv Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Basel-Landschaft vom 11. April 1979 aufgehoben.
null
nan
de
1,979
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
010f364d-3c85-4de6-b68f-b02217ab5d00
Urteilskopf 124 V 62 9. Auszug aus dem Urteil vom 19. Januar 1998 i.S. M. gegen Arbeitslosenkasse der Gewerkschaft Bau & Industrie GBI und Kantonale Schiedskommission für Arbeitslosenversicherung Basel-Stadt
Regeste Art. 30 Abs. 1 lit. a, Art. 16 Abs. 2 AVIG (in der seit 1. Januar 1996 geltenden Fassung): Unzumutbare Arbeit. Nach Art. 16 Abs. 2 lit. a AVIG ist eine Arbeit unzumutbar, wenn der Lohn nicht berufs- und ortsüblich ist und insbesondere den gesamt- und normalarbeitsvertraglichen Ansätzen nicht entspricht. Die Unzumutbarkeitstatbestände von Art. 16 Abs. 2 lit. a bis i AVIG müssen kumulativ ausgeschlossen sein, damit eine Arbeit als zumutbar qualifiziert werden kann.
Erwägungen ab Seite 62 BGE 124 V 62 S. 62 Aus den Erwägungen: 3. a) Die kantonale Schiedskommission hat die Einstellung in der Anspruchsberechtigung im wesentlichen mit der Begründung bestätigt, der BGE 124 V 62 S. 63 Beschwerdeführer sei verpflichtet gewesen, die zumutbare Offerte der E. AG anzunehmen. Den Einwand, sein Basis-Stundenlohn wäre unter dem Mindestlohn gemäss regionalem Gesamtarbeitsvertrag Bauhauptgewerbe für den Kanton Basel-Stadt (Fr. 19.60) gelegen, hat die Vorinstanz mit dem Hinweis, sollte der vereinbarte Lohn unter der Zumutbarkeitsgrenze von 70% liegen, so werde dieser als Zwischenverdienst angerechnet und die Differenz zum Taggeldanspruch als Kompensationsleistung ausgeglichen ( Art. 16 Abs. 2 lit. i AVIG , in der bis 31. Dezember 1996 gültig gewesenen Fassung), nicht näher abgeklärt und geprüft. b) In Art. 16 Abs. 1 AVIG in der seit 1. Januar 1996 in Kraft stehenden und damit vorliegend anwendbaren Fassung (vgl. BGE 122 V 35 Erw. 1) hat der Gesetzgeber ausdrücklich festgelegt, dass der Versicherte zur Schadensminderung grundsätzlich jede Arbeit unverzüglich annehmen muss. Diese Regel gilt nicht absolut, da in Art. 16 Abs. 2 AVIG verschiedene Ausnahmen stipuliert werden (lit. a - i). Galt bisher eine Arbeit nur als zumutbar, wenn sie eine Reihe von Kriterien erfüllte, so wird nunmehr die Definition umgekehrt: Jede Arbeit ist grundsätzlich zumutbar; die Ausnahmen werden abschliessend geregelt (Botschaft des Bundesrates zur zweiten Teilrevision des AVIG vom 29. November 1993; BBl 1994 I 357). Aufgrund der gewählten Systematik ist bei der Auslegung von Art. 16 Abs. 2 AVIG davon auszugehen, dass eine Unzumutbarkeit dann vorliegt, wenn einer der in lit. a - i dieser Bestimmung angeführten Tatbestände gegeben ist. Diese Unzumutbarkeitstatbestände müssen also kumulativ ausgeschlossen werden können, damit eine zumutbare Arbeit angenommen werden kann. Ist umgekehrt einer der in Art. 16 Abs. 1 lit. a - i AVIG aufgezählten Tatbestände erfüllt, liegt keine zumutbare Arbeit vor, selbst wenn die anderen Ausnahmetatbestände ausscheiden. Es kann somit unter dem Gesichtswinkel von Art. 16 Abs. 2 AVIG nicht davon gesprochen werden, dass ein Versicherter verpflichtet ist, jede Arbeit anzunehmen, wenn die lohnmässigen Voraussetzungen vor Art. 16 Abs. 2 lit. i AVIG standhalten. Selbst wenn kein Unzumutbarkeitstatbestand im Sinne dieser Bestimmung vorliegt, muss ein Versicherter eine angebotene Arbeit nicht annehmen, wenn diese aus einem anderen der in lit. a - h von Art. 16 Abs. 2 AVIG angeführten Gründe unzumutbar ist. c) Im vorliegenden Fall beruft sich der Beschwerdeführer auf die Unzumutbarkeitsbestimmung des Art. 16 Abs. 2 lit. a AVIG , wonach eine Arbeit, die den berufs- und ortsüblichen, insbesondere den gesamt- oder BGE 124 V 62 S. 64 normalarbeitsvertraglichen Bedingungen nicht entspricht, unzumutbar und somit von der Annahmepflicht ausgenommen ist. Ob der vom Beschwerdeführer bemängelte Lohn für einen Bauarbeiter in der Region Basel-Stadt berufs- und ortsüblich ist und dem einschlägigen Gesamtarbeitsvertrag entspricht, lässt sich anhand der Akten nicht beurteilen. Weder Verwaltung noch Vorinstanz sind dieser für die Erledigung der Streitsache wesentlichen Frage nachgegangen. Insbesondere findet sich bei den Akten kein Arbeitsvertrag, der das Angebot einer neuen Stelle bestätigen würde. Ebenso fehlen irgendwelche konkreten Angaben über den dabei angebotenen Lohn. Der rechtserhebliche Sachverhalt ist somit ungenügend ermittelt. Die Sache ist deshalb an die Arbeitslosenkasse zurückzuweisen, welche die nötigen Abklärungen treffen wird. Sollten diese ergeben, dass die Behauptungen des Beschwerdeführers zutreffen und ihm ein Lohn angeboten wurde, der nicht den gesamtarbeitsvertraglichen Bedingungen entsprach, wäre die Stelle unzumutbar und er von der Annahmepflicht befreit gewesen, womit eine Einstellung in der Anspruchsberechtigung selbstredend entfiele.
null
nan
de
1,998
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
01114123-ce21-4615-be4b-31ad889cd72e
Urteilskopf 80 IV 205 43. Urteil des Kassationshofes vom 2. Oktober 1954 i. S. Schraner gegen Righetti.
Regeste 1. Art. 272 Abs. 1 und 4 BStP . Wenn die Nichtigkeitsbeschwerde im Zivilpunkt unabhängig davon, ob der Kassationshof auch mit dem Strafpunkt befasst ist, zulässig ist, läuft die Frist zur Beschwerdeerklärung mit der Eröffnung des angefochtenen Entscheides, und zwar sogar dann, wenn die Beschwerde auf den Zivilpunkt beschränkt wird. 2. Art. 271 Abs. 4 BStP . Die Anschlussbeschwerde (im Zivilpunkt) ist nur zulässig, wenn im Zivilpunkt eine Hauptbeschwerde erklärt worden ist.
Sachverhalt ab Seite 205 BGE 80 IV 205 S. 205 A.- Das Bezirksgericht Baden verurteilte Emil Righetti am 1. September 1953 wegen Übertretung der Art. 26 und 27 MFG, fahrlässiger Tötung, fahrlässiger einfacher Körperverletzung und fahrlässiger Störung des öffentlichen Verkehrs zu vier Monaten Gefängnis und Fr. 300.-- Busse und gegenüber Marie Schraner, der Witwe des Getöteten, zu Fr. 5000.-- Genugtuung. Zur Geltendmachung der Schadenersatzansprüche verwies es Wwe. Schraner auf den Zivilweg. Gegen dieses Urteil beschwerte Righetti sich beim Obergericht des Kantons Aargau mit den Anträgen auf Freisprechung und Abweisung der Genugtuungsforderung. Wwe. Schraner führte ihrerseits Beschwerde mit dem Antrag auf Bezahlung von Fr. 10'000.-- Genugtuung. BGE 80 IV 205 S. 206 Das Obergericht wies am 24. Juni 1954 die Beschwerde der Zivilklägerin ab, ebenso jene des Righetti im Strafpunkt. Dagegen hiess es die Beschwerde des Beklagten im Zivilpunkt dahin gut, dass es die Verurteilung zu einer Genugtuung aufhob. Das Urteil wurde der Zivilklägerin und dem Beklagten am 14. Juli 1954 in vollständiger Ausfertigung eröffnet. B.- Mit Erklärung und gleichzeitiger Begründung vom 23. Juli 1954 reichte Righetti im Strafpunkt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ein. Nachdem am 28. Juli 1954 der Zivilklägerin davon Kenntnis gegeben worden war, erklärte sie am 2. August 1954 unter Berufung auf Art. 271 Abs. 2 und 4 und Art. 272 Abs. 4 BStP Nichtigkeitsbeschwerde und begründete sie. Sie beantragt, der die Beschwerde Righettis im Zivilpunkt gutheissende Spruch des obergerichtlichen Urteils sei aufzuheben und das Obergericht anzuweisen, den Beklagten gegenüber der Zivilklägerin zu Fr. 3000.-- Genugtuung zu verurteilen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: Wwe. Schraner hat die Nichtigkeitsbeschwerde erst nach Ablauf der in Art. 272 Abs. 1 BStP vorgesehenen Frist von zehn Tagen erklärt, die mit der Eröffnung des angefochtenen Entscheides, also am 14. Juli 1954, zu laufen begann. Selbständig erhoben, ist daher die Beschwerde verspätet. Die Bestimmung des Art. 272 Abs. 4 BStP , wonach für die Partei, die nur Beschwerde im Zivilpunkt führt, die Frist zu deren Einlegung und Begründung auf zehn Tage seit Mitteilung der von einem anderen Beteiligten eingelegten Beschwerde im Strafpunkt verlängert wird, gilt bloss dann, wenn "die Beschwerde im Zivilpunkt nur im Anschluss an eine Beschwerde im Strafpunkt zulässig ist". Darunter versteht das Gesetz, wie die Verweisung auf Art 271 Abs. 2 ergibt, den Fall, in dem der Streitwert der BGE 80 IV 205 S. 207 Zivilforderung, berechnet nach den für die zivilprozessuale Berufung geltenden Vorschriften, weniger als Fr. 4000.-- beträgt und der Anspruch im zivilprozessualen Verfahren auch nicht ohne Rücksicht auf den Streitwert der Berufung unterläge. Diese Regelung ist getroffen, weil in diesem Falle die Beschwerde im Zivilpunkt voraussetzt, dass der Kassationshof mit dem Strafpunkt befasst sei, diese Voraussetzung aber für die Partei, die nur Beschwerde im Zivilpunkt erheben will, erst feststeht, wenn ihr mitgeteilt worden ist, dass ein anderer Beteiligter im Strafpunkt Beschwerde eingelegt hat. Im vorliegenden Falle verhält es sich anders. Nach Massgabe der Rechtsbegehren, wie sie vor der letzten kantonalen Instanz noch streitig waren (vgl. Art. 46 OG ), bleibt der Streitwert der Zivilforderung nicht unter Fr. 4000.--, konnte also Wwe. Schraner unabhängig davon, ob Righetti im Strafpunkt Beschwerde führe, eine auf den Zivilpunkt beschränkte Beschwerde erheben. Dass sie sich zur Anrufung des Bundesgerichts nur wegen der Beschwerde des Righetti entschloss, ändert rechtlich nichts. Ihr Rechtsmittel kann auch nicht als Anschlussbeschwerde behandelt werden. Eine solche ist gemäss Art. 271 Abs. 4 BStP in Verbindung mit Art. 59 OG im Zivilpunkt zwar grundsätzlich zulässig und kann binnen zehn Tagen nach Empfang der Mitteilung über den Eingang der Beschwerde der Gegenpartei eingereicht werden, setzt aber voraus, dass auch die Hauptbeschwerde sich auf den Zivilpunkt beziehe. Das Gesetz will den Parteien mit der Anschlussbeschwerde nicht eine weitere Möglichkeit geben, von dem mit dem Strafpunkt befassten Kassationshof zugleich den Zivilpunkt beurteilen zu lassen, sondern dem Kassationshof nur ermöglichen, das kantonale Urteil im Zivilpunkt, wenn er diesen ohnehin zu überprüfen hat, auch zugunsten des Beschwerdegegners und Anschlussbeschwerdeführers abändern zu lassen. Im vorliegenden Falle aber liegt über den Zivilpunkt keine Hauptbeschwerde vor. BGE 80 IV 205 S. 208 Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Auf die Nichtigkeitsbeschwerde der Wwe. Marie Schraner wird nicht eingetreten.
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Urteilskopf 106 IV 26 9. Extrait de l'arrêt de la Cour de cassation pénale du 18 mars 1980 dans la cause Cravanzola dit Jean-Michel contre Ministère public du canton de Vaud (pourvoi en nullité)
Regeste Art. 148 Abs. 2 StGB . Betrug, begangen durch die an zahlreiche Personen gerichtete Aufforderung zur Teilnahme an einer Geldsammlung für wohltätige Zwecke unter Verschweigung der Tatsache, dass ein bedeutender Teil der eingehenden Summen luxuriösen Aufwendungen dienten, um die Prunksucht zu befriedigen.
Sachverhalt ab Seite 27 BGE 106 IV 26 S. 27 A.- 1. Au début de 1975, Cravanzola a créé avec des amis une association au sens des art. 60 ss. CC sous le nom de "Jean-Michel et son équipe", qui exerce une activité lucrative en la forme commerciale et qui a été inscrite au Registre du commerce du district de Moudon. Son but statutaire est "d'aider les jeunes qui ont des difficultés personnelles ou sociales... dans l'esprit de les amener à une foi chrétienne et, ainsi, de provoquer une transformation profonde de leur personnalité et de leur vie...". Cravanzola est le président de l'association. Il prend pratiquement toutes les décisions, qu'il fait entériner par le comité. Près de 215 personnes vivent dans trois communautés dépendant de l'association, dont une en France, une à Vugelles-la-Mothe qui compte une cinquantaine d'adultes et 25 enfants, et une à Hermenches qui compte une soixantaine d'adultes et une quarantaine d'enfants. Ces membres sont répartis en équipes chargées de l'évangélisation, de l'imprimerie, de l'administration, de l'entretien des immeubles, des travaux de ménage et de l'éducation des enfants. Les bilans établis, qui ne sont pas publiés, démontrent que les biens de l'association augmentent d'année en année, mais comportent des immobilisations importantes. Les principales ressources proviennent de la vente de livres et de publications sortis de l'imprimerie de l'association, qui a rapporté près de 400'000 fr. par mois. D'autres ressources proviennent de collectes et appels de fonds. 2. En novembre 1977, Cravanzola a expédié deux lettres circulaires demandant des fonds de toute urgence, dans la semaine, pour faire face à des circonstances dramatiques. La première a été adressée en 1470 exemplaires aux abonnés de "La Gerbe de blé", publication éditée par l'association. 348 personnes ont répondu, versant au total 144'607 fr., se décomposant notamment en 83 dons de 500 à 1000 fr., 40 de 1000 à 2500 fr. et 6 de 2500 à 5000 fr. La seconde lettre a été envoyée à plus de 86'000 personnes qui avaient occasionnellement acheté une publication de l'association, BGE 106 IV 26 S. 28 dont 21'000 en Suisse française et 65'000 en Suisse allemande. Elle a permis de récolter 179'000 fr. 3. Sur les ressources de l'association, Cravanzola a disposé de montants considérables tant pour ses besoins personnels qu'au profit de certains des "Frères" qu'il a privilégiés, pour assurer leur confort personnel, assouvir leur goût du luxe, maintenir à un haut niveau leur image de marque et rehausser leur prestige. Il a engagé des dépenses inconsidérées sans aucun rapport avec les objectifs de l'association par laquelle il se faisait entretenir très largement, affectant des montants considérables à l'aménagement du château d'Hermenches, pour lequel il a notamment acheté des meubles anciens et des bibelots; de bureaux luxueux à Mauborget; d'un appartement de luxe à Epalinges; à l'achat de voitures de grand luxe (une Mercédès de 92'000 fr.), de bijoux et de vêtements de prix réservés à lui-même, à sa femme, à certains Frères et à leurs épouses; à des voyages d'agrément dans des pays éloignés, dont l'évangélisation n'était que le prétexte. 4. Les donateurs touchés par les appels de novembre 1977 ont ignoré cette affectation d'une partie des fonds de l'association. Certains, s'étant rendu compte qu'une partie de leurs dons n'était pas affectée au but visé par l'association, ont dénoncé la chose aux autorités judiciaires, se déclarant victimes d'une tromperie. Trois d'entre eux ont déposé plainte. Aucun n'a pris de conclusions civiles. B.- Le 18 juin 1979, le Tribunal correctionnel du district de Lausanne a condamné Cravanzola pour escroquerie par métier et contravention à un arrêté cantonal sur les collectes à la peine de 18 mois de réclusion, à une amende de 20'000 fr. ainsi qu'à l'expulsion du territoire suisse pour une durée de cinq ans, avec sursis durant cinq ans. Il a subordonné l'octroi du sursis à la condition spéciale que le condamné n'exercerait aucune activité statutaire au sein de l'association "Jean-Michel et son équipe", notamment comme membre du comité, durant le délai d'épreuve. Sur double recours du condamné et du Ministère public, la Cour de cassation pénale du Tribunal cantonal vaudois a, par arrêt du 15 octobre 1979, admis partiellement les deux recours; elle a réformé le jugement en ce sens que l'amende a été réduite à 5000 fr., mais que le sursis à la peine principale a été supprimé. BGE 106 IV 26 S. 29 C.- Cravanzola se pourvoit en nullité au Tribunal fédéral; il a également déposé un recours de droit public qui a été rejeté ce jour. Dans son pourvoi en nullité, Cravanzola conclut à libération pure et simple, l'accusation d'escroquerie par métier étant abandonnée; subsidiairement, il demande à n'être condamné qu'à une amende n'excédant pas 500 fr., avec délai d'épreuve en vue de la radiation; plus subsidiairement, enfin, il demande à être libéré de la circonstance aggravante du métier, la peine et l'amende étant de ce fait considérablement réduites et assorties du sursis, la peine accessoire de l'expulsion étant quant à elle supprimée. Erwägungen Extrait des considérants: 4. La seule question - de droit - qu'il reste ainsi à examiner est de savoir si les faits rappelés ci-dessus doivent être qualifiés d'escroquerie au sens de l' art. 148 CP . a) A ce sujet, le recourant semble, mais de façon confuse, contester que certains éléments de l'escroquerie soient réunis. C'est ainsi qu'il nie avoir usé d'une tromperie pour amener ses correspondants à faire un don à l'association: la proportion entre les frais généraux et les montants affectés au but de charité serait normale; l'affectation des fonds collectés à des dépenses d'apparat ne serait pas établie; l'association a effectivement agi conformément à son but; l'intention d'affecter les fonds collectés à des dépenses de pur luxe ne serait pas établie; le caractère familier et personnel des lettres ne serait pas trompeur; l'urgence du besoin serait véritable; les causes de la crise de trésorerie ne devaient pas nécessairement être indiquées; les abonnés à "La Gerbe de blé" connaissaient l'activité exacte de l'association. b) L'ensemble de ces remarques n'est toutefois pas propre à établir le caractère véridique des lettres de novembre 1977. En effet, il n'est pas question, dans ces lettres, de frais généraux qui absorberaient une partie des ressources de l'association. Elles se présentent comme rédigées de façon artisanale, sur un mauvais papier, avec des ratures et des retouches manuscrites, ce qui éveille le sentiment que les frais généraux sont réduits au minimum, le recourant dactylographiant lui-même, de façon malhabile, et renonçant aux services d'une secrétaire BGE 106 IV 26 S. 30 expérimentée et aux frais qu'entraînent des imprimés. Les dépenses de pur luxe sont entièrement passées sous silence. Elles sont même implicitement contestées lorsque le recourant écrit qu'il ne se résout à faire appel à la générosité de ses amis qu'après avoir recherché une solution rapide, vendu tout ce qu'il possédait et consacré sa vie à sa tâche auprès des âmes perdues. De telles déclarations sont tout à fait impropres à évoquer des aménagements luxueux et des dépenses d'apparat. Les dépenses inconsidérées étant établies par ailleurs, c'est mensongèrement que le recourant affirme que ses difficultés financières - telles qu'elles nécessitent un miracle - sont dues uniquement au travail auprès de milliers de personnes qui rencontrent de grandes difficultés, à l'accueil d'enfants abandonnés, travail qui a encore augmenté et qui seul, d'après les lettres en cause, est à l'origine des difficultés financières. Les dépenses d'apparat ayant été faites avant ou après l'envoi des lettres, et étant entièrement cachées, le recourant n'y ayant pas renoncé par la suite, n'ayant pas réalisé les aménagements luxueux ni renoncé aux voyages d'agrément dans des pays lointains, peu importe que les fonds collectés aient été affectés uniquement à des dépenses de pur luxe ou aussi en partie à des buts de l'association. La tromperie consiste à faire état uniquement des buts charitables pour inciter les destinataires des lettres à faire des donations, sans les renseigner sur le fait que les ressources de l'association ont aussi servi à faire des dépenses d'apparat auxquelles le recourant a démontré qu'il n'a jamais eu l'intention de renoncer. Il ressort du reste des constatations des premiers juges que notamment les voyages au Kenya, à Haïti et à la Guadeloupe - dont le prétendu but d'évangélisation n'est qu'un prétexte - ont eu lieu postérieurement à novembre 1977, l'achat de la Mercédès à 92'000 fr. précédant de peu - en date du 6 octobre 1977 - les appels de fonds dramatiques. Le recourant a donc bien usé de tromperie à l'appui de ses appels, en cachant l'affectation réelle d'une part importante des ressources de l'association. Il n'est nullement établi que les abonnés à "La Gerbe de blé" aient connu l'activité exacte de l'association. Il ne ressort nullement du jugement que ces abonnés ont su que le recourant avait fait des investissements de luxe dans une partie du château d'Hermenches, dans ses bureaux de Mauborget, dans l'appartement d'Epalinges, dans des bijoux et des vêtements de BGE 106 IV 26 S. 31 prix destinés à quelques privilégiés, dans une voiture de grand prix affectée à lui seul. c) Le recourant ne conteste pas le caractère astucieux de la tromperie à laquelle il a recouru en cachant ses dépenses inconsidérées, exorbitantes au but de l'association. A bon droit. Les comptes n'étant pas publiés, aucune vérification n'était possible aisément. Si le recourant parle, dans ses lettres, des communautés, il n'est pas établi que l'existence de bureaux somptueux à Mauborget et d'un appartement de luxe meublé d'antiquités de prix à Epalinges fût connue. Au surplus, le recourant pouvait s'attendre à ce que les gens auxquels il s'adressait eussent confiance en lui et le considérassent comme un homme désintéressé, se vouant entièrement à une activité charitable; c'est cette image qu'il donne de lui dans ses lettres. Les destinataires devaient donc avoir une confiance particulière en lui et ne pas entreprendre de contrôles. Cette circonstance suffit à établir l'astuce (cf. ATF 100 IV 274 , 99 IV 77; STRATENWERTH, I, p. 221, 222). d) Le recourant ne conteste pas non plus la relation de causalité entre la tromperie astucieuse et l'acte des victimes qui lui ont envoyé des sommes d'argent. Cette relation de causalité est évidente, car si l'on est enclin à donner de l'argent pour venir en aide à des malheureux, cela n'entraîne pas la conséquence que l'on est aussi disposé à donner pour assouvir les besoins de luxe du donataire. Il résulte d'ailleurs des faits constatés par les premiers juges que plusieurs donateurs ont précisément dénoncé le cas aux autorités, voire ont déposé plainte lorsqu'ils ont appris qu'une partie de leurs dons n'étaient pas affectés aux buts de l'association. L' art. 148 CP a donc été correctement appliqué.
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Urteilskopf 85 II 603 83. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 18. Dezember 1959 i. S. H. gegen L. und Konsorten.
Regeste Anfechtung eines Erbteilungsvertrages (Art. 634/638 ZGB). Zur Geltendmachung der Unverbindlichkeit eines solchen Vertrages wegen Willensmängel ist ein der Erbengemeinschaft nicht angehörender Zessionar eines Erbanteils nicht befugt, namentlich auch nicht zur gerichtlichen Auseinandersetzung hierüber mit den andern Erben. Art. 609 Abs. 1 und Art. 635 Abs. 2 ZGB , Art. 23 ff. OR (Erw. 2). Herabsetzungsklage ( Art. 522 ff. ZGB ). Klagerecht eines solchen aussenstehenden Zessionars? (Erw. 3).
Sachverhalt ab Seite 604 BGE 85 II 603 S. 604 Aus dem Tatbestand: A.- Die am 1. Mai 1956 verstorbene Frau Ida H.-K. hinterliess als gesetzliche Erben ihren Ehemann Karl H. und ihre vier Geschwister, die heutigen Beklagten. In einem Testament hatte sie zunächst festgestellt, dass die von ihr im Jahr 1937 für Fr. 20'700.-- gekaufte Liegenschaft, die auf ihren Namen eingetragen blieb, nach übereinstimmender Ansicht der Eheleute Frauengut sei. Im übrigen hatte sie im Testament verfügt, ihr Nachlass solle zu einem Viertel an ihren Ehemann und zu drei Vierteln zu freiem Eigentum, ohne Nutzniessung des Ehemannes, zu gleichen Teilen an ihre Geschwister fallen. B.- Im Erbteilungsvertrag vom 19. Juni 1956 wurde die erwähnte Liegenschaft in die Teilung einbezogen. Man nahm einen Verkauf zu Fr. 250'000.-- bis 260'000.-- in Aussicht; der Preis sollte nach Abzug der Gewinnsteuer im Verhältnis von einem zu drei Vierteln zwischen dem Ehemann und den Geschwistern der Erblasserin verteilt werden. Indessen liess sich nur ein Preis von Fr. 198'000.-- erzielen. Der Ehemann Karl H. stimmte einem solchen Verkauf unter der (von den Beklagten angenommenen) Bedingung zu, dass sein Viertelsanteil auf Grund des "Wunschpreises" von Fr. 250'000.-- berechnet werde. Er erhielt den so berechneten Anteil ausbezahlt. BGE 85 II 603 S. 605 C.- Eine Tochter Karl H.s aus erster Ehe, die heutige Klägerin, erfuhr von diesen Teilungsabreden. Karl H. trat ihr seine Ansprüche am Nachlass seiner Ehefrau ab, insbesondere den Anspruch auf Anfechtung des Teilungsvertrages. In einer gemeinsamen Erklärung an die Beklagten bezeichneten sie die Abreden wegen Grundlagenirrtums, absichtlicher Täuschung und Drohung als unverbindlich. D.- Die Zessionarin erhob Klage auf Feststellung dieser Unverbindlichkeit, ferner auf Feststellung, dass die Liegenschaft nicht zum Nachlass gehöre, auf Einbeziehung einer Forderung der Erblasserin gegen den Beklagten Nr. 4 in den Nachlass, auf Herabsetzung der im Testament zu Gunsten der Beklagten getroffenen Verfügungen auf das erlaubte Mass und auf Verpflichtung der Beklagten zur Rückerstattung dessen, was sie über dieses Mass hinaus empfangen hätten. E.- Das Bezirksgericht wies die Klage ab, weil Unverbindlichkeit des Teilungsvertrages nicht erwiesen und beim Abschluss dieses Vertrages auf Herabsetzungsansprüche stillschweigend verzichtet worden sei. F.- Vor Obergericht erhob die Klägerin die neue Einwendung, ihr Vater sei beim Abschluss der Teilungsabreden wegen vorzeitiger Altersschwäche nicht urteilsfähig gewesen. Die Beklagten bestritten dies, das Obergericht behaftete aber die Klägerin bei ihrem neuen Vorbringen und erklärte, die behauptete Urteilsunfähigkeit müsse auch die Abtretung der Ansprüche an sie ungültig machen; daher fehle ihr die auf diese Abtretung gestützte Klagelegitimation. G.- Mit vorliegender Berufung an das Bundesgericht hält die Klägerin an den Begehren der Klage fest. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. (Rechtsbegehren). 2. Ob die Aktivlegitimation der Klägerin aus dem vom Obergericht aus ihren eigenen Vorbringen abgeleiteten BGE 85 II 603 S. 606 Grund ohne weiteres verneint werden durfte, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls steht der Zessionarin des Karl H. das Klagerecht deshalb nicht zu, weil ihr als Nichterbin das Recht zur gerichtlichen Verfechtung der in Frage stehenden Ansprüche überhaupt nicht durch Abtretung seitens eines Erben übertragen werden konnte. Ein nicht zur Erbengemeinschaft gehörender Dritter, der sich einen Erbanteil abtreten lässt, wird damit nicht zum Miterben. Er erwirbt kein Recht auf Mitwirkung bei der Teilung, sondern nur einen Anspruch auf das Treffnis, das dem Abtretenden aus der Teilung zugewiesen wird ( Art. 635 Abs. 2 ZGB ). Zu seinem Schutze kann er lediglich die Mitwirkung der nach kantonalem Rechte zuständigen Behörde bei der Teilung gemäss Art. 609 Abs. 1 ZGB verlangen. Dieser Behörde liegt es alsdann ob, für die Zuweisung des dem betreffenden Erben wirklich gebührenden Erbbetreffnisses zu sorgen. Es ist allgemein anerkannt, dass als "Gläubiger" im Sinne des Art. 609 Abs. 1 ZGB auch der Zessionar eines Erbanteils zu gelten hat, so dass Art. 635 Abs. 2 ZGB durch jene andere Norm ergänzt wird (vgl. TUOR, N. 9, und ESCHER, N. 10, zu Art. 609 ZGB ; CANOVA, Die amtliche Mitwirkung bei der Erbteilung, S. 30 ff.). Der aussenstehende Erwerber eines Erbanteils ist demgemäss auch nicht befugt, einen angeblich darin enthaltenen, von den Miterben bestrittenen Anspruch gegen sie gerichtlich geltend zu machen. Er ist darauf angewiesen, die zuständige Behörde um Einleitung und Durchführung gerichtlicher Massnahmen zu ersuchen. Ob solches Vorgehen gerechtfertigt sei, hat die Behörde nach ihrem Ermessen, unter Vorbehalt allfälliger Rechtsmittel, zu entscheiden. Entspricht sie dem Gesuche, so erfolgt die Prozessführung auf Rechnung und Gefahr des Gesuchstellers ( BGE 63 II 231 ff.; vgl. auch BGE 71 III 99 ff., BGE 80 III 117 ff.). Insbesondere kann ein Aussenseiter sich nicht von einem Erben ermächtigen lassen, in eigenem Namen alle zur Verwirklichung eines Rechtes erforderlichen Handlungen vorzunehmen. Das wäre eine von Art. 635 Abs. 2 ZGB im BGE 85 II 603 S. 607 Interesse der ganzen Familie, also namentlich der andern Erben, verpönte Einmischung. Die Abtretungserklärung ist ungültig, soweit sie sich nicht an diese gesetzlichen Schranken hält. Das Gesagte gilt nun auch für die Anfechtung eines bereits abgeschlossenen (und, wie hier, vollzogenen) Erbteilungsvertrages nach Art. 638 ZGB . Über dessen Verbindlichkeit haben sich die andern Erben mit einem aussenstehenden Anteilserwerber ebensowenig auseinanderzusetzen wie über die Teilung selbst. Die Erklärung, sich wegen Willensmängel nicht an den "Verteilungs-Vertrag" und die anschliessenden Teilungsabreden halten zu wollen, hat zwar neben der Klägerin auch der Abtretende abgegeben. Es lässt sich also der Klägerin nicht etwa entgegenhalten, bereits jene Erklärung sei nicht von dem nach Art. 23 ff. OR hiezu einzig befugten Vertragspartner ausgegangen (vgl. BGE 84 II 367 /68). Die gerichtliche Geltendmachung der Unverbindlichkeit, um eine neue Teilung herbeizuführen und die Beklagten zur Rückerstattung eines Teils der gemäss den angefochtenen Vereinbarungen bezogenen Treffnisse zu verpflichten, steht jedoch nach den dargelegten erbrechtlichen Grundsätzen ebenfalls nur dem abtretenden Erben selbst oder aber der vom Erwerber seines Anteils angerufenen Behörde zu. Eine selbständige Klage der Zessionarin ist somit nicht zulässig. 3. So verhält es sich nicht nur mit der eigentlichen Anfechtung der Teilungsabreden gemäss dem Begehren 3, sondern auch mit den im Begehren 1 enthaltenen Anträgen auf (neue) Feststellung des Nachlasses und (den Teilungsabreden zuwiderlaufende) Ausscheidung der erwähnten Liegenschaft aus diesem Nachlasse. Das gleiche Schicksal trifft den ebenfalls im Begehren 1 enthaltenen Antrag auf Einbeziehung einer Forderung der Erblasserin von Fr. 20'000.-- gegen den Beklagten Nr. 4. Dabei macht es für die Klageberechtigung keinen Unterschied aus, ob man es mit einem aus Versehen bisher nicht berücksichtigten Nachlassgut zu tun habe (sog. zusätzliche oder Nach- BGE 85 II 603 S. 608 Teilung), oder ob es sich um eine an und für sich durch schenkungsweisen Erlass erloschene Forderung der Erblasserin handle, die lediglich "gemäss Art. 527 Ziffer 3 in den Nachlass einzubringen" wäre, laut S. 8 der Klageschrift. Denn auch im letztern Fall konnte das Klagerecht nicht durch Einzelnachfolge, eben durch Abtretung, auf die der Erbengemeinschaft nicht angehörende Klägerin übertragen werden (vgl. ESCHER, 3. Auflage, N. 5 der Einleitung zu den Art. 522-533 ZGB ). Bei dieser Sachlage kann offen bleiben, ob nicht durch den "Verteilungs-Vertrag" stillschweigend auf jegliche Herabsetzungsansprüche unter den Miterben verzichtet wurde, ganz abgesehen davon, dass offenbar nach allgemeiner Auffassung der Beteiligten keiner der Erben weniger als den ihm zukommenden Pflichtteil erhielt. Was das besondere Herabsetzungsbegehren 2 und das daran anknüpfende Leistungsbegehren 4 betrifft, so ist übrigens nicht einzusehen, worin die "im Testament ... zugunsten der vier Beklagten getroffenen Zuwendungen" bestehen sollen. Die von der Testatorin verfügte Zuweisung in Bruchteilen entspricht genau den gesetzlichen Erbteilen des Ehegatten und der Geschwister. Der Nutzniessungsanspruch des Ehegatten nach Art. 462 Abs. 2 ZGB geniesst keinen Pflichtteilsschutz ( Art. 471 Ziff. 4 ZGB ). Die ferner im Testament enthaltenen güterrechtlichen Feststellungen aber haben keinen Verfügungscharakter. Übrigens ist die in Frage stehende Liegenschaft zum Vermögen der Erblasserin gerechnet und keineswegs ihm entfremdet worden. Nach den eigenen Vorbringen der Klägerin kann in Wahrheit von einer der Herabsetzung unterliegenden Verfügung der Erblasserin über diese Liegenschaft nicht die Rede sein. Wenn, wie behauptet wird, Karl H. bei der Abrechnung über den Erlös, trotz der ihm eingeräumten Vorzugsbehandlung, wegen angeblicher fiduziarischer Vereinbarungen unter den Ehegatten zu kurz gekommen sein sollte, so kann darin nur allenfalls eine Vermögensentäusserung seinerseits liegen, BGE 85 II 603 S. 609 die im gegenwärtigen Erbfall unmöglich Gegenstand einer Herabsetzungsklage bilden kann. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 30. Juni 1959 bestätigt.
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Urteilskopf 99 Ia 325 35. Arrêt du 19 septembre 1973 dans la cause Gregor contre Bureau de l'assistance judiciaire du canton de Vaud
Regeste Unentgeltliche Rechtspflege. Willkür. Art. 4 BV . Zulässigkeit der Beschwerde (Erw. 1a, b). Wann kann der Beschwerdeführer eine Ergänzung der Beschwerde einreichen? ( Art. 93 Abs. 2 OG ; Erw. 1c). Es ist willkürlich, demjenigen, der an einem andern Orte als vor seinem natürlichen Richter Prozess führt, die unentgeltliche Rechtspflege zu verweigern mit der Begründung, es handle sich nicht um den ordentlichen Richter im Sinne des kantonalen Rechts (Erw. 3). Diese Verweigerung verletzt auf alle Fälle den unmittelbar aus Art. 4 BV folgenden Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege (Erw. 4).
Sachverhalt ab Seite 326 BGE 99 Ia 325 S. 326 A.- Otto Gregor, domicilié à Elgg (Zurich), a été assigné devant la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois, en paiement de 130 000 fr. Il a soulevé le déclinatoire, prétendant n'être pas lié par la clause de prorogation de for du contrat qu'il a conclu avec les demandeurs, clause prévoyant la compétence des tribunaux de Lausanne. Sa requête a été rejetée par décision du 23 mars 1973, entrée en force. Le 27 avril 1973, Gregor a demandé au Bureau vaudois de l'assistance judiciaire (ci-après: le Bureau) de le mettre au bénéfice de cette assistance, en particulier de le dispenser de l'avance des émoluments de justice et de lui désigner un avocat d'office. Il s'est heurté à un refus, notifié le 14 mai 1973. L'autorité cantonale donnait pour seul motif que la juridiction saisie n'est pas "la juridiction ordinaire" au sens de l'art. 1er de la loi cantonale du 2 décembre 1947 sur l'assistance judiciaire gratuite en matière civile (LAJ). Priée par Gregor de reconsidérer sa décision, elle s'y est refusée. B.- Gregor forme un recours de droit public. Il se plaint de diverses violations de l'art. 4 Cst. et requiert le Tribunal fédéral d'annuler la décision du Bureau et de prononcer qu'il doit être mis au bénéfice de l'assistance judiciaire gratuite dans le procès ouvert devant la Cour civile vaudoise. Erwägungen Considérant en droit: 1. a) Le Bureau statue sur les demandes d'assistance judiciaire en unique instance cantonale. Le présent recours est ainsi recevable au regard de l'art. 87 OJ (arrêt du 10 septembre 1965 dans la cause Pelet, consid. 1, non publié au RO 91 I 161 ss.). b) Le recours de droit public est en principe une voie de BGE 99 Ia 325 S. 327 cassation seulement; dans la mesure où elles tendent à ce que le Tribunal fédéral accorde lui-même l'assistance judiciaire pour la procédure cantonale, les conclusions du recourant sont irrecevables (RO 89 I 2 ; 85 I 3 ). c) En vertu de l'art. 93 al. 2 OJ, un délai peut être imparti au recourant pour présenter un mémoire complétif lorsque les considérants à l'appui de la décision attaquée ne sont énoncés que dans la réponse de l'autorité. En l'espèce, si la décision attaquée est très sommairement motivée, le recourant a néanmoins eu connaissance de l'essentiel des arguments exposés dans la réponse au recours par la lettre rejetant sa demande de reconsidération. Il a pu en tenir compte dans la rédaction de son recours. Le dépôt d'un mémoire complétif ne se justifie pas. 2. Selon une jurisprudence bien établie, la personne impliquée dans un procès civil, dont les conclusions ne sont pas dépourvues de chances de succès et qui ne peut couvrir les frais de ce procès sans entamer le minimum nécessaire à son entretien et à celui de sa famille, a le droit, découlant directement de l'art. 4 Cst., d'obtenir que le juge agisse sans que les frais de procès soient versés d'avance ou garantis; elle a droit également à l'assistance gratuite d'un avocat, si celle-ci est nécessaire à la défense de ses intérêts (RO 78 I 195 et les arrêts cités, notamment 57 I 343 ss. ; 85 I 3 ; 89 I 2 , 161 ; 95 I 415 ; 98 Ia 341 /2). Le droit à l'assistance judiciaire est cependant prévu par toutes les lois cantonales. Il est loisible à celui auquel cette assistance est refusée de se plaindre que ce refus procède d'une application arbitraire du droit cantonal. C'est ce que le recourant soutient en l'espèce à titre principal. Conformément à sa pratique (cf. RO 95 I 121 consid. 2), le Tribunal fédéral examinera tout d'abord ce moyen. 3. a) Selon l'art. 1er al. 1 LAJ, l'assistance judiciaire gratuite est accordée pour les procès ouverts devant la juridiction ordinaire. Cette expression désigne généralement la juridiction de droit commun (ordentliche Gerichtsbarkeit) par opposition aux tribunaux spéciaux (cf. PICCARD/THILO/STEINER, Dictionnaire juridique français-allemand, vo juge, vo juridiction; RENNER/HAENSCH/CAMPART DE KOSTINE, Terminologie juridique, vo juge, vo tribunal). Elle aurait pu avoir ce sens dans la loi vaudoise. En effet, l'organisation judiciaire de ce canton ne connaissait en 1947 qu'une seule catégorie de tribunaux spéciaux, stricto sensu, les Conseils de prud'hommes, devant lesquels BGE 99 Ia 325 S. 328 la procédure était gratuite et l'assistance d'un mandataire professionnel prohibée (art. 36 et 77 de la loi du 24 août 1911 sur les Conseils de prud'hommes). Dans la faible mesure où la question de l'assistance judiciaire pouvait s'y poser - soit en matière de débours -, elle était réglée par la loi organique elle-même (art. 77), de sorte que l'application de la loi sur l'assistance judiciaire pouvait effectivement être exclue. Cependant l'expression de juridiction ordinaire n'est pas suffisamment précise pour que l'on ne puisse lui attribuer un autre sens. b) De l'avis de l'autorité cantonale, qui dit se fonder sur l'exposé des motifs de la loi de 1919, que la loi de 1947 devait remplacer, cette expression doit s'entendre en ce sens que sont exclues du bénéfice de l'assistance toutes les personnes qui plaident devant une "juridiction conventionnelle". Reconnaissant que cet exposé des motifs ne mentionne expressément que l'arbitrage conventionnel, elle considère qu'il serait abusif d'en tirer la conclusion que les autres "juridictions conventionnelles" - par quoi elle entend notamment les juges étatiques statuant en vertu d'une convention de prorogation de juridiction - sont des juridictions ordinaires au sens de la loi. A son avis, le bénéfice de l'assistance judiciaire est exclu, dans ce dernier cas, pour maintenir dans des limites supportables la charge financière résultant pour l'Etat de l'assistance judiciaire gratuite. Ce raisonnement n'est pas soutenable. Si l'exposé des motifs de la loi de 1919 par le d'arbitrage conventionnel et non pas seulement d'arbitrage, c'est sans aucun doute pour l'opposer au cas de l'arbitrage légal, qu'il mentionne aussi expressément, à côté des tribunaux et des juges de paix, et pour lequel la loi s'applique. Le canton de Vaud connaît en effet, dans un certain nombre de causes spéciales, un arbitrage légal, consacré lors de l'adoption des deux lois de 1919 et de 1947 sur l'assistance judiciaire par l'art. 499 du code de procédure civile de 1911 (cf. CONTINI, Contribution à l'étude de l'arbitrage en procédure civile vaudoise, thèse Lausanne 1951, p. 23, 28 ss.), et actuellement par l'art. 425 PC. Rien, dans cet exposé des motifs, n'autorise à étendre l'exception à ce que le Bureau appelle les juridictions conventionnelles, soit aux tribunaux étatiques statuant en vertu d'une clause de prorogation de juridiction. L'exposé des motifs de la loi de 1947 n'apporte aucun appui non plus à cette thèse. Il précise au contraire que l'on entend par juridiction ordinaire "toutes les instances prévues par une loi vaudoise BGE 99 Ia 325 S. 329 pour trancher des litiges de nature civile" (Bulletin du Grand Conseil, séance du 26 novembre 1947, p. 371). Quant au motif d'économie qui, de l'avis du Bureau, justifierait la restriction qu'il veut introduire, on n'en trouve aucune trace dans la loi, dans l'exposé des motifs ou dans le compte rendu des débats. Le rapporteur de la commission du Grand Conseil relève que les dépenses et le manque à gagner de l'Etat du chef de l'assistance judiciaire ont atteint ensemble, en 1945, moins de 60 000 fr., ce qui est modeste (Bulletin du Grand Conseil, p. 381). Sans doute la nouvelle loi devait-elle entraîner une augmentation; mais manifestement, on l'acceptait comme la conséquence nécessaire du perfectionnement de l'institution, clairement voulu (ibid.). Rien n'autorisait donc le Bureau à voir dans l'expression de "juridiction ordinaire" une clause restrictive introduite à des fins d'économie. Certes, il est vraisemblable que les frais de l'assistance judiciaire ont augmenté considérablement jusqu'à aujourd'hui. Mais l'autorité d'application de la loi ne saurait donner à celle-ci une interprétation que rien ne justifie, à la seule fin de réduire les dépenses qu'elle entraîne. Enfin, l'exclusion de l'assistance judiciaire en matière d'arbitrage est conforme à la nature de l'institution: l'Etat n'a pas à faciliter l'accès à des tribunaux qui ne dépendent pas de lui. En revanche, en refusant le bénéfice de l'assistance à celui qui plaide devant une juridiction étatique, mais compétente en vertu d'une convention entre parties, on restreint la portée normale de cette institution. On doit admettre que le législateur de 1947, qui n'a pas méconnu la nature de l'assistance judiciaire (cf. rapport de la commission du Grand Conseil, loc.cit., p. 375), se serait exprimé plus clairement s'il avait voulu introduire une telle restriction. Il en irait peut-être autrement si le Bureau avait interprété constamment la loi de 1919 dans le sens qu'il donne à la loi de 1947. On pourrait alors soutenir que le législateur, en reprenant l'expression de "juridiction ordinaire", a sanctionné cette pratique, supposé encore qu'il en ait eu connaissance. Mais le Bureau ne fait état d'aucun précédent. Il est du reste peu vraisemblable que des cas analogues à celui du recourant se soient présentés assez souvent pour donner lieu à une véritable pratique constante. Reposant sur une interprétation insoutenable du droit cantonal applicable, la décision attaquée est arbitraire et doit être cassée. BGE 99 Ia 325 S. 330 4. Bien que cela ne soit pas nécessaire à la solution du litige, le Tribunal fédéral examinera encore si la décision attaquée est compatible avec le droit à l'assistance judiciaire découlant directement de l'art. 4 Cst. Tel qu'il a été défini par la jurisprudence (cf. consid. 2 cidessus), ce droit est une conséquence du principe d'égalité et de la prohibition du déni de justice. L'Etat doit assurer l'accès de ses tribunaux à tous les justiciables sans égard à leurs ressources. L'assistance judiciaire est le moyen de garantir cet accès aux plaideurs démunis. Aussi incombe-t-elle à la collectivité publique dont les tribunaux sont saisis et non pas à celle qui est chargée de l'assistance aux indigents. Dans la mesure où un tribunal ne peut décliner sa compétence s'il est saisi par des plaideurs capables d'assumer les frais de procès, l'Etat dont dépend ce tribunal ne saurait en fermer l'accès à des plaideurs indigents en leur refusant l'assistance judiciaire, à peine de commettre une inégalité de traitement et un déni de justice formel. Il s'ensuit que, même si elle pouvait se fonder sans arbitraire sur le droit cantonal, la décision attaquée violerait l'art. 4 Cst. Il est vrai que, contrairement à ceux de la plupart des cantons suisses, les tribunaux vaudois ne peuvent décliner leur compétence lorsqu'ils sont élus par les parties (cf. FISCHER, Les conventions de prorogation de for..., thèse Lausanne 1969, p. 143 ss.), de sorte que des abus ne sont pas exclus. Mais on ne saurait en tout cas, par crainte d'abus possibles, refuser systématiquement l'assistance judiciaire au défendeur qui a renoncé à son for naturel, sans même examiner les motifs de cette renonciation. Le Bureau relève avec raison que le législateur fédéral refuse le bénéfice de l'assistance judiciaire en cas de prorogation de juridiction (art. 152 al. 1 in fine OJ). Le Tribunal fédéral n'est cependant pas lié par cette disposition en dehors de son champ d'application propre. Au demeurant, la situation qu'elle vise n'est pas identique à celle de la présente espèce. Ici, sans la convention des parties, le tribunal saisi serait incompétent ratione loci; là, il serait incompétent ratione materiae. Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: Admet le recours en tant qu'il est recevable et annule la décision attaquée.
public_law
nan
fr
1,973
CH_BGE
CH_BGE_002
CH
Federation
0127bcce-6ebc-4337-9318-77f490d22732
Urteilskopf 95 II 320 45. Arrêt de la 1re Cour civile du 18 novembre 1969 dans la cause Banque commerciale SA contre dame Palthey et consorts.
Regeste 1. Haftung der Mitglieder der Verwaltung für ihre Geschäftsführung. Art. 754 OR , Art. 39 ff. BankenG. Die A.-G. - i.c. eine Bank - kann von einem Mitglied der Verwaltung nicht Ersatz eines Schadens fordern, der bereits gedeckt ist durch die Verwertung von Sicherheiten, die von einzelnen Aktionären auf Grund einer mit der Gesellschaft getroffenen Vereinbarung bestellt worden waren (Erw. III). 2. Tragweite der Entlastung. Art. 698 Ziff. 4 und 757 OR . Wie jede Willenserklärung muss die Entlastung in dem Sinne verstanden werden, den ihr der Empfänger in guten Treuen vernünftigerweise geben darf. Sie wirkt als Verzicht der Aktionäre auf die Verantwortlichkeitsklage gegen die Mitglieder der Verwaltung nurin Bezug auf die Tatsachen, die der Generalversammlung klar und vollständig zur Kenntnis gebracht worden sind, sei es, dass sie aus den ihr vorgelegten Schriftstücken oder den ihr gemachten Mitteilungen hervorgehen, sei es, dass es sich um notorische oder doch allen Aktionären bekannte Tatsachen handle (Erw. IV).
Sachverhalt ab Seite 321 BGE 95 II 320 S. 321 A.- La Société commerciale de banque SA, actuellement Banque commerciale SA, à Genève, a été constituée le 29 mars 1954. Son premier conseil d'administration était composé entre autres de Olivier de Ferron et Benjamin Cohen. Celui-ci démissionna et quitta la banque le 8 décembre 1954. Dans sa séance du 24 janvier 1955, le conseil d'administration constate le désordre dans lequel Cohen a laissé les affaires. Il ordonne une expertise. De septembre à novembre 1955, tous les membres du conseil d'administration donnent leur démission. L'assemblée générale du 23 septembre 1955 donne décharge aux membres démissionnaires, dont Ferron, "pour leur gestion pendant l'exercice 1954-55". Elle refuse en revanche de donner décharge à Cohen. L'assemblée générale extraordinaire du 30 novembre 1955 élit un nouveau conseil d'administration, comprenant notamment Max Hottinger. Le 17 juin 1957, sur rapport de Hottinger, l'assemblée générale donne décharge à l'administration pour l'exercice du 1er juillet 1955 au 31 décembre 1956. Cette décharge est toutefois assortie d'une réserve relative à cinq affaires: Efisa (aluminium), Efisa (travellers cheques), Hug Fermeture invisible, Proctor et Wolltex. BGE 95 II 320 S. 322 B.- A la suite d'un rapport de la fiduciaire OFOR, du 27 novembre 1956, qui révélait que la situation de la banque était critique, une convention a été passée le 29 décembre 1956 entre la banque et un "groupe des actionnaires originaires", qui ne sont autres que les fondateurs, dont Ferron. Aux termes de cette convention, les actionnaires vendent à la société 501 actions au prix de 1000 fr. chacune; ce prix était retenu par la société et affecté, sous forme d'un compte spécial, à la garantie de diverses créances, qui s'élevaient à 2 821 172 fr. 20 au 30 septembre 1956. De plus, les actionnaires remettaient à la banque 504 actions, de 1000 fr. chacune, à titre de gage supplémentaire pour ces mêmes créances. En décembre 1961, toutes les créances compromises, visées par la convention du 29 décembre 1956, étaient soit récupérées, soit payées au moyen des garanties fournies par les actionnaires, et cela sur l'exigence de la banque, qui a exécuté jusqu'à due concurrence les garanties qu'elle s'était fait constituer. C.- Entre-temps, par exploit du 18 juin 1959, en exécution d'une décision de l'assemblée générale du 14 mars 1959, la banque a introduit une action en responsabilité contre Ferron, action tendant au paiement de diverses sommes représentant en principal plus de 775 000 fr. En cours de procès, les héritiers et les exécuteurs testamentaires de Ferron, décédé, ont pris la place du défendeur au procès. En substance, la demanderesse reprochait au défendeur d'avoir commis des fautes de gestion qui lui avaient causé un préjudice de l'ordre de 800 000 fr. Elle fondait son action sur les art. 754 ss. CO, 39 à 45 de la loi sur les banques (LB). D.- Statuant sur appel de la banque et confirmant le jugement rendu le 13 septembre 1966 par le Tribunal de première instance, la Deuxième Chambre de la Cour de justice du canton de Genève, par arrêt du 20 juin 1969, a rejeté l'action. En bref, la cour cantonale a jugé que, pour six des huit affaires incriminées, le dommage subi par la banque avait été intégralement couvert par les garanties que les actionnaires originaires ont constituées et dont la banque a exigé la réalisation. Quant aux deux autres affaires dites Kaapse et Onsa, il s'agit de lettres de crédit en faveur de Warmex SA, que la banque a été condamnée judiciairement à honorer, sans pouvoir se BGE 95 II 320 S. 323 retourner contre ladite société, qui a été déclarée en faillite et dont la banque ne paraît pas avoir exigé de couverture. L'arrêt constate que, lors de l'assemblée générale du 23 septembre 1955, qui a donné décharge aux administrateurs, à l'exception de Cohen, les actionnaires, qui devaient former l'année suivante un consortium pour couvrir les pertes de la banque, n'ignoraient pas l'existence du procès dans l'affaire Kaapse, ni le litige dans l'affaire Onsa. Ils n'ignoraient pas non plus les circonstances de chacune des deux affaires, ni le rôle joué par l'actionnaire Schwarm, administrateur et actionnaire unique de Warmex SA La cour cantonale en déduit que la décharge a été donnée par des actionnaires sachant à quoi s'en tenir et disposés à passer outre, sauf en ce qui concerne Cohen. Un nouveau vote de décharge est intervenu à l'assemblée générale du 17 juin 1957, pour l'exercice allant du 1er juillet 1955 au 31 décembre 1956. Cette décharge a été donnée sur la proposition de la nouvelle administration sur la foi d'un rapport du vice-président Hottinger "qui après un examen ayant duré près de deux ans, pendant lequel il a pratiquement vécu l'affaire, a pu affirmer qu'il a été à même de déterminer nommément les affaires pour lesquelles l'assemblée ne pourra pas donner décharge aux anciens administrateurs. Il estime pouvoir prendre la responsabilité d'affirmer qu'il n'y a pas d'autres dossiers dans lesquels des problèmes touchant à la responsabilité personnelle des anciens administrateurs puissent se poser". Aussi bien la décision de décharge est-elle assortie de la réserve proposée par l'administration et qui est relative à cinq des six affaires mentionnées plus haut. La cour cantonale a déduit de ces faits que la décharge, donnée et réitérée en parfaite connaissance de cause, était opérante, et cela dans les deux affaires. E.- La Banque commerciale SA recourt en réforme au Tribunal fédéral. Elle conclut à l'annulation de l'arrêt attaqué et au renvoi de la cause à l'autorité cantonale pour nouvelle décision. Erwägungen Extrait des considérants: III.1. Les parties admettent toutes deux que, des huit affaires traitées par la banque en 1954 et 1955, et qui donnent lieu à la présente recherche de responsabilité, six affaires sont comprises BGE 95 II 320 S. 324 dans les créances de 2 821 172 fr. 20 au total, pour lesquelles les actionnaires originaires ont donné leur garantie par la convention du 29 décembre 1956. La question est de savoir si le paiement des actionnaires originaires, respectivement la réalisation de leurs garanties, a libéré l'administrateur Ferron de sa responsabilité envers la banque. III.2. La condition première de la responsabilité de l'administrateur d'une société anonyme ou des organes ou directeurs d'une banque est l'existence d'un dommage. Les dommages dont la banque demande réparation aux défendeurs dans la présente instance sont des pertes subies par la banque, ainsi que les conclusions de la demanderesse le précisent expressément. En tant qu'elle vise les six affaires Proctor, Warmex, Hug, Wooltex, Efisa (aluminium) et Efisa (travellers cheques), la convention du 29 décembre 1956 a le même objet: les actionnaires originaires ont garanti à la banque le recouvrement intégral de ces créances. La banque a ainsi deux prétentions concurrentes ayant le même objet, soit la couverture des pertes qu'elle a subies dans les six affaires précitées. Une de ces prétentions est fondée sur un contrat, la convention du 29 décembre 1956, l'autre sur une responsabilité instituée par la loi aux art. 754 ss. CO, 39 ss. LB. La banque se trouve ainsi dans le cas visé par l'art. 51 CO. Il est manifeste qu'un tel concours d'actions ne peut conférer au créancier une prétention à une exécution cumulée contre chacun de ses débiteurs respectifs. Si les actionnaires originaires ont procédé à un règlement total et définitif, la banque ne peut exiger d'être payée une seconde fois par l'administrateur dont elle invoque la responsabilité. Inversement, si Ferron avait reconnu sa responsabilité et couvert les pertes, la banque n'aurait pu réaliser les garanties constituées pour couvrir les mêmes pertes. Dans la mesure où elle prétend, tout en demeurant au bénéfice des prestations des actionnaires originaires, exiger des défendeurs qu'ils couvrent la perte subie dans les six affaires précitées, la banque réclame la double réparation du même dommage. Cette prétention est déraisonnable. Les arguments que la recourante avance pour justifier son action ne résistent pas à l'examen. La demanderesse prétend distinguer entre l'intervention de tiers, qui selon elle aurait un effet libératoire, et l'intervention interne d'actionnaires, BGE 95 II 320 S. 325 décidant d'assainir leur société, qui ne priverait pas cette dernière de sa créance contre l'administrateur responsable. Mais les actionnaires sont des tiers: rien, juridiquement, ne les obligeait à intervenir dans les relations entre la société et ses débiteurs et à garantir les pertes sur leur patrimoine, distinct de celui de la banque. La recourante dit que la convention du 29 décembre 1956 est une res inter alios acta, qui ne saurait profiter à des tiers. Mais il en est ainsi de toute garantie: un cautionnement est un contrat entre créancier et caution, de même la constitution de gage par un tiers. Il en va de même dans la plupart des cas de concours d'actions. L'engagement assumé par un tiers peut avoir pour effet de libérer un débiteur. Savoir si ce débiteur en profitera est régi par les dispositions fixant l'ordre des actions récursoires. La recourante fait valoir que l'action en responsabilité contre l'administrateur fait partie des actifs de la société, qui ne saurait en être privée par une convention à laquelle l'administrateur n'est pas partie. Mais la prétention contre l'administrateur n'existe qu'autant que les conditions de l'exercice de cette prétention, et au premier chef le dommage, subsistent. Si le dommage est réparé d'autre part, cet "actif" est représenté par la somme payée, soit le produit des gages. En conclusion sur ce premier point, si l'intention de la recourante est d'obtenir des défendeurs une indemnité venant s'ajouter aux prestations qu'elle a déjà obtenues en vertu de la convention du 29 décembre 1956, ce cumul est inadmissible et cette prétention manifestement abusive. III.3. Il n'en irait autrement que si les parties à la convention du 29 décembre 1956 avaient entendu que la garantie ne jouerait que subsidiairement, après épuisement par la banque de tous les moyens de réparer ses pertes, y compris la mise en cause des administrateurs responsables. Il serait concevable que des actionnaires désireux d'éviter une liquidation peu avantageuse et peu honorable, dans le but de revaloriser les titres de la société, garantissent certaines pertes, avec cet effet que leur garantie soit subsidiaire à la responsabilité des organes de la banque pour ces mêmes pertes. Savoir si tel a été le cas relève de l'interprétation de la convention de garantie et de la portée des règlements intervenus entre la banque et ses garants. Or il ressort de l'examen de la convention du 29 décembre BGE 95 II 320 S. 326 1956 que, du commun accord des parties, la garantie n'était pas subsidiaire à une action en responsabilité, que la convention exclut implicitement. L'eussent-ils voulu, les garants n'auraient pas pu, sur le vu de la convention, s'opposer à l'exécution des garanties et renvoyer la banque à se payer d'abord par une action en responsabilité contre les administrateurs ou directeurs responsables. La façon dont la convention a été exécutée par la banque confirme cette interprétation. La banque s'en est tenue strictement aux conditions fixées par la convention pour la réalisation des garanties fournies par les actionnaires originaires. Périodiquement, elle a établi une situation faisant apparaître des "pertes définitives", qu'elle passait au débit du compte des actionnaires. Il est constant qu'en décembre 1961, toutes les créances compromises visées par la convention de 1956 étaient soit rentrées, soit payées au moyen des garanties fournies par les actionnaires originaires et ce, sur l'exigence de la banque, qui a fait valoir pour ses pertes sa prétention à l'égard des anciens actionnaires. Aucune réserve n'a été exprimée par la banque, donnant à penser qu'elle se serait engagée à rétrocéder aux garants le produit du présent procès. Ce règlement des garanties est définitif, quand bien même lors de ce règlement final, en décembre 1961, le présent procès était déjà en cours. Ces constatations sont renforcées par l'attitude et l'argumentation de la banque en procédure, selon les constatations de la cour cantonale. Sans doute, dans son acte d'appel à la Cour de justice de Genève, la demanderesse a-t-elle allégué qu'elle devait, après avoir encaissé les sommes que lui devait Ferron, régler compte avec les anciens actionnaires. Mais cette déclaration isolée, qui contredit toute son attitude au cours des trois instances et qui n'a d'ailleurs pas la valeur d'un engagement juridique, ne trouve aucun écho dans les écritures ultérieures. Toute l'argumentation juridique de la demanderesse devant la Cour de justice tend à justifier son droit à obtenir réparation des défendeurs sans que le juge ait à se préoccuper des paiements des actionnaires originaires, qu'elle soutient avoir été faits "causa donandi". C'est la même argumentation que la recourante a développée dans l'instance fédérale, déclarant qu'elle n'a pas à rendre compte aux défendeurs de l'emploi qu'elle fera de l'indemnité à laquelle elle prétend. BGE 95 II 320 S. 327 En conclusion, le texte de la convention, la façon dont cette convention a été exécutée, l'attitude et l'argumentation de la demanderesse et recourante, tous ces éléments établissent que la banque a définitivement réglé compte avec les actionnaires originaires, qu'ainsi la perte subie dans ces six affaires en cause est totalement couverte par l'intervention des actionnaires originaires. Aussi bien, l'action en responsabilité contre l'administrateur Ferron n'a plus d'objet. Seuls pourraient être habilités à l'exercer les actionnaires signataires de la convention, faisant valoir l'action récursoire instituée par l'art. 51 CO. Selon les constatations de l'arrêt déféré, ils ont renoncé à cette action. Cela ne justifie pas que la banque prétende l'exercer à son profit. IV.1. Selon la jurisprudence, approuvée par la doctrine (RO 65 II 15; BüRGI, n. 78 ad art. 698 CO et les références de doctrine contenues dans cette note), la décharge est une décision de la société ayant le caractère d'une "reconnaissance de dette négative", constatant l'absence de prétention de la société contre les administrateurs en raison de leur gestion pendant l'exercice considéré. Elle peut également avoir le caractère de renonciation de la société à faire valoir une prétention, éventuelle ou effective, contre les administrateurs (BüRGI, loc.cit.). Il est parfaitement concevable qu'une assemblée, pour des raisons d'opportunité ou en considération de services antérieurs, renonce délibérément à une action. La loi ne fixe aucune condition particulière à la validité de la décharge, elle n'en limite les effets qu'en ce qui concerne l'action exercée par un actionnaire (art. 757 CO). Aussi bien, en droit strict, la décision de décharge, comme tout acte juridique, devrait-elle produire les effets que comporte la déclaration, à moins qu'elle ait été donnée sous l'empire d'un dol, d'une erreur essentielle ou de la contrainte, dont il incomberait à la partie qui se prévaut d'un tel vice de la volonté de l'établir. Un retrait de la déclaration de décharge ne saurait être admis pour d'autres motifs, même s'il était établi que la prétention en responsabilité supposée inexistante existe réellement, soit en cas de simple erreur sur les motifs (cf. RO 65 II 15 s.). La tendance actuelle est toutefois de limiter la portée de la décharge. Cette tendance s'est manifestée principalement en BGE 95 II 320 S. 328 droit allemand; le § 84 al. 4 de l'Aktiengesetz de 1937 prohibant en principe toute renonciation à l'action en responsabilité avant l'expiration d'un délai de cinq ans dès la naissance de la prétention, la décharge perdait pour ainsi dire toute portée, sauf toutefois dans le cas où elle était donnée par l'ensemble des actionnaires. Dans cette hypothèse en effet, la pratique jugeait inapplicable le § 84, édicté pour protéger les minorités (BGHZ 29 p. 390). Mais la nouvelle loi allemande, l'Aktiengesetz du 6 septembre 1965, dispose expressément, à son § 120 al. 2, que la décharge n'emporte aucune renonciation à des prétentions en dommages-intérêts. En droit suisse, le Tribunal fédéral, dans l'arrêt Volksbank Reiden c. Kunz (RO 65 II 2), a fortement restreint la portée de la décharge: il rejette comme trop défavorable aux actionnaires le critère de la diligence d'un homme d'affaires ordinaire; il exige que l'assemblée ne soit pas seulement informée d'une affaire, mais qu'elle connaisse la portée de cette affaire sur la question de responsabilités; enfin et surtout, il limite la décharge aux seuls faits dont l'assemblée générale a eu connaissance d'après les documents qui lui ont été soumis et les communications qui lui ont été adressées, tandis que les faits dont certains actionnaires ont pu avoir connaissance à titre particulier ne jouent aucun rôle. IV.2. Il faut considérer toutefois qu'en droit suisse, la décharge est instituée par la loi, qui n'en limite nullement la portée en la soumettant, comme le fait la loi allemande, à une réglementation dérogeant au droit commun. Notre loi confère expressément aux actionnaires la faculté de renoncer définitivement à l'action en responsabilité et cela sans attendre l'expiration du délai de prescription. Bien loin d'être inopérante ex lege quant à l'exercice de l'action en responsabilité, la décharge a précisément pour objet et pour effet de "décharger" les administrateurs, de renoncer à l'action. Aucune règle légale ne permet de restreindre l'effet de cette déclaration de volonté. Il n'y a juridiquement aucune raison de soustraire à la règle commune une déclaration de volonté pour le motif qu'elle est collective et non pas individuelle. La déclaration de décharge est un acte juridique comme un autre, qui doit être interprété et apprécié comme toute autre déclaration de volonté. IV.3. Selon le principe dit de la confiance, la déclaration de volonté doit être comprise dans le sens que de bonne foi son BGE 95 II 320 S. 329 destinataire peut lui donner raisonnablement (RO 69 II 322; 80 II 31 ; 81 II 363 ; 82 II 453 ; 87 II 95 ; 92 II 348 ; 93 II 482 ). Du fait que la décharge est donnée à l'administration, sur la base d'informations et de communications émanant de l'administration, au cours d'une assemblée à laquelle l'administration assiste, les destinataires de la déclaration, soit les administrateurs, sont parfaitement renseignés sur les conditions dans lesquelles la décharge est donnée, et notamment sur l'information dont dispose l'assemblée. Aussi bien doit-on poser des exigences strictes quant à la portée que les administrateurs peuvent raisonnablement prêter, de bonne foi, àune déclaration de décharge. Notamment ils ne peuvent de bonne foi attribuer à une telle déclaration la portée d'une "reconnaissance de dette négative", s'agissant de leur responsabilité, pour des faits ignorés de l'assemblée. Aussi bien l'administration ne saurait-elle invoquer la décharge que pour les faits qui ont été portés à la connaissance de l'assemblée et qui lui ont été exposés d'une façon claire et complète. Telle est l'exigence essentielle posée par une jurisprudence constante (RO 14 p. 704; 18 p. 607; 34 II 502 ; 65 II 14 ). Quant à restreindre la décharge aux seuls faits dont l'assemblée générale a eu connaissance comme telle par les rapports et communications qui lui ont été présentés, en faisant abstraction des faits dont les actionnaires ont pu avoir connaissance par ailleurs (RO 65 II 7 ss.), on ne saurait voir là une règle absolue (cf. BÜRGI, n. 109 ad art. 698 CO; F. v. STEIGER, Schw. AG 15 p. 7; Cour d'appel de Berne, RJB 70 p. 392, consid. 6 p. 402; Tribunal de commerce de Zurich, ZR 52 (1953) no 93). Sans doute, comme le pose déjà l'arrêt Canton de Soleure c. Kaiser (RO 14 p. 704), faut-il en principe se référer aux rapports et communications faits à l'assemblée comme telle pour apprécier la portée de la décharge. Des motifs de sécurité juridique, de sûreté et de facilité dans l'administration des preuves ont été justement invoqués (RO 65 II 7 ss.). Mais il est excessif de vouloir, pour des motifs de sécurité juridique, s'en tenir toujours aux seuls documents et communications présentés à l'assemblée. Même dans les sociétés composées d'un grand nombre d'actionnaires, il se peut que la généralité des actionnaires ait connaissance de certains faits que des publications dans la presse ou des débats parlementaires ont rendus notoires. L'arrêt Canton de Soleure c. Niggli et consorts BGE 95 II 320 S. 330 (RO 18 p. 607/608) en donne un bon exemple et le Tribunal fédéral dans cette affaire a reconnu pleine validité à une décharge, bien que les éléments justifiant l'action en responsabilité ne ressortent pas des rapports à l'assemblée; en revanche, ils étaient notoires et l'Etat, principalactionnaire, les connaissait. Et si cela est vrai dans certains cas, exceptionnels certes, pour des grandes sociétés, cela sera fréquent dans des petites sociétés réunissant quelques actionnaires ou des sociétés de famille. Là où un nombre restreint d'actionnaires suit de près les affaires de la société, est tenu au courant par les administrateurs sans protocole, il n'est point besoin de rapports circonstanciés à l'assemblée générale et les décisions de cette assemblée, sur la décharge notamment, n'en sont pas moins fondées sur une connaissance réelle des affaires de la société. Les arrêts cantonaux cités ci-dessus illustrent la nécessité où se trouve le juge de tenir compte de la connaissance effective des actionnaires, quelle qu'en soit la source. Rien dans la loi n'autorise l'exigence de forme dégagée par l'arrêt Volksbank Reiden. Sans doute en principe l'assemblée générale prend-elle ses décisions sur le vu des communications de l'administration. Mais rien n'empêche que l'actionnaire prenne en considération des faits extrinsèques à ces communications. Et si de tels faits sont notoires ou connus de tous les actionnaires, il y a là une réalité dont on ne peut faire abstraction pour apprécier la portée des décisions de l'assemblée. Il est également concevable que les actionnaires, inaptes à prendre une décision qui requiert une étude par une personne compétente, s'en remettent à un administrateur, un contrôleur ou un tiers et décident sur l'avis de cette personne, avis qui pourra n'être pas motivé ou ne l'être que sommairement. En conclusion, la décharge n'est opérante que dans la mesure où les administrateurs peuvent raisonnablement et de bonne foi la comprendre comme l'avis d'une assemblée informée. Elle est sans portée s'agissant de faits ignorés des actionnaires. En règle générale, c'est aux rapports et aux communications adressés à l'assemblée qu'il convient de se référer pour dire dans quelle mesure l'assemblée est renseignée. Mais il est loisible aux administrateurs qui invoquent la décharge d'établir que tous les actionnaires qui ont voté la décharge - et non certains d'entre eux seulement - étaient renseignés par d'autres voies que les communications à l'assemblée. BGE 95 II 320 S. 331 IV.4. En l'espèce, la décharge donnée lors de l'assemblée du 17 juin 1957 vise en tous les cas l'affaire Onsa. Cette assemblée s'est en effet prononcée sur la gestion de l'exercice allant du 1er juillet 1955 au 31 décembre 1956. Or si les engagements de la banque dans l'affaire Onsa, et partant les actes des administrateurs pouvant engager leur responsabilité, remontent bien à février 1955, ce n'est que dès le 15 juillet 1955 que les premières difficultés sont apparues. La décharge donnée à l'assemblée du 23 septembre 1955 pour l'exercice clos au 30 juin 1955, décision prise sur le vu de rapports établis en août 1955 déjà, ne pouvait viser cette affaire, malgré ce qu'admet la cour cantonale. Il est constant que le nouvel administrateur Hottinger, nommé à fin 1955, s'est mis "incontinent à l'étude de la responsabilité encourue par la précédente administration", qu'il a examiné le cas Onsa et qu'il a affirmé en juin 1957 qu'il n'y avait pas de responsabilité encourue par l'administration à propos de cette affaire. La décision de l'assemblée générale a été prise ensuite d'un rapport présenté par Hottinger, déclarant qu'il avait été à même de déterminer nommément les affaires à propos desquelles l'assemblée ne pourrait pas donner décharge. Il s'est dit en mesure d'affirmer sous sa responsabilité qu'il n'y avait pas d'autres dossiers dans lesquels des problèmes touchant à la responsabilité personnelle des anciens administrateurs puissent se poser. Le rapport du conseil à l'assemblée recommande aux actionnaires de donner décharge sous réserve de cinq affaires, nommément désignées, toutes comprises dans les affaires pour lesquelles le groupe des actionnaires originaires avait donné sa garantie par la convention du 29 décembre 1956. Il ressort de ces constatations que, dans l'impossibilité d'examiner eux-mêmes cas par cas les affaires traitées par l'ancienne administration, les actionnaires s'en sont remis au nouvel administrateur, qui a procédé à cet examen. Ils ont adopté les conclusions de cette étude, confiants dans l'avis qui leur était donné. Dans la situation où se trouvait la société, c'était une façon judicieuse et efficace de traiter l'affaire. Il ne faut pas, par une pratique trop schématique, contester la portée d'une décharge donnée par des actionnaires qui étaient parfaitement conscients de ce qu'ils faisaient et s'en sont remis à l'avis d'une personne qui avait leur confiance. Sans doute cette personne était-elle BGE 95 II 320 S. 332 administrateur. Mais pour les affaires envisagées, toutes antérieures à son entrée en fonctions, Hottinger n'avait pas d'intérêt à la décharge, qui ne le concernait pas. La loi n'oblige pas chaque actionnaire à se faire une conviction personnelle, ce qui est d'ailleurs le plus souvent un leurre. Rien n'empêche les actionnaires de s'en remettre à l'avis de l'un d'eux, chargé d'examiner l'affaire. Aussi bien, tant qu'une erreur n'est pas établie - et la recourante ne le soutient pas -, cette décharge est opérante. 5. - Quant à l'affaire Kaapse, la cour cantonale pose en fait qu'elle est visée par la décharge donnée à l'assemblée générale du 23 septembre 1955, décharge renouvelée par l'assemblée du 17 juin 1957, constatation que la recourante ne discute pas. Dès lors les défendeurs peuvent se prévaloir pour cette affaire également de la décharge votée à l'assemblée du 17 juin 1957. D'ailleurs, au cas où cette affaire n'aurait pas été revue lors de l'assemblée de 1957, elle serait couverte par la décharge donnée à l'assemblée du 23 septembre 1955, qui est également opérante. Il est en effet constant que, lors du vote de décharge à cette assemblée, les actionnaires de la société étaient ceux qui se sont engagés par la convention du 29 décembre 1956. Ces actionnaires étaient parfaitement au courant des affaires de la banque. La cour cantonale constate qu'ils n'ignoraient pas alors le rôle joué par Schwarm et sa société Warmex, l'imbrication de leurs intérêts réciproques étant manifeste. Elle constate que la décharge a été donnée par des actionnaires sachant à quoi s'en tenir et décidés à passer outre. Il faut relever d'ailleurs que la décharge a été refusée à l'administrateur Cohen, qui, selon ce que constate la Cour de justice, a signé la lettre de crédit à l'origine de la perte. La responsabilité de Ferron pour cet engagement est litigieuse, elle dépend du point de savoir s'il a eu connaissance de cet engagement à l'époque où Cohen l'a assumé. Une assemblée qui accorde la décharge à un administrateur et la refuse à l'autre doit être réputée avoir ses raisons, ce qui suppose que les manquements de la gestion en cause et le problème des responsabilités ne lui ont pas échappé. De toute façon, la cour cantonale constatant que la totalité des actionnaires ont pris la décision en sachant à quoi s'en tenir, la décharge doit être considérée comme opérante, ce d'autant BGE 95 II 320 S. 333 plus que ces quatre actionnaires sont des hommes rompus aux affaires. Dès lors, la ou les décharges données par l'assemblée générale ont libéré Ferron de sa responsabilité éventuelle pour l'affaire Kaapse également. Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: Rejette le recours et confirme l'arrêt rendu le 20 juin 1969 par la Deuxième Chambre de la Cour de justice du canton de Genève.
public_law
nan
fr
1,969
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
Federation
0128c815-7ae9-4d6a-8578-53a481b5e621
Urteilskopf 118 IV 213 38. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 9. Juli 1992 i.S. H. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zug (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste Art. 42 Ziff. 1 StGB ; Verwahrung, Verhältnismässigkeit. Bei der Verwahrung ist in bezug auf die Anlasstat und die zu erwartenden Delikte der Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu beachten: Eine Verwahrung ist umso zurückhaltender anzuordnen, je geringer die zu erwartenden Straftaten sind; auch im Falle von mittelschweren Anlasstaten kann auf eine Verwahrung verzichtet werden.
Sachverhalt ab Seite 213 BGE 118 IV 213 S. 213 A.- Der österreichische Staatsangehörige H. wurde durch das Bezirksgericht Unterrheintal am 8. Juni 1977 auf Lebenszeit des BGE 118 IV 213 S. 214 Landes verwiesen. Nachdem er danach dennoch in der Schweiz wiederholt straffällig geworden war, wurde er durch das Bezirksgericht Werdenberg am 27. November 1986 erstmals als Gewohnheitsverbrecher verwahrt. Am 15. Juli 1989 wurde er bedingt aus der Verwahrung entlassen, unter Ansetzung einer Probezeit von drei Jahren. Trotz erneuter Straffälligkeit wurde zweimal auf eine Rückversetzung verzichtet (18.1.1990 und 10.5.1990). Am 19. Oktober 1990 reiste H. erneut in die Schweiz ein. Gleichentags drang er in das Einfamilienhaus der evangelisch-reformierten Kirchgemeinde des Kantons Zug in Zug ein und entwendete Fr. 100.--, Manschettenknöpfe im Wert von Fr. 150.-- und zwei paar Handschuhe. Am 21. Oktober 1990 brach er unmittelbar hintereinander in die Büroräumlichkeiten der Firmen Baur AG und Varga AG in Rotkreuz ein, wobei er am ersten Ort Hartgeld im Werte von ca. Fr. 60.-- bis Fr. 70.-- mitnahm. In der Nacht vom 22. auf den 23. Oktober 1990 drang er schliesslich in das Fabrikgebäude der Firma Wetra/Trachsel AG in Weite/SG ein, wo eine Fotofalle Alarm auslöste, was H. zur Flucht zwang. Bei den Einbrüchen entstand Sachschaden von rund Fr. 1'700.--. Am 24. Oktober 1990 wurde H. in Lausanne durch die Polizei angehalten. H. wurde seit 1976 in der Schweiz insgesamt elfmal wegen Verbrechen und Vergehen, davon achtmal wegen Diebstahls oder gewerbsmässigen Diebstahls verurteilt. B.- Am 19. Juli 1991 sprach das Strafgericht des Kantons Zug H. des gewerbsmässigen Diebstahls, der wiederholten Sachbeschädigung, des wiederholten Hausfriedensbruchs sowie des Verweisungsbruchs schuldig und bestrafte ihn mit neun Monaten Gefängnis (unter Anrechnung der Untersuchungshaft und des vorzeitigen Strafvollzuges); anstelle des Vollzuges der Freiheitsstrafe wurde gestützt auf Art. 42 Ziff. 1 StGB die Verwahrung angeordnet. Am 8. April 1992 wies das Strafobergericht des Kantons Zug die Berufung von H. ab und bestätigte das Urteil des Strafgerichts. C.- Gegen dieses Urteil wendet sich H. mit staatsrechtlicher Beschwerde und Nichtigkeitsbeschwerde ans Bundesgericht. Die Nichtigkeitsbeschwerde richtet sich insbesondere gegen die angeordnete Verwahrung. In diesem Punkt beantragt er Aufhebung des angefochtenen Urteils und Entlassung aus der Strafanstalt. Im weitern beansprucht er für die zuviel verbüssten Tage in der Strafanstalt eine Haftentschädigung. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zug beantragt, die Nichtigkeitsbeschwerde abzuweisen. BGE 118 IV 213 S. 215 Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. a) Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe bei der Prüfung der Voraussetzungen von Art. 42 StGB nicht die Schwere der Einzeltaten, sondern die Vielzahl der Taten berücksichtigt und damit das Verhältnismässigkeitsprinzip und Art. 42 StGB verletzt. b) Ausgangspunkt bildete für die Vorinstanz die Frage, ob mit konkreten resozialisierenden Massnahmen eine Fortsetzung der seit rund 25 Jahren andauernden Einbruchserie des Beschwerdeführers abgewendet werden könnte. Auch wenn seine Einzeltaten, bei denen der durch Einbruch angerichtete Sachschaden den Wert des Diebesgutes vielfach überstiegen habe, wirtschaftlich nicht als gravierend beurteilt werden müsse, sei angesichts der Häufung der Delikte auch gegenüber einem solchen Täter, der sich zudem seit Jahren immer wieder der Landesverweisung widersetze, der geltenden Rechtsordnung Nachachtung zu verschaffen. Das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers gründe offensichtlich auf der durch seine soziale Entwurzelung beruhenden oder ihm dadurch aufgenötigten Einstellung, seinen Lebensunterhalt deliktisch zu bestreiten. Sein Vorleben lasse ihn mit Blick auf die Zahl der Einzeldelikte und früheren Verurteilungen wegen immer gleicher Straftaten im Zusammenhang mit Einbrüchen ohne weiteres als "Gewohnheitstäter" erscheinen. Eine Besserung sei auch nach der Vielzahl der vollzogenen Freiheitsstrafen nicht eingetreten. Eine erneute schuldangemessene Gefängnisstrafe allein vermöchte den Beschwerdeführer nicht nachhaltig von neuen Straftaten abzuhalten. c) Die Verwahrung gemäss Art. 42 StGB setzt unter anderem voraus, dass ein Täter schon zahlreiche Verbrechen oder Vergehen vorsätzlich verübt hat und ihm deswegen durch Zuchthaus- oder Gefängnisstrafen oder eine Arbeitserziehungsmassnahme oder eine Verwahrung als Gewohnheitsverbrecher die Freiheit während insgesamt mindestens zwei Jahren entzogen wurde; ferner, dass er innert fünf Jahren seit der endgültigen Entlassung ein neues vorsätzliches Verbrechen oder Vergehen, das seinen Hang zu Verbrechen oder Vergehen bekundet, begeht (Ziff. 1 Abs. 1). aa) Dieser Bestimmung lässt sich nichts über die Schwere sowohl der Anlasstat als auch früher begangener und in Zukunft zu erwartender Delikte entnehmen. Hatte das Bundesgericht in seiner älteren Praxis dieser Frage noch keine nähere Beachtung geschenkt (vgl. BGE 73 IV 223 ; insbesondere zur Schwere der früheren Delikte BGE 70 IV 58 und BGE 101 IV 269 ), so hielt es in BGE 102 IV 14 fest, BGE 118 IV 213 S. 216 die Schwere der früheren und neuen Delikte sei nicht völlig bedeutungslos. Denn seien die in Art. 42 Ziff. 1 Abs. 1 StGB erwähnten Voraussetzungen gegeben, so "könne" der Richter die Verwahrung anordnen. Demnach gelte entsprechend dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit, dass je geringfügiger die zu erwartenden Straftaten seien, desto zurückhaltender die Anordnung einer Verwahrung erfolgen müsse. In Fortführung dieser Rechtsprechung hielt der Kassationshof in seinem Urteil vom 27. September 1991 i.S. G. fest, es treffe zwar zu, dass bei Übertretungen und Bagatelldelikten eine Verwahrung nicht angeordnet werden könne. Dies heisse aber nicht, dass sie bei mittelschweren Delikten, die insbesondere keine Übertretungen mehr darstellten, verfügt werden müsse. Es sei insbesondere auch im Falle von mittelschweren Delikten auf die Anordnung einer Sicherungsverwahrung zu verzichten, wenn sie unverhältnismässig wäre. bb) Die Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit bei der Verwahrung wird in der Literatur weitgehend begrüsst. STRATENWERTH (Schweiz. Strafrecht, Allg. Teil II, § 10 N 28 , insbesondere N 31, und § 9 N 25 ) hält dazu fest, dass die Verwahrung überhaupt erst dort in Betracht gezogen werden dürfe, wo die vom Täter zu befürchtenden Delikte eine bestimmte Mindestschwere erreichten. Was bleibe, sei die Schwierigkeit, die erforderliche Mindestschwere möglicher weiterer Delikte exakter zu umschreiben. Die Zäsur müsse im breiten Mittelfeld der Delinquenz erfolgen: Straftaten, die für sich genommen, Freiheitsstrafe von nicht mehr als einigen Monaten rechtfertigen würden, genügten in keinem Falle, auch bei häufiger Begehung nicht. Erst wo die Grenze von einem oder gar anderthalb Jahren Freiheitsstrafe überschritten werde, könne die Verwahrung allenfalls als verhältnismässig erscheinen, weshalb BGE 102 IV 14 im Ergebnis verfehlt sei. Für SCHULTZ (Einführung in den allgemeinen Teil des Strafrechts, 2. Band, 4. Auflage, S. 135) bedeutet der Grundsatz der Verhältnismässigkeit, dass eine sichernde Massnahme nur dann angeordnet werden darf, wenn sie der Art und Schwere der vom Täter begangenen Tat und der von ihm zu erwartenden Delikte sowie der Höhe der Wahrscheinlichkeit neuer Straftaten entspricht (vgl. auch seine Zustimmung zum Verhältnismässigkeitsprinzip S. 195). Auch er hält deshalb BGE 102 IV 14 im Ergebnis für problematisch (ZBJV 1977, 113, S. 526/527; vgl. auch seine Kritik an einem Urteil der II. Strafkammer des Kantons Bern vom 12. November 1963, die wegen eines Diebstahls eines schwer vorbestraften Angeschuldigten im Deliktsbetrag von Fr. 166.-- eine BGE 118 IV 213 S. 217 Verwahrung anordnete, in ZBJV 1973, 109, S. 126/127). ALBRECHT (Die allgemeinen Voraussetzungen zur Anordnung freiheitsentziehender Massnahmen gegenüber erwachsenen Delinquenten, Basel/Frankfurt 1981, S. 55/56) will dem Verhältnismässigkeitsprinzip insofern Rechnung tragen, als eine freiheitsentziehende Massnahme stets auszuschliessen sei, falls lediglich Übertretungen begangen wurden; dasselbe müsse für Verbrechen oder Vergehen gelten, soweit sie im konkreten Fall mit einer Freiheitsstrafe von höchstens drei Monaten geahndet würden. - Die Berücksichtigung des Verhältnismässigkeitsprinzipes bei der Anlasstat befürwortet - ohne nähere Begründung - auch TRECHSEL (Kurzkommentar StGB, Art. 42 N 6 ); ebenso offenbar auch HOFMANN (Die Verwahrung nach Art. 42 StGB , insbesondere in der Praxis der Ostschweizer Konkordatskantone, Diss. Zürich 1985, insbesondere S. 119). Einzig REHBERG (Fragen bei der Anordnung und Aufhebung sichernder Massnahmen nach Art. 42 bis 44 StGB, ZStrR 93, 1976, S. 218/19) vertrat unter Berufung auf den Gesetzgeber (kritisch dazu STRATENWERTH, a.a.O., § 9 N 25 und § 10 N 30 ) die Auffassung, dass es sich beim Anordnungsdelikt und bei den künftig zu befürchtenden Delikten um geringfügige Taten handeln könne; heute scheint er indessen einer Berücksichtigung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes nicht mehr zu opponieren (Grundriss Strafrecht II, 5. Auflage, Zürich 1989, S. 105; vgl. auch HAUSER/REHBERG, Textausgabe StGB, 12. Auflage S. 70). cc) Aus dem vom Bundesgericht in bezug auf die Anlasstat und die zu erwartenden Delikte angewandten und von der Lehre befürworteten Grundsatz der Verhältnismässigkeit folgt nach dem Gesagten, dass die Anordnung einer Verwahrung umso zurückhaltender zu erfolgen hat, je geringer die zu erwartenden Straftaten sind, und dass auch im Falle von mittelschweren Delikten auf die Anordnung einer Sicherungsverwahrung unter Umständen verzichtet werden kann. d) Im Lichte dieser Ausführungen ist im vorliegenden Fall folgenden Gesichtspunkten Rechnung zu tragen: aa) Was die früher begangenen Delikte anbelangt, so ist nicht zu verkennen, dass der Beschwerdeführer allein in der Schweiz zwischen 1976 und 1990 elfmal verurteilt werden musste; dies vorwiegend wegen spezifischer Einbruchsdelikte (Diebstahl, Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung), sowie wegen Verweisungsbrüchen. Es wurden dabei Strafen zwischen fünf Tagen und 22 Monaten Gefängnis ausgefällt. Hinzu kommen mehrere Verurteilungen wegen Vermögensdelikten im Ausland. Das Bezirksgericht BGE 118 IV 213 S. 218 Werdenberg sprach denn auch am 17. November 1986 gegen den Beschwerdeführer die erste Verwahrung aus. Es erkannte auf eine Grundstrafe von 14 Monaten Gefängnis und ging dabei bei acht Einbruchdiebstählen von einer Deliktsumme von ca. Fr. 5'000.-- und von einem Sachschaden im Werte von Fr. 5'500.-- aus. bb) Indessen ist nach dem Gesagten bei der Prüfung der Verhältnismässigkeit auch die Schwere der Anlasstat zu berücksichtigen. Zwar wendet sich der Beschwerdeführer einzig gegen die Anordnung der Verwahrung. In diesem Zusammenhang ist aber - und zwar von Amtes wegen (iura novit curia) - zu prüfen, ob die neuen Delikte rechtlich zutreffend gewürdigt worden sind. Im vorliegenden Fall umfassen die eigentlichen Anlasstaten drei oder vier Einbrüche zwischen dem 19. und 23. Oktober 1990, bei denen der Beschwerdeführer den Betrag von Fr. 160.-- sowie Manschetten im Werte von Fr. 150.-- und zwei Paar Handschuhe behändigte; dabei entstand ein Sachschaden von Fr. 1'700.--. Wie schon das Strafgericht ging auch die Vorinstanz davon aus, dass der Beschwerdeführer des gewerbsmässigen Diebstahls im Sinne von Art. 137 Ziff. 1bis StGB schuldig und daher eine Strafe von neun Monaten Gefängnis angemessen sei; auch sie ordnete anstelle des Vollzugs der Freiheitsstrafe eine Verwahrung an. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichts ( BGE 116 IV 319 ) können die erwähnten Anlasstaten indessen nicht als gewerbsmässig begangen bezeichnet werden, womit sich die ausgefällte Strafe klar als zu hoch erweist. Da die in Frage stehenden Delikte darüber hinaus als geringfügig zu bezeichnen sind, erscheint die Anordnung einer Sicherungsverwahrung im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung als offensichtlich unverhältnismässig. Der angefochtene Entscheid ist daher aufzuheben.
null
nan
de
1,992
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
0129e13e-a5fb-4a08-a3db-08050aaf4381
Urteilskopf 94 I 523 73. Arrêt du 6 novembre 1968 dans la cause P. contre Tribunal d'accusation du canton de Vaud.
Regeste Art. 4 BV . Überspitzter Formalismus. Eine kantonale Rechtsmittelinstanz verfällt in überspitzten Formalismus und verletzt Art. 4 BV , wenn sie auf eine Rechtsmitteleingabe, die von einem Anwalt verfasst und der keine Vollmacht seines Klienten beigelegt war, nicht eintritt, obwohl das Gesetz diese Rechtsfolge nicht ausdrücklich vorsieht und der Mangel leicht behoben werden konnte.
Sachverhalt ab Seite 524 BGE 94 I 523 S. 524 A.- Par ordonnance du 4 mars 1968, le juge informateur a renvoyé P., domicilié à Genève, devant le Tribunal de police correctionnelle de Nyon pour homicide par négligence et violation grave d'une règle de la circulation. P. a recouru en temps utile contre cette décision auprès du Tribunal cantonal du canton de Vaud. L'acte de recours a été rédigé par Me B., de Genève, lequel avait été autorisé à assister P. devant les autorités pénales vaudoises, par décision du Tribunal cantonal du 12 janvier 1968. Le recours fut déclaré irrecevable, Me B. n'ayant pas joint au recours une procuration de son client, ni produit une telle pièce dans les cinq jours qui suivent, comme le prévoit l'art. 268 al. 5 CPP. B.- Agissant par la voie du recours de droit public, P. requiert le Tribunal fédéral d'annuler la décision du Tribunal cantonal et de renvoyer la cause à ce dernier pour qu'il statue au fonds après avoir invité le mandataire du recourant à lui fournir une procuration écrite dans un bref délai. Il reproche à l'autorité d'avoir commis un déni de justice formel en faisant preuve d'un formalisme excessif. C.- Le Tribunal cantonal déclare se référer aux considérants de l'arrêt. Le Ministère public conclut à l'admission du recours. Erwägungen Considérant en droit: Le Tribunal fédéral a jugé à plusieurs reprises qu'un formalisme excessif, qui n'est pas justifié par la protection d'un intérêt digne de considération ou qui complique d'une manière insoutenable l'application du droit matériel, équivaut à un déni de de justice formel condamné par l'art. 4 Cst. (RO 92 I 11 et 16 et les arrêts cités). Il va de soi que l'exigence d'une procuration écrite à déposer à l'appui du recours est parfaitement justifiée; elle permet à l'autorité saisie de s'assurer que le mandataire agit bien conformément à la volonté de son mandant et qu'il n'entreprend pas de son propre gré, sans l'accord de son client, des démarches qui peuvent être onéreuses pour ce dernier. Qu'une autorité refuse de statuer lorsqu'une telle procuration n'a pas été produite, cela peut également se justifier, en particulier lorsque le mandataire BGE 94 I 523 S. 525 a été expressément requis de la déposer dans un certain délai. En revanche, selon la jurisprudence relative à l'art. 4 Cst., l'autorité qui constate une informalité propre à entraîner l'irrecevabilité d'un recours doit en informer le justiciable si cette informalité peut encore être valablement corrigée (RO 92 I 17). On pouvait attendre de l'autorité de recours que, constatant l'absence de procuration lors de la réception du recours, elle en informe le mandataire par un simple avis écrit ou téléphonique, la procuration pouvant encore être produite dans les cinq jours dès la fin du délai de recours. Une telle manière de faire se justifiait d'autant plus qu'en l'espèce le mandataire, domicilié hors du canton, pouvait fort bien ignorer la rigueur de la jurisprudence vaudoise et penser que l'autorisation d'assister son client devant les autorités pénales vaudoises, accordée par l'autorité même à laquelle il adressait son recours, pouvait le dispenser de produire une telle procuration. Pas plus que dans l'arrêt Schreyer du 16 février 1966 (RO 92 I 13 consid. 2 in fine), la sanction de l'irrecevabilité n'est prévue ici par la loi elle-même. Elle est au surplus, par sa gravité, nettement disproportionnée à l'omission reprochée au mandataire du recourant. Ainsi la décision attaquée fait preuve d'un formalisme excessif que rien ne justifie. Elle doit être dès lors annulée.
public_law
nan
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1,968
CH_BGE
CH_BGE_001
CH
Federation
012aaab8-0e12-4d5d-b5e8-989de6af9b91
Urteilskopf 101 IV 132 35. Arrêt de la Cour de cassation pénale du 23 mai 1975 dans la cause D. contre Procureur général du canton de Genève
Regeste Art. 50 StGB . Aus Gewinnsucht im Sinne der Rechtsprechung handelt derjenige, dessen Einkommensquelle ausschliesslich aus Dirnenlohn besteht (E. 2). Art. 273 Abs. 1 lit. b ; 277 BStP . Ist die angefochtene Entscheidung ungenügend begründet, wird sie von Amtes wegen nur insoweit aufgehoben, als eine Verletzung von Bundesrecht in einer Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP entsprechenden Form gerügt wird (E. 3b).
Sachverhalt ab Seite 132 BGE 101 IV 132 S. 132 A.- Le 18 mai 1971, dame Odette D., épouse d'Albert-Roger, a été arrêtée sous la prévention de proxénétisme. Elle s'adonnait également à la prostitution. Depuis le 4 décembre BGE 101 IV 132 S. 133 1970 au plus tard et jusqu'à l'arrestation de son épouse, D., qui connaissait l'activité de sa femme, s'est fait régulièrement entretenir par elle sur le produit de cette activité tant de prostituée que de proxénète. D., qui vivait alors en Espagne, tandis que son épouse vivait à Genève, a reçu ainsi plusieurs milliers de francs; il ne vivait que des virements de fonds en provenance de Genève, effectués par ou sur l'ordre de sa femme; il n'a jamais eu d'activité lucrative propre en Espagne; il laissait également sa femme payer, sur le produit de ses activités, des frais d'hôtel, de restaurant et de réception le concernant. Tant ses dénégations en cours d'enquête, que les affirmations et renseignements selon lesquels il avait d'autres ressources et exerçait des activités lucratives en Espagne se sont révélés faux. B.- Le 10 octobre 1974, la Cour correctionnelle de Genève a reconnu D. coupable du crime de souteneur et elle a admis qu'il avait agi par cupidité. Elle l'a condamné à la peine de 24 mois d'emprisonnement, sous déduction de la détention préventive, ainsi qu'à une amende de 10'000 fr. Le 18 février 1975, la Cour de cassation du canton de Genève a rejeté le recours du condamné. C.- D. se pourvoit en nullité au Tribunal fédéral. Il conclut à l'annulation de l'arrêt attaqué et au renvoi de la cause à la juridiction cantonale. Le Procureur général de Genève propose de rejeter le pourvoi. Erwägungen Considérant en droit: 1. Le recourant invoque en premier lieu une fausse application de l'art. 201 CP. Il fait valoir que les faits, tels qu'ils ressortent de la question qui a été posée à la Cour correctionnelle, ne permettent pas de retenir qu'il se soit fait entretenir par sa femme ni qu'il ait exploité les gains de celle-ci. Ce grief ne résiste pas à l'examen. La Cour de cassation cantonale s'est bien référée aux faits ressortant de la question à laquelle la Cour correctionnelle a répondu, mais elle les a elle-même précisés et complétés. Or les faits qui lient la Cour de céans sont ceux qui ressortent de l'arrêt rendu par la Cour cantonale de dernière instance; dès lors, dans la mesure où le recourant ne se fonde pas sur ces faits-là, ses moyens sont dénués de pertinence. BGE 101 IV 132 S. 134 Sur la base de ces faits, desquels il ressort notamment que le recourant n'exerçait aucune activité lucrative et qu'il ne vivait que des versements de sa femme, on ne saurait contester qu'il se soit fait entretenir. En regard de la définition que la jurisprudence a donnée de l'entretien (RO 97 IV 29), on doit même admettre que l'on est en présence d'un cas d'école. Quant à l'élément d'exploitation du gain déshonnête de la prostituée, il est tout aussi évident. Le profit abusif, qui caractérise l'exploitation selon la jurisprudence (RO 97 IV 29; 88 IV 67 ), ressort nettement de l'ampleur de l'entretien dont a bénéficié le recourant, puisqu'il a porté sur cinq mois au moins et sur plusieurs milliers de francs. L'art. 201 CP a donc été appliqué correctement. 2. Le recourant fait valoir ensuite que l'existence d'un dessein de lucre n'a pas été constatée et qu'en conséquence l'art. 50 CP, en vertu duquel il s'est vu infliger une peine d'amende, n'était pas applicable. Là aussi, dans la mesure où le recourant ne fonde son argumentation que sur la façon dont la Cour correctionnelle a jugé, ses moyens sont irrecevables, de même que lorsqu'il critique la constatation de fait de la Cour de cassation cantonale selon laquelle les prestations de sa femme se sont élevées à plusieurs milliers de francs. C'est en effet uniquement sur la base des constatations de l'autorité cantonale qu'il convient de vérifier l'application de l'art. 50 CP. D'une manière générale, la jurisprudence a défini la cupidité, le dessein de lucre (Gewinnsucht), comme étant une recherche du lucre si intense qu'elle est devenue une passion (RO 89 IV 16 consid. 2a). Plus récemment, le Tribunal fédéral a précisé cette notion en élargissant le sens de la première définition. La cupidité suppose certes une recherche du lucre nettement plus caractérisée que le simple dessein d'enrichissement; elle ne saurait non plus être confondue avec le souci de l'intérêt personnel. Mais on doit qualifier de cupide l'auteur qui se montre particulièrement avide d'avantages financiers, qui, par exemple pour se procurer de l'argent, outrepasse habituellement ou sans scrupules les limites tracées par la loi, la bienséance ou les bonnes moeurs et qui n'hésite donc même pas à se procurer un gain illicite (RO 94 IV 100 et jurisprudence citée). Ainsi considère-t-on comme cupide l'auteur qui notamment, en raison de l'acte illicite qu'il commet, réclame BGE 101 IV 132 S. 135 des prestations plus élevées qu'il ne le ferait dans d'autres circonstances (RO 89 IV 21 No 5), ou qui recherche des avantages financiers qui ne pourraient être obtenus, du moins dans la même mesure, sans l'exercice de l'activité illicite (RO 98 IV 258 consid. 3; cf. RO 100 IV 264 consid. 1). Or il ne fait aucun doute que celui dont l'unique source de revenu est constituée par le gain d'une prostituée est un auteur qui agit par cupidité, au regard des critères qui précédent; il outrepasse en effet sans scrupules les limites tracées par la loi et obtient ainsi des avantages financiers qui ne pourraient être obtenus dans la même mesure sans l'exercice de cette activité illicite. Et lorsque, comme en l'espèce, l'activité parasite du souteneur s'exerce sur plusieurs mois et porte sur plusieurs milliers de francs, le fait de contester la cupidité est particulièrement téméraire. La nature du profit réalisé apparaît comme très semblable à celle du proxénète professionnel qui, par définition, agit par cupidité. C'est donc à juste titre que la cupidité a été retenue à l'encontre du recourant et qu'en application de l'art. 50 CP, une amende lui a été infligée. Il importe peu que cette application ait été sommairement motivée; ce qui est essentiel, c'est que cette application est parfaitement fondée sur la base des faits et au regard de la loi et de la jurisprudence. 3. a) Le recourant estime que le défaut de motivation quant à la peine qui lui a été infligée constitue une violation de l'art. 63 CP. Il fait valoir que le Tribunal fédéral doit pouvoir vérifier la correcte application du droit fédéral, et en particulier de l'art. 63 CP. Selon lui, le condamné est en droit de savoir si le juge a pris en considération les éléments mentionnés dans cette disposition de façon à être en mesure le cas échéant de contester son appréciation. Selon lui, l'absence de motivation constituerait en soi un vice justifiant l'annulation de l'arrêt attaqué, sans qu'il ait à démontrer que la peine est arbitraire ou excessive. b) L'obligation de motiver un jugement ressortit au droit de procédure cantonal et non au droit pénal fédéral, qui peut seul en principe donner matière à un pourvoi en nullité (cf. art. 269 PPF). C'est pourquoi l'art. 277 PPF, qui permet l'annulation d'office d'une décision entachée de vices tels qu'il est impossible de constater de quelle façon la loi pénale a été appliquée, est considéré comme impropre à fonder à lui seul BGE 101 IV 132 S. 136 un pourvoi en nullité (RO 89 IV 11 consid. 1). De ce fait, c'est à tort que le recourant estime que le plaideur pourrait se limiter à démontrer d'une manière générale l'insuffisance de la motivation de la décision attaquée. Il reste que la voie du pourvoi en nullité serait illusoire si l'autorité cantonale pouvait impunément, retranchée derrière le respect de sa règle de procédure, rendre des jugements tels que le Tribunal fédéral serait dans l'incapacité de déterminer s'ils sont fondés au regard du droit pénal fédéral. Dans cette hypothèse, l'arrêt attaqué sera donc annulé, mais pour autant seulement que le point litigieux ait été soulevé d'une façon suffisante au sens de l'art. 273 al. 1 lit. b PPF. Aux termes de cette disposition, il suffit que la règle de droit fédéral dont l'application est critiquée soit indiquée succinctement, de même que la nature de la violation. En l'occurrence, le recourant se réfère expressément à l'art. 63 CP et à la quotité de la peine qui lui a été infligée. Il accuse en outre la Cour cantonale de ne pas avoir pris en considération tous les éléments de décision énumérés à la disposition précitée. On ne saurait lui reprocher de ne pas avoir été plus précis, au vu des lacunes de l'arrêt attaqué. Les prescriptions de l'art. 273 PPF ont dès lors été respectées. Dans ces conditions, l'arrêt attaqué doit être annulé, dès lors que le Tribunal fédéral n'est pas en mesure de vérifier que l'art. 63 CP a été correctement appliqué. Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: Admet partiellement le pourvoi.
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012beff6-0d5a-480b-a333-0667541cff65
Urteilskopf 97 IV 70 18. Entscheid der Anklagekammer vom 8. Januar 1971 i.S. Frauenknecht gegen eidg. Untersuchungsrichter.
Regeste Art. 48 Abs. 1 Satz 2 BStP . Diese Bestimmung gestattet dem Untersuchungsrichter nicht, das Korrespondenzrecht eines Untersuchungsgefangenen, der ausschliesslich wegen Fluchtgefahr verhaftet ist, zu beschränken.
Sachverhalt ab Seite 70 BGE 97 IV 70 S. 70 A.- Frauenknecht wird des wirtschaftlichen Nachrichtendienstes und der Verletzung militärischer Geheimnisse beschuldigt und befindet sich seit 23. September 1969 in Basel in Haft. Am 3. Februar 1970 wurde er dem eidgenössischen Untersuchungsrichter BGE 97 IV 70 S. 71 zugeführt, der ihn wegen dringenden Fluchtverdachts in Haft behielt. Durch Beschwerde seines Verteidigers vom 22./23. Dezember 1970 stellt Frauenknecht das Begehren, es sei ihm zu gestatten, aus der Untersuchungshaft heraus beliebig viele Briefe auf privatem Papier zu versenden. Er begründet das Begehren unter anderem damit, er habe bis gegen Weihnachten viele Briefe schreiben und dazu auch immer privates Papier verwenden dürfen. Dann habe der Untersuchungsrichter angeordnet, dass er, Frauenknecht, wöchentlich nur noch zwei Briefe auf Gefängnispapier schreiben und versenden dürfe. B.- Der eidgenössische Untersuchungsrichter wurde am 28. Dezember 1970 zur Vernehmlassung eingeladen, worauf er am 30. Dezember 1970 verfügte: "Im Sinne der Ziff. 2.1. der Weisung Nr. 63 der Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt bewillige ich Herrn Alfred Frauenknecht, in Haft, wöchentlich zwölf Briefe auf neutralem Papier. Nicht an diese Zahl angerechnet werden Briefe an Behörden und Verteidiger. Die Briefe sind unverschlossen mir zur Kontrolle vorzulegen". In seiner Vernehmlassung führt der Untersuchungsrichter insbesondere aus, dass in Basel die Besuchs- und Korrespondenz-Rechte der Untersuchungsgefangenen in einer Weisung der Staatsanwaltschaft geregelt seien. Nach dieser Weisung dürfe der Untersuchungsgefangene wöchentlich zwei Briefe schreiben. Frauenknecht sei bisher keinen Beschränkungen unterworfen gewesen. Von einer Einschränkung seiner Rechte könne auch jetzt nicht gesprochen werden, da er wöchentlich zwölf Briefe schreiben dürfe und diese - was nicht zu übersehen sei - kontrolliert werden müssten. Der Untersuchungsrichter beantragt, die Beschwerde abzuweisen. Erwägungen Die Anklagekammer zieht in Erwägung: Nach Art. 48 Abs. 1 BStP darf der Verhaftete in seiner Freiheit nicht weiter beschränkt werden, als es der Zweck der Haft und die Aufrechterhaltung der Ordnung im Gefängnis erfordern. Der Zweck der Haft erfordert im vorliegenden Falle die Beschränkung des Korrespondenzrechtes nicht, denn Frauenknecht ist ausschliesslich wegen Fluchtgefahr verhaftet. Was zur "Aufrechterhaltung der Ordnung im Gefängnis" nötig ist, bestimmt nach BGE 96 IV 46 nicht die Hausordnung BGE 97 IV 70 S. 72 des Untersuchungsgefängnisses, sondern das Bundesrecht. Bundesrechtliche Gesichtspunkte verlangen aber nicht, dass die Zahl der Briefe beschränkt werde, die der Verhaftete schreiben und versenden darf. Für die Aufrechterhaltung der Ordnung im Gefängnis ist es vollständig unerheblich, ob der Verhaftete wöchentlich zwölf oder mehr Briefe verfasse und dem Untersuchungsrichter zur Kontrolle und Weiterleitung zukommen lasse. Der Untersuchungsrichter versucht die Beschränkung auf zwölf Briefe denn auch nicht mit der Ordnung im Gefängnis zu rechtfertigen, sondern ausschliesslich damit, dass von einer Einschränkung der Rechte des Verhafteten auf Grund seiner Verfügung nicht gesprochen werden könne und dass ihn die Kontrolle der Briefe übermässig belaste. Das sind keine von Art. 48 BStP anerkannten Gründe. Diese Bestimmung legt es nicht in das Ermessen des Untersuchungsrichters, zu bestimmen, wieviele Briefe der Verhaftete schreiben darf. Sie anerkennt auch die Arbeitslast des Untersuchungsrichters nicht als Grund zur Beschränkung. Dispositiv Demnach erkennt die Anklagekammer: In Gutheissung der Beschwerde wird Frauenknecht gestattet, aus der Untersuchungshaft heraus beliebig viele Briefe auf seinem privaten Papier zu versenden.
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Urteilskopf 134 I 238 28. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Oberrichter Naef und Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl (Beschwerde in Strafsachen) 1B_242/2007 vom 28. April 2008
Regeste Ablehnung eines Oberrichters im Berufungsverfahren; Art. 30 Abs. 1 BV , Art. 6 Ziff. 1 EMRK . Anspruch auf einen unbefangenen, unvoreingenommenen und unparteiischen Richter (E. 2.1). Referentensystem; die Meinungsbildung des Referenten beeinträchtigt seine Unvoreingenommenheit nicht (E. 2.3). Mitteilung einer vorläufigen Auffassung des Referenten im Allgemeinen (E. 2.4). Die Mitteilung der vorläufigen Auffassung und der beabsichtigten Antragsstellung an den Rechtsvertreter vor Durchführung der Berufungsverhandlung und auf Initiative des Referenten hin lässt diesen als voreingenommen erscheinen (E. 2.6).
Sachverhalt ab Seite 239 BGE 134 I 238 S. 239 A. wurde mit Urteil des Einzelrichters am Bezirksgericht Zürich vom 30. Januar 2007 des mehrfachen Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz für schuldig befunden und mit einer Geldstrafe von 21 Tagessätzen zu Fr. 30.- unter Aufschub des Vollzuges bestraft. Er legte gegen das Urteil des Einzelrichters Berufung ein. Zu Beginn der Berufungsverhandlung vor der I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich vom 20. August 2007 stellte A. gegen Oberrichter Rolf Naef wegen Befangenheit resp. Anscheins der Befangenheit ein Ausstandsgesuch. Hintergrund des Ersuchens bildete der Umstand, dass dieser als Referent in der Berufungssache mit dem Rechtsvertreter des Beschuldigten anfangs Juli 2007 Kontakt aufgenommen und ihm mitgeteilt hatte, dass er gestützt auf die Akten wohl einen Antrag auf Abweisung der Berufung stellen werde. Durch dieses Vorgehen habe er den Anschein der Voreingenommenheit erweckt. Oberrichter Naef gab die gewissenhafte Erklärung im Sinne von § 100 Abs. 1 GVG /ZH ab, in der Sache nicht befangen zu sein. Mit Beschluss vom 10. Oktober 2007 wies die II. Strafkammer des Obergerichts das Ausstandsbegehren ab. Zur Begründung führt die Strafkammer aus, der Referent mache sich allein aufgrund der Akten ein vorläufiges Bild und dürfe diese Meinung kundtun. Der Ausgang des Verfahrens erscheine im Hinblick auf die spätere Berufungsverhandlung (mit der Anhörung des Beschuldigten und den Vorbringen des Rechtsvertreters) trotz der Meinungsäusserung noch als offen. Im vorliegenden Fall habe der Referent weder auf den Rechtsvertreter noch auf den Beschuldigten Druck ausgeübt. Gegen diesen Beschluss des Obergerichts hat A. beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen erhoben und dessen Aufhebung beantragt. Er rügt namentlich eine Verletzung von Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK . Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend, mit der Kontaktnahme und der entsprechenden Mitteilung habe der Referent eine Haltung zum Ausdruck gebracht, die den Beschuldigten verunsichert, ihm den Rückzug der Berufung nahelegt und damit den Eindruck der Voreingenommenheit hinterlassen habe. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, hebt den angefochtenen Entscheid auf und heisst das Ausstandsgesuch gegen Oberrichter Naef gut. BGE 134 I 238 S. 240 Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Nach Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK hat jede Person Anspruch darauf, dass ihre Strafsache von einem unbefangenen, unvoreingenommenen und unparteiischen Richter beurteilt wird. Es soll garantiert werden, dass keine sachfremden Umstände, welche ausserhalb des Prozesses liegen, in sachwidriger Weise zugunsten oder zulasten einer Partei auf das gerichtliche Urteil einwirken. Art. 30 Abs. 1 BV soll zu der für einen korrekten und fairen Prozess erforderlichen Offenheit des Verfahrens im Einzelfall beitragen und damit ein gerechtes Urteil ermöglichen. Die Garantie des verfassungsmässigen Richters wird verletzt, wenn bei objektiver Betrachtung Gegebenheiten vorliegen, die den Anschein der Befangenheit oder die Gefahr der Voreingenommenheit zu begründen vermögen ( BGE 114 Ia 50 E. 3b und 3c S. 53 ff.; BGE 134 I 20 E. 4.2 S. 21; BGE 131 I 24 E. 1.1 S. 25, BGE 131 I 113 E. 3.4 S. 116, mit Hinweisen). Voreingenommenheit und Befangenheit in diesem Sinne werden nach der Rechtsprechung angenommen, wenn sich im Einzelfall anhand aller tatsächlichen und verfahrensrechtlichen Umstände Gegebenheiten ergeben, die geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Richters zu erwecken. Diese können namentlich in einem bestimmten Verhalten des betreffenden Richters begründet sein. Bei dessen Beurteilung ist nicht auf das subjektive Empfinden einer Partei abzustellen. Das Misstrauen in die Unvoreingenommenheit muss vielmehr in objektiver Weise begründet erscheinen. Es genügt, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung den Anschein der Befangenheit und Voreingenommenheit erwecken. Für die Ablehnung wird nicht verlangt, dass der Richter tatsächlich befangen ist ( BGE 128 V 82 E. 2a S. 84; BGE 127 I 196 E. 2b S. 198; BGE 126 I 68 E. 3a S. 73; BGE 125 I 119 E. 3a S. 122; BGE 124 I 255 E. 4a S. 261, mit Hinweisen). Der Anschein der Befangenheit kann durch unterschiedlichste Umstände und Gegebenheiten erweckt werden. Dazu können nach der Rechtsprechung insbesondere vor oder während eines Prozesses abgegebene Äusserungen eines Richters zählen, die den Schluss zulassen, dass sich dieser bereits eine feste Meinung über den Ausgang des Verfahrens gebildet hat ( BGE 125 I 119 E. 3a S. 122; Urteil 1P.687/2005 vom 9. Januar 2006, E. 7). 2.2 Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung der genannten Verfahrensgrundrechte. Er macht geltend, Oberrichter Naef habe durch BGE 134 I 238 S. 241 die Kontaktaufnahme mit dem Rechtsvertreter und die Mitteilung, er werde wegen der Aussichtslosigkeit der Berufung wohl einen Abweisungsantrag stellen, eine Haltung zum Ausdruck gebracht, die Befangenheit zeige oder zumindest den Anschein der Voreingenommenheit erwecke. Im Einzelnen bringt der Beschwerdeführer vor, bei der umstrittenen Mitteilung könne er nicht wissen, in wessen Namen der Referent spreche, und er habe annehmen müssen, dass dieser die Auffassung des Spruchkörpers wiedergebe. Damit werde der Eindruck erweckt, dass ihn das Gericht nicht sehen und nicht hören wolle. Bei dieser Sachlage werde es dem Gericht schwerfallen, von der geäusserten Auffassung abzurücken und, wie in der Berufung beantragt, auf einen Freispruch zu erkennen. Es erscheine unverantwortlich, eine derartige Äusserung vor Durchführung der Berufungsverhandlung zu machen; die Vorbringen anlässlich der Verhandlung seien noch nicht bekannt und die Verteidigungsstrategien im Übrigen unwägbar. Die Mitteilung eines "Boten des Gerichts" könne gerade bei einer nicht rechtsgewohnten Partei eine tiefgreifende Verunsicherung hervorrufen. Im vorliegenden Fall komme hinzu, dass es der Referent unterlassen habe, dem Dossier eine entsprechende Aktennotiz beizufügen. Zudem habe die Berufung aufgrund einer Vielzahl von formellen und von Amtes wegen zu beachtenden Formfehlern durchaus Erfolgschancen. Schliesslich könne ein strafrechtliches Berufungsverfahren nicht mit einem Zivilprozess verglichen werden, in dem der Referent Vergleichsverhandlungen führt. 2.3 Das Berufungsverfahren vor Obergericht beruht auf dem sog. Referentensystem. Dieses ist dadurch gekennzeichnet, dass ein Richter der zum Entscheid berufenen Kammer als Referent bezeichnet wird. In dieser Funktion sichtet und studiert dieser die vollständigen Akten und macht sich gestützt darauf eine vorläufige Meinung über alle sich stellenden Fragen formeller wie auch materieller Natur. Diese vorläufige Meinungsbildung stellt eine Etappe im Erkenntnisprozess dar, ist gekennzeichnet durch das Abwägen von Pro und Contra der einander entgegenstehenden Positionen und bezieht gleichermassen Sachverhalts- wie formelle und materielle Rechtsfragen mit ein. Die sich daraus ergebende Auffassung beruht einzig auf den Akten und ist insoweit durch keinerlei sachfremde Elemente bestimmt. Sie behält ebenso die Berufungsverhandlung (mit der persönlichen Anhörung der Parteien und dem Plädoyer des Rechtsvertreters) wie auch die Diskussion und die Meinungsbildung im Richterkollegium vor. Diese vorläufige Auffassung mit einem BGE 134 I 238 S. 242 entsprechenden Antrag an die Kammer bildet insoweit Ausgangspunkt für die Fortführung des Erkenntnisprozesses. Der Ausgang des Verfahrens bleibt damit offen und kann nicht als ausschlaggebend vorbestimmt betrachtet werden. Die vorläufige Meinungsbildung und der darauf beruhende Antrag an die urteilende Kammer bringen für sich genommen keinerlei Voreingenommenheit zum Ausdruck und sind mit der Richtergarantie nach Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK vereinbar. So wird das in der Schweiz weitverbreitete Referentensystem denn auch als verfassungsrechtlich zulässig beurteilt (vgl. Urteil 1P.687/2005 vom 9. Januar 2006, E. 7.1, mit Hinweisen). Im Übrigen wird eine vorläufige Einschätzung der Prozesslage auch die Instruktion beeinflussen und im Hinblick auf die Frage der Durchführung eines Schriftenwechsels (vgl. Art. 102 Abs. 1 BGG ), der Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege (vgl. BGE 131 I 113 ) und der aufschiebenden Wirkung ( BGE 131 I 24 , BGE 131 I 113 E. 3.5 S. 119) von Bedeutung sein. 2.4 Über eine derartige vorläufige Meinungsbildung des Referenten hinaus stellt sich die weitere Frage, ob und unter welchen Umständen eine solche Einschätzung unter dem Gesichtswinkel von Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK nach aussen mitgeteilt werden darf. Die Äusserung als solche kann in unterschiedlichem Licht erscheinen und je nach den konkreten Umständen mehr oder weniger den Eindruck erwecken, der Referent habe sich abschliessend festgelegt und sei für neue Gesichtspunkte nicht mehr offen. In dieser Hinsicht sind unterschiedlichste Konstellationen denkbar. Die Beurteilung einer entsprechenden Äusserung über die Erfolgschancen kann je nach dem Stadium des Verfahrens variieren. Sie mag problematisch erscheinen, wenn sie allein gestützt auf das angefochtene Urteil und ohne vertiefte Auseinandersetzung mit den Akten und den darin befindlichen Einwendungen erfolgt; dies umso mehr, wenn das Rechtsmittelverfahren ohne eigentliche Beschwerdeschrift durch blosse Anmeldung der Berufung und eine lediglich kurze Beanstandung eingeleitet wird. Nach gründlichem Studium aller Akten gibt eine Äusserung lediglich eine Etappe im Erkenntnisprozess wieder, wie sie dem Referentensystem eigen ist. Zudem wird sich der Referent von vornherein und zur Wahrung seiner Glaubwürdigkeit im Richterkollegium nur äussern, wenn er nach der Prüfung des Dossiers zu einem klaren Schluss gelangt. Dies bedeutet indes nicht, dass im Ablehnungsverfahren über die Erfolgschancen oder die Aussichtslosigkeit eines Verfahrens zu befinden wäre. - Von BGE 134 I 238 S. 243 entscheidendem Gewicht ist der Umstand, wem gegenüber eine Äusserung über den zu beantragenden Ausgang gemacht wird. Dem Referentensystem inhärent ist, dass der Referent seine Auffassung mit seinem Antrag den mitwirkenden Richtern bekannt gibt. Fragwürdig wäre, die Einschätzung der Partei selber mitzuteilen, da es dieser im Normalfall und ohne nähere Kenntnis über den Ablauf des gerichtlichen Verfahrens schwerfallen wird, die Bedeutung der Mitteilung richtig einzuordnen. Mit einer Mitteilung an Drittpersonen oder gar an die Presse würde sich der Referent aus objektiver Sicht vermehrt dem Anschein aussetzen, bereits eine vorgefasste Meinung gebildet zu haben und für neue Gesichtspunkte nicht mehr offen zu sein (vgl. Urteil 1P.687/2005 vom 9. Januar 2006, E. 7.1). Nicht gleich verhält es sich indes, wenn die vorläufige Einschätzung dem Rechtsvertreter mitgeteilt wird. Dieser hat vor Einlegung des Rechtsmittels seinerseits das Pro und Contra bereits abgeschätzt, kann eine entsprechende Mitteilung vor dem Hintergrund seiner eigenen Dossierkenntnisse nachvollziehen und einordnen und ist mit dem gerichtlichen Ablauf der Meinungsbildung im Richterkollegium vertraut. Insoweit nimmt ein entsprechendes Gespräch eher den Charakter einer fachlichen Diskussion an. - Weiter ist von Bedeutung, dass klar zum Ausdruck kommt, es handle sich um eine vorläufige Einschätzung der Prozesslage und sowohl die Hauptverhandlung mit der Anhörung der Parteien und dem Plädoyer des Rechtsvertreters als auch die Meinungsbildung im Spruchkörper seien vorbehalten. Der vorläufige Charakter der Meinungsäusserung wird gerade von einem Rechtsvertreter besser verstanden werden als von einer mit dem Gerichtsverfahren unvertrauten Partei, einer Drittperson oder der Presse (vgl. Urteil 1P.687/2005 vom 9. Januar 2006, E. 7; REGINA KIENER, Richterliche Unabhängigkeit, Bern 2001, S. 218 f.; FRANZ ZELLER, Medien und Hauptverhandlung, in: Justice-Justiz-Giustizia 2006/1, Ziff. 52 und 83). - Das Ziel einer Mitteilung der Erfolgschancen kann einzig darin bestehen, auf die vorläufige Sicht des Referenten hinzuweisen und der Partei mit der Eventualität eines allfälligen Rückzuges möglicherweise weitere Kosten und ein aufwendiges Verfahren zu ersparen oder sie im Falle einer Anschlussberufung auf die Gefahr einer Verschlechterung aufmerksam zu machen (vgl. zur richterlichen Fürsorgepflicht BGE 131 I 350 E. 4.1 S. 360 mit Hinweisen). Denkbar ist, dass unmittelbar nach Eingang einer Rechtsschrift auf offensichtliche formelle Mängel hingewiesen und gleichzeitig darauf aufmerksam gemacht wird, diese könnten während der noch laufenden BGE 134 I 238 S. 244 Beschwerdefrist behoben werden. Nicht zulässig wäre es, im eigentlichen Sinne zum Rückzug des Rechtsmittels aufzufordern und dabei offen oder verdeckt Druck auszuüben. Ebenso wenig darf der Eindruck entstehen, dass sich der Richter mit der Sache nicht urteilsmässig befassen wolle. - Insoweit mag es auch darauf ankommen, von wem die Initiative zu einer entsprechenden Mitteilung ausgeht, d.h. ob sich der Rechtsvertreter beim Referenten über die Prozessaussichten erkundigt oder aber der Referent von sich aus mit dem Rechtsvertreter Kontakt aufnimmt und ihm seine vorläufige Einschätzung kundtut. - Schliesslich kann die Natur des gerichtlichen Verfahrens von Bedeutung sein. In einer zivilrechtlichen Angelegenheit kann der Referent im Einverständnis mit den Parteien Vergleichsverhandlungen einleiten und er wird diese vor dem Hintergrund seiner provisorischen Einschätzung führen und eine vorläufige Auffassung mit Zurückhaltung und unter dem Vorbehalt der förmlichen Streitentscheidung auch zum Ausdruck bringen (vgl. BGE 131 I 113 E. 3.6 S. 119; KIENER, a.a.O., S. 169 f.; JEAN-FRANÇOISEGLI/OLIVIER KURZ, La garantie du juge indépendant et impartial dans la jurisprudence récente, Recueil de jurisprudence neuchâteloise [RJN] 1990 S. 9/22). Auch wenn damit ein Strafverfahren nicht in allen Teilen vergleichbar ist, können Hinweise auf eine nichtgerichtliche Streiterledigung nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden. Daraus ergibt sich bei abstrakter Betrachtung, dass nicht jegliche Mitteilung einer vorläufigen Einschätzung des Referenten mit den Garantien von Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK im Widerspruch steht, eine entsprechend geartete Mitteilung aber umgekehrt tatsächlich den Anschein der Voreingenommenheit erwecken und zur Ablehnung des Referenten führen kann. Der Anspruch auf einen unbefangenen Richter gebietet daher für Vorgehensweisen der hier interessierenden Art grosse Zurückhaltung. Es kann denn auch nicht gesagt werden, dass die beim Obergericht offenbar geübte Praxis allgemein verbreitet ist. Zudem trägt die im angefochtenen Entscheid festgehaltene Forderung, dass im Falle einer Mitteilung dem Dossier eine entsprechende Aktennotiz beizufügen ist, zur Transparenz bei und verhindert den Eindruck, dass das Vorgehen vertuscht werden soll. 2.5 Im vorliegenden Fall ist der abgelehnte Oberrichter als Referent in der Berufungssache des Beschwerdeführers bestimmt worden. Zur Vorbereitung seines Referates und der Berufungsverhandlung hat er die vollständigen Akten gesichtet und studiert. Zu diesen Akten BGE 134 I 238 S. 245 zählen namentlich die Untersuchungsakten (u.a. mit den Befragungen des Beschuldigten und einer Zeugin), die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft, die Akten des gerichtlichen Verfahrens erster Instanz (u.a. mit dem Protokoll der Verhandlung vom 25. Januar 2007 und den Plädoyer-Notizen des Rechtsvertreters des Beschuldigten), das Urteil der ersten Instanz sowie die Berufungsanmeldung und das kurze Schreiben des Rechtsvertreters (Beanstandung im Sinne von § 414 Abs. 4 der Strafprozessordnung des Kantons Zürich [StPO/ZH]), wonach die gerichtliche Feststellung des Sachverhalts und die vorgenommene Aussageanalyse willkürlich seien und der Grundsatz "in dubio pro reo" verletzt sei. Gestützt auf diese Unterlagen kam der Referent zur vorläufigen Auffassung, dass die Berufung wenig Erfolgschancen habe und er wohl einen Antrag auf Abweisung stellen werde. Vorbehalten bleibt die Berufungsverhandlung. Wie dargetan, hält diese Meinungsbildung für sich genommen vor der Verfassung stand. 2.6 Zu prüfen bleibt, ob es im vorliegenden Fall unter dem Gesichtswinkel von Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK zulässig ist, dass der Referent mit dem Rechtsvertreter Kontakt aufnahm und diesem seine vorläufige Einschätzung kundtat. Der Referent hält in seiner Vernehmlassung fest, deutlich zum Ausdruck gebracht zu haben, dass es sich um eine vorläufige Einschätzung handle und dass die Berufungsverhandlung mit der Anhörung des Beschuldigten und dem Plädoyer des Rechtsvertreters vorbehalten sei. Auch wenn dieser aus dem Verfahrensablauf fliessende Umstand in dieser ausdrücklichen Weise am Telefon nicht in allen Teilen gesagt worden sein sollte, musste er dem Rechtsvertreter als erfahrenem Rechtsanwalt und langjährigem Richter von vornherein bewusst gewesen sein. Schon im Voraus war es Sache des Rechtsvertreters, die Erfolgschancen abzuschätzen und diese mit seinem Mandanten zu besprechen; die Mitteilung des Referenten hatte lediglich zur Folge, das Vorgehen allenfalls nochmals zu überdenken. Wie oben dargetan, kann es in der vorliegenden Konstellation nicht darauf ankommen, ob die Berufung letztlich erfolgversprechend sei, wie der Beschwerdeführer und sein Rechtsvertreter annehmen, oder ob ihr wenig Erfolgschancen zukomme, wie der Referent damals zum Ausdruck gebracht hatte. Gemäss dem angefochtenen Entscheid und der Berufungsverhandlung hat der Referent lediglich seine persönliche Auffassung BGE 134 I 238 S. 246 geäussert und sich vorgängig in keiner Weise mit dem Präsidenten der Kammer oder einem weitern Gerichtsmitglied abgesprochen. Der Beschwerdeführer legt nicht dar, dass diese Sachverhaltsannahme offensichtlich falsch sei ( Art. 105 BGG ). Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, der Referent habe gewissermassen als Bote des Gerichts die Auffassung der ganzen Kammer übermittelt. Der Rechtsvertreter als Kenner des gerichtlichen Verfahrens musste wissen, dass der Referent ausschliesslich seine eigene Einschätzung wiedergab; andernfalls hätte er im Namen des Beschwerdeführers nicht nur den Referenten, sondern konsequenterweise die ganze Kammer ablehnen müssen. Der Referent weist auch darauf hin, dass er lediglich seine vorläufige Auffassung mitteilte, den Rechtsvertreter indes nicht zum Rückzug der Berufung aufforderte. Wie es sich damit im Einzelnen verhält, kann offenbleiben. Denn die Mitteilung der vorläufigen Auffassung, dass die Berufung wenig Erfolgschancen habe, bringt die Frage eines allfälligen Rückzuges der Berufung von selbst mit sich. Unbestrittenermassen wies der Referent darauf hin, dass sich die Lage des Beschuldigten mangels Anschlussberufung von Seiten der Staatsanwaltschaft auch im Falle der Abweisung der Berufung weder im Schuld- noch im Strafpunkt verschlechtern könne. Entscheidendes Gewicht kommt dem Umstand zu, dass die Initiative zur entsprechenden Mitteilung vom Referenten ausgegangen ist; es war dieser, der mit dem Rechtsvertreter telefonisch Kontakt aufnahm und ihm seine vorläufige Einschätzung zum Ausdruck brachte. Die Kontaktaufnahme von Seiten des Gerichts ist geeignet, Missverständnisse hervorzurufen. Wie dargetan, wird die betroffene Partei selber die vorläufige Einschätzung kaum richtig einordnen können. Auch wenn der Rechtsvertreter angesichts seiner Kenntnisse des gerichtlichen Verfahrens die verfahrensrechtliche Bedeutung der Mitteilung des Referenten an sich richtig einzuschätzen weiss, erweckt dessen Vorgehen für die Partei den Eindruck, dass das Gericht sie nicht hören, ihre Berufungssache gar nicht prüfen wolle, und hinterlässt ein Gefühl der Verunsicherung, ob die Berufung nun zurückzuziehen sei oder an ihr festgehalten werden könne und die Berufungsverhandlung durchgeführt werden solle. Das Vertrauen in das Justizverfahren kann beeinträchtigt werden, wenn im Vorfeld der Verhandlung seitens des Gerichts in provisorischer Weise die Aussichtslosigkeit signalisiert wird. Mit dem Einlegen der Berufung erwartet die Partei, dass das Gericht in seiner ordentlichen BGE 134 I 238 S. 247 Besetzung und im ordentlichen Verfahren ihre Sache urteilsmässig neubeurteilt. Das Zürcher Berufungsverfahren in Strafsachen zeichnet sich darüberhinaus durcheinbesonderes Gewichtder Berufungsverhandlung aus; die Berufung wird im Wesentlichen nur angemeldet und es wurde ihr im vorliegenden Fall eine sehr kurz gehalteneBeanstandungbeigegeben (vgl. § 414 StPO /ZH). Mit der aktivenMitteilungdervorläufigen Einschätzung von Seitendes Referenten schon im Voraus wird der Eindruck erweckt, dass sich dieser - trotz dergenannten Vorbehalte- bereits eine abschliessende Meinung gebildet habe und das Verfahren - auch unter Beachtung dernoch bevorstehenden Berufungsverhandlung - nicht mehr offen, derProzess somit bereits verloren sei. Der Betroffene wird nicht ohneweiteres verstehen, dass die Mitteilung des Referenten - nach durchgeführtem Verfahren vor erster Instanz - möglicherweise auf eine Ersparnis an Aufwand und Kosten imRechtsmittelverfahrenabzielt.Vielmehr bekommt er den Eindruck, dass die Berufungssache in rascher Weise erledigt werden soll, "kurzer Prozess" gemacht wird. Bei dieser Sachlageerweckt der den Kontaktmit dem Rechtsvertreteraufnehmende Referent den Anschein, in der Sache nicht mehr offenund daher voreingenommen zu sein. Die Partei kann mit Grund befürchten, der Referent unterziehe seine geäusserte Auffassung anlässlich der Verhandlung und Beratung nicht mehr einer unvoreingenommenen Prüfung. Daran vermag der Einwand, es solle tatsächlichvorkommen, dass der Referent - soweit trotz entsprechender Mitteilung an der Berufung festgehalten wird - nach durchgeführter Verhandlung auf seine vorläufige Einschätzung zurückkommt, unterdem Gesichtswinkel des blossenAnscheins derVoreingenommenheit nichts zu ändern. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass der Referent mit seiner Kontaktaufnahme und der Mitteilung tatsächlich denAnschein der Voreingenommenheit erweckt hat. Dieser Eindruck beruht nicht nur auf einem individuellen Empfinden des Betroffenen. Vielmehr erscheint das Misstrauen in die Unvoreingenommenheit des Richters aus objektiver Sicht als begründet. Bei dieser Sachlage vermag Oberrichter Naef angesichts seiner Kontaktaufnahme mit dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers im bevorstehenden Berufungsverfahren den Anforderungen von Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK nicht zu genügen. Die Beschwerde erweist sich daher als begründet.
public_law
nan
de
2,008
CH_BGE
CH_BGE_001
CH
Federation
01302087-b1fe-455d-b2bc-c70aecce75c2
Urteilskopf 105 IV 179 48. Urteil des Kassationshofes vom 5. Juli 1979 i.S. N. N. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste Art. 122, 125 Abs. 2 StGB . Schwere Körperverletzung.
Sachverhalt ab Seite 180 BGE 105 IV 179 S. 180 A.- Am 31. Mai 1978 fuhr der Automobilist N. N. beim Tellplatz in Basel auf einem Fussgängerstreifen den 1909 geborenen T. an. Dieser erlitt insbesondere eine Schenkelhalsfraktur. Es musste ihm eine Hüft-Totalprothese eingesetzt werden. B.- Der Strafgerichtspräsident Basel-Stadt erklärte N. N. am 2. Februar 1979 der fahrlässigen schweren Körperverletzung schuldig und verurteilte ihn zu 10 Tagen Haft mit bedingtem Strafvollzug sowie zu einer Busse von Fr. 400.-. Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt bestätigte das erstinstanzliche Urteil am 7. Juni 1979 gestützt auf dessen tatsächliche und rechtliche Ausführungen. C.- Mit Nichtigkeitsbeschwerde beantragt der Verurteilte Freisprechung von der Anklage der schweren Körperverletzung. Er macht geltend, er habe eine leichte Körperverletzung verursacht. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: Die vom Fussgänger erlittene Verletzung machte ein Krankenlager von rund 7 Monaten nötig. Durch sie wurde ferner das Hüftgelenk unbrauchbar. Es musste eine Hüft-Totalprothese eingesetzt werden, wodurch nach dem noch nicht abschliessenden Arztbericht "ein gewisser Dauerschaden möglich" ist. Acht Monate nach dem Unfall ging der Verletzte immer noch am Stock, war behindert beim Einsteigen ins Tram und allgemein beim Treppensteigen. Weder konnte er längere Zeit schmerzfrei gehen, noch war es ihm möglich, relativ schwere Sachen zu tragen. Seinem Hobby, dem Fischen, kann er nicht mehr nachgehen, weil er steile Borde nicht mehr zu überwinden in der Lage ist. Eine solche Verletzung ist kein banaler Knochenbruch, wie der Beschwerdeführer meint, sondern muss als schwer im Sinne von Art. 125 Abs. 2 StGB bezeichnet werden ( Art. 122 StGB ; BGE 93 IV 12 , BGE 97 IV 9 ). Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
null
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de
1,979
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CH_BGE_006
CH
Federation
0134e20d-aa39-4d05-bc7a-66c93d7373dd
Urteilskopf 139 I 280 27. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Volksschulgemeinde Bürglen gegen A.X., C.Y. und Departement für Erziehung und Kultur des Kantons Thurgau (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) 2C_794/2012 vom 11. Juli 2013
Regeste Kopftuchverbot für Schülerinnen; gesetzliche Grundlage. Das Verbot des Tragens eines Kopftuches an der Schule ist ein schwerer Eingriff in das Grundrecht der Glaubens- und Gewissensfreiheit, der einer formellgesetzlichen Grundlage bedarf; die allgemeine Volksschulgesetzgebung des Kantons Thurgau stellt keine solche Grundlage dar (E. 5).
Sachverhalt ab Seite 280 BGE 139 I 280 S. 280 A.X. und C.Y. (beide geb. 1997) sind mazedonischer Herkunft und besuchen die Volksschule der Gemeinde Bürglen (TG). Sie tragen das islamische Kopftuch. BGE 139 I 280 S. 281 Die Schulordnung der Sekundarschule der Volksschulgemeinde Bürglen enthält die folgende Regelung: "SchülerInnen besuchen sauber und anständig gekleidet die Schule. Der vertrauensvolle Umgang untereinander bedeutet, dass die Schule ohne Kopfbedeckung besucht wird. Aus diesem Grund ist das Tragen von Caps, Kopftüchern und Sonnenbrillen während der Schulzeit untersagt." Im Frühling 2011 stellten A.X. und C.Y. das Gesuch, von dieser Bestimmung dispensiert zu werden und das Kopftuch aus religiösen Gründen tragen zu dürfen. Dieses Gesuch wurde von der Volksschulbehörde abgelehnt. Ein gegen diesen Entscheid erhobener Rekurs beim Departement für Erziehung und Kultur des Kantons Thurgau blieb erfolglos. Die hiergegen gerichtete Eingabe an das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau hiess dieses am 6. Juni 2012 gut. Es begründete sein Urteil damit, die Schulgemeinde habe in unzulässiger Weise in die Grundrechte der beiden Schülerinnen eingegriffen; es fehle hierzu an einer genügenden gesetzlichen Grundlage; überdies sei der Eingriff auch nicht verhältnismässig. Mit Beschwerde vom 23. August 2012 beantragt die Volksschulgemeinde Bürglen dem Bundesgericht, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 6. Juni 2012 sei aufzuheben. Eventuell sei die Sache zur ergänzenden Sachverhaltsabklärung und Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Volksschulgemeinde stellt sich auf den Standpunkt, sie habe die Glaubens- und Gewissensfreiheit der Schülerinnen in verfassungskonformer Weise eingeschränkt. Das Bundesgericht hat die Angelegenheit am 11. Juli 2013 öffentlich beraten. Es weist die Autonomiebeschwerde der Volksschulgemeinde Bürglen ab. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. Die Schulgemeinde wirft dem Verwaltungsgericht vor, dieses habe die Tragweite der Glaubens- und Gewissensfreiheit verkannt und diese aufgrund des erlassenen allgemeinen Kopfbedeckungsverbots zu Unrecht als verletzt betrachtet. Die Beschwerdeführerin habe unter den gegebenen Voraussetzungen in die Grundrechte der beiden Schülerinnen eingreifen dürfen ( Art. 15 und 36 Abs. 1-4 BV ; § 6 Ziff. 3 KV/TG [SR 131.228]). 4.1 Art. 15 BV gewährleistet (ebenso wie Art. 9 EMRK und § 6 Ziff. 3 KV/TG ) die Glaubens- und Gewissensfreiheit (Abs. 1) und BGE 139 I 280 S. 282 räumt jeder Person das Recht ein, ihre Religion und ihre weltanschauliche Überzeugung frei zu wählen und allein oder in Gemeinschaft mit anderen zu bekennen (Abs. 2). Die Religionsfreiheit umfasst sowohl die innere Freiheit, zu glauben, nicht zu glauben oder seine religiösen Anschauungen zu ändern, wie auch die äussere Freiheit, entsprechende Überzeugungen innerhalb gewisser Schranken zu äussern, zu praktizieren und zu verbreiten oder sie nicht zu teilen ( BGE 123 I 296 E. 2b/aa S. 300; BGE 119 Ia 178 E. 4c S. 184; Urteil 2C_897/2012 vom 14. Februar 2013 E. 4.2). Sie enthält den Anspruch des Einzelnen darauf, sein Verhalten grundsätzlich nach den Lehren des Glaubens auszurichten und den Glaubensüberzeugungen gemäss zu handeln. Unter ihrem Schutz stehen alle Religionen, unabhängig von ihrer quantitativen Verbreitung in der Schweiz ( BGE 134 I 56 E. 4.3 S. 60, BGE 134 I 49 E. 2.3 S. 51; BGE 123 I 296 E. 2b/aa S. 300 f.; BGE 119 Ia 178 E. 4b S. 184). Zur derart gewährleisteten Religionsausübung zählen über kultische Handlungen hinaus auch die Beachtung religiöser Gebräuche und Gebote sowie andere Äusserungen des religiösen Lebens, soweit solche Verhaltensweisen Ausdruck der religiösen Überzeugung bilden ( BGE 123 I 296 E. 2b/aa S. 300; BGE 119 Ia 178 E. 4c S. 184). Das gilt auch für Religionsbekenntnisse, welche die auf den Glauben gestützten Verhaltensweisen sowohl auf das geistig-religiöse Leben wie auch auf weitere Bereiche des alltäglichen Lebens beziehen ( BGE 119 Ia 178 E. 4c S. 185); auch religiös motivierte Bekleidungsvorschriften sind vom Schutz von Art. 15 BV erfasst ( BGE 134 I 56 E. 4.3 S. 60 f., BGE 134 I 49 E. 2.3 S. 51 f.; BGE 123 I 296 E. 2b/aa S. 300; BGE 119 Ia 178 E. 4c S. 184; BGE 119 IV 260 E. 3b/aa S. 263; Urteil C 366/96 vom 2. Juni 1997 E. 2b). 4.2 Die beiden Schülerinnen waren zum massgeblichen Zeitpunkt des vorinstanzlichen Urteils weniger als 16 Jahre alt. Sie sind in ihrer Glaubens- und Gewissensfreiheit geschützt (vgl. auch Art. 3 und 14 Abs. 1 des Übereinkommens vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes [KRK; SR 0.107] sowie Art. 11 BV ), ihre Rechte werden jedoch durch die Eltern wahrgenommen ( Art. 304 Abs. 1 ZGB ). Den Eltern kommt auch das Recht zu, über ihre religiöse Erziehung zu bestimmen ( Art. 303 Abs. 1 und 3 ZGB ). Entscheidend für die Annahme eines Eingriffs in den Schutzbereich ist demnach, dass die von den Schülerinnen bzw. ihren Eltern angerufenen Verhaltensweisen einen unmittelbaren Ausdruck ihrer religiösen Überzeugung bilden und dass sie dies glaubhaft darzulegen BGE 139 I 280 S. 283 vermögen (vgl. BGE 135 I 79 E. 4.4 S. 84; BGE 134 I 56 E. 5.2 S. 63; Urteil 2C_897/2012 vom 14. Februar 2013 E. 4.2; vgl. auch Urteil des EGMR Eweida und Mitbeteiligte gegen Grossbritannien vom 15. Januar 2013, Nr. 48420/10, 59842/10, 51671/10 und 36516/10, § 82; YVO HANGARTNER, Religionsfreiheit, AJP 2010 S. 441 ff.; KELLER/BÜRLI, Religionsfreiheit in der multikulturellen Schulrealität, recht 2009 S. 100 ff., 102 f.; ANDREAS KLEY, in: Die Schweizerische Bundesverfassung, 2. Aufl. 2008, N. 11 zu Art. 15 BV ; PETER KARLEN, Das Grundrecht der Religionsfreiheit in der Schweiz, 1988, S. 203 ff.). Die Schülerinnen legten im vorinstanzlichen Verfahren dar, das Kopftuch aus religiösen Gründen zu tragen; das Tragen des Kopftuches der Schülerinnen als (heranwachsende) Frauen, die sich zum Islam bekennen, steht demnach - wie die Vorinstanz zurecht festhält - als Ausdruck eines religiösen Bekenntnisses unter dem Schutz der Religionsfreiheit gemäss Art. 15 BV ( BGE 134 I 56 E. 4.3 S. 60 f., BGE 134 I 49 E. 2.3 S. 51 f.; BGE 123 I 296 E. 2b/aa S. 300; BGE 119 Ia 178 E. 4c S. 184; vgl. auch BGE 119 IV 260 E. 3b/aa S. 263). Durch ein Verbot des Tragens des Kopftuches liegt ein Eingriff in den Schutzbereich der Glaubens- und Gewissensfreiheit der beiden Schülerinnen bzw. ihrer Eltern als Erziehungsberechtigte vor. 4.3 Eingriffe in die Glaubens- und Gewissensfreiheit und Beeinträchtigungen von religiösen Gepflogenheiten sind nur zulässig, wenn sie die Voraussetzungen zur Einschränkung von Grundrechten erfüllen ( Art. 36 Abs. 1-3 BV ; BGE 134 I 56 E. 4.3 S. 60 f., BGE 134 I 49 E. 2.3 S. 51 f.; BGE 123 I 296 ; BGE 119 IV 260 ). Sie müssen auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, durch ein öffentliches Interesse oder den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt und verhältnismässig sein. Der Kerngehalt der Glaubens- und Gewissensfreiheit ist unantastbar ( Art. 36 Abs. 4 BV ). 5. Gemäss dem angefochtenen Entscheid des Verwaltungsgerichts konnte sich die Schulgemeinde auf keine genügende gesetzliche Grundlage stützen, welche ein Verbot des Tragens eines Kopftuches aus religiösen Gründen hätte rechtfertigen können ( Art. 36 Abs. 1 BV ). Aus der Sicht der Beschwerdeführerin besteht hingegen eine gesetzliche Grundlage für die angefochtene Verfügung. Einerseits stütze sich diese auf die Zweckartikel des Volksschulgesetzes (§ 2, 4 und 63 des thurgauischen Gesetzes vom 29. August 2007 über die Volksschule [VSG/TG; RB 411.11]), andererseits auf die mit derKompetenz zum Erlass einer Schulordnung übertragenen Befugnisse zur Regelung der wesentlichen Benutzungsvorschriften vor Ort. BGE 139 I 280 S. 284 5.1 Schwere Eingriffe in Freiheitsrechte bedürfen einer klaren und ausdrücklichen Regelung in einem formellen Gesetz ( Art. 36 Abs. 1 Satz 2 BV ; BGE 137 II 371 E. 6.2 S. 381; BGE 130 I 65 E. 3.3 S. 68; BGE 126 I 112 E. 3c S. 116; BGE 124 I 34 E. 3b S. 37; BGE 123 I 296 E. 3 S. 303; BGE 108 Ia 33 E. 3a S. 35). Bei einem leichten Eingriff genügt ein Gesetz im materiellen Sinn (vgl. BGE 138 I 256 E. 6.3 S. 264; BGE 131 I 333 E. 4 S. 339; BGE 130 I 65 E. 3.3 S. 68; BGE 129 I 173 E. 2.2 S. 177; BGE 126 I 112 E. 3b S. 116; BGE 109 Ia 188 E. 2 S. 190; RAINER J. SCHWEIZER, in: Die schweizerische Bundesverfassung, Kommentar, 2. Aufl. 2008, N. 12 zu Art. 36 BV ; KLEY, a.a.O., N. 29 zu Art. 15 BV ). Das Legalitätsprinzip im Sinne von Art. 36 Abs. 1 BV verlangt zudem eine hinreichende und angemessene Bestimmtheit der anzuwendenden Rechtssätze (vgl. BGE 136 I 87 E. 3.1 S. 90 f.; BGE 135 I 169 E. 5.4.1 S. 173; BGE 132 I 49 E. 6.2 und 6.3 S. 58 f.; je mit Hinweisen). Diese müssen so präzise formuliert sein, dass die Rechtsunterworfenen ihr Verhalten danach einrichten und die Folgen eines bestimmten Verhaltens mit einem den Umständen entsprechenden Grad an Gewissheit erkennen können ( BGE 133 I 110 E. 6.1 S. 121; BGE 124 I 203 E. 2b S. 205, BGE 124 I 40 E. 3b S. 43; BGE 115 Ia 277 E. 7a S. 288). Das Erfordernis der Bestimmtheit steht im Dienste der Rechtssicherheit (mit den Elementen der Berechenbarkeit und Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns) sowie der rechtsgleichen Rechtsanwendung (vgl. BGE 136 I 87 E. 3.1 S. 90; BGE 135 I 169 E. 5.4.1 S. 173; BGE 132 I 49 E. 6.2 S. 58; je mit Hinweisen). Der Grad der erforderlichen Bestimmtheit lässt sich dabei jedoch nicht abstrakt festlegen. Er hängt unter anderem von der Vielfalt der zu ordnenden Sachverhalte, von der Komplexität und der Vorhersehbarkeit der im Einzelfall erforderlichen Entscheidung, von den Normadressaten, von der Schwere des Eingriffs in Verfassungsrechte und von der erst bei der Konkretisierung im Einzelfall möglichen und sachgerechten Entscheidung ab (zum Ganzen BGE 136 I 87 E. 3.1 S. 90 f.; BGE 135 I 169 E. 5.4.1 S. 173 f.; BGE 132 I 49 E. 6.2 S. 58; BGE 128 I 327 E. 4.2 S. 339; vgl. auch die Urteile des EGMR Maestri gegen Italien vom 17. Februar 2004, Nr. 39748/98, Recueil CourEDH 2004-I S. 145 § 30; Eglise métropolitaine und Mitbeteiligte gegen Moldavien vom 13. Dezember 2001, Recueil CourEDH 2001-XII S. 37 § 109; Hashman und Harrup gegen Grossbritannien vom 25. November 1999, Recueil CourEDH 1999-VIII S. 29 § 31; GRABENWARTER/PABEL, Europäische Menschenrechtskonvention, 5. Aufl. 2012, § 18 N. 9 ff.; FROWEIN/PEUKERT, Europäische Menschenrechtskonvention, Kommentar, 3. Aufl. 2009, N. 2 ff. der Vorbemerkungen zu Art. 8-11 EMRK ). BGE 139 I 280 S. 285 5.2 Ob ein Grundrechtseingriff schwer ist, beurteilt sich grundsätzlich nach objektiven Kriterien ( BGE 130 I 65 E. 3.3 S. 68 [betreffend Sicherheitsmassnahmen beim Gefängnisbesuch]; BGE 128 II 259 E. 3.3 S. 269 [betreffend Erstellung eines DNA-Profils]; BGE 120 Ia 147 E. 2b S. 150 [betreffend Erhebung und Aufbewahrung erkennungsdienlichen Materials]). Im Bereich der Glaubens- und Gewissensfreiheit ist dies insofern schwierig, als religiöse Empfindungen und Überzeugungen stets subjektiv begründet sind; staatliche Organe haben von der Überzeugung auszugehen, welche die religiösen Normen für die Betroffenen haben ( BGE 135 I 79 E. 4.4 S. 84; BGE 134 I 56 E. 5.2 S. 63; oben E. 4.1). Behinderungen, welche die Ausübung ihrer religiösen Überzeugung beeinträchtigen, werden Betroffene normalerweise als schwer empfinden (vgl. BGE 119 Ia 178 E. 6a S. 188). Entscheidend ist demnach für die Bestimmung der Schwere des Eingriffs, ob die Betroffenen die konkrete Beeinträchtigung substanziiert als wesentliches Element bzw. als eine wichtige Verhaltensregel einer bestimmten Form religiöser Betätigung darlegen können, die sich herausgebildet hat, sodass die Schwere des Eingriffs objektiv nachvollziehbar wird und sich an äusseren Lebensumständen zeigt (vgl. BGE 135 I 79 E. 4.4 S. 84; BGE 134 I 56 E. 5.2 S. 63; Urteil 2C_897/2012 vom 14. Februar 2013 E. 4.2 [zum Schutzbereich]; vgl. WALTER KÄLIN, Grundrechte im Kulturkonflikt, 2000, S. 139 [zum Schutzbereich]; vgl. KIENER/KÄLIN, Grundrechte, 2007, S. 83 [zur Eingriffsintensität]; KARLEN, a.a.O., S. 294 f. [zur Eingriffsintensität]). Die Beschwerdegegnerinnen bringen vor, das Kopftuch in der Öffentlichkeit aus eigener religiöser Überzeugung und in Verbundenheit mit jener ihrer Familie zu tragen. Das eigene Recht auf Religionsfreiheit der Schülerinnen ist zu gewichten ( Art. 3 und 14 Abs. 1 KRK ); ihren Eltern kommt jedoch formell das Recht zu, über ihre religiöse Erziehung zu bestimmen ( Art. 303 Abs. 1 und 3 ZGB , Art. 11 Abs. 2 BV , Art. 5 und 14 Abs. 1 und 2 KRK ; oben E. 4.2). Diese haben denn auch das kantonale Verfahren angestrengt. Ein Kopftuchverbot an der Schule brächte die Schülerinnen in den Konflikt, entweder einem staatlichen oder einem religiösen, durch ihre Herkunft und die Familie vermittelten Gebot zuwiderhandeln zu müssen. Solche Spannungen können die betroffenen Kinder stark belasten und dem Kindeswohl entgegenstehen ( Art. 3 KRK ; BGE 119 Ia 178 E. 8a S. 194; BGE 117 Ia 311 E. 4b S. 318; BGE 114 Ia 129 E. 5b S. 137 f.; ebenso KELLER/BÜRLI, a.a.O., S. 106; KÄLIN/WYTTENBACH, BGE 139 I 280 S. 286 Schulischer Bildungsauftrag und Grund- und Menschenrechte von Angehörigen religiös-kultureller Minderheiten, AJP 2005 S. 315 ff., 322 f.; PAHUD DE MORTANGES/TAPPENBECK, Religionsfreiheit und religiöse Neutralität in der Schule, AJP 2007 S. 1401 ff., dort 1410). Das generelle Verbot, das Kopftuch auf dem Schulareal zu tragen, wirkt sich zudem - entsprechend der täglichen Präsenz in der Schule - massgeblich auf den Lebensalltag der Beschwerdegegnerinnen aus. Für die Schülerinnen stellt daher ein generelles Verbot, das Kopftuch während des Unterrichts zu tragen, einen schweren Eingriff in das Grundrecht der Glaubens- und Gewissensfreiheit dar (vgl. BGE 114 Ia 129 E. 5b S. 137 f.). Das verfügte Verbot bedurfte demnach einer Grundlage in einem formellen Gesetz. 5.3 Die Beschwerdeführerin bringt vor, sie könne das Verbot, das Kopftuch zu tragen, als Verhaltensvorschrift für Schülerinnen im besonderen Rechtsverhältnis direkt aus den allgemeinen Zweckartikeln im Volksschulgesetz als Gesetz im formellen Sinne (§ 2 und 4 VSG/TG) sowie den Bestimmungen zu Unterricht und Schulpflicht in § 30 ff. ableiten. Entgegen den Erwägungen der Vorinstanz brauche ein solches Verbot im Sonderstatusverhältnis nicht ausdrücklich auf kantonaler Ebene ausformuliert zu sein, um als gesetzliche Grundlage für die Einschränkung der Glaubens- und Gewissensfreiheit zu genügen. 5.3.1 Wie die Beschwerdeführerin geltend macht, stehen die beiden Schülerinnen als Anstaltsbenutzerinnen in einer besonders engen Rechtsbeziehung zum Staat (sogenanntes Sonderstatus- oder besonderes Rechtsverhältnis). Diese sind gehalten, die Anordnungen der Schulbehörde und der Lehrerschaft zu befolgen und haben alles zu unterlassen, was den geordneten Schulbetrieb beeinträchtigen könnte. Ein solches Interesse am geordneten Schulbetrieb kann die privaten Interessen der Schülerinnen und Schüler einschränken (vgl. hierzu BGE 135 I 79 E. 6.5 S. 86; BGE 129 I 12 E. 8.3 S. 22; Urteile 2C_724/2011 vom 11. April 2012 E. 3.1 f.; 2C_666/2011 vom 7. März 2012 E. 2.5.3; 2P.372/1993 vom 23. Februar 1995 E. 3b; vgl. auch MARKUS MÜLLER, Das besondere Rechtsverhältnis, 2003, S. 63; TOBIAS JAAG, Rechtsfragen der Volksschule, insbesondere im Kanton Zürich, ZBl 1997 S. 537 ff., 544). Personengruppen, die in einer besonders engen Rechtsbeziehung stehen, sind ebenfalls in ihrer Glaubens- und Gewissensfreiheit geschützt; die Anforderungen an Normstufe und Normdichte der Eingriffsgrundlage sind jedoch dann weniger streng, wenn Grundrechtseinschränkungen infrage stehen, die sich BGE 139 I 280 S. 287 in voraussehbarer Weise aus dem Zweck des Sonderstatusverhältnisses ergeben ( BGE 135 I 79 E. 6.2 S. 85; BGE 129 I 12 E. 8.5 S. 24; BGE 123 I 296 E. 3 S. 303 f.; BGE 98 Ib 301 E. 2a S. 305; vgl. auch Urteil 2C_165/2011 vom 24. Juni 2011 E. 3.3; MÜLLER, a.a.O., S. 33; vgl. auch KELLER/SCHÄDLER, Freiheitsrechte im Strafvollzug - Plädoyer für die Abkehr vom Sonderstatus, ZSR 2013 S. 195 ff., dort 201). 5.3.2 Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin lässt sich aus den Zweckartikeln des Volksschulgesetzes keine Befugnis zu einem entsprechenden Grundrechtseingriff im besonderen Rechtsverhältnis ableiten: Nach den Zweckartikeln fördert die Schule die geistigen, seelischen und körperlichen Fähigkeiten der Kinder; sie will die Kinder in Ergänzung zum Erziehungsauftrag der Eltern nach christlichen Grundsätzen und demokratischen Werten zu selbstständigen, lebenstüchtigen Persönlichkeiten und zu Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Mitmenschen und der Umwelt erziehen (§ 2 VSG/TG). Dabei soll namentlich die Chancengleichheit angestrebt und den besonderen Bedürfnissen der Kinder Rechnung getragen werden (§ 4 VSG/TG). Gestützt auf diese Bestimmungen und den Bestimmungen zum Unterricht und der Schulpflicht in § 30 ff. VSG/TG kann - vor dem Hintergrund der Berechenbarkeit und Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns sowie der rechtsgleichen Rechtsanwendung - kein Verbot des Tragens des Kopftuches aus religiösen Gründen abgeleitet werden; insbesondere bleibt rechtlich, aber auch gesellschaftspolitisch offen, ob die Chancengleichheit mittels eines Kopftuchverbots gewahrt oder gerade hierdurch beeinträchtigt wird (vgl. hierzu etwa im Kontext der Einbürgerung BGE 134 I 49 E. 3.2 S. 53 ff.; vgl. hinsichtlich der Vermittlung von Bildungsinhalten KÄLIN/WYTTENBACH, a.a.O., S. 322 f.). Die infrage stehenden Grundrechtsbeschränkungen lassen sich nicht in vorhersehbarer Weise aus den genannten Zweckbestimmungen (§ 2 und 4 VSG/TG) und den Zielen des Sonderstatusverhältnisses herleiten (vgl. oben E. 5.1; BGE 139 I 16 E. 4.3.2 S. 26; BGE 125 I 361 E. 4a S. 364; vgl. Urteil 2C_828/2011 vom 12. Oktober 2012 E. 4.3.2; vgl. MÜLLER, a.a.O., S. 31 ff., dort 33; vgl. PIERRE TSCHANNEN, Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 3. Aufl. 2011, § 7 N. 104). Die von der Beschwerdeführerin herangezogenen Bestimmungen (§ 2 und 4 VSG/TG) genügen somit der Anforderung an die Normdichte für die infrage stehende Grundrechtseinschränkung nicht ( Art. 36 Abs. 1 BV ). BGE 139 I 280 S. 288 5.4 Die Beschwerdeführerin macht weiter geltend, sie - bzw. ihre Schulbehörde als ausführendes Organ (§ 63 VSG/TG) - könne gestützt auf die ihr übertragene Aufgabe der Organisationsplanung (§ 7 der thurgauischen Verordnung des Regierungsrates vom 11. Dezember 2007 über die Volksschule [VSV/TG; RB 411.111]) eine Schulordnung mit den entsprechenden Regeln für einen geordneten Schulbetrieb erlassen. Die Einzelheiten, hierzu gehörten auch Kleider- sowie Verhaltensvorschriften und damit die Verweigerung des Dispenses vom Kopftuchverbot, könnten auch durch ein Exekutivorgan geregelt werden. 5.4.1 Die Vorinstanz anerkennt, dass die Beschwerdeführerin zum Erlass eines Schulreglements ermächtigt ist: Den Schulgemeinden obliegt die Organisationsplanung, welche die Reglementierung einer Schulordnung mitumfasst (§ 11 ff. VSG/TG i.V.m. § 6 und 7 VSV /TG). Die Schulbehörde ist das Exekutivorgan der Schulgemeinde und für die "Entscheide gemäss Schulgesetzgebung" zuständig. Diese Kompetenz wurde ihr vom kantonalen Gesetzgeber durch ein formelles Gesetz übertragen (§ 63 VSG/TG). Die Schulbehörde hat ihrerseits die Kompetenz zum Erlass der Schulordnung ("Schul-ABC") an die Schulleitung als unterem Exekutivorgan übertragen (§ 63 i.V.m. § 56 Abs. 1 VSG/TG und § 7 VSV /TG; vgl. auch Art. 16 des von der Volksschulgemeindeversammlung Bürglen [dem kommunalen Legislativorgan] erlassenen Organisationsreglements vom 14. März 2005; § 34 des thurgauischen Gesetzes vom 5. Mai 1999 über die Gemeinden). Die Beschwerdeführerin bzw. ihre Schulleitung darf demnach die Rechte und Pflichten in den örtlichen Schulbetrieben sowie nach Bedarf weitere schulbezogene Pflichten der Schülerinnen und Schüler in der Schulordnung regeln, soweit damit (bereits) im Gesetz statuierte Rechte und Pflichten näher ausgeführt werden. Wenn die Beschwerdeführerin daher im Rahmen der Regelung der örtlichen Verhältnisse gewisse Ordnungsvorschriften vorsieht, wie das Verbot des Tragens von Sonnenbrillen etc. während des Schulunterrichts, so ist dies in Übereinstimmung mit den Erwägungen der Vorinstanz zulässig, zumal sich die Schülerinnen und Schüler in einem Sonderstatusverhältnis befinden (vgl. oben E. 5.3.1). 5.4.2 Indem diese Ordnungsvorschrift das Verbot des Tragens des Kopftuches aus religiösen Gründen mit einschliesst, greift sie gleichermassen in den Schutzbereich der Glaubens- und Gewissensfreiheit der Beschwerdegegnerinnen ein (oben E. 4.2). Eine BGE 139 I 280 S. 289 Kompetenz zur Regelung von schweren Eingriffen in die Glaubens- und Gewissensfreiheit lässt sich jedoch entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht auf die den Exekutivorganen der Schulgemeinde übertragenen Regelungskompetenzen stützen. Die von ihr herangezogenen Organisationsbestimmungen des Volksschulgesetzes und die Delegationsnorm (§ 63 VSG/TG) regeln in keiner Weise die Einschränkung der Glaubens- und Gewissensfreiheit. Damit fällt auch die Subdelegation solcher - mit Blick auf den Grundrechtseingriff gewichtigen - Einschränkungen an die Schulleitung ausser Betracht (vgl. allgemein zu den Delegationsanforderungen der Legislative an die Exekutive BGE 137 II 409 E. 6.3 S. 413; BGE 136 I 1 E. 5.3.1 S. 13; BGE 131 II 13 E. 6.4.4 S. 29; BGE 130 I 26 E. 5.1 S. 43; BGE 128 I 113 E. 3c S. 122). Der hier zu beurteilende Grundrechtseingriff beruht demnach auf einer unzulässigen Gesetzesdelegation; das Schulreglement genügt den Anforderungen an die Normstufe nicht ( Art. 36 Abs. 1 BV ; oben E. 5.1). 5.5 Die Beschwerdeführerin verweist schliesslich auf BGE 123 I 296 ff. In diesem Urteil hatte das Bundesgericht die in der Staatsordnung von Genf verankerte strikte Trennung von Staat und Kirche und das Neutralitätsgebot der Schulen als genügende gesetzliche Grundlage angesehen, um einer in der öffentlichen Primarschule tätigen Lehrerin das Tragen des Kopftuches aus religiösen Gründen zu verbieten ( Art. 27 Abs. 2 und 3 aBV [heute Art. 15 Abs. 4 BV ]; BGE 123 I 296 E. 3 und 4b/bb S. 304 f. und 308 ff.; Art. 164 ff. der Kantonsverfassung des Kantons Genf vom 24. Mai 1847 [SR 131. 234]; Art. 6 loi cantonale du 6 novembre 1940 sur l'instruction publique [LIP/GE; RSG C 1 10]; vgl. auch den Entscheid des EGMR Lucia Dahlab gegen die Schweiz vom 15. Februar 2001, Nr. 42393/98, in: VPB 65.140 ). Wenn sich die Beschwerdeführerin gestützt auf diesen Entscheid auf den Standpunkt stellt, dies gelte für die Schülerinnen gleichermassen, so kann ihr nicht gefolgt werden: 5.5.1 Die Regelung im Kanton Genf, welche auf der Tradition des Laizismus beruht (zur Entstehungsgeschichte TRISTAN ZIMMERMANN, La laïcité et la République et Canton de Genève, SJ 2011 II S. 29 ff., dort 60 ff.; vgl. auch die Rechtsprechung des EGMR zu Kopftuchtragverboten von Schülerinnen und Studentinnen: Kervanci/Dogru gegen Frankreich vom 4. Dezember 2008, Nr. 31645/04 und 27058/05, BGE 139 I 280 S. 290 § 17 ff. und 49 ff., mit Hinweisen auf die langjährige Tradition des Laizismus in Frankreich; Sahin gegen die Türkei vom 10. November 2005, Nr. 44774/98, § 29 und 30 ff. mit Hinweisen auf die Tradition des Laizismus/Kemalismus in der Türkei), hatte ausschliesslich die Lehrpersonen im Auge, nicht aber die Schülerinnen oder Studentinnen, deren religiöse Überzeugung nach dem Genfer Gesetz gerade geschützt werden sollte ("L'enseignement public garantit le respect des convictions politiques et confessionnelles des élèves et des parents"; vgl. BGE 123 I 296 E. 3 S. 304; Art. 6 LIP/GE; vgl. auch ZIMMERMANN, a.a.O., S. 73). 5.5.2 Die Beschwerdeführerin verkennt überdies die Tragweite und den Adressaten des Neutralitätsgebots für öffentliche Schulen: Die Glaubens- und Gewissensfreiheit enthält eine Verpflichtung des Staates zu religiöser und konfessioneller Neutralität ( Art. 15 Abs. 4 BV ; BGE 135 I 79 E. 7.2 S. 89; BGE 125 I 347 E. 3 S. 354 ff.; BGE 124 I 247 E. 7b S. 253; BGE 123 I 296 E. 4b/bb S. 308); niemand darf gezwungen werden, eine religiöse Handlung vorzunehmen oder religiösem Unterricht zu folgen ( BGE 134 I 75 E. 4.1 S. 77; vgl. Urteile 2C_897/2012 vom 14. Februar 2013 E. 3.2; 2C_724/2011 vom 11. April 2012 E. 3.1). Der Grundsatz der Neutralität verbietet daher die Ausrichtung des Unterrichts zugunsten oder zuungunsten einer oder mehrerer Religionen, da Überzeugungen der Lehrerin oder des Lehrers je nach Intensität und Alter der Kinder einen gewissen Einfluss auszuüben vermögen ( BGE 125 I 347 E. 3a S. 354 f.; BGE 116 Ia 252 E. 6b S. 261). Die öffentlichen Schulen und die für sie handelnden Lehrpersonen sind somit zu Neutralität und konfessioneller Gleichbehandlung verpflichtet, damit aber nicht (auch) die Benutzer: Im Gegensatz zur Schule sind Schülerinnen und Schüler - jedenfalls solange sie durch ihre Grundrechtsausübung die Grundrechte Dritter nicht in unzulässiger Weise beeinträchtigen - keiner Neutralitätspflicht unterworfen (vgl. BGE 123 I 296 E. 2a und 4b/aa S. 300 und 308 mit Verweis auf BGE 119 Ia 178 E. 7a S. 190; vgl. KIENER/KÄLIN, a.a.O., S. 270 f.; KARLEN, a.a.O., S. 322 f.; MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte in der Schweiz, 2008, S. 277). 5.6 Das Verbot des Tragens des Kopftuches aus religiösen Gründen beruht demnach weder auf einer genügenden und ausreichend bestimmten Gesetzesgrundlage, noch wird es von der Regelungskompetenz der Schule abgedeckt. Ebenso wenig kann es aus dem Neutralitätsgebot der öffentlichen Schule selbst ( Art. 15 Abs. 4 BV ) abgeleitet werden. Die verfassungsmässigen Voraussetzungen für BGE 139 I 280 S. 291 die Einschränkungen der Glaubens- und Gewissensfreiheit der beiden Schülerinnen sind demnach, wie die Vorinstanz zurecht festhält, nicht gegeben. Das Vorgehen der Gemeinde ermangelt einer gesetzlichen Grundlage ( Art. 5 und 36 Abs. 1 BV ). Es erübrigt sich, die Frage der Grundrechtskonformität des Eingriffs an dieser Stelle vollständig zu prüfen ( Art. 36 Abs. 2 und 3 BV ).
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2,013
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Urteilskopf 80 II 94 14. Verfügung des Präsidenten der II. Zivilabteilung vom 13. Januar 1954 i.S. Pimea S. à r. l. gegen Kündig.
Regeste Kostenversicherungspflicht nach Art. 150 Abs. 2 OG wegen Fehlens eines schweizerischen Wohnsitzes. Eine in Algerien domizilierte Gesellschaft. m.b.H. ist von dieser Pflicht weder durch die Internationale Übereinkunft betreffend Zivilprozessrecht vom 17. Juli 1905 (Art. 17 und 26) noch durch den schweizerisch-französischen Gerichtsstandsvertrag vom 15. Juni 1869 (Art. 13) befreit.
Sachverhalt ab Seite 94 BGE 80 II 94 S. 94 Auf das Gesuch des Berufungsbeklagten, die Berufungsklägerin mit Sitz in Oran sei zu angemessener Sicherstellung für eine ihm allenfalls zuzusprechende Parteientschädigung anzuhalten, hat der Präsident Erwägungen in Erwägung: dass die im Auslande domizilierte Klägerin nach Art. 150 Abs. 2 OG sicherstellungspflichtig ist; dass diese Pflicht weder durch die Internationale Übereinkunft betreffend Zivilprozessrecht vom 17. Juli 1905, noch durch den schweizerisch-französischen Gerichtsstands vertrag vom 15. Juni 1869 ausgeschlossen wird; dass die Internationale Übereinkunft nach ihrem Art. 26 Abs. 1 nur auf die europäischen Gebiete der Vertragsstaaten ohne weiteres anwendbar ist und Frankreich das Anwendungsgebiet nicht im Sinne von Abs. 2 daselbst BGE 80 II 94 S. 95 auf Algerien erweitert hat, weshalb Art. 17 Abs. 1 IUe nicht zugunsten der in Oran (Algerien) domizilierten Klägerin Platz greifen kann; dass Art. 17 Abs. 2 IUe allerdings Abkommen vorbehält, die eine Kautionsbefreiung ohne Rücksicht auf den Wohnsitz gewähren; dass dies bei Art. 13 des schweizerisch-französischen Gerichtsstandsvertrages zutrifft, der nur die Nationalität in Betracht zieht und auch auf juristische Personen anwendbar ist (BGE 15 S. 578/9, 41 I 209 E. 2, 48 I 90 E. 2); dass diese Bestimmung aber in anderer Hinsicht weniger weit geht als Art. 17 IUe (vgl. SCHURTER und FRITZSCHE, Zivilprozessrecht I 590 ff., undBGE 57 II 584), indem sie die Franzosen vor schweizerischen Gerichten nur von solchen Gebühren, Kautionen und Hinterlagen befreit, die von Schweizerbürgern nicht zu entrichten sind; dass im Ausland wohnende Schweizerbürger der Kautionspflicht nach Art. 150 Abs. 2 OG gleichfalls unterstehen, weshalb sich aus Art. 13 des Gerichtsstandsvertrages keine Befreiung von dieser Pflicht für die Klägerin herleiten lässt, vorausgesetzt auch, die französische Nationalität komme ihr zu (worüber vgl. die Rubrik "nationalité des sociétés" bei DALLOZ, Nouveau répertoire de droit, tome IV, s. v. société, nos 1585-1587); dass der Betrag der Sicherheit angemessen auf Fr. 300.-- zu bestimmen ist; Dispositiv verfügt: Die Klägerin hat bis zum 15. Februar 1954 bei der Bundesgerichtskasse als Sicherheit für eine dem Beklagten allenfalls zustehende Parteientschädigung einen Betrag von Fr. 300.-- zu hinterlegen. Bei Nichtleistung binnen der angesetzten Frist würde auf die Berufung nicht eingetreten ( Art. 150 Abs. 4 OG ).
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1,954
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01371e3b-acd9-4757-a4dc-2a2bf4f81a67
Urteilskopf 87 IV 144 34. Auszug aus dem Entscheid der Anklagekammer vom 17. Oktober 1961 i.S. Steiger gegen Amtsstatthalteramt Luzern-Stadt und Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau.
Regeste Art. 264 BStP . Im Verfahren zur Bestimmung des Gerichtsstandes finden hinsichtlich der Gerichtskosten die Bestimmungen des Organisationsgesetzes, insbesondere Art. 153 und 156, Anwendung.
Erwägungen ab Seite 145 BGE 87 IV 144 S. 145 Nach Art. 149 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege finden die Vorschriften dieses Gesetzes über die Gerichtskosten nur Anwendung auf die Zivil-, Staats-, Verwaltungs- und Disziplinarrechtspflege, während in Strafsachen die Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Bundesstrafrechtspflege massgebend sind. Letztere regeln die Kostenauflage im Strafverfahren vor den eidgenössischen Strafgerichten ( Art. 219 Abs. 3, 228, 245 BStP ) und diejenige im Beschwerdeverfahren vor dem Kassationshof des Bundesgerichtes ( Art. 278 BStP ). Für das in Art. 264 BStP zur Bestimmung des interkantonalen Gerichtsstandes vorgesehene Verfahren vor der Anklagekammer des Bundesgerichtes wird jedoch die Frage der Kosten in keinem der beiden Gesetze ausdrücklich geordnet. Diese Lücke ist nicht zufällig. Als anlässlich der Revision von 1934 die Gerichtsstandsbestimmungen des Entwurfes zum eidgenössischen Strafgesetzbuch in das Gesetz über die Bundesstrafrechtspflege aufgenommen wurden, übertrug der Gesetzgeber gleichzeitig die Kompetenz zur Entscheidung von Gerichtsstandskonflikten in Bundesstrafsachen der Anklagekammer des Bundesgerichtes (Art. 260-264 in der Fassung vom 15. Juni 1934). Zweck dieser Neuerung war, das Verfahren zur Beilegung solcher Gerichtsstandsstreitigkeiten gegenüber dem bisher erforderlichen Weg des staatsrechtlichen Rekurses einfacher und rascher zu gestalten (Botschaft des Bundesrates vom 10. September 1929, Votum Stämpfli in der ständerätlichen Kommission vom 18. Oktober 1932). Darauf ist zurückzuführen, dass die Kostenfrage in den Gesetzesberatungen übergangen wurde, wie überhaupt die Aufstellung BGE 87 IV 144 S. 146 von Verfahrensvorschriften bewusst abgelehnt wurde in der Meinung, dass die Regelung des Verfahrens ganz der Rechtsprechung der Anklagekammer überlassen bleibe (Protokoll der Expertenkommission vom 26. August 1927; BGE 74 IV 190 in fine). Die Anklagekammer hat, freilich ohne dafür eine nähere Begründung zu geben, von jeher die Kostenbestimmungen des OG, insbesondere Art. 153 und 156, als anwendbar erklärt (vgl. BGE 74 IV 191 , BGE 86 IV 195 Erw. 3, BGE 87 IV 48 ). Diese Lösung war gegeben, nicht nur, weil die Anklagekammer in der Beurteilung von Gerichtsstandsstreitigkeiten in Bundesstrafsachen an die Stelle der staatsrechtlichen Abteilung getreten ist (vgl. BGE 41 I 306 , BGE 44 I 80 , BGE 47 I 83 , BGE 57 I 194 ), sondern namentlich aus der Überlegung, dass Streitigkeiten zwischen Kantonen über den bundesrechtlichen Gerichtsstand, welcher der Abgrenzung der Gerichtshoheit der Kantone dient, staatsrechtliche sind, gleichgültig, welcher Art das materielle Recht ist, das der zuständige Sachrichter anzuwenden hat ( Art. 84 Abs. 1 lit. d OG ). Daran ändert nichts, dass die staatsrechtliche Beschwerde gemäss Art. 84 Abs. 2 OG subsidiäres Rechtsmittel ist; solange die Anklagekammer nach Art. 264 BStP angerufen werden kann, ist übrigens jedes andere eidgenössische Rechtsmittel gegen die Verletzung bundesrechtlicher Zuständigkeitsvorschriften in Strafsachen ausgeschlossen ( BGE 73 IV 54 , BGE 76 IV 114 , BGE 80 I 265 ). Gerichtsstandskonflikte gemäss Art. 351 StGB und Art. 262 ff. BStP sind somit ihrer Natur nach nicht Strafsachen im Sinne von Art. 149 OG . Die Vorschriften des BStP über die Prozesskosten sind zudem auf die Bedürfnisse des Strafprozesses zugeschnitten, und auch deswegen wären die Bestimmungen des OG, welche dem Charakter der Gerichtsstandsstreitigkeiten besser Rechnung tragen, vorzuziehen. Mit der Frage des interkantonalen Gerichtsstandes müssen sich die Strafverfolgungsbehörden von Amtes wegen befassen, wobei sie Vermögensinteressen regelmässig nicht zu wahren haben. Hiezu kommt, dass die BGE 87 IV 144 S. 147 örtliche Zuständigkeit nicht bloss oft zweifelhaft ist, sondern von der Anklagekammer auch anders als nach den gesetzlichen Vorschriften bestimmt werden kann. Es ist deshalb angebracht, der unterliegenden Partei in der Regel keine Kosten aufzuerlegen ( Art. 156 Abs. 2, Art. 154 Abs. 2 OG ), es sei denn, die Anrufung der Anklagekammer erfolge missbräuchlich.
null
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1,961
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0137296a-f018-44df-93e4-289e68877d5b
Urteilskopf 121 V 178 27. Auszug aus dem Urteil vom 28. Februar 1995 i.S. L. gegen Schweizerische Unfallversicherungsanstalt und Obergericht des Kantons Zürich
Regeste Art. 45 Abs. 2 lit. b VwVG , Art. 85 Abs. 2 lit. a AHVG , Art. 108 Abs. 1 lit. a UVG , Art. 30bis Abs. 3 lit. a KUVG , Art. 106 Abs. 2 lit. a MVG . Zwischenverfahren betreffend den Ausstand von Gerichtspersonen im kantonalen Beschwerdeverfahren sind grundsätzlich kostenfrei. Art. 134 OG . Regeln für die Kostenpflicht im Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht, wenn sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen eine kantonale Zwischenverfügung richtet, die in einem Leistungsprozess ergangen ist.
Erwägungen ab Seite 178 BGE 121 V 178 S. 178 Aus den Erwägungen: 3. Zu prüfen bleibt, ob der angefochtene Entscheid insoweit vor Bundesrecht standhält, als dem Gesuchsteller Verfahrenskosten in Höhe BGE 121 V 178 S. 179 von Fr. 422.-- (bestehend aus einer Staatsgebühr von Fr. 300.--, Schreibgebühren von Fr. 84.-- sowie Zustellgebühren und Porti von Fr. 38.--) auferlegt worden sind. a) Nach Art. 108 Abs. 1 lit. a UVG ist das Verfahren vor dem kantonalen Versicherungsgericht für die Parteien kostenlos; einer Partei, die sich leichtsinnig oder mutwillig verhält, können jedoch eine Spruchgebühr und die Verfahrenskosten auferlegt werden. Die vom Beschwerdeführer mit dem Ablehnungsbegehren eingeleitete Prozessführung kann nicht als leichtsinnig oder mutwillig qualifiziert werden (vgl. hiezu BGE 112 V 334 Erw. 5; RKUV 1989 Nr. U 81 S. 386 Erw. 3). Es stellt sich daher lediglich die Frage, ob das Zwischenverfahren, welches mit dem Beschluss der Verwaltungskommission des Obergerichts vom 24. Juni 1994 endete, unter die grundsätzliche Kostenfreiheit fällt, wie sie nach Art. 108 Abs. 1 lit. a UVG für das Beschwerdeverfahren vor dem kantonalen Versicherungsgericht gilt. b) In BGE 111 V 51 ff. hat das Eidg. Versicherungsgericht zur analogen Bestimmung von Art. 85 Abs. 2 lit. a AHVG (vgl. auch Art. 106 Abs. 2 lit. a MVG und Art. 30bis Abs. 3 lit. a KUVG ) festgestellt, dass sich der Grundsatz der Kostenfreiheit auf das Beschwerdeverfahren beschränkt und auf das kantonale Revisionsverfahren ( Art. 85 Abs. 2 lit. h AHVG ) nicht anwendbar ist. Als massgebend hiefür wurde erachtet, dass Art. 85 Abs. 2 AHVG in seiner ursprünglichen Fassung allein das ordentliche Rechtsmittelverfahren umfasste und mit der auf den 1. Januar 1960 eingeführten lit. h dieser Bestimmung lediglich der Grundsatz der Revisionsmöglichkeit kantonaler Entscheide im Bundesrecht verankert werden sollte. Dagegen spricht nichts dafür, dass mit der Einfügung von lit. h der Bestimmung die Absicht verbunden gewesen wäre, das kantonale Revisionsverfahren auch den - soweit angesichts grundsätzlicher prozessualer Unterschiede überhaupt anwendbaren - bundesrechtlichen Vorschriften über das Beschwerdeverfahren, insbesondere dem Grundsatz der Kostenlosigkeit zu unterwerfen ( BGE 111 V 53 Erw. 4b). Anders als das Revisionsgesuch stellt das hier streitige Ablehnungsbegehren kein ausserordentliches Rechtsmittel dar (vgl. hiezu GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., S. 229 f.). Das Begehren wurde im Rahmen des ordentlichen Beschwerdeverfahrens eingereicht und von der kantonalen Instanz mit Zwischenverfügung im Sinne von Art. 96 UVG in Verbindung mit Art. 45 Abs. 2 lit. b VwVG beurteilt. Das mit Entscheid vom 24. Juni 1994 abgeschlossene Zwischenverfahren bildet Teil des gegen den Einspracheentscheid der SUVA vom 10. November 1993 erhobenen BGE 121 V 178 S. 180 Beschwerdeverfahrens. Es fällt daher unter die Verfahrensregeln von Art. 108 Abs. 1 UVG und damit auch unter den Grundsatz der Kostenlosigkeit des Verfahrens nach lit. a dieser Bestimmung. Hieran ändert nichts, dass nach dem kantonalen Recht nicht das Versicherungsgericht selbst, sondern das Obergericht bzw. dessen Verwaltungskommission über das Ablehnungsbegehren entscheidet. Diese Verfahrensordnung verstösst zweifellos nicht gegen Bundesrecht. Sie entbindet die für solche Zwischenentscheide zuständige kantonale Gerichtsbehörde indessen nicht davon, den in Art. 108 Abs. 1 lit. a UVG normierten bundesrechtlichen Grundsatz der Kostenlosigkeit des Beschwerdeverfahrens zu beachten. Der angefochtene Entscheid ist daher aufzuheben, soweit dem Gesuchsteller damit Kosten auferlegt wurden. 4. a) Im Gegensatz zum kantonalen Beschwerdeverfahren nach Art. 108 Abs. 1 UVG ist das Verfahren vor dem Eidg. Versicherungsgericht nur kostenfrei, wenn es um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen geht ( Art. 134 OG ). Ob das Verfahren Versicherungsleistungen zum Gegenstand hat, beurteilt sich nach dem Anfechtungsgegenstand. Richtet sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen eine kantonale Zwischenverfügung, die in einem Leistungsprozess ergeht, so ist das Verfahren kostenlos, wenn die Zwischenverfügung mit der Abklärung des Leistungsanspruchs zusammenhängt (z.B. Beweisverfügungen) oder wenn sie die aufschiebende Wirkung der Beschwerde bzw. vorsorgliche Massnahmen betrifft. Dagegen ist die Kostenpflicht zu bejahen, wenn es um rein prozessrechtliche Fragen (z.B. Kostenvorschusspflicht, Sistierung des Verfahrens, Ausstand von Gerichtspersonen, Wiederherstellung einer Frist) geht. b) Im vorliegenden Fall beschränkt sich der Anfechtungsgegenstand auf die rein prozessrechtlichen Fragen nach dem Vorliegen eines Ablehnungsgrundes und nach der Kostenpflicht im kantonalen Verfahren, weshalb das Verfahren vor dem Eidg. Versicherungsgericht kostenpflichtig ist ( Art. 134 OG e contrario). Entsprechend dem Ausgang des Prozesses werden die Kosten je zur Hälfte dem Beschwerdeführer und der SUVA auferlegt.
null
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1,995
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013934f8-d06f-4f7f-9161-597f34f58b7e
Urteilskopf 139 III 13 3. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause H.X. et F.X. contre Z. SA (recours en matière civile) 4A_491/2012 du 6 décembre 2012
Regeste Art. 269a und 270 OR ; Miete; Anfechtung des Anfangsmietzinses für Wohnräume, die sich in einer älteren Baute befinden. Verteilung der Beweislast bei Anfechtung des Anfangsmietzinses, wenn es um die Überprüfung der vom Vermieter im vorgeschriebenen Formular angerufenen Vergleichsmietzinse geht (E. 3.1). Pflicht des Vermieters, Gegenbeweise anzubieten, wenn sich die Erhöhung des Anfangsmietzinses im Vergleich zum vorhergehenden Mietzins unter Berücksichtigung der Wirtschaftskonjunktur nicht rechtfertigen lässt (E. 3.2 und 3.3). Festsetzung des neuen Mietzinses (E. 3.4 und 3.5).
Erwägungen ab Seite 14 BGE 139 III 13 S. 14 Extrait des considérants: 3. Les recourants font valoir que l'on peut déjà déduire implicitement de l'arrêt 4A_573/2008 du 24 avril 2009, rendu dans la même affaire, que c'est au bailleur de supporter le fardeau de la preuve des loyers usuels dans le cadre d'une contestation du loyer initial, puisque le Tribunal fédéral a enjoint l'autorité cantonale de compléter l'instruction au sujet des objets de comparaison produits par la bailleresse, alors que les locataires n'ont produit pour leur part aucun élément comparatif. Ils affirment que la question du fardeau de la preuve des loyers usuels doit être résolue de la même façon, que le locataire conteste son loyer initial ou qu'il conteste une hausse de loyer en cours de bail. Or, si le bailleur augmente unilatéralement le loyer pendant le bail, il lui appartient de prouver le bien-fondé de la hausse. Les recourants soutiennent que la preuve des loyers du quartier est impossible à apporter pour les locataires, alors que, de son côté, le bailleur, qui augmente le montant du loyer initial, est supposé avoir au préalable effectué des recherches comparatives pour justifier le nouveau loyer. Il serait dès lors légitime de faire supporter au bailleur le fardeau de la preuve. En effet, si l'on a affaire, comme dans le cas présent, à un immeuble ancien, construit en 1961, un calcul de rendement est impossible, si bien que le bailleur pourrait alors augmenter abusivement le loyer à chaque changement de locataire en se prévalant des loyers usuels, tout en sachant que le locataire ne parviendrait pas à établir les loyers du quartier. 3.1 3.1.1 Il résulte des faits déterminants ( art. 105 al. 1 LTF ) que les parties sont liées depuis le 15 avril 2006 par un contrat de bail à loyer BGE 139 III 13 S. 15 conclu le 17 mars 2006, portant sur un appartement de cinq pièces sis dans un bâtiment construit à l'avenue de (...) à Pully. Le loyer initial a été notifié le 14 mars 2006 par la bailleresse aux locataires au moyen d'une formule officielle. La formule officielle dont il est question ici a pour but d'informer le locataire qu'il a la possibilité de saisir l'autorité de conciliation pour contester le montant du loyer en lui fournissant toutes les indications utiles, exigées par l'art. 19 de l'ordonnance du 9 mai 1990 sur le bail à loyer et le bail à ferme d'habitations et de locaux commerciaux (OBLF; RS 221.213.11) ( ATF 137 III 547 consid. 2.3 p. 548). L'usage de la formule officielle lors de la conclusion d'un nouveau contrat de bail d'habitations a été rendu obligatoire par le canton de Vaud sur son territoire, en application de l' art. 270 al. 2 CO (art. 1 et 3 de loi vaudoise du 7 mars 1993 sur l'utilisation d'une formule officielle au changement de locataire [LFOCL; RSV 221.315]). Il n'est plus contesté que les recourants pouvaient invoquer, pour s'en prendre au loyer initial, l'augmentation sensible en rapport avec le loyer versé par le précédent locataire ( art. 270 al. 1 let. b CO ). En effet, le loyer net payé par les recourants pour l'appartement est supérieur de 43,61 % à celui de l'ancien locataire. Or il est de jurisprudence que l'augmentation est sensible si elle excède déjà dix pour cent ( ATF 136 III 82 consid. 3.4 p. 89). 3.1.2 La formule officielle établie le 14 mars 2006 indiquait, conformément à l' art. 19 al. 3 OBLF , singulièrement le montant du loyer du précédent locataire et celui du nouveau loyer; elle précisait aussi que la hausse du loyer initial reposait sur le critère des loyers usuels instauré par l' art. 269a let. a CO . La majoration entrant en ligne de compte n'est donc pas nulle au regard de l' art. 269d al. 2 let. a CO , par renvoi de l' art. 270 al. 2 CO . La bailleresse a adressé aux locataires, le 27 mars 2006, une seconde formule officielle, qui reprenait le critère des loyers usuels, mais y ajoutait un motif tiré de la réalisation de travaux à plus-value. Cette motivation est nulle, car elle mêle les notions de loyer du marché ( art. 269a let. a CO ) et de loyer fondé sur les coûts ( art. 269a let. b CO ), lesquelles sont antinomiques (cf. ATF 121 III 6 consid. 3b et 3c). Il est constant que les recourants ont saisi la commission de conciliation en temps utile ( art. 270 al. 1 CO ). L' art. 270 al. 1 CO ne règle que les conditions formelles à la contestation du loyer initial. Les critères matériels permettant de juger du BGE 139 III 13 S. 16 bien-fondé d'une demande de baisse du loyer initial se trouvent aux art. 269 et 269a CO ( ATF 120 II 240 consid. 2 p. 243). Dans la formule officielle valable de notification du loyer initial, l'intimée s'est prévalue des loyers usuels dans le quartier ( art. 269a let. a CO ) pour justifier la hausse du loyer par rapport à celui payé par le précédent locataire. Selon la jurisprudence, le nouveau locataire peut raisonnablement admettre que seuls les motifs invoqués par le bailleur dans la formule officielle ont entraîné une augmentation du montant de son loyer initial par rapport à celui du précédent loyer. La bonne foi du nouveau locataire mérite d'être protégée ( ATF 121 III 364 consid. 4b p. 367). Ce précédent a été approuvé par la doctrine récente (PETER HEINRICH, in Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, 2 e éd. 2012, n° 5 ad art. 270 CO ; BURKHALTER/MARTINEZ-FAVRE, Le droit suisse du bail à loyer, commentaire, 2011, n° 28 ad art. 270 CO p. 594; DAVID LACHAT, Le bail à loyer [ci-après: Bail], 2008, ch. 2.3.3 p. 394; ROGER WEBER, in Basler Kommentar, Obligationenrecht, vol. I, 5 e éd. 2011, n° 13 ad art. 270 CO ; TERCIER/FAVRE, Les contrats spéciaux, 4 e éd. 2009, ch. 2644 p. 388). Autrement dit, le bailleur est lié par les facteurs de hausse qu'il a mentionnés sur la formule officielle (immutabilité des motifs invoqués par le bailleur). Il suit de là que le juge ne saurait examiner l'admissibilité du loyer initial à la lumière d'autres critères que ceux figurant dans la formule officielle, à moins que le locataire ne réclame, de son côté, un tel examen, qui ne peut alors pas lui être refusé ( ATF 121 III 364 consid. 4b p. 367). In casu, il a été retenu que les recourants ne se sont pas prévalus d'un critère différent de calcul du loyer, de sorte que le cadre du débat judiciaire a été fixé par les indications du bailleur figurant sur la formule officielle (valable). De toute manière, pour les immeubles anciens où il y a impossibilité à établir le rendement excessif faute de connaître les fonds propres entrant dans le calcul du loyer (les pièces comptables n'existent plus ou laissent apparaître des montants qui ne sont plus en phase avec la réalité économique), la hiérarchie des critères absolus est inversée. Ainsi si le loyer initial ne dépasse pas les limites des loyers usuels, il n'est pas considéré comme abusif, sans qu'il se justifie de procéder à un calcul de rendement (arrêts 4A_645/2011 du 27 janvier 2012 consid. 3.2, in SJ 2012 I p. 377; 4A_276/2011 du 11 octobre 2011 consid. 5.2.3, résumé in JdT 2012 II p. 113). Selon la jurisprudence, un immeuble est dit "ancien" s'il a été construit ou acquis il y a plusieurs décennies (arrêts 4A_645/2011 du BGE 139 III 13 S. 17 27 janvier 2012 déjà cité consid. 3.3, in SJ 2012 I p. 377; 4C.323/2001 du 9 avril 2002 consid. 3a in fine, in SJ 2002 I p. 434). Il a été constaté que le bâtiment dans lequel se trouve l'appartement remis à bail aux recourants a été construit en 1961. L'intimée n'a jamais prétendu avoir acquis récemment cet immeuble. Il s'agit donc manifestement d'un immeuble ancien au sens de la jurisprudence susrappelée. Par conséquent, en l'espèce, l'ordre de priorité entre les critères absolus de fixation du loyer instauré par l' ATF 124 III 310 est inversé. En d'autres termes, le loyer initial litigieux doit être déterminé sur la seule base des loyers usuels dans le quartier ( art. 269a let. a CO ). 3.1.3 En cas de contestation du loyer initial, la question de savoir à qui incombe le fardeau de la preuve des loyers usuels dans la localité ou dans le quartier (motif invoqué par le bailleur dans la formule officielle), lorsque le débat judiciaire ne peut sortir de ce cadre en raison de l'ancienneté de l'immeuble, n'a pas encore fait l'objet d'un arrêt de principe publié par le Tribunal fédéral au Recueil officiel (cf. art. 58 al. 1 du Règlement du Tribunal fédéral du 20 novembre 2006 [RTF; RS 173.110.131], pris en application de l' art. 27 al. 3 LTF ). Dans un arrêt 4A_250/2012 du 28 août 2012 consid. 2.3, le Tribunal fédéral a écrit que le locataire qui conteste le loyer initial doit apporter la preuve des faits permettant de constater le caractère abusif du loyer convenu, notamment par la production de statistiques officielles sur les loyers moyens du quartier. Mais ce précédent se rapporte à un bail commercial pour lequel, contrairement aux baux d'habitations, l'usage de la formule officielle n'est pas requis ( ATF 117 Ia 328 consid. 3). 3.1.3.1 A teneur de l' art. 8 CC , chaque partie doit, si la loi ne prescrit le contraire, prouver les faits qu'elle allègue pour en déduire son droit. Cette règle est considérée comme le principe de base de la répartition du fardeau de la preuve en droit privé. Selon la conception dominante, qui suit la théorie des normes (Normentheorie), il en découle en principe que le rapport existant entre les normes matérielles applicables est déterminant pour la répartition du fardeau de la preuve. Ce rapport détermine de cas en cas si le fait à prouver fait naître un droit (fait générateur), s'il éteint ou modifie un droit (fait destructeur) ou s'il tient en échec cette naissance ou cette extinction (fait dirimant). Celui qui fait valoir une prétention doit établir les faits dont dépend la naissance du droit. En revanche, celui qui BGE 139 III 13 S. 18 invoque la perte d'un droit ou qui conteste sa naissance ou son applicabilité a le fardeau de la preuve des faits destructeurs ou dirimants. Il sied cependant d'observer qu'il s'agit là d'une règle générale (Grundregel) qui, d'une part, peut être renversée par des règles légales concernant le fardeau de la preuve et qui, d'autre part, doit être concrétisée dans le cas d'espèce ( ATF 130 III 321 consid. 3.1 p. 323; ATF 128 III 271 consid. 2a/aa p. 273; sur la théorie des normes: PAUL-HENRI STEINAUER, Le Titre préliminaire du Code civil, TDPS vol. II/1, 2009, ch. 695 à 702, p. 261 à 264; HANS-PETER WALTER, in Berner Kommentar, 2012, n os 213-216 et 254 ss ad art. 8 CC ; SCHMID/LARDELLI, in Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, vol. I, 4 e éd. 2010, n os 38 ss ad art. 8 CC ). 3.1.3.2 La problématique de la répartition du fardeau de la preuve en matière de contestation du loyer initial lorsque l'examen porte sur les loyers comparatifs divise la doctrine en deux courants d'importance inégale. Un premier courant, largement majoritaire, prône que c'est au locataire qui requiert la diminution du loyer initial d'en prouver le caractère abusif eu égard aux principes instaurés par l' art. 269a CO et donc de supporter le fardeau de la preuve des loyers usuels, si le terrain judiciaire se limite à ce cadre (HEINRICH, op. cit., n° 4 ad art. 270 CO ; BURKHALTER/MARTINEZ-FAVRE, op. cit., n° 27 ad art. 269a CO et n° 47 ad art. 270 CO ; DAVID LACHAT, in Commentaire romand, Code des obligations, vol. I, 2 e éd. 2012, n° 7 ad art. 270 CO ; WEBER, op. cit., n° 8 ad art. 270 CO ; RICHARD PERMANN, Kommentar zum Mietrecht, 2 e éd. 2007, n° 10 ad art. 269a CO et n° 8 ad art. 270 CO ; LACHAT ET AL., Das Mietrecht für die Praxis, 8 e éd. 2009, ch. 17/2.3.4 p. 291; LACHAT, Bail, op. cit., ch. 2.3.3 p. 394; PIERRE ENGEL, Contrats de droit suisse, 2 e éd. 2000, ch. 3 p. 198; PETER HIGI, Zürcher Kommentar, 1998, n° 79 ad art. 270 CO ; SÉBASTIEN FETTER, La contestation du loyer initial, 2005, p. 234 ch. 511; ISABELLE SALOMÉ DAÏNA, Le caractère abusif du loyer initial: qui doit prouver quoi?, CdB 4/2009 p. 99). Un second courant est d'avis qu'en matière de contestation de la hausse du loyer initial fondée sur les loyers du quartier, il appartient au bailleur, qui s'est prévalu de ce critère dans la formule officielle, d'en apporter la preuve (PATRICIA DIETSCHY, in Droit du bail à loyer, Bohnet/Montini [éd.], 2010, n° 63 ad art. 270 CO p. 960;JEAN-JACQUES SCHWAAB, La fixation et la contestation du loyer initial, in 15 e Séminaire sur le droit du bail, Neuchâtel 2008, ch. 153/154 p. 38; TERCIER/FAVRE, op. cit., ch. 2602 p. 382). BGE 139 III 13 S. 19 Selon le Message du 27 mars 1985 concernant la révision du droit du bail à loyer et du bail à ferme, le fardeau de la preuve concernant le loyer initial qu'il considère abusif est à la charge du locataire (FF 1985 I 1473 in medio). Il convient de préférer l'opinion dominante pour des raisons dogmatiques déduites de la théorie des normes. En effet, l'abus de droit est un fait dirimant, dont le fardeau de la preuve incombe à la partie adverse du titulaire du droit (STEINAUER, op. cit., ch. 709 et la note de bas de page 165, p. 267; SCHMID/LARDELLI, op. cit., n° 63 ad art. 8 CC ). Ainsi, en droit du travail, il a été jugé que la preuve du congé abusif incombait au plaideur qui s'en prévalait ( ATF 123 III 246 consid. 4b). Et, en droit du bail, la jurisprudence a posé qu'il appartenait au destinataire du congé de démontrer que celui-ci contrevenait aux règles de la bonne foi ( ATF 120 II 105 consid. 3c in fine). Il suit de là que le fardeau de la preuve du caractère abusif du loyer initial convenu incombe au locataire quand le bailleur s'est prévalu des loyers usuels, dans la formule officielle, pour justifier la hausse dudit loyer par rapport à celui de l'ancien locataire. 3.1.4 Dans le cas présent, il faut ainsi examiner si les recourants ont apporté la preuve de faits qui permettraient de constater qu'est abusive la différence de quotité entre le loyer initial contesté et celui que versait le précédent locataire du logement. Il résulte de la formule officielle que l'augmentation par rapport au précédent loyer est massive, puisqu'elle dépasse 43 % (cf. consid. 3.1.1 ci-dessus). Or il est notoire que le taux hypothécaire de référence, basé antérieurement sur les taux variables pour les hypothèques des banques cantonales (i.e. la Banque V. pour le canton de Vaud), puis, depuis 2008, sur le taux hypothécaire moyen des banques publié trimestriellement par le Département fédéral de l'économie ( art. 12a OBLF ), a amorcé une lente décrue depuis le 1 er février 2000, passant de 4,5 % à 2,25 % à compter du 2 juin 2012. De même, la hausse annuelle des prix à la consommation n'a pas dépassé depuis l'année 2001 le taux de 1,2 %, l'année 2008 étant la seule exception, du reste contrebalancée par l'année 2009 où le taux d'inflation était négatif. On voit donc que la conjoncture économique actuelle rend injustifiable une pareille hausse de loyer. Partant, il convient de constater, sur la base des éléments contenus dans le dossier, que la différence de loyer est très certainement abusive. BGE 139 III 13 S. 20 3.2 A ce stade de l'appréciation des preuves, la bailleresse a le devoir d'apporter des contre-preuves et de démontrer que, malgré les apparences, il s'agit d'un cas exceptionnel et que le loyer initial arrêté par le contrat de bail n'est pas abusif. En effet, selon les principes généraux tirés des règles de la bonne foi, le bailleur qui n'a pas la charge de la preuve doit collaborer loyalement à l'administration des preuves en fournissant tous les éléments en sa possession, qui sont nécessaires à la vérification du motif qu'il a allégué dans la formule officielle (cf. sur ce devoir en général: ATF 115 II 1 consid. 4; arrêt 4C.61/2005 du 27 mai 2005 consid. 4.3, in SJ 2006 I p. 34; SCHMID/LARDELLI, op. cit., n° 71 ad art. 8 CC ). Ce principe résulte déjà de la maxime inquisitoriale sociale prévalant en droit du bail, qui impose à l'autorité de conciliation et au juge de première instance d'établir les faits d'office (ancien art. 274d al. 3 CO ; cf. art. 243 al. 2 let . c et art. 247 CPC [RS 272]). Cette maxime n'oblige certes pas le juge à instruire d'office le litige lorsqu'un plaideur renonce à expliquer sa position; en revanche, elle le contraint à interroger les parties et à les informer de leur devoir de collaborer à l'instruction et de fournir des preuves. Si des motifs objectifs conduisent le juge à soupçonner que les allégations et offres de preuve d'une partie, locataire ou bailleur, sont lacunaires, il n'est pas lié par l'offre de preuve en question et a le devoir de rechercher lui-même des preuves pour autant qu'il ait connaissance, sur la base des déclarations des parties et/ou du dossier, de l'existence de moyens probatoires pertinents. Le juge peut de même inviter cette partie à compléter ses moyens, par exemple si les documents produits sont insuffisants (arrêt 4A_484/2011 du 2 novembre 2011 consid 2.2, résumé in JdT 2012 II p. 114; ATF 136 III 74 consid. 3.1 p. 80). Ce devoir du bailleur de collaborer à l'administration des preuves trouve tout son sens dans l'hypothèse où ce dernier, comme en l'espèce, a augmenté le nouveau loyer de plus de 10 % par rapport à l'ancien loyer. 3.3 Au vu de ce qui précède, l'intimée était tenue de participer à l'administration des preuves en fournissant au moins cinq éléments de comparaison présentant des caractéristiques semblables à la chose louée ( ATF 136 III 74 consid. 3.1 p. 79 s.; ATF 123 III 317 consid. 4a p. 319). La cour cantonale a considéré que, sur les sept éléments comparatifs avancés par la bailleresse, celle-ci n'a présenté que deux éléments répondant aux exigences de l' art. 11 OBLF (exemples n os 1 et 7). BGE 139 III 13 S. 21 S'agissant des exemples n os 4, 5 et 6, elle a laissé indécis, vu la solution qu'ellea adoptée, le point de savoir s'ils devaient être admis à la comparaison. Les recourants prétendent que l'exemple n° 4 doit être écarté vu les avantages qu'il présente par rapport à l'appartement litigieux. A leurs yeux, il devrait en aller de même de l'exemple n° 7, de par sa faible dimension. La Cour d'appel a dressé, dans la partie "En fait" de l'arrêt déféré, un tableau synoptique des caractéristiques détaillées des sept éléments en question et de l'appartement loué aux recourants, accompagné d'une description précise du contenu de toutes les fiches produites par l'intimée. Le Tribunal fédéral est ainsi en mesure de vérifier lui-même si les exemples de comparaison produits par la bailleresse pouvaient être pris en compte. 3.3.1 Selon l' art. 11 OBLF , les loyers déterminants pour le calcul des loyers usuels dans la localité ou le quartier au sens de l' art. 269a let. a CO sont les loyers des logements et des locaux commerciaux comparables à la chose louée quant à l'emplacement, la dimension, l'équipement, l'état et l'année de construction (al. 1), à l'exclusion des loyers résultant de ce qu'un bailleur ou un groupe de bailleurs domine le marché (al. 3). En règle générale, le juge doit disposer de cinq éléments de comparaison au moins. Il lui appartient de procéder à des comparaisons concrètes. L'autorité cantonale de dernière instance indiquera exactement les critères sur lesquels elle s'est fondée. Sur cette base, le Tribunal fédéral contrôle librement si les loyers usuels sont établis conformément au droit fédéral ( ATF 136 III 74 consid. 3.1 p. 80; ATF 123 III 317 consid. 4a p. 319). Les loyers de référence ne doivent eux-mêmes pas être abusifs, ce qui implique, si nécessaire, de les adapter en principe aux baisses du taux hypothécaire intervenues depuis le moment où ils ont été fixés ( ATF 136 III 74 ibidem; ATF 127 III 411 consid. 5a p. 412 ss). 3.3.2 Il a été constaté ( art. 105 al. 1 LTF ) que l'objet portant le n° 4 est situé en bordure de forêt, dans un milieu à faible densité de construction, alors que l'appartement des recourants se trouve au bord d'un axe routier important. De plus, d'après le tableau synoptique, cet objet de comparaison dispose d'une terrasse, à savoir d'une plate-forme aménagée à l'un des étages de la maison qui ne fait pas saillie (à la différence d'un balcon), ce qui signifie qu'il s'agit d'un lieu en principe couvert. BGE 139 III 13 S. 22 Pour tenir lieu d'éléments de comparaison, les logements de référence doivent avoir des avantages analogues, par exemple au niveau de l'environnement, ou, à l'inverse, des nuisances comparables, en ce qui a trait notamment à l'exposition au bruit (arrêts 4A_295/2010 du 26 juillet 2010 consid. 3.2.4; 4C.265/2000 du 16 janvier 2001 consid. 4b/dd, in SJ 2001 I p. 247). Il est évident qu'un appartement situé dans un environnement calme, en dehors des voies de passage principales, comme l'est l'objet n° 4, n'est pas comparable, au point de vue de l'emplacement, à un logement construit dans un immeuble exposé au bruit généré par une forte circulation de véhicules motorisés. Cette différence d'exposition aux nuisances sonores exclut à elle seule toute comparaison selon le critère expressément consacré par l' art. 11 al. 1 OBLF . A cela s'ajoute que disposer d'une terrasse à proximité d'une forêt constitue un avantage indéniable par rapport à un appartement ne bénéficiant pas d'une telle plate-forme. L'exemple n° 4 n'entre pas en considération. 3.3.3 La cour cantonale a admis que l'objet n° 7, bien qu'ayant une dimension inférieure à celle de la chose louée aux recourants, pouvait entrer dans la comparaison, car la limite d'une différence de 20 % de surface, retenue par la jurisprudence ( ATF 136 III 74 consid. 3.2.2 p. 82 et l'arrêt cité), n'était pas atteinte. A tort. En effet, il résulte du tableau synoptique de l'arrêt attaqué que l'appartement litigieux a une surface de 110 m 2 , alors que celle de l'objet n° 7 n'est que de 90 m 2 . La différence de surface étant de plus de 22 %, elle exclut la comparaison. L'objet n° 7 ne devait pas être retenu. 3.4 Au vu de cette analyse, il faut considérer que l'intimée n'a présenté qu'un élément comparatif valable (l'objet n° 1). Même si les exemples n os 5 et 6 (dont l'admission à la comparaison a été laissée indécise par l'autorité cantonale) devaient être pris en compte, les appartements considérés par le droit du bail comme répondant aux exigences de l' art. 11 OBLF se monteraient à trois. Or ce chiffre est insuffisant pour établir les loyers usuels du quartier. Partant, la bailleresse n'est pas parvenue à prouver que le loyer initial incriminé restait dans les limites des loyers usuels. On en reste ainsi à la constatation que, dans la conjoncture actuelle, une augmentation massive du loyer initial par comparaison avec celui que versait le locataire précédent ne saurait se justifier, de sorte que la preuve de l'abus est apportée. Il s'ensuit que la cour cantonale aurait dû retenir que le loyer litigieux est abusif. BGE 139 III 13 S. 23 3.5 Il appartient désormais au Tribunal fédéral d'arrêter lui-même le loyer initial. Les recourants déclarent admettre que leur loyer initial soit fixé à hauteur de celui du locataire précédent, ainsi que l'avait retenu le Tribunal des baux dans son jugement du 3 février 2011. 3.5.1 Lorsqu'il doit fixer le loyer initial, le juge dispose d'une grande marge d'appréciation ( ATF 124 III 62 consid. 2b p. 64; arrêt 4C.274/1997 du 27 avril 1998 consid. 4a, in SJ 1998 p. 718). Comme on l'a vu, il fallait procéder à la détermination du loyer usuel. Or les cinq éléments de comparaison, nécessaires pour que soient établis les loyers usuels (cf. ATF 136 III 74 consid. 3.1 p. 79 s. susmentionné), n'ont pas été apportés au juge. En conséquence, celui-ci ne disposait pas des éléments lui permettant d'arrêter le loyer usuel selon la jurisprudence du Tribunal fédéral. Il y a donc carence de preuves, alors que le juge doit néanmoins statuer sous peine de commettre un déni de justice. 3.5.2 A défaut de la production par les parties de statistiques officielles, il paraît conforme au droit fédéral de s'en tenir au loyer payé par l'ancien locataire. Le Tribunal fédéral a déjà dit qu'un tel raisonnement était admissible (arrêts 4A_576/2008 du 19 février 2009 consid. 2.5; 4C.274/1997 du 27 avril 1998 consid. 4b/aa, in SJ 1998 p. 718). Il convient donc de fixer le loyer mensuel net de l'appartement remis à bail aux locataires à 1'323 fr. dès le 15 avril 2006. La différence entre le loyer mensuel net initialement convenu et le loyer mensuel arrêté dans le présent arrêt représente 577 fr. (1'900 fr. - 1'323 fr.). Entre le début du bail, soit le 15 avril 2006, et le jour de la reddition de l'arrêt du Tribunal fédéral, les recourants se sont acquittés, en chiffres ronds, de 80 loyers mensuels. L'intimée devra donc rembourser aux locataires le trop-perçu de loyers, qui atteint la somme de 46'160 fr. (80 x 577 fr.). Les sûretés ne pouvant pas dépasser en valeur, notamment dans le canton de Vaud, trois mois de loyer net (art. 2 du contrat-cadre romand de baux à loyer entré en vigueur le 1 er décembre 2001; cf. LACHAT, Bail, op. cit., ch. 2.2.2, p. 356), la garantie locative fournie par les recourants doit être réduite à 3'969 fr. (3 x 1'323 fr.).
null
nan
fr
2,012
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
01393f89-5251-4f31-8ae0-8c53f753979b
Urteilskopf 99 II 359 50. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 8. November 1973 i.S. Frei gegen Frei
Regeste Vereinbarung über die Nebenfolgen der Scheidung; Art. 158 Ziff. 5 ZGB . 1. Eine Scheidungskonvention, in welcher Grundeigentum übertragen wird, bedarf nicht der öffentlichen Beurkundung (Erw. 3a). 2. Eine Scheidungskonvention kann auch vor der richterlichen Genehmigung nicht einseitig widerrufen werden (Erw. 3b). 3. Voraussetzungen, unter denen einer Vereinbarung über die rein vermögensrechtlichen Folgen der Scheidung die Genehmigung zu versagen ist (Erw. 3c).
Sachverhalt ab Seite 359 BGE 99 II 359 S. 359 Aus dem Tatbestand: Am 27. Juni 1970 reichte Margrith Frei beim Amtsgericht Sursee Scheidungsklage ein. Der Beklagte Ernst Frei verlangte widerklageweise ebenfalls die Scheidung. Am 25. November 1970 schlossen die Parteien eine Vereinbarung, die sie als "Teilvergleich betreffend die güterrechtliche Auseinandersetzung" bezeichneten. In dieser Vereinbarung verpflichtete sich der Beklagte insbesondere, der Klägerin die Liegenschaft Schlottermilch in Sursee - ein Einfamilienhaus mit Fabrikationshalle - zu Eigentum zu übertragen. Am 1. Dezember 1971 liess der Beklagte dem Amtsgericht BGE 99 II 359 S. 360 Sursee mitteilen, er widerrufe seine Zustimmung zum güterrechtlichen Teilvergleich, weil sich die tatsächlichen Verhältnisse grundlegend geändert hätten. Die Firma Stöckli AG, von welcher er bisher seine Produkte bezogen habe, habe ihm die Weiterlieferung gekündigt, so dass er eine neue Fabrikationsstätte benötige. Er sehe sich bei dieser Situation gezwungen, die Fabrikationsräume in seiner Liegenschaft Schlottermilch wieder zu beanspruchen. Die Klägerin widersetzte sich diesem Ansinnen und hielt an der Vereinbarung fest. Mit Urteil vom 16. Dezember 1971 schied das Amtsgericht Sursee die Ehe der Parteien und genehmigte den Teilvergleich vom 25. November 1970. Dieses Urteil wurde vom Obergericht des Kantons Luzern am 17. Mai 1973 bestätigt. Mit der vorliegenden Berufung ans Bundesgericht beantragt der Beklagte unter anderem, der Teilvergleich sei nicht zu genehmigen. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Der Beklagte ist der Meinung, er habe den Teilvergleich über die güterrechtliche Auseinandersetzung deswegen frei widerrufen können, weil die Vereinbarung weder öffentlich beurkundet noch gerichtlich genehmigt gewesen sei. Er will damit offenbar geltend machen, eine Scheidungskonvention, die die Übertragung von Grundeigentum zum Gegenstand habe, sei vor der gerichtlichen Genehmigung ohne öffentliche Beurkundung für die Parteien unverbindlich. a) Nach Art. 657 Abs. 1 ZGB bedarf der Vertrag auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück der öffentlichen Beurkundung. Diese Vorschrift bezweckt den Schutz der Parteien vor unbedachten Vertragsabschlüssen, die zuverlässige Feststellung und richtige Formulierung des Parteiwillens und die Schaffung einer klaren und eindeutigen Grundlage für die Grundbucheintragung (MEIER-HAYOZ, N. 2-4 zu Art. 657 ZGB ). Die gleichen Ziele lassen sich bei der Scheidungskonvention mit der richterlichen Genehmigung erreichen, zumal da die Prüfungspflicht des Scheidungsrichters weitergeht als diejenige des Urkundsbeamten. Es besteht daher kein Grund, bei einer Scheidungskonvention, in welcher Grundeigentum übertragen wird, die öffentliche Beurkundung zu verlangen (FRIEDRICH, Grundbuch und eheliches Güterrecht, ZBGR 1954 S. 271; HARTMANN, Die Scheidungskonvention nach schweizerischem Privatrecht, Diss. Bern BGE 99 II 359 S. 361 1943, S. 43). Dem gerichtlichen Vergleich, mit dem die Scheidungskonvention in verschiedener Hinsicht verwandt ist, der aber vom Richter inhaltlich nicht überprüft wird, spricht die herrschende Lehre sogenannt formersetzende Wirkung zu (ZR 1945 Nr. 111; MEIER-HAYOZ, N. 53 zu Art. 657 ZGB und SJK 463 S. 5; LEUCH, N. 1 zu Art. 152 und N. 5 zu Art. 397 der bernischen ZPO). Umso mehr ist auch bei der Scheidungskonvention davon auszugehen, die richterliche Genehmigung vermöge die Form der öffentlichen Beurkundung zu ersetzen. Die Bedenken von SCHULTZ (Der gerichtliche Vergleich, Diss. Bern 1939, S. 111) und HOMBERGER (N. 33 zu Art. 963 ZGB ), die Bestimmungen über die öffentliche Beurkundung könnten durch gerichtliche Vergleiche in Scheinprozessen umgangen werden, fallen für Ehescheidungskonventionen zum vorneherein ausser Betracht. b) Aus dem Umstand, dass Vereinbarungen über die Nebenfolgen der Scheidung zu ihrer Rechtsgültigkeit der richterlichen Genehmigung bedürfen ( Art. 158 Ziff. 5 ZGB ), darf nicht etwa abgeleitet werden, die Parteien seien durch den Abschluss der Konvention nicht gebunden und könnten diese bis zum Entscheid des Gerichtes einseitig widerrufen. Das Gesetz lässt im Gegenteil die Möglichkeit einer vertraglichen Bindung der Parteien zu, indem es den Abschluss von Vereinbarungen über die Nebenfolgen der Scheidung ausdrücklich vorsieht und nur deren gerichtliche Genehmigung vorbehält. Der einseitige Widerruf ist daher bei einer solchen Vereinbarung ebensowenig zulässig wie bei einem andern Vertrag ( BGE 60 II 170 /171; nicht veröffentlichte Urteile des Bundesgerichts vom 6. Mai 1971 i.S. Bernhardsgrütter c. Lautenschlager, Erw. 2, und vom 9. Dezember 1971 i.S. Jäckle c. Jäckle, Erw. 3a; HINDERLING, Das schweizerische Ehescheidungsrecht, 3. Aufl., S. 186). Vor der Genehmigung kommt höchstens eine Anfechtung wegen Willensmängeln in Frage (so das Zürcher Obergericht in ZR 1944 Nr. 104a; HINDERLING, a.a.O. S. 186/187). Diese Möglichkeit wurde zwar in BGE 60 II 82 verneint; in jenem Entscheid ging es aber um die hier nicht zu beurteilende Frage, ob eine bereits gerichtlich genehmigte Vereinbarung wegen Willensmängeln angefochten werden könne. Wie es sich damit verhält, kann indessen offen bleiben. Der Beklagte hat sich zwar im kantonalen Verfahren beiläufig auf Grundlagenirrtum berufen mit der Begründung, die Parteien hätten sich bei Vertragsabschluss vorgestellt, dass der BGE 99 II 359 S. 362 Teilvergleich vor dem 1. Juli 1971 richterlich genehmigt und der Eigentumsübergang im Grundbuch eingetragen werde; statt dessen habe sich der Streit bis Ende November 1971 auf weitere Gebiete ausgedehnt und die Belastung des Grundstücks habe sich geändert, so dass der von den Parteien der Vereinbarung zugrundegelegte Sachverhalt weggefallen sei. Das Obergericht hat jedoch das Vorliegen eines Willensmangels mit guten Gründen verneint, und der Beklagte legt nicht dar, inwiefern es dadurch Bundesrecht verletzt habe ( Art. 55 Abs. 1 lit. c OG ). c) Die Verbindlichkeit der abgeschlossenen Vereinbarung hindert indessen eine Partei nicht, dem Richter die Nichtgenehmigung zu beantragen und ihm die Gründe darzulegen, aus denen sich nach ihrer Auffassung eine Genehmigung nicht rechtfertigen würde ( BGE 60 II 171 ; HINDERLING, a.a.O. S. 187). Dabei ist aber zu beachten, dass der Richter bei Vereinbarungen über die rein vermögensrechtlichen Folgen der Scheidung für die beiden Ehegatten grundsätzlich den Parteiwillen zu respektieren hat. Er soll nicht ohne Not in die Freiheit der Parteien bei der Gestaltung ihrer vermögensrechtlichen Beziehungen eingreifen und darf deshalb einer solchen Vereinbarung die Genehmigung, selbst wenn eine Partei einen dahingehenden Antrag stellt, nur aus wichtigen Gründen versagen ( BGE 93 II 158 , BGE 81 II 592 , BGE 60 II 171 ; HINDERLING, a.a.O. S. 185 f.). Als solche kommen vor allem in Betracht die Unklarheit oder Unvollständigkeit der von den Parteien getroffenen Abmachung, die Beeinflussung einer Partei unter Ausnützung der durch den Prozess entstandenen Lage, der Umstand, dass die vereinbarte Lösung in einer durch Billigkeitserwägungen nicht zu rechtfertigenden Weise von der gesetzlichen Regelung abweicht, und die wesentliche Veränderung der Verhältnisse seit Abschluss der Vereinbarung ( BGE 93 II 158 , BGE 81 II 592 , BGE 67 II 8 , BGE 60 II 171 ; HINDERLING, a.a.O. S. 185 ff.). Der Beklagte hat den Widerruf der Vereinbarung damit begründet, dass er entgegen seinen bei Vertragsabschluss gehegten Erwartungen die Liegenschaft Schlottermilch nun doch für seine berufliche Betätigung benötige, da die Firma Stöckli AG die von ihm vertriebenen Fahrzeuge nicht mehr herstellen wolle. Nach den Ausführungen in der Berufungsschrift war aber der Vertrag mit der Firma Stöckli AG auf ein Jahr kündbar. Der Beklagte musste daher jederzeit mit einer Kündigung rechnen, und es war für ihn ohne weiteres voraussehbar, dass er für seine Fabrikationstätigkeit unter Umständen wieder auf die Räumlichkeiten BGE 99 II 359 S. 363 in der Liegenschaft Schlottermilch angewiesen sein würde. Wenn er trotz dieses Risikos auf die Liegenschaft verzichtete, so kann er heute nicht geltend machen, die Vereinbarung dürfe wegen wesentlicher Veränderung der Verhältnisse nicht genehmigt werden. Andere Gründe, die zu einer Nichtgenehmigung der Konvention Anlass geben könnten, ruft der Beklagte nicht an. Er macht insbesondere nicht geltend, die im Teilvergleich getroffene Lösung weiche in einer durch Billigkeitserwägungen nicht zu rechtfertigenden Weise von der gesetzlichen Regelung ab. Die Berufung ist daher auch in diesem Punkt abzuweisen.
public_law
nan
de
1,973
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
Federation
013ebdfc-5f83-4dd4-94f0-a9f00bb04063
Urteilskopf 133 III 421 52. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause hoirs Varenne et consorts contre Ville de Genève (recours en matière civile) 4A_28/2007 du 30 mai 2007
Regeste a Art. 76 Abs. 1 BGG ; Berechtigung zur Beschwerde in Zivilsachen. Zur Beschwerde ist berechtigt, wer vor der Vorinstanz Anträge gestellt hat, die vollständig oder teilweise abgewiesen worden sind (E. 1.1). Regeste b Art. 249 Ziff. 3 OR ; Widerruf der Schenkung wegen Nichterfüllung einer Auflage. Im Gegensatz zu der in Art. 246 Abs. 1 OR vorgesehenen Klage auf Vollziehung einer Auflage geht das Recht, die Schenkung wegen Nichterfüllung zu widerrufen, nur für eine begrenzte Zeit auf die Erben des Schenkers über (E. 3). Bei zwei Schenkern kann das Widerrufsrecht von demjenigen Schenker ausgeübt werden, der den anderen überlebt und nunmehr allein eine Nutzniessung an einigen der verschenkten Güter innehat (E. 4.1); stirbt er, kommt seinen Erben kein Widerrufsrecht gestützt auf Art. 107 Abs. 2 und 109 Abs. 1 OR zu (E. 4.2). Im vorliegenden Fall hat sich die überlebende Schenkerin zu Unrecht auf die Nichterfüllung der Auflage berufen (E. 5).
Sachverhalt ab Seite 422 BGE 133 III 421 S. 422 A. Par acte authentique du 20 juin 1978, à l'issue de longs pourparlers, les époux Roger et Françoise Varenne ont fait don à la Ville de Genève d'une importante collection de tableaux, de sculptures et d'objets de mobilier; ils agissaient "conjointement et solidairement entre eux". L'un des tableaux était une Fête au village , dite aussi Danse autour de l'arbre de mai , de Pierre Breughel le jeune; il devait être remis sans délai au Musée d'art et d'histoire de la Ville de Genève. Les deux donateurs se réservaient l'usufruit de tous les autres objets donnés, de sorte que ceux-ci ne seraient remis au musée qu'après la mort du donateur ayant survécu à l'autre. L'acte contenait par ailleurs les clauses suivantes: La donation est faite pour assurer l'intégrité et la pérennité de la collection qui doit demeurer inaliénable. La donation portera le nom de "Donation de Roger et Françoise Varenne". La collection sera présentée d'une façon permanente. Elle sera exposée comme un ensemble cohérent, groupant dans une ou plusieurs salles les tableaux et les objets donnés selon une disposition logique. BGE 133 III 421 S. 423 Toutes les précautions seront prises, notamment pour protéger les oeuvres contres le vol, le vandalisme et l'incendie et pour assurer leur parfait état de conservation. Roger et Françoise Varenne sont décédés, respectivement, en 1985 et le 25 juillet 2002. Ils ont pour héritiers leurs quatre enfants; Françoise Varenne a désigné deux exécuteurs testamentaires. B. Le Musée d'art et d'histoire a rapidement pris possession de la Fête au village et il l'a exposée au public avec l'indication "don anonyme". Cette dernière modalité correspondait à la volonté exprimée par les donateurs après la passation de l'acte: pour des raisons de sécurité, ils souhaitaient rester dans l'anonymat jusqu'à leur décès. La Fête au village fut demandée en prêt par les organisateurs d'expositions temporaires à l'étranger. Le 17 septembre 1996, la direction du musée rejeta une sollicitation de la Fondation culturelle de la Ruhr en vue d'une exposition à Essen, au motif qu'il s'agissait d'une peinture sur bois et que son transport présentait des risques de détérioration inacceptables. En mars 1998, la direction donna suite, au contraire, à une demande semblable du Musée royal des beaux-arts à Anvers, pour une exposition qui eut lieu du 2 mai au 26 juillet de la même année. Les transports d'aller et de retour furent accomplis dans une caisse climatisée construite spécialement pour cette occasion. Néanmoins, après que la Fête au village fut revenue à Genève, on constata que la couche de peinture présentait des cloques en trois endroits et il parut évident que le tableau avait souffert du changement de climat et du transport. Entre-temps, la direction avait accordé un autre prêt pour une exposition à Crémone; elle communiqua à l'organisateur qu'en raison des dégâts déjà survenus, cette opération était désormais exclue. La Fête au village fut alors confiée à la restauratrice du musée pour la réparation de ces dégâts. D'entente avec la direction, cette spécialiste décida de restaurer le ciel du tableau qui présentait des repeints. De son départ pour Anvers jusqu'à l'achèvement de la restauration, soit d'avril 1998 à avril 2002, l'oeuvre resta inaccessible aux visiteurs du musée. Par ailleurs, contrairement aux usages, on n'établit aucune documentation scientifique concernant son état avant les travaux de réparation et de restauration. En 1993 déjà, la direction avait adressé un avertissement à la restauratrice en raison des dysfonctionnements de son atelier, et elle BGE 133 III 421 S. 424 avait simultanément ordonné, pour l'avenir, diverses modalités concernant surtout la planification des travaux de restauration et le concours de restaurateurs externes pour les oeuvres nécessitant des connaissances particulières. Le 28 janvier 2003, dans le cadre d'une enquête administrative, la direction produisit derechef un rapport défavorable à sa collaboratrice. Elle lui reprochait de ne pas tenir à jour la documentation qui se trouve à la base des constats relatifs à l'état de conservation des oeuvres. Cette absence de rigueur avait entraîné de graves erreurs de jugement sur l'état de certaines oeuvres, lesquelles n'auraient pu être sauvées que par une restauration confiée à des spécialistes externes. La restauratrice ne suivait pas l'évolution et les progrès de son métier et elle se trouvait à l'origine de nombreux retards. Le rapport stigmatisait notamment le retard survenu dans la restauration de la Fête au village. C. L'un des héritiers est actif dans le commerce des oeuvres d'art. De 1999 à 2001, il a négocié avec la direction du musée en vue d'une éventuelle modification de la donation. La Ville de Genève aurait renoncé à certaines pièces de la collection; en contrepartie, elle aurait été libérée de la charge concernant l'exposition groupée des autres pièces. Ces pourparlers n'ont pas abouti. La direction a d'ailleurs gardé le silence au sujet du prêt de la Fête au village et des dégâts alors survenus. En novembre 2001, un exécuteur testamentaire découvrit que le tableau n'était plus exposé au musée et que l'on ne trouvait, à l'emplacement qui était auparavant le sien, aucune information à son sujet. A son interrogation téléphonique, une employée ne put donner aucune réponse. En décembre 2001, dans une librairie spécialisée à Paris, un autre héritier examina le catalogue de l'exposition d'Anvers et découvrit que le tableau y avait été présenté. Dans des circonstances semblables, un membre de la famille découvrit aussi que la Fête au village apparaissait dans le catalogue de l'exposition de Crémone. Par lettre du 12 décembre 2001, adressée notamment au Conseil administratif de Genève, Françoise Varenne s'est plainte de ce que la Fête au village avait été, dès sa remise au Musée d'art et d'histoire, mal exposée. Le musée n'avait rien entrepris pour préparer la réception et l'exposition de la collection complète. De plus, le tableau avait disparu du musée. La charge convenue lors de la donation n'était pas honorée et cette libéralité était donc nulle; le tableau devait être restitué. Le 30 janvier 2002, le conseil juridique de Françoise Varenne a confirmé la révocation de la donation. BGE 133 III 421 S. 425 Dans la correspondance ultérieure, les représentants de la Ville de Genève ont expliqué qu'une "analyse approfondie" avait révélé la nécessité de restaurer le tableau; ils n'ont pas mentionné le prêt à Anvers ni la détérioration alors survenue. Lorsque le tableau fut de nouveau exposé, dès fin avril 2002, la correspondance porta aussi sur la clause d'anonymat convenue après la donation, clause qui n'était plus respectée. Françoise Varenne et, après son décès, ses héritiers confirmèrent plusieurs fois la révocation de la donation. D. Le 25 octobre 2002, la Ville de Genève a ouvert action contre les quatre héritiers et les deux exécuteurs testamentaires devant le Tribunal de première instance du canton de Genève. Elle revendiquait les objets à elle donnés le 20 juin 1978, grevés d'un usufruit jusqu'à la mort des donateurs. Le 10 décembre suivant, devant le même tribunal et au nom des héritiers, les exécuteurs testamentaires ont ouvert action contre la Ville de Genève; leur demande tendait essentiellement à la restitution de la Fête au village . Après jonction des causes, le tribunal a statué le 7 septembre 2005. Il a accueilli l'action de la Ville de Genève et condamné les défendeurs, sous menace des peines prévues par l' art. 292 CP en cas d'insoumission à une décision de l'autorité, à remettre tous les objets énumérés dans l'acte de donation, hormis la Fête au village que la demanderesse détenait déjà. Le tribunal a rejeté l'action des défendeurs. Ces derniers ayant appelé du jugement, la Cour de justice a confirmé ce prononcé par arrêt du 19 janvier 2007. Agissant par la voie du recours en matière civile, les défendeurs ont requis le Tribunal fédéral d'annuler l'arrêt de la Cour de justice et de condamner la demanderesse, sous menaces des peines de l' art. 292 CP , à leur restituer la Fête au village . Le Tribunal fédéral a rejeté le recours, dans la mesure où celui-ci était recevable. Erwägungen Extrait des considérants: 1. 1.1 Aux termes de l'art. 76 al. 1 let. b de la loi du 17 juin 2005 sur le Tribunal fédéral (LTF; RS 173.110), la qualité pour exercer le recours en matière civile suppose un intérêt juridique à l'annulation ou à la modification de la décision attaquée. Cette disposition n'avait pas d'équivalent dans les règles antérieures relatives au BGE 133 III 421 S. 426 recours en réforme, désormais remplacé par le recours en matière civile. Selon la jurisprudence, le recours n'était ouvert qu'au plaideur lésé par la décision, c'est-à-dire celui qui avait pris des conclusions et qui, selon le dispositif du prononcé, en était au moins partiellement débouté ( ATF 94 II 209 consid. 3 p. 210; JEAN-FRANÇOIS POUDRET, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire du 16 décembre 1943, n. 5.1 ad art. 53 OJ ). D'après le Message du Conseil fédéral du 28 février 2001 concernant la révision totale de l'organisation judiciaire fédérale, l'introduction de l' art. 76 al. 1 let. b LTF (art. 72 al. 1 let. b dans le projet joint au message, adopté sans changement par l'Assemblée fédérale) n'a pas pour objet de modifier cette situation dans les affaires civiles "proprement dites"; il vise surtout les affaires de droit public qui sont susceptibles du recours en matière civile selon l' art. 72 al. 2 let. b LTF . Du reste, selon le Conseil fédéral, l'intérêt juridique doit aussi être reconnu aux personnes qui ont qualité pour agir ou défendre, d'après le droit déterminant, en leur nom mais pour le compte de tiers (FF 2001 p. 4110/4111). Il suffit donc de retenir, pour entrer en matière, que les six défendeurs ont pris part à l'instance précédente ( art. 76 al. 1 let. a LTF ) et qu'ils ont succombé dans leurs conclusions; il n'y a pas à opérer de distinction entre les héritiers et les exécuteurs testamentaires. (...) 3. Selon l' art. 246 al. 1 CO , le donateur peut exiger, dans les termes du contrat, l'exécution d'une charge acceptée par le donataire. Par ailleurs, l' art. 249 ch. 3 CO autorise le donateur à révoquer la donation lorsque, sans cause légitime, le donataire n'exécute pas les charges dont cette libéralité est grevée; le donateur peut alors exiger la restitution de ce qu'il a donné jusqu'à concurrence de l'enrichissement actuel du donataire. De l' art. 251 al. 2 CO , il ressort que le droit de révocation ne se transmet pas aux héritiers du donateur, sinon dans la mesure limitée et temporaire admise par cette disposition, tandis que l'action en exécution de la charge est au contraire transmissible ( ATF 96 II 119 consid. 3 p. 126; SANDRA MAISSEN, Der Schenkungsvertrag im schweizerischen Recht, thèse Fribourg 1996, n. 445 et 446 p. 131, n. 509 p. 151). Il est constant que les modalités prévues pour l'exposition et la conservation de la collection donnée constituent une charge selon les dispositions précitées. Les défendeurs soutiennent qu'en raison BGE 133 III 421 S. 427 de l'inexécution par la demanderesse, Françoise Varenne ou, à défaut, eux-mêmes ont valablement révoqué. 4. Il est nécessaire de rechercher qui était, en cas d'inexécution de la charge, autorisé à révoquer la donation faite le 20 juin 1978. 4.1 L'acte authentique ne précise pas si la révocation pouvait être déclarée à la demanderesse par Roger ou Françoise Varenne individuellement ou s'il fallait plutôt une déclaration commune des deux époux. Il y est seulement indiqué que ceux-ci donnaient "conjointement et solidairement entre eux". Cette formule n'autorise aucune conclusion au sujet de l'exercice ultérieur des droits appartenant au donateur d'après la loi. En particulier, on ne sait pas si les époux révoqueraient "conjointement", c'est-à-dire en commun, ou "solidairement" selon l' art. 150 CO , c'est-à-dire indépendamment l'un de l'autre mais avec les mêmes effets. Le droit de révoquer est strictement personnel ( ATF 96 II 119 ibidem; ATF 85 II 609 consid. 5 p. 617; MAISSEN, op. cit., n. 406 p. 121) mais cela n'a guère de signification lorsque le droit appartient à plusieurs donateurs. En l'occurrence, ce problème doit être résolu d'après ce que les parties à la donation auraient probablement convenu, raisonnablement et de bonne foi, si elles avaient envisagé le cas non réglé; il faut ici s'inspirer de l'économie et du but de leur contrat ( ATF 131 III 467 consid. 1.2 p. 470; ATF 127 III 300 consid. 6a p. 307; ATF 115 II 484 consid. 4b p. 488). Sur les objets de la collection autres que la Fête au village , l'acte authentique conférait aux époux Varenne un usufruit qui, au décès de l'un d'eux, était reporté sur le survivant. Cette modalité devait raisonnablement s'appliquer aussi aux autres droits que les donateurs pouvaient, le cas échéant, faire valoir sur la base de l'acte ou de la loi. On ne discerne pas pour quel motif les parties auraient voulu que le droit de révocation, au contraire, s'éteignît dès le premier décès. Les donateurs ne pouvaient d'ailleurs pas renoncer d'avance à ce droit (MAISSEN, op. cit., n. 407 p. 121; cf. ATF 113 II 252 consid. 5 p. 258). On retiendra donc qu'après la disparition de Roger Varenne, Françoise Varenne était en droit de révoquer seule s'il advenait que la demanderesse n'exécutât pas la charge convenue. La Cour de justice parvient à la conclusion contraire par référence à la jurisprudence relative au compte qu'une banque ouvre à plusieurs personnes: même si le contrat autorise chacune de ces BGE 133 III 421 S. 428 personnes à réclamer individuellement la totalité des valeurs confiées, elles ne peuvent pas, sinon conjointement, résilier ce même contrat ( ATF 94 II 313 consid. 6 p. 318). Le compte bancaire et la donation ont en commun que les co-titulaires, comme les co-donateurs, remettent des biens à l'autre partie. En revanche, dans le compte bancaire mais pas dans la donation, ces biens peuvent être repris librement et sans rupture de la relation contractuelle. En raison de cette différence déjà, la jurisprudence ainsi mentionnée n'est pas pertinente. 4.2 C'est également à tort que la Cour de justice reconnaît aux héritiers du donateur un droit de révocation semblable, dans ses conditions, ses modalités d'exercice et ses effets, à celui conféré au donateur par l' art. 249 ch. 3 CO . Cela élude entièrement l' art. 251 al. 2 CO selon lequel ce droit ne se transmet que de manière limitée dans le temps. La Cour applique les art. 107 al. 2 et 109 al. 1 CO à l'action en exécution - qui est, elle, transmissible - prévue par l' art. 246 al. 1 CO . Il est vrai qu'en relation avec cette action, le Tribunal fédéral a accordé des dommages-intérêts pour cause d'inexécution en se référant sans plus de discussion aux règles sur l'inexécution des obligations ( ATF 80 II 260 consid. 4 p. 266/267). C'est le donateur qui agissait, non ses héritiers, et le droit aux dommages-intérêts est du reste controversé (CLAUDE RAMONI, Demeure du débiteur et contrats de droit suisse, thèse Lausanne 2002, n. 267 p. 122, avec références à d'autres études). Avec les auteurs qui discutent ce point en particulier, il faut admettre que les règles sur la demeure du débiteur, soit les art. 107 à 109 CO, ne s'appliquent pas en concours avec les art. 246 al. 1 et 249 ch. 3 CO parce que la donation n'est pas un contrat synallagmatique, que le donateur ne se trouve pas dans la position d'un créancier face au donataire et que ces dispositions-ci sont donc des règles spéciales destinées à remplacer, dans leur domaine de validité, ces règles-là (RAMONI, op. cit., n. 269 p. 123; EMANUEL GRÜNINGER, Schenkung unter Auflage, thèse dactyl. Bâle 1941, p. 81/82; WALTER HEINRICH MEIER, Der Widerruf von Schenkungen im schweizerischen Recht, thèse Zurich 1958, p. 70). Par conséquent, les héritiers peuvent peut-être prétendre à des dommages-intérêts mais ils n'ont en tous cas pas le droit de révoquer la donation. 5. Il reste à examiner si Françoise Varenne était fondée à se plaindre d'inexécution. BGE 133 III 421 S. 429 Selon les défendeurs, les modalités convenues ont été violées, ou elles le seront dans le futur, par le fait que le prêt de la Fête au village pour l'exposition d'Anvers n'avait aucune justification scientifique, contrairement à ce qui a été affirmé par l'adverse partie, et que le tableau en est revenu endommagé; par le fait que l'on a ensuite confié cette oeuvre à une restauratrice dont on savait que le travail manquait de rigueur, et sans prendre les précautions que la direction du musée avait pourtant elle-même ordonnées à la suite de précédentes difficultés; par le fait qu'une restauration a été entreprise et accomplie sans égard aux normes scientifiques et professionnelles et qu'elle a abouti à une dégradation de l'oeuvre; par le fait que la restauration n'a été exécutée qu'avec retard, après que les héritiers se furent plaints de ce que le tableau avait disparu des salles d'exposition; par le fait que le musée n'expose au public qu'une partie de ses possessions et que, de toute évidence, il n'exposera pas la totalité de la collection donnée par les époux Varenne, compte tenu que celle-ci comprend aussi des objets sans grand intérêt; outre d'autres griefs encore, par le fait que, de l'aveu même de la direction, les locaux actuels ne permettent pas une conservation satisfaisante des collections et qu'une rénovation complète du musée, équivalant à une reconstruction, est devenue indispensable. Les défendeurs critiquent aussi le silence de la demanderesse, jusque pendant le procès, au sujet de ce qu'il advenait à la Fête au village . Dans la mesure où cette version des faits ne repose pas sur les constatations de la Cour de justice, les défendeurs critiquent ces constatations comme manifestement incomplètes et ils se réfèrent aux pièces du dossier. On observe d'abord que dès la donation, ou peu après, et jusqu'en avril 1998, soit pendant près de vingt ans, la Fête au village a été exposée exactement selon les modalités convenues. Elle est de nouveau exposée depuis avril 2002; sur réquisition des défendeurs, la demanderesse a réappliqué la clause d'anonymat. Les perturbations survenues dans l'intervalle de quatre ans, quoique regrettables, ne suffisent pas à mettre en doute la capacité et la volonté de la demanderesse de respecter ce à quoi elle s'est engagée. Pour apprécier la portée des clauses convenues, il faut prendre en considération que les époux Varenne ont donné après de longs pourparlers, pour un musée qui existait depuis des décennies déjà et qu'ils connaissaient. Cela implique que, dans la mesure où l'acte de donation n'en BGE 133 III 421 S. 430 disposait pas autrement, ils s'en remettaient au standard de ce musée pour les modalités d'exposition et de conservation des objets donnés. Le prêt d'oeuvres fait partie des opérations classiques d'un musée, en dépit de risques impossibles à prévenir d'une manière absolue, et les parties n'ont pas convenu de l'exclure pour les objets de la donation. L'atelier de restauration est celui du musée et il n'est pas constaté ni allégué que la Fête au village aurait été traitée avec plus de négligence ou de désinvolture que d'autres tableaux. Si l'obsolescence des locaux est reconnue par la demanderesse, elle nuit à toutes les collections de la même manière; la nécessité d'une rénovation est également reconnue et il s'agit évidemment, pour cette partie, d'une entreprise de longue haleine. La charge acceptée par elle n'a pas conféré aux époux Varenne, ni, après eux, à leurs héritiers, un droit de regard et d'intervention équivalant à celui dont jouit, dans les contrats de prestation de service, la partie ayant confié un objet afin que celui-ci fût réparé ou conservé. Pour l'avenir, après que la collection complète aura été remise à la demanderesse, les modalités spécifiées dans l'acte semblent très contraignantes. On doit néanmoins prévoir que la donataire s'y conformera. A l'époque où Françoise Varenne a déclaré la révocation, cette donatrice n'avait aucun motif objectif d'en douter. La situation ne s'était pas modifiée depuis la passation de l'acte en 1978. Celui-ci ne prévoyait pas de mesures préparatoires à réaliser déjà avant la fin de l'usufruit. Compte tenu que l'ordre juridique, avec l' art. 249 ch. 3 CO , n'a pas pour objet de sanctionner des comportements simplement discourtois du donataire (cf. ATF 131 III 535 consid. 4.2 p. 539), il importe peu que la Fête au village fût alors absente du musée et que la donatrice n'obtînt aucune information à son sujet. Ainsi, même si l'état de faits était complété selon les allégations des défendeurs, il demeurerait que le cas visé par cette dernière disposition n'était pas réalisé. Si l'avenir confirmait les appréhensions des héritiers, ceux-ci pourraient encore agir contre la demanderesse sur la base de l' art. 246 al. 1 CO .
null
nan
fr
2,007
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
014809a6-6e8b-4471-88ff-f040736102fa
Urteilskopf 82 I 145 20. Arrêt du 13 juin 1956 dans la cause Société commereiale de banque SA contre Gilomen et Cour de justice de Genève.
Regeste Art. 87 OG : Die richterliche Verfügung, durch welche die Aufnahme eines Güterverzeichnisses nach Art. 83 Abs. 1 SchKG angeordnet wird, kann mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4 BV angefochten werden. Art. 4 BV und 83 Abs. 1 i. f. SchKG: Es ist willkürlich, dem Antrag auf Aufnahme eines Güterverzeichnisses zu entsprechen, ohne die Notwendigkeit dieser Massnahme zu prüfen.
Sachverhalt ab Seite 145 BGE 82 I 145 S. 145 A.- Le 3 octobre 1955, Hans Gilomen-Ritter, Onsa Watch à Lengnau, a fait notifier un commandement de payer à la Société commerciale de banque SA, à Genève (en abrégé: la Société). Le créancier obtint la mainlevée provisoire, puis la débitrice l'assigna en libération de dette. Le 6 mars 1956, sur requête du créancier, le Tribunal de première instance de Genève ordonna qu'il soit dressé BGE 82 I 145 S. 146 un inventaire des biens de la débitrice, vu la complexité, la durée probable du procès en libération de dette et l'importance de la somme litigieuse. Le 23 mars 1956, la Cour de justice de Genève déclara irrecevable l'appel interjeté par la Société contre le jugement du 6 mars 1956, en bref par les motifs suivants: L'appel ne serait recevable qu'en cas de violation de la loi au sens de l'art. 339 LPC gen. Cette condition n'est pas réalisée. La recourante allègue en vain n'avoir pas été convoquée par le premier juge. Selon l'art. 427 LPC gen., le juge "décide dans chaque cas s'il y a lieu d'entendre les parties" et la Cour "n'entend pas, sauf circonstances spéciales, limiter le pouvoir d'appréciation du Tribunal dans ce domaine". Il n'y a pas non plus de violation de la loi fédérale sur les banques, laquelle ne contient aucune disposition permettant aux banques d'échapper à l'inventaire prévu par l'art. 83 LP. Enfin, le Tribunal n'a pas violé cette dernière disposition légale. Bien qu'elle renvoie à l'art. 162 LP, le juge n'a pas à apprécier la nécessité de l'inventaire requis; cet inventaire est de droit, "comme la saisie provisoire l'est envers un débiteur soumis à la poursuite par voie de saisie". B.- Contre cet arrêt, la Société a formé un recours de droit public. Son argumentation se résume comme il suit: Il y a déni de justice du fait que la Cour a entériné la procédure adoptée par le Tribunal de première instance, bien qu'il eût statué sans entendre la débitrice. L'arrêt attaqué est, de plus, entaché d'arbitraire. On ne saurait admettre que l'inventaire visé par l'art. 83 al. 1 LP soit "de droit" comme la saisie provisoire. Au contraire, le législateur l'a soustrait à la connaissance de l'autorité administrative pour le soumettre à celle du juge et, par le renvoi à l'art. 162, il l'a subordonné à la condition que la mesure paraisse nécessaire. Cette exigence est justifiée par la gravité du préjudice que la prise d'inventaire peut causer. BGE 82 I 145 S. 147 C.- Hans Gilomen-Ritter, Onsa Watch, conclut à l'irrecevabilité, subsidiairement au rejet du recours. Il allègue en résumé ce qui suit: Il s'agit en l'espèce d'une décision non pas finale, mais incidente au sens de l'art. 87 OJ. Or la prise d'inventaire ne causerait aucun dommage irréparable à la recourante. Le présent recours est donc irrecevable. Mais il est en tout cas mal fondé. Il n'y a pas, tout d'abord, de déni de justice, parce que l'art. 427 LPC gen. permet au juge de ne pas entendre les parties. Mais la Cour de justice n'est pas non plus tombée dans l'arbitraire. Elle a jugé à bon droit que le créancier pouvait requérir l'inventaire selon l'art. 83 LP sans avoir à en prouver la nécessité. Même s'il en allait autrement, du reste, la mesure aurait été ordonnée à juste titre. D.- La Cour de justice se réfère aux considérants de son arrêt. Erwägungen Considérant en droit: 1. En principe, le recours de droit public est recevable contre les décisions finales prises en dernière instance; les décisions incidentes ne peuvent être attaquées par cette voie que si elles entraînent pour l'intéressé un dommage irréparable (art. 87 OJ). La décision attaquée dans la présente espèce a été prise en dernière instance cantonale. Mais il ne s'agit pas d'une décision finale. Pas plus que les prononcés en matière de mainlevée provisoire (RO 79 I 45, consid. 2; 153), ceux qui concernent l'inventaire prévu à l'art. 83 al. 1 LP ne mettent fin au litige soulevé par l'opposition. Cet inventaire, de même que celui de l'art. 162, n'est qu'une mesure purement conservatoire, un incident de la procédure de faillite. Bien qu'il ne soit pas sans rapports avec l'action en libération de dette, il n'apparaît pas non plus comme une mesure provisionnelle rattachée à cette action. Se caractérisant comme une décision incidente, la décision attaquée ne pourra donc faire l'objet d'un recours de BGE 82 I 145 S. 148 droit public que si elle cause à la débitrice un dommage irréparable (art. 87 précité). Selon la jurisprudence constante, ce dommage doit consister dans un préjudice juridique; il est réputé irréparable lorsque la décision finale, supposée favorable au recourant, ne le ferait pas entièrement disparaître (RO 79 I 46, consid. 3 et les arrêts cités). Tel est le cas dans la présente espèce. A la différence de la mainlevée provisoire dont les effets sont uniquement formels (art. 83 al. 1 et 2 LP), la décision par laquelle le juge ordonne l'inventaire donne libre cours à une mesure qui entraîne des conséquences de fond et porte sur tout le patrimoine du débiteur (art. 164 LP). Il faut dès lors admettre l'existence d'un préjudice juridique. Ce préjudice ne serait du reste pas réparé par un jugement favorable au demandeur dans l'action en libération de dette. Car si un tel jugement met fin aux effets de l'inventaire ex nunc, il ne peut les supprimer ex tunc. L'atteinte à la situation juridique de la défenderesse est d'autant plus réelle que le juge a ordonné l'inventaire sans en examiner la nécessité selon l'art. 162 LP. 2. C'est sur ce dernier point, précisément, que la recourante élève le grief d'arbitraire. Lorsque, comme en l'espèce, le créancier a obtenu la mainlevée provisoire et que le débiteur est soumis à la poursuite par voie de faillite, l'art. 83 al. 1 i.f. LP autorise le créancier à "demander au juge qu'il soit procédé à l'inventaire en application de l'art. 162". Cette dernière disposition, qui institue l'inventaire après réquisition de la commination de faillite, prévoit que le juge examine "si cette mesure lui paraît nécessaire". Le sens littéral de ces deux règles légales est clair. Dans le cas de l'art. 83, l'inventaire doit être ordonné conformément aux prescriptions de l'art. 162; le juge ne donnera donc suite à la réquisition que si cela lui paraît nécessaire. Telle est la volonté du législateur, clairement exprimée. Elle est du reste confirmée par la procédure instituée. Si le législateur avait voulu que le créancier puisse obtenir de plein droit BGE 82 I 145 S. 149 l'inventaire, sous la seule condition de prouver l'existence de la mainlevée provisoire, il est hors de doute qu'il n'aurait pas institué une procédure judiciaire et que, comme pour la saisie provisoire précisément, il aurait simplement chargé l'office de donner suite, le cas échéant, à la réquisition. L'appel fait au juge ne s'explique que dans l'hypothèse où, pour se prononcer sur la mesure requise, on doit examiner si elle paraît nécessaire. La Cour de justice oppose l'inventaire de l'art. 83 al. 1 à celui de l'art. 162 (cf. l'arrêt prononcé par elle en la cause Rodolphe Haller Armement Rhénan c. Elur Anstalt, du 14 mai 1954, Semaine judiciaire, 1955, pp. 490 ss., auquel se réfère la décision attaquée). Mais les différences principales entre ces deux mesures imposent au contraire la conclusion que l'exigence de la loi touchant la nécessité de l'inventaire se justifie dans le premier cas bien plus encore que dans le second. Lorsque l'inventaire est requis conformément à l'art. 162, la poursuite ne rencontre plus d'obstacle et rien ne permet de douter qu'elle aura effectivement lieu. On ne peut donc guère causer au débiteur un tort considérable en avançant quelque peu, sur la demande du créancier, une mesure qui est de toute façon imminente et qu'il pourra obtenir à bref délai (art. 221 LP). L'inventaire de l'art. 83, en revanche, est plus grave. Il anticipe sur la continuation d'une poursuite qui peut n'intervenir que beaucoup plus tard ou même ne pas se produire du tout si la demande en libération de dette est admise, auquel cas il se révélera injustifié. La mesure, qui revêt une certaine gravité (art. 164 LP; RO XXX I 755, consid. 2; 46 III 105 ) est rendue plus grave encore du fait qu'elle est prononcée pour un délai indéterminé, mais qui peut être fort long. Cette argumentation n'est en rien infirmée par les auteurs que cite la Cour de justice en faveur de sa thèse (BLUMENSTEIN, Handbuch des schweizerischen Schuldbetreibungsrechtes, Berne, 1911, p. 567; v. OVERBECK, Schuldbetreibung und Konkurs, 2e édition, Zurich 1940, pp. 139-140; BRAND, Fiches juridiques suisses, BGE 82 I 145 S. 150 s. vo "Poursuite ordinaire par voie de faillite", no 992, 3 b, aa), l'opinion qu'ils expriment n'étant point motivée. Ainsi, en ordonnant l'inventaire visé par l'art. 83, sans rechercher si cette mesure lui paraissait nécessaire, la Cour de justice non seulement s'est écartée du texte clair de la loi, mais encore a pris une décision que l'on ne peut justifier. Son arrêt est donc entaché d'arbitraire. L'intimé allègue en vain qu'en tout cas l'inventaire requis était nécessaire. Le juge cantonal ne s'étant pas prononcé sur ce point, le Tribunal fédéral, saisi par la voie du recours de droit public, ne saurait en connaître.
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nan
fr
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CH
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01491a5d-4a04-407a-92d7-11816545b12a
Urteilskopf 136 III 322 49. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. V. und W. B.V. gegen A. und Mitb. (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_462/2009 vom 16. März 2010
Regeste Hinreichende Substanziierung und relative Verjährung des Konkursverschleppungsschadens (Art. 42 Abs. 2, Art. 725 Abs. 2, Art. 729b Abs. 2, Art. 754, 755 und 760 Abs. 1 OR ). Bei der Festsetzung des Konkursverschleppungsschadens ist das Vermögen im Zeitpunkt, in welchem der Konkurs hätte erfolgen müssen, mit demjenigen bei Konkurseröffnung zu vergleichen. Massgebend sind die Liquidationswerte, während den Fortführungswerten keine Bedeutung zukommt. Zur Substanziierung des Schadens, der nicht mit einer Verminderung der Aktiven, sondern einer Erhöhung der Verschuldung begründet wird, sind detaillierte Angaben zu den Liquidationswerten entbehrlich. Sind die Voraussetzungen für eine Schadensschätzung nach Art. 42 Abs. 2 OR gegeben, hat sie das Gericht vorzunehmen, auch wenn sich die Partei nicht auf diese Bestimmung beruft (E. 3). Zeitpunkt, in welchem für Ansprüche aus aktienrechtlicher Verantwortlichkeit die relative Verjährung gegenüber den Konkursgläubigern, die den Schaden der Gläubigergesamtheit geltend machen, zu laufen beginnt (E. 4).
Sachverhalt ab Seite 323 BGE 136 III 322 S. 323 Am 6. Oktober 1994 wurde über die Y. AG, die mit Kaviar handelte, der Konkurs eröffnet und am 22. November 1994 das summarische Konkursverfahren angeordnet. Die Gesellschaft V. (Beschwerdeführerin 1) und die W. B.V. (Beschwerdeführerin 2) liessen sich im Konkurs Ansprüche abtreten gegen A. (Beklagter/Beschwerdegegner 1), B. (Beklagter/Beschwerdegegner 2) und C. (Beklagter/Beschwerdegegner 3) als Mitglieder des Verwaltungsrats und gegen die XZ. (nunmehr X. AG, Beklagte/Beschwerdegegnerin 4) als Revisionsstelle der konkursiten Gesellschaft. Die Beschwerdeführerinnen klagten beim Bezirksgericht March gegen die Beschwerdegegner 1 und 2 und die Beschwerdegegnerin 4 aus aktienrechtlicher Verantwortlichkeit nach Art. 754 f. OR wegen Konkursverschleppung auf Zahlung von Fr. 21'380'000.- nebst Zins sowie gegen die Beschwerdegegner 1-3 auf Zahlung von Fr. 1'161'456.90 wegen unrechtmässiger Bezüge beziehungsweise Rückzahlungsverpflichtung ( Art. 754 und 678 OR ). Nachdem das Kantonsgericht Schwyz ein erstes Urteil des Bezirksgerichts aufgehoben hatte, wies dieses am 25. September 2008 die Klage über Fr. 21'380'000.- infolge Verjährung und fehlender Substanziierung des Schadens ab. Das Kantonsgericht hielt die Forderung demgegenüber nicht für verjährt, erachtete den Schaden aber wie das Bezirksgericht als nicht hinreichend substanziiert. BGE 136 III 322 S. 324 Das Bundesgericht heisst die von den Beschwerdeführerinnen angestrengte Beschwerde in Zivilsachen teilweise gut und weist die Sache an das Kantonsgericht zurück zur Durchführung eines Beweisverfahrens betreffend den behaupteten Schaden zufolge Konkursverschleppung. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Die Beschwerdeführerinnen brachten im kantonalen Verfahren vor, sie hätten den Schaden anhand der Überschuldungsdifferenz zwischen 31. Dezember 1993 und 30. September 1994 gestützt auf die Angaben der Revisionsstelle berechnet und eine Schadensberechnung zu Liquidationswerten sowie ein Sachverständigengutachten angeboten. Ohnehin könne der Schaden nur geschätzt werden. 3.1 Die Vorinstanz hat zu Gunsten der Beschwerdeführerinnen festgehalten, mit Erhalt der Schreiben der Revisionsstelle vom 4. März und 5. Oktober 1994, die auf Fortführungswerten basierende Bilanzangaben enthielten, seien den Beschwerdeführerinnen die für den Verjährungsbeginn relevanten Vermögensdaten noch nicht bekannt gewesen, soweit es für den Schaden nicht auf Fortführungswerte ankomme. Zudem sei der Schaden für den Abtretungsgläubiger nicht bereits nach Anmeldung der Forderungen bestimmbar, sondern frühestens, wenn Inventar und Kollokationsplan auflägen. 3.1.1 Was die Schadenssubstanziierung anbelangt, erwog die Vorinstanz, massgebend seien nicht die Fortführungswerte gemäss Zwischenbilanz, auf welche die Beschwerdeführerinnen abgestellt hätten, sondern die zumal bei verderblichen Konsumgütern erfahrungsgemäss tieferen Liquidationswerte. Die Beschwerdegegner hätten denn auch bereits im erstinstanzlichen Verfahren darauf hingewiesen, dass der tatsächliche Schaden allenfalls einen Bruchteil des eingeklagten Betrages ausmache. Nach Auffassung der Vorinstanz sind die Beschwerdeführerinnen die grundlegendsten Angaben schuldig geblieben, die es erlaubt hätten, die Vermögens- und Eigenkapitalentwicklung zwischen dem klägerischerseits als massgeblich erachteten Anfangszeitpunkt (Ende 1993) und der Konkurseröffnung (6. Oktober 1994) zu berechnen. Die Beschwerdeführerinnen hätten sich zur Feststellung der Gesellschaftspassiven im Konkurszeitpunkt auch nicht auf den Kollokationsplan berufen, obwohl ihnen dieser BGE 136 III 322 S. 325 zugänglich gewesen sei. In welcher Höhe ein Schaden entstanden sei, könne daher nicht gesagt werden. 3.1.2 Die Vorinstanz erkannte, Art. 42 Abs. 2 OR helfe den Beschwerdeführerinnen nicht weiter, denn sie hätten diese Vorschrift lediglich zur Festlegung des Stichdatums der Schadensanzeige, d.h. des Zeitpunkts angerufen, in welchem die Überschuldungsanzeige im Sinne von Art. 725 Abs. 2 bzw. Art. 729b Abs. 2 OR pflichtgemäss hätte erstattet werden müssen, nicht aber zum Schaden selbst. Da die Gegenpartei bereits mit der Klageantwort im erstinstanzlichen Verfahren die klägerische Schadensberechnung substanziiert bestritten und eine Aufzeigung der Veräusserungswerte verlangt habe, verfange auch der Hinweis der Beschwerdeführerinnen auf die richterliche Fragepflicht nicht. Es genüge daher nicht, dass die Beschwerdeführerinnen in der Replik eine Liquidationsbilanz richterlichem Gutdünken anheimgestellt hätten. Mangels brauchbarer Berechnungsvorschläge der Beschwerdeführerinnen könne nicht von einer hinreichenden Klagespezifizierung gesprochen werden. Es sei auch nicht möglich, die Vermögensentwicklung ohne Rücksicht auf weitere Bilanzpositionen aufgrund des Hauptaktivums der konkursiten Gesellschaft, der Kaviarvorräte, abzuschätzen, da auch diesbezüglich keine Preisentwicklung aufgezeigt worden sei. 3.2 Besteht der Schaden - wie hier behauptet - in der Vergrösserung der Verschuldung der Konkursitin, welche durch eine verspätete Konkurserklärung entstanden ist (vgl. Art. 725 Abs. 2 und 729b Abs. 2 OR), im sogenannten "Fortführungsschaden" zufolge Konkursverschleppung (BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, 4. Aufl. 2009, § 18 Rz. 369 f. S. 2488), so ist die tatsächlich eingetretene Überschuldung der Konkursitin mit jener zu vergleichen, die bei einem Konkurs zum früheren Zeitpunkt bestanden hätte ( BGE 132 III 342 E. 2.3.3 S. 348, BGE 132 III 564 E. 6.2 S. 575 f.). 3.2.1 Der Schaden, der durch eine verzögerte Konkurseröffnung entstanden ist, kann bundesrechtskonform in der Weise festgestellt werden, dass der aus den Buchhaltungsunterlagen ersichtliche Saldo im Zeitpunkt der Verletzung der Benachrichtigungspflicht mit dem (höheren) Verlust im Zeitpunkt der tatsächlich erfolgten Konkurseröffnung verglichen wird (Urteil des Bundesgerichts 4C.263/2004 vom 23. Mai 2005 E. 3, nicht publ. in: BGE 132 III 222 ). Es gilt also, den Vermögensstand der Gesellschaft bei Konkurseröffnung mit dem Vermögen zu jenem Zeitpunkt zu vergleichen, auf welchen die BGE 136 III 322 S. 326 eingeklagten Organe bzw. die Revisionsgesellschaft nach klägerischer Behauptung die Konkurseröffnung bei pflichtgemässem Handelnhätten herbeiführen müssen. Zu diesem Zweck kann der Überschuldungsgrad einzig gestützt auf Liquidationswerte ermittelt werden, denn die Konkurseröffnung zieht die Auflösung der Gesellschaft nach sich ( Art. 736 Ziff. 3 OR ) und deren Liquidation nach den Regeln des Konkursrechts ( Art. 740 Abs. 5 OR ). In diesem Stadium hat der Fortführungswert, da der gewöhnliche Geschäftsbetrieb eingestellt wird, diesbezüglich seine Bedeutung verloren. 3.2.2 Wenn der Vorwurf dahin geht, der Konkurs sei verzögert worden, darf der Schaden nach dem Gesagten nicht als Differenz zwischen dem Liquidationswert bei effektiver und dem Fortführungswert zum Zeitpunkt der pflichtwidrig unterlassenen Benachrichtigung des Richters definiert werden (Urteile des Bundesgerichts 4C.58/2007 vom 25. Mai 2007 E. 2.5, in: SJ 2008 I S. 55 ff., 58; 4C.117/1999 vom 16. November 1999 E. 2b). Dabei kann nur der Teil des "Fortführungsschadens" für die Ersatzpflicht relevant sein, der (adäquat) kausal auf die Pflichtwidrigkeit des einzelnen Verwaltungsratsmitglieds zurückzuführen ist (BÖCKLI, a.a.O., § 18 Rz. 369a S. 2489). 3.3 Soweit die Beschwerdeführerinnen vor Bundesgericht daran festhalten, die Vorinstanz verstosse mit ihrer Rechtsauffassung, massgeblich für die Schadensberechnung seien Liquidationswerte, gegen Art. 754 f. und 41 f. OR, ist die Beschwerde nach dem Gesagten unbegründet. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen handelt es sich bei Aktiven und Passiven nicht um Werte, denen mit Bezug auf die Frage der Überschuldung und deren Ausmasses isoliert betrachtet Bedeutung zukommt, sondern um interdependente Elemente, welche den Bilanzwert der Gesellschaft bestimmen. Demgegenüber trifft zwar zu, dass die Gesamtheit der rechtskräftig kollozierten Forderungen keine bundesrechtlich verbindliche Grundlage bildet, die der Schadensberechnung zugrunde zu legen wäre ( BGE 132 III 342 E. 2.3.3 S. 348 mit Hinweisen). Da aber der "Fortführungsschaden" belegt werden kann, indem man die effektive Konkursdividende mit der hypothetischen vergleicht, die bei rechtzeitiger Benachrichtigung des Richters zu erwarten gewesen wäre (Urteil des Bundesgerichts 4C.192/2003 vom 13. Oktober 2003 E. 3.3.; BÖCKLI, a.a.O., § 18 Rz. 369a S. 2488 mit Hinweisen), kann der Gesamtheit der rechtskräftig kollozierten Forderungen zumindest als Indiz für die Vergrösserung der Überschuldung Bedeutung zukommen, insbesondere, wenn die mutmassliche Konkursdividende BGE 136 III 322 S. 327 bereits im ersten Vergleichszeitpunkt bei nahezu 0 % liegt, so dass sich aus dem Vergleich der mutmasslichen mit der tatsächlichen Konkursdividende der nicht privilegierten Konkursgläubiger nichts übereine allfällige Zunahme der Überschuldung infolge der Konkursverschleppung ableiten lässt. 3.4 Was die Bewertung des Hauptaktivums, der Kaviarvorräte, anbelangt, machen die Beschwerdeführerinnen mit Aktenhinweisen geltend, sie hätten in der Replik vorgebracht, dieses Aktivum sei für beide Zeitpunkte auf derselben Grundlage bewertet worden. Sie hätten die Bewertung erläutert und vorgetragen, dass eine Schadensberechnung nach Liquidationswerten kein anderes Bild ergeben würde. In diesem Zusammenhang hätten sie Beweis durch einen Sachverständigen angeboten. 3.4.1 An den angeführten Stellen der Replik haben die Beschwerdeführerinnen in der Tat dargelegt, der Kaviarbestand sei in der Anzeige an den Konkursrichter vom 5. Oktober 1994 gleich wie im Schreiben der Revisionsstelle vom 4. März 1994 an den Beschwerdegegner 1 nicht zu Konkursschleuder-, sondern zu Einstandspreisen eingesetzt worden. Zudem habe sich in der betreffenden Zeitspanne zwischen Januar und Oktober 1994 nicht nur die Schuldenlast um Fr. 21'380'000.- erhöht, sondern zusätzlich der Lagerbestand an Kaviar um 12'000 kg verringert, woraus sich ein zusätzlicher Verlust ergebe, weshalb umso mehr gerechtfertigt sei, für die Schadenshöhe gemäss Art. 42 Abs. 2 OR auf die von der Beschwerdegegnerin 4 angegebenen Schätzungen per 31. Dezember 1993 und 6. Oktober 1994 im Sinne einer Minimalangabe abzustellen. Zu berücksichtigen sei nämlich, dass zufolge der verspäteten Konkurseröffnung 10'475 kg des Kaviarvorrates verdorben gewesen seien, wodurch sich die Vermögensverminderung erhöhe. Diesen Zusatzschaden bezifferten die Beschwerdeführerinnen auf der Grundlage des Verkaufspreises, der im Konkurs gelöst wurde, auf Fr. 1'732'373.-. Abschliessend anerboten die Beschwerdeführerinnen für eine Berechnung des Schadens nach Liquidationswerten zum Beweis ein Gutachten durch einen Sachverständigen mit der Behauptung, dass sich dabei das von ihnen geschilderte Schadensbild ergeben würde. 3.4.2 Dass Sachvorbringen in der Replik prozessual verspätet wären, ist dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen. Werden diese beachtet, lässt sich der Vorwurf, die Beschwerdeführerinnen hätten ihre Sachvorbringen nicht hinreichend klar behauptet, weshalb ein BGE 136 III 322 S. 328 substanziiertes Bestreiten und ein Beweis darüber nicht möglich gewesen wäre, bundesrechtlich nicht halten. Eine Tatsachenbehauptung braucht nicht alle Einzelheiten zu enthalten; es genügt, wenn die Tatsache in einer den Gewohnheiten des Lebens entsprechenden Weise in ihren wesentlichen Zügen oder Umrissen behauptet worden ist. Immerhin muss die Tatsachenbehauptung so konkret formuliert sein, dass ein substanziiertes Bestreiten möglich ist oder der Gegenbeweis angetreten werden kann (vgl. BGE 117 II 113 E. 2). 3.4.3 Wie dargelegt haben die Beschwerdeführerinnen mit der Behauptung des real erzielten Verkaufserlöses den Liquidationswert im Konkurszeitpunkt angegeben. Zudem haben sie den Umfang der Erhöhung der Passiven in der fraglichen Periode beziffert und zu quantitativen und qualitativen Veränderungen des Inventars Stellung bezogen, indem sie geltend machten, in Tat und Wahrheit resultiere ein zusätzlicher Minderwert von Fr. 1'732'373.-, weil 10'475 kg Kaviar in der Zwischenzeit verdorben seien und sich der Lagerbestand durch Verkauf reduziert habe. Wenn sie auf dieser Grundlage behaupten, auch wenn man das Inventar für den Zeitpunkt des hypothetischen Konkurses auf der Basis der (realen) Liquidationswerte berechne, ergebe sich dasselbe Schadensbild, ein Schaden von Fr. 21'380'000.-, haben sie auf nachvollziehbare Weise dargelegt, worin sie den Schaden erblicken. 3.4.4 Ob die Ausführungen der Beschwerdeführerin zur Schadensberechnung rechtlich korrekt sind, ist mit Bezug auf die hinreichende Substanziierung der Vorbringen nicht massgebend. Ob die Behauptung des Schadens in tatsächlicher Hinsicht ganz, teilweise oder gar nicht zutrifft, hätte sich aus der offerierten Expertise ergeben. Inwiefern die Behauptungen für die Erstellung einer solchen oder ein substanziiertes Bestreiten nicht hinreichend gewesen wären, ist nicht ersichtlich. Vielmehr nimmt die Beschwerdegegnerin 4 in der Beschwerdeantwort vielfach materiell zu den klägerischen Ausführungen Stellung. Inwieweit es den Beschwerdeführerinnen gelingt, ihre Vorbringen zu beweisen, beschlägt die materielle Begründetheit der Forderung und damit den Umfang, in welchem die eingeklagten Ansprüche ausgewiesen sind, ist aber für die Frage, ob die Sachbehauptungen den bundesrechtlichen Substanziierungsanforderungen genügen, nicht erheblich. 3.4.5 Überdies betont die Beschwerdegegnerin 4 selbst, sie habe aufgezeigt, dass im Konkurszeitpunkt der Restbetrag der nicht an die BGE 136 III 322 S. 329 gesicherten Gläubiger gegangenen Aktiven minimal gewesen sei und riesige Passiven bestanden hätten. Wenn die Beschwerdeführerinnen bei dieser Sachlage den Schaden zur Hauptsache mit der Erhöhung der Passiven im fraglichen Zeitraum begründen, die sie einer verspäteten Benachrichtigung des Richters zuschreiben, lässt sich der Vorwurf, sie hätten die exakte Bewertung der Aktiven vernachlässigt, erst recht nicht rechtfertigen, zumal eine natürliche Vermutung für die schadensstiftende Wirkung einer verspäteten Überschuldungsanzeige spricht (132 III 564 E. 6.3 S. 576 f. mit Hinweisen; Urteil des Bundesgerichts 4P.305/2001 vom 18. März 2002 E. 2d) und der Schaden letztlich ohnehin nur geschätzt werden kann, da der Vermögensstand beim behaupteten pflichtgemässen Verhalten notwendigerweise auf einer Hypothese beruht (BÖCKLI, a.a.O., § 18 Rz. 373 S. 2490). Eine Schadensschätzung nach Art. 42 Abs. 2 OR hat somit im Rahmen richterlicher Rechtsanwendung von Amtes wegen zu erfolgen, ungeachtet der Frage, ob und zu welcher Schadensposition sich ein Geschädigter darauf beruft. 3.4.6 Ob die Beschwerdeführerinnen die Vergrösserung der Passiven im Laufe der genannten Zeitspanne aus dem Kollokationsplan oder aus einer anderen Informationsquelle ableiten, hat wiederum entgegen der Auffassung der Vorinstanz nichts mit der Frage zu tun, ob das Anwachsen der Passiven, das gemäss klägerischer Behauptung den Schaden darstellt, hinreichend klar behauptet wurde. Die Beschwerdeführerinnen haben die Erhöhung der Passiven auch beziffert. Was einem substanziierten Bestreiten und einer Beweisführung entgegenstehen könnte, ist nicht ersichtlich. 4. Die Beschwerdegegner 1-3 und die Beschwerdegegnerin 4 wenden in ihren Beschwerdeantworten allerdings ein, die Annahme der Vorinstanz, die klägerischen Ansprüche seien nicht verjährt, sei bundesrechtswidrig. Darauf ist nunmehr einzugehen, da eine Aufhebung des angefochtenen Urteils wegen überspannter Substanziierungsanforderungen nur in Frage kommt, wenn die Klage nicht ohnehin wegen Verjährung abzuweisen ist. 4.1 Nach Art. 760 Abs. 1 OR verjährt der Anspruch auf Schadenersatz gegen die nach den Art. 752 ff. OR verantwortlichen Personen in fünf Jahren vom Tage an, an dem der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat, jedenfalls aber mit dem Ablauf von zehn Jahren, vom Tage der schädigenden Handlung an gerechnet. Fristauslösende Schadenskenntnis BGE 136 III 322 S. 330 liegt vor, wenn der Geschädigte die Existenz eines Schadens sowie dessen Beschaffenheit und wesentlichen Merkmale, d.h. alle tatsächlichen Umstände kennt, die geeignet sind, eine Klage zu veranlassen und zu begründen ( BGE 116 II 158 E. 4a S. 160 f.; vgl. auch BGE 131 III 61 E. 3.1.1 S. 68; je mit Hinweis). Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Geschädigte tatsächlich Kenntnis vom Schaden hat, nicht mit demjenigen, in welchem er bei Anwendung der nach den Umständen gebotenen Aufmerksamkeit ausreichende Kenntnis vom Schaden hätte erlangen können ( BGE 111 II 55 E. 3a S. 57 f.; vgl. auch BGE 131 III 61 E. 3.1.2 S. 68). 4.2 Die Vorinstanz erwog, die für den Beginn der Verjährungsfrist massgebende Schadenskenntnis dürfe vor Auflage des Kollokationsplanes nicht leichthin angenommen werden. Im Interesse der Rechtssicherheit sei ein klares Stichdatum notwendig. Zwar möge zutreffen, dass sich ein Totalverlust der Gläubiger schon früh abgezeichnet habe. Ein Verschleppungsschaden sei indessen für die Klage eines Abtretungsgläubigers erst bestimmbar, wenn Aktiven und Passiven der Gesellschaft zum Konkurszeitpunkt ermittelt seien. Dies sei entgegen der Auffassung der Beschwerdegegner nicht bereits nach Ablauf der Frist zur Forderungsanmeldung, sondern erst nach Abschluss des Kollokationsverfahrens der Fall. Die Schreiben der Revisionsstelle vom 4. März und 5. Oktober 1994 hätten lediglich provisorische Schätzungen enthalten. Vor Auflage von Inventar und Kollokationsplan habe der Schaden nicht hinreichend bekannt sein und die Verjährung daher nicht beginnen können. Darüber hinaus sei nicht erstellt, dass die Beschwerdeführerinnen von den relevanten Pflichtverletzungen, der Falschbewertung der Kaviarvorräte in der Bilanz per 31. März 1993, schon vor dem 16. Juni 1995 gewusst hätten. Selbst wenn Kenntnis der schadensrelevanten Umstände vor Auflage von Kollokationsplan und Inventar anzunehmen sein sollte, wäre diesbezüglich aufgrund der erst später bekannt gewordenen Pflichtverletzung die Verjährung zu verneinen. 4.3 Soweit die Beschwerdegegner 1-3 anführen, die Gesellschaft habe schon anlässlich der Generalversammlung vom 9. November 1993 Kenntnis der Falschbewertung gehabt, und rügen, die Vorinstanz habe auf unhaltbare Weise festgestellt, der Nachweis konkreter Schadenskenntnis der Gläubigergesamtheit bzw. Konkursverwaltung, namentlich betreffend Zahlung an den Drittbeklagten, sei ihnen nicht gelungen, kritisieren sie ohne nähere Begründung die für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlichen ( Art. 105 Abs. 1 BGG ) BGE 136 III 322 S. 331 Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz und sind damit nicht zu hören. Auch die Beschwerdegegnerin 4 beschränkt ihre Ausführungen hinsichtlich der ihrer Ansicht nach zu Unrecht verneinten Verjährung weitgehend auf unzulässige appellatorische Kritik am angefochtenen Urteil, indem sie ihren rechtlichen Vorbringen, ohne gleichzeitig substanziierte Sachverhaltsrügen zu erheben, Umstände zugrunde legt, die im angefochtenen Urteil keine Stütze finden. Darauf ist nicht einzutreten. Soweit sie anführt, die Vorinstanz habe ihre Ausführungen in der Berufungsantwort weitgehend unbeachtet gelassen, lässt sie dazu jeglichen Aktenhinweis missen, weshalb die Rüge unbeachtet bleiben muss. 4.4 Hinreichende Kenntnis ist für die aktienrechtliche Verantwortlichkeitsklage aus mittelbarer Schädigung nach Lehre und Rechtsprechung regelmässig gegeben, wenn der Kollokationsplan und das Inventar zur Einsicht aufgelegt worden sind ( BGE 122 III 195 E. 9c S. 202 f.; BGE 111 II 164 E. 1a S. 167; je mit Hinweis). Aufgrund besonderer Umstände kann der Geschädigte im Einzelfall die nötige Kenntnis jedoch auch schon früher erlangen ( BGE 116 II 158 E. 4a S. 161). Keinesfalls aber kann die fünfjährige (relative) Verjährung für Verantwortlichkeitsansprüche der Gesamtheit der Gläubiger, welche einem Gesellschaftsgläubiger nach Art. 260 SchKG abgetreten wurden, einsetzen, bevor über die Gesellschaft der Konkurs eröffnet wurde ( BGE 122 III 195 E. 9c S. 202 mit Hinweis), denn die Forderung der Gesamtheit der Gläubiger ist nicht einklagbar, bevor über die Gesellschaft der Konkurs eröffnet wurde (vgl. schon BGE 87 II 293 E. 4 S. 297 ff.; Urteil des Bundesgerichts 4A_174/2007 vom 13. September 2007 E. 5.2; CORBOZ, in: Commentaire romand, Code des obligations, Bd. II, 2008, N. 20 f. zu Art. 760 OR ; ungenau WIDMER/GERICKE/WALLER, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. II, 3. Aufl. 2008, N. 5 zu Art. 760 OR , die unter Hinweis auf das zit. Urteil 4A_174/2007 erwähnen, die relative Verjährungsfrist beginne für die Abtretungsgläubiger mit der Konkurseröffnung, wobei sie dennoch unter Hinweis auf BGE 122 III 202 zutreffend anführen, in Bezug auf den Anspruch der Gläubiger aus mittelbarer Schädigung habe die Praxis präzisiert, dass die Frist für die Gläubiger erst mit der Auflage des Kollokationsplans und des Inventars zur Einsicht zu laufen beginne). 4.5 An dieser Rechtsprechung hat BGE 132 III 342 nichts geändert (vgl. zit. Urteil 4A_174/2007 E. 5.2). Darin wurde vielmehr erkannt, BGE 136 III 322 S. 332 dass den verantwortlichen Organen unter Vorbehalt der Gläubigerbenachteiligung diejenigen Einreden auch im Konkurs der Gesellschaft gegenüber der Gesamtheit der Gläubiger erhalten bleiben sollen, die vor der Konkurseröffnung der Gesellschaft entstanden sind, namentlich die Befugnis zur Verrechnung mit Gegenforderungen, welche schon vor Eröffnung des Konkurses entstanden sind (E. 4). Es bleibt aber dabei, dass im Konkurs der eigene Anspruch der Gesellschaft durch denjenigen der Gläubigergesamtheit abgelöst wird mit dem Zweck, diejenigen Einreden auszuschliessen, welche den Abtretungsgläubigern gegenüber nicht gerechtfertigt sind. Dass unter diesen Ausschluss die Einrede der relativen Verjährung fallen muss, soweit sie der Gesellschaft entgegengehalten werden könnte, versteht sich ohne Weiteres, da die zur Verantwortung gezogenen Organe nicht von ihrer eigenen Untätigkeit profitieren sollen und die Abtretungsgläubiger vor Konkurseröffnung die Verjährung nicht unterbrechen können (vgl. Urteil des Bundesgerichts 4C.363/2006 vom 13. März 2007 E. 4.3; anders betr. die absolute Verjährung, die mit der schädigenden Handlung zu laufen beginnt). 4.6 Da ein Anspruch der Gläubigergesamtheit zur Debatte steht, kann es entgegen der Meinung der Beschwerdegegner 1-3 nicht auf die Kenntnis der Gesellschaft selbst ankommen und die Verjährung jedenfalls nicht vor Konkurseröffnung beginnen. Auch der Ablauf der Eingabefrist für die Konkursforderungen kann nicht ausschlaggebend sein. Dass auch bei früherer Durchführung des Konkurses mit einer Konkursdividende von 0 % zu rechnen war, wie die Beschwerdegegnerin 4 einwendet, sagt mit Bezug auf die Erhöhung der Unterdeckung im Zeitraum zwischen pflichtwidrig unterlassener Konkursanmeldung und tatsächlich eröffnetem Konkurs nichts aus, liegt der Schaden doch nicht in der Konkursdividende, sondern in der Vergrösserung der Überschuldung. Zu Unrecht beanstandet die Beschwerdegegnerin 4 auch die Alternativbegründung der Vorinstanz, wonach der Verjährungsbeginn nebst Kenntnis des Schadens und des Ersatzpflichtigen implizit auch jene der Pflichtverletzung voraussetzt, als Verstoss gegen Art. 760 Abs. 1 OR . Bereits aus der allgemeinen Umschreibung des "Schadens" als Differenz zwischen dem gegenwärtigen (effektiven) und dem hypothetischen (höheren) Vermögensstand ohne das schädigende Ereignis (vgl. E. 3.2 hiervor) ergibt sich, dass Kenntnis des Schadens ohne Kenntnis der schädigenden Handlung kaum denkbar ist. BGE 136 III 322 S. 333 4.7 Die Vorinstanz hat demnach nicht gegen Bundesrecht verstossen, indem sie annahm, vor Auflage von Kollokationsplan und Inventar sei eine hinreichende Kenntnis des massgebenden Schadens beziehungsweise der den Beschwerdegegnern vorgeworfenen Pflichtverletzung nicht gegeben gewesen. Damit braucht die von der Vorinstanz aufgeworfene Frage, ob die notwendige Kenntnis in diesem Zeitpunkt bereits gegeben war, nicht vertieft behandelt zu werden. Ebenso kann offenbleiben, ob die relative Verjährungsfrist zu laufen beginnt, bevor der Abtretungsgläubiger die Möglichkeit hat, durch Klageeinreichung die Verjährung zu unterbrechen (vgl. hierzu BGE 87 II 293 E. 4 S. 298; CORBOZ, a.a.O., N. 22 zu Art. 760 OR ). Diese Möglichkeit wäre in der Regel erst nach Auflage des Kollokationsplans gegeben, da nur ein kollozierter Gläubiger zur aktienrechtlichen Verantwortlichkeitsklage befugt ist (Urteil des Bundesgerichts 5A_720/2007 vom 24. April 2008 E. 2.3.1; Art. 757 Abs. 2 OR ; vgl. BGE 122 III 195 E. 9b S. 202) und einer Abtretung oder einem Angebot zur Abtretung nach Art. 260 SchKG stets ein Beschluss der Masse, d.h. der Mehrheit der Gläubiger, über den Verzicht auf eigene Geltendmachung vorangehen muss, selbst wenn der Konkurs im summarischen Verfahren durchgeführt wird ( BGE 134 III 75 E. 2.3 S. 78 mit Hinweisen).
null
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de
2,010
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CH_BGE_005
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Federation
01498aed-dcda-4bfa-9ff2-2baa8deb23b8
Urteilskopf 140 II 74 8. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Bundesamt für Migration gegen X. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) 2C_861/2013 vom 11. November 2013
Regeste Vollzug der Wegweisung aufgrund der Dublin-Assoziierungsabkommen; Art. 34 Abs. 2 lit. d AsylG , Art. 64a Abs. 1 und Art. 76 AuG, Art. 19 Abs. 1, 2 und 3 der Dublin-Verordnung. Eine Wegweisung aufgrund der Dublin-Assoziierungsabkommen (Art. 64a AuG) kann durch behördliche Rückführung oder durch selbständige Ausreise vollzogen werden. Kann aufgrund der gesamten Umstände die Wegweisungsverfügung nur durch eine behördliche Rückführung erfüllt werden und ist deshalb eine solche auch vorgesehen worden, so ist die Wegweisung erst mit der Überstellung in den Zielstaat vollzogen (E. 2).
Sachverhalt ab Seite 75 BGE 140 II 74 S. 75 A. X. (Marokkaner, 1977) reiste illegal in die Schweiz ein und stellte am 13. Juli 2013 im Empfangs- und Verfahrenszentrum in Chiasso ein Asylgesuch. Aufgrund eines Abgleichs mit der europäischen Fingerabdruck-Datenbank (EURODAC) ergab sich, dass X. am 21. Mai 2013 bereits in Ungarn ein Asylgesuch (danach gemäss EURODAC auch eines in Österreich) gestellt hatte. Nachdem Ungarn am 29. Juli 2013 der Übernahme von X. zwecks Weiterführung des Asylverfahrens gestützt auf Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl. L 50 vom 25. Februar 2003 S. 1 ff.; nachfolgend: Dublin-Verordnung) zugestimmt hatte, trat das Bundesamt für Migration (BFM) gestützt auf Art. 34 Abs. 2 lit. d AsylG auf das in der Schweiz gestellte Asylgesuch am 2. August 2013 nicht ein, ordnete die Wegweisung nach Ungarn und deren Vollzug durch den Kanton Aargau an und verpflichtete X., die Schweiz spätestens am Tag nach Ablauf der Beschwerdefrist zu verlassen. Diese Verfügung wurde X. am 7. August 2013 zugestellt. Im Begleitschreiben hielt das Amt für Migration und Integration des Kantons Aargau (MIKA) fest, "Ihre Rückkehr in den zuständigen Dublin-Staat Ungarn kann nicht selbständig erfolgen und muss durch die Behörden organisiert werden". Am 8. August 2013 wurden die Ausreisemodalitäten beim MIKA geregelt. Am 18. August 2013 wurde X. in Konstanz von den deutschen Behörden angehalten, inhaftiert und am nächsten Tag der Kantonspolizei Thurgau übergeben. B. Nach Gewährung des rechtlichen Gehörs ordnete das MIKA mit Verfügung vom 20. August 2013 die Ausschaffungshaft gestützt auf Art. 76 Abs. 1 lit. b Ziff. 6 AuG für 30 Tage an. Dagegen erhob X. rechtzeitig Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, das am 20. August 2013 diese guthiess. C. Das Bundesamt für Migration erhebt Beschwerde an das Bundesgericht und beantragt, den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau vom 20. August 2013 aufzuheben. (...) Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut. (Auszug) BGE 140 II 74 S. 76 Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Wurde ein erstinstanzlicher Weg- oder Ausweisungsentscheid eröffnet, kann die zuständige Behörde den betroffenen Ausländer zur Sicherstellung von dessen Vollzug unter anderem in Ausschaffungshaft nehmen, wenn der Wegweisungsentscheid aufgrund von Art. 34 Abs. 2 lit. d des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 (AsylG; SR 142.31) oder Art. 64a Abs. 1 AuG (SR 142.20) im Kanton eröffnet wird und der Vollzug der Wegweisung absehbar ist (Art. 76 Abs. 1 lit. b Ziff. 6 AuG). Der Wegweisungsentscheid muss dabei nicht bereits rechtskräftig sein; es genügt, dass sein Vollzug noch nicht möglich, jedoch absehbar erscheint. Der Vollzug der Weg- oder Ausweisung darf sich nicht aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen als undurchführbar erweisen (vgl. Art. 80 Abs. 6 lit. a AuG) und muss mit dem nötigen Nachdruck verfolgt werden (Art. 76 Abs. 4 AuG: "Beschleunigungsgebot"). Die ausländerrechtliche Festhaltung hat zudem als Ganzes verhältnismässig zu sein (vgl. etwa Urteil 2C_749/2012 vom 28. August 2012 E. 1; siehe auch Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, Handbuch zu den europarechtlichen Grundlagen im Bereich Asyl, Grenzen und Migration, Luxemburg 2013, S. 171 f.). 2.2 Strittig ist vorliegend, ob überhaupt noch ein Wegweisungsentscheid - als Voraussetzung einer Ausschaffungshaft (Art. 76 Abs. 1 Ingress AuG) - besteht. Die Vorinstanz ist davon ausgegangen, dass mit der Ausreise des Beschwerdeführers nach Deutschland der Wegweisungsentscheid als konsumiert bzw. als vollzogen gilt. Das beschwerdeführende BFM vertritt dagegen die gegenteilige Auffassung. 2.3 Wegweisungsentscheide können auf zwei Arten vollzogen werden: durch freiwillige Ausreise oder durch behördliche Ausschaffung. Diese soll mit der Ausschaffungshaft sichergestellt werden (vgl. BGE 125 II 377 E. 2b S. 380). Nach der bisherigen, nicht Art. 64a AuG betreffenden Rechtsprechung gilt der Wegweisungsentscheid als vollzogen, wenn der Betroffene behördlich rückgeführt oder selbständig ausgereist ist, und kann alsdann nicht mehr Grundlage einer Ausschaffungshaft sein (Urteile 2C_394/2007 vom 15. August 2007 E. 2.2; 2A.133/2002 vom 26. März 2002 E. 3.2; 2A.305/2001 vom 18. Juli 2001 E. 3d). Ob es sich in Bezug auf Art. 64a AuG gleich verhält, ist nachfolgend zu prüfen. Art. 64a AuG stellt eine Wegweisung aufgrund der BGE 140 II 74 S. 77 Dublin-Assoziierungsabkommen (siehe dazu Anh. 1 Ziff. 2 AuG) dar und nimmt Bezug auf die Dublin-Verordnung, welche die Schweiz umzusetzen und anzuwenden hat (vgl. Art. 1 des Abkommens vom 26. Oktober 2004 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in der Schweiz gestellten Asylantrags [SR 0.142.392.68]); die schweizerischenVorschriften, die die Bestimmungen des Dublin-Assoziierungsabkommens umsetzen, sind europarechtskonform auszulegen (vgl. MATHIAS HERMANN, Das Dublin-System, 2008, S. 184 ff., insb. 185 f.). Nach Art. 19 Abs. 1 der Dublin-Verordnung ist der Mitgliedstaat, in welchem das Asylgesuch aufgrund der Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats abgewiesen wurde, verpflichtet , den Antragsteller an den zuständigen Mitgliedstaat zu überstellen . Insofern ist eine Wegweisung aufgrund der Dublin-Assoziierungsabkommen (Art. 64a AuG) nicht nur ein Befehl, die Schweiz zu verlassen, sondern umfasst auch den Zielort (siehe Art. 19 Abs. 1 und 2 der Dublin-Verordnung). Dies ist die logische Konsequenz der Schaffung eines gemeinsamen rechtlich geregelten Raums der Schweiz mit der EU; die Binnenperspektive endet somit nicht an der Grenze der Schweiz, sondern muss die anderen Dublin-Staaten ebenfalls mit einbeziehen. Aus diesem Grund teilt der zuständige Mitgliedstaat dem ersuchenden Mitgliedstaat bei selbständiger Rückkehr auch mit, dass der Asylbewerber eingetroffen ist, weshalb zuvor Zeitpunkt und Ort zu nennen sind, zu dem bzw. an dem sich weggewiesene Asylbewerber zu melden haben (Art. 19 Abs. 2 Satz 2 der Dublin-Verordnung; siehe auch HERMANN, a.a.O., S. 152 f.), bzw. dass er sich nicht innerhalb der vorgegebenen Frist gemeldet hat (Art. 19 Abs. 3 Unterabs. 3 der Dublin-Verordnung). Um den Verpflichtungen aus dieser Verordnung nachzukommen, muss sichergestellt sein, dass der weggewiesene Asylbewerber auch tatsächlich an seinem Bestimmungsort ankommt (vgl. FILZWIESER/SPRUNG, Dublin II-Verordnung, Das Europäische Asylzuständigkeitssystem, 3. Aufl. 2010, S. 167 K33). Vorrangig ist deshalb die behördliche Überstellung (Art. 19 Abs. 2 und 3 der Dublin-Verordnung). Vorgesehen ist aber auch die freiwillige bzw. selbständige Rückkehr (vgl. Art. 19 Abs. 2 der Dublin-Verordnung). Angesichts der staatlichen Verpflichtung aus der Dublin-Verordnung kann die freiwillige Rückkehr nur dann in Betracht gezogen werden, wenn keine Veranlassung zu der Annahme besteht, dass das Rückkehrverfahren dadurch BGE 140 II 74 S. 78 gefährdet wird (vgl. BIRGIT SCHRÖDER, Das Dubliner Übereinkommen, 2004, S. 75). Insofern obliegt es den Behörden zu prüfen, nach welcher Art und Weise die Wegweisung nach Art. 64a AuG - selbständige Ausreise oder behördliche Überstellung - vollzogen bzw. vollstreckt werden muss (vgl. FILZWIESER/SPRUNG, a.a.O., S. 151 K6); dem in der Schweiz weggewiesenen Asylbewerber kommt kein Rechtsanspruch auf selbständige Ausreise in den für das Asylverfahren zuständigen Mitgliedstaat zu (FILZWIESER/SPRUNG, a.a.O., S. 151 K6). Bei der Prüfung sind verschiedene Elemente zu berücksichtigen, insbesondere auch der Wille des weggewiesenen Asylbewerbers, selbständig in den zuständigen Mitgliedstaat auszureisen, bzw. sein vergangenes Verhalten (vgl. SCHRÖDER, a.a.O., S. 75); zu verhindern ist ein "Untertauchen" (FILZWIESER/SPRUNG, a.a.O., S. 167 K33). Kann aufgrund der gesamten Umstände die Wegweisungsverfügung nur durch eine behördliche Rückführung erfüllt werden und ist deshalb eine solche auch vorgesehen worden, so gilt der Asylbewerber erst mit der Übergabe an die Behörden des Zielstaats als überstellt (HERMANN, a.a.O., S. 152; SCHRÖDER, a.a.O., S. 75) und insofern wird auch erst damit die Wegweisungsverfügung vollzogen bzw. erfüllt. Ist eine behördliche Rückführung vorgesehen, so stellt eine selbständige Ausreise in einen dem Dublin-Assoziierungsabkommen unterliegenden Staat kein taugliches Mittel für den Vollzug der Wegweisung aufgrund der Dublin-Assoziierungsabkommen dar; ob die Wegweisung auch durch selbständige Ausreise an den Bestimmungsort trotz vorgesehener behördlicher Rückführung vollzogen bzw. erfüllt werden kann, muss hier aufgrund der gesamten Umstände nicht beantwortet werden. Ebenso wenig ist die Frage zu beantworten, wie es sich mit einer selbständigen Rückreise in sein Heimatland verhält. 2.4 Der Beschwerdeführer hat seinen ersten Asylantrag in Ungarn und seinen zweiten in Österreich gestellt. Auf seinen in der Schweiz gestellten Antrag wurde mit Verfügung vom 2. August 2013 entsprechend Art. 34 Abs. 2 lit. d AsylG nicht eingetreten, und gleichzeitig wurde er gestützt auf Art. 64a AuG nach Ungarn weggewiesen. Der Kanton Aargau wurde dabei verpflichtet, die Wegweisungsverfügung zu vollziehen. Das MIKA wies den Beschwerdeführer am 2. August 2013 darauf hin, dass die Rückkehr nicht selbständig erfolgen könne, sondern durch die Behörde organisiert werde; insofern verfügte der Beschwerdeführer für eine selbständige Erfüllung der Wegweisung auch nicht über den Zeitpunkt bzw. den Ort, zu dem bzw. an dem er sich zu melden hat (Art. 19 Abs. 2 der Dublin-Verordnung). BGE 140 II 74 S. 79 Bereits im Asylverfahren und auch beim Besprechungstermin im MIKA hat der Beschwerdeführer nämlich verschiedentlich ausgeführt, dass er nicht nach Ungarn zurückkehren werde. Am 18. August 2013 wurde der Beschwerdeführer in Konstanz von den deutschen Behörden angehalten, inhaftiert und am nächsten Tag der Kantonspolizei Thurgau übergeben. Aus dem Protokoll anlässlich der Gewährung des rechtlichen Gehörs zur Ausschaffungshaft (vgl. Art. 105 Abs. 2 BGG ) gab der Beschwerdeführer an, dass er lediglich einen Freund in Deutschland besucht habe und danach habe er wieder in die Schweiz zurückkommen wollen; er bekräftigte zudem, auf gar keinen Fall nach Ungarn auszureisen. Angesichts des Hinweises des MIKA (behördliche Rückführung) konnte der Vollzug der Wegweisungsverfügung im vorliegenden Fall grundsätzlich nur behördlich erfolgen; der Vollzug durch eine selbständige Ausreise war mangels Bekanntgabe der notwendigen Daten (Art. 19 Abs. 2 der Dublin-Verordnung) gar nicht rechtsgenüglich erfüllbar, was im Übrigen auch nicht dem Willen des Beschwerdeführers entsprach. Insofern ist die Wegweisungsverfügung vom 2. August 2013 durch den kurzen Aufenthalt in Deutschland nicht vollzogen worden, und die Vorinstanz hat zu Unrecht festgehalten, dass kein Wegweisungsentscheid vorliege. 3. Nach dem Gesagten ist die Beschwerde gutzuheissen und der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau vom 20. August 2013 - entsprechend dem Antrag des BFM - aufzuheben; über Weiteres hat das Bundesgericht schon mangels eines entsprechenden Antrags nicht zu befinden; es obliegt der zuständigen kantonalen Behörde, die Haft, sofern die Voraussetzungen wiederum erfüllt sind, ein weiteres Mal anzuordnen (vgl. Urteil 2C_445/2007 vom 30. Oktober 2007 E. 1.2). Es sind keine Gerichtskosten ( Art. 66 Abs. 3 BGG ) zu erheben und es ist keine Parteientschädigung geschuldet ( Art. 68 Abs. 3 BGG ).
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0149b912-00bb-4afa-bb44-6a867ac3a3f8
Urteilskopf 115 Ia 21 5. Estratto della sentenza 9 marzo 1989 della I Corte di diritto pubblico nella causa X. c. Comune di Chiasso e Tribunale amministrativo del Cantone Ticino (ricorso di diritto pubblico)
Regeste Tessiner Baugesetz vom 19. Februar 1973 und Ausführungsreglement vom 22. Januar 1974; Publikation des Baugesuchs und Profilierung. - In einer grösseren Ortschaft genügt die Bekanntgabe eines Baugesuchs im Anschlagekasten den Anforderungen einer rechtsgenüglichen Publikation nur dann, wenn sie von einer anderen Massnahme der Bekanntmachung begleitet ist, die jene hervorheben und ergänzen soll: als solche kommt insbesondere die Profilierung in Betracht. - Publizistische Wirkung der Profilierung und Folgen ihrer Unterlassung.
Sachverhalt ab Seite 22 BGE 115 Ia 21 S. 22 Secondo la legge edilizia ticinese del 19 febbraio 1973 (LE) ed il relativo regolamento d'applicazione del 22 gennaio 1974 (RLE), le domande di licenza di costruzione sono pubblicate per un periodo di quindici giorni presso la cancelleria comunale; del deposito di questi atti è dato annuncio nell'albo comunale. La domanda è inoltre comunicata ai proprietari confinanti per raccomandata o per mezzo di usciere o altro agente dell'autorità (art. 42 cpv. 1 e 2 LE, art. 52 cpv. 3, 53 cpv. 1 e 2 RLE); nel caso in cui i proprietari confinanti non siano noti o non sia noto il recapito, la notifica avviene mediante pubblicazione dell'avviso nel foglio ufficiale cantonale (art. 53 cpv. 3 RLE). Contemporaneamente alla presentazione della domanda, le modificazioni dello stato dei luoghi conseguenti all'opera devono essere segnate sul terreno mediante picchetti e modine; dalla modinatura si dovrà in specie poter dedurre il profilo delle costruzioni; picchetti e modine devono esser lasciati sul posto fintanto che una decisione definitiva è stata emanata (art. 51 RLE). Le opposizioni alla domanda di licenza, motivate, debbono essere inoltrate entro il termine di pubblicazione: hanno qualità ogni cittadino domiciliato nel Comune ed ogni persona che dimostri un interesse legittimo (art. 43 LE). Contro la decisione del Municipio (circa la licenza edilizia comunale) e del Dipartimento (circa l'autorizzazione cantonale) è dato ricorso al Consiglio di Stato e, in seconda istanza, al Tribunale cantonale amministrativo: oltre l'interessato ed il Comune, solo chi ha fatto opposizione giusta l'art. 43 ha qualità per ricorrere (art. 49 LE). In data 1o aprile 1987, il Municipio di Chiasso presentò una domanda di costruzione per la sopraelevazione di un edificio sito in via C., sulla particella n. 163 RFD, di proprietà del Comune. BGE 115 Ia 21 S. 23 La domanda fu annunciata all'albo comunale fra il 13 e il 27 aprile 1987; non fu fatta nessuna notificazione a proprietari confinanti, né vennero erette modine. La licenza edilizia comunale venne accordata il 10 agosto 1987 e l'autorizzazione cantonale a costruire il 17 agosto successivo. Dopo l'inizio dei lavori A. X. - proprietario della particella n. 179 RFD, sita sul lato opposto di via C., dirimpetto allo stabile del Comune - ricorse il 15 febbraio 1988 al Consiglio di Stato contro la licenza edilizia e contro l'autorizzazione cantonale. Questo ricorso, dichiarato proponibile nonostante la mancata opposizione, venne respinto nel merito con risoluzione del 3 maggio 1988. Contro questa decisione sfavorevole X. si aggravò al Tribunale amministrativo, che respinse il ricorso in ordine con sentenza del 21 luglio 1988. Dissentendo dalla precedente istanza, la Corte cantonale ritenne che, per aver omesso di fare opposizione ai sensi e nei termini dell'art. 43 LE, il ricorrente s'era preclusa la possibilità di ricorrere al Consiglio di Stato e che questa autorità avrebbe dovuto dichiarare il gravame inammissibile. A tal proposito il Tribunale amministrativo rilevò che X. non poteva esser considerato come confinante secondo l'art. 42 cpv. 2 LE e che egli non poteva quindi pretendere di essere personalmente avvisato della domanda di licenza in applicazione di codesta norma e dell'art. 53 cpv. 2 RLE; esso addusse infine che l'omissione della modinatura non poteva far rinascere l'estinta potestà ricorsuale, dato il carattere puramente sussidiario di questo provvedimento ed il fatto che il progetto consentiva di rendersi conto della portata dell'opera. A. X. è insorto contro la sentenza del Tribunale amministrativo con ricorso di diritto pubblico fondato sulla violazione dell'art. 4 Cost. ed ha chiesto al Tribunale federale di annullarla. La Corte cantonale ed il Municipio di Chiasso hanno concluso alla reiezione; il Consiglio di Stato non ha formulato proposte di merito. Erwägungen Dai considerandi: 2. Nelle sue osservazioni il Comune di Chiasso - riprendendo un'eccezione già sollevata davanti all'Esecutivo cantonale - fa valere che il Tribunale amministrativo, indipendentemente dal motivo preso in considerazione, avrebbe dovuto dichiarare irricevibile siccome tardivo il ricorso interposto da X. il 15 febbraio 1988 al Consiglio di Stato, perché introdotto oltre quindici giorni dopo il momento in cui il ricorrente, messo sull'avviso dall'inizio BGE 115 Ia 21 S. 24 dei lavori, avrebbe potuto prender conoscenza della licenza edilizia ottenuta dal Comune. Questa eccezione è stata respinta dal Governo. Il Consiglio di Stato ha ritenuto che il breve lasso di tempo trascorso tra l'affermato inizio dei lavori ed il 1o febbraio 1988 - giorno in cui X. incontestatamente si recò all'Ufficio tecnico - fosse da considerare normale, perché ai magazzini comunali vi è un costante via vai di uomini e di mezzi: non si poteva quindi rimproverare al vicino di non essersi informato con sollecitudine, onde il 1o febbraio doveva esser considerato dies a quo ed il ricorso del 15 febbraio ritenuto tempestivo. Il Tribunale amministrativo non si è espressamente pronunciato su tal punto nella sentenza impugnata, e nelle osservazioni al ricorso di diritto pubblico non ha completato la propria motivazione circa l'inammissibilità del rimedio cantonale con tale argomento. Se ne deve concludere che, su codesto punto, esso ha condiviso l'opinione dell'istanza precedente, la quale non è d'altronde minimamente arbitraria (cfr. DTF 102 Ib 93/94). Il Tribunale federale non ha quindi motivo di respingere il ricorso di diritto pubblico con la suggerita motivazione sostitutiva senza esaminare le censure sollevate. 3. La Corte cantonale - pur riconoscendo che la nozione di proprietario confinante (art. 42 cpv. 2 LE) non va presa alla lettera - ha negato che X. dovesse esser avvertito personalmente del deposito della domanda di costruzione in virtù di quel disposto, traendo motivo dalla larghezza della strada che separa i due fondi: come si vedrà, non è necessario esaminare se questa opinione resista alla critica d'arbitrio sollevata nel ricorso. Il Tribunale amministrativo - dopo aver risposto negativamente alla citata questione - ha infatti ritenuto in sostanza che l'avviso pubblico all'albo comunale dell'inoltro della domanda di licenza basta a far decorrere il termine perentorio d'opposizione, scaduto infruttuosamente il quale decade il diritto di impugnare la licenza, e questo anche nel caso - qui verificato - in cui l'istante abbia totalmente omesso di posare la modinatura imposta dall'art. 51 RLE. A giusta ragione il ricorrente censura come insostenibile questo modo di considerare le cose. a) L'affissione all'albo comunale, non accompagnata da alcuna pubblicazione su fogli ufficiali del Comune o del Cantone o da inserzioni in quotidiani locali, costituisce indubbiamente una modalità molto ridotta di pubblicità. A quanto è dato di vedere, quasi nessuna legislazione cantonale prevede l'affissione all'albo quale unica forma di pubblicazione: in generale, essa BGE 115 Ia 21 S. 25 è infatti accompagnata da inserzioni in bollettini ufficiali o nella stampa locale (PAUL B. LEUTENEGGER, Das formelle Baurecht der Schweiz, II ediz., pag. 144; PETER DILGER, Raumplanungsrecht der Schweiz, pagg. 234/35 n. 28; ERICH ZIMMERLIN, Baugesetz des Kantons Aargau, Kommentar, II ediz., § 151 n. 4; ALDO ZAUGG, Kommentar zum Baugesetz des Kantons Bern vom 9. Juni 1985, n. 7 segg. all'art. 35; BEAT W. HESS, Zum formellen Bauordnungsrecht des Kantons Obwalden, Friburgo 1980, pagg. 49/50). Non senza rilevare che, in dottrina, taluni autori la ritengono insufficiente (JOSEF SCHWERE, Das Baubewilligungsverfahren nach aargauischem Recht, Friburgo 1971, pagg. 72/73), si deve come minimo ammettere che se l'affissione all'albo può ancora considerarsi bastevole in piccoli Comuni, essa appare invece manifestamente inadeguata - almeno da sola - in grosse località o in cittadine quali Chiasso: in effetti, non può non essere avvertito che poiché il termine per l'opposizione corrisponde col periodo di pubblicazione e con quello di deposito degli atti della domanda (quindici giorni) - un simile sistema impone ai cittadini di recarsi almeno una volta alla settimana ad esaminare l'albo comunale (SCHWERE, op.cit., pag. 73). Ne consegue che questa forma ridotta di pubblicazione può esser ritenuta compatibile con le esigenze di uno Stato di diritto - avuto riguardo alla perenzione legata all'inosservanza del termine d'opposizione - solo se accompagnata da altre misure di pubblicità destinate a rafforzarla e completarla. Ora, fra queste misure di pubblicità rientra indubbiamente la modinatura, che segnala immediatamente ad ogni passante - oltre che ai vicini - che una domanda di costruzione è stata presentata per il fondo ove sono erette le modine. La funzione pubblicistica della modinatura (e del picchettamento) è del resto sottolineata anche dalla dottrina ticinese, in relazione al suo rapporto con la pubblicazione, ed è peraltro unanimamente riconosciuta (ADELIO SCOLARI, Commentario della Legge edilizia del Cantone Ticino, n. 46 all'art. 39 e n. 1 all'art. 42; ZIMMERLIN, op.cit., § 151 n. 3; ZAUGG, n. 18/19 all'art. 34; SCHWERE, op.cit., pag. 70; HESS, op.cit., pagg. 48/49). b) Nel caso in esame, il Tribunale amministrativo ha negato in pratica alla modinatura ogni rilievo pubblicistico. A torto. Certo - come esso rileva con pertinenza - chi, messo sull'avviso dall'esecuzione della modinatura, omette di fare opposizione, non può pretendere di intervenire trascorso il termine, BGE 115 Ia 21 S. 26 traendo argomento dal fatto che essa era insufficiente o non riproduceva le effettive dimensioni dell'erigendo stabile quali risultanti dal progetto. Ma l'istanza cantonale dimentica di considerare che il caso della modinatura insufficiente o erronea non può manifestamente essere equiparato al caso dell'omissione pura e semplice di ogni modinatura. Mentre nel primo caso la modinatura ha esplicato l'effetto pubblicistico e l'interessato è stato avvertito del deposito della domanda, ha avuto agio di esaminare il progetto ed eventualmente di verificare la discordanza tra questo e la modinatura stessa, denunciandola nell'opposizione, nel secondo manca invece ogni effetto pubblicistico e l'interessato non può sapere che una domanda di costruzione è stata presentata. A questo proposito la dottrina rileva del resto che, se la modinatura ed il picchettamento non sono eseguiti contemporaneamente all'inoltro della domanda, l'autorità comunale deve invitare il proprietario della costruzione a provvedervi, tenendo nel frattempo in sospeso la procedura di pubblicazione e di notifica ai vicini (SCOLARI, op.cit., n. 47 all'art. 39; inoltre, ZAUGG, op.cit., n. 20 all'art. 34; ZIMMERLIN, op.cit., § 151 n. 3; SCHWERE, op.cit., pag. 71). c) Se ne deve concludere che, omettendo di considerare che affissione all'albo e modinatura costituiscono manifestamente due misure che si integrano a vicenda sotto il profilo dell'effetto pubblicistico, e giungendo alla conclusione che - nelle circostanze concrete - il diritto di impugnare la licenza era perento, il Tribunale amministrativo ha commesso arbitrio; inoltre, rifiutando di esaminare il merito della decisione del Consiglio di Stato, esso è pure caduto in un diniego formale di giustizia. La sentenza impugnata deve quindi essere annullata per tal motivo e, come già avvertito, non occorre esaminare se X. potesse pretendere quale vicino di ricevere anche personale comunicazione dell'inoltro della domanda di licenza (art. 42 cpv. 2 LE e 53 cpv. 2 RLE).
public_law
nan
it
1,989
CH_BGE
CH_BGE_002
CH
Federation
0149fa1b-29da-4024-9b78-e5bc79972aae
Urteilskopf 95 IV 29 8. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 7. Februar 1969 i.S. Wullschleger gegen Polizeirichteramt der Stadt Zürich.
Regeste 1. Art. 18 Abs. 2 lit. c VRV . Unter Einspurstrecken im Sinne dieser Bestimmung sind Fahrstreifen zu verstehen, die zum Einspuren bestimmt und als solche gekennzeichnet sind. 2. Art. 53 Abs. 1 SSV . Diese Vorschrift ist zwingend, verpflichtet folglich die für die Signalisation zuständigen Behörden, die Einspurpfeile anzubringen.
Sachverhalt ab Seite 29 BGE 95 IV 29 S. 29 A.- Die Alfred Escher-Strasse in Zürich weist von der Gotthardstrasse an bis zur Kreuzung mit der General Wille-Strasse zwei getrennte Fahrbahnen auf. Die rechte Fahrbahn ist vor der Kreuzung durch Leitlinien in drei Fahrstreifen unterteilt, wovon der linke nach den auf der Fahrbahn aufgemalten Pfeilen für die Linksabbieger, der mittlere für die Geradeausfahrer bestimmt ist; auf dem rechten Fahrstreifen waren im Mai 1967 noch keine Pfeile angebracht. Am Vormittag des 30. Mai 1967 liess Hans Wullschleger einen Personenwagen "Mercedes" während etwa einer Stunde auf dem rechten Fahrstreifen stehen. B.- Der Polizeirichter der Stadt Zürich büsste Wullschleger deswegen mit Fr. 20.-. Er warf ihm vor, Art. 37 Abs. 2 SVG sowie Art. 18 Abs. 2 lit. c und 19 Abs. 2 lit. a VRV verletzt zu haben. Wullschleger verlangte gerichtliche Beurteilung. Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirkes Zürich und auf Beschwerde hin am 7. November 1968 auch das Obergericht des Kantons Zürich bestätigten seine Verurteilung in Schuld spruch und Strafe. BGE 95 IV 29 S. 30 C.- Wullschleger führt gegen das Urteil des Obergerichts Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Freisprechung. Er macht geltend, er habe aus dem Fehlen der Pfeile auf der rechten Fahrspur schliessen dürfen, dass das Parkieren am rechten Strassenrand erlaubt sei. D.- Der Polizeirichter hält die Beschwerde für unbegründet. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Nach Art. 37 Abs. 2 Satz 1 SVG dürfen Fahrzeuge dort nicht angehalten oder abgestellt werden, wo sie den Verkehr behindern oder gefährden könnten. In Art. 18 Abs. 2 lit. c VRV wird dazu insbesondere ausgeführt, dass das freiwillige Halten auf Einspurstrecken verboten ist. Das Verbot gilt gemäss Art. 19 Abs. 2 lit. a VRV auch für das Parkieren. Unter Einspurstrecken im Sinne dieser Ausführungsbestimmungen sind Fahrstreifen zu verstehen, die zum Einspuren bestimmt und als solche gekennzeichnet sind. Freilich hat der Fahrer auch auf Strassen ohne besondere Markierung einzuspuren, wenn er nach rechts oder nach links abbiegen will ( Art. 36 Abs. 1 SVG , Art. 13 Abs. 1 VRV ). Daraus folgt jedoch nicht, dass diesfalls das freiwillige Anhalten und Abstellen von Fahrzeugen auf Strecken, die zum Einspuren benützt werden, ebenfalls verboten sei. Wollte man das bejahen, so müsste der Fahrer, der auf solchen Strassen halten oder parkieren will, sich stets in die Lage eines Einspurenden versetzen. Das wäre schon deshalb zu viel verlangt, weil die angemessene Einspurstrecke sich nicht zum vorneherein für alle Fälle in Metern festlegen lässt ( BGE 94 IV 123 Erw. 2). Das wäre zudem unvereinbar mit Art. 5 Abs. 1 SVG . Nach dieser Bestimmung müssen Beschränkungen und Anordnungen für den Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr durch Signale oder Markierungen angezeigt werden, sofern sie nicht für das ganze Gebiet der Schweiz gelten. Für das Gebot, auf einer bestimmten Bahn einzuspuren und sie zu keinem andern Zwecke zu benützen, trifft dies nicht zu; es ist deshalb durch Markierung zu kennzeichnen. Blosse Schlüsse aus andern Beschränkungen oder Anordnungen vermögen fehlende Signale oder Markierungen nicht zu ersetzen. Das gilt umsomehr, als ihr Anbringen nunmehr Voraussetzung sowohl für die Gültigkeit BGE 95 IV 29 S. 31 der betreffenden Anordnung oder Beschränkung wie für die strafrechtliche Verurteilung ist. Art. 5 Abs. 1 SVG hat gegenüber dem früheren Rechtszustand eine klare Regelung geschaffen (vgl. BGE 80 IV 46 ; BGE 84 IV 25 und 52 sowie dort angeführte Urteile; ferner SCHULTZ, Die strafrechtliche Rechtsprechung zum neuen Strassenverkehrsrecht, S. 91). Einspurstrecken im Sinne von Art. 18 Abs. 2 lit. c VRV müssen daher als solche gekennzeichnet sein; sonst greifen die anderen Vorschriften über das Halten und Parkieren an Strassenverzweigungen Platz. Damit stimmt überein, dass gemäss Art. 53 Abs. 1 SSV die Fahrstreifen für die Linksabbieger, Geradeausfahrer und Rechtsabbieger durch Pfeile, die nach der entsprechenden Richtung gezogen sind, gekennzeichnet werden. Diese Vorschrift ist zwingend, überlässt es folglich entgegen der Auffassung des Einzelrichters nicht den für die Signalisation zuständigen Behörden, ob die Einspurpfeile anzubringen seien oder nicht. Der französische Text lässt darüber keine Zweifel offen, mögen der deutsche und italienische auch ungewöhnlich sein. 2. Es ist unbestritten, dass der rechte Fahrstreifen, auf dem Wullschleger den Wagen abstellte, keine Pfeile aufwies. Die Tatsache, dass der Streifen den Rechtsabbiegern vorbehalten war, folglich nicht zum Parkieren benutzt werden durfte, war somit nicht vorschriftsgemäss angezeigt. Freilich lag der Schluss auf eine solche Beschränkung nach den übrigen Umständen nahe; Klarheit bestand jedoch nicht, da das Fehlen der Pfeile auf dem äussersten Streifen verschieden ausgelegt werden konnte. Die Vorinstanz ist übrigens selbst nicht anderer Meinung. Sie führt aus, dass die fehlende Pfeilmarkierung eine Unterlassung der für die Signalisation zuständigen Behörde darstellte und die Markierung die Sachlage verdeutlicht hätte. Traf dies aber zu, so darf der Beschwerdeführer nach dem hievor Gesagten nicht wegen Übertretung von Art. 18 Abs. 2 lit. c und 19 Abs. 2 lit. a VRV bestraft werden. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Vorinstanz angewiesen, den Beschwerdeführer freizusprechen.
null
nan
de
1,969
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
014dc3b6-a0ae-4d07-8cf2-f6eaed5aa607
Urteilskopf 106 V 78 17. Auszug aus dem Urteil vom 8. Mai 1980 i.S. Paganini AG gegen Ausgleichskasse des Kantons Graubünden und Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden
Regeste Art. 16 Abs. 3 AHVG . Es besteht kein Anspruch auf Rückerstattung von Beiträgen, die aufgrund einer rechtskräftigen Verfügung bezahlt worden sind. Vorbehalten bleibt die Wiedererwägung einer zweifellos unrichtigen Verfügung.
Erwägungen ab Seite 78 BGE 106 V 78 S. 78 Aus den Erwägungen: 1. Streitig ist, ob das kantonale Verwaltungsgericht mit Recht den Anspruch der Beschwerdeführerin auf Rückerstattung von paritätischen Sozialversicherungsbeiträgen, welche BGE 106 V 78 S. 79 die Ausgleichskasse für die Jahre 1976 und 1977 erhoben hatte, verneint hat. 2. Gemäss Art. 14 Abs. 1 AHVG sind die Beiträge vom Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit bei jeder Lohnzahlung in Abzug zu bringen und vom Arbeitgeber zusammen mit dem Arbeitgeberbeitrag periodisch zu entrichten. Paritätische Beiträge, die nach erfolgter Mahnung nicht bezahlt werden, sind gemäss Art. 38 Abs. 1 AHVV durch eine Veranlagungsverfügung festzusetzen. Nach Art. 16 Abs. 3 AHVG besteht ein Anspruch auf Rückerstattung zuviel bezahlter Beiträge innerhalb eines Jahres, nachdem der Beitragspflichtige von seinen zu hohen Leistungen Kenntnis erhalten hat, spätestens aber innerhalb von 5 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Beiträge bezahlt worden sind. Dieser Rückerstattungsanspruch kann sich indessen nur auf jene Beiträge beziehen, die nicht durch Verfügung, sondern formlos festgesetzt wurden, was in der Regel auf die vom Arbeitgeber zu bezahlenden paritätischen Beiträge zutrifft. Werden dagegen - wie bei den persönlichen Beiträgen der Selbständigerwerbenden und der Nichterwerbstätigen - die Beiträge durch eine Kassenverfügung festgesetzt, so erweisen sich die Rechte des Versicherten durch die Einräumung des Beschwerderechts gegen diese Verfügung als hinreichend gewährleistet. Wird innert der gesetzlichen Frist vom Beschwerderecht kein Gebrauch gemacht, so erwächst die Verfügung, ob materiell richtig oder unrichtig, in formelle Rechtskraft. Es steht in diesem Falle ihrer Vollstreckung nichts im Wege, es wäre denn, dass die Verwaltung auf ihre frühere Verfügung zurückkommt, wozu sie weder vom Beitragspflichtigen noch vom Richter verhalten werden kann ( BGE 103 V 128 , EVGE 1966 S. 56). Wollte man die Kasse und den Sozialversicherungsrichter verpflichten, nach Eingang eines Rückerstattungsbegehrens die Gesetzmässigkeit der früheren, mit rechtskräftiger Verfügung festgesetzten Forderung von neuem zu überprüfen, so würde dies das Rechtsmittelsystem illusorisch machen. Wenn eine Kassenverfügung in Rechtskraft erwachsen ist und die Verwaltung ein Zurückkommen auf diese Verfügung ablehnt, ist der durch die Verfügung festgesetzte Beitrag geschuldet. In einem solchen Falle kann vom Bestehen einer Nichtschuld im Sinne von Art. 16 Abs. 3 AHVG keine Rede sein (EVGE 1952 S. 64).
null
nan
de
1,980
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
014eee01-f318-43a8-ae1f-9014c5b89ac8
Urteilskopf 103 IV 289 80. Urteil des Kassationshofes vom 13. September 1977 i.S. X., Y. und Z. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden
Regeste Art. 117 StGB ; fahrlässige Tötung durch Unterlassung. 1. Die Frage, mit welch hoher Wahrscheinlichkeit die vom Täter erwartete, aber unterlassene Handlung den tödlichen Unfall abgewendet hätte, fällt in den Rahmen der natürlichen Kausalität und gehört damit in den Bereich des Tatsächlichen (E. 1). 2. Kausalzusammenhang bei Mitwirkung eines äusseren Faktors (Materialfehlers); Rechtserheblichkeit des Zusammenhanges zwischen vorgeworfener Unterlassung und eingetretenem Erfolg bejaht (E. 2). 3. Verschulden (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 289 BGE 103 IV 289 S. 289 Am späteren Vormittag des 27. Dezember 1974 liess sich F. durch den ihm nicht vertrauten Skilift W. hochziehen. Am nächsten Schleppbügel folgten die beiden Knaben A. und BGE 103 IV 289 S. 290 B. G. Bei der Bergstation angelangt, liess F. den Bügel los, bevor das Gehänge das Umlenkrad passiert hatte. Der Bügel wurde in der Folge um die Schrägstütze des Umlenkrades herumgeschleudert, worauf ein Zug entstand, der das Schleppseil unmittelbar beim Bügel zum Reissen brachte. Das Gehänge schoss nun talwärts gegen die Rollenbatterie des obersten Mastes, wo es sich verklemmte. Dies bewirkte erneut einen Zug, dem der Mast nicht zu widerstehen vermochte. Dieser stürzte um und begrub den sich noch am Skilift befindenden A. G. unter sich, der dadurch getötet wurde. Gegen X., Y. und Z. sowie gegen drei weitere Vorstandsmitglieder des Kur- und Verkehrsvereines W., der die Anlage im Juni 1974 von der Skilift W. AG übernommen und seither selbst betrieben hatte, wurde in der Folge Anklage wegen fahrlässiger Tötung erhoben. Die Staatsanwaltschaft Graubünden warf ihnen vor, sie hätten als für den Betrieb des Skiliftes Verantwortliche pflichtwidrig unterlassen, einen sogenannten Zielwächter zur Beaufsichtigung der Bergstation einzustellen. Wegen dieser Unterlassung habe sich dort niemand befunden, der F. den Bügel hätte abnehmen können bzw. in der Lage gewesen wäre, den Lift durch Betätigen des Nothalteknopfes abzustellen, bevor der oberste Mast umgerissen worden wäre. Der Kreisgerichtsausschuss von Sur-Tasna erklärte die sechs Angeklagten am 11. Dezember 1976 im Sinne der Anklage schuldig und verurteilte sie zu Bussen zwischen 50 und 300 Franken. Hiegegen erhoben die Verurteilten kantonale Berufung, die durch den Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden mit Urteil vom 9. März 1977 abgewiesen wurde. X., Y. und Z. führen Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid des Kantonsgerichtsausschusses sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Die Beschwerdeführer machen unter Berufung auf die Gutachter H. und I. geltend, das Einstellen eines Zielwächters hätte den Tod von A. G. nur möglicherweise, nicht aber mit der für eine Verurteilung erforderlichen an Sicherheit grenzenden BGE 103 IV 289 S. 291 Wahrscheinlichkeit, verhindert, da ein Zielwächter durch einen schlecht übergebenen Bügel hätte aktionsunfähig werden können oder die Gefahr unter Umständen nicht erkannt und den Notschalter deshalb nicht bedient hätte. Die Frage, mit welch hoher Wahrscheinlichkeit die von den Beschwerdeführern erwartete, aber unterlassene Handlung den tödlichen Unfall abgewendet hätte, fällt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts in den Rahmen der natürlichen Kausalität (vgl. BGE 102 IV 102 ; BGE 101 IV 152 E. 2a und 2b). Sie gehört mithin in den Bereich des Tatsächlichen ( BGE 101 IV 152 E. 2b mit Hinweisen), der auf Nichtigkeitsbeschwerde hin durch das Bundesgericht nicht überprüft werden kann ( Art. 273 Abs. 1 lit. b und Art. 277bis Abs. 1 BStP ). Auf die in diesem Zusammenhang erhobenen Einwände der Beschwerdeführer, die nicht etwa behaupten, der Kantonsgerichtsausschuss sei von einem bundesrechtswidrigen Begriff des natürlichen Kausalzusammenhanges ausgegangen, kann daher nicht eingetreten werden. 2. Mit dem Hinweis auf den Umstand, dass der umgestürzte Mast nicht vorschriftsgemäss verankert gewesen sei und dass er ohne diesen Mangel im schlimmsten Falle nur umgebogen worden wäre, versuchen die Beschwerdeführer, die Rechtserheblichkeit des Zusammenhanges zwischen ihrer Unterlassung und dem Tod von A. G. in Zweifel zu ziehen. Zur Annahme eines adäquaten Kausalzusammenhanges ist indessen nicht erforderlich, dass die Pflichtwidrigkeit des ins Recht Gefassten die alleinige und unmittelbare Ursache des Erfolges sei. Es genügt, dass sein schuldhaftes Verhalten geeignet war, nach der Erfahrung des Lebens und dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu den tatsächlich eingetretenen Folgen zu führen ( BGE 92 IV 87 mit Hinweis; dazu auch BGE 100 IV 283 f. E. 3d mit Hinweisen). Die Rechtserheblichkeit des Kausalzusammenhanges entfiele im vorliegenden Fall dann, wenn der von den Beschwerdeführern hervorgehobene Materialfehlern so aussergewöhnlich gewesen wäre, dass damit schlechthin nicht gerechnet werden musste ( BGE 100 IV 284 mit Hinweisen). Davon kann indessen keine Rede sein. Gewiss war der Verlauf des Unfalles nicht bis in alle Einzelheiten vorauszusehen. Dass jedoch das Fehlen eines Zielwächters, der eine Gefahr rechtzeitig hätte erkennen und die Anlage hätte ausser Betrieb setzen können, zu einer BGE 103 IV 289 S. 292 Tötung führen konnte, ist nicht so abwegig, dass damit nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht hätte gerechnet werden müssen. Ob eine Person durch einen ungeschickt losgelassenen Bügel hätte am Kopf getroffen werden können, ob ein bei der Bergstation gestürzter ungeübter Skifahrer von einem nachfolgenden Skiliftbenützer hätte angefahren werden und auf diese Art tödliche Verletzungen (beispielsweise schwere Schnittwunden durch die Skikanten) hätte erleiden können, oder ob sich der Unfall so zugetragen habe, wie es tatsächlich geschah, ist für die Frage der Rechtserheblichkeit des Zusammenhanges zwischen der Unterlassung der Beschwerdeführer, einen Zielwächter einzustellen, und dem Tod von A. G. ohne Belang (vgl. BGE 92 IV 88 unten mit Hinweisen). 3. Gemäss Art. 18 Abs. 3 StGB macht sich der fahrlässigen Tatbegehung schuldig, wer die Folgen seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedacht oder darauf nicht Rücksicht genommen hat. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit dann, wenn der Täter die Vorsicht nicht beachtet hat, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist (dazu BGE 97 IV 171 f. E. 2). Die Beschwerdeführer räumen ein, dass sie in der Vorstandssitzung vom 3. Dezember 1974 darauf aufmerksam gemacht worden seien, es müsse ein Zielwächter postiert werden. Sie machen jedoch geltend, es sei ihnen dabei nicht mit Entschiedenheit vor Augen geführt worden, dass ein solcher aus Gründen der Sicherheit unbedingt notwendig sei. Da sie von der technischen Seite des Betriebes, für den ein mit der Anlage von der früheren Inhaberin übernommenes Vorstandsmitglied verantwortlich erklärt worden sei, nichts verstanden hätten, hätten sie höchstens an die Gefahr leichterer Verletzungen gedacht, nicht aber an einen tödlichen Unfall. Diese Einwände sind unbehelflich. Bei den drei Beschwerdeführern handelt es sich um Männer, deren ältester im Zeitpunkt des Unfalles erst etwas mehr als 42 Jahre alt war und die alle im Kanton Graubünden aufgewachsen sind. Seit einigen Jahren führt jeder in W. ein Hotel. Dass sie mit dem Skisport und mit den verschiedenen Skiliftsystemen und deren Tücken nicht vertraut gewesen sein sollten, ist angesichts ihrer persönlichen Verhältnisse höchst unwahrscheinlich. Sollten sie anfänglich tatsächlich ahnungslos gewesen sein, müssen sie BGE 103 IV 289 S. 293 spätestens in der Vorstandssitzung vom 3. Dezember 1974, als ihnen von der Vorschrift, bei der Bergstation einen Zielwächter aufzustellen, Kenntnis gegeben wurde, erkannt haben, dass es um das Ausschalten der Gefahr schwerer Unfälle ging, denn zur Vermeidung nur leichter Verletzungen wäre diese einschneidende Massnahme nicht angeordnet worden. Nach ihrer Intelligenz, Bildung und beruflichen Stellung wären die Beschwerdeführer auf jeden Fall verpflichtet gewesen, sich darüber Gedanken zu machen, so dass ihnen zumindest unbewusste Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist.
null
nan
de
1,977
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
014f26a7-558e-48a7-9308-225e03b3972f
Urteilskopf 98 Ib 76 11. Urteil vom 22. Februar 1972 i.S. Schweizerischer Wirtschaftsverband für Vieh und Fleisch und Mitbeteiligte gegen Eidg. Volkswirtschaftsdepartement.
Regeste Investitionskredite in der Landwirtschaft (BG vom 23. März 1962). Verfügungen über die Erteilung oder Verweigerung solcher Kredite unterliegen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht ( Art. 99 lit. h OG ). Dies gilt auch für den Entscheid des Eidg. Volkswirtschaftsdepartements über eine Beschwerde gegen den Rückzug des Einspruchs, den die Abteilung für Landwirtschaft gegen die Bewilligung eines Kredits durch die zuständige kantonale Instanz erhoben hatte.
Sachverhalt ab Seite 76 BGE 98 Ib 76 S. 76 Der Schweizerische Viehproduzentenverband ersuchte gestützt auf das Bundesgesetz über Investitionskredite und Betriebshilfe in der Landwirtschaft vom 23. März 1962 (IBG) um Gewährung eines Investitionskredits für den Erwerb und den Ausbau der Besitzung "Pré du Canal" in Yverdon. Die dort bestehenden und noch auszubauenden Stallungen sollen der Förderung des Viehabsatzes dienen. Der Fonds d'investissements agricoles, Lausanne, bewilligte am 3. November 1970 einen Kredit von Fr. 300'000.--. Gegen diesen Entscheid erhob die Abteilung für Landwirtschaft am 23. Dezember 1970 "provisorisch" Einspruch. Am 19. Februar 1971 zog sie indessen den Einspruch zurück. Hiegegen führten der Schweizerische Wirtschaftsverband für Vieh und Fleisch sowie die beiden Viehhändler Charles Bruder, Payerne, und Clovis Corminboeuf, Avenches, Beschwerde beim Eidg. Volkswirtschaftsdepartement BGE 98 Ib 76 S. 77 mit dem Begehren, die Abteilung für Landwirtschaft sei anzuweisen, den Einspruch aufrechtzuerhalten. Das Departement entschied am 15. Dezember 1971, dass auf die Beschwerde, soweit sie eine förmliche Verwaltungsbeschwerde darstelle, nicht einzutreten sei, da sie sich nicht gegen eine beschwerdefähige Verfügung richte. Es sah in der Beschwerde auch eine Aufsichtsbeschwerde; diese wies es ab. Es erklärte, dass gegen den Nichteintretensentscheid beim Bundesrat Beschwerde erhoben werden könne. Gegen den Entscheid des Departements haben der Wirtschaftsverband für Vieh und Fleisch und die beiden genannten Viehhändler Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht und gleichzeitig Verwaltungsbeschwerde beim Bundesrat eingereicht. Das Bundesgericht und die Eidg. Justizabteilung haben einen Meinungsaustausch über die Kompetenzfrage durchgeführt. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Die Beschwerdeführer verlangen, dass der von der Abteilung für Landwirtschaft zunächst ("provisorisch") erhobene, dann aber zurückgezogene Einspruch aufrechterhalten wird. Würde ihr Begehren geschützt, so müsste die Abteilung für Landwirtschaft nach Art. 49 Abs. 2 IBG und Art. 38 der zugehörigen Vollziehungsverordnung vom 26. Oktober 1962 selber (unter Vorbehalt der Beschwerdemöglichkeit) darüber entscheiden, ob der vom Viehproduzentenverband nachgesuchte Investitionskredit zu bewilligen oder zu verweigern sei. Das von den Beschwerdeführern in Gang gesetzte Verfahren, das zum angefochtenen Entscheid des Departements geführt hat, ist demnach gewissermassen ein Zwischenverfahren. Dränge die Beschwerde durch, so käme es schliesslich zu einer Art Endverfügung der Bundesbehörde über die Erteilung oder Verweigerung des Investitionskredites. Daher stellt sich die Frage, ob der Zuständigkeit des Bundesgerichts Art. 99 lit. h OG entgegensteht, wonach die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Erteilung oder Verweigerung von Krediten, auf die das Bundesrecht keinen Anspruch einräumt, unzulässig ist. Ergibt sich, dass das Bundesrecht keinen Anspruch auf die in Frage stehenden Investitionskredite gibt, so ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid BGE 98 Ib 76 S. 78 des Volkswirtschaftsdepartements vom 15. Dezember 1971 gemäss Art. 99 lit. h und Art. 101 lit. a OG ausgeschlossen. 2. Nach Art. 1 IBG fördert der Bund durch Investitionskredite Massnahmen, die im Interesse der Rationalisierung der Landwirtschaft eine Verbesserung der Produktions- und Betriebsgrundlagen bezwecken; diese Massnahmen sind so zu treffen, dass die landwirtschaftliche Produktion die Landesversorgung soweit als möglich gewährleistet, der Aufnahmefähigkeit des einheimischen Marktes entspricht und den Möglichkeiten der Ausfuhr genügt. Gemäss Art. 3 IBG dürfen Investitionskredite "in der Regel" nur bewilligt werden, wenn a. die auf Grund der übrigen eidgenössischen und kantonalen Gesetzgebung bewilligten Beiträge im Einzelfall nicht ausreichen; b. der Gesuchsteller seine eigenen Mittel und seinen Kredit bereits "soweit zumutbar" eingesetzt hat bzw. einsetzt und die "wünschenswerte" Investition sonst nicht erfolgen könnte; dabei ist im Einzelfall auf die normalen Bedürfnisse des Betriebes Rücksicht zu nehmen; ferner ist die Tragbarkeit der neuentstehenden Belastung für den Gesuchsteller und bei juristischen Personen auch für die ihnen angeschlossenen Einzelbetriebe zu berücksichtigen; c. der Betrieb des Gesuchstellers zu tragbaren Bedingungen erworben wurde oder erworben werden kann (Abs. 1). Die Massnahmen sollen die Durchführung eines Gesamtplanes und die Durchsetzung der eidgenössischen und kantonalen Vorschriften nicht gefährden (Abs. 2). Die zuständigen Stellen haben im Einzelfall die Bedingungen und Auflagen festzulegen, die zur Erreichung und Sicherung des Zwecks der Investitionskredite erforderlich sind (Art. 4 IBG). Nach Art. 9 und 10 IBG "können" Investitionskredite zugunsten von Körperschaften und Anstalten bewilligt werden, insbesondere gemäss Art. 10 lit. b zur Beschaffung von Gemeinschaftseinrichtungen, die der betrieblichen und hauswirtschaftlichen Rationalisierung der Landwirtschaft sowie der Förderung von Qualität und Absatz landwirtschaftlicher Erzeugnisse dienen. Auch die Art. 13-17 IBG, betreffend die Investitionskredite zugunsten natürlicher Personen, sind blosse "Kann-Vorschriften". Kreditgesuche von Körperschaften und Anstalten sind nach Art. 11 Abs. 2 IBG "insbesondere hinsichtlich der Zweckmässigkeit der vom Gesuchsteller beabsichtigten Vorkehren und deren Auswirkung auf die Leistungsfähigkeit der an der Massnahme interessierten Betriebe zu prüfen". - Nach Art. 4 BGE 98 Ib 76 S. 79 Abs. 4 der Vollziehungsverordnung (Zusatz gemäss BRB vom 22. August 1967) dürfen Gemeinschaftseinrichtungen (Art. 10 lit. b IBG) nicht berücksichtigt werden, "wenn im betreffenden Einzugsgebiet bestehende Betriebe Einzelner die vorgesehene Aufgabe ebenso gut zu erfüllen gewillt und in der Lage sind" (worüber im vorliegenden Fall gestritten wird). - Art. 44 Abs. 1 IBG bestimmt, dass ein Rechtsanspruch auf Gewährung von Investitionskrediten nur entsteht, wenn ein gestelltes Gesuch ganz oder teilweise gutgeheissen wird, der Entscheid rechtskräftig geworden ist und der Bund gegen ihn in den Fällen von Art. 49 nicht mehr Einspruch erheben kann. Art. 49 Abs. 2 IBG sieht vor, dass u.a. "wegen Unangemessenheit" Einspruch erhoben werden kann. Aus dieser Ordnung ist zu schliessen, dass der Entscheid über die Gewährung oder Verweigerung von Investitionskrediten, insbesondere auch solcher zugunsten von Körperschaften und Anstalten, in weitem Umfange dem Ermessen der zuständigen Verwaltungsstellen überlassen ist. Dafür spricht namentlich die Fassung der Art. 9, 10 und 13-17 IBG ("können", "kann"), wie auch die ausdrückliche Bestimmung des Art. 44 Abs. 1 IBG, dass ein Rechtsanspruch auf einen Investitionskredit nur entsteht, wenn ein gestelltes Gesuch gutgeheissen wird und der Entscheid rechtskräftig geworden ist. Daraus folgt, dass hinsichtlich der landwirtschaftlichen Investitionskredite ein Anspruch gemäss Bundesrecht im Sinne von Art. 99 lit. h OG nicht besteht und dass demzufolge im vorliegenden Fall die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht zulässig ist. Die Eidg. Justizabteilung hat sich dieser Auffassung im Meinungsaustausch angeschlossen. Dementsprechend wird die Angelegenheit vom Bundesrat beurteilt. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird nicht eingetreten.
public_law
nan
de
1,972
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CH
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0150b975-3f8f-4ae0-972b-8626b9fd5511
Urteilskopf 118 IV 175 31. Urteil des Kassationshofes vom 2. Juni 1992 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern gegen F. und S.H. (Nichtigkeitsbeschwerde).
Regeste Falsches Zeugnis; Strafmilderung nach Art. 308 Abs. 2 StGB . Art. 308 Abs. 2 StGB erfasst auch das falsche Zeugnis zugunsten eines bereits angeschuldigten Angehörigen (E. 1a und E. 1b). Art. 308 Abs. 2 StGB ist auch dann anwendbar, wenn dem Zeugen ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht und er darauf hingewiesen worden ist (E. 1c). Gegenüber demjenigen, welcher zu falschem Zeugnis zu seinen eigenen Gunsten oder zugunsten eines Angehörigen angestiftet hat, ist Art. 308 Abs. 2 StGB nicht anwendbar (E. 2).
Sachverhalt ab Seite 176 BGE 118 IV 175 S. 176 A.- Gegen F.H. wurde aufgrund der belastenden Aussagen von B. ein Strafverfahren wegen Einbruchdiebstahls (in Mittäterschaft mit B.) eröffnet. H. stiftete seine Schwester S.H. an, in diesem Strafverfahren als Zeugin wahrheitswidrig auszusagen, er habe am Abend des 23. Februar 1990, d.h. zur Zeit der fraglichen Tat, in ihrer Wohnung geschlafen. S.H. machte als Zeugin nach Hinweis auf die Straffolgen des falschen Zeugnisses und ausdrücklichem Hinweis auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht nach § 92 Ziff. 2 StPO /LU (als Schwester des Angeschuldigten), auf welches sie verzichtete, die von ihrem Bruder gewünschte Falschaussage. F.H. und seine Schwester S.H. stifteten auch die Freundin der letzteren an, im Strafverfahren gegen F.H. die entsprechende falsche Aussage zu machen. Diese korrigierte jedoch im Verlaufe der Befragung ihre zunächst falsche Aussage. Das Strafverfahren gegen F.H. wegen Einbruchdiebstahls wurde in der Folge eingestellt, da erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit von B. bestehenblieben. B.- Das Kriminalgericht des Kantons Luzern sprach F.H. am 26. April 1991 der Anstiftung zu falschem Zeugnis (Art. 24 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 307 Abs. 1 StGB ) und der versuchten Anstiftung zu falschem Zeugnis (Art. 24 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 307 Abs. 1 StGB ) schuldig und verurteilte ihn unter Zubilligung einer Verminderung der Zurechnungsfähigkeit in leichtem Grade zu 8 Monaten Gefängnis, abzüglich einen Tag Untersuchungshaft. Es sprach S.H. mit gleichem Entscheid des falschen Zeugnisses ( Art. 307 Abs. 1 StGB ) und der versuchten Anstiftung zu falschem Zeugnis (Art. 24 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 307 Abs. 1 StGB ) schuldig und verurteilte sie zu einer Gefängnisstrafe von 7 Monaten, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von 2 Jahren. Die II. Kammer des Obergerichts des Kantons Luzern bestätigte am 15. Oktober 1991 die erstinstanzlichen Schuldsprüche. Sie billigte beiden Verurteilten abweichend von der ersten Instanz aber den Strafmilderungsgrund gemäss Art. 308 Abs. 2 StGB zu und reduzierte die Strafen auf 5 Monate Gefängnis unbedingt (für F.H.) respektive 5 Monate bedingt (für S.H.). C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid des BGE 118 IV 175 S. 177 Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zur Verurteilung der beiden Beschwerdegegner ohne Zuerkennung des Strafmilderungsgrundes von Art. 308 Abs. 2 StGB an die Vorinstanz zurückzuweisen. F. und S.H. beantragen in ihren Vernehmlassungen die Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Gemäss Art. 308 Abs. 2 StGB kann der Richter die Strafe nach freiem Ermessen mildern, wenn der Täter eine falsche Äusserung ( Art. 306 und 307 StGB ) getan hat, weil er durch die wahre Aussage sich oder seine Angehörigen der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung aussetzen würde. Die Strafverfolgung gegen den Beschwerdegegner 1 wegen Einbruchdiebstahls war schon im Gange, als die Beschwerdegegnerin 2 ihre falsche Zeugenaussage machte und der Beschwerdegegner 1 sie dazu anstiftete. Durch die falsche Aussage sollte erreicht werden, dass dieses Strafverfahren wegen Einbruchdiebstahls gegen den Beschwerdegegner 1 nicht weitergeführt, sondern eingestellt werde. Eine Gefahr, dass im Falle der wahren Aussage irgendein neues, weiteres Strafverfahren gegen den Beschwerdegegner 1 oder die Beschwerdegegnerin 2 eröffnet würde, bestand nicht. a) Die Vorinstanz vertritt die Auffassung, unter die in Art. 308 Abs. 2 StGB genannte Gefahr, sich oder seine Angehörigen strafrechtlicher Verfolgung auszusetzen, falle entgegen dem durch den zu engen Gesetzeswortlaut vermittelten Eindruck nicht nur die Gefahr der Eröffnung eines (weiteren) Strafverfahrens gegen den Zeugen oder einen Angehörigen bei wahrer Zeugenaussage, sondern nach Sinn und Zweck dieser Bestimmung auch die Gefahr der Fortsetzung einer bereits angehobenen Untersuchung bzw. die Gefahr der Bestrafung im bereits hängigen Strafverfahren bei wahrer Zeugenaussage. Sinn und Zweck der Bestimmung sprächen auch für eine Gleichbehandlung des falschen Zeugnisses zur Vermeidung einer Belastung mit dem falschen Zeugnis zur Entlastung (z.B. Verschaffen eines falschen Alibis). Ziel der falschen Zeugenaussage, zu welcher die Beschwerdegegnerin 2 vom Beschwerdegegner 1 angestiftet wurde, sei es gewesen, die Fortsetzung der gegen den Beschwerdegegner 1 aufgrund der belastenden Aussagen von B. bereits angehobenen Untersuchung wegen Einbruchdiebstahls bzw. eine Bestrafung des Beschwerdegegners 1 wegen Einbruchdiebstahls BGE 118 IV 175 S. 178 durch Angabe eines falschen Alibis zu verhindern. Diese Begünstigung eines Angehörigen durch eine entlastende falsche Zeugenaussage in einem bereits hängigen Strafverfahren werde von Art. 308 Abs. 2 StGB nach dessen Sinn und Zweck ebenfalls erfasst. Daran ändert nach den weiteren Ausführungen der Vorinstanz auch nichts, dass der Beschwerdegegnerin 2 als Angehörigen des angeschuldigten Beschwerdegegners 1 ein Zeugnisverweigerungsrecht zustand ( § 92 Ziff. 2 StPO /LU), sie darauf ausdrücklich hingewiesen wurde und auf dessen Ausübung verzichtete. Die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts biete nicht durchwegs einen zureichenden Schutz, da der Richter auch aus einer Zeugnisverweigerung seine Schlüsse ziehen könnte. Die Beschwerdeführerin vertritt demgegenüber die Auffassung, mit der in Art. 308 Abs. 2 StGB genannten Gefahr, sich oder seine Angehörigen strafrechtlicher Verfolgung auszusetzen, sei bloss die Gefahr der Eröffnung einer Strafuntersuchung gegen den Zeugen oder einen Angehörigen gemeint, nicht auch die Gefahr der Fortsetzung eines bereits eröffneten Strafverfahrens gegen einen Angehörigen des Zeugen. Die Auffassung der Vorinstanz hätte zur Folge, dass jede (falsche) begünstigende Aussage grundsätzlich geeignet wäre, unter Art. 308 Abs. 2 StGB zu fallen; beim Wegfall der begünstigenden Aussage würde ja die Gefahr der Fortsetzung der Strafuntersuchung in aller Regel akut. Die Beschwerdeführerin hält an ihrer Auffassung fest, die Anwendung von Art. 308 Abs. 2 StGB komme nur dann in Betracht, wenn zwischen der Falschaussage und der drohenden Strafverfolgung ein unmittelbarer Zusammenhang in der Weise bestehe, dass gerade die in der wahrheitsgemässen Aussage liegende Belastung (d.h. die richtige Aussage des Zeugen) die Gefahr einer Bestrafung bzw. strafrechtlichen Verfolgung begründen würde. Gemäss den weiteren Ausführungen in der Nichtigkeitsbeschwerde hätte sich die Beschwerdegegnerin 2 risikolos auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht als Schwester des Angeschuldigten berufen können; die Tatsache der Zeugnisverweigerung hätte nicht gegen ihren Bruder, d.h. den Beschwerdegegner 1, verwendet werden können. Wenn sich die Beschwerdegegnerin 2 auf die Zeugenbefragung eingelassen habe, dann könne sie sich nicht nachträglich auf eine Zwangslage berufen, die einen Ehrennotstand begründen könnte. b) Der Wortlaut von Art. 308 Abs. 2 StGB spricht zwar (auch in der französischen und in der italienischen Fassung) für die Ansicht der Beschwerdeführerin, doch ist er zu eng und wird er Sinn und Zweck dieses Strafmilderungsgrundes, der gewisse Parallelen zu BGE 118 IV 175 S. 179 Art. 305 Abs. 2 StGB aufweist (vgl. dazu TRECHSEL, Kurzkommentar, Art. 308 N 5 ; GEORG MESSMER, Der strafrechtliche Schutz der Rechtspflege vor Irreführung, Kriminalistik 1965, S. 441), nicht gerecht. Nach der "ratio legis" kann es keinen Unterschied machen, ob der Zeuge falsch aussagt, um einen Angehörigen vor der Eröffnung einer Strafuntersuchung zu schützen, oder ob er falsches Zeugnis ablegt, um den Angehörigen vor der Fortsetzung eines bereits angehobenen Strafverfahrens bzw. vor der Bestrafung zu bewahren. In beiden Fällen steht der Zeuge vor dem Dilemma, entweder seinen Angehörigen zu belasten bzw. ihm die gewünschte Entlastung zu verweigern oder aber falsch auszusagen. Gerade wegen dieses Dilemmas des Zeugen sieht Art. 308 Abs. 2 StGB fakultative Strafmilderung nach freiem richterlichem Ermessen bei falscher Zeugenaussage vor. Zwar ist das Zeugnisverweigerungsrecht der Angehörigen (bzw. der Geschwister) eines Angeschuldigten (Zeugnisverweigerung aus Verwandtschaft) in den schweizerischen Strafprozessordnungen praktisch allgemein anerkannt (siehe dazu ROBERT HAUSER, Der Zeugenbeweis im Strafprozess mit Berücksichtigung des Zivilprozesses, Zürich 1974, S. 190), während das Zeugnisverweigerungsrecht bzw. das Antwortverweigerungsrecht zum Schutz Angehöriger vor der Eröffnung eines Strafverfahrens (Verweigerungsrecht aus "Ehrennotstand" zum Schutz Angehöriger) in verschiedenen Strafprozessordnungen nicht vorgesehen ist (vgl. dazu ROBERT HAUSER, op. cit., S. 163 f. Fn. 16 und 17). Das kann aber nicht erheblich sein, weil, wie nachstehend darzulegen ist, die Anwendung von Art. 308 Abs. 2 StGB auch dann in Betracht fällt, wenn der Zeuge über ein Zeugnisverweigerungsrecht verfügt, auf dieses hingewiesen worden ist und dennoch - falsch - aussagt. Auch in der Literatur wird, soweit sie zu dieser Frage überhaupt Stellung nimmt, die Ansicht vertreten, Art. 308 Abs. 2 StGB erfasse entgegen seinem zu engen Wortlaut auch das falsche Zeugnis zur Begünstigung eines bereits angeschuldigten Angehörigen (PAUL PFÄFFLI, Das falsche Zeugnis, Diss. Bern 1962, S. 102; ANDREAS HAUSWIRTH, Die Selbstbegünstigung im schweizerischen Strafrecht, S. 219/220; wohl auch SCHULTZ, Über das falsche Zeugnis, ZStrR 76/1960 S. 348 ff., 351; ebenso für das deutsche Recht SCHÖNKE/SCHRÖDER/LENCKNER, Kommentar, 24. Aufl. 1991, § 157 dt.StGB N 9 in fine). Dabei macht es keinen wesentlichen Unterschied, ob das falsche Zeugnis zur Vermeidung einer Belastung oder aber zur Entlastung (Alibi) des bereits angeschuldigten Angehörigen abgegeben wird. Eine die Gefahr der Fortsetzung eines bereits eröffneten BGE 118 IV 175 S. 180 Strafverfahrens begründende Belastung kann auch dann gegeben sein, wenn der vom Angeschuldigten als Entlastungszeuge angerufene Angehörige entgegen den Abmachungen die den Angeschuldigten entlastende Zeugenaussage nicht macht, sondern, etwa unter dem Eindruck der Zeugenbelehrung, die Wahrheit sagt, das falsche Alibi also nicht bestätigt. c) Die Beschwerdegegnerin 2 war als Schwester des Beschwerdegegners 1 im gegen diesen eröffneten Strafverfahren wegen Einbruchdiebstahls gemäss § 92 Ziff. 2 StPO /LU zur Zeugnisverweigerung berechtigt, und sie wurde auf dieses Zeugnisverweigerungsrecht ausdrücklich aufmerksam gemacht. Die Frage, ob ihr dennoch im Falle falscher Zeugenaussage zugunsten ihres Bruders der Strafmilderungsgrund gemäss Art. 308 Abs. 2 StGB zugebilligt werden kann, ist mit der Vorinstanz zu bejahen. Diese Auffassung entspricht der herrschenden Lehre (TRECHSEL, a.a.O., Art. 308 StGB N 7, mit Hinweis auf BGE 87 IV 22 ; STRATENWERTH, Strafrecht Bes. Teil II, 3. Aufl., § 55 N 53 ; PAUL PFÄFFLI, op.cit., S. 103; ANDREAS HAUSWIRTH, op. cit., S. 222; GEORG MESSMER, a.a.O., S. 438; SCHULTZ, Falsche Anschuldigung, Irreführung der Rechtspflege und falsches Zeugnis, ZStrR 73/1958 S. 213 ff., 260; WALTER UFENAST, Das falsche Zeugnis in rechtsvergleichender Darstellung, Diss. Zürich 1927, S. 99; andere Auffassung: HAUSER/REHBERG, Strafrecht IV, S. 326; OLIVIER CORNAZ, SJK Nr. 1012 S. 8 oben). Zwar befindet sich der Zeuge, dem ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht, nicht aus rechtlichen Gründen in der Zwangslage, entweder falsch auszusagen oder aber den Angehörigen zu belasten bzw. nicht in der gewünschten Weise entlasten zu können. Der Zeuge, der über ein Zeugnis- oder Antwortverweigerungsrecht verfügt, befindet sich aber faktisch weiterhin in einem gewissen Dilemma, welches die Anwendung von Art. 308 Abs. 2 StGB rechtfertigt. Denn die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts, d.h. das Schweigen des Zeugen, kann je nach den Umständen von der Behörde im Rahmen der freien Beweiswürdigung als eine Verdacht begründende bzw. erhärtende Tatsache gewürdigt werden. Ob eine solche Beweiswürdigung zulässig sei (dazu eingehend ROBERT HAUSER, Der Zeugenbeweis im Strafprozess ..., S. 158 ff.), kann hier dahingestellt bleiben; entscheidend ist insoweit, dass der Zeuge subjektiv glaubt (vgl. dazu BGE 75 IV 65 ff.), sein Schweigen in Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts könne sich zum Nachteil des Angehörigen auswirken (vgl. dazu auch KLAUS BÜTTIKOFER, Die falsche Zeugenaussage aus kriminologischer Sicht, Diss. Zürich 1975, S. 109 ff.). BGE 118 IV 175 S. 181 Es ergibt sich somit zusammenfassend, dass Art. 308 Abs. 2 StGB auch dann anwendbar ist, wenn der Zeuge die begünstigende falsche Zeugenaussage in einem bereits eröffneten Strafverfahren gegen einen Angehörigen abgibt und ihm ein Zeugnisverweigerungsrecht zustand. Die Vorinstanz durfte demnach ohne Verletzung von Bundesrecht der Beschwerdegegnerin 2 den Strafmilderungsgrund gemäss Art. 308 Abs. 2 StGB zubilligen, soweit diese sich des falschen Zeugnisses schuldig gemacht hat. 2. a) Die Vorinstanz billigte auch dem Beschwerdegegner 1, der seine Schwester zu falschem Zeugnis zu seinen Gunsten im hängigen Strafverfahren wegen Einbruchdiebstahls angestiftet und deren Freundin zum falschen Zeugnis anzustiften versucht hatte, den Strafmilderungsgrund gemäss Art. 308 Abs. 2 StGB zu. Sie billigte zudem der Beschwerdegegnerin 2 den Strafmilderungsgrund nach Art. 308 Abs. 2 StGB auch insoweit zu, als diese sich der versuchten Anstiftung ihrer Freundin zu falschem Zeugnis (zugunsten des Beschwerdegegners 1) schuldig gemacht hatte. Die Vorinstanz vertritt in bewusster Abweichung von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ( BGE 73 IV 245 , BGE 81 IV 39 ff.) die Auffassung, dass auch dem Anstifter zu falschem Zeugnis zugunsten des Anstifters dieser Strafmilderungsgrund zuerkannt werden müsse. Zur Begründung führt sie unter Berufung auf HAEFLIGER (Das StGB als Schuldstrafrecht in der Rechtsprechung des Bundesgerichts, ZStrR 69/1954 S. 393 f.) aus, bei Vorliegen eines Aussageverweigerungsrechts aus Ehrennotstand (z.B. § 95 StPO /LU) sei der Zeuge der Zwangslage, zu lügen oder Strafe zu riskieren, enthoben. Dennoch werde ihm ja der Strafmilderungsgrund von Art. 308 Abs. 2 StGB zugebilligt. Auf das Vorliegen eines Ehrennotstandes komme es demnach nicht entscheidend an. Wenn der Täter milder bestraft werden könne, der lügt, um sich der Strafverfolgung zu entziehen, dann sollte auch der Anstifter, der sich in der gleichen Lage befindet, des Wohlwollens des Gesetzgebers teilhaftig sein. Der Umstand, der zur Privilegierung des Täters führt, müsse nach Art. 26 StGB auch beim Anstifter berücksichtigt werden, wenn er in dessen Person gegeben sei. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. b) Wohl ist es nach der insoweit zutreffenden Ansicht der Vorinstanz entgegen einer Bemerkung in BGE 73 IV 245 E. 2 nicht entscheidend, dass in Art. 308 Abs. 2 StGB lediglich vom Täter und nicht auch vom Teilnehmer am falschen Zeugnis die Rede ist; denn die Bestimmungen des Besonderen Teils des Strafgesetzbuches sprechen in der Regel nur vom Täter. Entscheidend ist indessen BGE 118 IV 175 S. 182 folgendes: Der Zeuge, dem ein Aussageverweigerungsrecht sei es aus Verwandtschaft, sei es aus Ehrennotstand zusteht, befindet sich nach den vorstehenden Ausführungen zwar nicht mehr aus rechtlichen Gründen, aber, was die Vorinstanz in diesem Zusammenhang offenbar übersieht, aus faktischen Gründen weiterhin in einer gewissen Zwangslage. Gerade wegen dieser fortbestehenden Zwangslage, die ein persönliches Verhältnis im Sinne von Art. 26 StGB ist, kann dem Zeugen trotz Vorliegens eines Aussageverweigerungsrechts der Strafmilderungsgrund gemäss Art. 308 Abs. 2 StGB zugebilligt werden. Der Anstifter zu falschem Zeugnis zugunsten des Anstifters befindet sich demgegenüber schon deshalb nicht in einer der Lage des Zeugen vergleichbaren Zwangslage, weil er, ohne Bestrafung zu riskieren, lügen kann und weil zudem sein Schweigen sich nicht in gleicher Weise zu seinem Nachteil auswirken kann wie das Schweigen des Zeugen. Die Selbstbegünstigungsabsicht, mit welcher der Anstifter zu falschem Zeugnis zugunsten des Anstifters handelt, ist unter dem Gesichtspunkt von Art. 305 StGB relevant (siehe dazu BGE 115 IV 230 ff.), nicht aber unter dem Gesichtspunkt von Art. 307 StGB . Zudem ist die Anstiftung zu falschem Zeugnis zugunsten des Anstifters der geradezu typische, klassische Fall; dieser verdient keine mildere Strafe. Der Kassationshof bestätigt daher seine Rechtsprechung ( BGE 73 IV 245 E. 2, BGE 81 IV 39 ff.), wonach Art. 308 Abs. 2 StGB auf den Anstifter zu falschem Zeugnis zugunsten des Anstifters nicht anwendbar ist (ebenso PAUL PFÄFFLI, op.cit., S. 103; ANDREAS HAUSWIRTH, op.cit., S. 221; HERBERT WINTER, Die falsche Beweisaussage der Partei nach Art. 306 StGB , S. 162 f.; SCHULTZ, ZStrR 73/1958 S. 260; GEORG MESSMER, a.a.O., S. 444; OLIVIER CORNAZ, a.a.O., S. 8; SCHWANDER, Das schweizerische Strafgesetzbuch, S. 501; HAUSER/REHBERG, Strafrecht IV, S. 326 unten; WAIBLINGER, ZBJV 85/1949 S. 479 zu BGE 73 IV 242 ff.; LOGOZ, Commentaire, art. 308 note 3; so auch die herrschende Meinung in Deutschland, siehe SCHÖNKE/SCHRÖDER/LENCKNER, op.cit., § 157 dt.StGB N 4; andere Auffassung ausser HAEFLIGER, a.a.O., TRECHSEL, op.cit., Art. 308 StGB N 8; STRATENWERTH, Strafrecht Bes. Teil II, § 55 N 54 ). Die Vorinstanz hat dem Beschwerdegegner 1 somit zu Unrecht den Strafmilderungsgrund von Art. 308 Abs. 2 StGB zugebilligt. c) Die Vorinstanz hat auch der Beschwerdegegnerin 2 zu Unrecht den Strafmilderungsgrund von Art. 308 Abs. 2 StGB zugebilligt, soweit diese sich der versuchten Anstiftung (ihrer Freundin) zum falschen Zeugnis zugunsten des Beschwerdegegners 1 schuldig machte. BGE 118 IV 175 S. 183 Wenn nach den vorstehenden Ausführungen bei Anstiftung zu falschem Zeugnis zugunsten des Anstifters Art. 308 Abs. 2 StGB nicht anwendbar ist, dann kann dieser Strafmilderungsgrund auch bei der Anstiftung zu falschem Zeugnis zugunsten eines Angehörigen des Anstifters nicht zur Anwendung gelangen. Die Beschwerdegegnerin 2 befand sich nur als Zeugin im Verfahren gegen den Beschwerdegegner 1 in einer gewissen, das Verschulden vermindernden Zwangslage, welche die Anwendung von Art. 308 Abs. 2 StGB rechtfertigt, nicht auch ausserhalb des Zeugenstandes. 3. Die Sache ist demnach in teilweiser Gutheissung der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese gegenüber dem Beschwerdegegner 1 die Strafe ohne Zuerkennung des Strafmilderungsgrundes von Art. 308 Abs. 2 StGB neu bemesse und der Beschwerdegegnerin 2 diesen Strafmilderungsgrund nur insoweit zubillige, als sie sich des falschen Zeugnisses schuldig gemacht hat, nicht aber auch insoweit, als sie wegen versuchter Anstiftung zu falschem Zeugnis verurteilt worden ist.
null
nan
de
1,992
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
015599db-4aab-4852-997c-37512371eba8
Urteilskopf 102 III 127 21. Arrêt du 31 mai 1976 dans la cause F.
Regeste Die Frage, ob eine Beschwerde rechtzeitig erhoben worden ist, muss von der Aufsichtsbehörde auf jeden Fall dann von Amtes wegen geprüft werden, wenn es ohne weiteres als möglich erscheint, dass die Beschwerdefrist eingehalten worden ist.
Sachverhalt ab Seite 127 BGE 102 III 127 S. 127 A.- Dame F. fait l'objet d'une poursuite en réalisation de gage immobilier requise par le sieur I., à la suite de l'inscription provisoire d'une hypothèque légale d'entrepreneur. Aucune opposition n'ayant été formée, le créancier a demandé la vente de l'immeuble, situé dans la commune d'Onex (Genève). Une restriction du droit d'aliéner a été requise le 11 août 1975. L'Office des poursuites de Genève a fait dresser un rapport d'expertise de la valeur de l'immeuble, en s'adressant à l'architecte I. L'expert a déposé son rapport le 4 février 1976. Par lettre du 6 février 1976, l'Office a signifié les conclusions de l'expert à la débitrice, en l'avisant qu'elle avait la possibilité de former recours à l'autorité cantonale de surveillance dans le délai de dix jours. BGE 102 III 127 S. 128 Par télégramme du 24 février 1976, adressé à l'Office des poursuites, dame F. a fait savoir qu'elle n'était pas d'accord avec les conclusions de l'expert et qu'elle demandait une "contre-expertise". L'Office a transmis le télégramme à l'autorité cantonale de surveillance. B.- Le 7 avril 1976, l'autorité cantonale de surveillance a déclaré la plainte irrecevable, pour tardiveté. En effet, a-t-elle dit, l'avis adressé à dame F. le vendredi 6 février 1976 a dû lui parvenir le lundi 9 février; la plaignante ne fait pas état de circonstances particulières qui auraient retardé la réception par elle du pli envoyé par l'Office des poursuites. C.- Dame F. recourt au Tribunal fédéral. Elle conclut à l'annulation de la décision attaquée, demandant principalement qu'une nouvelle estimation de l'immeuble soit ordonnée, subsidiairement que l'affaire soit renvoyée à l'autorité cantonale pour nouvelle décision. Erwägungen Considérant en droit: En principe, il incombe à l'autorité de recours d'examiner d'elle-même si le recours qui lui est adressé est recevable à la forme (GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2e éd., p. 517 n. 4). La question de savoir si une plainte est intervenue en temps utile doit être étudiée d'office (JAEGER, n. 9 ad art. 17 LP ), en tout cas quand d'emblée il apparaît possible que le délai ait été respecté. En l'espèce, les conclusions du rapport d'expertise ont été expédiées à la recourante, sous pli recommandé, le vendredi 6 février 1976. On peut partir de l'idée que la première tentative de remise (ou le dépôt dans la case postale de l'avis annonçant l'arrivée de l'envoi) a eu lieu au plus tôt le lundi 9 février. Si la destinataire n'a pas été atteinte ou si un avis a été déposé dans la case postale, un délai de retrait de sept jours devait lui être imparti (art. 169 al. 1 litt. d et e de l'ordonnance (1) relative à la loi sur le Service des postes, RS 783.01), qui expirait au plus tôt le 16 février 1976. En cas de retrait dans ce délai, le délai de plainte partait de la date du retrait ( ATF 100 III 4 ); il pouvait donc courir jusqu'au 26 février 1976. Ainsi, il est pleinement concevable que la demande de nouvelle expertise ait été faite en temps utile le 24 février 1976. L'autorité cantonale de surveillance ne pouvait donc pas BGE 102 III 127 S. 129 déclarer sans plus la plainte irrecevable pour tardiveté, en se bornant à conjecturer le moment où le pli de l'Office avait dû parvenir à la plaignante. Le fait que cette dernière n'invoquait pas de circonstances qui auraient retardé la réception de l'envoi ne dispensait pas l'autorité de procéder à un examen qu'elle était tenue d'entreprendre d'office. Point n'est besoin de rechercher en l'espèce s'il convient d'appliquer ces principes également au cas où le délai de plainte apparaît d'emblée expiré, à savoir quand une plainte est déposée des mois plus tard sans aucune explication justifiant le retard. La question peut demeurer indécise en l'état. Dispositiv Par ces motifs, la Chambre des poursuites et des faillites: Admet partiellement le recours en ce sens que la décision attaquée est annulée et la cause renvoyée à l'autorité cantonale de surveillance pour qu'elle examine si le délai de plainte a été observé et, dans l'affirmative, statue sur le fond.
null
nan
fr
1,976
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
01587649-41f9-4bcb-93bd-810ac5092262
Urteilskopf 115 Ia 127 26. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit public du 13 juin 1989 dans la cause Farine contre Grand Conseil du canton de Genève (recours de droit public)
Regeste Art. 12 BV , 178 KV-GE; Verbot der Annahme eines von einem ausländischen Staat verliehenen Ordens durch ein Mitglied des Grossen Rates. 1. Der Bund hat dem Art. 178 KV-GE insofern die Genehmigung verweigert, als dieser nicht mit Art. 12 BV übereinstimmt (E. 2a). 2. Art. 12 BV verbietet auch Orden humanitärer und kultureller Art (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 127 BGE 115 Ia 127 S. 127 Depuis le 24 février 1983, le recourant Jacky Farine est membre du Grand Conseil du canton de Genève. Par lettre du 25 mai 1987, le Ministre de la culture et de la communication de la République française lui a fait savoir qu'il a été nommé "Chevalier de l'ordre des Arts et des Lettres" par arrêté ministériel du 21 mai 1987, sous son pseudonyme Jack Yfar. La remise de la médaille des arts et des lettres accompagnait cette nomination. Selon la lettre du ministre, l'ordre a été créé en 1957 pour récompenser les personnes qui se sont distinguées par leurs créations dans le domaine artistique ou littéraire ou par la contribution qu'elles ont apportée au rayonnement des arts et des lettres, en France et dans le monde. BGE 115 Ia 127 S. 128 Le 16 juin 1988, sur la base d'un rapport présenté par une commission, le Grand Conseil a constaté que l' art. 12 Cst. interdit qu'un membre d'une autorité législative cantonale accepte une décoration conférée par un gouvernement étranger, et qu'une infraction entraîne la perte du mandat. Jacky Farine devait par conséquent choisir s'il voulait conserver sa décoration ou son mandat de député. Agissant par la voie du recours de droit public, Jacky Farine a demandé au Tribunal fédéral d'annuler la décision du Grand Conseil et de renvoyer la cause au bureau de cette autorité. Il s'est plaint d'une application arbitraire des règles cantonales applicables, notamment de l' art. 178 Cst. gen., et d'une violation de l' art. 12 Cst. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours, dans la mesure où il était recevable. Erwägungen Extrait des considérants: 2. Jacky Farine se réfère à l' art. 178 Cst. Gen., qui interdit aux députés d'accepter une décoration d'un gouvernement étranger sans l'autorisation du Grand Conseil, ainsi qu'à l'art. 22 du règlement du Grand Conseil, qui coïncide avec la disposition précitée. Il fait valoir que le parlement a appliqué ces règles de manière arbitraire en retenant qu'il n'avait aucun pouvoir d'appréciation pour décider si une médaille constitue une décoration au sens de l' art. 12 Cst. En outre, il est prétendument insoutenable d'appliquer, pour la procédure, l'art. 224 du règlement du Grand Conseil. a) L' art. 178 Cst. gen. prévoit, pour les membres du Grand Conseil et les fonctionnaires et employés de l'Etat, une interdiction des titres, décorations, traitements ou pensions de gouvernements étrangers qui correspond à celle de l' art. 12 Cst. ; cependant, la possibilité d'une autorisation est prévue. Pour les membres du Grand Conseil, l'autorisation est donnée par ce corps. Le recourant reproche au Grand Conseil de n'avoir pas fait usage du pouvoir d'appréciation qui lui est conféré et qui lui permet d'autoriser, éventuellement, l'acceptation d'une décoration. A son avis, il est faux de se référer simplement à la Constitution fédérale et à la pratique des autorités fédérales. Cette argumentation méconnaît que le droit fédéral prime le droit cantonal, et qu'une autorisation cantonale n'est par conséquent pas possible lorsque l'acceptation d'une décoration se heurte à l'interdiction de l' art. 12 Cst. BGE 115 Ia 127 S. 129 La Constitution du canton de Genève porte la date du 24 mai 1847; l'art. 178 figurait déjà dans le texte d'origine. A cette époque, avant la création de l'Etat fédéral, une garantie de la Confédération n'était pas nécessaire. Une mise à jour complète de la Constitution genevoise a cependant été réalisée le 7 novembre 1958 et approuvée par les citoyens le 7 décembre 1958. La nouvelle version a alors reçu la garantie selon un arrêté fédéral du 12 juin 1959 (FF 1959 I 1591). Celui-ci réserve toutefois que plusieurs dispositions, en particulier l'art. 178, doivent être appliquées dans les limites du droit fédéral. Sur ce point, dans son message à l'Assemblée fédérale (FF 1959 I 1438), le Conseil fédéral retenait que "[l'art. 178] interdit aux membres du Grand Conseil, ainsi qu'aux fonctionnaires et employés de l'Etat d'accepter, sans autorisation soit du Grand Conseil soit du Conseil d'Etat, titres, décorations, émoluments ou pensions d'un gouvernement étranger. ici aussi il faut réserver la prohibition et la sanction de l' art. 12 Cst. en ce qui concerne les membres du Grand Conseil et rappeler qu'en vertu du droit fédéral l'interdiction des décorations et des titres étrangers s'applique en outre à tous les militaires." La Confédération a ainsi refusé d'accorder sa garantie à l' art. 178 Cst. gen. dans la mesure où cette disposition n'est pas conforme à l' art. 12 Cst. S'il constatait que l'acceptation d'une nomination à l'Ordre des arts et des lettres était contraire à l'interdiction des décorations de l' art. 12 Cst. , le Grand Conseil devait en déduire que l'autorisation prévue par la Constitution cantonale n'entrait pas en considération. Il a appliqué l' art. 12 Cst. en se conformant à la pratique des autorités fédérales, qu'il a étudiée de manière détaillée. Le recourant lui reproche d'avoir omis arbitrairement d'exercer le pouvoir d'appréciation qui lui est conféré par l'art. 22 de son règlement, qui répète la règle de l' art. 178 Cst. gen. Il est exact que les décisions des autorités fédérales relatives à l' art. 12 Cst. sont des précédents qui ne lient ni le Grand Conseil ni le Tribunal fédéral; un jugement indépendant est garanti. Le Grand Conseil connaissait cette situation; cela ressort de l'examen approfondi de l'affaire par la commission législative et aussi de la discussion du plénum. Il a étudié l'origine et le sens actuel des art. 12 Cst. et 178 Cst. gen. Il en a conclu, avec la volonté de respecter le droit fédéral, que l'acceptation de la décoration était interdite par l'art, 12 Cst, Les critiques du recourant sont donc injustifiées. b) Ce dernier soutient à tort qu'il était inadmissible d'appliquer l'art. 224 du règlement du Grand Conseil. Cette disposition règle BGE 115 Ia 127 S. 130 la procédure à suivre lorsqu'un député se trouve dans une situation d'incompatibilité, et son al. 4 vise expressément les cas qui surviennent au cours de la législature. L'al. 5 prévoit que le Président du Grand Conseil invite le député concerné à choisir, dans un délai de huit jours, entre le mandat de député et la fonction tenue pour incompatible. Cette réglementation peut être appliquée par analogie en cas d'acceptation d'une décoration décernée par un gouvernement étranger. 3. Le recourant prétend que l' art. 12 Cst. ne fait pas obstacle à l'acceptation de l'Ordre des arts et des lettres. Le Tribunal fédéral examine librement cette question, en tenant toutefois dûment compte de l'opinion du Grand Conseil du canton de Genève, qui est l'autorité cantonale suprême. Il n'est pas lié par la pratique des autorités fédérales, mais il ne saurait ignorer les solutions que celle-ci a apportées. a) Les méthodes développées pour l'interprétation des lois ordinaires s'appliquent en principe aussi aux dispositions constitutionnelles ( ATF 112 Ia 212 consid. 2a, avec références). Le Tribunal fédéral fait usage de plusieurs critères ( ATF 110 Ib 7 consid. cc, avec références). Il se réfère d'abord à la lettre de la disposition ( ATF 111 Ia 209 consid. 6a) et il détermine le sens et le but de la réglementation légale avec toutes les méthodes d'interprétation reconnues ( ATF 109 Ia 303 consid. 6c et d). Il met à contribution les travaux préparatoires et respecte la volonté originelle du constituant ou du législateur, dans la mesure où celle-ci a été exprimée dans le texte à interpréter ( ATF 109 Ia 303 consid. 12c avec références). Les travaux préparatoires sont pris en considération lorsqu'ils permettent d'attribuer un sens net à un texte obscur, mais plus ils sont anciens, moins ils sont concluants ( ATF 111 II 152 consid. 4a, ATF 108 Ia 37 ). Le Tribunal fédéral a jugé que, pour les règles constitutionnelles, le rôle des divers critères d'interprétation varie selon qu'il s'agit d'une prescription organique ou de la garantie d'un droit fondamental dont il faut déterminer l'étendue. Dans le premier cas, la marge d'interprétation est relativement étroite. En effet, les règles organiques de la Constitution n'ont pas la portée et la souplesse des dispositions qui régissent, sur le fond, les rapports de l'Etat à ses citoyens. Ces dernières nécessitent, plus qu'une interprétation, une concrétisation qui tienne compte de conditions historiques et de conceptions sociales en évolution. En revanche, les règles organiques reflètent la volonté du constituant quant à la BGE 115 Ia 127 S. 131 structure et au fonctionnement de l'Etat. Elles définissent un ordre qui n'a guère besoin d'être concrétisé. Des conceptions nouvelles ne peuvent pas être reçues lors de l'interprétation de la Constitution; s'il y a lieu, elles doivent être introduites par un amendement. Par conséquent, en l'absence d'un texte tout à fait clair, les données historiques sont prépondérantes; il faut s'en tenir aux représentations du constituant au moment où la règle a été édictée et à la pratique subséquente des autorités chargées de son application ( ATF 112 Ia 112 consid. 2a). b) Le texte de l' art. 12 Cst. est dépourvu d'ambiguïté. Il interdit l'acceptation de pensions, traitements, titres, cadeaux ou décorations de la part de gouvernements étrangers. Cette disposition vise d'abord les membres des autorités fédérales, les fonctionnaires fédéraux civils et militaires et les représentants et commissaires fédéraux. Il a son origine dans la Constitution de 1848; la révision totale de 1874 ne lui a apporté qu'une modeste extension. Ce n'est que sur la base d'une initiative populaire déposée en 1928 que l'interdiction a été élargie aux membres des gouvernements et des autorités législatives des cantons (BURCKHARDT, Kommentar zur Bundesverfassung von 1874, 3e éd., p. 101 ss). aa) En qualité de membre du Grand Conseil du canton de Genève, le recourant appartient au cercle des personnes auxquelles l'acceptation d'une décoration est interdite tant par l' art. 12 Cst. que par l' art. 178 Cst. gen. La notion constitutionnelle de la décoration ("Orden") est également claire. Il s'agit de la marque extérieure de l'appartenance à une collectivité, réelle ou seulement fictive, qui n'existe que pour honorer des personnes méritantes par une dénomination commune, et qui est décernée selon des règles précises, de manière qu'elle constitue une institution durable (BURCKHARDT, op.cit., p. 104). L'Ordre des arts et des lettres est sans aucun doute, selon ces critères, une décoration. Il ressort de la lettre du Ministère de la culture et de la communication, du 25 mai 1987, que cet ordre est une institution permanente créée en 1957, et que la nomination à l'un de ses trois grades (commandeur, officier, chevalier) intervient selon des règles déterminées, aux fins de reconnaître des contributions artistiques ou littéraires particulières. Il faut donc retenir, à première vue, que l'acceptation de cette distinction se heurte au texte clair de l' art. 12 Cst. bb) D'après l'origine historique de l'interdiction des décorations, le recourant prétend que celle-ci n'est pas dirigée contre BGE 115 Ia 127 S. 132 l'acceptation d'une distinction culturelle pour les contributions littéraires ou artistiques. Il est exact que, du point de vue historique, l'interdiction est liée au recrutement de mercenaires, au moyen de paiements, par les Etats étrangers, selon une pratique qui était courante dans l'ancienne Confédération (sur les antécédents et sur l'élaboration de l' art. 12 Cst. , voir l'exposé détaillé de PIAGET, Das Pensionen-, Titel- und Ordensverbot, thèse Zurich 1936, p. 7 ss). Cependant, l'interdiction reposait d'emblée sur l'idée tout à fait générale que les personnes au service de la Confédération ne doivent avoir à l'esprit que l'intérêt de celle-ci, sans avoir d'obligations, même morales, envers d'autres Etats (cf. BURCKHARDT, op.cit., p. 103). Cet objectif global a aussi été exprimé dans les discussions relatives à l'initiative de 1928 en faveur de l'extension de l'interdiction. Celle-ci devait, selon le projet, atteindre tous les Suisses sans exception. Cette rigueur a été jugée excessive, ce qui a mené à un contre-projet, finalement adopté, qui étendait l'interdiction des décorations aux membres des gouvernements et des parlements cantonaux. Au regard de ces éléments, l'influence historique du service militaire à l'étranger, qui a pu jouer un rôle dans la constitution de 1848, n'impose nullement l'interprétation restrictive de l' art. 12 Cst. qui est préconisée par le recourant. D'après le message relatif à l'initiative précitée, cette disposition doit combattre toute influence indésirable, pouvant se manifester aussi dans les cantons, exercée par la remise de décorations et de pensions. Le Conseil fédéral relevait que les cantons entretiennent de multiples relations culturelles et économiques avec l'étranger, qui peuvent les mener à entrer en rapport direct avec les autorités étrangères dans le cadre des art. 9 et 10 Cst. ; cette situation ne devait pas être ignorée, car quatorze cantons ou demi-cantons touchaient au territoire étranger (rapport du Conseil fédéral du 30 août 1929; FF 1929 II p. 795). L' art. 12 Cst. est destiné à exclure toute influence propre à compromettre l'indépendance des personnes concernées; cet objectif rigoureux ressort clairement du texte constitutionnel ainsi que des travaux préparatoires. Même des liens purement moraux, engendrés par des distinctions humanitaires ou culturelles, doivent être évités; à ces fins, les membres des parlements et gouvernements cantonaux ont également été assujettis à l'interdiction des décorations. Le constituant de 1931 a voulu aussi interdire, au sein des parlements cantonaux, l'acceptation de décorations à caractère culturel. BGE 115 Ia 127 S. 133 cc) La pratique des autorités fédérales montre également la vaste portée de l' art. 12 Cst. Elle confirme qu'il n'y a aucune différence, au regard de cette disposition, selon qu'une décoration récompense des performances militaires ou des contributions humanitaires ou culturelles (voir les exemples mentionnés par PIAGET, op.cit., p. 90 ss). Le rapport de la commission législative du Grand Conseil relève avec pertinence que le conseiller national Jean Ziegler a été invité, au début de la législature en cours, à abandonner le titre de chevalier de l'Ordre des arts et des lettres, qu'il a reçu à l'instar du recourant, ou à abandonner son mandat à l'Assemblée fédérale (BOCN, 30 novembre 1987, p. 1546). dd) Il reste à examiner si les modifications de la situation politique, survenues depuis 1931, imposent une appréciation différente. La jurisprudence du Tribunal fédéral n'exclut pas qu'une interprétation contemporaine puisse mettre en évidence une évolution du sens donné à une règle constitutionnelle, notamment en raison d'une transformation du contexte historique ( ATF 104 Ia 291 consid. c). Cependant, la signification attribuée à l' art. 12 Cst. n'a pas changé. Il importe peu qu'en raison du cercle des personnes concernées et de l'objet de l'interdiction, l' art. 12 Cst. ne parvienne qu'imparfaitement à prévenir des ingérences de l'étranger. A cet égard, les arguments du recourant ne dispensent pas le juge constitutionnel d'appliquer le droit en vigueur en en respectant le sens et le but. Contrairement à l'opinion soutenue dans le recours, l'interdiction des décorations ne fait pas obstacle à la collaboration de la Suisse, en matière culturelle et humanitaire, avec les autres pays et les organisations internationales. Elle n'entrave pas non plus les citoyens dans leurs travaux scientifiques, littéraires ou artistiques, même s'ils appartiennent au groupe défini par la disposition critiquée. De plus, l'interdiction des décorations s'apparente étroitement avec les règles organiques de la Constitution, cela même si elle ne peut pas tout à fait être assimilée à celles-ci. L'évolution des conceptions ne peut pas être prise en considération lors de l'interprétation des règles sur l'organisation des pouvoirs publics et la compétence des organes de l'Etat; elle doit plutôt mener à un amendement de ces règles ( ATF 112 Ia 213 consid. 2a, 216 consid. 2dd). Ce principe s'applique également à une interdiction des décorations étrangères visant un groupe déterminé de personnes; une telle règle ne perd pas sa validité simplement parce que, le cas échéant, le rôle de l'institution a changé.
public_law
nan
fr
1,989
CH_BGE
CH_BGE_002
CH
Federation
016298f0-5e54-40cc-814b-f39df6f13d18
Urteilskopf 120 III 9 5. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 22. April 1994 i.S. X. AG (Rekurs)
Regeste Ausstellung des Zahlungsbefehls in den Betreibungsferien ( Art. 69 SchKG und 56 SchKG). Die Ausstellung des Zahlungsbefehls bringt den Betreibenden seinem Ziel (noch) nicht näher und greift in die Rechtsstellung des Betriebenen nicht ein, weshalb sie nicht zu jenen Betreibungshandlungen gehört, die in den Betreibungsferien nicht vorgenommen werden dürfen.
Sachverhalt ab Seite 10 BGE 120 III 9 S. 10 Das Betreibungsamt B. erliess am 22. Dezember 1993 in der Betreibung Nr. ... auf Begehren des Staates Solothurn einen Zahlungsbefehl. Nach zwei erfolglosen Versuchen konnte am 3. Februar 1994 dessen Zustellung an die X. AG erfolgen. Die Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons Solothurn wies die von der X. AG gegen die Zustellung des Zahlungsbefehls erhobene Beschwerde ab. Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts weist den von der X. AG dagegen erhobenen Rekurs ab aus folgenden Erwägungen Erwägungen: 1. Die Rekurrentin betrachtet die Ausstellung eines Zahlungsbefehls als Betreibungshandlung, welche in den Betreibungsferien nicht ausgeführt werden dürfe. Das Betreibungsamt erlässt nach Empfang des Betreibungsbegehrens den Zahlungsbefehl mit den vom Gesetz vorgesehenen Angaben ( Art. 69 SchKG ). Die Abfassung des Zahlungsbefehls ist zwar eine Amtshandlung der hiefür zuständigen Behörde, bringt jedoch den Betreibenden seinem Ziel (noch) nicht näher und greift in die Rechtsstellung des Betriebenen nicht ein. Das Ziel des Gesetzgebers, den Schuldner zu gewissen Zeiten dem Drängen seiner Gläubiger nicht auszusetzen, wird dadurch nicht in Frage gestellt. Der Erlass des Zahlungsbefehls gehört somit nicht zu jenen von der Rechtsprechung als Betreibungshandlung verstandenen Tätigkeiten, die während den Betreibungsferien untersagt sind ( Art. 56 SchKG ; BGE 117 III 4 E. 3 S. 5; BGE 115 III 11 E. 1b S. 14). BGE 120 III 9 S. 11 Die Schuldbetreibung beginnt erst mit der Zustellung des Zahlungsbefehls ( Art. 38 Abs. 2 SchKG ). Nun wird der Betriebene zur Zahlung aufgefordert und auf die Möglichkeit des Rechtsvorschlags sowie die allfällige Fortsetzung der Betreibung hingewiesen ( Art. 69 Abs. 1 Ziff. 2-4 SchKG ). Im weitern sieht das Gesetz gegen den Zahlungsbefehl eine Beschwerde an die Aufsichtsbehörde vor ( Art. 17 SchKG ). Dass das Betreibungsamt den Zahlungsbefehl in den Betreibungsferien ( Art. 56 SchKG ) ausgestellt hat, genügt somit nicht, ihn aufzuheben. Daran ändert auch die Berufung der Rekurrentin auf AMONN (Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 5. A. Bern 1993, S. 98 N. 27) nichts, der an dieser Stelle nicht zwischen dem Erlass und der Zustellung des Zahlungsbefehls unterscheidet.
null
nan
de
1,994
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
01647f28-4a29-46c5-bead-429fa6fcdd3a
Urteilskopf 90 II 315 37. Urteil der I. Zivilabteilung vom 6. Oktober 1964 i.S. Elin GmbH gegen ELIN-UNION A.-G.
Regeste Internationaler Schutz des Handelsnamens, Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums, Art. 2 Abs. 1, Art. 8. Schutzanspruch des nicht im schweizerischen Handelsregister eingetragenen ausländischen Unternehmens (Erw. 2). Namensschutz, Art. 29 ZGB . Anwendung auf den Handelsnamen eines ausländischen Unternehmens (Erw. 3). Unlauterer Wettbewerb, Begriff des Wettbewerbsverhältnisses (Erw. 4). Berufungsverfahren, Art. 63 Abs. 3 OG , freie rechtliche Überprüfung (Erw. 1).
Sachverhalt ab Seite 315 BGE 90 II 315 S. 315 A.- Die Klägerin betreibt in Wien eine Maschinenund Apparate-Fabrik, in der namentlich Elektromotoren und dergl. hergestellt werden. Sie führte ursprünglich die Firma "ELIN Aktiengesellschaft für elektrische Industrie", an deren Stelle im Jahre 1959 die heutige Firmabezeichnung trat. Sie ist Inhaberin mehrerer Wort- und Bildmarken, die als Hauptbestandteil die Bezeichnung ELIN enthalten und zum Teil schon seit dem Jahre 1926 international hinterlegt sind. Die Klägerin liefert ihre Erzeugnisse BGE 90 II 315 S. 316 auch in die Schweiz, teils durch hier ansässige Vertreter, teils direkt an die Kunden. Sie unterhält ferner in Buchs SG ein Konsignationslager. Die Beklagte wurde am 29. Juni 1957 in Zürich unter der Firma "Elin GmbH" gegründet zum Zwecke des Warenhandels im In- und Ausland, insbesondere mit Erzeugnissen der Elektronik und Elektrotechnik. Im Jahre 1959 verlegte die Beklagte ihren Sitz nach Buchs SG. Versuche der Klägerin, die Beklagte auf gütlichem Wege zur Änderung ihrer Firmabezeichnung zu veranlassen, weil sie zu Verwechslungen mit dem Unternehmen der Klägerin Anlass gebe, verliefen ergebnislos. B.- Am 2. November 1962 reichte die Klägerin beim Handelsgericht des Kantons St. Gallen die vorliegende Klage ein. Sie beantragte, es sei festzustellen, dass die Beklagte durch die Verwendung des Wortes "Elin" in ihrem Firmanamen unlauteren Wettbewerb begehe. Weiter stellte sie das Begehren, die Beklagte sei zu verpflichten, das Wort "Elin" aus ihrem Firmanamen zu entfernen, und es sei ihr jede weitere Verwendung dieses Wortes im Geschäftsverkehr zu verbieten. Zur Begründung ihrer Begehren berief sich die Klägerin auf die Vorschriften des UWG, sowie auf die Bestimmungen des Firmen- und des Namensrechtes. Die Beklagte beantragte Abweisung der Klage. C.- Das Handelsgericht des Kantons St. Gallen verneinte Ansprüche der Klägerin aus dem Wettbewerbsrecht und liess die Frage des Bestehens firmenrechtlicher Ansprüche offen. Dagegen erachtete es die Klage aus dem Gesichtspunkte des Namensrechtes als begründet und erkannte mit Urteil vom 28. Februar 1964: "Die Beklagte wird verpflichtet, ihren Firma-Namen derart zu ändern, dass das Wort "Elin" daraus verschwindet, und es wird ihr verboten, das Wort "Elin" auf irgendwelche Weise im Verkehr gegenüber Kunden weiterhin zu verwenden. Es wird ihr für den Fall der Widerhandlung die Bestrafung wegen Ungehorsams mit Haft oder Busse gemäss Art. 292 des schweizerischen Strafgesetzbuches angedroht. Im übrigen wird die Klage abgewiesen". BGE 90 II 315 S. 317 D.- Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die Berufung an das Bundesgericht erklärt. Sie beantragt erneut, die Klage gänzlich abzuweisen. Die Klägerin beantragt Abweisung der Berufung und Bestätigung des angefochtenen Entscheides. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Die Vorinstanz stützt ihren Entscheid, die Firma der Beklagten dürfe das Wort "Elin" nicht enthalten, ausschliesslich auf die Vorschriften über das Namensrecht ( Art. 29 ZGB ). Die Klägerin hält in ihrer Berufungsantwort daran fest, dass ihr Verbotsbegehren auch aus den Gesichtspunkten des Firmen- und des Wettbewerbsrechtes begründet sei. Dieses Vorbringen ist zulässig, obwohl die Klägerin weder Haupt- noch Anschlussberufung eingereicht und sich demzufolge mit der Abweisung ihres Klagebegehrens auf Feststellung unlauteren Wettbewerbes der Beklagten abgefunden hat. Denn gemäss Art. 63 Abs. 3 OG ist das Bundesgericht in bezug auf die rechtliche Würdigung der Tatsachen frei, soweit sie ihm nach Art. 43 OG zukommt. Es ist daher befugt, bei der Beurteilung der Frage, ob die Beklagte zur Aufnahme des Wortes "Elin" in ihre Firma berechtigt sei, neben dem von der Vorinstanz angewendeten Namensrecht auch das Firmen- und das Wettbewerbsrecht heranzuziehen. 2. Die Klägerin erachtet die Firmabezeichnung der Beklagten firmenrechtlich als unzulässig, weil sie den der Klägerin nach Art. 951 Abs. 2 und Art. 956 OR zustehenden Anspruch auf den ausschliesslichen Gebrauch ihrer Firma verletze. Sie macht geltend, obwohl ihre Firma nicht im schweizerischen Handelsregister eingetragen sei, könne sie sich gemäss Art. 8 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutze des gewerblichen Eigentums (PVUe), der sowohl die Schweiz als auch Österreich als Vertragsstaaten angehören, auf die genannten Vorschriften des schweizerischen Rechtes berufen. BGE 90 II 315 S. 318 Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtes ( BGE 79 II 307 ff.) verschaffen jedoch die angerufenen Bestimmungen der PVUe der Klägerin als in der Schweiz nicht eingetragener ausländischer Firma nicht den besonderen Firmenschutz des Art. 956 OR ; sie kann vielmehr auf Grund der PVUe lediglich den Schutz beanspruchen, der auch dem nicht eingetragenen inländischen Handelsnamen zukommt, d.h. den gemäss Art. 29 ZGB bestehenden besonderen Schutz des Namens einer physischen oder juristischen Person. Ausserdem sind der Klägerin noch der Schutz ihrer persönlichen Verhältnisse im allgemeinen (sog. genereller Persönlichkeitsschutz gemäss Art. 28 ZGB ) und der Schutz gegen unlauteren Wettbewerb gewährleistet ( Art. 10bis PVUe ). Die Klägerin wendet sich in der Berufungsantwort gegen diese Beschränkung und fordert auch firmenrechtlichen Schutz, wie ihn die bundesgerichtliche Rechtsprechung in der Zeit vor dem BGE 79 II 307 ff. auch dem in der Schweiz nicht eingetragenen ausländischen Handelsnamen gewährt hatte. Es besteht jedoch kein Anlass, auf die durch den erwähnten Entscheid begründete, kürzlich in BGE 90 II 192 ff. mit einlässlichen Ausführungen bestätigte Rechtsprechung zurückzukommen. Die Klägerin wendet zu Unrecht ein, diese Rechtsprechung berücksichtige nicht, dass es nach schweizerischem Recht keinen nicht eingetragenen Firmanamen einer A.-G. geben könne, weil für diese der Eintrag im Handelsregister Konstitutiverfordernis sei. Darauf kommt es nicht an. Entscheidend ist vielmehr, dass es nach schweizerischem Recht überhaupt Privatrechtssubjekte (Einzelpersonen, Vereine, Personengesellschaften) gibt, die für einen nichteingetragenen Handelsnamen Rechtsschutz beanspruchen können und dass dieser Schutz auch der nur im Ausland eingetragenen A.-G. gewährt wird. Der Einwand der Klägerin, diese Rechtsprechung schaffe für Aktiengesellschaften verschiedene Schutzklassen, und gerade BGE 90 II 315 S. 319 das wolle die PVUe mit Art. 2 Abs. 1 und Art. 8 vermeiden, beruht auf einer petitio principii. Die Vorinstanz hat somit zu Recht die Berufung der Klägerin auf die Vorschriften des schweizerischen Firmenrechtes verworfen. 3. Die Vorinstanz hat entschieden, die Beklagte verletze mit der von ihr gewählten Firma die Rechte der Klägerin an ihrem Handelsnamen, auf dessen Schutz sie nach dem gestützt auf Art. 8 PVUe anwendbaren Art. 29 ZGB Anspruch habe. Die Beklagte macht mit der Berufung geltend, dieser Entscheid beruhe auf einer unrichtigen Anwendung des des Art. 29 ZGB . a) Zur Begründung dieser Rüge weist die Beklagte zunächst darauf hin, dass ihre Firma "Elin GmbH" nicht mit dem klägerischen Namen "ELIN-UNION Aktiengesellschaft für elektrische Industrie" übereinstimme. Von einer Anmassung des Namens der Klägerin durch sie könne daher nicht gesprochen werden. Eine Namensanmassung liegt jedoch nicht nur bei völliger Übereinstimmung der beiden Bezeichnungen vor; es genügt schon, wenn der Hauptbestandteil des Handelsnamens eines Unternehmens übernommen wird ( BGE 44 II 96 f., BGE 82 II 341 ff.), wie es hier mit der Bezeichnung "Elin" geschehen ist. Anders verhält es sich nur, wo der übernommene Hauptbestandteil in einer Sachbezeichnung besteht, die dem sprachlichen Gemeingut angehört ( BGE 58 II 314 ). Das ist hier jedoch nicht der Fall. Das Wort "Elin" ist keine Sachbezeichnung und entgegen der Meinung der Beklagten auch nicht einer solchen deshalb gleichzusetzen, weil es aus den ersten beiden Buchstaben der zwei Sachbezeichnungen "Elektrische" und "Industrie" zusammengezogen wurde. Um darauf zu verfallen, muss man bereits die Phantasie walten lassen, was gerade den Unterschied zwischen Sachbezeichnung und Phantasienamen ausmacht ( BGE 72 II 186 ff.). BGE 90 II 315 S. 320 Der Hinweis der Beklagten auf BGE 79 II 314 , wonach die Zulegung eines ähnlichen Namens nicht Anmassung des Namens ist, geht ebenfalls fehl. Das gilt nur dort, wo der beanstandete Name auch mit dem Hauptbestandteil des älteren Namens nicht genau übereinstimmt, sondern ihm nur ähnlich ist. b) Der Schutz des nicht eingetragenen Handelsnamens ist nach ständiger Rechtsprechung auf den örtlichen Geschäftsbereich seines Inhabers beschränkt ( BGE 79 II 315 , BGE 88 II 31 ). Die Klägerin kann daher gegenüber der Beklagten den Schutz nach schweizerischem Namensrecht nur beanspruchen, wenn sie sich im Zeitpunkt der Gründung der Beklagten, also im Jahre 1957, in der Schweiz schon in nennenswertem Umfang geschäftlich betätigt hatte. Diese Voraussetzung ist auf Grund der tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz zu bejahen. Danach hat die Klägerin schon seit Jahren vor allem kleine Motoren in erheblichem Umfang in die Schweiz geliefert, und der Name "ELIN" ist nach den Darlegungen des dem Handelsgericht angehörenden fachkundigen Richters bei der massgebenden Kundschaft als Bezeichnung für die Klägerin bekannt und als solche seit vielen Jahren zum Begriff geworden. Die Beklagte wendet demgegenüber ein, es sei nicht festgestellt, dass die Klägerin schon im Jahre 1957 das Wort "ELIN" als unterscheidungskräftige Geschäftsbezeichnung für sich habe in Anspruch nehmen können; im angefochtenen Urteil sei lediglich der Geschäftsumsatz der Klägerin für 1960 genannt, und ob es sich bei den vom Fachrichter erwähnten "vielen Jahren" um 4, 6 oder 20 Jahre handle, werde nicht gesagt. Die Feststellung, der Name "ELIN" sei schon 1957 ein Begriff für die Klägerin gewesen, beruhe daher auf einem offensichtlichen Versehen im Sinne von Art. 55 Abs. 1 lit. d OG . Von einem offensichtlichen Versehen kann jedoch nicht die Rede sein. Die Vorinstanz stützt ihre Feststellungen über die Geschäftstätigkeit der Klägerin in der Schweiz BGE 90 II 315 S. 321 auf die von der Klägerin vorgelegten Akten (Klagebeilagen 10 und 26, Korrespondenz- und Fakturabelege aus den Jahren 1954-1957); was die Vorinstanz sodann unter "vielen Jahren" versteht, erhellt aus der von ihr erwähnten Aussage des fachkundigen Richters (Protokoll vom 28. Februar 1964 Ziff. II a), er kenne die Klägerin unter der Bezeichnung "ELIN" schon seit dem Jahre 1925. Die angefochtenen Feststellungen der Vorinstanz sind somit das Ergebnis einer Beweiswürdigung, die mit der Versehensrüge nicht angefochten werden kann. Dass die Lieferungen der Klägerin zum Teil an ihre schweizerischen Vertreter und Agenten erfolgten, ändert nach der zutreffenden Auffassung der Vorinstanz nichts, da auch die Kunden dieser Zwischenhändler wussten, dass es sich um Erzeugnisse der Klägerin handelte und diese kaufen wollten. Abgesehen hievon sind nach den Akten auch Direktlieferungen an schweizerische Kunden in erheblichem Umfang ausgewiesen. c) Dass die beiden Firmabezeichnungen wegen ihres gemeinsamen Hauptbestandteils "Elin" miteinander verwechselbar sind, liegt auf der Hand, wie die Vorinstanz mit Recht angenommen hat. Die Verwechslungsgefahr wird denn auch von der Beklagten nicht ernstlich bestritten; sie anerkennt, dass tatsächlich einige Verwechslungen vorgekommen sind. Solche sind um so mehr zu befürchten, als die Beklagte ihren Sitz nach Buchs SG verlegt hat, wo die Klägerin ein Konsignationslager zur Belieferung ihrer schweizerischen Kunden und Vertreter unterhält. d) Die Beklagte macht geltend, um sich mit Erfolg auf Art. 29 ZGB berufen zu können, müsste die Klägerin nachweisen, dass sie durch die Verwendung des Namens "Elin" durch die Beklagte beeinträchtigt werde; das sei jedoch weder behauptet noch nachgewiesen. Auch dieser Einwand ist unbegründet. Eine Beeinträchtigung der Rechte des älteren Unternehmens liegt nach ständiger Rechtsprechung immer vor, wenn Verwechslungsgefahr besteht ( BGE 80 II 145 ). Die Beeinträchtigung BGE 90 II 315 S. 322 liegt nämlich darin, dass bei der Kundschaft der Eindruck entstehen kann, die Beklagte sei mit der Klägerin identisch oder es bestünden mindestens geschäftliche Verbindungen zwischen den beiden Unternehmen. Gegen diese Gefahr darf sich die Klägerin zur Wehr setzen, ohne dass sie dafür weitere Rechtfertigungsgründe nachweisen müsste. e) Ein Verschulden der Beklagten ist für den Schutz des von der Klägerin allein geltend gemachten Unterlassungsbegehrens nicht erforderlich. Es hilft daher der Beklagten nichts, dass sie sich vor der Wahl ihres Namens beim Handelsregisteramt erkundigte und die Auskunft erhalten hat, der Verwendung der in Aussicht genommenen Firma stehe nichts entgegen. Übrigens hätte die Beklagte, wie die Vorinstanz zutreffend bemerkt, bei Beobachtung der gebotenen Sorgfalt erkennen müssen, dass sie mit der Aufnahme des Wortes "Elin" in ihre Firma die Namensrechte der unter dieser Bezeichnung auch in den schweizerischen Fachkreisen allgemein bekannten Klägerin verletze. Die Vorinstanz hat deshalb zu Recht das Unterlassungsbegehren der Klägerin aus dem Gesichtspunkt des Namensrechtes geschützt. 4. Dieses Begehren ist übrigens auch nach den Grundsätzen des Wettbewerbsrechts begründet. a) Die Vorinstanz hat einen solchen Anspruch der Klägerin wegen Fehlens des in erster Linie erforderlichen Wettbewerbsverhältnisses der Parteien verneint, weil die Beklagte sich lediglich als Einkäuferin für ihre Muttergesellschaft betätige und ausschliesslich diese sowie ihre Schwestergesellschaften, nicht dagegen auch Dritte beliefere; die Parteien stünden daher weder direkt noch mittelbar im Konkurrenzkampf um die gleiche Kundschaft. b) Für den unlauteren Wettbewerb kennzeichnend ist das wettbewerbliche Verhalten. Daher lässt ein auch nur objektiv den Grundsätzen von Treu und Glauben widersprechendes Verhalten im Wirtschaftsleben häufig, wenn nicht meistens, als Motiv das Wettbewerbsverhältnis BGE 90 II 315 S. 323 erkennen. Missbrauch und Wettbewerb gehen dann Hand in Hand, wenn auch nicht stets und absolut. Der hypothetisch verstandene Satz, gestützt auf den die Vorinstanz das Wettbewerbsverhältnis verneint, dass es nämlich darauf ankomme, ob die in Frage stehenden Waren oder Leistungen die gleichen oder ähnliche Bedürfnisse befriedigen sollen, gilt nicht uneingeschränkt. Es genügt z.B., wenn die Abnehmerkreise sich nur teilweise decken. Es ist auch an die vom Wettbewerbsgesetz ebenfalls erfasste Möglichkeit bloss mittelbaren unlauteren Wettbewerbs zu erinnern, wie er namentlich im Verhältnis zwischen Geschäftstätigen verschiedener Wirtschaftsstufen vorkommt. In Anbetracht des steten Wechsels wirtschaftlicher Gegebenheiten und der oft ungenügenden Kontrollmöglichkeiten des direkten und indirekten Absatzes ist der Wettbewerbsbegriff weit zu umschreiben (VON BÜREN, S. 19 N. 45). Das gilt ganz besonders in Fällen der meist undurchsichtigen Verflechtung von Mutter- und Tochtergesellschaften. Es genügt daher für die Annahme eines Wettbewerbsverhältnisses, dass auch nur der Anschein eines solchen hervorgerufen ist (BAUMBACH/HEFERMEHL, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 9. Aufl. 1964, Bd. I, S. 163 N. 146). c) Im vorliegenden Falle steht fest, dass die Klägerin u.a. Elektromotoren herstellt und sie nach der Schweiz verkauft. Sie ist also im Export Lieferantin. Die Beklagte kauft als Einkäuferin ihrer Muttergesellschaft elektrotechnische Erzeugnisse und liefert solche ebenfalls in der Schweiz. Beide Streitparteien sind also in der Schweiz Lieferanten gleicher oder ähnlicher Fabrikate, was für das Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses spricht. Die Beklagte wendet ein, sie gehöre zu einer Gruppe hiesiger Unternehmungen, für welche sie den Einkauf besorge. Da aber die Beklagte einkauft und weiterliefert, kann sie nicht behaupten, sie trete nicht auf dem schweizerischen Markt auf; höchstens tut sie das nicht offen, nicht gegenüber einem unbestimmten Kreis von Interessenten. BGE 90 II 315 S. 324 Der Einwand, ein Wettbewerb liege nicht vor, weil die einzelnen Abnehmer nicht die gleichen seien, kann aber nach der Rechtsprechung nur erhoben werden, wenn örtlich beschränkte und völlig getrennte Geschäftstätigkeiten vorliegen und darum jede Verwechslungsgefahr ausscheidet ( BGE 76 II 87 ). Die Beklagte betreibt laut Handelsregister insbesondere "Warenhandel im In- und Ausland für eigene und fremde Rechnung..., insbesondere mit Erzeugnissen ... der Elektrotechnik". Die Muttergesellschaft der Beklagten, die ebenfalls in Buchs SG niedergelassene Interelektro Beteiligungs-GmbH verzeichnet als Geschäftszweck "Erwerb und Verwaltung von Beteiligungen an ... industriellen und kommerziellen Unternehmungen", insbesondere auf dem Gebiet der Elektronik; sie ist also eine Beteiligungsgesellschaft. Diese Muttergesellschaft hat gemäss Veröffentlichung im SHAB Nr. 271 vom 20. November 1959 sämtliche Stammeinlagen der Beklagten übernommen, ist also deren einzige Gesellschafterin. Zwischen den beiden GmbH besteht also wirtschaftliche Identität. Was mit den von der Beklagten für ihre mit ihr identische Muttergesellschaft eingekauften elektrotechnischen Erzeugnissen geschieht, ist nicht völlig abgeklärt. Die Beklagte behauptet, diese gelangten ausschliesslich an ihre Schwestergesellschaften. Es wäre ihr nun ohne weiteres zuzumuten gewesen, ihre Lieferverhältnisse zu den Schwestergesellschaften offenzulegen und zu sagen, wer alles zu dieser "Gruppe" gehört, was und an welche physischen und juristischen Personen sie liefert. Zieht es die Beklagte vor, ihre Geschäftsverhältnisse undurchsichtig bleiben zu lassen, so hat sie die Folgen daraus zu tragen und sich dem formalen Anscheine nach als Wettbewerberin der Klägerin betrachten zu lassen. Der Auffassung der Vorinstanz, zwischen den Parteien bestehe kein Wettbewerbsverhältnis, kann daher nicht beigepflichtet werden. Dass die Führung der Firma "Elin GmbH" im Sinne von Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG zu Verwechslungen mit BGE 90 II 315 S. 325 dem Unternehmen der Klägerin Anlass geben könne, ist bereits bei der Prüfung dieser Frage unter dem Gesichtspunkt des Namenschutzes dargelegt worden und trifft auch in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht zu. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Handelsgerichts des Kantons St. Gallen vom 28. Februar 1964 bestätigt.
public_law
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de
1,964
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
Federation