id,date,summary,judgement bag_1-22,19.01.2022,"19.01.2022 1/22 - Kein gesetzlicher Mindestlohn für Pflichtpraktikum als Zulassungsvoraussetzung für die Aufnahme eines Studiums Praktikanten, die ein Pflichtpraktikum absolvieren, das nach einer hochschulrechtlichen Bestimmung Zulassungsvoraussetzung für die Aufnahme eines Studiums ist, haben keinen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn. Die Klägerin beabsichtigte, sich an einer privaten, staatlich anerkannten Universität um einen Studienplatz im Fach Humanmedizin zu bewerben. Nach der Studienordnung ist ua. die Ableistung eines sechsmonatigen Krankenpflegedienstes Zugangsvoraussetzung für den Studiengang. Vor diesem Hintergrund absolvierte die Klägerin bei der Beklagten, die ein Krankenhaus betreibt, in der Zeit vom 20. Mai bis zum 29. November 2019 ein Praktikum auf einer Krankenpflegestation. Die Zahlung einer Vergütung wurde nicht vereinbart. Mit ihrer Klage hat die Klägerin unter Berufung auf das Mindestlohngesetz (MiLoG) Vergütung in Höhe von insgesamt 10.269,85 Euro brutto verlangt. Sie hat geltend gemacht, sie habe im Rahmen einer Fünftagewoche täglich 7,45 Stunden Arbeit geleistet. Ein Vorpraktikum vor Aufnahme eines Studiums sei kein Pflichtpraktikum im Sinne des MiLoG, daher greife die gesetzliche Ausnahme von der Vergütungspflicht nicht ein. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, dass die Beklagte nicht zur Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns nach § 1 iVm. § 22 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 MiLoG* verpflichtet ist. Die Klägerin unterfällt nicht dem persönlichen Anwendungsbereich des Gesetzes. Der Ausschluss von Ansprüchen auf den gesetzlichen Mindestlohn nach § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 MiLoG* erfasst nach dem in der Gesetzesbegründung deutlich zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers nicht nur obligatorische Praktika während des Studiums, sondern auch solche, die in Studienordnungen als Voraussetzung zur Aufnahme eines bestimmten Studiums verpflichtend vorgeschrieben sind. Dem steht nicht entgegen, dass die Studienordnung von einer privaten Universität erlassen wurde, denn diese Universität ist staatlich anerkannt. Hierdurch ist die von der Hochschule erlassene Zugangsvoraussetzung im Ergebnis einer öffentlich-rechtlichen Regelung gleichgestellt und damit gewährleistet, dass durch das Praktikumserfordernis in der Studienordnung nicht der grundsätzlich bestehende Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn für Praktikanten sachwidrig umgangen wird. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. Januar 2022 – 5 AZR 217/21 – Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16. März 2021 – 8 Sa 206/20 –   *§ 22 Abs. 1 MiLoG 1Dieses Gesetz gilt für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. 2Praktikantinnen und Praktikanten im Sinne des § 26 des Berufsbildungsgesetzes gelten als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes, es sei denn, dass sie 1. ein Praktikum verpflichtend auf Grund einer schulrechtlichen Bestimmung, einer Ausbildungsordnung, einer hochschulrechtlichen Bestimmung oder im Rahmen einer Ausbildung an einer gesetzlich geregelten Berufsakademie leisten, … 3Praktikantin oder Praktikant ist unabhängig von der Bezeichnung des Rechtsverhältnisses, wer sich nach der tatsächlichen Ausgestaltung und Durchführung des Vertragsverhältnisses für eine begrenzte Dauer zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Erfahrungen einer bestimmten betrieblichen Tätigkeit zur Vorbereitung auf eine berufliche Tätigkeit unterzieht, ohne dass es sich dabei um eine Berufsausbildung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes oder um eine damit vergleichbare praktische Ausbildung handelt.","Tenor 1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 16. März 2021 – 8 Sa 206/20 – wird zurückgewiesen. 2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen. Leitsatz Praktikanten haben keinen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn, wenn sie ein Pflichtpraktikum absolvieren, das nach einer hochschulrechtlichen Bestimmung Zulassungsvoraussetzung für die Aufnahme eines Studiums ist. Tatbestand 1 Die Parteien streiten über Vergütung nach dem Mindestlohngesetz für die Zeit eines Vorpraktikums vor Aufnahme eines Medizinstudiums. 2 Die Klägerin beabsichtigte, sich an der staatlich anerkannten privaten Universität Witten/Herdecke um einen Studienplatz im Fach Humanmedizin zu bewerben. Nach § 3 Ziff. 2 der Studienordnung der Universität Witten/Herdecke für den Modellstudiengang Medizin idF vom 26. April 2018 (iF Studienordnung) ist Zugangsvoraussetzung zu diesem Studiengang ua. ein sechsmonatiger Krankenpflegedienst. Vor diesem Hintergrund wandte sich die Klägerin an die Beklagte, die in T ein Krankenhaus betreibt, um dort ein Praktikum durchzuführen. Vor dessen Beginn legte sie der Beklagten auf deren Aufforderung einen Nachweis der Universität über die Erforderlichkeit eines sechsmonatigen Pflichtpraktikums vor. Auf Grundlage einer mündlichen Vereinbarung absolvierte die Klägerin sodann in der Zeit vom 20. Mai bis zum 29. November 2019 ein Praktikum auf der Krankenpflegestation der Beklagten. Die Zahlung einer Vergütung wurde nicht vereinbart. In der Zeit vom 18. bis zum 20. September 2019 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt, was sie durch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung belegte. Während der Zeit des Praktikums gewährte die Beklagte der Klägerin keinen Urlaub. 3 Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Zahlung von Vergütung für geleistete Arbeit für die Zeit vom 20. Mai bis zum 17. September und vom 23. September bis zum 29. November 2019 sowie von Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Zeit vom 18. bis zum 20. September 2019 und Urlaubsabgeltung für anteilige zehn Tage auf Basis des gesetzlichen Mindestlohns von – damals – 9,19 Euro brutto verlangt. Sie habe im Rahmen einer 5-Tage-Woche täglich 7,45 Stunden Arbeit geleistet, die sich von der Vor-/Nachbereitung der Mahlzeiten und Hilfestellung bei der Einnahme durch die Patienten über die Begleitung der Patienten zu Untersuchungen, dem Aufräumen und Säubern der Zimmer und Betten, Botengängen im Krankenhaus, dem Aktensortieren, der Unterstützung der Krankenschwestern bei der Körperhygiene der Patienten bis hin zum Vorbereiten von OP-Betten erstreckt habe. Ein Vorpraktikum vor Aufnahme eines Studiums sei kein Pflichtpraktikum iSd. Mindestlohngesetzes, daher greife die gesetzliche Ausnahme von der Vergütungspflicht nicht ein. 4 Die Klägerin hat beantragt,          die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 10.269,85 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. Januar 2020 zu zahlen. 5 Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. 6 Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Zahlungsklage weiter. Entscheidungsgründe 7 Die Revision der Klägerin ist, soweit zulässig, unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend die Berufung der Klägerin gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Die Klage auf Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns ist unbegründet. 8 I. Die Revision der Klägerin ist in Bezug auf die geforderte Zahlung von Urlaubsabgeltung iHv. 684,66 Euro brutto nebst Zinsen unzulässig. Hierauf wurde die Klägerin gemäß § 139 Abs. 3 ZPO in der mündlichen Verhandlung vom Senatsvorsitzenden hingewiesen. Zur ordnungsgemäßen Begründung der Revision müssen gemäß § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO die Revisionsgründe angegeben werden (zu den Anforderungen an die Revisionsbegründung BAG 5. August 2021 – 5 AZR 121/21 – Rn. 11). Bei mehreren Streitgegenständen muss der Revisionsführer für jeden eine Begründung geben. Fehlt sie zu einem Streitgegenstand, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig (st. Rspr., zB BAG 14. Juli 2021 – 10 AZR 135/19 – Rn. 11). Bei dem Anspruch auf Urlaubsabgeltung handelt es sich um einen von der Vergütungsforderung zu trennenden, weiteren Streitgegenstand (zum Streitgegenstandsbegriff BAG 30. Januar 2019 – 5 AZR 43/18 – Rn. 19, BAGE 165, 205). Das Landesarbeitsgericht hat die Klage insoweit abgewiesen. Damit hat sich die Revisionsbegründung nicht auseinandergesetzt. 9 II. Die im Übrigen zulässige Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat weder Anspruch auf Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns für jede tatsächlich geleistete Arbeitsstunde noch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall iHd. gesetzlichen Mindestlohns. 10 1. Die Klägerin hat in der Zeit vom 20. Mai bis zum 17. September und vom 23. September bis zum 29. November 2019 keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns nach § 1 Abs. 1 iVm. Abs. 2 iVm. § 22 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 MiLoG. Sie unterfällt nicht dem persönlichen Anwendungsbereich des Mindestlohngesetzes, weil sie ihr Praktikum verpflichtend aufgrund einer hochschulrechtlichen Bestimmung geleistet hat (§ 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 MiLoG). Um eine solche handelt es sich bei § 3 Ziff. 2 der Studienordnung der Universität Witten/Herdecke. Zwar hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerhaft nicht festgestellt, ob diese Universität eine staatlich anerkannte private Hochschule ist, weshalb es die Klage mit der gegebenen Begründung nicht abweisen durfte. Die Entscheidung selbst stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar, so dass die Revision insoweit als unbegründet zurückzuweisen ist (§ 561 ZPO). 11 a) Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 MiLoG erstreckt sich der persönliche Anwendungsbereich des Mindestlohngesetzes auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Die Klägerin war jedoch nicht Arbeitnehmerin im Sinne dieser Bestimmung. Nach dem maßgeblichen nationalen allgemeinen Arbeitnehmerbegriff ist Arbeitnehmer, wer durch den Arbeitsvertrag im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist, § 611a Abs. 1 BGB (näher BAG 18. November 2020 – 5 AZR 103/20 – Rn. 17). Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Klägerin in dieser Art und Weise für die Beklagte Leistungen erbracht hat. Zwischen den Parteien ist vielmehr unstreitig, dass die Klägerin nicht im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses tätig geworden ist. 12 b) Erweitert wird der persönliche Anwendungsbereich durch § 22 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 MiLoG, indem Praktikantinnen und Praktikanten iSd. § 26 BBiG im Wege einer gesetzlichen Fiktion den Arbeitnehmern gleichgestellt werden. Damit will der Gesetzgeber der Schwierigkeit einer Unterscheidung von echtem Praktikum und missbräuchlichem Scheinpraktikum begegnen (vgl. BAG 30. Januar 2019 – 5 AZR 556/17 – Rn. 9, BAGE 165, 200). Die gesetzliche Fiktion greift nicht ein, wenn einer der in § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis Nr. 4 MiLoG geregelten Ausnahmetatbestände vorliegt. 13 c) Die Klägerin war bei der Beklagten zwar als Praktikantin iSd. § 22 Abs. 1 Satz 2 MiLoG tätig, jedoch unterliegt sie der Ausnahmeregelung des § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 MiLoG, weil es sich bei dem Vorpraktikum um ein Pflichtpraktikum aufgrund einer hochschulrechtlichen Bestimmung handelte. 14 aa) Die Klägerin war Praktikantin iSv. § 22 Abs. 1 Satz 3 MiLoG. 15 (1) § 22 Abs. 1 Satz 3 MiLoG enthält für das Mindestlohngesetz eine Legaldefinition des Praktikanten, die sich an die Empfehlung des Rates der Europäischen Union vom 10. März 2014 zu einem Qualitätsrahmen für Praktika anlehnt (BT-Drs. 18/2010 (neu) S. 24; BAG 18. November 2020 – 5 AZR 103/20 – Rn. 20). Für die Einordnung als Praktikantin oder Praktikant iSd. Mindestlohngesetzes ist diese Legaldefinition maßgeblich, auch wenn § 22 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 MiLoG von „Praktikantinnen und Praktikanten im Sinne des § 26 des Berufsbildungsgesetzes“ spricht, denn die Begriffsbestimmung in Satz 3 der Norm wurde nach dem in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers aus Gründen der Rechtsklarheit aufgenommen (vgl. BT-Drs. 18/2010 (neu) S. 24). Dagegen enthält § 26 BBiG, der Regelungen für „andere Vertragsverhältnisse“ trifft, keine eigenständige Definition des Praktikums, sondern setzt ein bestimmtes Begriffsverständnis voraus. 16 (2) Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 3 MiLoG ist unabhängig von der Bezeichnung des Rechtsverhältnisses Praktikant, wer sich nach der tatsächlichen Ausgestaltung und Durchführung des Vertragsverhältnisses für eine begrenzte Dauer zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Erfahrungen einer bestimmten betrieblichen Tätigkeit zur Vorbereitung auf eine berufliche Tätigkeit unterzieht, ohne dass es sich dabei um eine Berufsausbildung iSd. Berufsbildungsgesetzes oder um eine damit vergleichbare praktische Ausbildung handelt. Für die rechtliche Bewertung eines Sachverhalts als Praktikum ist dabei die Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls, nicht die formelle Bezeichnung entscheidend (vgl. BAG 29. April 2015 – 9 AZR 78/14 – Rn. 18). 17 (3) Das auf sechs Monate zeitlich begrenzte Praktikum der Klägerin auf der Krankenpflegestation der Beklagten war keine mit einer Berufsausbildung iSd. Berufsbildungsgesetzes vergleichbare praktische Ausbildung. Es handelte sich gemäß § 22 Abs. 1 Satz 3 MiLoG um ein Praktikum iSd. Mindestlohngesetzes. 18 (a) § 22 Abs. 1 Satz 3 MiLoG unterscheidet zwischen Praktikanten, die Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn haben, wenn nicht einer der in § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis Nr. 4 MiLoG aufgeführten Ausnahmetatbestände vorliegt, und Personen, die sich einer Berufsausbildung iSd. Berufsbildungsgesetzes oder einer damit vergleichbaren Ausbildung unterziehen, in der ein solcher Anspruch nicht besteht. Charakteristikum des Berufsausbildungsverhältnisses ist nach § 1 Abs. 3 BBiG, dass es die berufliche Handlungsfähigkeit in einem geordneten Ausbildungsgang vermittelt und den Erwerb der erforderlichen Berufserfahrungen ermöglicht. Demgegenüber ist für das Praktikum kennzeichnend, dass keine systematisch geregelte umfassende fachliche Ausbildung angestrebt wird. Die Systematik der Ausbildung ist entscheidendes Abgrenzungskriterium zwischen der Berufsausbildung sowie einer damit vergleichbaren praktischen Ausbildung auf der einen Seite und dem Praktikum auf der anderen Seite (vgl. BAG 18. November 2020 – 5 AZR 103/20 – Rn. 27). 19 (b) Gemessen daran ist das von der Klägerin geleistete Praktikum keine mit der Berufsausbildung vergleichbare praktische Ausbildung iSv. § 22 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 Alt. 2 MiLoG. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig. Ein zugrunde liegendes didaktisches Konzept im genannten Sinne hat die Klägerin nicht aufgezeigt. 20 bb) Der Mindestlohnanspruch ist jedoch ausgeschlossen, weil es sich bei dem von der Klägerin geleisteten Vorpraktikum um ein aufgrund einer hochschulrechtlichen Bestimmung verpflichtendes Praktikum iSv. § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 MiLoG gehandelt hat. 21 (1) Pflichtpraktika iSv. § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 MiLoG sind von der Pflicht zur Zahlung einer Vergütung iHd. gesetzlichen Mindestlohns ausgenommen (zur Gesetzgebungskompetenz des Bundes vgl. BeckOK ArbR/Greiner Stand 1. Dezember 2021 MiLoG § 22 Rn. 25.1). Mit dieser Regelung will der Gesetzgeber sicherstellen, dass für obligatorische Praxisphasen im Rahmen von Ausbildungen im weiteren Sinn hinreichende Kapazitäten an Praktikumsplätzen vorhanden sind. Darüber hinaus geht der Gesetzgeber davon aus, dass ein Missbrauch von Praktikanten als billige Hilfskräfte nicht zu befürchten ist, wenn das Praktikum auf Grundlage der in der Norm genannten Bestimmungen absolviert wird (vgl. Riechert/Nimmerjahn MiLoG 2. Aufl. § 22 Rn. 51). 22 (2) Das von der Klägerin geleistete Vorpraktikum war ein Pflichtpraktikum iSv. § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 MiLoG, weil es obligatorisch aufgrund der hochschulrechtlichen Bestimmung des § 3 Ziff. 2 der Studienordnung zu leisten war. 23 (a) Vorpraktika werden von der Ausnahmeregelung des § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 MiLoG erfasst. Im Gesetzgebungsverfahren ist an die Stelle des Begriffs Studienordnung der umfassend zu verstehende Begriff der hochschulrechtlichen Bestimmung getreten. Nach dem aus den Gesetzesmaterialien klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers, den die Gerichte zu respektieren haben (BVerfG 6. Juni 2018 – 1 BvL 7/14 -, – 1 BvR 1375/14 – Rn. 73, BVerfGE 149, 126; BAG 13. Oktober 2021 – 5 AZR 211/21 – Rn. 19), fallen unter diesen Begriff neben Studien- und Prüfungsordnungen auch Zulassungsordnungen, die die Absolvierung eines Praktikums als Voraussetzung zur Aufnahme eines bestimmten Studiums verpflichtend vorschreiben (BT-Drs. 18/2010 (neu) S. 24; vgl. auch ErfK/Franzen 22. Aufl. MiLoG § 22 Rn. 10; HK-MiLoG/Schubert/Jerchel 2. Aufl. § 22 Rn. 32; Pötters in Thüsing MiLoG/AEntG 2. Aufl. § 22 MiLoG Rn. 22). Aufgrund dieser klaren gesetzlichen Begriffsbestimmung und Zielsetzung im Mindestlohngesetz ist die zu dem in § 26 BBiG vorausgesetzten Praktikumsbegriff ergangene Rechtsprechung im vorliegenden Fall nicht relevant. Einer Heranziehung steht im Übrigen entgegen, dass diese Entscheidungen Sachverhalte betreffen, in denen der Praktikant zum Zeitpunkt der Ableistung des Praktikums bereits als Student an einer (Fach)Hochschule immatrikuliert war (vgl. BAG 18. November 2008 – 3 AZR 192/07 – Rn. 18; 3. September 1998 – 8 AZR 14/97 – zu B III der Gründe; 19. Juni 1974 – 4 AZR 436/73 – BAGE 26, 198; zum Streitstand: ErfK/Schlachter 22. Aufl. BBiG § 26 Rn. 4; Taubert BBiG 3. Aufl. § 26 Rn. 17; Benecke in Benecke/Hergenröder BBiG 2. Aufl. § 26 Rn. 13; ErfK/Franzen aaO). Die Klägerin war dagegen noch nicht als Studentin eingeschrieben. 24 (b) § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 MiLoG verlangt, dass das Pflichtpraktikum aufgrund einer der dort genannten Bestimmungen erbracht wird. Dies setzt eine entsprechende Vereinbarung zwischen Praktikumsgeber und Praktikant, eine aus der Ausbildungsbestimmung folgende objektive Verpflichtung des Praktikanten zur Durchführung des Praktikums sowie eine der Ausbildungsbestimmung entsprechende tatsächliche Durchführung des Praktikums voraus (vgl. Riechert/Nimmerjahn MiLoG 2. Aufl. § 22 Rn. 56). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. 25 (aa) Die Klägerin und die Beklagte haben jedenfalls konkludent vereinbart, das Praktikum als Pflichtpraktikum durchzuführen. Eine gesetzlich vorgegebene Notwendigkeit, den Vertrag schriftlich niederzulegen besteht nicht. Nach § 26 BBiG kann auf die an sich nach § 11 Abs. 1 Satz 1 BBiG obligatorische Vertragsniederschrift verzichtet werden. Unbeachtlich ist, dass die Klägerin nicht das gewünschte Studium an der Universität Witten/Herdecke aufgenommen hat. Maßgeblich ist der Zeitpunkt des Abschlusses der Praktikumsvereinbarung. Spätere Willensänderungen des Praktikanten sind nach allgemeinen vertragsrechtlichen Grundsätzen unbeachtlich (vgl. Riechert/Nimmerjahn MiLoG 2. Aufl. § 22 Rn. 57). 26 (bb) Das von der Klägerin geleistete Vorpraktikum ist aufgrund der hochschulrechtlichen Bestimmung des § 3 Ziff. 2 der Studienordnung objektiv verpflichtend. Diese Bestimmung kann der Senat seiner Entscheidung zugrunde legen, auch wenn das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerhaft nicht festgestellt hat, dass die private Universität Witten/Herdecke eine staatlich anerkannte private Hochschule ist, weshalb es die Klage mit der gegebenen Begründung nicht abweisen durfte. Die staatliche Anerkennung ist jedoch eine offenkundige Tatsache. Daher kann das Berufungsurteil im Ergebnis Bestand haben (§ 561 ZPO). 27 (aaa) Es kann dahinstehen, ob von § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 MiLoG nur Praktika erfasst werden, die durch öffentlich-rechtliche Vorschriften vorgeschrieben sind (hierzu: BeckOK ArbR/Greiner Stand 1. Dezember 2021 MiLoG § 22 Rn. 24 f.; ErfK/Franzen 22. Aufl. MiLoG § 22 Rn. 9; NK-GA/Forst § 22 MiLoG Rn. 12), weil die Universität Witten/Herdecke eine staatlich anerkannte Universität ist. Dies hat zur Folge, dass die von dieser normativ geregelten Zugangsvoraussetzungen zum Studium im Geltungsbereich des § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 MiLoG öffentlich-rechtlichen Regelungen gleichzustellen sind. Dieser Bestimmung liegt zugrunde, dass ein missbräuchlicher Einsatz von Praktikanten ausgeschlossen wird, wenn das Praktikum auf Grundlage einer (hoch)schulrechtlichen oder anderweitig abstrakt-generellen Anordnung geleistet wird. Auch im Fall einer staatlichen Anerkennung der Hochschule ist sichergestellt, dass die von dieser erlassene Studienordnung dieses Regelungsziel erreicht. Hierfür bietet § 70 Hochschulrahmengesetz (HRG) iVm. landesrechtlichen Vorschriften der Hochschulgesetze – vorliegend §§ 72 ff. des Gesetzes über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (HG NRW) – ausreichend Gewähr. Darüber hinaus besteht im Streitfall schon deshalb keine Missbrauchsgefahr, weil die Pflicht zur Durchführung eines Praktikums von einem Dritten – der Universität – auferlegt wird, der außerhalb des Vertragsverhältnisses zwischen Praktikant und Praktikumsgeber steht. Die Hochschule als Normgeber der Zulassungsordnung zieht aus dieser von ihr gesetzten Norm keinen wirtschaftlichen Vorteil. 28 (bbb) Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerhaft nicht die erforderlichen Feststellungen zur staatlichen Anerkennung der privaten Universität getroffen. Der Senat kann seiner Entscheidung diese Tatsache nach gerichtlichem Hinweis an die Klägerin vom 14. Dezember 2021 dennoch zugrunde legen, denn die staatliche Anerkennung der privaten Universität ist eine offenkundige Tatsache. Diese kann in Anwendung des § 291 ZPO auch noch in der Revisionsinstanz Eingang in den Prozess finden. 29 (aaaa) Grundsätzlich bildet der Schluss der mündlichen Verhandlung in zweiter Instanz bezüglich des tatsächlichen Vorbringens der Parteien die Entscheidungsgrundlage für das Revisionsgericht. Allerdings ist § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO einschränkend dahin auszulegen, dass in bestimmtem Umfang auch Tatsachen, die sich erst während der Revisionsinstanz ereignen, in die Urteilsfindung einfließen können, soweit sie unstreitig sind oder ihr Vorliegen in der Revisionsinstanz ohnehin von Amts wegen zu beachten ist und schützenswerte Belange der Gegenseite nicht entgegenstehen (vgl. BAG 22. Mai 2012 – 1 AZR 94/11 – Rn. 25). Der Gedanke der Konzentration der Revisionsinstanz auf die rechtliche Bewertung eines festgestellten Sachverhalts verliert nämlich an Gewicht, wenn die Berücksichtigung von neuen tatsächlichen Umständen keine nennenswerte Mehrarbeit verursacht und die Belange des Prozessgegners gewahrt bleiben. Dann kann es aus prozessökonomischen Gründen nicht zu verantworten sein, die vom Tatsachenausschluss betroffene Partei auf einen weiteren, ggf. durch mehrere Instanzen zu führenden Prozess zu verweisen. In einem solchen Fall ist vielmehr durch die Zulassung neuen Vorbringens im Revisionsverfahren eine rasche und endgültige Streitbereinigung herbeizuführen (vgl. BGH 2. März 2017 – I ZR 273/14 – Rn. 44; 14. Oktober 2009 – XII ZR 146/08 – Rn. 27). 30 (bbbb) Bei der schon vor Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz vorhandenen Tatsache der staatlichen Anerkennung der privaten Universität Witten/Herdecke handelt es sich um eine offenkundige Tatsache in Form einer allgemeinkundigen Tatsache, dh. einer solchen, die in einem größeren oder kleineren Bezirk einer beliebig großen Menge von Personen bekannt ist oder wahrnehmbar war und über die man sich aus zuverlässigen Quellen ohne besondere Fachkunde unterrichten kann, wie etwa die in den Medien berichteten Ereignisse der Zeitgeschichte oder Inhalte des allgemein zugänglichen Internets (vgl. BGH 7. Mai 2020 – IX ZB 84/19 – Rn. 15; Musielak/Voit/Huber ZPO 18. Aufl. § 291 Rn. 1). In der Bevölkerung ist die staatliche Anerkennung der privaten Universität Witten/Herdecke allgemein bekannt, Medizinstudenten legen dort Examen ab, die sie zum Praktizieren als Arzt in Deutschland berechtigen. Die Universität selbst weist auf ihrer Homepage auf die unbefristete staatliche Anerkennung durch das Wissenschaftsministerium des Landes Nordrhein-Westfalen hin. Zur staatlichen Anerkennung hat die Beklagte in der Revisionsinstanz vorgetragen, womit die offenkundige Tatsache in den Prozess eingeführt worden ist (zur Erforderlichkeit dessen vgl. Zöller/Greger ZPO 34. Aufl. § 291 Rn. 3). Daher kann der Senat die Offenkundigkeit selbst bejahen; er ist nicht verpflichtet, zur Feststellung dieser Tatsache die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Im Übrigen hat die Klägerin die staatliche Anerkennung mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2021 in der Revision unstreitig gestellt. 31 (cc) Das Praktikum ist auch tatsächlich entsprechend der Bestimmung in § 3 Ziff. 2 Studienordnung durchgeführt worden. Darin wird ein Krankenpflegedienst von sechs Monaten Dauer gefordert. Unter dem Begriff der Krankenpflege wird allgemein die Gesamtheit aller Maßnahmen, die zur Pflege und Betreuung Kranker nötig sind, verstanden (vgl. Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache 3. Aufl. Stichwort „Krankenpflege“). Dem entsprechen die von der Klägerin vorgetragenen Tätigkeiten während ihres Praktikums. 32 (3) Rechtsfehlerfrei ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass die systematische Auslegung des § 22 Abs. 1 Satz 2 MiLoG der Zuordnung des Vorpraktikums zu Nr. 1 der Bestimmung nicht entgegensteht. Das Vorpraktikum kann und muss von dem in § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 MiLoG geregelten Orientierungspraktikum abgegrenzt werden. Vom persönlichen Anwendungsbereich des Mindestlohngesetzes ausgenommen sind nach dieser Bestimmung Praktikanten, die ein Praktikum von bis zu drei Monaten zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder für die Aufnahme eines Studiums leisten. Die von der Revision vertretene Auslegung, wonach sich die Voraussetzung der Orientierung ausschließlich auf die Berufsausbildung, nicht dagegen auf die Aufnahme eines Studiums bezieht, scheitert bereits am Wortlaut der Norm. Das Berufungsgericht hat insoweit zutreffend angenommen, dass das Wort Orientierung gleichsam vor die Klammer gezogen wurde und sich auf beide darauffolgenden Alternativen bezieht (vgl. dazu pars pro toto Riechert/Nimmerjahn MiLoG 2. Aufl. § 22 Rn. 77 ff.). Die Klägerin hat das Praktikum bei der Beklagten jedoch nicht zur Orientierung für die Aufnahme eines Studiums geleistet (§ 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 MiLoG), sondern um die Zugangsvoraussetzungen für ein Studium der Humanmedizin an der Universität Witten/Herdecke zu erfüllen (§ 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 MiLoG). Die zeitliche Obergrenze der Praktikumsdauer von drei Monaten für die in § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 MiLoG geregelte Ausnahme von der Mindestlohnpflicht für Orientierungspraktika ist daher im vorliegenden Fall nicht von Belang. 33 2. Die zulässige Klage auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Zeit vom 18. bis zum 20. September 2019 ist ebenfalls unbegründet. Da die Klägerin nicht unter den persönlichen Anwendungsbereich des Mindestlohngesetzes fällt, hat sie auch keinen Anspruch nach § 3 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 4 Abs. 1 EFZG auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall iHd. gesetzlichen Mindestlohns. 34 III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.              Linck                  Biebl                  Volk                                    Schad                  Mattausch" bag_11-22,08.03.2022,"08.03.2022 11/22 - Arbeitgeberzuschuss zum umgewandelten Entgelt Wenn ein Tarifvertrag zur Altersversorgung aus dem Jahr 2008 einen Anspruch der Arbeitnehmer auf Entgeltumwandlung sowie Zusatzleistungen des Arbeitgebers zum umgewandelten Entgelt regelt, können die Arbeitnehmer wegen der gesetzlichen Übergangsbestimmung in § 26a BetrAVG* bis zum 31. Dezember 2021 keinen weiteren Arbeitgeberzuschuss verlangen. Verweist ein Haustarifvertrag aus dem Jahre 2019 auf diesen Tarifvertrag, ist ein Anspruch auch über den 31. Dezember 2021 hinaus ausgeschlossen. In zwei Verfahren streiten die Parteien über die Verpflichtung der Arbeitgeberin, einen Arbeitgeberzuschuss iHv. 15 vH des umgewandelten Entgelts nach § 1a Abs. 1a BetrAVG* in den Jahren 2019 und 2020 zu zahlen. Dieser Anspruch ist durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz 2018 eingeführt worden, wobei von der gesetzlichen Regelung durch Tarifvertrag auch zuungunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden darf, § 19 Abs. 1 BetrAVG*. Beide Arbeitnehmer wandelten auf der Grundlage des Tarifvertrags zur Altersversorgung, der zwischen dem Landesverband Niedersachsen und Bremen der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie e.V. und der IG-Metall abgeschlossen wurde, Entgelt zu einem Pensionsfonds der MetallRente um. Der Tarifvertrag eröffnet den Arbeitnehmern die Möglichkeit, Entgelt bis zur steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Höchstgrenze umzuwandeln. Der Arbeitgeber gewährt ihnen aufgrund des Tarifvertrags zusätzlich einen Altersvorsorgegrundbetrag iHd. 25-fachen Facharbeiterecklohns pro Kalenderjahr. In dem einen Fall kommt der Tarifvertrag aufgrund beidseitiger Tarifbindung zur Anwendung, in dem anderen aufgrund eines normativ anwendbaren Haustarifvertrags aus dem Jahre 2019, der auf diesen Tarifvertrag verweist. Die Klagen hatten vor dem Dritten Senat des Bundesarbeitsgerichts – wie auch in den Vorinstanzen – keinen Erfolg. Der Senat hat offengelassen, ob der Tarifvertrag zur Altersversorgung aus dem Jahr 2008 von der Tariföffnung des § 19 Abs. 1 BetrAVG Gebrauch machen und den Anspruch der Arbeitnehmer modifizieren konnte, obwohl er vor dem Inkrafttreten des Betriebsrentenstärkungsgesetzes abgeschlossen wurde. Da der Tarifvertrag zur Altersversorgung einen Anspruch auf Entgeltumwandlung enthält und ausgestaltet, bildet er eine kollektivrechtliche Entgeltumwandlungsvereinbarung, die wegen § 26a BetrVG frühestens zum 1. Januar 2022 einen Anspruch der Arbeitnehmer auf den Arbeitgeberzuschuss auszulösen vermag. Bei dem Haustarifvertrag handelt es sich um eine kraft Gesetzes zugelassene Abweichung nach § 19 Abs. 1 BetrAVG. Das folgt daraus, dass dieser Tarifvertrag auf die von § 1a BetrAVG abweichenden Regelungen des Tarifvertrags zur Altersversorgung Bezug nimmt, die ua. mit dem Altersversorgungsgrundbetrag eine von § 1a Abs. 1a BetrAVG abweichende Verteilung des wirtschaftlichen Nutzens und der Lasten der Entgeltumwandlung enthalten. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 8. März 2022 – 3 AZR 361/21 – Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 31. Mai 2021 – 15 Sa 1096/20 B – Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 8. März 2022 – 3 AZR 362/21 – Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 31. Mai 2021 – 15 Sa 1098/20 B – *BetrAVG § 1a (1a) Der Arbeitgeber muss 15 Prozent des umgewandelten Entgelts zusätzlich als Arbeitgeberzuschuss an den Pensionsfonds, die Pensionskasse oder die Direktversicherung weiterleiten, soweit er durch die Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge einspart. § 19 (1) Von den §§ 1a, 2, 2a Absatz 1, 3 und 4, § 3, mit Ausnahme des § 3 Absatz 2 Satz 3, von den §§ 4, 5, 16, 18a Satz 1, §§ 27 und 28 kann in Tarifverträgen abgewichen werden. § 26 § 1a Absatz 1a gilt für individual- und kollektivrechtliche Entgeltumwandlungsvereinbarungen, die vor dem 1. Januar 2019 geschlossen worden sind, erst ab dem 1. Januar 2022.","Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 31. Mai 2021 – 15 Sa 1096/20 B – wird zurückgewiesen. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen. Leitsatz 1. Bei (auch teilweise) Unterbleiben oder Verlust der vorläufigen Aufzeichnung des Protokolls zB infolge technischen Defekts ist seine Herstellung aus dem Gedächtnis grundsätzlich unzulässig. Dem so erstellten Protokoll kommt nicht die Beweiskraft des § 165 ZPO zu. 2. Bei kollektivrechtlichen Regelungen kommt es für die Anwendung der Übergangsregelung in § 26a BetrAVG darauf an, ob diese tatsächlich eine Entgeltumwandlung regelt. Das ist der Fall, wenn der Tarifvertrag einen Anspruch auf Entgeltumwandlung enthält und ausgestaltet. Tatbestand 1 Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, einen Arbeitgeberzuschuss nach § 1a Abs. 1a BetrAVG zu zahlen. 2 Der Kläger ist seit August 1982 als Holzmechaniker bei der Beklagten mit einem Bruttomonatsgehalt iHv. 3.125,00 Euro beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beidseitiger Tarifbindung der seit dem 1. Januar 2009 geltende Tarifvertrag zur Altersversorgung zwischen dem Landesverband Niedersachen und Bremen der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie e.V. einerseits und der IG-Metall andererseits vom 9. Dezember 2008 (TV AV) Anwendung. Dieser lautet auszugsweise:          „§ 2             Grundsatz der Altersversorgung / Anspruch der Arbeitnehmer/Innen          Die Vorschriften dieses Tarifvertrages regeln die Altersversorgung der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in der holz- und Kunststoff verarbeitenden Industrie.          Beschäftigte haben im Rahmen der nachfolgenden Bestimmungen Anspruch auf einen Altersvorsorgegrundbetrag und auf Entgeltumwandlung durch Umwandlung tariflichen Entgelts zugunsten einer Versorgungszusage zum Zwecke der Altersversorgung.          Die Zugangsvoraussetzungen zu bestehenden Systemen der betrieblichen Altersversorgung bleiben durch die Bestimmungen dieses Tarifvertrages unberührt.          § 3               Altersvorsorgegrundbetrag          3.1.    Der Altersvorsorgegrundbetrag beträgt im Tarifgebiet Niedersachsen und Bremen das 25-fache des Facharbeiter-Ecklohns pro Kalenderjahr.          …                 § 4               Angebotspflicht des Arbeitgebers          4.1.    Der Arbeitgeber bietet jedem/jeder neu in den Betrieb eintretenden Beschäftigten innerhalb der ersten drei Monate ab dem 7. Monat der ununterbrochenen Zugehörigkeit zum Betrieb den Altersvorsorgegrundbetrag an.          …                 § 5               Verwendung des Altersvorsorgegrundbetrages          5.1.    Der Altersvorsorgegrundbetrag dient der Entgeltumwandlung in einem Durchführungsweg der betrieblichen Altersversorgung.          …                          5.4.    Eine Barauszahlung ist ausgeschlossen.          § 6               Höhe der Entgeltumwandlung          6.1.    Der/die Beschäftigte kann verlangen, dass über den Altersvorsorgegrundbetrag hinaus von seinen/ihren zukünftigen Entgeltansprüchen Beträge zusammen bis zur steuerlichen Höchstgrenze gem. § 3 Nr. 63 EStG für betriebliche Altersversorgung verwendet werden. Bei dieser Entgeltumwandlung darf 1/160 der Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch nicht unterschritten werden.                   Die Einzelheiten werden zwischen Arbeitgeber und Beschäftigtem/-er auf der Grundlage dieses Tarifvertrages schriftlich vereinbart.          6.2.    Zwischen Arbeitgeber und Beschäftigtem/-er kann auf freiwilliger Basis vereinbart werden, dass er/sie über die steuerliche Höchstgrenze hinaus umwandeln kann.          § 7               Umwandelbare Entgeltbestandteile          7.1.    Bereits entstandene Entgeltansprüche können nicht umgewandelt werden.          7.2.    Umgewandelt werden können auf Verlangen des/der Beschäftigten künftige Ansprüche auf                   a.     die Sonderzahlung nach dem Tarifvertrag über die stufenweise Einführung eines 13. Monatseinkommens;                   b.     das zusätzliche Urlaubsgeld nach Ziffer 87 und 88 des MTN;                   c.     sonstige Entgeltbestandteile.          …                 § 9               Verfahren          9.1.    Der/die Beschäftigte muss den Anspruch auf Entgeltumwandlung spätestens zwei Wochen vor dem 1. des Monats, zu dem die Vereinbarung in Kraft treten soll, geltend machen.                   …                 9.2.    Der/die Beschäftigte ist an die jeweilige Entscheidung, tarifliche Entgeltbestandteile umzuwandeln, für 12 Monate gebunden, es sei denn die persönlichen Lebens- oder Einkommensverhältnisse ändern sich wesentlich.          9.3.    Für die Berechnung von Ansprüchen aller Art sind die Entgelte maßgeblich, die sich ohne Entgeltumwandlung ergeben würden.          § 10             Durchführungsweg          Der Arbeitgeber bietet dem/der Beschäftigten für die Entgeltumwandlung einen Durchführungsweg der betrieblichen Altersversorgung an.          10.1.  Der Arbeitgeber bietet hierzu dem/der Beschäftigten die Entgeltumwandlung in einem der Durchführungswege des Versorgungswerks ‚M‘ an.          10.2.  Der Arbeitgeber kann stattdessen den Anspruch auf Entgeltumwandlung gemäß § 2 auch durch folgende Angebote erfüllen:                   …                 § 15             In-Kraft-Treten und Laufdauer          …               15.2.  Dieser Tarifvertrag ersetzt den Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung vom 11.12.2001 und den Tarifvertrag über vermögenswirksame Leistungen vom 19.12.1978.“ 3 Am 22. November 2018 unterschrieb der Kläger einen Antrag zur Entgeltumwandlung mit der Beklagten ua. mit folgendem Inhalt:          „Anmeldung          …                 2        Beitrag monatlich … ☒86,83 EUR Beitrag ab dem 01.01.2019 einzahlen                   …               7        Bestätigung                   Ja, ich möchte an der Entgeltumwandlung teilnehmen und bestätige hiermit schriftlich meine Einwilligung zum Abschluss einer Versicherung. Ich habe Kenntnis davon erhalten, dass meine Daten bei der A Lebensversicherungs-AG, S, als datenschutzrechtlich verantwortliche Stelle und ggf. bei dem Konsortenversicherer sowie dem betreuenden Vermittler gespeichert werden. Von den umseitig abgedruckten Hinweisen habe ich Kenntnis genommen.                   …                                            Unterschrift des Arbeitnehmers                   Bitte ausgefüllt bei Ihrer Personalabteilung zur Weiterleitung abgeben!          8        Vom Arbeitgeber auszufüllen!                   Arbeitgebererklärung/Vertrag Nr. …                          Hiermit melden wir den o.g. Arbeitnehmer zum Versorgungswerk M an.                   Die Finanzierung erfolgt arbeitnehmerfinanziert (sofern unten nicht anderweitig angekreuzt, Entgeltumwandlungsvereinbarung empfohlen)                   ☒ teilweise arbeitgeber- und teilweise arbeitnehmerfinanziert (Entgeltumwandlungsvereinbarung empfohlen)“ 4 Am 16. Januar 2019 erhielt die Beklagte von der A Pensionsfonds AG als federführende Gesellschaft eines Konsortiums zu den mit der M GmbH getroffenen Vereinbarungen mit Wirkung zum 1. Januar 2019 eine Bescheinigung über eine Pensionsversorgung für den Kläger als Versorgungsberechtigten, nach der er monatlich einen Betrag iHv. 86,83 Euro im Wege der Entgeltumwandlung in einen Pensionsfonds zahlt. Darin ist der monatliche Altersvorsorgegrundbetrag der Beklagten nach § 3 TV AV für 2019 iHv. 36,83 Euro (Facharbeiter-Ecklohn iHv. 17,68 Euro x 25 = 442,00 Euro / 12 = 36,83 Euro) und im Jahr 2020 iHv. 37,79 Euro enthalten. 5 Der Kläger verlangt von der Beklagten eine weitere Zahlung auf der Grundlage von § 1a Abs. 1a BetrAVG an die M GmbH iHv. 7,50 Euro netto (15 vH von 50,00 Euro), jeweils für die Monate Mai bis Dezember 2019 (insgesamt 60,00 Euro) und für die Monate Januar bis April 2020 wegen des gestiegenen Facharbeiter-Ecklohns auf 18,14 Euro brutto und daher verringerten Eigenbeitrags jeweils 7,36 Euro netto (insgesamt 29,44 Euro). Er hat die Auffassung vertreten, der TV AV bilde keine zulässige abweichende Regelung von § 1a Abs. 1a BetrAVG nach § 19 Abs. 1 BetrAVG. Von dieser Regelung könne zuungunsten der Arbeitnehmer durch Tarifvertrag erst abgewichen werden, wenn er nach dem Inkrafttreten des § 19 Abs. 1 BetrAVG abgeschlossen worden sei. Für die Anwendung der Übergangsregelung des § 26a BetrAVG komme es auf den Zeitpunkt des Abschlusses der individualrechtlichen Entgeltumwandlungsvereinbarung an. Die §§ 6 ff. TV AV definierten nur Rahmenbedingungen. 6 Der Kläger hat sinngemäß beantragt,          die Beklagte zu verurteilen, an die M GmbH 89,44 Euro netto für die Monate Mai 2019 bis April 2020 im Rahmen des Versorgungswerks M als Arbeitgeberzuschuss für eine Pensionsfonds-Vereinbarung mit der Versorgungsverhältnis Nr. zu zahlen. 7 Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. 8 Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. In der Akte befindet sich ein vom Vorsitzenden und der Protokollkraft unterschriebenes Protokoll der Sitzung vom 16. September 2020 mit Verkündung des Urteils des Arbeitsgerichts. Zudem gibt es eine von den Richtern unterschriebene Urteilsformel. Mit Schreiben des Gerichts vom 17. September 2020 sind die Parteien darauf hingewiesen worden, dass es sich lediglich um ein Gedächtnisprotokoll des Vorsitzenden handele, da das Protokoll wegen eines technischen Fehlers nicht vom Tonträger aufgezeichnet worden sei. Einwände gegen die Richtigkeit sollten binnen zwei Wochen mitgeteilt werden. Der Abvermerk des Urteils ist nicht vom Vorsitzenden unterschrieben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen; der Kläger habe keinen Anspruch auf die verlangte Leistung. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seinen Anspruch weiter. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision. Entscheidungsgründe 9 Die Revision ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung eines weiteren Zuschusses aus § 1a Abs. 1a BetrAVG. 10 I. Die Revision ist nicht bereits wegen fehlender Verkündung des Urteils des Arbeitsgerichts begründet (vgl. BAG 23. März 2021 – 3 AZR 224/20 -). Die fehlende formgerecht dokumentierte Protokollierung der Verkündung der Urteilsformel wegen Untergangs des digitalen Tonbands ist durch das Handeln des Vorsitzenden nach der Sitzung unbeachtlich geworden. 11 1. Bei (auch teilweise) Unterbleiben oder Verlust der vorläufigen Aufzeichnung des Protokolls zB infolge technischen Defekts ist seine Herstellung aus dem Gedächtnis grundsätzlich unzulässig (BFH 13. Mai 2015 – B 64/14 – Rn. 7). Dem so erstellten Protokoll kommt nicht die Beweiskraft des § 165 ZPO zu (BeckOK ZPO/Wendtland Stand 1. März 2022 ZPO § 160a Rn. 8; MüKoZPO/Fritsche 6. Aufl. § 160a Rn. 3). Damit fehlt es an einer ordnungsgemäßen Protokollierung der Verkündung mit der Beweiswirkung für die Verkündung nach § 165 iVm. § 160 Abs. 3 Nr. 7 ZPO. Eine wirksame Verkündung kann deshalb nicht festgestellt werden. Dieser Fehler kann nicht durch das Gedächtnisprotokoll und das Zustellen des Urteils geheilt werden, da die Zustellung die Verkündung nicht ersetzt, zumindest wenn die Zustellung des Urteils – wie hier – nicht auf einer Verfügung des Richters beruht (vgl. BAG 23. März 2021 – 3 AZR 224/20 – Rn. 23, 27; 14. Oktober 2020 – 5 AZR 712/19 – Rn. 10 mwN, BAGE 172, 372). 12 2. Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde allerdings auf andere Art und Weise wirksam verlautbart. 13 a) Verkündungsmängel stehen dem wirksamen Erlass eines Urteils nur entgegen, wenn gegen elementare, zum Wesen der Verlautbarung gehörende Formerfordernisse verstoßen wurde, so dass von einer Verlautbarung im Rechtssinne nicht mehr gesprochen werden kann. Sind deren Mindestanforderungen hingegen gewahrt, hindern auch Verstöße gegen zwingende Formerfordernisse das Entstehen eines wirksamen Urteils nicht. Zu den Mindestanforderungen gehört, dass die Verlautbarung von dem Gericht beabsichtigt war oder von den Parteien derart verstanden werden durfte und die Parteien von Erlass und Inhalt der Entscheidung förmlich unterrichtet wurden (vgl. BGH 8. Februar 2012 – XII ZB 165/11 – Rn. 13 mwN). 14 b) Das erstinstanzliche Urteil wurde dadurch wirksam verlautbart, dass der Vorsitzende der Kammer die Übersendung des sog. Gedächtnisprotokolls mit der Urteilsformel an die Parteien verfügt hat, so dass sein Wille, die Entscheidung zu erlassen, außer Frage steht (vgl. hierzu BGH 12. März 2004 – V ZR 37/03 – zu II 1 b der Gründe). Der Vorsitzende hat die Parteien auf den technischen Untergang der Aufzeichnung hingewiesen, das Protokoll nebst Verkündung unterschrieben und den Parteien mit dem Anschreiben zugeleitet. Zwar kann die Schlussverfügung der Geschäftsstelle die richterliche Verfügung nicht ersetzen, weil diese nicht den Willen des Richters dokumentiert, die Entscheidung der Kammer nach außen kundzutun. Allerdings ergibt sich aus dem Anschreiben und dem vom Vorsitzenden unterschriebenen Protokoll der Wille des Gerichts, das Urteil mit seiner Urteilsformel kundzutun und gelten zu lassen (vgl. BAG 14. Oktober 2020 – 5 AZR 712/19 – Rn. 14, BAGE 172, 372). 15 II. Die Klage ist zulässig. 16 1. Der summenmäßig zusammengerechnete Antrag des Klägers ist als Nettoklage zulässig. Auch hat der Kläger zulässig die Zahlung des Betrags an einen Dritten verlangt. 17 a) Es geht dem Kläger um den kraft Gesetzes geschuldeten Zuschuss des Arbeitgebers auf der Grundlage von § 1a Abs. 1a BetrAVG. Einer entsprechenden Klarstellung bedarf der Antrag insoweit nicht. Da der Zuschuss aufgrund § 1a Abs. 1a BetrAVG nach § 1b Abs. 5 BetrAVG als Teil der Entgeltumwandlung angesehen wird, ist er genauso wie der Anspruch nach § 1a Abs. 1 BetrAVG zu behandeln, teilt dessen Charakter und wird Teil der insoweit bestehenden Verpflichtung, soweit er steuerlich und sozialversicherungsrechtlich freigestellt ist (vgl. Rolfs in Blomeyer/Rolfs/Otto BetrAVG 7. Aufl. § 1a Rn. 81; Koch DB 2019, 1327, 1331). 18 b) Da vorliegend nicht ersichtlich ist, dass die Grenzen des § 3 Nr. 63 EStG oder des § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IV überschritten sind, ist es für den Kläger möglich, einen Nettobetrag als Zahlung an einen Dritten zu verlangen. Der monatlich steuerfreie Betrag nach § 3 Nr. 63 EStG belief sich für 2019 auf einen Betrag von 536,00 Euro und nach § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IV von 268,00 Euro, für 2020 betrug er 552,00 Euro bzw. 276,00 Euro. Vorliegend ist in Anbetracht der geleisteten und eingeklagten Beträge hinreichend ausgeschlossen, dass die Beklagte auf die geforderte Leistung Einkommenssteuer oder Sozialversicherungsbeiträge abführen muss (vgl. BAG 2. Dezember 2021 – 3 AZR 119/19 – Rn. 35). Außerdem verlangt der Kläger den Betrag erkennbar nur als Nettozahlung aus § 1a Abs. 1a BetrAVG von der Beklagten, weil der Betrag steuer- und sozialversicherungsrechtlich privilegiert ist. Ob der Kläger dies auch materiell verlangen kann, ist eine hiervon zu unterscheidende Frage der Schlüssigkeit und Begründetheit der Klage. Bei dem vom Kläger mitgeteilten Bruttoentgelt und dem eingeklagten Betrag ist dies jedenfalls nicht ausgeschlossen. 19 2. Der Adressat der Zahlung ist ebenfalls zulässig und hinreichend bestimmt, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. 20 a) Es ist unbedenklich zulässig, wenn der Kläger Zahlung an die M GmbH als Dritte verlangt. Dass für weitere Zahlungen möglicherweise der Versicherungsvertrag angepasst oder verändert werden müsste, ist kein Problem der Zulässigkeit, sondern allenfalls der Begründetheit der Klage (vgl. ausf. Koch DB 2021, 1401 ff.). Das gilt auch für die Frage, an wen der Beitrag genau zu zahlen ist, die M GmbH oder das Versicherungskonsortium. 21 b) Das Versorgungswerk M GmbH und die Versorgungsverhältnisnummer sind genau bezeichnet und damit hinreichend bestimmt. 22 III. Der Antrag ist unbegründet. Zwar kann und muss der Kläger Zahlung nicht an sich, sondern nur an die Einrichtung verlangen, die Zahlungen für den Pensionsfonds abwickelt. Er hat jedoch jedenfalls im streitgegenständlichen Zeitraum keinen Anspruch gegen die Beklagte aus § 1a Abs. 1a BetrAVG. Zwar wird im Arbeitsverhältnis Entgelt iSd. § 1a Abs. 1 BetrAVG umgewandelt und dieses auch an einen Pensionsfonds iSd. § 1a Abs. 1 Satz 3, Abs. 1a BetrAVG abgeführt. Es liegt allerdings mit den Regelungen des TV AV eine kollektivrechtliche Entgeltumwandlungsvereinbarung iSd. § 26a BetrAVG vor, die vor dem 1. Januar 2019 geschlossen wurde und als Übergangsregelung einen Anspruch des Klägers bis zum 31. Dezember 2021 ausgeschlossen hat. Damit kann offenbleiben, ob der Kläger wirksam Zahlungen an den Zahlungsempfänger M GmbH verlangen kann und ob § 19 Abs. 1 BetrAVG auch auf bereits vor dem 1. Januar 2018 bestehende Tarifverträge Anwendung findet. 23 1. Zu Recht verlangt der Kläger nicht Zahlung an sich, sondern begehrt die Zahlung an eine Einrichtung, die aus seiner Sicht die Abwicklung seiner betrieblichen Altersversorgung über einen Pensionsfonds übernimmt. 24 Der Anspruch aus § 1a Abs. 1a BetrAVG teilt in der Abwicklung den Charakter des dem Anspruch zugrundeliegenden Versorgungsverhältnisses und dessen Abwicklung. Das ergibt sich aus § 1a Abs. 1a BetrAVG, wonach der Arbeitgeber an „den Pensionsfonds“ zusätzlich weiterleitet. Gemeint ist damit der in § 1a Abs. 1 BetrAVG genannte Beitrag und der im Versorgungsverhältnis vorgesehene Pensionsfonds. 25 Dass die A Pensionsfonds AG das Konsortium leitet, ist unschädlich. Die Beiträge können bei einer Einrichtung der Tarifvertragsparteien – auch wenn sie keine iSd. § 5 Abs. 1a TVG ist – direkt an den von der Einrichtung genutzten externen Versorgungsträger oder aber über sie abgeführt werden (vgl. Höfer/Höfer Bd. I Stand Januar 2022 § 21 Rn. 12). Durch die Leistung an einen Dritten erfüllt der Arbeitgeber iSd. § 362 Abs. 2 BGB seine Zahlungspflicht aus § 1a Abs. 1a BetrAVG iVm. der Entgeltumwandlungsvereinbarung und dem TV AV gegenüber dem Kläger als Arbeitnehmer, sofern er hierzu berechtigt war (vgl. BAG 21. Januar 2020 – 3 AZR 73/19 – Rn. 23). 26 Allerdings ist weder aus im Verfahren vorgelegten Unterlagen noch aus allgemeinkundigen Tatsachen für den Senat ersichtlich, ob bei einer Altersversorgung unter Einschaltung von M GmbH die Leistung der Beiträge nach den zugrundeliegenden Vereinbarungen über diese durchzuführen ist oder diese unmittelbar an das Konsortium bzw. die A als Konsortialführer abgeführt werden müssen. Davon hängt aber ab, an wen der Kläger Zahlung verlangen kann. 27 2. Dies kann jedoch dahingestellt bleiben, da der Kläger aufgrund der Übergangsregelung des § 26a BetrAVG keine Ansprüche nach § 1a Abs. 1a BetrAVG hat. 28 a) Nach § 26a BetrAVG gilt § 1a Abs. 1a BetrAVG für individual- und kollektivrechtliche Entgeltumwandlungsvereinbarungen, die vor dem 1. Januar 2019 geschlossen worden sind, erst ab dem 1. Januar 2022. § 26a BetrAVG stellt nach seinem Wortlaut gleichermaßen individual- und kollektivvertragliche Entgeltumwandlungsvereinbarungen, die vor dem 1. Januar 2019 abgeschlossen wurden, vorübergehend von der Pflicht des § 1a Abs. 1a BetrAVG frei. Er will damit „bereits bestehende Entgeltumwandlungsvereinbarungen“ in ihrem Bestand schützen und nur ab diesem Zeitpunkt „neu abgeschlossene Entgeltumwandlungsvereinbarungen“ erfassen (BT-Drs. 18/12612 S. 32). Damit sollen die Beteiligten ausreichend Zeit haben, sich auf die Neuregelung einzustellen (BT-Drs. 18/12612 S. 32). Es geht um die Frage, ob nach dem 1. Januar 2019 das Bedürfnis für die Vertragsparteien entstand, auf das neue Recht zu reagieren. Bei kollektivrechtlichen Regelungen in diesem Sinne und damit auch bei Tarifverträgen ist zu beachten, dass der daran gebundene Arbeitgeber an ihre zwingende normative Wirkung gebunden ist und selbst bei einer erforderlichen Umsetzung durch Einzelvertrag nicht berechtigt ist, von den kollektiven Regelungen abzuweichen (vgl. BAG 13. Oktober 2021 – 4 AZR 403/20 – Rn. 63 ff.). Eine arbeitsvertragliche Verweisung auf einen Tarifvertrag steht dabei insoweit nach § 19 Abs. 2 BetrAVG einer normativen Bindung nach der gesetzlichen Wertung gleich. Dem trägt § 26a BetrAVG Rechnung. 29 b) Damit kommt es für die Anwendung des § 1a Abs. 1a BetrAVG nicht darauf an, wann im einzelnen Arbeitsverhältnis eine „neu abgeschlossene Entgeltumwandlungsvereinbarung“ aufgrund eines Tarifvertrags umgesetzt wurde (vgl. Rolfs in Blomeyer/Rolfs/Otto BetrAVG 7. Aufl. § 26a Rn. 1, 2; Schipp ArbRB 2017, 213, 214; Thees/Ceruti DB 2017, 1777, 1779; Hofelich ArbRB 2018, 16, 18; Schaub ArbR-HdB/Vogelsang 19. Aufl. § 273 Rn. 58), sondern vielmehr darauf, ob aufgrund bestehender auf das Arbeitsverhältnis anwendbarer kollektiver Abreden nach dem 1. Januar 2019 die Notwendigkeit entstand, dass die Vertragsparteien dieser Vereinbarungen auf das neue Recht in § 1a Abs. 1a BetrAVG reagierten. 30 c) Bei kollektivrechtlichen Regelungen kommt es allerdings darauf an, ob diese tatsächlich eine Entgeltumwandlungsregelung enthalten. Das ist der Fall, wenn die kollektive Regelung einen Anspruch auf Entgeltumwandlung enthält und ausgestaltet. Das hängt von ihrer Auslegung nach den dafür maßgeblichen Grundsätzen ab (zur Auslegung von Tarifverträgen BAG 13. Juli 2021 – 3 AZR 363/20 – Rn. 23 mwN). Danach war der Anspruch des Klägers aufgrund des TV AV jedenfalls bis zum 31. Dezember 2021 ausgeschlossen. Mit dem TV AV bestand damit eine abschließende kollektivrechtliche Entgeltumwandlungsvereinbarung iSd. § 26a BetrAVG vor dem 1. Januar 2019. 31 aa) Der TV AV regelt die Entgeltumwandlung ausdrücklich, abschließend und zwingend. Das zeigt schon die umfassende Bezeichnung als „Tarifvertrag zur Altersversorgung“ und die Einführung in § 2 Abs. 1 TV AV, wonach die Vorschriften dieses Tarifvertrags „die Altersversorgung“ regeln. Zudem ersetzte der TV AV nach § 15.2. den Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung und den Tarifvertrag über vermögenswirksame Leistungen. Er ist damit als abschließende Regelung der Tarifvertragsparteien zum Thema Entgeltumwandlung anzusehen. 32 bb) Zwar belässt der TV AV den Arbeitsvertragsparteien einen Gestaltungsspielraum über die Höhe des umzuwandelnden Entgelts in § 6.1. TV AV. Allerdings gewährt er einen zwingenden Anspruch des Arbeitnehmers auf Umwandlung des Entgelts. Erst beim Überschreiten der steuerlichen Höchstgrenzen kann nur auf freiwilliger Basis weiter Entgelt umgewandelt werden. § 7.1. TV AV schließt die Umwandlung entstandener Entgeltansprüche aus und legt zudem zwingend fest, welche Bestandteile des Entgelts umgewandelt werden können. § 9 TV AV bestimmt außerdem zwingend und genau das Verfahren und die Fristen für den Beginn und die Bindungsdauer einer Entgeltumwandlung. § 10 TV AV gestaltet ebenfalls zwingend die Durchführungswege der Entgeltumwandlung aus. Der vom Arbeitgeber geschuldete Altersvorsorgegrundbetrag ist genauso normativ zwingend ausgestaltet, § 3 TV AV. 33 d) Es kann daher offenbleiben, ob der Anspruch des Klägers wegen des TV AV auch aufgrund § 19 Abs. 1 BetrAVG nicht nur vorübergehend ausgeschlossen war oder ob dem entgegensteht, dass er vor dem Betriebsrentenstärkungsgesetz abgeschlossen wurde (vgl. zum Streitstand Thüsing/Beden BetrAV 2018, 5, 6; Bepler BetrAV 2018, 432, 434; Droßel Das neue Betriebsrentenrecht Rn. 192; ErfK/Steinmeyer 22. Aufl. BetrAVG § 1a Rn. 16). 34 IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.              Zwanziger                  Spinner                  Roloff                                    Wischnath                  Xaver Aschenbrenner" bag_11-23,22.02.2023,"22.02.2023 11/23 - Verschieden hohe tarifliche Zuschläge bei regelmäßiger und unregelmäßiger Nachtarbeit Eine Regelung in einem Tarifvertrag, die für unregelmäßige Nachtarbeit einen höheren Zuschlag vorsieht als für regelmäßige Nachtarbeit, verstößt dann nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, wenn ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung gegeben ist, der aus dem Tarifvertrag erkennbar sein muss. Ein solcher kann darin liegen, dass mit dem höheren Zuschlag neben den spezifischen Belastungen durch die Nachtarbeit auch die Belastungen durch die geringere Planbarkeit eines Arbeitseinsatzes in unregelmäßiger Nachtarbeit ausgeglichen werden sollen. Die Beklagte ist ein Unternehmen der Getränkeindustrie. Die Klägerin leistete dort im Streitzeitraum Nachtarbeit im Rahmen eines Wechselschichtmodells. Im Arbeitsverhältnis der Parteien gilt der Manteltarifvertrag zwischen dem Verband der Erfrischungsgetränke-Industrie Berlin und Region Ost e.V. und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten Hauptverwaltung vom 24. März 1998 (MTV). Der MTV regelt, dass der Zuschlag zum Stundenentgelt für regelmäßige Nachtarbeit 20 % und für unregelmäßige Nachtarbeit 50 % beträgt. Arbeitnehmer/innen, die Dauernachtarbeit leisten oder in einem 3-Schicht-Wechsel eingesetzt werden, haben daneben für je 20 geleistete Nachtschichten Anspruch auf einen Tag Schichtfreizeit. Die Klägerin erhielt für die von ihr geleistete regelmäßige Nachtschichtarbeit den Zuschlag iHv. 20 %. Sie ist der Auffassung, die unterschiedliche Höhe der Nachtarbeitszuschläge verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung bestehe unter dem Aspekt des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, auf den es allein ankomme, nicht. Der Anspruch auf Schichtfreizeit beseitige die Ungleichbehandlung nicht, da damit nicht die spezifischen Belastungen durch die Nachtarbeit ausgeglichen würden. Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin weitere Nachtarbeitszuschläge iHd. Differenz zwischen dem Zuschlag für regelmäßige und unregelmäßige Nachtarbeit. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage teilweise stattgegeben. Auf ein Vorabentscheidungsersuchen des Zehnten Senats des Bundesarbeitsgerichts (Beschluss vom 9. Dezember 2020 – 10 AZR 332/20 (A) – vgl. PM Nr. 46/20) hat der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil vom 7. Juli 2022 – C-257/21 – entschieden, dass die Regelung von Nachtarbeitszuschlägen in Tarifverträgen keine Durchführung von Unionsrecht ist. Nachgehend zu dieser Entscheidung hatte die Revision der Beklagten vor dem Zehnten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Die Regelung im MTV zu unterschiedlich hohen Zuschlägen für regelmäßige und unregelmäßige Nachtarbeit verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Arbeitnehmer, die regelmäßige bzw. unregelmäßige Nachtarbeit im Tarifsinn leisten, sind zwar miteinander vergleichbar. Auch werden sie ungleich behandelt, indem für unregelmäßige Nachtarbeit ein höherer Zuschlag gezahlt wird als für regelmäßige Nachtarbeit. Für diese Ungleichbehandlung ist vorliegend aber ein aus dem Tarifvertrag erkennbarer sachlicher Grund gegeben. Der MTV beinhaltet zunächst einen angemessenen Ausgleich für die gesundheitlichen Belastungen sowohl durch regelmäßige als auch durch unregelmäßige Nachtarbeit und hat damit Vorrang vor dem gesetzlichen Anspruch auf einen Nachtarbeitszuschlag nach § 6 Abs. 5 ArbZG. Daneben bezweckt der MTV aber auch, Belastungen für die Beschäftigten, die unregelmäßige Nachtarbeit leisten, wegen der schlechteren Planbarkeit dieser Art der Arbeitseinsätze auszugleichen. Den Tarifvertragsparteien ist es im Rahmen der durch Art. 9 Abs. 3 GG garantierten Tarifautonomie nicht verwehrt, mit einem Nachtarbeitszuschlag neben dem Schutz der Gesundheit weitere Zwecke zu verfolgen. Dieser weitere Zweck ergibt sich aus dem Inhalt der Bestimmungen des MTV. Eine Angemessenheitsprüfung im Hinblick auf die Höhe der Differenz der Zuschläge erfolgt nicht. Es liegt im Ermessen der Tarifvertragsparteien, wie sie den Aspekt der schlechteren Planbarkeit für die Beschäftigten, die unregelmäßige Nachtarbeit leisten, finanziell bewerten und ausgleichen. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22. Februar 2023 – 10 AZR 332/20 – Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12. Juni 2020 – 8 Sa 2030/19 – Der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat gleichlautend auch in dem Parallelverfahren – 10 AZR 333/20 – entschieden. Zur Entscheidung am heutigen Tag standen daneben weitere Verfahren mit vergleichbaren tariflichen Regelungen zum Manteltarifvertrag für die Milch-, Käse- und Schmelzkäseindustrie vom 16. März 1989 (- 10 AZR 379/20 -), zum Manteltarifvertrag für die milchbe- und verarbeitenden Molkereibetriebe Niedersachsen/Bremen vom 22. Januar 1997 (- 10 AZR 461/20 -) sowie zum Bundesmanteltarifvertrag für die Süßwarenindustrie vom 14. Mai 2007 (- 10 AZR 397/20 -). In diesen Verfahren hatten die Vorinstanzen die Klagen jeweils abgewiesen. Die Revisionen der Kläger hatten vor dem Zehnten Senat keinen Erfolg. Auch die Auslegung dieser Tarifverträge ergibt, dass mit den höheren Zuschlägen bei unregelmäßig auftretender Nachtarbeit neben dem spezifischen Ausgleich für die Nachtarbeit die zusätzlichen Belastungen durch die fehlende Planbarkeit solcher Arbeitseinsätze ausgeglichen werden sollen.","Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 12. Juni 2020 – 8 Sa 2030/19 – teilweise aufgehoben, soweit es der Klage stattgegeben hat. 2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 16. Oktober 2019 – 39 Ca 9996/19 – wird insgesamt zurückgewiesen. 3. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen. Leitsatz Eine tarifvertragliche Regelung, die für unregelmäßige Nachtarbeit höhere Zuschläge vorsieht als für regelmäßige Nachtarbeit, verstößt dann nicht gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), wenn neben dem Gesundheitsschutz weitere, aus dem Tarifvertrag erkennbare Zwecke verfolgt werden. Ein solcher Zweck kann in dem Ausgleich der zusätzlichen Belastungen aufgrund schlechterer Planbarkeit unregelmäßiger Nachtarbeit liegen. Tatbestand 1 Die Parteien streiten über die Höhe tariflicher Nachtarbeitszuschläge. 2 Die Klägerin leistete im streitgegenständlichen Zeitraum Nachtarbeit im Rahmen von Schichtarbeit bei der Beklagten, einem Unternehmen der Getränkeindustrie. Sie ist Mitglied der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Die Beklagte ist durch einen mit der NGG geschlossenen Unternehmenstarifvertrag an den Manteltarifvertrag zwischen dem Verband der Erfrischungsgetränke-Industrie Berlin und Region Ost e. V. und der NGG vom 24. März 1998 (MTV) gebunden. 3 Der MTV enthält unter anderem folgende Regelungen:          „§ 4             Regelung der Arbeitszeit          B. Mehrarbeit          1.     Mehrarbeit ist die über die jeweilige tarifliche bzw. betriebliche wöchentliche Arbeitszeit hinausgehende Arbeit, soweit es sich nicht um einen zulässigen Ausgleich für ausgefallene Arbeitszeit im Rahmen einer ungleichmäßig verteilten tariflichen Arbeitszeit handelt.          2.     Für die über die jeweilige regelmäßige tarifliche wöchentliche Arbeitszeit hinausgehenden Arbeitsstunden wird ab der 41. Stunde ein Zuschlag je Stunde von 25 % gezahlt. Dieser Zuschlag wird dem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben. In besonderen Ausnahmefällen kann er auch ausgezahlt werden.          …                          C. Nacht-, Sonntags- und Schichtarbeit          1.     Nachtarbeit ist die Zeit zwischen 22:00 Uhr und 06:00 Uhr.          …                          3.     Bei Schichtarbeit kann eine Verschiebung der Zeiträume der Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit entsprechend den Schichtzeiten festgelegt werden.          4.     Schichtarbeit liegt dann vor, wenn der Arbeitstag in verschiedene Abschnitte – Schichten – eingeteilt wird.          5.     Zur Abgeltung der auftretenden Erschwernisse und Belastungen bei ständiger Nachtschicht oder im 3-Schichten-Wechsel wird ein Ausgleich durch Freizeit gewährt.          6.     Arbeitnehmer/innen, die in ständiger Nachtschicht oder im 3-Schichten-Wechsel arbeiten, erhalten für je 20 geleistete Nachschichten einen Tag Schichtfreizeit.          7.     Die Vergütung dieser Schichtfreizeit erfolgt mit dem entsprechenden Anteil des Monatsentgeltes.          8.     In Betrieben, in denen im 3-Schicht-System gearbeitet wird, muss den Arbeitnehmer/innen, die aus betrieblichen Gründen wegen ununterbrochenen Fortgangs der Arbeit ihren Arbeitsplatz nicht verlassen können, eine bezahlte Essenspause von 30 Minuten innerhalb der Arbeitszeit gewährt werden. Die bezahlte Essenspause ist nicht mit der wöchentlichen bzw. täglichen Arbeitszeit zu verrechnen.          …                          § 7               Zuschläge für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit          1.     Für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit werden folgende Zuschläge gezahlt:                            ab 1998 ab 1999                   Mehrarbeit ab der 41. Stunde/Woche 25 %                               Mehrarbeit in der Nacht                                     ab der 41. Stunde/Woche 50 %                               regelmäßige Nachtarbeit 17,5 % 20 %                      unregelmäßige Nachtarbeit 40 %    50 %                      Sonntagsarbeit 67,5 %                            Feiertagsarbeit 150 %                             (soweit sie auf einen Werktag fällt)                                     Feiertagsarbeit 175 %                             (soweit sie auf einen Sonntag fällt)                            2.     Bei Zusammentreffen mehrerer Zuschläge ist nur der jeweils höhere Zuschlag zu zahlen.          3.     Die Zuschläge werden vom tariflichen Gesamtentgelt berechnet.“ 4 Die Klägerin verrichtete von Dezember 2018 bis Juni 2019 regelmäßige Nachtarbeit im tarifvertraglichen Sinn, für die sie – soweit für die Revision von Interesse – einen Zuschlag iHv. 20 % erhielt. 5 Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin – nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung – für die geleistete Nachtarbeit die Zahlung weiterer Nachtarbeitszuschläge in Höhe der Differenz zwischen dem gezahlten tariflichen Zuschlag für regelmäßige Nachtarbeit iHv. 20 % und dem tariflichen Zuschlag für unregelmäßige Nachtarbeit iHv. 50 % des tariflichen Gesamtentgelts. 6 Sie hat die Auffassung vertreten, der Anspruch ergebe sich aus § 7 Nr. 1 MTV iVm. dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Nach der tariflichen Regelung erhielten Arbeitnehmer für regelmäßige Nachtarbeit – trotz Vergleichbarkeit beider Arbeitnehmergruppen – Zuschläge von nur 20 %, für unregelmäßige Nachtarbeit dagegen Zuschläge von 50 %, ohne dass für diese Ungleichbehandlung ein sachlicher Grund vorliege. Der vorrangig zu beachtende Gesundheitsschutz rechtfertige die Ungleichbehandlung nicht; andere Aspekte als dieser könnten bei Nachtarbeit höhere Zuschläge nicht rechtfertigen. Zudem sei die Teilhabe am sozialen Leben auch bei regelmäßiger Nachtarbeit deutlich erschwert. Planbarkeit könne sowohl bei regel- als auch bei unregelmäßiger Nachtarbeit vorliegen oder fehlen. Ein Zuschlag von nur 20 % für regelmäßige Nachtarbeit sei nicht vom Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien gedeckt, er verteuere die Nachtarbeit nicht ausreichend. Außerdem sei dieser Gestaltungsspielraum mit Blick darauf eingeschränkt, dass tarifvertragliche Regelungen für Nachtarbeitszuschläge der Durchführung von Unionsrecht iSv. Art. 51 Abs. 1 Satz 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) dienten und insoweit an Art. 20 und Art. 31 Abs. 1 GRC zu messen seien. 7 Die Klägerin hat beantragt,          die Beklagte zu verurteilen,          1.     für den Monat Dezember 2018 192,29 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Januar 2019,          2.     für den Monat Januar 2019 356,36 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Februar 2019,          3.     für den Monat Februar 2019 205,07 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. März 2019,          4.     für den Monat März 2019 1,77 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. April 2019,          5.     für den Monat April 2019 188,60 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Mai 2019,          6.     für den Monat Mai 2019 1,04 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Juni 2019,          7.     für den Monat Juni 2019 397,28 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Juli 2019          an sie zu zahlen. 8 Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die tarifvertraglichen Zuschlagsregelungen für regelmäßige und unregelmäßige Nachtarbeit verstießen nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Gruppen der Arbeitnehmer, die regelmäßige und unregelmäßige Nachtarbeit verrichteten, seien schon nicht vergleichbar. Zwischen regelmäßiger und unregelmäßiger Nachtarbeit bestehe zudem ein Regel-Ausnahmeverhältnis, weil regelmäßige Nachtarbeit sehr viel häufiger anfalle als unregelmäßige Nachtarbeit. Die unterschiedliche Höhe der Nachtarbeitszuschläge überschreite auch nicht den Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien. Die Zuschlagsdifferenz verringere sich außerdem durch die Regelungen zu den Schichtfreizeiten, zur bezahlten Essenspause und den Umstand, dass der Zuschlag von 50 % für unregelmäßige Nachtarbeit typischerweise Mehrarbeit betreffe und daher den Mehrarbeitszuschlag enthalte. Er solle auch nicht nur die Erschwernis für die Arbeit in der Nacht ausgleichen, sondern kompensieren, dass die betroffenen Arbeitnehmer die Möglichkeit verlören, über ihre Freizeit zu disponieren. Arbeitgeber sollten von Eingriffen in den geschützten Freizeitbereich der Arbeitnehmer abgehalten werden. Außerdem sei die Teilhabe am sozialen Leben, etwa die Organisation der Kinderbetreuung, bei unregelmäßiger Nachtarbeit wesentlich schwerer zu organisieren. Schließlich sei eine „Anpassung nach oben“ abzulehnen. 9 Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil auf die Berufung der Klägerin abgeändert und der Klage teilweise stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. 10 Der Senat hat mit Beschluss vom 9. Dezember 2020 (- 10 AZR 332/20 (A) – BAGE 173, 165) das Revisionsverfahren ausgesetzt und den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) um eine Vorabentscheidung gebeten, ob mit einer tarifvertraglichen Regelung die Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG iSv. Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRC durchgeführt wird, wenn die tarifvertragliche Regelung für unregelmäßige Nachtarbeit einen höheren Ausgleich vorsieht als für regelmäßige Nachtarbeit. Der EuGH hat auf diese Frage mit Urteil vom 7. Juli 2022 geantwortet (- C-257/21 und C-258/21 – [Coca-Cola European Partners Deutschland]). Entscheidungsgründe 11 Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Klägerin kann für den streitgegenständlichen Zeitraum entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts keine weiteren Nachtarbeitszuschläge für die während der Nachtschichten geleisteten Arbeitsstunden verlangen. Dies führt insoweit zur Aufhebung der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts und zur Wiederherstellung der klagabweisenden Entscheidung des Arbeitsgerichts (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 3 ZPO). 12 I. Die Klage ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Klägerin hat für jeden Monat des streitgegenständlichen Zeitraums die Anzahl der geleisteten Nachtarbeitsstunden angegeben und die Klageforderung ausgehend vom tariflichen Bruttostundenlohn mit der geltend gemachten Differenz von 30 % für die geleisteten Nachtarbeitsstunden berechnet. Damit ist die Klage in Bezug auf jeden Monat, für den die Klägerin höhere Nachtarbeitszuschläge verlangt, als abschließende Gesamtklage zu verstehen und hinreichend bestimmt (vgl. BAG 25. Mai 2022 – 10 AZR 230/19 – Rn. 14 mwN; 21. März 2018 – 10 AZR 34/17 – Rn. 13, BAGE 162, 230). 13 II. Die Klage ist insgesamt, auch soweit das Landesarbeitsgericht ihr stattgegeben hat, unbegründet. Die Klägerin kann von der Beklagten keine weiteren Nachtarbeitszuschläge für den streitgegenständlichen Zeitraum verlangen. Ein solcher Anspruch steht ihr weder unmittelbar aus dem MTV noch wegen eines Verstoßes der Bestimmungen des MTV gegen Art. 3 Abs. 1 GG zu. 14 1. Ein Anspruch auf einen höheren Nachtarbeitszuschlag ergibt sich nicht unmittelbar aus den Regelungen des MTV. 15 a) Der MTV gilt – vermittelt über den Unternehmenstarifvertrag – im Arbeitsverhältnis der Parteien kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit unmittelbar und zwingend (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG). 16 b) Nach § 7 Nr. 1 MTV ist für regelmäßige Nachtarbeit in der Zeit zwischen 22:00 Uhr und 06:00 Uhr ein Zuschlag von 20 % und für unregelmäßige Nachtarbeit ein Zuschlag von 50 % des tariflichen Gesamtentgelts zu zahlen. Da es sich bei der von der Klägerin im Rahmen von Schichtarbeit geleisteten Nachtarbeit um „regelmäßige Nachtarbeit“ iSv. § 7 Nr. 1 MTV handelt (vgl. zum Begriff „regelmäßig“ BAG 19. September 2007 – 4 AZR 617/06 – Rn. 16 mwN), hat sie nach den Regelungen des MTV nur Anspruch auf einen Nachtarbeitszuschlag iHv. 20 % des tariflichen Gesamtentgelts (§ 7 Nr. 3 MTV). Davon gehen auch die Parteien übereinstimmend aus. 17 2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf einen Nachtarbeitszuschlag iHv. 50 % des tariflichen Gesamtentgelts wegen eines Verstoßes der tariflichen Differenzierung gegen Art. 3 Abs. 1 GG und einer daraus folgenden Anpassung „nach oben“. Die Regelungen des MTV stellen einen angemessenen Ausgleich für die Belastungen durch regelmäßige Nachtarbeit dar und haben Vorrang vor dem gesetzlichen Ausgleichsanspruch nach § 6 Abs. 5 ArbZG. Die Unterscheidung bei der Zuschlagshöhe für regelmäßige Nachtarbeit einerseits und unregelmäßige Nachtarbeit andererseits in § 7 Nr. 1 MTV verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Arbeitnehmer, die regelmäßige Nachtarbeit leisten, werden gegenüber Arbeitnehmern, die unregelmäßige Nachtarbeit erbringen, nicht gleichheitswidrig schlechter gestellt. Für die Ungleichbehandlung bei der Höhe des Nachtarbeitszuschlags gibt es einen aus dem MTV erkennbaren sachlichen Grund, der diese rechtfertigt. 18 a) Die Tarifvertragsparteien sind nicht unmittelbar an Grundrechte gebunden, wenn sie tarifliche Normen setzen (st. Rspr., BAG 15. Juni 2021 – 9 AZR 413/19 – Rn. 33; 24. Februar 2021 – 10 AZR 108/19 – Rn. 26; 9. Dezember 2020 – 10 AZR 334/20 – Rn. 26, BAGE 173, 205; 19. November 2020 – 6 AZR 449/19 – Rn. 21; 2. September 2020 – 5 AZR 168/19 – Rn. 21). Die Tarifautonomie ist darauf angelegt, die strukturelle Unterlegenheit der einzelnen Arbeitnehmer beim Abschluss von Arbeitsverträgen durch kollektives Handeln auszugleichen und damit ein annähernd gleichgewichtiges Aushandeln der Vergütungen und Arbeitsbedingungen zu ermöglichen (BVerfG 11. Juli 2017 – 1 BvR 1571/15 ua. – Rn. 146, BVerfGE 146, 71). Mit der Normsetzung auf Grundlage der von Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie üben die Tarifvertragsparteien daher keine delegierte Staatsgewalt aus. Sie nehmen vielmehr privatautonom ihre Grundrechte wahr, wobei ihre Normsetzung durch den in § 4 Abs. 1 TVG enthaltenen staatlichen Geltungsbefehl tariflicher Rechtsnormen getragen wird. Mit der kollektiv ausgeübten privatautonomen Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen durch Tarifverträge ist eine unmittelbare Grundrechtsbindung der Tarifvertragsparteien nicht zu vereinbaren. Sie führte zu einer umfassenden Überprüfung tarifvertraglicher Regelungen am Maßstab der Verhältnismäßigkeit und damit zu einer „Tarifzensur“ durch die Arbeitsgerichte (BAG 19. Dezember 2019 – 6 AZR 563/18 – Rn. 19, BAGE 169, 163; 3. Juli 2019 – 10 AZR 300/18 – Rn. 17; ErfK/Schmidt 23. Aufl. GG Einl. Rn. 47). 19 b) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bildet aber als fundamentale Gerechtigkeitsnorm eine ungeschriebene Grenze der Tarifautonomie. Der Schutzauftrag der Verfassung verpflichtet die Arbeitsgerichte dazu, gleichheitswidrige Differenzierungen in Tarifnormen zu unterbinden. Dementsprechend ist Tarifregelungen die Durchsetzung zu verweigern, die zu gleichheitswidrigen Differenzierungen führen (vgl. BAG 16. August 2022 – 9 AZR 490/21 – Rn. 20; 23. Februar 2021 – 3 AZR 618/19 – Rn. 39, BAGE 174, 116; 9. Dezember 2020 – 10 AZR 334/20 – Rn. 27 ff. mwN auch zur Gegenauffassung, BAGE 173, 205; 19. November 2020 – 6 AZR 449/19 – Rn. 21; 29. September 2020 – 9 AZR 364/19 – Rn. 47, BAGE 172, 313; 27. Mai 2020 – 5 AZR 258/19 – Rn. 37; 19. Dezember 2019 – 6 AZR 563/18 – Rn. 23 ff., BAGE 169, 163; 3. Juli 2019 – 10 AZR 300/18 – Rn. 18; zust. Bayreuther NZA 2019, 1684, 1686). Diese Grenze ist zu beachten, obwohl Tarifnormen nicht selten Ergebnisse tarifpolitischer Kompromisse sind („Gesamtpaket“), und kann damit zur Beschränkung der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Rechte der Tarifvertragsparteien führen (vgl. BAG 9. Dezember 2020 – 10 AZR 334/20 – Rn. 31 mwN, aaO; abl. Jacobs RdA 2023, 9, 15 ff.). 20 c) Bei der Erfüllung ihres verfassungsrechtlichen Schutzauftrags haben die Gerichte allerdings zu beachten, dass den Tarifvertragsparteien als selbständigen Grundrechtsträgern bei ihrer Normsetzung aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zusteht. Sie bestimmen in diesem Rahmen nicht nur den Zweck einer tariflichen Leistung (BAG 29. September 2020 – 9 AZR 364/19 – Rn. 47, BAGE 172, 313; 19. Dezember 2018 – 10 AZR 231/18 – Rn. 34, BAGE 165, 1). Ihnen kommt auch eine Einschätzungsprärogative zu, soweit die tatsächlichen Gegebenheiten, die betroffenen Interessen und die Regelungsfolgen zu beurteilen sind (BAG 19. Dezember 2019 – 6 AZR 563/18 – Rn. 26, BAGE 169, 163; vgl. auch BT-Drs. 12/5888 zum Entwurf des ArbZG S. 20: „Ein wesentliches Ziel des Gesetzentwurfs ist es, den Tarifvertragsparteien … im Interesse eines praxisnahen, sachgerechten und effektiven Arbeitszeitschutzes mehr Befugnisse und mehr Verantwortung als bisher zu übertragen. Die Tarifvertragsparteien kennen die in den Betrieben zu leistende Arbeit und die für die Arbeitnehmer entstehenden zeitlichen Belastungen [größere Sachnähe der Tarifvertragsparteien …]. Sie können daher viel stärker differenzieren, …“). Darüber hinaus verfügen die Tarifvertragsparteien über einen Beurteilungs- und Ermessensspielraum hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung der Regelungen (BAG 16. Dezember 2020 – 5 AZR 143/19 (A) – Rn. 43, BAGE 173, 251). Die Gerichte dürfen nicht eigene Gerechtigkeitsvorstellungen an die Stelle von Bewertungen der zuständigen Koalitionen setzen. Die Tarifvertragsparteien sind nicht verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen. Es genügt, wenn für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund besteht (BAG 23. Februar 2021 – 3 AZR 618/19 – Rn. 40, BAGE 174, 116; 9. Dezember 2020 – 10 AZR 334/20 – Rn. 41, BAGE 173, 205; 19. Dezember 2019 – 6 AZR 563/18 – aaO; 24. Oktober 2019 – 2 AZR 158/18 – Rn. 34, BAGE 168, 238; 15. April 2015 – 4 AZR 796/13 – Rn. 32, BAGE 151, 235). 21 Dies bedingt im Ergebnis eine deutlich zurückgenommene Prüfungsdichte durch die Gerichte (BAG 9. Dezember 2020 – 10 AZR 334/20 – Rn. 42, BAGE 173, 205). Ein Verstoß gegen das allgemeine Gleichheitsgrundrecht ist erst dann anzunehmen, wenn die Tarifvertragsparteien es versäumt haben, tatsächliche Gemeinsamkeiten oder Unterschiede der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise hätten beachtet werden müssen. Bei der Gruppenbildung dürfen sie generalisieren und typisieren. Allerdings müssen die Differenzierungsmerkmale im Normzweck angelegt sein und dürfen ihm nicht widersprechen. Auf abstrakt denkbare Zwecke kommt es dabei nicht an, sondern auf solche, die den Tarifnormen im Weg der Auslegung zu entnehmen sind. Diese können sich insbesondere aus den in der Regelung selbst normierten Voraussetzungen sowie den Ausschluss- und Kürzungstatbeständen ergeben, die die Tarifvertragsparteien unter Beachtung ihres Gestaltungsspielraums festgelegt haben (BAG 12. Oktober 2021 – 9 AZR 577/20 (B) – Rn. 34 mwN). Das gilt unabhängig davon, ob es sich um Verbandstarifverträge, unternehmensbezogene Verbandstarifverträge oder Tarifverträge mit einzelnen Arbeitgebern handelt. 22 d) Diese Grundsätze gelten im Ausgangspunkt auch für tarifvertragliche Regelungen über den Ausgleich der Belastungen durch Nachtarbeit. Allerdings können solche tariflichen Regelungen den gesetzlichen Ausgleichsanspruch nach § 6 Abs. 5 ArbZG nur verdrängen, wenn sie unter Beachtung des Gesundheitsschutzes der Nachtarbeitnehmer tatsächlich einen angemessenen Ausgleich gewährleisten. 23 aa) Das Bundesverfassungsgericht hat für den Bereich der Nachtarbeit erkannt, dass der Gesetzgeber verpflichtet ist, den Schutz der Arbeitnehmer vor den schädlichen Folgen der Nachtarbeit zu regeln. Eine solche Regelung war notwendig, um dem objektiven Gehalt der Grundrechte, insbesondere dem Recht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, zu genügen. Für dieses Grundrecht besteht eine staatliche Schutzpflicht. Dem Gesetzgeber kommt dabei ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsfreiraum zu, um die Schutzpflicht zu erfüllen (BVerfG 28. Januar 1992 – 1 BvR 1025/82 ua. – zu C III 3 der Gründe, BVerfGE 85, 191; BAG 9. Dezember 2020 – 10 AZR 334/20 – Rn. 44, BAGE 173, 205). 24 bb) Der Gesetzgeber ist dem Schutzauftrag mit § 6 Abs. 5 ArbZG nachgekommen. Die Norm überantwortet die Schaffung von Ausgleichsregelungen für geleistete Nachtarbeit wegen ihrer größeren Sachnähe vorrangig den Tarifvertragsparteien. Die gesetzlichen Ansprüche greifen nur subsidiär (vgl. BAG 9. Dezember 2020 – 10 AZR 334/20 – Rn. 45 mwN, BAGE 173, 205). Auch bei solchen tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen für Nachtarbeit handelt es sich aber um originär ausgeübte Tarifautonomie (BAG 9. Dezember 2020 – 10 AZR 334/20 – Rn. 46, aaO; aA Kohte Gutachten zu Nachtarbeitszuschlagsregelungen S. 21). Der verfassungsrechtlich gewährleistete Schutz der Koalitionsfreiheit ist nicht auf den Bereich des Unerlässlichen beschränkt. Er geht über den Kernbereich des Art. 9 Abs. 3 GG hinaus und erstreckt sich auf alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen (BVerfG 12. Juni 2018 – 2 BvR 1738/12 ua. – Rn. 115 mwN, BVerfGE 148, 296). 25 cc) Die Tarifvertragsparteien sind frei in ihrer Entscheidung, ob sie einen tariflichen Ausgleich für erbrachte Nachtarbeit regeln wollen. Dies gilt sowohl im Anwendungsbereich des § 6 Abs. 5 ArbZG als auch darüber hinaus. So können sie beispielsweise die Nachtzeit gegenüber den Bestimmungen des ArbZG erweitern oder auch Arbeitnehmern, die keine Nachtarbeitnehmer nach § 2 Abs. 5 ArbZG sind, einen Ausgleichsanspruch gewähren. Entscheiden sie sich aber im Anwendungsbereich des § 6 Abs. 5 ArbZG dafür, eine Regelung zu treffen, sind sie – anders als regelmäßig sonst bei der Gewährung tariflicher Leistungen – in einem gewissen Maß inhaltlich gebunden. Sie haben zu beachten, dass der Gesundheitsschutz beim Ausgleich der Belastungen durch Nachtarbeit im Vordergrund steht und diesem Genüge getan werden muss. Die tarifliche Regelung muss die mit der Nachtarbeit verbundenen Belastungen angemessen kompensieren (BAG 9. Dezember 2020 – 10 AZR 332/20 (A) – Rn. 72 mwN, BAGE 173, 165; 13. Dezember 2018 – 6 AZR 549/17 – Rn. 18; 17. Januar 2012 – 1 ABR 62/10 – Rn. 15 mwN; 18. Mai 2011 – 10 AZR 369/10 – Rn. 18; Baeck/Deutsch/Winzer ArbZG 4. Aufl. § 6 Rn. 83; BeckOK ArbSchR/Höfer Stand 1. Januar 2023 ArbZG § 6 Rn. 51, 53; BeckOK ArbR/Kock Stand 1. Dezember 2022 ArbZG § 6 Rn. 25 f.; Creutzfeldt/Eylert ZFA 2020, 239, 269; Kohte FS Buschmann 2014 S. 71, 81; Raab ZFA 2014, 237, 244; J. Ulber AuR 2020, 157, 161 f.; aA Höpfner Die Rechtmäßigkeit der tarifvertraglichen Zuschlagsregelungen für geleistete Nachtarbeit am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG S. 26 f.; wohl auch Neumann/Biebl ArbZG 16. Aufl. § 6 Rn. 26). Nur dann kann die tarifliche Regelung den gesetzlichen Ausgleichsanspruch nach § 6 Abs. 5 ArbZG hinsichtlich des die Nachtarbeit leistenden Arbeitnehmers verdrängen. Das folgt schon aus dem Wortsinn des Begriffs „Ausgleichsregelung“ in § 6 Abs. 5 ArbZG und entspricht dem Sinn und Zweck des Gesundheitsschutzes (BAG 17. Januar 2012 – 1 ABR 62/10 – aaO). 26 dd) Bei der näheren Ausgestaltung, wie eine solche angemessene Kompensation erfolgen soll, sind die Tarifvertragsparteien hingegen im Rahmen der Tarifautonomie freier als der unmittelbar an § 6 Abs. 5 ArbZG gebundene Arbeitgeber. Ihnen kommt ein Beurteilungsspielraum zu, wie sie den Ausgleich für die Nachtarbeit regeln wollen (BAG 18. Mai 2011 – 10 AZR 369/10 – Rn. 18; HK-ArbZeitR/Lorenz 2. Aufl. ArbZG § 6 Rn. 127). § 6 Abs. 5 ArbZG sieht für tarifliche Regelungen keine konkreten Mindestvorgaben vor. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass die tarifvertragliche Regelung den mit § 6 Abs. 5 ArbZG verfolgten Zwecken (vgl. dazu zuletzt BAG 25. Mai 2022 – 10 AZR 230/19 – Rn. 28, 36 mwN) bei einer Gesamtbetrachtung gerecht wird. Die Tarifvertragsparteien sind deshalb auch nicht an die von der Rechtsprechung entwickelten Regelwerte für gesetzliche Nachtarbeitszuschläge gebunden (aA Kohte Gutachten zu Nachtarbeitszuschlagsregelungen S. 14; J. Ulber AuR 2020, 157, 162 f.). 27 ee) Soweit tarifvertragliche Ausgleichsregelungen für Nachtarbeit einen Anspruch auf bezahlten Freizeitausgleich begründen, tritt unmittelbar eine gesundheitsschützende Wirkung in den Fällen ein, in denen sich die Dauer der Arbeitszeit für den Arbeitnehmer durch den bezahlten Freizeitausgleich insgesamt verringert und er zeitnah gewährt wird. Nachtarbeitszuschläge wirken sich dagegen nicht positiv auf die Gesundheit des betroffenen Arbeitnehmers aus. Der individuelle Gesundheitsschaden wird über den Zuschlag kommerzialisiert. Die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers wird verteuert, um auf diesem Weg allgemein Nachtarbeit einzudämmen, wodurch die Gesundheit mittelbar geschützt wird. Außerdem soll der Nachtarbeitszuschlag den Arbeitnehmer in einem gewissen Umfang für die erschwerte Teilhabe am sozialen Leben entschädigen (vgl. BAG 9. Dezember 2020 – 10 AZR 334/20 – Rn. 48 mwN, BAGE 173, 205). 28 e) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze haben die Tarifvertragsparteien für Beschäftigte, die – wie die Klägerin – regelmäßig Nachtarbeit im Rahmen von Schichtarbeit leisten, im MTV Regelungen geschaffen, die den Zwecken des § 6 Abs. 5 ArbZG gerecht werden und die mit der Nachtarbeit verbundenen Belastungen angemessen kompensieren. Damit werden die gesetzlichen Ausgleichsansprüche für die streitgegenständlichen Schichtzeiten verdrängt. 29 aa) Ob im jeweiligen Tarifvertrag ein angemessener Ausgleich für die Belastungen durch die Nachtarbeit vorgesehen ist und die entsprechende Regelung den gesetzlichen Ausgleichsanspruch nach § 6 Abs. 5 ArbZG verdrängt, ist jeweils anhand der betroffenen Arbeitnehmergruppe – hier die Arbeitnehmer, die regelmäßig Nachtarbeit leisten, – und der konkreten Arbeitssituation, die im Streit steht, zu prüfen. Eine Gesamtbetrachtung des Tarifvertrags im Hinblick auf seinen persönlichen Geltungsbereich ist nicht vorzunehmen. Eine solche würde auf der einen Seite nicht sicherstellen, dass für jeden einzelnen Nachtarbeitnehmer iSd. ArbZG ein angemessener tariflicher Ausgleichsanspruch besteht. Auf der anderen Seite kann der Umstand, dass es für einzelne Arbeitnehmergruppen an einem angemessenen Ausgleich fehlt (vgl. zu einer solchen Fallgestaltung zB BAG 18. Mai 2011 – 10 AZR 369/10 -) nicht dazu führen, dass tarifliche Regelungen, die für andere Gruppen einen angemessenen Ausgleich beinhalten, entgegen § 6 Abs. 5 ArbZG der Vorrang verwehrt wird. 30 bb) Danach wird § 6 Abs. 5 ArbZG auch im Hinblick auf Beschäftigte, die regelmäßige Nachtarbeit im Rahmen von Schichtarbeit leisten, durch die streitgegenständliche tarifliche Regelung verdrängt. Diese erhalten grundsätzlich einen tariflichen Nachtarbeitszuschlag iHv. 20 % auf das tarifliche Gesamtentgelt (§ 7 Nr. 1 MTV). Darüber hinaus haben sie Anspruch auf einen Tag Schichtfreizeit für je 20 geleistete Nachtschichten (§ 4 Abschn. C Nr. 6 MTV), was einer um etwa 5 % reduzierten Arbeitszeit entspricht. Dabei handelt es sich um einen spezifischen Ausgleich für regelmäßige Nachtarbeit und nicht nur oder schwerpunktmäßig für die Belastungen durch den Schichtwechsel. Dies wird daraus deutlich, dass dieser Anspruch auch bei ständiger Nachtschicht besteht. Arbeitnehmer, die in Schichten arbeiten, jedoch nicht während der Nacht, erhalten hingegen keinen Freizeitausgleich. Im Rahmen der bei der Beurteilung der Angemessenheit notwendigen wertenden Betrachtung stellt dies unter Berücksichtigung der Art der zu leistenden Arbeit, also der Gegenleistung der Arbeitnehmer (vgl. dazu BAG 25. Mai 2022 – 10 AZR 230/19 – Rn. 26 mwN), einen hinreichenden Ausgleich für die mit der Nachtarbeit verbundene Erschwernis dar und beinhaltet eine Entschädigung für die erschwerte Teilhabe am sozialen Leben. Dabei kann insbesondere auch die Regelung zu den Schichtfreizeiten, die unter gesundheitlichen Aspekten gegenüber rein finanziellen Ausgleichen vorzugswürdig ist, den größeren Belastungen der Dauernachtarbeit entgegenwirken, denn insoweit tritt eine unmittelbar gesundheitsschützende Wirkung ein. 31 cc) Soweit die Klägerin darauf verweist, dass eine Regelung, die für regelmäßige Nachtarbeit geringere Zuschläge gewährt als für unregelmäßige Nachtarbeit, die gesetzliche Zielsetzung missachte und deshalb unwirksam sei, vermag dies nicht zu überzeugen (so aber zB auch J. Ulber AuR 2020, 157, 163). Dies vermengt die Frage der Angemessenheit des Ausgleichs mit der Frage der Gleichbehandlung. Die Frage der Angemessenheit iSv. § 6 Abs. 5 ArbZG richtet sich aber nicht danach, ob andere Arbeitnehmer den gleichen oder ggf. einen höheren Nachtarbeitszuschlag erhalten. 32 f) Die im MTV enthaltene Differenzierung zwischen den Zuschlägen für regelmäßige und unregelmäßige Nachtarbeit in § 7 Nr. 1 MTV verstößt – entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts – auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Es liegen zwar miteinander vergleichbare Arbeitnehmergruppen vor. Allerdings ist die unterschiedliche Behandlung bei den Zuschlägen für regelmäßige und unregelmäßige Nachtarbeit sachlich gerechtfertigt. Mit dem höheren Zuschlag soll – wie die Auslegung der Bestimmungen des MTV ergibt – die schlechtere Planbarkeit unregelmäßiger Nachtarbeit ausgeglichen werden. Dieser erkennbare Wille der Tarifvertragsparteien ist Teil deren ausgeübter Tarifautonomie und genügt als sachlicher Grund. 33 aa) Arbeitnehmer, die regelmäßige bzw. unregelmäßige Nachtarbeit iSd. MTV leisten, sind – entgegen der Ansicht der Beklagten – miteinander vergleichbar. Die jeweiligen Zuschlagstatbestände knüpfen übereinstimmend an die Arbeitsleistung in der tarifvertraglich definierten Nachtzeit an, die sich – insbesondere durch das Maß an Belastung – von der Arbeit zu anderen Zeiten unterscheidet (vgl. BAG 9. Dezember 2020 – 10 AZR 334/20 – Rn. 50 ff. mwN auch zu krit. Stimmen, BAGE 173, 205). Dem steht auch nicht entgegen, dass die Tarifvertragsparteien grundsätzlich autonom die Tatbestandsvoraussetzungen festlegen können, auf deren Grundlage die Gruppen zu bilden sind. Das entbindet sie nicht davon, die Grenzen von Art. 3 Abs. 1 GG zu beachten. Die sich dabei stellende Frage, ob sachliche Gründe für die unterschiedliche Behandlung vorliegen, ist auf der Rechtfertigungsebene zu klären (vgl. BAG 9. Dezember 2020 – 10 AZR 334/20 – Rn. 52, aaO; aA zB Creutzfeldt/Eylert ZFA 2020, 239, 267 f.; ähnlich Höpfner Die Rechtmäßigkeit der tarifvertraglichen Zuschlagsregelungen für geleistete Nachtarbeit am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG S. 16 ff.; Kleinebrink NZA 2019, 1458, 1461). 34 bb) Die unterschiedlich hohen Zuschläge für Nachtarbeit in § 7 Nr. 1 MTV führen dazu, dass zwei Gruppen von Arbeitnehmern, die nachts arbeiten, ungleich behandelt werden. Der Ausgleich, den Arbeitnehmer für unregelmäßige Nachtarbeit erhalten, ist deutlich höher als derjenige für regelmäßige Nachtarbeit. 35 (1) Nach § 7 Nr. 1 MTV erhalten Arbeitnehmer für regelmäßige Nachtarbeit einen Zuschlag von 20 % des tariflichen Gesamtentgelts, während der Zuschlag für unregelmäßige Nachtarbeit 50 % beträgt. Das führt zu einer Differenz iHv. 30 Prozentpunkten. 36 (2) Diese Differenz zwischen den beiden Zuschlagstatbeständen verringert sich allerdings dadurch, dass für je 20 geleistete Nachtschichten bei ständiger Nachtarbeit oder im Drei-Schicht-Wechsel ein Tag Schichtfreizeit zu gewähren ist (§ 4 Abschn. C Nr. 6 MTV). Dabei handelt es sich um einen spezifischen Ausgleich für die Belastungen durch die Arbeit in der Nachtzeit (vgl. Rn. 30), der unter dem Blickwinkel des Gesundheitsschutzes grundsätzlich vorzugswürdig ist (BAG 9. Dezember 2020 – 10 AZR 334/20 – Rn. 48 mwN, BAGE 173, 205) und einer um etwa 5 % verringerten Arbeitszeit und dem entsprechenden Entgeltwert entspricht. 37 (3) Der Unterschied in der Zuschlagshöhe bei regelmäßiger und unregelmäßiger Nachtarbeit vermindert sich hingegen – anders als die Beklagte meint – nicht dadurch, dass unregelmäßige Nachtarbeit in der Regel Mehrarbeit ist und der Zuschlag für unregelmäßige Nachtarbeit einen Mehrarbeitszuschlag umfasst. Zwar begründet § 7 Nr. 1 MTV für Mehrarbeit ab der 41. Wochenstunde einen Anspruch auf Zuschläge iHv. 25 %. In den tariflichen Regelungen ist aber nicht angelegt, dass unregelmäßige Nachtarbeit stets Mehrarbeit iSv. § 4 Abschn. B Nr. 1 MTV ist, also über die jeweilige tarifliche bzw. betriebliche wöchentliche Arbeitszeit des betroffenen Arbeitnehmers hinausgeht. Im Gegenteil spricht gerade die ebenfalls in § 7 Nr. 1 MTV enthaltene gesonderte Vergütungsregelung für Mehrarbeit in der Nacht (Zuschlag von 50 % ab der 41. Wochenstunde) dafür, dass unregelmäßige Nachtarbeit nach dem Verständnis der Tarifvertragsparteien nicht mit Mehrarbeit in der Nacht gleichzusetzen ist. Andernfalls hätte es dieser Regelung nicht bedurft. 38 (4) Die rechnerische Differenz bei der Zuschlagshöhe für regelmäßige und unregelmäßige Nachtarbeit verringert sich auch nicht um die bezahlte Essenspause von 30 Minuten innerhalb der Arbeitszeit nach § 4 Abschn. C Nr. 8 MTV. Diese steht in Betrieben, in denen im Drei-Schicht-System gearbeitet wird, Arbeitnehmern zu, die aus betrieblichen Gründen wegen ununterbrochenen Fortgangs der Arbeit ihren Arbeitsplatz nicht verlassen können. Der Anspruch setzt damit zwar auch einen Einsatz in der Nachtschicht voraus. Die Pause wird aber bei Vorliegen der tariflichen Voraussetzungen in allen Schichten gewährt, also auch in Tagschichten. Demnach dient sie nicht dem Ausgleich der spezifischen Belastungen durch die Nachtarbeit, sondern dem Ausgleich des ununterbrochenen Fortgangs der Arbeit verbunden mit dem Umstand, den Arbeitsplatz für eine Pause nicht verlassen zu können. 39 (5) Unerheblich ist auch, dass der Zuschlag nach § 7 Nr. 1 MTV bereits für die Zeit ab 22:00 Uhr geschuldet wird und somit der Beginn der Nachtzeit gegenüber der gesetzlichen Regelung um eine Stunde vorgezogen ist. Das gilt sowohl für die regel- als auch die unregelmäßige Nachtarbeit, so dass sich hieraus in Bezug auf die Ungleichbehandlung keine Relativierung ergibt (aA wohl Creutzfeldt/Eylert ZFA 2020, 239, 251 „Ausgleichsfaktor“). 40 cc) Die Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern, die regelmäßige Nachtarbeit leisten, gegenüber Arbeitnehmern, die unregelmäßige Nachtarbeit leisten, ist aber – entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts – durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt. 41 (1) Die Tarifvertragsparteien sind im Rahmen ihrer Einschätzungsprärogative nicht gehindert, tatsächliche Unterschiede hinsichtlich der Belastungen durch regelmäßige und unregelmäßige Nachtarbeit anzunehmen. Dabei sind sie nicht auf gesundheitliche Aspekte beschränkt. Diese tatsächlichen Unterschiede vermögen auf der Regelungsebene aufgrund des den Tarifvertragsparteien zukommenden Beurteilungs- und Ermessensspielraums einen – auch deutlich – höheren Ausgleich für unregelmäßige Nachtarbeit zu rechtfertigen. Dabei hat sich die Prüfung der sachlichen Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung am – aus dem Tarifvertrag erkennbaren – Zweck der Leistung zu orientieren (BAG 19. Dezember 2018 – 10 AZR 231/18 – Rn. 66, BAGE 165, 1; 23. März 2017 – 6 AZR 161/16 – Rn. 55, BAGE 158, 360). Ein solch weiterer Zweck liegt hier vor. Nach dem erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien soll mit dem höheren Zuschlag auch die schlechtere Planbarkeit unregelmäßiger Nachtarbeit ausgeglichen werden. Das ergibt die Auslegung der tariflichen Regelungen. 42 (2) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags, die in der Revisionsinstanz in vollem Umfang überprüfbar ist, folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, ohne am Buchstaben zu haften. Dabei sind der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, ggf. auch die praktische Tarifübung, ergänzend herangezogen werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (st. Rspr., zB BAG 16. November 2022 – 10 AZR 210/19 – Rn. 13 mwN). 43 (3) Dies zugrunde gelegt ergibt sich zunächst, dass die Tarifvertragsparteien mit der Regelung von Nachtarbeitszuschlägen den Gesundheitsschutz der Nachtarbeitnehmer bezwecken. Das gilt sowohl im Hinblick auf den Zuschlag für regelmäßige Nachtarbeit als auch für unregelmäßige Nachtarbeit. Dieser Zweck stellt aber keinen Sachgrund für höhere Zuschläge zugunsten der Arbeitnehmer dar, die unregelmäßig Nachtarbeit leisten. 44 (a) Der Zweck des Gesundheitsschutzes ist zwar nicht ausdrücklich im MTV benannt. Er hat aber hinreichend Niederschlag gefunden. Die Zuschläge werden ausdrücklich als solche für Nachtarbeit bezeichnet (§ 7 Nr. 1 MTV). Der MTV definiert den Begriff der Nachtarbeit als die Zeit zwischen 22:00 Uhr und 06:00 Uhr, knüpft damit an § 2 Abs. 3 ArbZG an und erweitert den Nachtzeitraum. Vor dem Hintergrund der gesetzlichen Ausgleichsregelung des § 6 Abs. 5 ArbZG und dem dort normierten grundsätzlichen Vorrang von Ausgleichsregelungen in Tarifverträgen liegt nahe, dass die Tarifvertragsparteien von dieser Kompetenz Gebrauch machen und auch der gesetzlichen Zwecksetzung genügen wollten. Die Gesundheit – über die Verteuerung der Arbeit zumindest mittelbar – zu schützen, ist der typischerweise mit Nachtarbeitszuschlägen verfolgte Zweck (vgl. BAG 25. Mai 2022 – 10 AZR 230/19 – Rn. 25). 45 (b) Der Zweck des Gesundheitsschutzes vermag die Ungleichbehandlung allerdings nicht zu rechtfertigen. 46 (aa) Nachtarbeit ist nach gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen für jeden Menschen schädlich, weil sie negative gesundheitliche Auswirkungen hat (BVerfG 28. Januar 1992 – 1 BvR 1025/82 ua. – zu C I 2 a der Gründe, BVerfGE 85, 191; ebenso BAG 9. Dezember 2020 – 10 AZR 334/20 – Rn. 70 f., BAGE 173, 205; 15. Juli 2020 – 10 AZR 123/19 – Rn. 27 mwN, BAGE 171, 280; 21. März 2018 – 10 AZR 34/17 – Rn. 49, BAGE 162, 230; 18. Oktober 2017 – 10 AZR 47/17 – Rn. 39, BAGE 160, 325; Schlachter/Heinig/Bayreuther Europäisches Arbeits- und Sozialrecht [EnzEuR Bd. 7] § 11 Rn. 33; EuArbRK/Gallner 3. Aufl. RL 2003/88/EG Art. 8 Rn. 3 mwN). Das gilt im Ausgangspunkt unabhängig davon, ob sie innerhalb oder außerhalb von Schichtsystemen geleistet wird. Die gesundheitliche Belastung durch Nachtarbeit steigt nach bisherigem Kenntnisstand in der Arbeitsmedizin durch die Zahl der Nächte im Monat und die Zahl der aufeinanderfolgenden Nächte, in denen Nachtarbeit geleistet wird (BAG 25. Mai 2022 – 10 AZR 230/19 – Rn. 24; 15. Juli 2020 – 10 AZR 123/19 – aaO; 9. Dezember 2015 – 10 AZR 423/14 – Rn. 17 mwN, BAGE 153, 378; 11. Dezember 2013 – 10 AZR 736/12 – Rn. 19, BAGE 147, 33). 47 (bb) Durch Arbeit während der Nachtzeit wird die sog. zirkadiane Rhythmik gestört. Zu der sozialen Desynchronisation kommt die physiologische Desynchronisation der Körperfunktionen, die sich typischerweise in Schlafstörungen, Magen-Darm-Beschwerden und kardiovaskulären Beeinträchtigungen äußert (Beermann Nacht- und Schichtarbeit – ein Problem der Vergangenheit? S. 4 f. = https://d-nb.info/992446481/34; Langhoff/Satzer Gutachten zu arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen zu Nachtarbeit und Nachtschichtarbeit S. 26 ff., 37 f.; DGUV Report 1/2012 S. 81 f., 91 ff., 119 ff.). Sekundärstudien deuten darauf hin, dass sich Nachtarbeit auch negativ auf die Psyche auswirkt (vgl. Amlinger-Chatterjee Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt S. 31). Anerkannt ist, dass Nachtarbeit umso schädlicher ist, in je größerem Umfang sie geleistet wird (BAG 25. Mai 2022 – 10 AZR 230/19 – Rn. 24; 15. Juli 2020 – 10 AZR 123/19 – Rn. 27 mwN, BAGE 171, 280; 9. Dezember 2015 – 10 AZR 423/14 – Rn. 17 mwN, BAGE 153, 378; vgl. auch den siebten Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/88/EG; Mitteilung der Europäischen Kommission zu Auslegungsfragen in Bezug auf die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung, ABl. EU C 165 vom 24. Mai 2017 S. 42). 48 (cc) Aufgrund der steigenden gesundheitlichen Belastung durch eine größere Zahl der Nächte im Monat und eine höhere Zahl der aufeinanderfolgenden Nächte, in denen Nachtarbeit geleistet wird, sollten möglichst wenige Nachtschichten aufeinanderfolgen. Dem steht nicht entgegen, dass viele Schichtarbeitnehmer, die in einem Rhythmus von fünf und mehr aufeinanderfolgenden Nachtschichten arbeiten, subjektiv den Eindruck haben, dass sich ihr Körper der Nachtschicht besser anpasst. Das trifft nicht zu (vgl. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Leitfaden zur Einführung und Gestaltung von Nacht- und Schichtarbeit 9. Aufl. S. 12 f.; Langhoff/Satzer Gutachten zu arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen zu Nachtarbeit und Nachtschichtarbeit S. 32). Aufeinanderfolgende Nachtschichten sind besonders schädlich, obwohl sich Arbeitnehmer typabhängig unterschiedlich gut an die Nachtarbeit anpassen (BAG 9. Dezember 2020 – 10 AZR 334/20 – Rn. 72, BAGE 173, 205; 9. Dezember 2015 – 10 AZR 423/14 – Rn. 17, BAGE 153, 378; 11. Dezember 2013 – 10 AZR 736/12 – Rn. 19 f. mwN, BAGE 147, 33; vgl. Langhoff/Satzer aaO S. 36). Bislang ist nicht belegt, dass aufeinanderfolgende Nachtschichten signifikant weniger gesundheitsschädlich sind, wenn Arbeitnehmer nach einem Schichtplan eingesetzt werden, der ihnen im Voraus bekannt ist. Nach Amlinger-Chatterjee zeigen extrahierte statistische Daten lediglich eine tendenziell geringere gesundheitliche Belastung, wenn die Arbeitszeiten vorhersagbar sind (Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt S. 52). 49 (dd) Nach diesen Erkenntnissen läge es unter den Aspekten des Gesundheitsschutzes betrachtet näher, die regelmäßig in erheblichem Umfang geleistete Nachtarbeit mit höheren Zuschlägen zu vergüten als die gelegentlich außerhalb von Schichtsystemen geleistete Nachtarbeit (BAG 9. Dezember 2020 – 10 AZR 334/20 – Rn. 70, BAGE 173, 205; aA Höpfner Die Rechtmäßigkeit der tarifvertraglichen Zuschlagsregelungen für geleistete Nachtarbeit am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG S. 31). Jedenfalls können danach Gesundheitsschutzaspekte die im MTV vorgenommene Differenzierung für sich genommen sachlich nicht rechtfertigen. 50 (4) Dafür, dass der Zuschlag für unregelmäßige Nachtarbeit – so die Beklagte – auch den Zweck habe, einen Ausgleich für Mehrarbeit zu gewähren, die in der Regel mit unregelmäßiger Nachtarbeit verbunden sei, ergeben sich aus dem MTV – wie ausgeführt (Rn. 37) – keine Anhaltspunkte. 51 (5) Soweit die Beklagte darauf hinweist, unregelmäßige Nachtarbeit falle sehr viel seltener an als regelmäßige (Schicht-)Nachtarbeit und betreffe insoweit nur eine geringe Anzahl von Arbeitnehmern, ergibt sich auch aus einem solchen Ausnahmecharakter für sich genommen kein sachlicher Grund, der die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnte. Der mögliche Ausnahmecharakter wäre zwar ein Umstand, der auf einen bestimmten Zweck der Leistung hindeuten kann, nicht aber ein selbständiger Zweck, der mit der Tarifregelung verfolgt wird. Auch die Größe der jeweils betroffenen Arbeitnehmergruppe – sollte die Beklagte hierauf abstellen – vermag die Begünstigung einer Mehrheit oder Minderheit allein nicht zu rechtfertigen. Denn Ungleichbehandlungen sind – dem Grundgedanken des Gleichheitsgebots folgend – unabhängig von der Größe der betroffenen Gruppen zu vermeiden. 52 (6) Ein Sachgrund ergibt sich aber aus dem von den Tarifvertragsparteien mit dem höheren Nachtarbeitszuschlag ebenfalls verfolgten Zweck, gerade die Belastungen durch die schlechter vorhersehbaren und somit schlechter planbaren Nachtarbeitszeiten bei unregelmäßiger Nachtarbeit auszugleichen. Dieser Zweck hat auch ausreichend Niederschlag im MTV gefunden. 53 (a) § 7 Nr. 1 MTV benennt nicht ausdrücklich, welchem Zweck die höheren Zuschläge für unregelmäßige Nachtarbeit dienen. Durch die Gegenüberstellung des Begriffspaares „regelmäßig“ und „unregelmäßig“ im Zusammenhang mit der Nachtarbeit lässt sich der damit verbundene weitere Zweck aber aus der Tarifnorm erkennen. 54 (aa) „Regelmäßig“ bedeutet „einer bestimmten festen Ordnung, Regelung (die besonders durch zeitlich stets gleiche Wiederkehr, gleichmäßige Aufeinanderfolge gekennzeichnet ist) entsprechend, ihr folgend“ (www.duden.de Stichwort „regelmäßig“, zuletzt abgerufen am 20. Februar 2023). Unregelmäßig bedeutet das Gegenteil, folgt gerade keiner Regel und erfolgt in ungleichen Abständen (www.duden.de Stichwort „unregelmäßig“, zuletzt abgerufen am 20. Februar 2023; vgl. zu diesem Begriffspaar auch BAG 19. September 2007 – 4 AZR 617/06 – Rn. 16). Bei typisierender Betrachtung folgt hieraus, dass regelmäßige Nachtarbeit besser vorhersehbar und planbar ist als unregelmäßige Nachtarbeit. Das gilt unabhängig davon, wie oft regelmäßige Nachtarbeit geleistet wird. Typischerweise werden bei dieser Art der Nachtarbeit (Schicht-)Pläne mit zeitlichem Vorlauf aufgestellt, die einem gewissen Rhythmus folgen. Deshalb ist es auch besser möglich, dass der Arbeitnehmer sich auf diese regelmäßig geschuldete Arbeitsleistung einstellt und sein privates Umfeld ggf. darauf ausrichtet. Unregelmäßige Nachtarbeit richtet sich dagegen nicht nach festen Regeln, sondern folgt üblicherweise einem weniger vorhersehbaren Bedarf (BAG 9. Dezember 2020 – 10 AZR 332/20 (A) – Rn. 130, BAGE 173, 165). 55 (bb) Mit Blick auf die Gegenüberstellung des Begriffspaares „regelmäßig“ und „unregelmäßig“ kann deshalb davon ausgegangen werden, dass die Tarifvertragsparteien angenommen haben, unregelmäßige Nachtarbeit sei aufgrund der typischerweise gegebenen Unvorhersehbarkeit schlechter planbar und mit ihr seien neben der gesundheitlichen Belastung durch die Nachtarbeit weitere Belastungen verbunden. Wird unregelmäßige Nachtarbeit geleistet, werden diese mit dem höheren Nachtarbeitszuschlag finanziell kompensiert (zur anders gelagerten Belastung vgl. auch BAG 11. Dezember 2013 – 10 AZR 736/12 – Rn. 23, BAGE 147, 33). Dies entspricht dem langjährigen Begriffsverständnis in der Rechtsprechung zur Differenzierung bei Zuschlägen für regelmäßige und unregelmäßige bzw. planbare und unplanbare Nachtarbeit auch bereits vor Abschluss des hier maßgeblichen MTV. Dieses ging dahin, „unregelmäßige“ Nachtarbeit sei weniger vorhersehbar und die ungeplante und nicht vorhersehbare Heranziehung bringe eine weitere, anders gelagerte Belastung – nicht unbedingt gesundheitlicher Art – mit sich (vgl. BAG 4. Juli 1973 – 4 AZR 475/72 -; 26. September 2007 – 5 AZR 808/06 – Rn. 31 ff.; 11. Dezember 2013 – 10 AZR 736/12 – aaO). Es ist davon auszugehen, dass diese Rechtsprechung den Tarifvertragsparteien bekannt war und dieses Verständnis sich auch in der hier streitgegenständlichen Regelung widerspiegelt (zur Fortführung eines bestimmten Begriffs durch die Tarifvertragsparteien vgl. zB BAG 24. März 2010 – 10 AZR 58/09 – Rn. 22, BAGE 134, 34). 56 (b) Der Zweck des Ausgleichs der schlechteren Planbarkeit der unregelmäßigen Nachtarbeit vermag die Ungleichbehandlung bei der Zuschlagshöhe zu rechtfertigen. Es handelt sich um einen sachlich vertretbaren Grund. Dabei ist unerheblich, dass mit der tariflichen Zuschlagsregelung des MTV mehrere Zwecke gebündelt verfolgt werden und wie der weitere Zweck von den Tarifvertragsparteien finanziell bewertet wird. 57 (aa) Die Tarifvertragsparteien sind grundsätzlich frei darin, in Ausübung ihrer grundrechtlich geschützten autonomen Regelungsmacht den Zweck einer tariflichen Leistung zu bestimmen. Es ist ihnen überlassen, die ihrer Ansicht nach auftretenden, prognostizierten Probleme in Bezug auf unregelmäßige Nachtarbeit im Vergleich zur regelmäßigen Nachtarbeit mit einem höheren Zuschlag zu vergüten. Den Gerichten ist eine eigene Bewertung nicht vorbehalten. Sie dürfen ihre Gerechtigkeitsvorstellungen nicht an die Stelle derjenigen der Tarifvertragsparteien setzen. Gleiches gilt für die Frage, mit welcher Regelungstechnik die Tarifvertragsparteien ihre Zwecksetzung im Tarifvertrag umsetzen wollen. So können die verschiedenen Erschwernisse mit getrennten Zuschlägen bedacht werden, was im Hinblick auf die Erkennbarkeit ihrer jeweiligen Zwecksetzung sicherlich vorzugswürdig ist. Ebenso ist es aber möglich, mit einem Zuschlag mehrere Zwecke zu verbinden und diese als sachlichen Grund für eine Ungleichbehandlung heranzuziehen, solange diese Zwecke aus den Tarifregelungen erkennbar sind (Rn. 20 f.). 58 (bb) Entgegen der Auffassung der Klägerseite gilt für Zuschläge, die auch dem Ausgleich der durch Nachtarbeit hervorgerufenen Erschwernisse dienen, nichts anderes. Weder § 6 Abs. 5 ArbZG noch andere Arbeitsschutzbestimmungen schreiben vor, dass Ausgleichsregelungen für Nachtarbeit ausschließlich diesem Zweck dienen müssen. Erforderlich, aber auch ausreichend ist vielmehr, dass durch den Tarifvertrag ein angemessener Ausgleich für Nachtarbeit gewährt wird (Rn. 25). Letzteres schließt aber nicht aus, dass mit einem einheitlichen Zuschlag auch weitere Zwecksetzungen, die nicht dem Gesundheitsschutz dienen, verbunden sind, wenn diese ihren Niederschlag in den Tarifregelungen gefunden haben. 59 (cc) Auch die schlechtere Planbarkeit von unregelmäßiger Nachtarbeit ausgleichen zu wollen, genügt, um die unterschiedlichen Zuschlagshöhen für regelmäßige und unregelmäßige Nachtarbeit zu rechtfertigen (vgl. BAG 11. Dezember 2013 – 10 AZR 736/12 – Rn. 22 f., BAGE 147, 33; Bayreuther RdA 2022, 290, 301; Creutzfeldt/Eylert ZFA 2020, 239, 270 f.; Temming jurisPR-ArbR 51/2022 Anm. 3 zu D; Höpfner Die Rechtmäßigkeit der tarifvertraglichen Zuschlagsregelungen für geleistete Nachtarbeit am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG S. 21; aA Brandt/Lueken HSI-Report 3/2022 S. 5, 11 f.; Kohte Gutachten zu Nachtarbeitszuschlagsregelungen S. 35 ff.). 60 (aaa) Ein tarifvertraglicher Zuschlag kann den Zweck verfolgen, die Einbuße der Dispositionsmöglichkeit über die Freizeit zu belohnen und Arbeitgeber von Eingriffen in den geschützten Freizeitbereich der Arbeitnehmer abzuhalten (vgl. BAG 19. Dezember 2018 – 10 AZR 231/18 – Rn. 67, BAGE 165, 1). Da unregelmäßige Nachtarbeit weniger planbar ist, greift sie in dem Moment, in dem sie anfällt, stärker in das soziale Leben ein als regelmäßige und damit vorhersehbare Nachtarbeit, soweit die Teilhabe am sozialen Leben eine zeitliche Koordination mit anderen Vorhaben erfordert. Bei regelmäßiger – planbarer – Nachtarbeit können außerberufliche, insbesondere familiäre Verpflichtungen koordiniert, Verabredungen getroffen und die Freizeitplanung hieran ausgerichtet verlässlich gestaltet werden (vgl. BAG 11. Dezember 2013 – 10 AZR 736/12 – Rn. 22 f., BAGE 147, 33; vgl. auch Kohte Gutachten zu Nachtarbeitszuschlagsregelungen S. 40: „[D]ie soziale Desynchronisation kann … bei nicht planmäßiger Nachtarbeit eine etwas stärkere Wirkung haben …“). Das ist bei unregelmäßiger Nachtarbeit schwieriger. Gleichzeitig beweisen die Arbeitnehmer bei unregelmäßiger Nachtarbeit eine größere Flexibilität. Ein Ausgleich für schlechter planbare Arbeitszeiten ist legitim, unabhängig davon, dass mit Nachtarbeit erhöhte Gesundheitsgefahren verbunden sind. Der höhere Zuschlag für unregelmäßige Nachtarbeit dient – wie dargelegt (vgl. Rn. 52 ff.) – auch dem Zweck, diese besonderen Belastungen durch die Nachtarbeit zu kompensieren. 61 (bbb) Diese Aspekte konnten die Tarifvertragsparteien bei der Regelung unterschiedlich hoher Nachtarbeitszuschläge berücksichtigen. Soweit der Senat in der Entscheidung vom 21. März 2018 (- 10 AZR 34/17 – Rn. 52, BAGE 162, 230) ausführt, die Teilhabe am sozialen Leben sei bei regelmäßiger Nachtarbeit jedenfalls genauso betroffen wie bei unregelmäßiger Nachtarbeit, steht dies nicht entgegen. Es geht hier nicht um den Aspekt der Betroffenheit im Allgemeinen, sondern darum, dass unregelmäßige Nachtarbeit weniger planbar ist und dass sie, wenn sie anfällt, im privaten Umfeld größere Probleme zu verursachen vermag als voraussehbare regelmäßige Nachtarbeit. 62 (ccc) Ob – wie die Klägerin meint – ein Zweck, der dem Gesundheitsschutz zuwiderlaufen würde, kein rechtfertigender Grund für eine Ungleichbehandlung sein kann, bedarf keiner Entscheidung. Denn das ist vorliegend nicht der Fall. Der erhöhte Zuschlag für unregelmäßige Nachtarbeit stellt keinen Anreiz dar, solche Arbeiten vermehrt ausführen zu lassen. Vielmehr wird der ökonomisch handelnde Arbeitgeber versuchen, diese möglichst zu vermeiden. 63 (dd) Das Ausmaß der Differenz der Zuschläge für regelmäßige und unregelmäßige Nachtarbeit ist für die Beurteilung, ob ein Sachgrund die unterschiedliche Behandlung trägt, nicht von Bedeutung. Die Tarifautonomie schließt eine Angemessenheitsprüfung insoweit aus. Ergibt – wie hier – die Auslegung der tarifvertraglichen Regelungen, dass mit dem höheren Nachtarbeitszuschlag für unregelmäßige Nachtarbeit ein weiterer Zweck verfolgt wird, der nicht dem Ausgleich der besonderen Belastungen durch Nachtarbeit dient, ist es den Tarifvertragsparteien überlassen, die Höhe dafür nach ihrem Ermessen festzulegen. Nach der Konzeption des Grundgesetzes ist die Festlegung der Höhe des Entgelts grundsätzlich den Tarifvertragsparteien übertragen, weil dies nach Überzeugung des Verfassungsgebers zu sachgerechteren Ergebnissen als eine staatlich beeinflusste Lohnfindung führt (BAG 15. April 2015 – 4 AZR 796/13 – Rn. 32, BAGE 151, 235; 25. Januar 2012 – 4 AZR 147/10 – Rn. 32 mwN, BAGE 140, 291; vgl. auch Höpfner Die Rechtmäßigkeit der tarifvertraglichen Zuschlagsregelungen für geleistete Nachtarbeit am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG S. 25 – „Kernelement der Tarifautonomie“). Dies umfasst die Bewertung von Erschwernissen, die ausgeglichen werden sollen. Dabei haben die Tarifvertragsparteien auch die Befugnis, Regelungen zu treffen, die den Betroffenen ungerecht und Außenstehenden nicht zwingend sachgerecht erscheinen mögen (BAG 25. Januar 2012 – 4 AZR 147/10 – aaO). Soweit die Entscheidung des Senats vom 21. März 2018 (- 10 AZR 34/17 – Rn. 45 ff., BAGE 162, 230) so verstanden werden könnte, dass auch bei Vorliegen eines weiteren Zwecks die Höhe der Differenz für die Bewertung einer möglichen Gleichheitswidrigkeit von Bedeutung ist, wird daran nicht festgehalten. 64 3. Die Klägerin hat schließlich auch keinen Anspruch auf den höheren Nachtarbeitszuschlag, weil die tarifvertragliche Differenzierung zwischen regelmäßiger und unregelmäßiger Nachtarbeit gegen Art. 20 und 21 GRC verstieße. Der EuGH, dem nach Art. 267 AEUV die Aufgabe der verbindlichen Auslegung von Unionsrecht zugewiesen ist, hat auf die Vorlage des Senats vom 9. Dezember 2020 (- 10 AZR 332/20 (A) – BAGE 173, 165) entschieden, dass mit einer tarifvertraglichen Regelung, die für unregelmäßige Nachtarbeit einen höheren Vergütungszuschlag vorsieht als für regelmäßige Nachtarbeit, die Richtlinie 2003/88/EG nicht iSv. Art. 51 Abs. 1 GRC durchgeführt wird (vgl. EuGH 7. Juli 2022 – C-257/21 und C-258/21 – [Coca-Cola European Partners Deutschland] Rn. 45 ff.). Damit kommen die Bestimmungen der GRC vorliegend nicht zum Tragen. 65 III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 iVm. § 97 Abs. 1 ZPO.              W. Reinfelder                  Nowak                  Günther-Gräff                                    A. Effenberger                  Frankenberg" bag_12-22,16.03.2022,"16.03.2022 12/22 - Unwirksamkeit der Betriebsratswahl 2018 bei Volkswagen Nutzfahrzeuge in Hannover Die im Frühjahr 2018 bei der Volkswagen AG am Standort Hannover-Stöcken durchgeführte Betriebsratswahl war unwirksam. Die Volkswagen AG betreibt am Standort Hannover-Stöcken ein Werk zur Herstellung von Nutzfahrzeugen. Das mehrere Hektare große Werksgelände ist von einem geschlossenen Werkszaun umgeben; der Zugang erfolgt durch vom Werkschutz kontrollierte Tore. Außerhalb des umzäunten Geländes befinden sich weitere Betriebsstätten, die dem Werk Hannover-Stöcken organisatorisch zugeordnet sind und von dem dort gewählten Betriebsrat vertreten werden. Bei der im April 2018 durchgeführten Betriebsratswahl hatte der Wahlvorstand für die Arbeitnehmer sämtlicher außerhalb des geschlossenen Werksgeländes liegender Betriebsstätten die schriftliche Stimmabgabe (Briefwahl) beschlossen. Drei dieser Betriebsstätten liegen unmittelbar angrenzend an das umzäunte Werksgelände. Nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses haben neun wahlberechtigte Arbeitnehmer die Wahl angefochten und ua. geltend gemacht, die Briefwahl habe nicht für sämtliche außerhalb des geschlossenen Werksgeländes liegende Betriebsstätten beschlossen werden dürfen. Die Vorinstanzen haben die Betriebsratswahl für unwirksam erklärt. Die hiergegen gerichteten Rechtsbeschwerden des Betriebsrats und der Arbeitgeberin blieben vor dem Siebten Senat des Bundesarbeitsgerichts ohne Erfolg. Der Wahlvorstand kann die schriftliche Stimmabgabe nur für räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernte Betriebsteile und Kleinstbetriebe beschließen.1 Im vorliegenden Fall war der Wahlvorstand – selbst unter Berücksichtigung eines ihm zustehenden Beurteilungsspielraums – zu Unrecht davon ausgegangen, dass diese Voraussetzung auch bei den drei unmittelbar an das umzäunte Werksgelände angrenzenden Betriebsstätten erfüllt ist. Dieser Fehler konnte das Wahlergebnis auch beeinflussen. 1vgl. § 24 Abs. 3 der Ersten Verordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes (Wahlordnung – WO).   Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 16. März 2022 – 7 ABR 29/20 – Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Beschluss vom 3. September 2020 – 4 TaBV 45/19 – Hinweis: Die heutige Entscheidung über die Unwirksamkeit der im Jahr 2018 durchgeführten Betriebsratswahl hat keine Auswirkungen auf die bis dahin vom Betriebsrat vorgenommenen Rechtshandlungen.","Tenor Die Rechtsbeschwerden des Betriebsrats und der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 3. September 2020 – 4 TaBV 45/19 – werden zurückgewiesen. Leitsatz Die generelle Anordnung der schriftlichen Stimmabgabe für bestimmte Betriebsstätten nach § 24 Abs. 3 WO (juris: BetrVGDV1WO) ist nur für zum Wahlbetrieb gehörende, räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernte Betriebsteile oder Kleinstbetriebe zulässig. Entscheidungsgründe 1 A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl. 2 Die zu 11. beteiligte Arbeitgeberin ist ein Unternehmen der Automobilindustrie. Sie betreibt am Standort H unter der Anschrift M-Straße 74 einen Betrieb zur Herstellung von Nutzfahrzeugen mit mehr als 10.000 Beschäftigten. Für diesen Betrieb fand in der Zeit vom 17. bis 19. April 2018 eine Betriebsratswahl statt, aus der der zu 10. beteiligte, aus 41 Mitgliedern bestehende Betriebsrat hervorgegangen ist. Die zu 1. bis 9. beteiligten Antragsteller sind im Werk H beschäftigte wahlberechtigte Arbeitnehmer der Arbeitgeberin. 3 Das mehrere Hektare große Werksgelände des Standorts H wird im Süden von der M-Straße, im Norden von der H-Straße, im Westen von der S-Straße und im Osten durch die S-er Landstraße begrenzt. Es ist von einem geschlossenen Werkszaun umgeben; der Zugang erfolgt durch vom Werkschutz kontrollierte Tore. Außerhalb des umzäunten Betriebsgeländes befinden sich noch weitere Betriebsstätten, die dem Werk H organisatorisch zugeordnet sind und deren Arbeitnehmer von dem dort gewählten Betriebsrat vertreten werden. Dabei handelt es sich ua. um den Originalteileversand unter der Adresse H-Straße 24, die Jahreswagenvermittlung unter der Adresse H-Straße 51 sowie das „Neue Kundencenter“ in „Halle 42“ unter der Adresse M-Straße 74. Diese drei Bereiche liegen unmittelbar außerhalb des Werkszauns. Daneben unterhält die Arbeitgeberin noch weitere dem Betrieb H zugeordnete Betriebsstätten, die vom Werksgelände mehrere Kilometer entfernt sind. 4 Der für die im Jahr 2018 durchzuführende Betriebsratswahl eingesetzte Wahlvorstand beschloss am 4. Dezember 2017 die schriftliche Stimmabgabe für alle Betriebsteile und Betriebe, die außerhalb des umschlossenen Werksgeländes liegen, und gab dies im ausgehängten Wahlausschreiben vom 15. Januar 2018 bekannt. Nach dem Wahlausschreiben sollte die Wahl durchgehend in der Zeit von Dienstag, den 17. April 2018, 9:00 Uhr bis Donnerstag, den 19. April 2018, 9:00 Uhr innerhalb des umzäunten Werksgeländes im O-Saal in Sektor 9, Hallengeschoss durchgeführt werden. 5 Die Arbeitgeberin sandte am 11. April 2018 an die jeweils verantwortlichen Führungskräfte in den auswärtigen Betriebsstätten und Kleinstbetrieben eine E-Mail, in der es auszugsweise wie folgt heißt:          „…             in der Zeit vom 17.04.2018 bis zum 19.04.2018 findet die Betriebsratswahl am Standort H statt. Grundsätzlich ist bei der Betriebsratswahl die persönliche Stimmabgabe vorgesehen. Für Mitarbeiter/innen in Betriebsteilen außerhalb des Werksgeländes hat der Wahlvorstand entschieden, abweichend vom Grundsatz die Stimmabgabe per Briefwahl durchzuführen. Das trifft auf Ihre Organisationseinheit zu. Die Briefwahlunterlagen sind bereits zugestellt worden.          Sollte sich abweichend vom Vorschlag der Briefwahl ein/e Mitarbeiter/in dafür entscheiden, den Stimmzettel persönlich im Wahllokal abzugeben, so ermöglichen Sie bitte, dass der/die Mitarbeiter/in zum Wahllokal gebracht wird.          …“    6 Zur Wahl wurden vom Wahlvorstand fünf Vorschlagslisten zugelassen. Von 96 wahlberechtigten Arbeitnehmern im „Neuen Kundencenter“ wählten 46 Arbeitnehmer im Wege der schriftlichen Stimmabgabe, während sich elf Wahlberechtigte für die persönliche Stimmabgabe entschieden. Das Wahlergebnis wurde am 2. Mai 2018 bekannt gegeben. Danach wurden 10.695 Stimmen abgegeben. Von 10.495 gültigen Stimmen entfielen auf den Wahlvorschlag mit dem Kennwort „I“ 9.188 Stimmen, auf die Liste „Frischer Wind“ 355 Stimmen, auf den Wahlvorschlag mit dem Kennwort „C S“ 436 Stimmen, auf den Wahlvorschlag mit dem Kennwort „C“ 294 Stimmen und auf den Wahlvorschlag mit dem Kennwort „Achtung! Respekt für Metaller, lieber einen Volxbetriebsrat!“ 222 Stimmen. Nach der nach dem d’Hondtschen Höchstzahlverfahren vorgenommenen Sitzverteilung erhielt die Liste „I“ 38 von 41 Betriebsratssitzen. Auf die Listen „Frischer Wind“, „C S“ und „C“ entfiel jeweils ein Sitz. Die Liste mit dem Kennwort „Achtung! Respekt für Metaller, lieber einen Volxbetriebsrat!“ blieb ohne Betriebsratssitz. Die Amtszeit des im April 2018 gewählten Betriebsrats begann am 2. Mai 2018. 7 Mit beim Arbeitsgericht am 15. bzw. 16. Mai 2018 in drei gesonderten Beschlussverfahren eingegangenen Antragsschriften haben die Antragsteller die Betriebsratswahl angefochten. Das Arbeitsgericht hat die drei Beschlussverfahren unter Führung des vorliegenden Verfahrens verbunden. In den jeweiligen Antragsschriften haben die Antragsteller ua. übereinstimmend unter näherer Begründung geltend gemacht, der Wahlvorstand habe mehrere von dem Antragsteller zu 1. eingereichte Wahlvorschläge zu Unrecht nicht zur Wahl zugelassen. Soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Bedeutung haben die Antragsteller im weiteren Verlauf des Verfahrens zudem gerügt, für die außerhalb des geschlossenen Werksgeländes liegenden Betriebsteile und Kleinstbetriebe habe die schriftliche Stimmabgabe nicht beschlossen werden dürfen, da diese nicht – wie es § 24 Abs. 3 der Ersten Verordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes in der hier maßgeblichen bis zum 14. Oktober 2021 geltenden Fassung (Wahlordnung – WO) verlange – räumlich weit vom Betrieb entfernt, sondern unmittelbar benachbart seien. 8 Die Antragsteller haben beantragt,          die Betriebsratswahl bei der Arbeitgeberin im Betrieb H, die dort vom 17. bis 19. April 2018 durchgeführt wurde, für unwirksam zu erklären. 9 Der Betriebsrat und die Arbeitgeberin haben beantragt, den Antrag abzuweisen. Sie haben den Standpunkt eingenommen, die Entscheidung des Wahlvorstands, für die außerhalb des umschlossenen Werksgeländes liegenden Kleinstbetriebe und Betriebsteile die schriftliche Stimmabgabe durchzuführen, habe im Rahmen des ihm zustehenden Ermessensspielraums gelegen. Der Wahlvorstand habe berücksichtigt, dass Beschäftigte der außerhalb des Werksgeländes liegenden Bereiche eine Absperrung mit Identitätsfeststellung und gelegentlicher Taschenkontrolle überwinden müssten, um an der Wahl teilzunehmen. Zudem sei auf die nicht unerhebliche Laufstrecke zum Wahllokal abzustellen. Der Wahlvorstand habe sich auch darauf verlassen dürfen, dass die Frage der schriftlichen Stimmabgabe für die außerhalb des Werksgeländes liegenden Betriebsstätten in der Vergangenheit in vom Antragsteller zu 1. und dessen Unterstützern betriebenen Wahlanfechtungsverfahren gerichtlich nicht beanstandet worden sei. Die Übersendung von Briefwahlunterlagen an die Beschäftigten in den außerhalb des umzäunten Werksgeländes liegenden Betriebsstätten habe jedenfalls keine Auswirkung auf das Wahlergebnis gehabt. Die Briefwahl sei keine „schlechtere“ Form der Wahl. Den betroffenen wahlberechtigten Personen sei die gleichwohl bestehende Möglichkeit der Urnenwahl bekannt gewesen. 10 Das Arbeitsgericht hat die Betriebsratswahl für unwirksam erklärt. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerden des Betriebsrats und der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Mit ihren Rechtsbeschwerden verfolgen der Betriebsrat und die Arbeitgeberin ihren jeweiligen Abweisungsantrag weiter. Die Antragsteller beantragen, die Rechtsbeschwerden zurückzuweisen. Während des Rechtsbeschwerdeverfahrens fand im Betrieb H in der Zeit vom 1. bis zum 3. März 2022 die turnusmäßige Neuwahl des Betriebsrats statt. 11 B. Die Rechtsbeschwerden des Betriebsrats und der Arbeitgeberin sind unbegründet. 12 I. Sie haben nicht deshalb Erfolg, weil der Wahlanfechtungsantrag im Verlauf des Rechtsbeschwerdeverfahrens unzulässig geworden ist. Das ist nicht der Fall. Die in der Zeit vom 1. bis zum 3. März 2022 durchgeführte Neuwahl des Betriebsrats hat das Rechtsschutzinteresse an der begehrten Entscheidung bis zum Zeitpunkt der Senatsentscheidung am 16. März 2022 nicht entfallen lassen. 13 1. Das Bestehen eines Rechtsschutzinteresses ist Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Sachentscheidung des Gerichts und deshalb in jeder Lage des Verfahrens, auch noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz, von Amts wegen zu prüfen. Das Rechtsschutzinteresse fehlt, wenn die begehrte gerichtliche Entscheidung für die Beteiligten keine rechtliche Wirkung mehr entfalten kann (BAG 20. Juni 2018 – 7 ABR 48/16 – Rn. 15). Endet die Amtszeit des gewählten Betriebsrats im Verlauf des Wahlanfechtungsverfahrens nach einer Neuwahl, entfällt das Rechtsschutzinteresse für die Anfechtung der Wahl. Eine die Wahl für unwirksam erklärende gerichtliche Entscheidung könnte sich für die Beteiligten nicht mehr auswirken, da die erfolgreiche Anfechtung der Wahl nach § 19 BetrVG nur für die Zukunft wirkt (vgl. BAG 9. September 2015 – 7 ABR 47/13 – Rn. 13; 27. Juli 2011 – 7 ABR 61/10 – Rn. 32, BAGE 138, 377; für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung BAG 18. März 2015 – 7 ABR 6/13 – Rn. 17). 14 2. Das Rechtsschutzinteresse für den Wahlanfechtungsantrag ist nicht entfallen, denn im Zeitpunkt der Senatsentscheidung am 16. März 2022 war die Amtszeit des im Jahr 2018 gewählten Betriebsrats nicht beendet. 15 a) Die regelmäßige Amtszeit des Betriebsrats beträgt nach § 21 Satz 1 BetrVG vier Jahre. Sie beginnt nach § 21 Satz 2 BetrVG mit der Bekanntgabe des Wahlergebnisses oder, wenn zu diesem Zeitpunkt noch ein Betriebsrat besteht, mit Ablauf von dessen Amtszeit. Die Amtszeit endet bei Betriebsräten, die innerhalb des regelmäßigen Wahlzeitraums eines Wahljahres gemäß § 13 Abs. 1 BetrVG gewählt worden sind und deren Amtszeit innerhalb dieses Wahlzeitraums begonnen hat, mit Fristablauf. Beginn und Ende der Vierjahresfrist sind nach §§ 187 ff. BGB zu berechnen (BAG 23. Mai 2018 – 7 ABR 14/17 – Rn. 21, BAGE 163, 1). 16 b) Nach den Angaben der Beteiligten im Rechtsbeschwerdeverfahren begann die Amtszeit des Beteiligten zu 10. innerhalb des regelmäßigen Wahlzeitraums am 2. Mai 2018. Sie endet – ungeachtet der Unwirksamkeit der im April 2018 durchgeführten Betriebsratswahl – mit Ablauf von vier Jahren am 1. Mai 2022 und damit nach dem Zeitpunkt der Senatsentscheidung vom 16. März 2022. Eine die Wahl rechtskräftig für unwirksam erklärende Senatsentscheidung hat mithin das vorzeitige Ende der Amtszeit des 2018 gewählten Betriebsrats zur Folge und wirkt sich für die Beteiligten trotz der vorherigen Neuwahl noch aus, wenn auch nur für einen begrenzten Zeitraum. Es ist nicht ersichtlich, dass einer der Sonderfälle vorliegt, in denen die Amtszeit des gewählten Betriebsrats ausnahmsweise mit Bekanntgabe des Wahlergebnisses des neugewählten Betriebsrats endet (vgl. dazu etwa BAG 15. Februar 2012 – 7 ABN 59/11 – Rn. 4 für den Fall der Neuwahl des Betriebsrats nach vorherigem Rücktritt; vgl. zu diesen Konstellationen auch Fitting BetrVG 31. Aufl. § 21 Rn. 20 ff.). 17 II. Die Vorinstanzen haben die vom 17. bis 19. April 2018 durchgeführte Betriebsratswahl zu Recht für unwirksam erklärt. 18 1. Nach § 19 BetrVG können mindestens drei wahlberechtigte Arbeitnehmer, eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft oder der Arbeitgeber die Betriebsratswahl anfechten, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen wurde und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Die Wahlanfechtung muss innerhalb von zwei Wochen ab der Bekanntgabe des Wahlergebnisses erfolgen. 19 2. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. 20 a) Die formellen Voraussetzungen der Wahlanfechtung liegen vor. 21 aa) Die neun Antragsteller sind wahlberechtigte Arbeitnehmer des Betriebs und daher nach § 19 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BetrVG zur Wahlanfechtung berechtigt. Die zweiwöchige Anfechtungsfrist ist gewahrt. Die Wahlanfechtungsanträge sind am 15. bzw. 16. Mai 2018 und damit innerhalb der Anfechtungsfrist von zwei Wochen nach der am 2. Mai 2018 erfolgten Bekanntmachung des Wahlergebnisses beim Arbeitsgericht eingegangen. 22 bb) Die Antragsteller haben ihre zunächst in gesonderten Verfahren angebrachten Wahlanfechtungsanträge innerhalb der zweiwöchigen Anfechtungsfrist hinreichend begründet. Sie haben darin ua. geltend gemacht, bei der Wahl sei gegen Vorschriften über das Wahlrecht verstoßen worden, weil der Wahlvorstand mehrere von dem Beteiligten zu 1. eingereichte Wahlvorschläge zu Unrecht nicht zur Wahl zugelassen habe. Bereits damit haben sie einen betriebsverfassungsrechtlich erheblichen Grund vorgetragen, der möglicherweise die Anfechtung rechtfertigt. Ist innerhalb der Anfechtungsfrist ein solcher Sachverhalt vorgetragen worden, sind auch alle später nachgeschobenen Gründe zu prüfen, die die Anfechtbarkeit der Wahl begründen können (BAG 2. August 2017 – 7 ABR 42/15 – Rn. 19, BAGE 160, 27). 23 b) Die materiellen Voraussetzungen einer Wahlanfechtung nach § 19 Abs. 1 BetrVG liegen ebenfalls vor. 24 aa) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Wahlvorstand gegen die wesentliche Wahlverfahrensvorschrift des § 24 Abs. 3 WO verstoßen hat, indem er die schriftliche Stimmabgabe für sämtliche außerhalb des umschlossenen Werksgeländes liegende Betriebsteile und Kleinstbetriebe beschlossen hat. 25 (1) Nach § 24 Abs. 3 WO kann der Wahlvorstand für Betriebsteile und Kleinstbetriebe, die räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt sind, die schriftliche Stimmabgabe beschließen. Danach ist die generelle Anordnung der schriftlichen Stimmabgabe für bestimmte Betriebsbereiche nicht in das Ermessen des Wahlvorstands gestellt, sondern nur für solche zum Wahlbetrieb gehörenden Betriebsteile oder Kleinstbetriebe zulässig, die räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt sind (allg. Ansicht, vgl. Richardi/Forst BetrVG 17. Aufl. § 24 WO Rn. 7; Jacobs GK-BetrVG 12. Aufl. Anh. 1 WO § 24 Rn. 2, 13; HaKo-BetrVG/Sachadae 6. Aufl. WO § 24 Rn. 9; zur Anordnung der schriftlichen Stimmabgabe nach § 24 WO insgesamt Fitting BetrVG 31. Aufl. § 24 WO Rn. 2; vgl. zu § 26 Erste Rechtsverordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes vom 1. Januar 1964 – WO 1964 – für die generelle Anordnung der schriftlichen Stimmabgabe zu der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat BAG 27. Januar 1993 – 7 ABR 37/92 – zu B III 2 c der Gründe, BAGE 72, 161). Das ergibt die Auslegung der Vorschrift. 26 (a) Bereits der Wortlaut von § 24 Abs. 3 WO verdeutlicht, dass sich die Anordnung der Briefwahl auf räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernte Betriebsteile oder Kleinstbetriebe beschränken soll. Das durch die Vorschrift eröffnete Ermessen („kann der Wahlvorstand …“) bezieht sich allein auf der Rechtsfolgenseite darauf, ob für die genannten Bereiche die schriftliche Stimmabgabe angeordnet oder der Sachlage mit anderen Maßnahmen, etwa der Einrichtung eines zusätzlichen Wahllokals, Rechnung getragen wird. 27 (b) Gegen ein weitergehendes Verständnis von § 24 Abs. 3 WO sprechen vor allem normsystematische Gesichtspunkte. Der mit „Schriftliche Stimmabgabe“ überschriebene Dritte Abschnitt der WO regelt unter § 24 deren – so auch in der Normbezeichnung ausgewiesen – „Voraussetzungen“. Ist der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Wahl wegen Abwesenheit vom Betrieb verhindert, seine Stimme persönlich abzugeben, kann er auf sein Verlangen hin schriftlich wählen (§ 24 Abs. 1 WO). Von Amts wegen erhalten solche Arbeitnehmer Briefwahlunterlagen, von denen dem Wahlvorstand bekannt ist, dass sie im Zeitpunkt der Wahl voraussichtlich vom Betrieb abwesend sein werden (§ 24 Abs. 2 WO). Diese Konstellationen werden ergänzt durch die dem Wahlvorstand eingeräumte Option nach § 24 Abs. 3 WO, für räumlich weit entfernte Betriebsteile und Kleinstbetriebe die schriftliche Stimmabgabe von Amts wegen zu beschließen. Damit sind die Fälle, in denen die schriftliche Stimmabgabe zulässig ist, abschließend aufgezählt. Die Möglichkeit der Briefwahl soll gerade nicht im Belieben oder Ermessen des Wahlvorstands stehen, sondern nur unter bestimmten Voraussetzungen eröffnet sein. 28 (c) Verordnungshistorische und -systematische Überlegungen stützen diese Interpretation. Der Verordnungsgeber hat die schriftliche Stimmabgabe bei der Wahl des Betriebsrats mit § 26 der Ersten Rechtsverordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes vom 18. März 1953 (BGBl. I S. 58) zunächst nur für Arbeitnehmer vorgesehen, die im Zeitpunkt der Wahl nach der Eigenart ihres Beschäftigungsverhältnisses nicht im Betrieb anwesend sind. Die Möglichkeiten einer schriftlichen Stimmabgabe wurden später schrittweise erweitert und mit § 26 der Ersten Verordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes vom 16. Januar 1972 (BGBl. I S. 49) – welcher im Wesentlichen § 24 WO in der hier maßgeblichen Fassung entsprach – als „Briefwahl auf Verlangen“ (Abs. 1), „Briefwahl ohne besonderes Verlangen“ (Abs. 2) und „Briefwahl kraft Beschlusses bei räumlich weiter Entfernung“ (Abs. 3) gefasst. Demgegenüber erfolgt etwa die Wahl des Seebetriebsrats ausschließlich mittels schriftlicher Stimmabgabe sowie die Wahl der Bordvertretung ausschließlich als Präsenzwahl (vgl. §§ 12 und 46 der Zweiten Durchführungsverordnung zum Betriebsverfassungsgesetz – Wahlordnung Seeschifffahrt – vom 7. Februar 2002 [BGBl. I S. 594]). Das verdeutlicht, dass bei der Wahl des Betriebsrats die Briefwahl insgesamt – also auch bezogen auf Abs. 3 von § 24 WO – nur unter strikter Bindung an die näher festgelegten Maßgaben zulässig ist (ähnlich BAG 27. Januar 1993 – 7 ABR 37/92 – zu B III 2 c der Gründe, BAGE 72, 161). 29 (d) Der Zweck der Vorschrift gebietet dieses Verständnis. Einerseits soll den Arbeitnehmern die Möglichkeit zur Wahl erleichtert werden, wenn die Teilnahme an der Urnenwahl aufgrund der Entfernung ihres Arbeitsortes vom Wahllokal mit unzumutbarem Aufwand verbunden ist (vgl. etwa Jacobs GK-BetrVG 12. Aufl. Anh. 1 WO § 24 Rn. 13). Andererseits trägt die Gestaltung der in § 24 Abs. 1 bis Abs. 3 WO geregelten schriftlichen Stimmabgabe dem Umstand Rechnung, dass der durch § 14 Abs. 1 BetrVG gewährleistete Grundsatz der geheimen Wahl, wonach die Stimmabgabe des Wählers keinem anderen bekannt werden darf, bei der Briefwahl größeren Gefahren ausgesetzt ist als bei der Urnenwahl. Der Grundsatz der geheimen Wahl ist insbesondere durch das Verfahren über die Stimmabgabe, den Wahlvorgang und die Stimmauszählung in §§ 11 ff. WO formalisiert und unabdingbar ausgestaltet (BAG 20. Januar 2021 – 7 ABR 3/20 – Rn. 20 mwN). Bei der schriftlichen Stimmabgabe ist es dem Wählenden zwar dadurch selbst aufgegeben, für die Einhaltung des Wahlgeheimnisses Sorge zu tragen, indem er nach § 25 Satz 1 Nr. 1 WO verpflichtet ist, den Stimmzettel unbeobachtet persönlich zu kennzeichnen und in den Wahlumschlag einzulegen (BAG 20. Januar 2021 – 7 ABR 3/20 – aaO; vgl. zur Wahl der Schwerbehindertenvertretung BAG 21. März 2018 – 7 ABR 29/16 – Rn. 31). Gleichwohl ist nach Ansicht des Verordnungsgebers die Gefahr, dass die Stimmabgabe anderen als dem Wähler bekannt wird, bei der Briefwahl ungleich größer als bei der Urnenwahl, bei welcher der Ablauf der Stimmabgabe der Kontrolle des Wahlvorstands unterliegt. Gerade deshalb hat er die Möglichkeit der generellen Anordnung der schriftlichen Stimmabgabe in Betriebsteilen und Kleinstbetrieben nach § 24 Abs. 3 WO nur eingeschränkt zugelassen. Damit sollen auch Wahlmanipulationen möglichst geringgehalten bzw. ausgeschlossen werden (vgl. zu § 26 WO 1964 BAG 27. Januar 1993 – 7 ABR 37/92 – zu B III 2 c der Gründe, BAGE 72, 161). Die Spannungslage, einerseits mit der Handhabe der Briefwahl eine umfassende Wahlbeteiligung zu erreichen und andererseits der Gefahr einer darin liegenden Missbrauchs- und Manipulationsmöglichkeit zu begegnen, ist mit der strikten Bindung der brieflichen Stimmabgabe an näher definierte Maßgaben aufgelöst und dient dem Ziel, eine sichere und geheime Wahl zu gewährleisten. 30 (2) Bei § 24 Abs. 3 WO handelt es sich in diesem Verständnis um eine wesentliche Wahlvorschrift über das Wahlverfahren iSv. § 19 Abs. 1 BetrVG (Richardi/Forst BetrVG 17. Aufl. § 24 WO Rn. 18; vgl. zu § 26 WO 1964 BAG 27. Januar 1993 – 7 ABR 37/92 – zu B III 2 c der Gründe, BAGE 72, 161). Mit der Vorschrift sind die Voraussetzungen, unter denen die schriftliche Stimmabgabe in ganzen Betriebsteilen und Kleinstbetrieben zulässig ist, abschließend und zwingend festlegt. Verstößt der Wahlvorstand hiergegen, indem er die schriftliche Stimmabgabe auch für nicht räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernte Betriebsteile oder Kleinstbetriebe beschließt, kann dies unter den Voraussetzungen des § 19 BetrVG zur Anfechtung der Betriebsratswahl berechtigen. 31 (3) Allerdings steht dem Wahlvorstand bei seiner Entscheidung, für welche Betriebsteile und Kleinstbetriebe er auf Grundlage von § 24 Abs. 3 WO die schriftliche Stimmabgabe beschließt, ein Beurteilungsspielraum zu. Die Regelung gewährt dem Wahlvorstand eine Einschätzungsprärogative, welche Betriebsteile und Kleinstbetriebe im Sinne der Vorschrift „räumlich weit“ vom Hauptbetrieb entfernt sind. Es ist davon auszugehen, dass der Verordnungsgeber insoweit bewusst von einer konkreten Entfernungsvorgabe abgesehen hat und der Vielgestaltigkeit der Lebenssachverhalte durch die Verwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs („räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt“) Rechnung tragen wollte (vgl. zu einem Beurteilungsspielraum des Wahlvorstands dazu, welchen Zeitraum er voraussichtlich für die nach § 26 Abs. 1 WO gebotenen Handlungen benötigen wird BAG 20. Mai 2020 – 7 ABR 42/18 – Rn. 22). 32 (a) Bei seiner Entscheidung darüber, ob bestimmte Betriebsstätten iSv. § 24 Abs. 3 WO räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt sind, hat der Wahlvorstand zu berücksichtigen, dass der Begriff der räumlich weiten Entfernung in § 24 Abs. 3 WO einen anderen Bedeutungsgehalt hat als der in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG verwendete identische Begriff (Fitting BetrVG 31. Aufl. § 24 WO Rn. 19; Richardi/Forst BetrVG 17. Aufl. § 24 WO Rn. 6; DKW/Homburg 18. Aufl. § 24 WO Rn. 17; HWGNRH-Huke/Nicolai BetrVG 10. Aufl. Anhang II Rn. 143; Jacobs GK-BetrVG 12. Aufl. Anh. 1 WO § 24 Rn. 13; HaKo-BetrVG/Sachadae 6. Aufl. WO § 24 Rn. 9). Anderenfalls liefe die Regelung weitgehend leer, da räumlich weit entfernte Betriebsteile iSv. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG in der Regel ohnehin einen eigenen Betriebsrat zu wählen haben. Voraussetzung einer Anordnung der schriftlichen Stimmabgabe nach § 24 Abs. 3 WO ist, dass der Betriebsteil oder Kleinstbetrieb betriebsverfassungsrechtlich zum Betrieb gehört. Eine Briefwahl käme bei einem identischen Verständnis des in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG und § 24 Abs. 3 WO verwendeten Begriffs nur bei Betriebsteilen in Betracht, die die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nicht erfüllen oder deren Arbeitnehmer mit Stimmenmehrheit nach § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG formlos beschlossen haben, an der Wahl des Betriebsrats im Hauptbetrieb teilzunehmen bzw. bei einer gewillkürten Betriebsverfassung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, Abs. 2 und Abs. 3 BetrVG. Eine Beschränkung auf diese Ausnahmefälle kann § 24 Abs. 3 WO nicht entnommen werden (zutr. Jacobs aaO). Für Betriebsteile, die iSv. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG (noch) nicht räumlich weit entfernt sind, kann daher nach § 24 Abs. 3 WO durchaus ggf. die schriftliche Stimmabgabe beschlossen werden. 33 (b) Angesichts des Regelungszwecks hat der Wahlvorstand seine Einschätzung maßgeblich daran auszurichten, ob es den Arbeitnehmern der außerhalb des Hauptbetriebs liegenden Betriebsstätten zumutbar ist, im Hauptbetrieb persönlich ihre Stimme abzugeben (Fitting BetrVG 31. Aufl. § 24 WO Rn. 19; Richardi/Forst BetrVG 17. Aufl. § 24 WO Rn. 7; DKW/Homburg 18. Aufl. § 24 WO Rn. 17; HWGNRH-Huke/Nicolai BetrVG 10. Aufl. Anhang II Rn. 143; Jacobs GK-BetrVG 12. Aufl. Anh. 1 WO § 24 Rn. 13; HaKo-BetrVG/Sachadae 6. Aufl. WO § 24 Rn. 9). Die Beurteilung der Zumutbarkeit hat der Wahlvorstand zwar nicht allein anhand einer bestimmt festgelegten Anzahl von Entfernungskilometern vorzunehmen. Vielmehr erfordert der Regelungszweck eine Gesamtwürdigung aller Umstände. Allerdings hat der Wahlvorstand zu berücksichtigen, dass die Beschränkung der schriftlichen Stimmabgabe auf „räumlich weit entfernte“ Betriebsstätten auch der Verhinderung von Wahlmanipulationen dient und daher nicht uferlos ausgeweitet werden kann. Nicht zuletzt deshalb hat der Verordnungsgeber mit der Formulierung „räumlich weit entfernt“ deutlich gemacht, dass eine etwaige Unzumutbarkeit der persönlichen Stimmabgabe im Hauptbetrieb in erster Linie aus der geographischen Entfernung der auswärtigen Betriebsstätte vom Hauptbetrieb und dem daraus resultierenden wegebedingten Zusatzaufwand folgen muss. Dem Wahlvorstand ist es daher – auch unter Berücksichtigung einer ihm zuzugestehenden Einschätzungsprärogative – verwehrt, die schriftliche Stimmabgabe allein aus Gründen zu beschließen, die nicht mit der räumlichen Entfernung zwischen auswärtiger Betriebsstätte und Hauptbetrieb und dadurch bedingten zusätzlichen Wegstrecken zusammenhängen. 34 (4) Bei dem Tatbestandsmerkmal der räumlich weiten Entfernung handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Die Würdigung des Beschwerdegerichts, ob der Wahlvorstand auf Grundlage von § 24 Abs. 3 WO für bestimmte Betriebsteile bzw. Kleinstbetriebe die schriftliche Stimmabgabe beschließen durfte, ist in der Rechtsbeschwerdeinstanz nur daraufhin überprüfbar, ob das Landesarbeitsgericht diesen Begriff verkannt hat, gegen Denkgesetze, anerkannte Auslegungs- oder Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Umstände nicht berücksichtigt hat (vgl. zum Begriff der räumlich weiten Entfernung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG BAG 17. Mai 2017 – 7 ABR 21/15 – Rn. 21; 7. Mai 2008 – 7 ABR 15/07 – Rn. 27 mwN). 35 (5) Dieser Überprüfung hält die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stand. 36 (a) Das Landesarbeitsgericht ist von dem zutreffenden Begriff der räumlich weiten Entfernung ausgegangen. Es hat ausgeführt, die Anordnung der schriftlichen Stimmabgabe komme auf Grundlage von § 24 Abs. 3 WO nur in Betracht, wenn es den Arbeitnehmern nicht möglich oder nicht zumutbar sei, ihre Stimme persönlich im Wahllokal abzugeben. Es ist damit zu Recht davon ausgegangen, die Entscheidung über die schriftliche Stimmabgabe liege nicht im Ermessen des Wahlvorstands. 37 (b) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts befinden sich die Bereiche Originalteileversand (H-Straße 24), die Jahreswagenvermittlung (H-Straße 51) sowie das „Neue Kundencenter“ (M-Straße 74, Halle 42), für die ua. die schriftliche Stimmabgabe beschlossen wurde, unmittelbar außerhalb des Werkszauns des Hauptbetriebs. Nach den vom Landesarbeitsgericht in den Gründen seiner Entscheidung durch eine Bezugnahme auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts weiter getroffenen Feststellungen (vgl. zur Rechtswirkung von Feststellungen in den Beschlussgründen BAG 13. November 2019 – 4 ABR 3/19 – Rn. 27) sind diese Bereiche nur wenige Meter bzw. wenige Dutzend Meter vom Zaun des Betriebsgeländes M-Straße 74 entfernt; der zum Wahllokal im O-Saal des Hauptbetriebs (Halle 1, Sektor 9) zurückzulegende Weg vom „Neuen Kundencenter“ in der Halle 42 ist sogar kürzer als für die auf dem Werksgelände in den Hallen 22, 23, 26, 27 und 28 tätigen Wahlberechtigten. Die auf Grundlage dieser Feststellungen vorgenommene Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Wahlvorstand habe nicht für alle außerhalb des Werksgeländes liegenden Betriebsstätten nach § 24 Abs. 3 WO die schriftliche Stimmabgabe beschließen dürfen, weil für die Arbeitnehmer der drei genannten Bereiche die persönliche Stimmabgabe auf dem Werksgelände nicht unzumutbar sei, verstößt angesichts der unmittelbar an das Werksgelände angrenzenden Lage dieser drei Bereiche nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze. In diesem Zusammenhang hat das Landesarbeitsgericht auch rechtsfehlerfrei in erster Linie auf die geringe Entfernung dieser außerhalb des umzäunten Werksgeländes liegenden Betriebsbereiche zur äußeren Grenze des Hauptbetriebs abgestellt, denn der Regelung des § 24 Abs. 3 WO ist immanent, dass die Unzumutbarkeit der Urnenwahl für die Arbeitnehmer der auswärtigen Betriebsbereiche durch die der räumlichen Entfernung geschuldeten zusätzlichen Wegstrecken bedingt sein muss. Auch die vom Landesarbeitsgericht angeführte Hilfserwägung, gegen eine Unzumutbarkeit der persönlichen Stimmabgabe jedenfalls für die Arbeitnehmer des unter derselben Adresse wie das Hauptwerk ansässigen „Neuen Kundencenters“ spreche, dass dieses näher am Wahllokal liege als einige Bereiche innerhalb des umzäunten Werksgeländes, ist nicht zu beanstanden. Insoweit trifft der Einwand der Rechtsbeschwerden nicht zu, sämtliche in den auswärtigen Betriebsstätten beschäftigten Arbeitnehmer hätten große Wegstrecken „um das gesamte Werksgelände herum“ zurücklegen müssen, um auf dieses durch das Haupttor und damit zum Wahllokal gelangen zu können. Diesem Einwand stehen die unangefochtenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts entgegen. Aber auch die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die nur einige Minuten betragenden Wegstrecken für die Arbeitnehmer der anderen beiden betrieblichen Bereiche seien zumutbar, ist angesichts des ohnehin sehr großflächigen Werksgeländes rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden. 38 (c) Keinen rechtsbeschwerderechtlichen Bedenken unterliegt auch, dass das Landesarbeitsgericht den Kontrollen durch den Werkschutz beim Zugang zum Werksgelände und der Behauptung der Arbeitgeberin, beim Passieren der Drehkreuze sei die Zutrittsberechtigung durch Vorlage eines Werksausweises nachzuweisen und ggf. eine Taschenkontrolle durchzuführen, keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen hat. Angesichts der direkt an das Werksgelände angrenzenden Lage der drei genannten Betriebsbereiche durfte der Wahlvorstand nicht allein aufgrund etwaiger Zugangsbeschränkungen zu der Beurteilung gelangen, diese seien iSv. § 24 Abs. 3 WO vom Hauptbetrieb „räumlich weit entfernt“. Ohne Erfolg macht der Betriebsrat mit seiner Rechtsbeschwerde geltend, der Wahlvorstand habe mit der Anordnung der schriftlichen Stimmabgabe für außerhalb des geschlossenen Werksgeländes liegende Bereiche die rechtssicherste und praktikabelste Abgrenzung vorgenommen, welche für alle Beschäftigten einprägsam sei. Diese Aspekte sind für die Beurteilung, ob es den Wahlberechtigten außerhalb des Betriebsgeländes liegender Betriebsbereiche aufgrund der geographischen Lage zumutbar ist, im Hauptbetrieb persönlich ihre Stimme abzugeben, nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Vor allem vermögen sie nicht das Fehlen der von § 24 Abs. 3 WO geforderten räumlich weit entfernten Lage zu kompensieren. 39 (d) Auch der vorinstanzlich angeführte – im Rechtsbeschwerdeverfahren allerdings nicht vertiefte – Einwand, der Wahlvorstand habe wie in der Vergangenheit die schriftliche Stimmabgabe für die außerhalb des umzäunten Werksgeländes liegenden Betriebsteile und Kleinstbetriebe beschließen dürfen, weil ein Verstoß gegen § 24 Abs. 3 WO in früheren Wahlanfechtungsverfahren nicht gerügt worden sei, verfängt nicht. Ein nach § 19 Abs. 1 BetrVG relevanter Wahlfehler wird nicht dadurch unerheblich, dass er bei vergangenen Wahlen nicht gerügt und ggf. deshalb von den Gerichten nicht erkannt und geprüft wurde. 40 bb) Der Verstoß gegen § 24 Abs. 3 WO konnte das Wahlergebnis beeinflussen. 41 (1) Nach § 19 Abs. 1 letzter Halbs. BetrVG berechtigt ein Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften nicht zur Anfechtung der Wahl, wenn er das Wahlergebnis objektiv weder ändern noch beeinflussen konnte. Dafür ist entscheidend, ob bei einer hypothetischen Betrachtungsweise eine Wahl ohne den Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zwingend zu demselben Wahlergebnis geführt hätte. Eine verfahrensfehlerhafte Betriebsratswahl muss nur dann nicht wiederholt werden, wenn sich konkret feststellen lässt, dass auch bei der Einhaltung der Wahlvorschriften kein anderes Wahlergebnis erzielt worden wäre (st. Rspr., vgl. etwa BAG 30. Juni 2021 – 7 ABR 24/20 – Rn. 51; 20. Januar 2021 – 7 ABR 3/20 – Rn. 24 jew. mwN). 42 (2) Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, es könne im Streitfall nicht ausgeschlossen werden, dass das Wahlergebnis ohne den Verstoß gegen § 24 Abs. 3 WO anders ausgefallen wäre. 43 (a) Es ist nicht undenkbar, dass wahlberechtigte Personen der betroffenen Betriebsstätten, die ihre Stimme bei der Wahl nicht abgegeben haben, an der Wahl teilgenommen hätten, wenn die schriftliche Stimmabgabe für diese Bereiche nicht beschlossen worden wäre. Diese Personen könnten davon ausgegangen sein, ausschließlich per Briefwahl wählen zu können, diese Möglichkeit aber zeitlich verpasst oder den darin liegenden Aufwand gescheut haben. Zudem kann eine Beeinflussung des Wahlverhaltens derjenigen Personen nicht ausgeschlossen werden, die tatsächlich durch Briefwahl gewählt haben. Bei der schriftlichen Stimmabgabe müssen sich die Wähler regelmäßig bereits vor dem eigentlichen Wahltag entscheiden, damit ihr Wahlbrief rechtzeitig beim Wahlvorstand eingeht. Dadurch kommt es zu für die einzelnen Arbeitnehmer zeitlich versetzten Wahlen. Da zwischen der Stimmabgabe unter Umständen mehrere Tage liegen können, ist nicht auszuschließen, dass Wahlberechtigte anders gewählt hätten, wenn sie persönlich ihre Stimme abgegeben hätten (vgl. zu § 26 WO 1964 BAG 27. Januar 1993 – 7 ABR 37/92 – zu B III 2 c der Gründe, BAGE 72, 161). 44 (b) Entgegen dem Vorbringen der Rechtsbeschwerden können diese Geschehensabläufe vorliegend nicht ausgeschlossen werden, weil den in den außerhalb des umzäunten Werksgeländes tätigen Wahlberechtigten bekannt gewesen sei, dass sie trotz der Beschlussfassung über die Briefwahl ihre Stimme am Wahltag noch persönlich abgeben konnten. Es ist bereits zweifelhaft, ob dieser Umstand überhaupt die Feststellung zulässt, auch bei unterbliebener Beschlussfassung über die schriftliche Stimmabgabe wäre kein anderes Wahlergebnis erzielt worden, denn die Wähler hätten in diesem Fall ausschließlich die Möglichkeit der Urnenwahl wahrgenommen und nicht daneben auch die der Briefwahl, selbst wenn sie gewusst haben, eine Urnenwahl sei weiterhin nicht ausgeschlossen. Ungeachtet dessen hat das Landesarbeitsgericht in den Gründen des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, dass die wahlberechtigten Arbeitnehmer keine Kenntnis von der trotz der beschlossenen schriftlichen Stimmabgabe bestehenden Möglichkeit der Urnenwahl hatten. An diese Feststellung ist der Senat nach § 559 Abs. 2 ZPO gebunden. 45 (aa) In der vom Betriebsrat mit der Rechtsbeschwerde in diesem Zusammenhang angebrachten Beanstandung, er habe ausführlich dargelegt und unter Beweis gestellt, dass bei der Arbeitgeberin „jedem Wahlberechtigten bekannt war, dass die Stimmabgabe an der Urne auch nach Erhalt der Briefwahlunterlagen möglich war“ und der Vorrang der Urnenwahl sei „auf Grund der Wahlkultur bekannt“, liegt keine nach § 92 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO ordnungsgemäß begründete und damit zulässige Verfahrensrüge. Bei einer auf die Verletzung des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) gestützten Verfahrensrüge muss, sofern mit ihr das Übergehen von Sachvortrag oder eines Beweisantritts beanstandet wird, im Einzelnen unter Angabe des Schriftsatzes nach Datum und bei entsprechendem Umfang nach Seitenzahl dargestellt werden, welchen konkreten Sachvortrag das Beschwerdegericht übergangen haben soll, wo der übergangene Vortrag und/oder der Beweisantritt zu finden sein soll (vgl. zum Revisionsverfahren BAG 2. Mai 2014 – 2 AZR 490/13 – Rn. 26 mwN) und dass die Entscheidung auf dem Verfahrensfehler beruht, also bei richtigem Verfahren das Landesarbeitsgericht möglicherweise anders entschieden hätte (BAG 18. November 2019 – 4 AZR 105/19 – Rn. 18). An solchen Darlegungen fehlt es hier. 46 (bb) Auch eine zulässige Rüge der Verletzung der aus § 90 Abs. 2, § 83 Abs. 1 ArbGG folgenden Pflicht zur Untersuchung des Sachverhalts durch das Landesarbeitsgericht liegt darin nicht. Hierzu bedarf es der Darlegung, welche weiteren Tatsachen in den Vorinstanzen hätten ermittelt und welche weiteren Beweismittel hätten herangezogen werden können und inwiefern sich dem Beschwerdegericht eine weitere Aufklärung des Sachverhalts hätte aufdrängen müssen (BAG 16. Mai 2007 – 7 ABR 45/06 – Rn. 12 mwN, BAGE 122, 293). Entsprechendes führt der Betriebsrat mit seiner Rechtsbeschwerde nicht aus. 47 (cc) Dessen ungeachtet kann entgegen der von der Arbeitgeberin in der Rechtsbeschwerdebegründung geäußerten Ansicht von einer allgemeinen Kenntnis der Arbeitnehmer von einer ggf. gleichwohl bestehenden Urnenwahlmöglichkeit auch nicht allein deshalb ausgegangen werden, weil diese zum Teil davon Gebrauch gemacht haben. Dieser Umstand besagt nichts über die Kenntnis der Arbeitnehmer, die keine persönliche Stimmabgabe getätigt haben. Auf eine entsprechende Kenntnis kann auch nicht aus der E-Mail vom 11. April 2018 an die Führungskräfte in den auswärtigen Betriebsstätten geschlossen werden. 48 (3) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts haben von 96 wahlberechtigten Arbeitnehmern im „Neuen Kundencenter“ 46 Arbeitnehmer im Wege der schriftlichen Stimmabgabe gewählt, während sich elf Wahlberechtigte für die persönliche Stimmabgabe entschieden. Schon damit kann nicht ausgeschlossen werden, dass mindestens – aufgrund der Besonderheiten des Streitfalls wahlentscheidungsrelevante – 20 Stimmen von in den angrenzenden Bereichen tätigen wahlberechtigten Nichtwählern ohne den Wahlfehler abgegeben worden und auf die Liste mit dem Kennwort „Achtung! Respekt für Metaller, lieber einen Volxbetriebsrat!“ entfallen wären. Nicht ausgeschlossen werden kann ferner, dass mindestens 20 wahlberechtigte Personen dieser Bereiche bei der Wahl ihre Stimme im Wege der Briefwahl der Mehrheitsliste „I“ gegeben haben und ohne den Wahlfehler bei der Urnenwahl der Liste mit dem Kennwort „Achtung! Respekt für Metaller, lieber einen Volxbetriebsrat!“ gegeben hätten. Damit steht nicht fest, dass das Wahlergebnis auch ohne den Verstoß gegen § 24 Abs. 3 WO nicht anders ausgefallen wäre. Nach dem nach § 15 WO anzuwendenden d`Hondtschen Höchstzahlensystem konnte sich das Wahlergebnis im vorliegenden Fall ändern, wenn der Wahlvorschlag „Achtung! Respekt für Metaller, lieber einen Volxbetriebsrat!“ 20 zusätzliche Stimmen erhalten hätte, unabhängig davon, ob auf die Liste „I“ 20 Stimmen weniger entfallen wären oder diese Liste diese Stimmen zusätzlich erhalten hätte. In beiden Fällen wäre auf die Liste „Achtung! Respekt für Metaller, lieber einen Volxbetriebsrat!“, die ohne Betriebsratssitz blieb, ein Sitz und auf die Mehrheitsliste „I“ ein Sitz weniger entfallen.              Schmidt                  Hamacher                  Waskow                                    Vorbau                  Arnold" bag_13-22,06.04.2022,"06.04.2022 13/22 - Bewerbungen für internationale Friedenseinsätze Aufnahme und Verbleib im sog. Expertenpool des Zentrums für Internationale Friedenseinsätze (ZIF) setzen voraus, dass die Bewerberinnen und Bewerber für internationale Friedenseinsätze die Kriterien des vom ZIF erstellten Anforderungsprofils erfüllen. Hierzu gehört ua. „hervorragende soziale und interkulturelle Kompetenz“. Ist das nicht (mehr) der Fall, besteht kein Anspruch auf Aufnahme bzw. Verbleib im Expertenpool. Die Beurteilung der Tatsachengerichte, eine Bewerberin oder ein Bewerber erfülle nicht bzw. nicht mehr alle Kriterien des Anforderungsprofils ist revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbar. Die Beklagte ist eine bundeseigene gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Zu ihren Aufgaben gehört es, internationalen, supranationalen oder ausländischen staatlichen Einrichtungen ziviles Personal für internationale Friedenseinsätze und Wahlbeobachtungen vorzuschlagen. Zu diesem Zweck unterhält sie einen digitalen Expertenpool, der aktuell über 1.500 Profile von – potentiellen – Bewerberinnen und Bewerbern für unterschiedliche Tätigkeitsfelder in internationalen Friedenseinsätzen multilateraler Organisationen wie etwa der Europäischen Union, den Vereinten Nationen, der OSZE oder der NATO umfasst. Die Klägerin ist Volljuristin und stand als solche bis zum Jahr 2018 in einem Arbeitsverhältnis zu einem Unternehmen. Im April 2009 wurde sie in den Expertenpool der Beklagten aufgenommen und ua. als Kurzzeitwahlbeobachterin in Albanien und als Rechtsberaterin im Kosovo eingesetzt. Im Januar 2018 beendete die Beklagte die Mitgliedschaft der Klägerin im Expertenpool, nachdem es zu Unstimmigkeiten zwischen den Parteien gekommen war. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin im Wesentlichen die Feststellung des Fortbestands ihrer Mitgliedschaft im Expertenpool der Beklagten, Zugang zu diesem und die Freischaltung ihres dort hinterlegten Profils. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat nach eingehender Beweisaufnahme die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin blieb vor dem Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts ohne Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat sich in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise die Überzeugung gebildet, der Klägerin fehle die nach dem Anforderungsprofil für den Expertenpool verlangte „hervorragende soziale Kompetenz“. Diese Anforderung ist ein sachgerechtes, diskriminierungsfreies und nicht gegen sonstiges höherrangiges Recht verstoßendes Kriterium für eine Tätigkeit in internationalen Friedenseinsätzen und Wahlbeobachtungen. Weil es die Klägerin nicht mehr erfüllt, durfte die Beklagte sie aus dem Expertenpool ausschließen. Einen Anspruch auf die – weitere – „Mitgliedschaft“ im Experten-pool kann die Klägerin weder aus Art. 12 Abs. 1 GG noch aus einer vermeintlichen Monopolstellung der Beklagten herleiten. Ein darauf gestütztes „Recht auf Teilhabe“ käme nur in Betracht, wenn die Klägerin das Anforderungsprofil der Beklagten für den Expertenpool in Gänze erfüllen würde. Das ist indes nicht der Fall. Gleiches gilt, wenn man zugunsten der Klägerin unterstellt, Art. 33 Abs. 2 GG, nach dem alle Deutschen nach ihrer Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt haben, finde bezüglich der Aufnahme und dem Verbleib in dem von der Beklagten gebildeten Experten-pool Anwendung. Wenn Bewerberinnen und Bewerber das Anforderungsprofil nicht erfüllen, weil sie nicht über eine hervorragende soziale und interkulturelle Kompetenz verfügen, fehlt ihnen auch die von Art. 33 Abs. 2 GG geforderte Eignung. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 6. April 2022 – 5 AZR 325/21 – Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 1. März 2021 – 21 Sa 51/20 –","Tenor 1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 1. März 2021 – 21 Sa 51/20 – wird zurückgewiesen. 2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen. Tatbestand 1 Die Parteien streiten im Wesentlichen über den Verbleib der Klägerin im sog. ZIF-Expertenpool, Zugang zu dessen „Mitgliederbereich“ und die Verpflichtung der Beklagten, bei Bewerbungen der Klägerin für Sekundierungen zu internationalen Friedenseinsätzen Art. 33 Abs. 2 GG zu beachten. 2 Die Bundesrepublik Deutschland beteiligt sich an internationalen Friedenseinsätzen und Wahlbeobachtungen internationaler, supranationaler oder ausländischer staatlichen Einrichtungen ua. durch die „Vermittlung“ von zivilem Personal. Neben einer direkten Anstellung bei der jeweiligen internationalen Organisation bzw. Friedensmission („contracted position“) besteht die Möglichkeit, auf sog. sekundierten Positionen an solchen Einsätzen teilzunehmen. Sekundiertes Personal ist ebenso wie das kontraktierte Personal in die Strukturen der internationalen Organisation eingegliedert und unterliegt den Weisungen der jeweiligen Organisation bzw. Mission, wird aber nicht aus dem allgemeinen Haushalt der internationalen Organisation finanziert. Weil Sekundierte kein Arbeitsentgelt und in der Regel auch keine soziale Absicherung von der aufnehmenden Einrichtung erhalten, sollen sie durch das Gesetz zur Regelung von Sekundierungen im Rahmen von Einsätzen der zivilen Krisenprävention (Sekundierungsgesetz – SekG, zuletzt idF vom 27. Juni 2017, BGBl. I S. 2070) sozial abgesichert werden, § 1 Satz 2 SekG (vgl. zum Ganzen auch Regierungsbegründung BT-Drs. 18/11134 S. 15). Neben der Sekundierung aufgrund eines Vertrags besonderer Art (Sekundierungsvertrag § 3 Abs. 1 Nr. 2 SekG), sieht das Gesetz die Sekundierung aufgrund eines Arbeitsvertrags vor (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 SekG), auf den für den Zeitraum der Sekundierung die für den Bund jeweils geltenden Tarifverträge und sonstigen Bestimmungen anzuwenden sind (§ 3 Abs. 6 SekG). 3 Die Beklagte ist eine bundeseigene gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Zu ihren Aufgaben gehört es, internationalen, supranationalen oder ausländischen staatlichen Einrichtungen ziviles Personal für internationale Friedenseinsätze und Wahlbeobachtungen vorzuschlagen. Zu diesem Zweck unterhält sie den digitalen ZIF-Expertenpool (iF Expertenpool), der aktuell über 1.500 Profile von – potentiellen – Bewerberinnen und Bewerbern für unterschiedliche Tätigkeitsfelder in internationalen Friedenseinsätzen multilateraler Organisationen wie etwa der Europäischen Union, den Vereinten Nationen, der OSZE oder der Nato umfasst. Die Beklagte hatte im Streitzeitraum in „terms and conditions“ geregelt, „wie man Mitglied des ZIF-Expertenpools wird und bleibt“. Zu den Bewerbungskriterien gehört ua. eine „hervorragende soziale und interkulturelle Kompetenz“. Nach Aufnahme in den Expertenpool ist die Mitgliedschaft grundsätzlich zeitlich unbefristet, soll aber von jeder Partei jederzeit beendet werden können. Weiter weist die Beklagte in ihren „terms and conditions“ darauf hin, sie werde ein Mitglied aus dem Expertenpool ua. dann ausschließen, wenn eine wesentliche Anforderung aus den Bewerbungskriterien nicht (mehr) erfüllt wird. 4 Die 1954 geborene Klägerin ist Volljuristin und stand als solche bis zum Jahr 2018 in einem Arbeitsverhältnis zu einem Unternehmen. Im April 2009 wurde sie auf ihre Bewerbung hin in den Expertenpool der Beklagten aufgenommen und war ua. als Kurzzeitwahlbeobachterin in Albanien und als Rechtsberaterin im Kosovo im Einsatz. Nachdem es zu Unstimmigkeiten zwischen den Parteien gekommen war, beendete die Beklagte im Januar 2018 die Mitgliedschaft der Klägerin im Expertenpool. 5 Dagegen hat sich die Klägerin mit ihrer am 23. März 2018 anhängig gemachten Klage gewandt und im Wesentlichen geltend gemacht, die Mitgliedschaft im Expertenpool der Beklagten sei Voraussetzung für den Zugang zu Sekundierungen und damit zu öffentlichen Ämtern. Die Beklagte dürfe deshalb die Mitgliedschaft im Expertenpool nur aus sachlichen, dem Maßstab des Art. 33 Abs. 2 GG entsprechenden Gründen beenden. Daran fehle es. Die Beendigung ihrer Mitgliedschaft im Expertenpool verletze sie auch in ihren aus Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG resultierenden Teilhaberechten, außerdem gebiete die Monopolstellung der Beklagten bei Sekundierungen, sie im Expertenpool zu belassen. Zudem hat die Klägerin gemeint, bei der von der Beklagten durchgeführten Vorauswahl unter den Bewerberinnen und Bewerbern sowie dem Abschluss von Sekundierungsverträgen müsse diese Art. 33 Abs. 2 GG beachten. Auch werde ihr kein ausreichender Rechtsschutz gewährt. 6 Die Klägerin hat zuletzt beantragt,          1.     festzustellen, dass ihre Mitgliedschaft im ZIF-Expertenpool fortbesteht;          2.     die Beklagte zu verurteilen, den Zugang der Klägerin zum ZIF-Expertenpool unter https://www.zif-berlin.org/de/mitgliederbereich.html und das dort hinterlegte Profil der Klägerin freizuschalten;          3.     festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, Bewerbungen der Klägerin für Sekundierungen zu internationalen Friedenseinsätzen, insbesondere auf arbeitsvertraglicher Grundlage entgegenzunehmen, eine Auswahl unter Beachtung von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung durchzuführen und der Klägerin rechtzeitig vor der Nominierung eines Mitbewerbers durch eine Mitteilung Kenntnis vom Ausgang des Auswahlverfahrens zu geben. 7 Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Beendigung der Mitgliedschaft der Klägerin im Expertenpool darauf gestützt, dieser habe es zum Zeitpunkt des Ausschlusses an der erforderlichen hervorragenden sozialen Kompetenz gefehlt. Auch ohne eine Sekundierung durch die Beklagte sei der Klägerin die Teilnahme an internationalen Friedenseinsätzen und Wahlbeobachtungen möglich, so könne sie sich auf kontraktierte Positionen direkt bei den aufnehmenden Einrichtungen oder bei sekundierenden Einrichtungen anderer Länder bewerben. 8 Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat nach Beweisaufnahme die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision. Entscheidungsgründe 9 Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. 10 I. Der Klageantrag zu 1., mit dem die Klägerin die Feststellung des Fortbestands ihrer Mitgliedschaft im Expertenpool der Beklagten begehrt, ist zulässig, aber unbegründet. 11 1. Dieser Feststellungantrag ist als Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO zulässig. 12 Danach kann die Klägerin zugleich mit der Hauptklage – hier der Klageantrag zu 2., eine Leistungsklage auf Zugang zum Expertenpool und Freischaltung des dort hinterlegten Profils der Klägerin – auf Feststellung eines die Entscheidung bedingenden, dh. vorgreiflichen Rechtsverhältnisses klagen, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen auch die Entscheidung der Hauptklage zumindest zum Teil abhängt und das auch für andere denkbare Folgestreitigkeiten Bedeutung haben kann (vgl. BAG 25. April 2018 – 5 AZR 245/17 – Rn. 19; 15. Juli 2020 – 10 AZR 507/18 – Rn. 46 – jeweils mwN). Diese Vorgreiflichkeit ist im Streitfall gegeben, ohne dass es darauf ankäme, ob zwischen den Parteien ein Anbahnungsverhältnis oder sonstiges Schuldverhältnis iSd. § 311 Abs. 2 BGB entstanden ist. Denn die Aufnahme potentieller Bewerber für internationale Friedensmissionen und Wahlbeobachtungen in den von der Beklagten unterhaltenen digitalen Expertenpool begründet eine Mitgliedschaft sui generis und damit ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis (zum Begriff des Rechtsverhältnisses sh. – statt vieler – BAG 22. September 2021 – 7 ABR 13/20 – Rn. 14; BGH 23. April 2013 – II ZR 74/12 – Rn. 27, BGHZ 197, 162; Zöller/Greger ZPO 34. Aufl. § 256 Rn. 3 mwN). Dessen Fortbestand ist eine Vorfrage für den Leistungsantrag, weil nur ein Mitglied Zugang zum „Mitgliederbereich“ des Expertenpools hat. Zugleich reicht die begehrte Feststellung über das vom Leistungsantrag erfasste Rechtsschutzziel der Klägerin hinaus, weil nach dem Konzept der Beklagten die Mitgliedschaft im Expertenpool unstreitig weitere Vorteile mit sich bringt. 13 2. Der Klageantrag zu 1. ist jedoch unbegründet. Die Beklagte hat die Mitgliedschaft der Klägerin im Expertenpool im Januar 2018 rechtswirksam beendet. Das hat das Landesarbeitsgericht – jedenfalls im Ergebnis – zu Recht erkannt. 14 a) Für die Aufnahme in den Expertenpool hat die Beklagte mit ihren „terms and conditions“ bestimmte Kriterien aufgestellt, deren Erfüllung Voraussetzung dafür ist, in den vorausgewählten engeren Bewerberkreis für internationale Friedenseinsätze und Wahlbeobachtungen aufgenommen zu werden. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden. 15 aa) Mit dem Expertenpool trifft die Beklagte zumindest für einen Teil der bei internationalen Organisationen zu besetzenden Positionen für Friedenseinsätze und Wahlbeobachtungen eine Vorauswahl unter potentiellen Bewerbern und entscheidet damit gleichsam, wer – bei herkömmlicher Betrachtung – in die engere Auswahl für einen solchen Einsatz kommt. Dabei unterliegt es ihrem sachgerechten Ermessen, die grundsätzlichen Anforderungen festzulegen, denen Bewerber für von der Beklagten sekundierte Einsätze bei internationalen Organisationen genügen müssen, und auf dieser Grundlage ein Anforderungsprofil zu erstellen, dessen Erfüllung Voraussetzung für die – weitere – Teilnahme am Bewerbungsverfahren ist (vgl. – zum Bewerbungsverfahren im öffentlichen Dienst – BAG 10. Februar 2015 – 9 AZR 554/13 – Rn. 14; 28. Januar 2020 – 9 AZR 91/19 – Rn. 30; 29. April 2021 – 8 AZR 279/20 – Rn. 29 ff.). Dabei darf das Anforderungsprofil nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen und muss gemäß § 7 Abs. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG diskriminierungsfrei sein. 16 bb) Ein solches Anforderungsprofil hat die Beklagte mit den in den „terms and conditions“ festgehaltenen „Bewerbungskriterien für den ZIF-Expertenpool“ erstellt. Dass diese gegen höherrangiges Recht verstießen, diskriminierend oder jedenfalls im Hinblick auf die vorliegend im Streit stehende „hervorragende soziale Kompetenz“ eine nicht erforderliche Anforderung (vgl. zu einer solchen Einschränkung im Zusammenhang mit einer Entschädigungsklage eines abgelehnten Bewerbers BAG 18. März 2010 – 8 AZR 77/09 – Rn. 22) wären, ist weder ersichtlich noch von der Klägerin geltend gemacht worden. Sie hat vielmehr ursprünglich alle Kriterien des Anforderungsprofils erfüllt und ist im April 2009 in den Expertenpool aufgenommen worden. Zu Recht betont das Landesarbeitsgericht in diesem Zusammenhang, dass eine „hervorragende soziale Kompetenz“ zu den Grundvoraussetzungen für eine Tätigkeit bei internationalen Friedenseinsätzen und bei Wahlbeobachtungen gehört. Gemessen an den dortigen Aufgaben und der Notwendigkeit eines gedeihlichen zwischenmenschlichen Miteinanders der Einsatzkräfte und ggf. auch gegenüber Dritten ist dieses Kriterium nicht sachwidrig. Dem tritt die Revision nicht substantiiert entgegen. 17 cc) Aus dem Recht des Arbeitgebers, das Anforderungsprofil an Bewerber für offene Stellen nach sachgerechtem Ermessen zu bestimmen und der – zumindest für den öffentlichen Arbeitgeber – grundsätzlichen Verbindlichkeit des Anforderungsprofils während des gesamten Auswahlverfahrens (vgl. BAG 29. April 2021 – 8 AZR 279/20 – Rn. 34 mwN) folgt zugleich das Recht des Auswählenden, im Bewerbungsverfahren all die Bewerber „auszusondern“, die dem Anforderungsprofil nicht oder im Verlaufe des Bewerbungsverfahrens nicht mehr in jeder Hinsicht entsprechen. Übertragen auf die Situation bei der Beklagten, die zwar Stellen in internationalen Friedenseinsätzen und bei Wahlbeobachtungen nicht „besetzt“, aber im Fall der Sekundierung den aufnehmenden Einrichtungen Vorschläge für die Besetzung unterbreitet, bedeutet dies, dass die in den Expertenpool aufgenommenen potentiellen Bewerber einen Anspruch darauf, in diesem engeren Bewerberkreis zu verbleiben, nur haben, solange sie die Kriterien des Anforderungsprofils vollständig erfüllen. Mangelt es daran, darf die Beklagte die Mitgliedschaft im Expertenpool ohne weitere Voraussetzungen beenden. Darauf hat sie in ihren „terms and conditions“ unter dem Punkt „Dauer der Mitgliedschaft und Ausschluss aus dem Expertenpool“ in klar und verständlich formulierter Weise auch ausdrücklich hingewiesen. Insoweit besteht kein grundlegender Unterschied zu dem „analogen“ Fall, dass ein Arbeitgeber aus den auf eine Stellenanzeige eingegangenen Bewerbungen einen Teil der Bewerber in die engere Auswahl nimmt und – etwa nach Bewerbungsgesprächen – im Verlauf des Bewerbungsverfahrens den Kreis der engeren Auswahl weiter verkleinert. Ob und unter welchen Voraussetzungen die Beklagte darüber hinaus eine Mitgliedschaft im Expertenpool rechtswirksam beenden kann, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. 18 b) Davon ausgehend hat die Beklagte die Mitgliedschaft der Klägerin im Expertenpool im Januar 2018 wirksam beendet, weil die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt nicht mehr alle Kriterien des Anforderungsprofils für die Aufnahme und den Verbleib im Expertenpool erfüllte. Das Landesarbeitsgericht ist aufgrund des gesamten Inhalts der Berufungsverhandlung und einer Beweisaufnahme, die nach übereinstimmender Angabe der Parteien in der Revisionsverhandlung neun Stunden gedauert hat, zu der Überzeugung gelangt, bei der Klägerin habe die Anforderung „hervorragende soziale Kompetenz“ nicht mehr vorgelegen. Diese Annahme hält der revisionsrechtlichen Überprüfung stand. 19 aa) Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das Landesarbeitsgericht – wie die Revision meint – die Darlegungs- und Beweislast für den (Nicht-)Fortbestand dieser Anforderung verkannt hat. Denn das Landesarbeitsgericht, das von einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast ausgegangen ist, hat – worauf die Beklagte in ihrer Revisionserwiderung zutreffend hinweist – keine Beweislastentscheidung getroffen, sondern sich gemäß § 286 Abs. 1 ZPO die Überzeugung vom Fehlen des entsprechenden Kriteriums gebildet. 20 bb) Die vom Berufungsgericht nach § 286 Abs. 1 ZPO vorgenommene Würdigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme kann das Revisionsgericht nur daraufhin überprüfen, ob die Beweiswürdigung in sich widerspruchsfrei und ohne Verletzung von Denkgesetzen und allgemeinen Erfahrungssätzen erfolgt ist, ob sie rechtlich möglich ist und ob das Berufungsgericht alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt hat (st. Rspr., zB BAG 11. Dezember 2019 – 5 AZR 505/18 – Rn. 25 mwN, BAGE 169, 117). Danach ist die Überzeugungsbildung des Landesarbeitsgerichts revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Es hat alle relevanten Gesichtspunkte berücksichtigt und das Ergebnis der Beweisaufnahme widerspruchsfrei bewertet. 21 (1) Soweit die Revision meint, es verstoße gegen Denk- und Erfahrungssätze, aus einem einzigen Ereignis generell auf die Kommunikations- und Konfliktfähigkeit einer Person zu schließen, legt sie nicht konkret dar, gegen welchen Denk- oder Erfahrungssatz das Landesarbeitsgericht verstoßen haben soll. Sie lässt zudem außer Acht, dass auch ein einzelner Vorfall symptomatisch dafür sein kann, wie eine Person in einer bestimmten Situation und in einer bestimmten Gefühlslage reagiert. Zudem hat das Landesarbeitsgericht seine Überzeugung nicht nur aus dem Verhalten der Klägerin in dem Telefonat mit der Zeugin C am 26. Mai 2017 gewonnen, sondern sich auch auf Äußerungen der Klägerin im Rahmen ihrer Parteivernehmung und dem Eindruck, den sich die Berufungskammer von der Klägerin während der Parteivernehmung machen konnte, gestützt. Danach ist die Annahme, die Klägerin werde auch bei einem Einsatz in einer internationalen Friedensmission oder einer Wahlbeobachtung ähnlich inadäquat reagieren, naheliegend. Für eine solche Beurteilung ist entgegen der Auffassung der Revision auch keine besondere Sachkunde erforderlich, denn es geht nicht um einen pathologischen Befund, sondern einzig um die Beurteilung eines bestimmten Verhaltens. Dies unterfällt der ureigenen Kompetenz eines Richters. 22 (2) Im Ansatz zutreffend weist die Revision darauf hin, dass das Landesarbeitsgericht nicht die Aussagen aller in der Berufungsverhandlung am 28. Januar 2021 Vernommenen – nämlich die Aussage der weiteren Zeugin Frau S und die der Geschäftsführerin der Beklagten Frau Dr. W – in seine Beweiswürdigung einbezogen hat. Auf die Vorfälle, die diese bezeugen sollten, kam es dem Landesarbeitsgericht für seine Überzeugungsbildung aber nicht mehr an. In der Revisionsbegründung hat die Klägerin zudem nicht näher aufgezeigt, inwiefern sich bei der Würdigung der Aussagen der Zeuginnen S und Dr. W „Positives“ für sie ergeben hätte und das Landesarbeitsgericht möglicherweise zu einer anderen Überzeugung hätte kommen müssen. Das Protokoll über die Aussagen (§ 160 Abs. 3 Nr. 4 ZPO) legt solches auch nicht nahe. 23 (3) Soweit die Revision die Glaubwürdigkeit der Zeugin C in Zweifel zieht, weil diese von der Beklagten vor ihrer Vernehmung deren Klageerwiderung und einen Schriftsatz der Klägerin vom 2. Oktober 2019 erhalten hatte, hat das Landesarbeitsgericht diesen Umstand nicht außer Acht gelassen, sondern sich damit ausführlich auseinandergesetzt und ihn mit vertretbarem Ergebnis gewürdigt. 24 (4) Ohne Erfolg bleibt schließlich die Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht habe den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt, indem es den von ihr zum Verlauf eines Gesprächs mit dem Betriebsrat benannten Zeugen B nicht vernommen hat. Aus der Revisionsbegründung ergibt sich zum einen nicht, dass der Verlauf dieses Gesprächs nach der Argumentationslinie des Landesarbeitsgerichts entscheidungserheblich sein könnte. Zum anderen wird nicht substantiiert dargelegt, was der Zeuge B voraussichtlich ausgesagt hätte und aus welchen Gründen seine Aussage zu einer der Klägerin günstigeren Überzeugungsbildung des Landesarbeitsgerichts hätte führen können. 25 c) Einen Anspruch auf den Fortbestand ihrer Mitgliedschaft im Expertenpool kann die Klägerin weder aus Art. 12 Abs. 1 GG noch aus einer vermeintlichen Monopolstellung der Beklagten herleiten. 26 aa) Ob ein grundrechtlich verbürgtes derivatives Teilhaberecht an digitalen Sammlungen der grundsätzlich für eine bestimmte Tätigkeit geeigneten und qualifizierten Bewerber wie dem Expertenpool überhaupt in Betracht kommt, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Denn jedenfalls stünde ein aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG iVm. dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG hergeleitetes Recht auf gleiche Teilhabe an einem solchen Pool nur Bewerberinnen und Bewerbern zu, die die Kriterien des den Zugang begründenden Anforderungsprofils erfüllen (vgl. – zum derivativen Anspruch auf gleichheitsgerechte Zulassung zum Studium – BVerfG 19. Dezember 2017 – 1 BvL 3/14, 1 BvL 4/14 – Rn. 103 ff. mwN, BVerfGE 147, 253). Das war bei der Klägerin zum Zeitpunkt ihres Ausschlusses aus dem Expertenpool nicht (mehr) der Fall. 27 bb) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können Monopolverbände einem Aufnahmezwang unterliegen (vgl. – zum Anspruch auf Aufnahme in eine Gewerkschaft – BGH 10. Dezember 1984 – II ZR 91/84 – BGHZ 93, 151; sh. allg. zum Kontrahierungszwang etwa Grüneberg/Ellenberger 81. Aufl. vor § 145 Rn. 9 ff. mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Die Beklagte ist zwar gegenwärtig die einzige sekundierende Einrichtung in der Bundesrepublik Deutschland, hat aber kein „Monopol“ für den Zugang zu einem Einsatz bei internationalen Friedensmissionen oder Wahlbeobachtungen. Mit dem Abschluss von Verträgen zur Sekundierung besetzt die Beklagte außerdem keine „Stelle“, sondern zieht lediglich die im Sekundierungsgesetz vorgesehene Konsequenz aus der von der aufnehmenden Einrichtung vorgenommenen Stellenbesetzung. Selbst wenn – wie die Revision meint – eine Monopolstellung der Beklagten anzunehmen wäre, gilt nach der Rechtsprechung ein Aufnahmezwang nicht uneingeschränkt. Ein Anspruch auf Aufnahme – etwa in eine Gewerkschaft – besteht in der Regel nur, wenn es an einer sachlichen Berechtigung fehlt, den Bewerber von der Mitgliedschaft fernzuhalten und die Zurückweisung des Bewerbers unbillig ist (BGH 10. Dezember 1984 – II ZR 91/84 – juris Rn. 9, aaO). Ebenso muss ein Monopolverband, der als einziger bestimmte Leistungen unter von ihm selbst aufgestellten Kriterien an Nicht-Verbandsangehörige erbringt, diese Leistungen nur dem gewähren, der die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung erfüllt (BGH 13. Oktober 2015 – II ZR 23/14 – Rn. 22, BGHZ 207, 144 – zur Nominierung zu den Olympischen Spielen). Danach scheidet ein aus einer – vermeintlichen – Monopolstellung der Beklagten abgeleiteter Anspruch der Klägerin auf Verbleib im Expertenpool aus, weil sie die Anforderungen für Aufnahme und Verbleib in diesem Pool zum Zeitpunkt ihres Ausschlusses nicht mehr in Gänze erfüllte. 28 d) Dahingestellt bleiben kann, ob die Beklagte – wie die Revision meint – bei der Entscheidung über Bewerbungen für den Expertenpool an Art. 33 Abs. 2 GG gebunden ist. Danach haben alle Deutschen nach ihrer Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Ob es sich bei der Mitgliedschaft im Expertenpool oder einer Sekundierung nach dem Sekundierungsgesetz überhaupt um ein der inländischen Staatsorganisation zuzuordnendes öffentliches Amt (vgl. zum Begriff etwa BAG 12. April 2016 – 9 AZR 673/14 – Rn. 16 mwN, BAGE 155, 29; BVerwG 25. Februar 2016 – 1 WB 24.15 – Rn. 22 mwN) handelt, erscheint zweifelhaft, bedarf aber vorliegend keiner Entscheidung. Unterstellt man zugunsten der Klägerin, Art. 33 Abs. 2 GG finde bezüglich der Aufnahme und dem Verbleib in dem von der Beklagten unterhaltenen Expertenpool Anwendung, verhülfe dies dem Klageantrag zu 1. nicht zum Erfolg. Wenn Bewerber das Anforderungsprofil nicht erfüllen, weil sie nicht über eine hervorragende soziale Kompetenz verfügen, fehlt ihnen auch die von Art. 33 Abs. 2 GG geforderte Eignung. Denn diese erfasst insbesondere Persönlichkeit und charakterliche Eigenschaften für ein bestimmtes Amt, wobei dem Dienstherrn bei der – prognostischen – Beurteilung der Eignung ein weiter Beurteilungsspielraum zusteht (BVerfG 23. Juni 2015 – 2 BvR 161/15 – Rn. 28 f.). 29 e) Entgegen der zuletzt geäußerten Auffassung der Klägerin wird ihr mit diesem Verständnis nicht der ihr durch Art. 19 Abs. 4 GG verbürgte Rechtsschutz unzulässig verkürzt. Der über drei Instanzen mit eingehender Beweisaufnahme vor dem Berufungsgericht durchgeführte Rechtsstreit belegt ganz offensichtlich das Gegenteil. Soweit die Klägerin gemeint hat, ihr stünde gegen Rechtsakte der internationalen Organisationen nur unzureichender Rechtsschutz zur Verfügung, bedarf es keiner Bewertung dieser Auffassung durch den Senat, denn die von der Klägerin in den Blick genommenen Rechtsakte dieser Organisationen unterliegen nicht der deutschen Jurisdiktion. 30 f) Schließlich hat das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen, der Ausschluss der Klägerin aus dem Expertenpool sei nicht iSv. § 612a BGB wegen einer zulässigen Rechtsausübung der Klägerin erfolgt (zu den Voraussetzungen eines Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot vgl. BAG 18. November 2021 – 2 AZR 229/21 – Rn. 28 ff. mwN). Die Revision zeigt diesbezüglich keinen Rechtsfehler auf, ein solcher ist auch nicht ersichtlich. 31 II. Der auf bestimmte Leistungen gerichtete Klageantrag zu 2. ist zulässig, aber unbegründet. 32 Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass aus der Unbegründetheit des Klageantrags zu 1. sich unmittelbar die Unbegründetheit des Klageantrags zu 2. ergibt. Die Klägerin leitet ihr Begehren auf Zugang zum Expertenpool und die Freischaltung ihres Profils allein daraus ab, dass die Beklagte im Januar 2018 die Mitgliedschaft der Klägerin im Expertenpool nicht wirksam beendet hat. Weil sie aber wirksam aus diesem ausgeschlossen wurde, hat sie keinen Anspruch mehr auf Zugang zum Mitgliederbereich des Expertenpools. Ebenso wenig kann sie die Freischaltung ihres Profils verlangen, so dass dahingestellt bleiben kann, ob ein solches gegenwärtig überhaupt noch im Expertenpool „hinterlegt“ ist. Der Klägerin bleibt es aber unbenommen, sich bei der Beklagten für eine erneute Aufnahme in den Expertenpool oder auf solche sekundierten Positionen, die die Beklagte auf ihrer Homepage außerhalb des Expertenpools ausschreibt, zu bewerben. 33 III. Ob der Feststellungsantrag zu 3. nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig ist, kann mit dem Landesarbeitsgericht dahingestellt bleiben. Denn das Feststellungsinteresse ist echte Prozessvoraussetzung nur für das stattgebende Urteil (BAG 27. März 2019 – 5 AZR 94/18 – Rn. 29 mwN). Der Feststellungantrag ist aber jedenfalls unbegründet. Denn die festzustellenden Verpflichtungen der Beklagten stützt die Klägerin ausschließlich auf ihre – vermeintlich – fortbestehende Mitgliedschaft im Expertenpool. Diese hat die Beklagte aber im Januar 2018 wirksam beendet. 34 IV. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.              Linck                  Volk                  Biebl                                    Zimmer                  Grieb" bag_17-23,29.03.2023,"29.03.2023 17/23 - Fristlose Kündigung und Annahmeverzug Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos, weil er meint, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei ihm nicht zuzumuten, bietet aber gleichzeitig dem Arbeitnehmer „zur Vermeidung von Annahmeverzug“ die Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen während des Kündigungsschutzprozesses an, verhält er sich widersprüchlich. In einem solchen Fall spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass das Beschäftigungsangebot nicht ernst gemeint ist. Diese Vermutung kann durch die Begründung der Kündigung zur Gewissheit oder durch entsprechende Darlegungen des Arbeitgebers entkräftet werden. Der Kläger war seit dem 16. August 2018 bei der Beklagten als technischer Leiter beschäftigt und hat 5.250,00 Euro brutto monatlich verdient. Mit Schreiben vom 2. Dezember 2019 sprach die Beklagte eine fristlose Änderungskündigung aus, mit der sie dem Kläger einen neuen Arbeitsvertrag als Softwareentwickler gegen eine auf 3.750,00 Euro brutto monatlich verminderte Vergütung anbot. Weiter heißt es in dem Kündigungsschreiben, „im Falle der Ablehnung der außerordentlichen Kündigung durch Sie (also im Falle, dass Sie von einem unaufgelösten Arbeitsverhältnis ausgehen) oder im Falle der Annahme des folgenden Angebots erwarten wir Sie am 05.12.2019 spätestens um 12:00 Uhr MEZ zum Arbeitsantritt“. Der Kläger lehnte das Änderungsangebot ab und erschien auch nicht zur Arbeit. Daraufhin kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 14. Dezember 2019 das Arbeitsverhältnis erneut und zwar „außerordentlich zum 17.12.2019 um 12:00 Uhr MEZ“. Ferner wies sie darauf hin, „im Falle der Ablehnung dieser außerordentlichen Kündigung“ erwarte sie den Kläger „am 17.12.2019 spätestens um 12:00 Uhr MEZ zum Arbeitsantritt“. Dem leistete der Kläger nicht Folge. In dem von ihm anhängig gemachten Kündigungsschutzprozess wurde rechtskräftig festgestellt, dass beide Kündigungen das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst haben. Nachdem die Beklagte für den Monat Dezember 2019 nur noch eine Vergütung von 765,14 Euro brutto zahlte und der Kläger erst zum 1. April 2020 ein neues Arbeitsverhältnis begründen konnte, hat er Klage auf Vergütung wegen Annahmeverzugs erhoben, mit der er die Zahlung des arbeitsvertraglich vereinbarten Gehalts abzüglich des erhaltenen Arbeitslosengeldes bis zum Antritt der neuen Beschäftigung verlangt. Er hat gemeint, die Beklagte habe sich im Streitzeitraum aufgrund ihrer unwirksamen Kündigungen im Annahmeverzug befunden. Eine Weiterbeschäftigung bei der Beklagten zu geänderten oder auch den ursprünglichen Arbeitsbedingungen sei ihm, sofern die Beklagte dies überhaupt ernsthaft angeboten habe, nicht zuzumuten gewesen. Die Beklagte habe ihm zur Begründung ihrer fristlosen Kündigungen in umfangreichen Ausführungen zu Unrecht mannigfaches Fehlverhalten vorgeworfen und seine Person herabgewürdigt. Sie habe ihrerseits geltend gemacht, eine Weiterbeschäftigung des Klägers sei ihr unzumutbar. Dagegen hat die Beklagte gemeint, sie habe sich nicht im Annahmeverzug befunden, weil der Kläger während des Kündigungsschutzprozesses nicht bei ihr weitergearbeitet habe. Der Kläger sei selbst von der Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung ausgegangen, weil er im Kündigungsschutzprozess einen Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung gestellt habe. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Es hat angenommen, der Kläger habe trotz der unwirksamen Kündigungen der Beklagten keinen Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung, weil er das Angebot der Beklagten, während des Kündigungsschutzprozesses bei ihr weiterzuarbeiten, nicht angenommen habe. Der Kläger sei deshalb nicht leistungswillig iSd. § 297 BGB gewesen. Die vom Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts nachträglich zugelassene Revision des Klägers war erfolgreich. Die Beklagte befand sich aufgrund ihrer unwirksamen fristlosen Kündigungen im Annahmeverzug, ohne dass es eines Arbeitsangebots des Klägers bedurft hätte. Weil die Beklagte selbst davon ausging, eine Weiterbeschäftigung des Klägers sei ihr nicht zuzumuten, spricht wegen ihres widersprüchlichen Verhaltens eine tatsächliche Vermutung dafür, dass sie dem Kläger kein ernstgemeintes Angebot zu einer Prozessbeschäftigung unterbreitete. Die abweichende Beurteilung durch das Landesarbeitsgericht beruht auf einer nur selektiven Berücksichtigung des Parteivortrags und ist schon deshalb nicht vertretbar. Darüber hinaus lässt die Ablehnung eines solchen „Angebots“ nicht auf einen fehlenden Leistungswillen des Klägers iSd. § 297 BGB schließen. Es käme lediglich in Betracht, dass er sich nach § 11 Nr. 2 KSchG böswillig unterlassenen Verdienst anrechnen lassen müsste. Das schied im Streitfall jedoch aus, weil dem Kläger aufgrund der gegen ihn im Rahmen der Kündigungen erhobenen Vorwürfe und der Herabwürdigung seiner Person eine Prozessbeschäftigung bei der Beklagten nicht zuzumuten war. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger im Kündigungsschutzprozess vorläufige Weiterbeschäftigung beantragt hat. Dieser Antrag war auf die Prozessbeschäftigung nach festgestellter Unwirksamkeit der Kündigungen gerichtet. Nur wenn der Kläger in einem solchen Fall die Weiterbeschäftigung abgelehnt hätte, hätte er sich seinerseits widersprüchlich verhalten. Hier ging es indes um die Weiterbeschäftigung in der Zeit bis zur erstinstanzlichen Entscheidung. Es macht einen Unterschied, ob der Arbeitnehmer trotz der gegen ihn im Rahmen einer verhaltensbedingten Kündigung erhobenen (gravierenden) Vorwürfe weiterarbeiten soll oder er nach erstinstanzlichem Obsiegen im Kündigungsschutzprozess gleichsam „rehabilitiert“ in den Betrieb zurückkehren kann. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29. März 2023 – 5 AZR 255/22 – Vorinstanz: Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 1. November 2021 – 1 Sa 330/20 –","Tenor 1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 1. November 2021 – 1 Sa 330/20 – aufgehoben, soweit es zum Streitgegenstand Vergütung wegen Annahmeverzugs die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 24. Juli 2020 – 12 Ca 3662/19 – zurückgewiesen hat. 2. Das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 24. Juli 2020 – 12 Ca 3662/19 – wird in Ziff. 2 abgeändert, soweit es im Übrigen die Klage abgewiesen hat, und die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 20.234,86 Euro brutto abzüglich 7.891,65 Euro netto (erhaltenes Arbeitslosengeld) nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.663,71 Euro seit dem 4. Januar 2020 und aus jeweils 3.226,50 Euro seit dem 4. Februar 2020, dem 4. März 2020 und dem 4. April 2020 zu zahlen. 3. Die Beklagte hat die Kosten der Revision und die erstinstanzlichen Kosten zu tragen. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 1/3 und die Beklagte 2/3. Leitsatz Lehnt der Arbeitnehmer es ab, für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses bei seinem bisherigen Arbeitgeber weiterzuarbeiten, indiziert dies alleine nicht fehlenden Leistungswillen iSd. § 297 BGB. Die möglichen Rechtsfolgen der Ablehnung einer Prozessbeschäftigung richten sich ausschließlich nach § 11 Nr. 2 KSchG. Tatbestand 1 Die Parteien streiten über Vergütung wegen Annahmeverzugs. 2 Der Kläger war seit dem 16. August 2018 bei der Beklagten, die einen Kleinbetrieb iSd. § 23 Abs. 1 KSchG betreibt, als „Chief Technology Officer“ beschäftigt und hat 5.250,00 Euro brutto monatlich verdient. Mit Schreiben vom 2. Dezember 2019 sprach die Beklagte eine fristlose Änderungskündigung aus, mit der sie dem Kläger eine Tätigkeit als Softwareentwickler gegen eine auf 3.750,00 Euro brutto monatlich verminderte Vergütung anbot. Außerdem sollte die arbeitsvertragliche Verpflichtung der Beklagten, das Arbeitsverhältnis für die Dauer von zwei Jahren nicht ordentlich zu kündigen, aufgehoben werden. Weiter heißt es in dem Kündigungsschreiben:          „Im Falle der Ablehnung der außerordentlichen Kündigung durch Sie (also im Falle, dass Sie von einem unaufgelösten Arbeitsverhältnis ausgehen) oder im Falle der Annahme des folgenden Angebots erwarten wir Sie am 05.12.2019 spätestens um 12:00 Uhr MEZ zum Arbeitsantritt.“ 3 Der Kläger erschien nicht zur Arbeit und lehnte das Änderungsangebot mit Schreiben seines späteren Prozessbevollmächtigten vom 5. Dezember 2019 ab. Mit einem an diesen gerichteten Schreiben vom 9. Dezember 2019 begründete der Geschäftsführer der Komplementärin der Beklagten die Änderungskündigung und stützte sie auf rund 40 Seiten auf das Verhalten des Klägers. Dabei warf er dem Kläger ua. vor, geschäftsschädigend die im Unternehmen bestehende „Wohlfühlatmosphäre“ zu gefährden und potentiell zu zerstören, einen „Drang nach übermäßiger Aufmerksamkeit und Anerkennung“ zu haben, ein Verhalten, das „treuwidrig und damit verwerflich“ sei. Es fehle ihm an „Kompromissfindungsfähigkeit“ und er schrecke auch vor einer vorsätzlichen Schädigung der Beklagten nicht zurück. Seine Weiterbeschäftigung sei der Beklagten unzumutbar. Dass sie nur eine Änderungskündigung und nicht „die gebotene … Beendigungskündigung“ ausgesprochen habe, rühre nicht daher, dass „das Arbeitsverhältnis nicht etwa genügend unerträglich für eine außerordentliche Beendigungskündigung sei“, sondern der Kläger stehe unter „dem dringenden Verdacht, … den Gerichtsprozess zu provozieren, um so für die Zeit des Gerichtsprozesses (am liebsten pauschaliert als Abfindung oder bezahlte Freistellung) den Profit des monatelangen bezahlten Urlaubs zu erhalten“. 4 Weil der Kläger nicht weiterarbeitete, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 14. Dezember 2019 erneut, und zwar „außerordentlich zum 17.12.2019 um 12:00 Uhr MEZ“. Ferner wies sie darauf hin, „im Falle der Ablehnung dieser außerordentlichen Kündigung“ erwarte sie den Kläger „am 17.12.2019 spätestens um 12:00 Uhr MEZ“ zum Arbeitsantritt. Dem leistete der Kläger wiederum nicht Folge. In dem von ihm anhängig gemachten Kündigungsschutzprozess wurde rechtskräftig festgestellt, dass beide Kündigungen das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst haben. 5 Nachdem die Beklagte für Dezember 2019 nur noch eine Vergütung von 765,14 Euro brutto zahlte und der Kläger erst zum 1. April 2020 in einem neuen Arbeitsverhältnis stand, hat er – klagerweiternd im Kündigungsschutzprozess – Klage auf Vergütung wegen Annahmeverzugs erhoben, mit der er Zahlung des arbeitsvertraglich vereinbarten Gehalts abzüglich des erhaltenen Arbeitslosengeldes bis zum Antritt der neuen Beschäftigung verlangt hat. Er hat gemeint, die Beklagte habe sich im Streitzeitraum aufgrund ihrer unwirksamen Kündigungen im Annahmeverzug befunden. Eine Weiterarbeit bei der Beklagten sei ihm, sofern die Beklagte dies überhaupt ernsthaft angeboten habe, nicht zuzumuten gewesen. Die Beklagte habe ihm zur Begründung ihrer Kündigungen in umfangreichen Ausführungen zu Unrecht mannigfaches Fehlverhalten vorgeworfen und seine Person herabgewürdigt. Sie habe zudem ihrerseits geltend gemacht, eine Weiterbeschäftigung des Klägers sei ihr unzumutbar. 6 Der Kläger hat sinngemäß beantragt,          die Beklagte zu verurteilen, an ihn 20.234,86 Euro brutto abzüglich 7.891,65 Euro netto (erhaltenes Arbeitslosengeld) nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.663,71 Euro seit dem 4. Januar 2020 und aus jeweils 3.226,50 Euro seit dem 4. Februar 2020, dem 4. März 2020 und dem 4. April 2020 zu zahlen. 7 Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, sie habe sich nicht im Annahmeverzug befunden, weil der Kläger nicht bei ihr weitergearbeitet habe. Der Kläger sei selbst von der Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung ausgegangen, weil er im Kündigungsschutzprozess einen Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung gestellt habe. 8 Das Arbeitsgericht hat die Klage auf Vergütung wegen Annahmeverzugs abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und angenommen, der Kläger sei im Streitzeitraum nicht leistungswillig iSd. § 297 BGB gewesen. Mit der vom Senat nachträglich zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt. Sie hat in der Revisionsverhandlung ferner zu Protokoll erklärt, sie verfolge ihre – in der Berufungsinstanz widerklagend erhobene und dort zuletzt hilfsweise beantragte – Auskunftsklage über im Streitzeitraum erzielten anderweitigen Verdienst, Anbahnungsversuche bei potentiellen Arbeitgebern und Stellenangeboten seitens des Jobcenters nicht weiter. Entscheidungsgründe 9 Die Revision des Klägers ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das die Klage auf Vergütung wegen Annahmeverzugs abweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht zurückgewiesen. Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat für den Streitzeitraum Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs, § 615 Satz 1 iVm. § 611a Abs. 2 BGB, soweit dieser nicht wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld nach § 115 Abs. 1 SGB X auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangen ist. Dass er nach Ausspruch der außerordentlichen Kündigungen nicht bei der Beklagten weitergearbeitet hat, indiziert weder fehlenden Leistungswillen, § 297 BGB, noch führt es zur Anrechnung böswillig unterlassenen anderweitigen Verdienstes nach § 11 Nr. 2 KSchG. 10 I. Die Klage ist insgesamt zulässig. 11 Soweit der Kläger Annahmeverzugsvergütung für den Monat März 2020 erstmals mit der Berufungsbegründung anhängig machte, hat das Landesarbeitsgericht die Voraussetzungen für eine Klageerweiterung in der Berufungsinstanz ausdrücklich bejaht und über sie entschieden. Deshalb ist in der Revisionsinstanz in entsprechender Anwendung von § 268 ZPO nicht mehr zu überprüfen, ob eine Klageänderung vorliegt und ob diese die Voraussetzungen des § 533 ZPO erfüllt (st. Rspr., vgl. BAG 3. Mai 2022 – 3 AZR 472/21 – Rn. 29; 12. Oktober 2022 – 5 AZR 135/22 – Rn. 13). 12 II. Die Klage ist begründet. 13 1. Nach ständiger Rechtsprechung gerät der unwirksam kündigende Arbeitgeber gemäß §§ 293 ff. BGB in Annahmeverzug, ohne dass es eines – auch nur wörtlichen – Arbeitsangebots des Arbeitnehmers bedarf (vgl. nur BAG 12. Oktober 2022 – 5 AZR 30/22 – Rn. 11; 10. August 2022 – 5 AZR 154/22 – Rn. 15; 13. Juli 2022 – 5 AZR 498/21 – Rn. 23, jeweils mwN). Denn in der Kündigung des Arbeitgebers liegt zugleich die Erklärung, die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nach Ablauf der Kündigungsfrist bzw. bei der fristlosen Kündigung nach deren Zugang nicht mehr anzunehmen (BAG 14. Dezember 2017 – 2 AZR 86/17 – Rn. 32, BAGE 161, 198). 14 2. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, im Streitfall scheitere Annahmeverzug jedoch am fehlenden Leistungswillen des Klägers, ist rechtsfehlerhaft. 15 a) Zwar trifft es grundsätzlich zu, dass der Arbeitgeber unbeschadet der sonstigen Voraussetzungen nach § 297 BGB nicht in Annahmeverzug gerät, wenn der Arbeitnehmer außer Stande ist, die geschuldete Arbeitsleistung zu bewirken. Leistungsfähigkeit und Leistungswilligkeit des Arbeitnehmers sind vom Leistungsangebot und dessen Entbehrlichkeit unabhängige Voraussetzungen, die während des gesamten Annahmeverzugszeitraums vorliegen müssen (st. Rspr., vgl. nur BAG 10. August 2022 – 5 AZR 154/22 – Rn. 18 mwN). Denn der leistungsunwillige Arbeitnehmer setzt sich selbst außer Stande, die Arbeitsleistung zu bewirken. Weil er bei der Berufung auf die Leistungsunfähigkeit oder die Leistungsunwilligkeit eine Einwendung erhebt, trägt der Arbeitgeber als Gläubiger der Arbeitsleistung die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Arbeitnehmer im Streitzeitraum zur Leistung objektiv außer Stande oder subjektiv nicht bereit war. Dazu reicht es zunächst aus, dass er Indizien vorträgt, aus denen auf die Leistungsunfähigkeit oder Leistungsunwilligkeit des Arbeitnehmers geschlossen werden kann (sh. zum Ganzen BAG 21. Juli 2021 – 5 AZR 543/20 – Rn. 11 f.; 19. Januar 2022 – 5 AZR 346/21 – Rn. 15 ff.; 13. Juli 2022 – 5 AZR 498/21 – Rn. 28 f., jeweils mwN). 16 b) Doch hat das Landesarbeitsgericht verkannt, dass nach bisheriger Rechtsprechung des Senats fehlender Leistungswille iSd. § 297 BGB nicht stets dann indiziert ist, wenn der Arbeitnehmer sich weigert, bei dem kündigenden Arbeitgeber nach Ablauf der Kündigungsfrist bzw. dem Zugang einer fristlosen Kündigung weiterzuarbeiten. Vielmehr sei ein entsprechender Rückschluss nur zulässig, wenn der Arbeitnehmer ein Angebot des Arbeitgebers ablehne, das trotz Aufrechterhaltung der Kündigung auf eine Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen gerichtet und dessen Annahme auch sonst zumutbar ist (BAG 17. August 2011 – 5 AZR 251/10 – Rn. 16; zust. etwa ErfK/Preis 23. Aufl. BGB § 615 Rn. 47; HWK/Krause 10. Aufl. § 615 BGB Rn. 47; MüKoBGB/Henssler 9. Aufl. BGB § 615 Rn. 48; Staudinger/Fischinger [2022] § 615 Rn. 92; BeckOK ArbR/Joussen Stand 1. Dezember 2022 BGB § 615 Rn. 34 f.; krit. zB KR/Spilger 13. Aufl. § 11 KSchG Rn. 29; BeckOGK/Bieder Stand 1. Juli 2022 BGB § 615 Rn. 59.3; Boemke JuS 2006, 287, 288). Ob es dem Kläger zumutbar war, im Streitzeitraum bei der Beklagten trotz deren Festhalten an den außerordentlichen Kündigungen weiterzuarbeiten, hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerhaft nicht geprüft. 17 3. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben (§ 562 ZPO). Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil der maßgebliche Sachverhalt festgestellt und die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Nach den zuletzt gestellten Anträgen ist die Klage begründet, § 615 Satz 1 iVm. § 611a Abs. 2 BGB. 18 a) Mit ihrer in beide Kündigungsschreiben aufgenommenen Aufforderung, „im Falle der Ablehnung der außerordentlichen Kündigung“ erwarte sie den Kläger zu bestimmten Zeitpunkten „zum Arbeitsantritt“, hat die Beklagte dem Kläger kein ernstgemeintes Angebot zu einer Prozessbeschäftigung unterbreitet. Bei dieser Erklärung der Beklagten handelt es sich zwar um eine Individualerklärung, deren Auslegung grundsätzlich Aufgabe des Berufungsgerichts ist. Die unterlassene Auslegung der Erklärung kann der Senat jedoch selbst vornehmen, weil die maßgeblichen Tatsachen festgestellt sind und weiterer Vortrag – wie die mündliche Verhandlung vor dem Senat ergeben hat – nicht zu erwarten ist (BAG 22. Juni 2022 – 4 AZR 440/21 – Rn. 59). Danach spricht wegen des widersprüchlichen Verhaltens der Beklagten eine tatsächliche Vermutung für die fehlende Ernsthaftigkeit ihres Angebots einer Prozessbeschäftigung. Diese hat die Beklagte durch die Begründung ihrer Kündigungen bestätigt. 19 aa) Wie der Leistungswille des Arbeitnehmers ist der Beschäftigungswille des Arbeitgebers eine innere Tatsache. Ebenso wie für den Leistungswillen ein bloßes „Lippenbekenntnis“ des Arbeitnehmers regelmäßig nicht ausreicht (BAG 13. Juli 2022 – 5 AZR 498/21 – Rn. 28 mwN), kann der Arbeitgeber Annahmeverzug nach Ausspruch einer unwirksamen Kündigung nicht dadurch vermeiden, dass er dem Arbeitnehmer formaliter eine Prozessbeschäftigung andient, ohne dass sein wirklicher Wille (§ 133 BGB) tatsächlich auf eine solche Beschäftigung trotz Festhaltens an der erklärten Kündigung gerichtet ist (vgl. zum Erfordernis eines dort so genannten „echten“ Angebots schon BAG 21. Mai 1981 – 2 AZR 95/79 – zu B II 1 c der Gründe, BAGE 35, 324). Der Arbeitgeber, der das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund nach § 626 Abs. 1 BGB verhaltensbedingt fristlos kündigt, weil ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht länger zumutbar erscheint, kann in der Regel – ohne von einem arbeitsgerichtlichen Urteil dazu gezwungen zu sein – nicht ernsthaft den weiteren Vollzug des Arbeitsverhältnisses wollen mit dem Risiko, damit – wie im Streitfall im Kündigungsschutzprozess geschehen – die behauptete Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung selbst zu widerlegen. 20 bb) Davon ausgehend hat die Beklagte dem Kläger nach dem Ausspruch ihrer unwirksamen verhaltensbedingten fristlosen Kündigungen nicht ernsthaft eine Weiterbeschäftigung zu unveränderten Arbeitsbedingungen angeboten. Es ist weder ersichtlich noch dargetan, wie sich angesichts der von ihr gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe und der von ihr reklamierten Unzumutbarkeit von dessen Weiterbeschäftigung eine – auch nur vorübergehend für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses – den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit gestalten sollte. 21 (1) Die Beklagte hat zur Begründung ihrer außerordentlichen Änderungskündigung vorprozessual im Schreiben vom 9. Dezember 2019 – neben den im Tatbestand exemplarisch aufgeführten Äußerungen (Rn. 3) – dem Kläger umfangreich mannigfaches Fehlverhalten vorgeworfen, das ihr eine Weiterbeschäftigung unzumutbar mache. Sie hat dabei den Kläger – ua. – als Hochstapler beschrieben, der ein Arbeitsergebnis anstrebe, das kurzfristig beeindrucke, aber unvollständig und nicht durchdacht sei. Ferner hat die Beklagte beim Kläger einen „Drang nach übermäßiger Aufmerksamkeit und Anerkennung“ vermutet und ihm unterstellt, er versuche, „eine Illusion einer höheren Kompetenz aufrecht zu erhalten“ als sie tatsächlich vorliege. Der Kläger rede viel, ohne zu einem Ergebnis zu kommen, aus seinem Verhalten ergebe sich seine „mangelnde Kompromissfindungsfähigkeit“. Er habe gezeigt, dass er vor vorsätzlicher Schädigung der Beklagten nicht zurückschrecke und verantwortungslos sei. So habe er für seine Elternzeit keine Vertretungsregelung getroffen und seine Rückkehr nach der Elternzeit nicht vorausschauend geplant. 22 (2) Im Kündigungsschutzprozess, den sie erstinstanzlich ohne anwaltliche Hilfe führte, hat die Beklagte daran festgehalten und umfangreich zu schildern versucht, aus welchen Gründen ihr eine Weiterbeschäftigung des Klägers unzumutbar sei. Ihr „Angebot“ einer Prozessbeschäftigung diente offenbar allein ihrem mehrfach bekundeten Bestreben, die Zahlung von Annahmeverzugsvergütung zu vermeiden. Diese „Taktik“ bestätigt die Beklagte letztlich auch in ihrem Schriftsatz vom 29. März 2020 (dort S. 41 unter Rn. 391), wenn sie ausführt, sie habe sich „durch die Existenz des Missbrauchspotentials von § 615 BGB“ zu diesem Angebot gezwungen gesehen, um „mit der erwartbaren Reaktion des Klägers das finanzielle Risiko des Kündigungsschutzprozesses zu mindern“, was aber nicht bedeute, dass ihr eine Weiterbeschäftigung des Klägers zumutbar gewesen wäre. 23 b) Selbst wenn die Beklagte dem Kläger im Zusammenhang mit ihren unwirksamen Kündigungen ein ernstgemeintes Angebot für eine Prozessbeschäftigung zu unveränderten Arbeitsbedingungen gemacht hätte, indizierte deren Ablehnung nicht Leistungsunwilligkeit des Klägers iSd. § 297 BGB. 24 aa) Der nach § 297 BGB für den Annahmeverzug des Arbeitgebers erforderliche Leistungswille des Arbeitnehmers bezieht sich auf die von ihm iSv. § 294 BGB zu bewirkende Arbeitsleistung (st. Rspr., vgl. nur BAG 19. Januar 2022 – 5 AZR 346/21 – Rn. 16 mwN) und damit auf die Arbeitsleistung im ungekündigten Arbeitsverhältnis. Der unwirksam kündigende Arbeitgeber will aber, solange er an der Kündigung festhält, bei einer Prozessbeschäftigung die Arbeitsleistung nicht als die arbeitsvertraglich geschuldete entgegennehmen, sondern lediglich das finanzielle Risiko eines Unterliegens im Kündigungsschutzprozess mindern, indem er – wenn schon im Annahmeverzug – zumindest eine „Gegenleistung“ des Arbeitnehmers einfordert. Zur Beendigung des Annahmeverzugs muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zur Arbeit auffordern und dies mit der Erklärung verbinden, dass er die Arbeitsleistung als Erfüllung des fortbestehenden Arbeitsvertrags annimmt. Deshalb endet der Annahmeverzug nicht, wenn der Arbeitgeber bei seiner Arbeitsaufforderung die Kündigung aufrechterhält (so schon zB BAG 7. November 2002 – 2 AZR 650/00 – Rn. 16), er muss vielmehr gegenüber dem Arbeitnehmer unmissverständlich klarstellen, zu Unrecht gekündigt zu haben (vgl. BAG 14. Dezember 2017 – 2 AZR 86/17 – Rn. 32, BAGE 161, 198; 19. September 2012 – 5 AZR 627/11 – Rn. 30, BAGE 143, 119) und bereit sein, die Arbeitsleistung als Erfüllung des bestehenden Arbeitsvertrags entgegenzunehmen (BAG 19. Januar 2022 – 5 AZR 346/21 – Rn. 13). 25 bb) Daher lässt allein die Ablehnung einer Prozessbeschäftigung keinen Rückschluss darauf zu, ob der Arbeitnehmer bereit ist, die arbeitsvertraglich zu bewirkende Leistung zu erbringen, wenn der Arbeitgeber seinerseits nicht bereit ist, von seiner unwirksamen Kündigung Abstand zu nehmen und die Arbeitsleistung als Erfüllung aufgrund des fortbestehenden Arbeitsverhältnisses anzunehmen (BeckOGK/Bieder Stand 1. Juli 2022 BGB § 615 Rn. 59.3; krit. auch KR/Spilger 13. Aufl. § 11 KSchG Rn. 29; Boemke JuS 2006, 287, 288). Um einen fehlenden Leistungswillen zu indizieren, müssen in einem solchen Fall weitere Umstände hinzukommen, etwa der, dass der Arbeitnehmer schon vor Ausspruch der unwirksamen Arbeitgeberkündigung leistungsunwillig war. Unabhängig davon, zu welchen Bedingungen der an seiner unwirksamen Kündigung festhaltende Arbeitgeber eine Prozessbeschäftigung (zu den rechtlichen Gestaltungsformen einer Prozessbeschäftigung sh. BAG 8. September 2021 – 5 AZR 205/21 – Rn. 17) anbietet, indiziert die bloße Ablehnung eines solchen Angebots nicht einen fehlenden Leistungswillen des Arbeitnehmers. Die möglichen Folgen einer solchen Ablehnung regelt vielmehr als lex specialis § 11 Nr. 2 KSchG, der abschließend die Voraussetzungen bestimmt, unter denen sich der Arbeitnehmer bei Obsiegen im Kündigungsschutzprozess auf die Annahmeverzugsvergütung anrechnen lassen muss, was er beim bisherigen oder einem neuen Arbeitgeber hätte verdienen können, aber böswillig unterlassen hat. Soweit der Senat in der Entscheidung vom 17. August 2011 (- 5 AZR 251/10 – Rn. 16) Gegenteiliges angenommen hat, wird daran nicht festgehalten. 26 c) Die Weigerung des Klägers, während des Kündigungsschutzprozesses bei der Beklagten weiterzuarbeiten, führt nicht zur Anrechnung nach § 11 Nr. 2 KSchG. Das kann der Senat trotz des dem Tatsachengericht bei der Beurteilung von „Zumutbarkeit“ und „Böswilligkeit“ zustehenden Beurteilungsspielraums (dazu BAG 19. Januar 2022 – 5 AZR 346/21 – Rn. 18) aufgrund der festgestellten bzw. unstreitigen Tatsachen selbst entscheiden (vgl. BAG 22. März 2017 – 5 AZR 337/16 – Rn. 20). Weiterer, bisher nicht gehaltener Sachvortrag der Parteien ist nicht zu erwarten. 27 aa) Ein Arbeitnehmer unterlässt böswillig iSd. § 11 Nr. 2 KSchG anderweitigen Verdienst, wenn ihm ein Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass er während des Annahmeverzugs trotz Kenntnis aller objektiven Umstände vorsätzlich untätig bleibt und eine ihm nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) unter Beachtung des Grundrechts auf freie Arbeitsplatzwahl nach Art. 12 GG zumutbare anderweitige Arbeit nicht aufnimmt oder die Aufnahme bewusst verhindert. Maßgebend sind dabei die gesamten Umstände des Einzelfalls. Die Unzumutbarkeit einer anderweitigen Arbeit kann sich unter verschiedenen Gesichtspunkten ergeben, sie kann etwa ihren Grund in der Person des Arbeitgebers, der Art der Arbeit oder den sonstigen Arbeitsbedingungen haben. Erforderlich für die Beurteilung der Böswilligkeit ist stets eine unter Bewertung aller Umstände des konkreten Falls vorzunehmende Gesamtabwägung der beiderseitigen Interessen (st. Rspr., zuletzt BAG 12. Oktober 2022 – 5 AZR 30/22 – Rn. 14 mwN). 28 bb) Bietet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Weiterbeschäftigung während des Kündigungsschutzprozesses zu den bisherigen Bedingungen an, hängt die Zumutbarkeit für den Arbeitnehmer in erster Linie von der Art der Kündigung und ihrer Begründung sowie dem Verhalten des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozess ab. Handelt es sich um eine personen- oder betriebsbedingte Kündigung, ist dem Arbeitnehmer die vorläufige Weiterbeschäftigung in der Regel zumutbar. Wird eine Kündigung auf verhaltensbedingte Gründe gestützt, spricht dieser Umstand eher für die Unzumutbarkeit der vorläufigen Weiterarbeit für den Arbeitnehmer im Betrieb. Auch Art und Schwere der gegen den Arbeitnehmer erhobenen Vorwürfe können für ihn bereits die Unzumutbarkeit der Weiterarbeit begründen (vgl. BAG 7. November 2002 – 2 AZR 650/00 – zu B I 2 b bb der Gründe). 29 cc) Nach Maßgabe dieser Voraussetzungen war es dem Kläger nicht zuzumuten, trotz der beiden außerordentlichen Kündigungen während des Kündigungsschutzprozesses bei der Beklagten weiterzuarbeiten. 30 (1) Die Beklagte hat ihre fristlose Änderungskündigung im über 40 Seiten umfassenden Schreiben vom 9. Dezember 2019 auf – aus ihrer Sicht – mannigfaches Fehlverhalten des Klägers gestützt und daran auch später im Kündigungsschutzprozess mit umfangreichen schriftlichen Ausführungen des Geschäftsführers ihrer Komplementärin festgehalten. Dabei ist sie auch vor zahlreichen die Person des Klägers in unsachlicher Weise herabwürdigenden Formulierungen nicht zurückgeschreckt. Sie hat vorprozessual und im Kündigungsschutzprozess stets geltend gemacht, der Beklagten sei eine Weiterbeschäftigung des Klägers unzumutbar und das Vertrauensverhältnis „irreparabel zerstört“. Wie sich angesichts dessen eine – auch nur vorübergehende – den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit auf sachlicher Grundlage in dem Kleinbetrieb der Beklagten gestalten soll, hat die Beklagte nicht ansatzweise erläutert. Die in § 242 BGB gründende Obliegenheit des Arbeitnehmers, während des Kündigungsschutzprozesses unter Umständen auch beim kündigenden Arbeitgeber zu dessen finanzieller Entlastung arbeiten zu müssen, findet dort eine Grenze, wo der Arbeitgeber selbst in einer mit § 242 BGB nicht zu vereinbarenden Art und Weise sich widersprüchlich verhält, indem er im Bestreben, ein finanzielles Risiko zu vermeiden, Arbeitsleistung einfordert, obwohl er gleichzeitig schwere Vorwürfe gegen den gekündigten Arbeitnehmer erhebt und dessen Weiterbeschäftigung für unzumutbar hält. 31 (2) Entgegen der Auffassung der Beklagten, war dem Kläger eine Weiterbeschäftigung nicht schon deshalb zumutbar, weil er im Kündigungsschutzprozess zunächst einen – nicht näher begründeten und im Kammertermin beim Arbeitsgericht wieder zurückgenommenen – allgemeinen Weiterbeschäftigungsantrag gestellt hat (zum allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch sh. grundlegend BAG 27. Februar 1985 – GS 1/84 – BAGE 48, 122). Dieser Antrag war auf die Prozessbeschäftigung nach – zumindest erstinstanzlich – festgestellter Unwirksamkeit der Kündigungen gerichtet. Nur wenn der Kläger zu diesem Zeitpunkt die Weiterbeschäftigung abgelehnt hätte, hätte er sich seinerseits widersprüchlich verhalten. Hier ging es indes um die Weiterbeschäftigung in der Zeit bis zur erstinstanzlichen Entscheidung. Es macht einen Unterschied, ob der Arbeitnehmer trotz der gegen ihn im Rahmen einer verhaltensbedingten Kündigung erhobenen (gravierenden) Vorwürfe – noch dazu in einem Kleinbetrieb wie der Beklagten – weiterarbeiten soll oder er nach erstinstanzlichem Obsiegen im Kündigungsschutzprozess gleichsam „rehabilitiert“ in den Betrieb zurückkehren kann. 32 dd) Der Kläger ist im Streitzeitraum auch nicht böswillig anderweitig untätig iSd. § 11 Nr. 2 KSchG geblieben. Er hat sich gemäß seiner in § 38 Abs. 1 SGB III geregelten sozialrechtlichen Pflicht arbeitslos gemeldet (zur Bedeutung dieser Pflicht im Rahmen des § 11 Nr. 2 KSchG sh. BAG 12. Oktober 2022 – 5 AZR 30/22 – Rn. 22 mwN). Dies hat der Kläger durch die Vorlage des Bescheids über die Gewährung von Arbeitslosengeld belegt und die Beklagte in den Tatsacheninstanzen auch nicht bestritten. Darüber hinaus hat er in Reaktion auf die Widerklage der Beklagten in der Berufungsinstanz Auskunft über die von ihm – neben der Meldung als arbeitsuchend – eingeschalteten Headhunter und die geführten Vorstellungsgespräche erteilt. 33 d) Der Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung ist nicht teilweise nach der arbeitsvertraglichen Ausschlussfristenregelung verfallen. 34 Die Klausel nimmt den gesetzlichen Mindestlohn nicht aus, obwohl dessen Geltendmachung nach § 3 Satz 1 MiLoG nicht beschränkt oder ausgeschlossen werden kann. Damit verstößt sie gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und ist insgesamt unwirksam (BAG 18. September 2018 – 9 AZR 162/18 – Rn. 35 ff., BAGE 163, 282; seither gefestigte Rspr., sh. etwa BAG 4. Mai 2022 – 5 AZR 474/21 – Rn. 14). Zudem hat der Kläger die erste Stufe der Ausschlussfrist mit der Kündigungsschutzklage für den gesamten Anspruchszeitraum gewahrt (vgl. BAG 18. September 2019 – 5 AZR 240/18 – Rn. 41 mwN, BAGE 168, 25). Die Frist zur gerichtlichen Geltendmachung – zweite Stufe – begann nach der Klausel erst „nach rechtskräftiger Beendigung des Kündigungsschutzverfahrens“ zu laufen und wurde nicht versäumt. 35 III. Die Kosten der Revision und diejenigen des erstinstanzlichen Verfahrens hat die Beklagte nach § 91 Abs. 1 ZPO zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens sind wegen des dort zusätzlich anhängig gewesenen Auflösungsantrags des Klägers quotal zu teilen, § 92 Abs. 1 ZPO.              Linck                  Bubach                  Biebl                                    Teichfuß                  Zimmer" bag_19-22,25.05.2022,"25.05.2022 19/22 - Kein Wiedereinstellungsanspruch in der Insolvenz In der Insolvenz des Arbeitgebers besteht kein Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers. Ist ein solcher Anspruch vor Insolvenzeröffnung bereits gegenüber dem Schuldner entstanden, erlischt er mit Insolvenzeröffnung. Die Insolvenzordnung bindet durch § 108 Abs. 1 InsO den Insolvenzverwalter nur an bereits vom Schuldner begründete Arbeitsverhältnisse, kennt jedoch keinen Kontrahierungszwang des Insolvenzverwalters. Einen solchen Zwang kann nur der Gesetzgeber anordnen. Der Kläger war bei einem Betten- und Matratzenhersteller mit rund 300 Arbeitnehmern beschäftigt. Dieser kündigte das Arbeitsverhältnis wirksam zum 31. Juli 2019 wegen Betriebsstilllegung. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, noch während der Kündigungsfrist sei ein Betriebsübergang auf die spätere Schuldnerin beschlossen und am 1. August 2019 vollzogen worden. Er nahm deshalb die spätere Schuldnerin, die etwa 20 Arbeitnehmer beschäftigte, auf Wiedereinstellung in Anspruch. Gegen eine von der späteren Schuldnerin erklärte vorsorgliche Kündigung erhob er fristgerecht Kündigungsschutzklage. Während des Berufungsverfahrens wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Das Verfahren wurde dadurch unterbrochen. Der Kläger erklärte mit Schriftsatz vom 29. Juni 2020 die Aufnahme des Verfahrens. Der Beklagte widersprach der Aufnahme. Das Landesarbeitsgericht hat mit Zwischenurteil festgestellt, dass das Verfahren weiterhin unterbrochen ist. Die Revision des Klägers hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts aus prozessualen Gründen Erfolg. Der richterrechtlich entwickelte Wiedereinstellungsanspruch kommt zum Tragen, wenn sich die bei Zugang der Kündigung noch zutreffende Prognose des Arbeitgebers, der Beschäftigungsbedarf werde bei Ablauf der Kündigungsfrist entfallen, als fehlerhaft erweist, etwa weil es zu einem Betriebsübergang kommt. Zwar besteht ein solcher Anspruch in der Insolvenz nicht, so dass der Rechtsstreit an sich nicht nach § 240 ZPO unterbrochen wird. Wird jedoch mit dem Wiedereinstellungsanspruch – wie im vorliegenden Fall – zugleich die Wirksamkeit einer Kündigung angegriffen, führt das zur Unterbrechung auch bezüglich des Streits über die Wiedereinstellung. Umgekehrt hat die Aufnahme des Kündigungsrechtsstreits, für die es nach § 86 Abs. 1 Nr. 3 InsO genügt, dass bei Obsiegen des Arbeitnehmers Masseverbindlichkeiten entstehen können, auch die Aufnahme des Streits über die Wiedereinstellung zur Folge. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. Mai 2022 – 6 AZR 224/21 – Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm, Zwischenurteil vom 5. März 2021 – 16 Sa 100/20 –","Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Zwischenurteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 5. März 2021 – 16 Sa 100/20 – aufgehoben. Das Verfahren ist nicht unterbrochen. Leitsatz In der Insolvenz besteht kein Wiedereinstellungsanspruch. Tatbestand 1 Die Parteien streiten im Rahmen eines Zwischenstreits darüber, ob der Kläger den wegen Insolvenz unterbrochenen, über die Wirksamkeit einer Kündigung und das Bestehen eines Wiedereinstellungsanspruchs geführten Rechtsstreit wirksam aufgenommen hat. 2 Der Kläger war seit 1986 als Versandleiter bei der M GmbH beschäftigt. Diese produzierte mit mindestens 280 gewerblichen Arbeitnehmern zuzüglich Bürokräften in maschineller Massenfertigung Betten und Matratzen. Sie kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 18. Dezember 2018 zum 31. Juli 2019 wegen Betriebsstilllegung. Diese Kündigung wurde nach § 4 Satz 1, § 7 Halbs. 1 KSchG wirksam. 3 Mit seiner am 25. Juli 2019 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der T GmbH, der späteren Schuldnerin (künftig Schuldnerin), am 31. Juli 2019 zugestellten Klage hat der Kläger die Schuldnerin auf Wiedereinstellung in Anspruch genommen, weil bereits während des Laufs der Kündigungsfrist ein Betriebsübergang von der M GmbH auf die Schuldnerin beschlossen und zum 1. August 2019 vollzogen worden sei. Die Schuldnerin beschäftigte nicht wesentlich mehr als 30 Arbeitnehmer, von denen jedenfalls 24 zuvor bei der M GmbH beschäftigt waren. Die Schuldnerin kündigte mit Schreiben vom 26. August 2019 vorsorglich ein etwaig bestehendes Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31. März 2020. Dagegen hat der Kläger fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben. 4 Das Arbeitsgericht hat die Schuldnerin mit Urteil vom 15. Januar 2020 antragsgemäß verurteilt, das Angebot des Klägers auf Abschluss eines ab dem 1. August 2019 gültigen Arbeitsvertrags zu den bis zum 31. Juli 2019 bestehenden Bedingungen des Arbeitsverhältnisses mit der M GmbH anzunehmen. Es hat ferner festgestellt, dass ein etwaig damit begründetes Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 26. August 2019 nicht aufgelöst werde. Dagegen legte die Schuldnerin, vertreten durch ihren bisherigen Prozessbevollmächtigten, am 3. Februar 2020 Berufung ein. 5 Bereits am 22. Januar 2020 war der Beklagte zum vorläufigen Insolvenzverwalter ohne Verwaltungsbefugnis bestellt worden. Mit Beschluss vom 2. März 2020 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Das Landesarbeitsgericht hat den Parteien mit Beschluss vom 6. März 2020 mitgeteilt, das Verfahren sei deshalb gemäß § 240 ZPO unterbrochen. Der Kläger hat das Verfahren gegenüber dem Beklagten mit Schriftsatz vom 29. Juni 2020 aufgenommen. Daraufhin kündigte der Beklagte mit Schreiben vom 22. Juli 2020 vorsorglich ein etwaig zwischen der Schuldnerin und dem Kläger bestehendes Arbeitsverhältnis. Das Arbeitsgericht hat die dagegen in einem weiteren Rechtsstreit erhobene Kündigungsschutzklage mit Urteil vom 16. Dezember 2020 (- 3 Ca 608/20 -) rechtskräftig abgewiesen. Im Zeitpunkt der Kündigung des Beklagten habe nach eigenem Vortrag des Klägers kein Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Schuldnerin mehr bestanden. Er behaupte nämlich unter schlüssigem Tatsachenvortrag, dass das Arbeitsverhältnis bereits zum 1. Februar 2020 durch einen weiteren Betriebsübergang zurück auf die M GmbH übergegangen sei. 6 Der Beklagte hat beantragt,          durch Zwischenurteil festzustellen, dass das anhängige Verfahren weiterhin gemäß § 240 ZPO unterbrochen ist. 7 Er ist der Auffassung, § 108 Abs. 1 InsO erfasse noch nicht begründete Arbeitsverhältnisse nicht. Deshalb stehe der Wiedereinstellungsanspruch im Rang einer Insolvenzforderung und müsse mit seinem Schätzwert zur Insolvenztabelle angemeldet werden. Der Rechtsstreit könne daher nur nach §§ 87, 174 ff. InsO aufgenommen werden, deren Voraussetzungen nicht erfüllt seien. 8 Der Kläger nimmt an, der Wiedereinstellungsanspruch könne als Anspruch auf Vertragsfortsetzung Masseverbindlichkeiten begründen, so dass er den Rechtsstreit wirksam aufgenommen habe. 9 Das Landesarbeitsgericht hat durch Zwischenurteil erkannt, dass das Verfahren weiterhin nach § 240 ZPO unterbrochen ist. 10 Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger unter Vertiefung seiner rechtlichen Argumentation die Aufhebung des Zwischenurteils des Landesarbeitsgerichts. Entscheidungsgründe 11 I. Die Revision des Klägers ist statthaft. Das Landesarbeitsgericht hat den Streit der Parteien über eine Verfahrensfortsetzung nach einer Unterbrechung des Verfahrens gemäß § 240 ZPO zu Recht durch Zwischenurteil entschieden (BGH 11. Februar 2010 – VII ZR 225/07 – Rn. 6 mwN; vgl. für die Unterbrechung nach § 352 InsO BAG 18. Juli 2013 – 6 AZR 882/11 (A) – Rn. 18). Zwischenurteile in einem solchen Streit, mit denen die Aufnahme abgelehnt worden ist, dienen der abschließenden Klärung vorgreiflicher Zulässigkeitsfragen (vgl. BGH 9. Juli 2009 – III ZR 46/08 – Rn. 18, BGHZ 182, 10). Sie betreffen die Möglichkeit der Prozess(fort)führung und sind daher in entsprechender Anwendung des § 280 Abs. 2 ZPO unter denselben Voraussetzungen wie ein Endurteil selbständig anfechtbar (vgl. BGH 25. Juni 2020 – IX ZR 47/19 – Rn. 13 mwN). 12 II. Die Revision des Klägers ist auch begründet. Der Kläger hat das Verfahren mit Schriftsatz vom 29. Juni 2020 nicht nur bezüglich der Kündigungsschutzklage nach § 86 Abs. 1 Nr. 3 InsO wirksam aufgenommen, sondern auch bezüglich der begehrten Wiedereinstellung. Der Rechtsstreit war insoweit nur unterbrochen, weil dieser Anspruch im Wege der objektiven Klagehäufung zusammen mit dem Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung vom 26. August 2019 verfolgt wurde. Deshalb bewirkte die wirksame Aufnahme des Kündigungsschutzprozesses zugleich die Aufnahme des Verfahrens, soweit der Kläger seine Wiedereinstellung begehrt. 13 1. Es kann dahinstehen, ob der Beklagte auch hinsichtlich des Wiedereinstellungsanspruchs passivlegitimiert ist oder ob die am letzten Tag der Kündigungsfrist erhobene Klage, wie er erstmals in der Revisionsinstanz gerügt hat, noch gegen die M GmbH hätte gerichtet werden müssen. Der vorliegende Zwischenstreit wird ausschließlich zwischen den Parteien des Rechtsstreits geführt, auch wenn eine Partei materiell-rechtlich der falsche Prozessgegner sein sollte (vgl. Zöller/Greger ZPO 34. Aufl. § 239 Rn. 12 für den Streit über die Rechtsnachfolge). 14 2. Die Berufung ist noch vom Prozessbevollmächtigten der Schuldnerin während des Eröffnungsverfahrens eingelegt worden. Die auf diesen lautende Prozessvollmacht war zu diesem Zeitpunkt noch nicht nach § 117 Abs. 1 InsO erloschen. Zwar werden auch Prozessvollmachten von dieser Bestimmung erfasst (BAG 18. Juli 2005 – 3 AZB 65/04 – zu B II der Gründe; für § 23 KO BGH 14. Mai 1998 – IX ZR 256/96 – zu II 1 der Gründe), ihr Anwendungsbereich ist jedoch mangels Verweisung in § 22 Abs. 1 InsO auf das vorläufige Insolvenzverfahren in diesem noch nicht eröffnet (BFH 24. Juni 2003 – I B 30/03 – zu II 2 b der Gründe; allg. Meinung Uhlenbruck/Sinz 15. Aufl. § 117 InsO Rn. 20 mwN). 15 3. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Rechtsstreit auch bezüglich des Wiedereinstellungsanspruchs nach § 240 Satz 1 ZPO unterbrochen worden ist. Dafür genügt es, dass die im Wege der objektiven Klagehäufung verfolgte Kündigungsschutzklage den erforderlichen Massebezug aufweist. 16 a) Zwar fällt dem Rechtsmittelgericht nur der Zwischenstreit an, das daher ausschließlich über die Prozessvoraussetzung(en) zu entscheiden hat, auf die sich das Zwischenurteil bezieht (MüKoZPO/Prütting 6. Aufl. § 280 Rn. 8). Notwendige, von Amts wegen zu prüfende (BGH 11. Februar 2020 – VII ZR 225/07 – Rn. 10) Vorfrage für eine solche Entscheidung ist jedoch, ob das Verfahren überhaupt unterbrochen worden ist. 17 b) Ausgehend vom Zweck des § 240 ZPO, dem weiter prozessfähigen, aber nicht mehr prozessführungsbefugten Schuldner nach Verlust seiner Verfügungsbefugnis über die Masse jede masseerhebliche Einwirkung auch im bereits rechtshängigen Prozess zu verwehren und dem Verwalter die für die Weiterführung des Prozesses erforderliche Überlegungs- und Einarbeitungszeit zu gewährleisten (Windel in Jaeger InsO § 85 Rn. 2), ist das Tatbestandsmerkmal des Massebezugs weit zu verstehen (BeckOK ZPO/Jaspersen Stand 1. März 2022 ZPO § 240 Rn. 7). Eine Unterbrechung erfolgt daher bereits dann, wenn der Streitgegenstand die Masse zumindest mittelbar betrifft (BAG 18. Oktober 2006 – 2 AZR 563/05 – Rn. 19, BAGE 120, 27; BGH 10. Dezember 2014 – XII ZR 136/12 – Rn. 15). Maßgeblich ist, ob das streitbefangene Recht oder Rechtsverhältnis der Kompetenz des Verwalters untersteht (Windel aaO § 85 Rn. 20; HK-InsO/Kayser 10. Aufl. § 85 Rn. 22). 18 c) Bei Feststellungsklagen wie der Kündigungsschutzklage wird der Rechtsstreit unterbrochen, wenn durch die Klage ein Rechtsverhältnis zur Masse begründet oder aufrechterhalten werden soll (vgl. Windel in Jaeger InsO § 85 Rn. 28; HK-InsO/Kayser 10. Aufl. § 85 Rn. 26 [allerdings mit auf Aktivprozesse und nicht auf den hier vorliegenden Passivprozess zugeschnittenen Fallkonstellationen]). In derartigen Prozessen besteht die Gefahr, dass die Masse belastet wird, weil der verfolgte Anspruch zu Insolvenz- oder Masseverbindlichkeiten führen kann, mit dem Rechtsstreit also der Weg für Insolvenzforderungen oder Masseverbindlichkeiten geebnet werden soll (BAG 18. Oktober 2006 – 2 AZR 563/05 – Rn. 19, BAGE 120, 27). Dagegen tritt keine Unterbrechung ein, wenn der Rechtsstreit höchstpersönliche Streitigkeiten betrifft (BAG 5. November 2009 – 2 AZR 609/08 – Rn. 10) oder wenn der gesamte streitige Anspruch nicht zur Insolvenzmasse gehört (BAG 18. Oktober 2006 – 2 AZR 563/05 – Rn. 19, aaO). 19 d) Nach diesen Grundsätzen weist der Rechtsstreit hinsichtlich der mit dem Antrag zu Ziff. 2 verfolgten Kündigungsschutzklage den erforderlichen Massebezug auf. Bei Obsiegen könnten daraus finanzielle Ansprüche entstehen, die vom Insolvenzverwalter nach den Grundsätzen der Insolvenzordnung zu befriedigen wären, die Masse belasteten und damit seiner Kompetenz unterstünden. Das hat zur Folge, dass der Rechtsstreit hinsichtlich aller damit verfolgten Streitgegenstände und darum auch hinsichtlich des Wiedereinstellungsanspruchs insgesamt unterbrochen worden ist (BGH 20. Juni 2018 – XII ZB 285/17 – Rn. 38; Uhlenbruck/Mock 15. Aufl. § 85 InsO Rn. 27 mwN zum Streitstand bei mehreren Streitgegenständen mit und ohne Massebezug; differenzierend Windel in Jaeger InsO § 85 Rn. 26). 20 4. Der Kläger hat den Rechtsstreit wirksam aufgenommen. Das Landesarbeitsgericht hat bei seiner Entscheidung zwar nicht berücksichtigt, dass ein etwaiger gegen die M GmbH entstandener Anspruch auf Wiedereinstellung mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin erloschen ist und daher keine Belastung der Masse bewirken kann. Weil der Rechtsstreit auch hinsichtlich des Wiedereinstellungsanspruchs wegen seiner Verbindung mit einem Anspruch, der Massebezug hat, insgesamt unterbrochen war, hatte jedoch die nach § 86 Abs. 1 Nr. 3 InsO wirksame Aufnahme des Rechtsstreits über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Kündigung vom 26. August 2019 zugleich die Beendigung der Unterbrechung des Rechtsstreits hinsichtlich des Wiedereinstellungsanspruchs zur Folge. 21 a) Der Kläger hat das Kündigungsschutzverfahren mit seiner Erklärung vom 29. Juni 2020 nach § 86 Abs. 1 Nr. 3 InsO wirksam aufgenommen. Dafür genügte es, dass bei Obsiegen mit dem Kündigungsschutzantrag Masseverbindlichkeiten entstehen können (mittelbare Masseverbindlichkeiten, vgl. BAG 18. Oktober 2006 – 2 AZR 563/05 – Rn. 25 f., BAGE 120, 27). 22 aa) Nach § 240 Satz 1 ZPO bestimmen sich die Voraussetzungen, unter denen ein unterbrochenes Verfahren wieder aufgenommen werden kann, nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften. Bei Passivprozessen wie dem vorliegenden, die ein Recht zu Lasten der späteren Insolvenzmasse in Anspruch nehmen (HK-InsO/Kayser 10. Aufl. § 86 Rn. 6), kann der Gläubiger gemäß § 86 Abs. 1 InsO ohne weiteres die Unterbrechung durch Aufnahmeerklärung beenden, wenn der Rechtsstreit die Aussonderung, die abgesonderte Befriedigung oder eine Masseverbindlichkeit betrifft. Handelt es sich dagegen um eine Insolvenzforderung, kann der Insolvenzgläubiger den Rechtsstreit gemäß §§ 87, 174 ff. InsO erst aufnehmen, wenn die Forderung wirksam zur Tabelle angemeldet, geprüft und bestritten worden ist, also das insolvenzrechtliche Feststellungsverfahren durchgeführt worden ist. Im wirksam aufgenommenen Rechtsstreit kann er dann nur noch das Ziel verfolgen, die Forderung zur Tabelle festzustellen (BAG 15. Mai 2013 – 5 AZR 252/12 (A) – Rn. 10 f.; BGH 25. Juni 2020 – IX ZR 47/19 – Rn. 10 f.; 3. Juli 2014 – IX ZR 261/12 – Rn. 9). 23 bb) Das Arbeitsverhältnis als solches entzieht sich der Kategorisierung als „Masseverbindlichkeit“ oder „Insolvenzforderung“. Es ist mit einer Vielzahl damit verbundener, auch sozialversicherungsrechtlicher Rechte und Pflichten keine Masseverbindlichkeit oder Insolvenzforderung. Erst die daraus entstehenden Ansprüche sind einem insolvenzrechtlichen Rang zuzuweisen. 24 cc) Darum ist für die Frage, ob Bestandsschutzstreitigkeiten wie die Kündigungsschutz- oder Befristungskontrollklage nach § 86 Abs. 1 Nr. 3 InsO aufgenommen werden können, allein von Belang, ob und inwieweit durch eine solche Klage Masseverbindlichkeiten entstehen können (BAG 18. Oktober 2006 – 2 AZR 563/05 – Rn. 25 ff., BAGE 120, 27). 25 (1) Anderenfalls wäre der Streit über die Wirksamkeit einer Kündigung durch den Schuldner, der im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch rechtshängig ist, stets als Insolvenzforderung einzuordnen, weil das Arbeitsverhältnis vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet und die Kündigung nicht vom Verwalter erklärt worden ist. Weil Kündigungsschutzklagen nach § 4 KSchG als Feststellungsklagen geführt werden müssen und darum nicht auf Geld gerichtet sind, müssten sie stets und ohne Ausnahme mit ihrem Schätzwert nach § 45 Satz 1 InsO zur Insolvenztabelle angemeldet werden. Bei Arbeitsverhältnissen, deren Bestand über den Zeitpunkt der Eröffnung der Insolvenz hinaus geltend gemacht wird, lässt sich jedoch kein Schätzwert ermitteln, weil sich die künftige Entwicklung des Arbeitsverhältnisses und damit dessen Wert nicht prognostizieren lässt. Die begehrte Feststellung als prozessualer Anspruch lässt sich in diesen Fällen nicht allein durch Umrechnung in Geld realisieren, so dass derartige Bestandsstreitigkeiten als solche nicht in Geld umgerechnet zur Tabelle angemeldet werden müssen. Sie werden vielmehr von § 45 Satz 1 InsO nicht erfasst (vgl. Henckel in Jaeger InsO § 45 Rn. 7; MüKoInsO/Bitter 4. Aufl. § 45 Rn. 8c; Uhlenbruck/Knof 15. Aufl. § 45 InsO Rn. 9). Nur so kann der gesetzlichen Wertung des § 108 Abs. 1 InsO, wonach das Arbeitsverhältnis bei Obsiegen des Arbeitnehmers zu Lasten der Masse fortbesteht, Rechnung getragen werden. Darin liegt der Unterschied zu Insolvenzforderungen, die im Anwendungsbereich des § 103 InsO auf einen Leistungsaustausch gerichtet sind, deshalb als solche nicht zur Tabelle angemeldet werden können, nach Wahl des Insolvenzverwalters erfüllt werden können und sich bei Ablehnung der Erfüllung in einen Schadenersatzanspruch umwandeln (vgl. für einen aktienrechtlichen Abfindungsanspruch BGH 17. März 2008 – II ZR 45/06 – Rn. 18, BGHZ 176, 43; für Zug-um-Zug-Leistungen BGH 23. Oktober 2003 – IX ZR 165/02 – zu II 2 der Gründe; für einen Unterlassungsanspruch BGH 10. Juli 2003 – IX ZR 119/02 – zu II 3 d aa der Gründe, BGHZ 155, 371; für einen nach §§ 87 ff. SachenRBerG durchsetzbaren Anspruch auf Abschluss eines Grundstückkaufvertrags zu einem bestimmbaren Preis BGH 18. April 2002 – IX ZR 161/01 – zu III 2 b der Gründe, BGHZ 150, 305). 26 (2) Soweit das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 18. Oktober 2006 (- 2 AZR 563/05 – Rn. 29 f., BAGE 120, 27) eine Umrechnung des Feststellungsanspruchs nach § 45 InsO für möglich gehalten hat, betraf dies eine Sonderkonstellation. Das Arbeitsverhältnis war unabhängig vom Ausgang der Klage bereits vor Eröffnung der Insolvenz beendet worden. Gestritten wurde nur darum, ob dies durch eine außerordentliche Kündigung oder erst später nach Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist geschehen war. Ansprüche, die gleichwohl Masseverbindlichkeiten hätten sein können, hatte der Kläger nicht dargelegt. Wirtschaftlich ging es bei der Kündigungsschutzklage darum nur noch um die Sicherung von Entgeltansprüchen, die ausnahmslos nur Insolvenzforderungen sein konnten. Auch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27. März 1995 (- II ZR 140/93 – zu I 1 der Gründe) betraf keinen Rechtsstreit, in dem um den Fortbestand des Rechtsverhältnisses zu Lasten der Masse gestritten wurde. 27 (3) Bestandsschutzstreitigkeiten im Arbeitsverhältnis können daher im Regelfall nach § 86 Abs. 1 Nr. 3 InsO aufgenommen werden, weil daraus Masseverbindlichkeiten entstehen können. Nur ausnahmsweise richtet sich die Aufnahme nach § 87 InsO, nämlich dann, wenn bei Obsiegen allein Insolvenzforderungen entstehen können, etwa weil das Arbeitsverhältnis unstreitig jedenfalls vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens beendet wurde. 28 dd) Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 29. Juni 2020 den Rechtsstreit bezüglich der Kündigungsschutzklage wirksam aufgenommen, mit der er den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den Ablauf der Kündigungsfrist, die am 31. März 2020 endete, hinaus begehrt. Obsiegt er mit diesem Antrag, könnten daraus Masseverbindlichkeiten entstehen. Über die Erfolgsaussichten der Klage ist im Zwischenstreit nicht zu entscheiden. 29 b) Der Kläger hat den Rechtsstreit auch bezüglich des Wiedereinstellungsanspruchs wirksam aufgenommen. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass in der Insolvenz kein Wiedereinstellungsanspruch besteht. Ein im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bereits begründeter Anspruch auf Wiedereinstellung gegen den bisherigen Arbeitgeber oder einen Erwerber erlischt mit Insolvenzeröffnung, so dass daraus keine Masseverbindlichkeiten mehr entstehen können und kein Aufnahmegrund gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 3 InsO vorliegt. Ein solcher Aufnahmegrund ist auch nicht erforderlich, wenn der Rechtsstreit isoliert nur bezüglich des erloschenen Wiedereinstellungsanspruchs geführt wird. Dann wird dieser Rechtsstreit nicht unterbrochen, weil der Zweck des § 240 ZPO (dazu Rn. 17) nicht erfüllt ist. Der Schuldner kann nicht mehr massewirksam über das erloschene Rechtsverhältnis verfügen, der Insolvenzverwalter benötigt keine Einarbeitungszeit, sondern der Prozess kann „nahtlos“ mit dem Verwalter weitergeführt werden. Ist das Verfahren jedoch wie vorliegend auch bezüglich des Wiedereinstellungsanspruchs nur deshalb unterbrochen worden, weil ein anderer Anspruch im Wege der objektiven Klagehäufung hinzutritt, der den erforderlichen Massebezug aufweist (dazu Rn. 19), bewirkt dessen wirksame Aufnahme zugleich die Wiederaufnahme des Verfahrens bezüglich des Wiedereinstellungsanspruchs. 30 aa) In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist ua. ein Wiedereinstellungsanspruch bei fehlerhafter Prognose über den Wegfall des Beschäftigungsbedarfs bei betriebsbedingten Kündigungen entwickelt worden. 31 (1) Erweist sich die einer betriebsbedingten Kündigung zugrundeliegende Prognose des Arbeitgebers, der Beschäftigungsbedarf werde entfallen, noch während der Kündigungsfrist als falsch, ist die Kündigung nicht sozialwidrig, weil deren Gestaltungswirkung aufgrund ihres Charakters als Gestaltungserklärung mit Zugang – zukunftsbezogen – eintritt und sich deren Wirksamkeit damit notwendig nach den Verhältnissen im Zeitpunkt ihres Zugangs bestimmt (zur Gestaltungswirkung BAG 21. März 2013 – 6 AZR 618/11 – Rn. 15). Insoweit ist dem Arbeitgeber die „überschießende Rechtsmacht“ eingeräumt, bereits wegen eines lediglich geplanten Wegfalls des Beschäftigungsbedarfs zu kündigen (vgl. Niemann FS Preis 2021 S. 927, 933 f.; Preis Prinzipien des Kündigungsrechts bei Arbeitsverhältnissen 2. Aufl. Rn. 822). Die Rechtsprechung hat angenommen, dass es eines Korrektivs bedarf, wenn sich die der Kündigung zugrundeliegende Prognose im Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist – insbesondere wegen eines im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung noch nicht absehbaren Betriebsübergangs – als unzutreffend erweist. Dieses Korrektivs soll es auch dann noch bedürfen, wenn der Betriebsübergang schon während des Laufs der Kündigungsfrist „beschlossen“, aber noch nicht vollzogen worden ist (BAG 15. Dezember 2011 – 8 AZR 197/11 – Rn. 37). In beiden Fällen hat die Rechtsprechung den Arbeitgeber für verpflichtet gehalten, den Arbeitnehmer wieder einzustellen, wenn der Arbeitgeber noch keine Dispositionen getroffen hat und ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zuzumuten ist (grundlegend BAG 27. Februar 1997 – 2 AZR 160/96 – zu II 2 c und II 4 der Gründe, BAGE 85, 194). Der Wiedereinstellungsanspruch ist damit ein richterrechtlich entwickelter Ausgleich des angenommenen Konflikts, der sich aus dem Charakter der Kündigung als Gestaltungsrecht einerseits und dem Ziel von § 1 KSchG, den Arbeitnehmer vor dem Verlust des Arbeitsplatzes im Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist zu schützen, andererseits ergeben soll. In Auflösung dieses Konflikts hat es die Rechtsprechung als notwendig angesehen, das Risiko der Fehlprognose dem Arbeitgeber aufzuerlegen (Preis aaO). 32 (2) Rechtsdogmatisch findet der Wiedereinstellungsanspruch seine Grundlage in einer vertraglichen Nebenpflicht iSv. § 241 Abs. 2, § 242 BGB (APS/Kiel 6. Aufl. KSchG § 1 Rn. 742 mwN; Preis Prinzipien des Kündigungsrechts bei Arbeitsverhältnissen 2. Aufl. Rn. 822; aA: systemimmanente Rechtsfortbildung KR/Rachor 13. Aufl. § 1 KSchG Rn. 823; Krieger/Willemsen NZA 2011, 1128; mit umfangreicher Übersicht über die in allen denkbaren Konstellationen vertretenen Anspruchsgrundlagen Steinacker Der Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers S. 110 bis 160). In einen solchen Wiedereinstellungsanspruch tritt ein Erwerber nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB ein, so dass sich der Wiedereinstellungsanspruch ab dem Betriebsübergang gegen den Erwerber richtet (vgl. BAG 15. Dezember 2011 – 8 AZR 197/11 – Rn. 37). 33 (3) Der Wiedereinstellungsanspruch begründet einen Kontrahierungszwang (BAG 25. Oktober 2007 – 8 AZR 989/06 – Rn. 21). Rechtstechnisch umgesetzt wird dieser Zwang durch eine Klage auf Annahme des vom Arbeitnehmer mit der Klage erklärten Angebots auf Abschluss eines Arbeitsvertrags. Obsiegt der Arbeitnehmer mit diesem Antrag, gilt die Annahmeerklärung des Beklagten nach § 894 Satz 1 ZPO als abgegeben. Diese gesetzlich angeordnete Fiktion bewirkt sämtliche Rechtsfolgen, die eine im selben Zeitpunkt abgegebene wirksame Willenserklärung des Verpflichteten mit demselben Inhalt gehabt hätte, zu dem Zeitpunkt, zu dem der Arbeitnehmer berechtigt war, den Abschluss des neuen Arbeitsvertrags zu verlangen (BAG 9. November 2006 – 2 AZR 509/05 – Rn. 69, BAGE 120, 115). Seit Inkrafttreten des § 311a Abs. 1 BGB kann darum auch einem Antrag auf rückwirkende Wiedereinstellung stattgegeben werden, weil seitdem auch die Verurteilung zur Abgabe einer Willenserklärung möglich ist, durch die rückwirkend ein Arbeitsverhältnis begründet werden soll, auch wenn dieses für die Vergangenheit tatsächlich nicht mehr durchgeführt werden kann und darum rückwirkend keine Annahmeverzugsansprüche entstehen können (vgl. BAG 19. August 2015 – 5 AZR 975/13 – Rn. 19 f., 22 f., BAGE 152, 213). 34 bb) Jedenfalls in der Insolvenz besteht aber kein Wiedereinstellungsanspruch. Die Insolvenzordnung sieht keinen Kontrahierungszwang für den Verwalter zur Begründung von Rechtsverhältnissen vor, sondern bindet ihn über § 108 Abs. 1 InsO nur an bestimmte, bereits vom Schuldner begründete Rechtsverhältnisse, die der Verwalter wirksam kündigen muss, wenn er die Masse von den damit verbundenen Verbindlichkeiten befreien will (vgl. BAG 23. Februar 2017 – 6 AZR 665/15 – Rn. 30, BAGE 158, 214; vgl. für das Mietverhältnis BGH 11. Oktober 2018 – IX ZR 217/17 – Rn. 11 f.). Zu diesen besonders geschützten Rechtsverhältnissen gehört zwar auch das Arbeitsverhältnis. Das Oktroyieren von Arbeitsverhältnissen und den daraus resultierenden Masseverbindlichkeiten außerhalb des Anwendungsbereichs des § 108 Abs. 1 InsO ist der Insolvenzordnung jedoch fremd. In der Insolvenz kommt ein Wiedereinstellungsanspruch deshalb nicht zum Tragen. Das gilt nicht nur bei wirksamer Kündigung des Insolvenzverwalters in der Insolvenz des Betriebsveräußerers (BAG 16. Februar 2012 – 8 AZR 693/10 – Rn. 56; 28. Oktober 2004 – 8 AZR 199/04 – zu II 2 b dd (3) der Gründe; noch zur KO BAG 10. Dezember 1998 – 8 AZR 324/97 – BAGE 90, 260; aA ohne Begründung BAG 27. Februar 1997 – 2 AZR 160/96 – zu II 4 der Gründe, BAGE 85, 194; zum Meinungsstand im Schrifttum Steinacker Der Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers S. 182 ff.), sondern auch bei wirksamer Kündigung durch den später insolventen Schuldner als Veräußerer sowie in der hier vorliegenden Konstellation der wirksamen Kündigung des Veräußerers bei späterer Insolvenz des Erwerbers. 35 (1) § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO ordnet an, dass bestimmte Dauerschuldverhältnisse, zu denen auch Arbeitsverhältnisse zählen, mit Wirkung für die Masse fortbestehen. Damit entzieht diese Bestimmung ua. das Arbeitsverhältnis dem Anwendungsbereich des § 103 InsO und ist insoweit lex specialis. Das Wahlrecht des Verwalters, ob er einen gegenseitigen Vertrag erfüllen will, wurde vom Gesetzgeber für den Anwendungsbereich des § 108 InsO als unangemessen angesehen (HK-InsO/Marotzke 10. Aufl. § 108 Rn. 3). Als Rechtsnachfolger des Schuldners tritt der Verwalter darum uneingeschränkt in dessen gegenüber den Arbeitnehmern bestehende Pflichten ein. Die Vorschrift dient dem Ausgleich der schutzwürdigen Interessen des Verwalters bzw. der Masse einerseits und des Vertragspartners andererseits (KPB/Tintelnot InsO § 108 Stand Oktober 2019 Rn. 5, 129). Bezogen auf Arbeitsverhältnisse sollen der Masse sowohl die zur Reorganisation bzw. geordneten Abwicklung benötigten Arbeitnehmer erhalten bleiben (KPB/Tintelnot aaO Rn. 130; vgl. Uhlenbruck/Ries 15. Aufl. § 108 InsO Rn. 50) als auch dem Kontinuitätsinteresse des Arbeitnehmers Rechnung getragen werden (KPB/Tintelnot aaO Rn. 5, 130; MüKoInsO/Hoffmann 4. Aufl. § 108 Rn. 3). In Fortsetzung dieses Konzepts sind bestimmte Verbindlichkeiten, die aus diesen Dauerschuldverhältnissen erwachsen, durch § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO zu Masseverbindlichkeiten aufgewertet, die der Verwalter nicht vermeiden kann, die der Masse also „oktroyiert“ sind (vgl. MüKoInsO/Hoffmann aaO Rn. 1, 7). 36 (2) Nach dieser gesetzlichen Konzeption begründet die Insolvenzeröffnung bzw. das Insolvenzverfahren keine eigenständigen Kündigungsgründe. Sofern die Insolvenzordnung selbst nichts Abweichendes vorsieht, hat der Verwalter vielmehr die allg. Bestimmungen des Arbeitsrechts einzuhalten (vgl. BAG 20. September 2012 – 6 AZR 253/11 – Rn. 20, BAGE 143, 129; Steinacker Der Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers S. 194). Einen über die Verpflichtungen aus § 108 Abs. 1 InsO hinausgehenden, der Systematik der Insolvenzordnung widersprechenden Kontrahierungszwang des Verwalters zur Neubegründung wirksam gekündigter Arbeitsverhältnisse kann nur der Gesetzgeber und nicht die Rechtsprechung anordnen. Eine Wiederbegründung des Arbeitsverhältnisses als vertragliche Nebenpflicht hätte daher einer gesetzlichen Regelung bedurft. Anders als im Mietrecht, das in § 574 BGB einen gesetzlichen Fortsetzungsanspruch kennt, fehlt es im Arbeitsrecht an der erforderlichen gesetzlichen Regelung. Darum trägt in der Insolvenz der Arbeitnehmer das Risiko einer fehlerhaften Prognose des Kündigenden über den Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses zum Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist. Das gilt in allen denkbaren Fallgestaltungen und unabhängig davon, ob der Betriebsübergang vor oder nach Ablauf der Kündigungsfrist erfolgt (im Ergebnis ebenso Uhlenbruck/Zobel 15. Aufl. § 128 InsO Rn. 30c mwN). 37 (a) Fällt wie im vorliegenden Rechtsstreit nach einer wirksamen Kündigung und einem späteren (behaupteten) Betriebsübergang der (vermeintliche) Erwerber in Insolvenz oder kündigt der spätere Schuldner wirksam und kommt es aus der dann folgenden Insolvenz doch noch zu einem Betriebsübergang, würde der Insolvenzverwalter bei Bestehen eines Wiedereinstellungsanspruchs gezwungen, zunächst das Angebot des Arbeitnehmers in seiner Eigenschaft als Rechtsnachfolger des zur Wiedereinstellung verpflichteten Schuldners anzunehmen, wodurch rückwirkend über die Fiktion des § 894 Satz 1 ZPO iVm. § 311a BGB ein Arbeitsverhältnis auf einen Zeitpunkt vor Eröffnung des Verfahrens fingiert würde, das dem Verwalter – jetzt in seiner Eigenschaft als Verwalter der Masse – über § 108 Abs. 1 InsO oktroyiert würde. 38 (aa) Aus dem Wortlaut des § 108 Abs. 1 InsO, wonach ua. Dienstverhältnisse „fortbestehen“, folgt nichts für die hier zu entscheidende Frage, ob die Bestimmung nur Dauerschuldverhältnisse erfasst, die bereits vom Schuldner begründet waren und dann nach Insolvenzeröffnung „fortbestehen“ iSv. „weiterbestehen“ oder „trotz veränderter Voraussetzungen nach wie vor bestehen“ (vgl. zu dieser Wortbedeutung Duden Deutsches Universalwörterbuch 9. Aufl. Stichwort „fortbestehen“). Mit dem Begriff des „Fortbestehens“ der in § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO genannten Dauerschuldverhältnisse sollte nur eine klare Abgrenzung zu der vom Bundesgerichtshof zu § 17 KO entwickelten Erlöschenstheorie erfolgen. Nach dieser Theorie sollte die Eröffnung nicht nur die Durchsetzbarkeit des Erfüllungsanspruchs beschränken, sondern die beiderseitigen Erfüllungsansprüche erlöschen lassen (zuletzt BGH 28. September 2000 – VII ZR 372/99 – zu II 2 a der Gründe, BGHZ 145, 245). Der im Zeitpunkt der Konkurseröffnung nicht erfüllte Vertrag wurde damit durch die Verfahrenseröffnung umgestaltet. An seine Stelle trat der einseitige Anspruch des anderen Teils auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung nach § 26 KO, der lediglich eine Konkursforderung nach § 3 KO darstellte. Allein die Willenserklärung des Konkursverwalters, den Vertrag zu erfüllen oder Erfüllung zu verlangen, sollte den untergegangenen Anspruch gegen den Vertragspartner wieder erstehen lassen, indem sie ihn mit dem bisherigen Inhalt neu begründete (BGH 4. Mai 1995 – IX ZR 256/93 – zu II 1 a der Gründe, BGHZ 129, 336). Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bleiben die Ansprüche beider Vertragsparteien der unter § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO fallenden Verträge demgegenüber bis zu ihrer Beendigung oder bis zum Eintritt von Leistungsverweigerungsrechten aufgrund von Leistungsstörungen auf Leistung und Gegenleistung bestehen (vgl. BGH 1. März 2007 – IX ZR 81/05 – Rn. 11). Das stellt die Wortwahl in § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO klar (vgl. KPB/Tintelnot InsO § 108 Stand Oktober 2019 Rn. 3). Weitergehende Bedeutung kommt ihr insoweit nicht zu. 39 (bb) Der Wille des Gesetzgebers, den Anwendungsbereich des § 108 Abs. 1 InsO auf Dauerschuldverhältnisse zu begrenzen, die bereits vom Schuldner begründet worden sind und dann nach Insolvenzeröffnung „trotz veränderter Voraussetzungen nach wie vor bestehen“ sollen, folgt jedoch mit der erforderlichen Eindeutigkeit aus der der Bestimmung zugrundeliegenden Systematik der Insolvenzordnung. Ein Verständnis des § 108 Abs. 1 InsO, wonach bei entsprechendem Antrag des Arbeitnehmers aufgrund der von § 894 Satz 1 ZPO iVm. § 311a BGB angeordneten Fiktion der rückwirkenden Abgabe der eingeklagten Willenserklärung durch den Verwalter ein bereits vor Insolvenzeröffnung bestehendes Arbeitsverhältnis fingiert wird, das mit Wirkung für die Masse fortbesteht, ist mit der Systematik der Insolvenzordnung, wie ausgeführt, nicht vereinbar, weil es den Verwalter zwingen würde, zu Lasten der Masse neue Arbeitsverhältnisse zu begründen. Zudem birgt bereits die Notwendigkeit, eine Vielzahl von Wiedereinstellungsprozessen zu führen, die Gefahr der Aushöhlung der Masse, wie der vorliegende Rechtsstreit und zwei weitere im Senat anhängige Parallelverfahren bestätigen. Wenn von den mehr als 200 entlassenen Arbeitnehmern der M GmbH eine erhebliche Anzahl einen Wiedereinstellungsanspruch reklamiert, höhlen bereits diese Prozesse die Masse der Schuldnerin, die nur auf eine Betriebsgröße von etwa 30 Arbeitnehmern ausgelegt war, aus. Ein Wille, dem Kontinuitätsinteresse der Arbeitnehmer vor dem Interesse der Masse und damit der Gesamtheit der Gläubiger derart Vorrang einzuräumen, kann § 108 Abs. 1 InsO nicht entnommen werden, sondern bedürfte einer gesonderten gesetzlichen Anordnung. An dieser fehlt es. 40 (b) Kündigt der Insolvenzverwalter ein nach § 108 Abs. 1 InsO mit Wirkung für die Masse fortbestehendes Arbeitsverhältnis nach Maßgabe der bei Zugang der Kündigung vorliegenden Verhältnisse wirksam, hat es damit auch dann sein Bewenden, wenn es später doch noch zu einem Betriebsübergang kommt. Ein erneutes Oktroyieren des Arbeitsverhältnisses zur Korrektur einer Fehlprognose bedürfte ebenfalls einer gesetzlichen Anordnung, die das Risiko der Fehlprognose der Masse auferlegt. Auch daran fehlt es. Darum hält der Senat an der Rechtsprechung des Achten Senats des Bundesarbeitsgerichts fest, wonach bei einer wirksamen Kündigung des Verwalters ungeachtet eines nach Ablauf der Kündigungsfrist erfolgenden Betriebsübergangs kein – zukunftsgerichteter – Wiedereinstellungsanspruch besteht (vgl. BAG 16. Februar 2012 – 8 AZR 693/10 – Rn. 56; 28. Oktober 2004 – 8 AZR 199/04 – zu II 2 b dd (3) der Gründe; noch zur KO BAG 10. Dezember 1998 – 8 AZR 324/97 – BAGE 90, 260). Er stellt zudem klar, dass ein Wiedereinstellungsanspruch auch dann nicht besteht, wenn die rechtlichen Voraussetzungen für den Betriebsübergang noch vor Ablauf der Kündigungsfrist geschaffen worden sind oder der Betriebsübergang vor Fristablauf bereits erfolgt ist und die Wiedereinstellung zu einem Zeitpunkt vor Insolvenzeröffnung vorgenommen werden soll oder nur gegenüber dem Erwerber verfolgt wird (aA für einen vor Ablauf der Kündigungsfrist erfolgten Betriebsübergang ArbG Düsseldorf 3. Dezember 2020 – 10 Ca 3223/20 – zu III 2 der Gründe mwN zum Meinungsstand). Insoweit gilt nichts anderes als für die in Rn. 37 ff. dargestellten Kündigungen. Vorausgesetzt ist stets ein zunächst gegen den Verwalter und damit die Masse bestehender Wiedereinstellungsanspruch, der auf den Erwerber übergehen soll. Mangels gesetzlicher Anordnung fehlt es jedoch an einem solchen übergangsfähigen Anspruch. Dem steht die Rechtsprechung des Zweiten Senats, der noch zur Konkursordnung einen Anspruch gegenüber dem wirksam kündigenden Konkursverwalter „auf Wiederbegründung der vertraglichen Pflichten“ ohne weiteres und ohne jede Problematisierung der Konkurssituation bejaht hat (BAG 27. Februar 1997 – 2 AZR 160/96 – zu II 4 der Gründe, BAGE 85, 194), nicht entgegen. Die Insolvenzordnung hat insoweit eine neue Rechtslage geschaffen. 41 (3) Dieses insolvenzrechtliche Verständnis steht im Einklang mit der Betriebsübergangsrichtlinie 2001/23/EG. Gemäß Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie sind von ihr nur die Ansprüche der Arbeitnehmer aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis geschützt, nicht aber Rechte aus einem erst noch zu begründenden Arbeitsverhältnis. Welche Arbeitsverhältnisse bestehen, bestimmt sich ausschließlich nach dem nationalen Recht (EuGH 7. August 2018 – C-472/16 – [Colino Sigüenza] Rn. 50). Ein Anspruch auf Wiederbegründung eines wirksam beendeten Arbeitsverhältnisses lässt sich daher aus der Richtlinie 2001/23/EG nicht herleiten (vgl. Uhlenbruck/Zobel 15. Aufl. § 128 InsO Rn. 30b). 42 III. Für die Fortsetzung des Rechtsstreits weist der Senat darauf hin, dass der Beklagte die Berufung bisher nicht begründet, sondern sich nur auf die fortbestehende Unterbrechung berufen hat. Gleichwohl ist die Berufung nicht deshalb zurückzuweisen, weil infolge der Beendigung der Unterbrechung durch die Aufnahmeerklärung des Klägers vom 29. Juni 2020 die Berufungsbegründungsfrist zwischenzeitlich verstrichen wäre. Vielmehr beginnt aufgrund des Aufnahmestreits die Rechtsmittelfrist erst mit Zustellung des Urteils, mit dem dieser Zwischenstreit beendet wird, zu laufen (vgl. Zöller/Greger ZPO 34. Aufl. § 249 Rn. 2). 43 IV. Einer Kostenentscheidung bedurfte es nicht. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind Teil der Kosten der Hauptsache (vgl. BGH 21. April 2005 – IX ZR 281/03 – zu IV der Gründe mwN, BGHZ 163, 32).              Spelge                  Krumbiegel                  Wemheuer                                    Steinbrück                  Klapproth" bag_20-22,25.05.2022,"25.05.2022 20/22 - Mindestlohn nicht gegen Insolvenzanfechtung gesichert Bei Insolvenz des Arbeitgebers kann der Insolvenzverwalter nach Maßgabe der §§ 129 ff. InsO vom Arbeitnehmer das zu bestimmten Zeitpunkten ausbezahlte Arbeitsentgelt zu Gunsten der Insolvenzmasse zurückfordern. Dies dient der gemeinschaftlichen Befriedigung der Insolvenzgläubiger nach den insolvenzrechtlichen Verteilungsregeln. Der Rückgewähranspruch umfasst das gesamte Arbeitsentgelt einschließlich des gesetzlichen Mindestlohns. Der Gesetzgeber hat den Mindestlohn nicht anfechtungsfrei gestellt. Die beklagte Arbeitnehmerin erhielt in den letzten beiden Monaten vor dem Insolvenzantrag – und damit in von § 131 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 InsO erfassten Zeiträumen – unter Angabe des Verwendungszwecks für zwei Monate ihr Arbeitsentgelt von dem Konto der Mutter ihres damals bereits zahlungsunfähigen Arbeitgebers. Am 1. Dezember 2016 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers eröffnet. Der auf Rückgewähr klagende Insolvenzverwalter hat die Zahlungen wegen sog. Inkongruenz angefochten. Nach Ansicht der Beklagten ist eine Anfechtung in Höhe des Existenzminimums bzw. in Höhe des Mindestlohns unzulässig. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Die Voraussetzungen einer Anfechtung nach § 131 InsO seien zwar erfüllt, der Mindestlohn könne aber nicht zurückgefordert werden. Hiergegen hat sich der Kläger mit seiner Revision gewandt. Die Beklagte hat Anschlussrevision erhoben und die vollständige Abweisung der Klage verlangt. Nur die Revision des Klägers hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts und der Beklagten ist die Klage in voller Höhe begründet. Eine grundsätzliche Einschränkung der Insolvenzanfechtung ist verfassungsrechtlich nicht geboten. Der Schutz des Existenzminimums des Arbeitnehmers wird durch die Pfändungsschutzbestimmungen der Zivilprozessordnung und das Sozialrecht gewährleistet. Der insolvenzrechtliche Rückgewähranspruch bezieht sich uneingeschränkt auch auf den gesetzlichen Mindestlohn. Wurde dieser durch Zahlung erfüllt, enden die Rechtswirkungen des Mindestlohngesetzes. Einen Ausschluss der Anfechtbarkeit oder einen besonderen Vollstreckungsschutz hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. Mai 2022 – 6 AZR 497/21 – Vorinstanz: Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 19. Oktober 2021 – 12 Sa 587/21 –","Tenor 1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 19. Oktober 2021 – 12 Sa 587/21 – teilweise aufgehoben. 2. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 13. April 2021 – 5 Ca 188/20 – abgeändert und wie folgt gefasst: Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.280,62 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. Dezember 2019 zu zahlen. 3. Die Anschlussrevision der Beklagten wird zurückgewiesen. 4. Der Kläger hat die durch die Anrufung des Amtsgerichts Gießen entstandenen Kosten zu tragen. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. Leitsatz Die Insolvenzanfechtung von Arbeitsentgelt umfasst auch den auf den gesetzlichen Mindestlohn entfallenden Bestandteil. Tatbestand 1 Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte Arbeitsentgelt, welches sie durch eine Zahlung über das Konto der Mutter ihres insolventen Arbeitgebers erlangt hat, an die Insolvenzmasse zurückgewähren muss. 2 Die Beklagte stand in einem Arbeitsverhältnis zu Herrn K (im Folgenden Schuldner). Ein schriftlicher Arbeitsvertrag existierte nicht. Am 25. August 2016 und am 26. September 2016 erhielt sie auf ihr Konto Überweisungen vom Konto der Mutter des Schuldners in Höhe von jeweils 1.640,31 Euro. Als Verwendungszweck wurde „Lohn August“ bzw. „Lohn September“ angegeben. Als Zahlende war der Name der Mutter des Schuldners angegeben. Die Höhe der Zahlungen entsprach dem geschuldeten Nettoarbeitsentgelt. 3 Das Konto der Mutter des Schuldners hatte sich am 16. Juli 2016 noch mit 7,87 Euro im Soll befunden. Am 18. Juli 2016 wurde darauf eine Bareinzahlung aus dem Vermögen des Schuldners in Höhe von 4.350,00 Euro geleistet. Bis zum 10. Oktober 2016 erfolgten weitere Bareinzahlungen und Umbuchungen von Seiten des Schuldners auf das Konto seiner Mutter. Zudem nahmen Schuldner des Schuldners Überweisungen auf das Konto der Mutter vor. 4 Am 12. Oktober 2016 wurde die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners beantragt. Zu diesem Zeitpunkt betrugen seine Verbindlichkeiten 3.610.889,73 Euro. Bei Auszahlung des Arbeitsentgelts der Beklagten für die Monate August und September 2016 über das Konto seiner Mutter war der Schuldner bereits zahlungsunfähig. Am 12. Juli 2016 hatten sich seine fälligen Verbindlichkeiten noch auf 1.122.551,65 Euro belaufen. 5 Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 1. Dezember 2016 wurde das Verfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. 6 Mit Schreiben vom 5. Dezember 2019 focht der Kläger die für die Monate August und September 2016 erfolgten Entgeltzahlungen gegenüber der Beklagten an. Diese wies die mit der Anfechtung verbundene Rückzahlungsaufforderung zurück. Gegen den vom Kläger daraufhin erwirkten Mahnbescheid, welcher ihr am 28. Dezember 2019 zugestellt worden ist, hat die Beklagte Widerspruch eingelegt. Das Amtsgericht Gießen, an das der Rechtsstreit zur Durchführung des streitigen Verfahrens abgegeben worden war, hat den beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Gießen verwiesen. 7 Mit seiner Klage hat der Kläger von der Beklagten die Zahlung der ihr über das Konto der Mutter des Schuldners insgesamt überwiesenen Summe von 3.280,62 Euro an die Insolvenzmasse begehrt. Die Leistungen seien nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 InsO anfechtbar. Die Beklagte habe innerhalb der danach maßgeblichen Zeiträume vor dem Eröffnungsantrag die angefochtenen Zahlungen abweichend vom vereinbarten bzw. üblichen Erfüllungsweg und damit als inkongruente Leistungen erhalten. 8 Der Kläger hat beantragt,          die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.280,62 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. 9 Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es liege schon keine inkongruente Deckung iSv. § 131 InsO vor. Die fraglichen Entgeltzahlungen seien aus dem Vermögen der Mutter des Schuldners erfolgt. Es habe sich daher nicht um einen Vermögensbestandteil des Schuldners gehandelt, der im Rahmen der Anfechtung zurückgefordert werden könne. Zudem sei zwischen den Parteien nicht festgelegt worden, auf welchem Zahlungsweg das Entgelt zu entrichten sei. Letztlich handle es sich um ein Bargeschäft iSv. § 142 InsO, welches nicht nach § 131 InsO anfechtbar sei. 10 Dessen ungeachtet stehe der verfassungsrechtlich gebotene Schutz des Existenzminimums einer Anfechtung entgegen. Bei pünktlichen Entgeltzahlungen, auch wenn sie von Dritten geleistet werden, könne der Arbeitnehmer keine staatliche Hilfe in Anspruch nehmen und sei daher bezogen auf das Existenzminimum schutzbedürftig. Zumindest müsse ihm der gesetzliche Mindestlohn verbleiben. Auch dieser diene der Existenzsicherung des Arbeitnehmers. 11 Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und der Klage in Höhe des den Mindestlohn übersteigenden Anteils des Nettoentgelts stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Beklagte begehrt mit ihrer Anschlussrevision die vollständige Klageabweisung. Entscheidungsgründe 12 Die zulässige Revision ist begründet. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Klage vollumfänglich begründet. Der Kläger hat gemäß § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO gegenüber der Beklagten als Anfechtungsgegnerin einen Anspruch auf Rückgewähr der Entgeltzahlungen für die Monate August 2016 und September 2016 zur Insolvenzmasse. Die Voraussetzungen einer Anfechtung wegen inkongruenter Deckung nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 InsO sind erfüllt. Das verfassungsrechtlich gebotene Existenzminimum der Beklagten ist ungeachtet der Anfechtung gesichert. Der Rückgewähranspruch umfasst das erhaltene Arbeitsentgelt einschließlich des auf den gesetzlichen Mindestlohn entfallenden Anteils. Demzufolge ist die zulässig erhobene Anschlussrevision unbegründet. 13 I. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die streitbefangenen Nettoentgeltzahlungen nach § 129 Abs. 1 iVm. § 131 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 InsO anfechtbar sind. Der Kläger hat demzufolge gemäß § 143 Abs. 1 InsO einen Anspruch auf Rückgewähr zur Insolvenzmasse (BAG 27. Februar 2014 – 6 AZR 367/13 – Rn. 38). 14 1. Die Insolvenzgläubiger wurden durch die angefochtenen Zahlungen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens iSd. § 129 Abs. 1 InsO benachteiligt. 15 a) Wenn eine Zahlung von dem Konto eines Dritten an den Anfechtungsgegner erfolgt, liegt die Rechtshandlung des Schuldners in der an den Dritten gerichteten Anweisung, zugunsten des Anfechtungsgegners eine Überweisung auszuführen. Die Gläubigerbenachteiligung äußert sich in der Weggabe der Zahlungsmittel an den Anfechtungsgegner, durch die entweder das auf dem Konto des Dritten befindliche Treugut des Schuldners vermindert und zugleich das für seine Verbindlichkeiten haftende Vermögen verkürzt wird oder der Dritte seine Verbindlichkeiten gegenüber dem Schuldner tilgt und dieser dadurch unter Verkürzung des haftenden Vermögens seine Forderung gegen den Dritten verliert (BGH 12. April 2018 – IX ZR 88/17 – Rn. 10). Demgegenüber liegt eine gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung bei einer Überweisung von einem Konto eines Dritten nicht vor, wenn dieser auf Veranlassung des Schuldners, ohne dazu diesem gegenüber verpflichtet zu sein, dessen Verbindlichkeiten aus eigenen Mitteln begleicht (Anweisung auf Kredit). Schließlich fehlt es an einer die Gläubiger benachteiligenden Rechtshandlung, sofern der Dritte ohne Veranlassung und nähere Kenntnis des Schuldners im ausschließlichen Interesse der Befriedigung des Anfechtungsgegners aus eigenem Vermögen die Überweisungen vornimmt (BGH 12. September 2019 – IX ZR 16/18 – Rn. 17). 16 b) Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Schuldner vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Konto seiner Mutter mit Bareinzahlungen, Umbuchungen und Überweisungsgutschriften eigener Schuldner finanziell ausgestattet und damit die Zahlung des Entgelts an die Beklagte über dieses Konto ermöglicht. Das Landesarbeitsgericht hat unter Bezugnahme auf das arbeitsgerichtliche Urteil dessen Auffassung geteilt, dass sich aus den Kontobewegungen letztlich eine Zahlung aus dem Vermögen des Schuldners und nicht aus dem Vermögen seiner Mutter ergebe. Die für eine Anfechtung erforderliche Gläubigerbenachteiligung sei wegen Verminderung der Insolvenzmasse gegeben. Diese lebensnahe Würdigung des Sachverhalts begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken. Es handelt sich um die gleichsam klassische Verschiebung von Vermögenswerten auf eine dritte Person, um über diese eine bevorzugte Befriedigung eines Gläubigers zulasten der übrigen Gläubiger zu ermöglichen (vgl. BAG 18. Oktober 2018 – 6 AZR 506/17 – Rn. 23; Spelge RdA 2016, 1, 14 mwN). Der Schuldner hat damit eine mittelbare Zuwendung veranlasst. Solche Zuwendungen sind im Allgemeinen so zu behandeln, als habe der befriedigte Gläubiger sie unmittelbar vom Schuldner erworben (BAG 13. November 2014 – 6 AZR 869/13 – Rn. 12, BAGE 150, 22). 17 2. Die Voraussetzungen einer Anfechtung nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 InsO sind erfüllt. 18 a) Nach § 131 Abs. 1 InsO ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte (inkongruente Deckung), anfechtbar. Die Inkongruenz ist zu dem Zeitpunkt zu beurteilen, in dem die Rechtshandlung iSv. § 140 Abs. 1 InsO vorgenommen wurde. Dabei unterscheidet das Recht des Gläubigers, die Leistung zu fordern, kongruente und inkongruente Rechtshandlungen (BGH 6. Dezember 2018 – IX ZR 143/17 – Rn. 18, BGHZ 220, 280). Was ein Gläubiger beanspruchen kann und wozu der Schuldner verpflichtet ist, ist keine spezifisch insolvenzrechtliche, sondern eine materiell-rechtliche Frage. Haben die Vertragsparteien nicht alle Fragen rechtsgeschäftlich geregelt, ist auf die entsprechenden gesetzlichen Regeln zurückzugreifen. Soweit rechtsgeschäftliche Regelungen möglich sind, ist immer nur maßgeblich, was die Vertragsparteien tatsächlich – ausdrücklich oder konkludent – vereinbart haben, nicht was sie hätten vereinbaren können. Maßstab ist allein die objektive Rechtslage. Es kommt nicht darauf an, welche Vorstellungen die Parteien hatten, insbesondere müssen sie die Inkongruenz weder erkannt noch fahrlässig nicht erkannt haben. Daher spielt auch der gute Glaube beider Parteien, dass die Deckung in vollem Umfang dem Schuldverhältnis entspreche, keine Rolle. Nicht in der Art geschuldet sind sämtliche Befriedigungen, die mit dem geschuldeten Leistungsprogramm nicht im Einklang stehen, also nach dem Inhalt des Schuldverhältnisses von der tatsächlich geschuldeten Leistung abweichen (BGH 12. September 2019 – IX ZR 16/18 – Rn. 21; ebenso BAG 22. Oktober 2015 – 6 AZR 758/14 – Rn. 18 ff.). 19 b) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofs sind nicht geschuldete Direktzahlungen, die ein Dritter auf Anweisung des Schuldners erbringt und die die Insolvenzgläubiger benachteiligen, dem Empfänger gegenüber als inkongruente Deckung anfechtbar (BAG 22. Oktober 2015 – 6 AZR 758/14 – Rn. 18 ff.; 13. November 2014 – 6 AZR 632/13 – Rn. 13; 13. November 2014 – 6 AZR 869/13 – Rn. 15 ff., BAGE 150, 22; 21. November 2013 – 6 AZR 159/12 – Rn. 13, BAGE 146, 323; BGH 9. November 2017 – IX ZR 319/16 – Rn. 8; 17. Dezember 2015 – IX ZR 287/14 – Rn. 16, BGHZ 208, 243). Hat der Gläubiger keinen Anspruch darauf, dass seine Forderung in der gewählten Art durch einen Dritten erfüllt wird, liegt darin regelmäßig eine nicht unerhebliche Abweichung vom vereinbarten Erfüllungsweg (zur Konstellation einer dreiseitigen Abrede vgl. BAG 22. Oktober 2015 – 6 AZR 538/14 – Rn. 14, BAGE 153, 163; 21. November 2013 – 6 AZR 159/12 – Rn. 14, BAGE 146, 323). Eine mittelbare Zahlung ist nicht nur dann inkongruent, wenn eine durch den Schuldner selbst vorgenommene Zahlung anfechtbar wäre. Darum ist unerheblich, dass keine Anfechtung nach § 131 InsO möglich gewesen wäre, wenn das Entgelt vom Schuldner über dessen Geschäftskonto zum Fälligkeitszeitpunkt gezahlt worden wäre, weil dann nach § 142 InsO das Bargeschäftsprivileg gegriffen hätte (BAG 13. November 2014 – 6 AZR 869/13 – Rn. 24, aaO). Ebensowenig kommt es darauf an, ob eine Zahlung von einem eigenen Reservekonto des Schuldners kongruent gewesen wäre, wie die Beklagte annimmt. 20 c) Die Kongruenz zwischen Anspruch und Deckungsleistung ist im Interesse der Gläubigergleichbehandlung nach strengen Maßstäben zu beurteilen. Doch schaden lediglich geringfügige Abweichungen von der nach dem Inhalt des Anspruchs typischen und gesetzmäßigen Erfüllung, die der Verkehrssitte (§§ 157, 242 BGB) oder Handelsbräuchen (§ 346 HGB) entsprechen, nicht (BGH 12. September 2019 – IX ZR 16/18 – Rn. 24; vgl. auch BAG 21. November 2013 – 6 AZR 159/12 – Rn. 11 mwN, BAGE 146, 323). Ist das der Fall, ist die Befriedigung ungeachtet der Abweichung kongruent. Ist die Abweichung dagegen mehr als geringfügig, liegt eine inkongruente Deckung vor (BAG 22. Oktober 2015 – 6 AZR 538/14 – Rn. 14, BAGE 153, 163). 21 d) Nach diesen Voraussetzungen sind die über das Konto der Mutter des Schuldners erhaltenen Entgeltzahlungen nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 InsO als inkongruente Deckung anfechtbar. 22 aa) Die Beklagte konnte die Befriedigung der Entgeltforderung nicht in dieser Art beanspruchen. Dabei kann zugunsten der Beklagten davon ausgegangen werden, dass mit dem Schuldner keine Vereinbarung bzgl. der Art der Erfüllung der Entgeltforderungen getroffen war. Dies führt jedoch nicht zur Annahme, dass die Arbeitsvertragsparteien eine Erfüllung über das Konto der Mutter des Schuldners vorgesehen hätten. Mangels vertraglicher Regelung gilt vielmehr der gesetzliche Normalfall, wonach die Entgeltforderung unmittelbar durch den Arbeitgeber erfüllt wird (vgl. § 611 Abs. 1 BGB, seit 1. April 2017 § 611a Abs. 2 BGB). Der vom Schuldner gewählte Erfüllungsweg weicht hiervon nicht nur geringfügig ab. Durch die Einschaltung seiner Mutter als Zahlungsmittlerin hat er eine dritte Person einbezogen. Dies entspricht nicht der Verkehrssitte, sondern stellt im Gegenteil einen ungewöhnlichen Erfüllungsweg dar, welcher keine Veranlassung im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis findet. 23 bb) Soweit die Rechtsprechung verlangt, dass der Gläubiger erkennen konnte, dass es sich um eine Leistung des Schuldners handelt (BAG 13. November 2014 – 6 AZR 869/13 – Rn. 15, BAGE 150, 22), muss auf die hiergegen gerichtete Kritik (vgl. LAG Köln 6. März 2015 – 4 Sa 726/14 – zu A II 1 der Gründe) nicht eingegangen werden. Die Erkennbarkeit ist hier schon wegen der Nennung des Namens der Mutter des Schuldners als derjenigen, von der die Zahlung herrührte, sowie der Angabe des Verwendungszwecks der Überweisung („Lohn September“) gegeben. Unerheblich ist, ob der Beklagten die Abweichung vom üblichen Zahlungsweg „verdächtig“ vorkam. § 131 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 InsO enthalten ein derartiges ungeschriebenes subjektives Tatbestandsmerkmal nicht (BAG 13. November 2014 – 6 AZR 869/13 – Rn. 28, aaO). 24 cc) Der zeitliche Rahmen des § 131 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 InsO ist gewahrt. 25 (1) Nach § 140 Abs. 1 InsO ist für die Anfechtbarkeit einer Rechtshandlung grundsätzlich der Zeitpunkt maßgeblich, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten. Es kommt darauf an, wann eine Rechtsposition begründet worden ist, die bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens ohne die Anfechtung beachtet werden müsste. Bei mittelbaren Zuwendungen ist auf die Weiterleitung der Gelder abzustellen. Erfolgt diese durch Überweisung, ist die maßgebliche Rechtsposition begründet, wenn der Anspruch des Leistungsempfängers gegen seine Bank auf Gutschrift des für ihn bestimmten Geldbetrags entsteht. Das entspricht dem Tag der Wertstellung (BGH 28. Januar 2021 – IX ZR 64/20 – Rn. 28; vgl. auch BAG 20. September 2017 – 6 AZR 58/16 – Rn. 11 ff., BAGE 160, 182; 3. Juli 2014 – 6 AZR 451/12 – Rn. 16; HK-InsO/Thole 10. Aufl. § 140 Rn. 4). 26 (2) Die Entgeltzahlung für den Monat September ist am 26. September 2016 und damit gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO im letzten Monat vor dem am 12. Oktober 2016 gestellten Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf dem Konto der Beklagten eingegangen. Die Entgeltzahlung für den Monat August erfolgte am 25. August 2016 und damit innerhalb der Frist des § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war der Schuldner zu diesem Zeitpunkt bereits zahlungsunfähig. 27 dd) Die Anwendbarkeit des § 131 InsO wird nicht durch § 142 InsO in der bis zum 4. April 2017 geltenden, hier noch maßgeblichen Fassung ausgeschlossen. Das sog. Bargeschäftsprivileg greift nicht bei inkongruenten Deckungen (vgl. BAG 13. November 2014 – 6 AZR 868/13 – Rn. 17 ff.; BGH 17. Dezember 2015 – IX ZR 287/14 – Rn. 21 mwN, BGHZ 208, 243). Auf § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO in der ab dem 5. April 2017 geltenden Fassung (nF) kommt es nicht an (vgl. hierzu BGH 10. März 2022 – IX ZR 4/21 – Rn. 13 ff.). Erst durch diese Vorschrift wird ein Bargeschäft fingiert, wenn ein objektiver Betrachter aus der Sicht des Arbeitnehmers als Empfänger nicht erkennen konnte, dass ein Dritter die Leistung bewirkt hat (BGH 10. März 2022 – IX ZR 4/21 – Rn. 29). Darum verfängt der Hinweis der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf diese Rechtsprechung nicht. Die hier streitbefangene Anfechtung unterfällt nach Art. 103j Abs. 1 EGInsO noch dem bis zum 4. April 2017 geltenden Anfechtungsrecht, weil das Insolvenzverfahren am 1. Dezember 2016 und damit vor dem 5. April 2017 eröffnet wurde. Ohnehin sind auch im Anwendungsbereich des § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO nF die Anforderungen an die Erkennbarkeit nicht zu hoch anzusetzen, so dass es genügt, wenn aus Kontoauszügen erkennbar ist, dass nicht der Arbeitgeber gezahlt hat. Das gilt unabhängig davon, dass es für den Arbeitnehmer bedeutungslos sein mag, wer das geschuldete Arbeitsentgelt zahlt (vgl. BGH 10. März 2022 – IX ZR 4/21 – Rn. 31). 28 3. Entgegen der Auffassung der Beklagten stehen dem aus § 143 Abs. 1 InsO folgenden Rückgewähranspruch verfassungsrechtliche Vorgaben nicht entgegen. 29 a) § 131 Abs. 1 InsO verletzt weder Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem durch Art. 20 Abs. 1 GG gewährleisteten Sozialstaatsprinzip noch die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG (vgl. zu Fällen inkongruenter Deckung durch Zwangsvollstreckung BAG 8. Mai 2014 – 6 AZR 722/12 – Rn. 23 ff.; 27. Februar 2014 – 6 AZR 367/13 – Rn. 19 ff., 27 ff.). Die von der Anschlussrevision bzgl. Art. 3 Abs. 1 GG bei pünktlichen Entgeltzahlungen vorgebrachten Bedenken verfangen nicht. Eine unzulässige Gleichbehandlung mit anderen Gläubigergruppen ist nicht erkennbar. Der Verweis auf die Möglichkeit anderer Gläubiger, bei ausbleibender oder verspäteter Entgeltzahlung Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen, lässt außer Acht, dass Arbeitnehmer bei pünktlichen Lohnzahlungen zunächst keinen Bedarf für solche Leistungen haben. Entsteht der Bedarf später, entstehen auch sozialrechtliche Ansprüche zu seiner Befriedigung. Der Umstand, dass andere Gläubiger über andere Sicherungsmöglichkeiten als Arbeitnehmer, wie zB einen Eigentumsvorbehalt verfügen, ist auf die unterschiedliche Ausgestaltung der Rechtsverhältnisse mit dem Schuldner zurückzuführen. Etwaigen Vorteilen stehen dabei auch Nachteile, wie der fehlende Anspruch auf Insolvenzgeld, gegenüber. Der Gesetzgeber durfte bei Vornahme einer Gesamtschau im bis zum 4. April 2017 geltenden Anfechtungsrecht daher von einer unterschiedlichen Behandlung der Gläubigergruppen absehen. Das stand im Einklang mit dem von ihm bei Schaffung der Insolvenzordnung verfolgten Ziel der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung, dem ua. die Abschaffung des Arbeitnehmerprivilegs des § 59 KO dient. Das bedingt grundsätzlich die einheitliche Anwendung der anfechtungsrechtlichen Vorschriften der Insolvenzordnung auf alle betroffenen Gläubigergruppen einschließlich der Arbeitnehmer (BAG 8. Mai 2014 – 6 AZR 722/12 – Rn. 11; vgl. zu § 130 InsO BAG 6. Oktober 2011 – 6 AZR 262/10 – Rn. 11, BAGE 139, 235). 30 b) Die verfassungsrechtlich gebotene Absicherung des Existenzminimums ist nicht durch eine Einschränkung der Insolvenzanfechtung, sondern durch die im Falle der Durchsetzung des Rückgewähranspruchs eingreifenden Pfändungsschutzbestimmungen der Zivilprozessordnung sowie durch das Sozialrecht gewährleistet. 31 aa) Der Senat hat erstmals in seiner Entscheidung vom 29. Januar 2014 (- 6 AZR 345/12 – Rn. 17 ff., BAGE 147, 172) die Frage aufgeworfen, ob zumindest bei kongruenten Deckungen das aus Art. 1 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 1 GG folgende Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums iVm. Art. 12 Abs. 1 GG zu einer verfassungskonformen Einschränkung der Insolvenzanfechtung in dem Sinne führen könnte, dass das sich aus der Tabelle des § 850c ZPO ergebende Existenzminimum anfechtungsfrei zu stellen wäre. Dies wurde damit begründet, dass bei pünktlicher Zahlung des Arbeitsentgelts sozialversicherungsrechtliche Schutzlücken bestünden und der Arbeitnehmer dem Risiko einer Insolvenzanfechtung nicht vorbeugen könne. Es handelte sich um eine Aufforderung zur Diskussion (vgl. Fischermeier ZInsO 2015, 1237, 1241). In Rechtsprechung und Literatur sind diese Überlegungen mehrheitlich auf Kritik gestoßen (zB BGH 10. Juli 2014 – IX ZR 192/13 – Rn. 29, BGHZ 202, 59; Blank NZA 2016, 1123, 1125 f.; Stiller EWiR 2016, 23, 24; Windel ZIP 2014, 2167, 2171 f.; Klinck Anm. AP InsO § 133 Nr. 2; zustimmend Wroblewski in Däubler/Wroblewski Das Insolvenzhandbuch für die Praxis 5. Aufl. Teil 1 Rn. 77; Zwanziger DB 2014, 2391, 2394; offen Huber EWiR 2014, 291, 292). 32 bb) Der Senat hatte bislang keine Veranlassung, tragend zu beurteilen, ob er das Existenzminimum in verfassungsrechtlich ausreichender Weise durch die Vorschriften zur Insolvenzanfechtung in der bis zum 4. Juli 2017 maßgeblichen Fassung als ausreichend gewährleistet ansieht. In den von ihm zu entscheidenden Fällen kam eine etwaige Anfechtungssperre schon deshalb nicht in Betracht, weil jeweils inkongruente Deckungen vorlagen (Erhalt des Entgelts erst durch Zwangsvollstreckung bzw. entsprechender Drohung). Eine Absicherung des Existenzminimums durch Sozialleistungen wäre deshalb möglich gewesen (vgl. BAG 18. Oktober 2018 – 6 AZR 506/17 – Rn. 37; 26. Oktober 2017 – 6 AZR 511/16 – Rn. 26 ff., BAGE 161, 21; 8. Mai 2014 – 6 AZR 722/12 – Rn. 21; kritisch LAG Köln 6. März 2015 – 4 Sa 726/14 – juris-Rn. 53). Nach Prüfung der vorgebrachten Argumente hält der Senat an der Überlegung, das im Entgelt enthaltene Existenzminimum anfechtungsfrei zu stellen, nicht fest. Dieses Minimum war bereits nach der bis zum 4. Juli 2017 geltenden Rechtslage ausreichend gewährleistet. 33 (1) Der Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 29. Januar 2014 (- 6 AZR 345/12 – Rn. 27 ff., BAGE 147, 172) darauf hingewiesen, dass der Insolvenzverwalter bei der Durchsetzung des insolvenzrechtlichen Rückgewähranspruchs den Beschränkungen des Zwangsvollstreckungsrechts unterfällt und das „aktuelle“ Existenzminimum insbesondere bei Gehaltspfändungen durch §§ 850 ff. ZPO gesichert ist. Es erscheine jedoch fraglich, ob für die verfassungsrechtliche Beurteilung danach zu differenzieren sei, ob der Zugriff des Staates bzw. der vom Staat durch seine Rechtsvorschriften vermittelte und von den staatlichen Gerichten sowie dem staatlichen Zwangsapparat durchzusetzende Zugriff der Gläubiger auf das Existenzminimum „sofort oder nachgelagert“ erfolgt.  34 (2) Nach Auffassung des Senats reicht es zum Schutz des Existenzminimums aus, wenn dieses im Rahmen einer etwaigen Zwangsvollstreckung und damit „nachgelagert“ vor dem Zugriff des Insolvenzverwalters gesichert ist (idS auch HK-InsO/Thole 10. Aufl. § 133 Rn. 24; Klinck DB 2014, 2455, 2462; Lütcke NZI 2014, 350, 351). Das Existenzminimum ist auch bei pünktlicher Entgeltzahlung im Vollstreckungsverfahren, nicht aber bereits im Erkenntnisverfahren, in dem über die Insolvenzanfechtung gestritten wird, zu gewährleisten und gewährleistet. Die Pfändungsschutzbestimmungen für Arbeitsentgelt dienen gerade der Sicherung der Existenzgrundlage des Arbeitnehmers und damit des Existenzminimums (vgl. BAG 29. Januar 2014 – 6 AZR 345/12 – Rn. 21, BAGE 147, 172; BGH 11. Mai 2006 – IX ZR 247/03 – Rn. 22, BGHZ 167, 363). Hinzu treten ggf. sozialrechtliche Ansprüche. 35 (a) Die Erhebung des Anspruchs aus § 143 Abs. 1 InsO, gleich auf welchen Anfechtungstatbestand er gestützt wird, bedroht die Existenz des Arbeitnehmers als Anfechtungsgegner noch nicht, sondern zwingt ihn allenfalls zur Führung eines Prozesses, falls er vom Insolvenzverwalter auf Zahlung verklagt wird und sich verteidigen will. Dafür kann er ggf. nach §§ 114 ff. ZPO Prozesskostenhilfe erhalten. Während des Erkenntnisverfahrens hat er hinsichtlich der Klageforderung noch keinen Vermögensabfluss hinzunehmen. Erst wenn der Arbeitnehmer zur Zahlung verurteilt wird, stellt sich bezogen auf seine dann aktuelle finanzielle Situation die Frage, ob er die Forderung des Insolvenzverwalters unproblematisch erfüllen kann oder ob eine Existenzgefährdung eintreten könnte. Beim Empfang unentgeltlicher Leistungen, zu denen es insbesondere in der Insolvenz des das Arbeitsentgelt zahlenden Dritten kommen kann, wird eine solche Gefährdung typischerweise schon deshalb nicht zu befürchten sein, weil sich der Arbeitnehmer ggf. auf Entreicherung berufen kann (§ 143 Abs. 2 InsO). Bei Anfechtungen nach §§ 130 bis 133 InsO besteht bei ausreichenden finanziellen Reserven ebenfalls keine besondere Schutzwürdigkeit des Arbeitnehmers. Eine Privilegierung gegenüber anderen Gläubigern ist dann nicht verfassungsrechtlich zu rechtfertigen, weil deren Rechte (ebenfalls) von Art. 14 Abs. 1 GG geschützt sind und die gemeinschaftliche Befriedigung den Interessen aller Gläubiger dient (vgl. BVerfG 23. Mai 2006 – 1 BvR 2530/04 – Rn. 34, BVerfGE 116, 1). Droht hingegen eine Existenzgefährdung, wird der Arbeitnehmer durch die Schutzbestimmungen der Zivilprozessordnung vor einem Verlust des Existenzminimums bewahrt (vgl. Klinck Anm. AP InsO § 133 Nr. 2; Cranshaw jurisPR-InsR 14/2021 Anm. 2 zu C II und D). Dieser Schutz differenziert nach dem Vollstreckungsobjekt und berücksichtigt im Falle der Pfändung von Arbeitseinkommen auch etwaige Unterhaltsverpflichtungen (§ 850c Abs. 2 ZPO). Damit ist sichergestellt, dass das Existenzminimum des Arbeitnehmers stets gedeckt ist, auch wenn erfolgreich angefochtenes Arbeitsentgelt – im Ergebnis ratenweise – der Masse zurückgewährt werden muss. 36 (b) Zudem ist der existenzielle Schutz des Arbeitnehmers nicht durch eine Beschränkung der Insolvenzanfechtung, sondern durch das Sozialrecht zu gewährleisten (vgl. Blank NZA 2016, 1123, 1125 f.). Dementsprechend steht dem Arbeitnehmer nach Erfüllung des Rückforderungsanspruchs nicht nur ein Anspruch auf quotale Befriedigung des dann nach § 144 Abs. 1 InsO wiederauflebenden Anspruchs auf Arbeitsentgelt zu. Ggf. kann er zusätzlich staatliche Unterstützungsleistungen beantragen. So besteht uU noch ein Anspruch auf Insolvenzgeld (vgl. hierzu BAG 26. Oktober 2017 – 6 AZR 511/16 – Rn. 36 ff., BAGE 161, 21). Sollte der Arbeitnehmer dennoch durch die (teilweise) Erfüllung des Rückforderungsanspruchs in eine finanzielle Schieflage geraten, kann er Sozialhilfe beanspruchen. 37 (c) Angesichts dieser vollstreckungsrechtlichen und sozialen Absicherung ist es in der Gesamtschau zur Sicherung des Existenzminimums verfassungsrechtlich nicht geboten, den Arbeitnehmer grundsätzlich vor einer insolvenzrechtlichen Anfechtung des Entgelts in Höhe der Tabellenwerte des § 850c ZPO zu bewahren. Dies wäre auch nicht systemkonform, denn damit würde eine auf die konkrete Existenzsicherung zum Zeitpunkt einer bestimmten Zahlungsverpflichtung zugeschnittene Regelung des Zwangsvollstreckungsrechts zu einem abstrakten Maßstab des Anfechtungsrechts umgewandelt. Ein solcher Ansatz stünde außerdem im Widerspruch zu der auf Gläubigergleichbehandlung ausgerichteten Konzeption der Insolvenzordnung und zum Schutzmechanismus des Sozialversicherungsrechts. Die Existenzsicherung eines Gläubigers obliegt nicht in erster Linie der Gläubigergemeinschaft, sondern der Solidargemeinschaft. Die Schaffung eines anderen Schutzkonzepts bliebe dem Gesetzgeber vorbehalten (vgl. zur Grundsicherung BVerfG 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09 ua. – Rn. 133, BVerfGE 125, 175). Dies gilt auch angesichts des Umstands, dass der Arbeitnehmer trotz staatlicher Unterstützungsleistungen im Einzelfall gezwungen sein könnte, selbst einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen (§§ 305 ff. InsO). Der Gesetzgeber hat in Kenntnis der Diskussion um die Sicherung des Existenzminimums der Arbeitnehmer (vgl. BT-Drs. 18/7054 S. 14) bei der zum 5. April 2017 in Kraft getretenen Reform des Insolvenzanfechtungsrechts keinen Ausschluss des Arbeitsentgelts von der Insolvenzanfechtung angeordnet. Dies hat die Rechtsprechung zu akzeptieren. Die von der Anschlussrevision angeführten Sachverständigenaussagen im Gesetzgebungsprozess, welche sich für eine solche Beschränkung der Insolvenzanfechtung ausgesprochen hatten, können die gesetzgeberische Entscheidung nicht in Frage stellen. Ob das Arbeitsentgelt insgesamt anfechtungsfrei zu stellen ist, ist entgegen der Annahme der Beklagten keine Frage des Verfassungsrechts, sondern eine rechtspolitische Entscheidung, die allein vom Gesetzgeber getroffen werden könnte. 38 4. Hinsichtlich der Höhe des Rückgewähranspruchs ist die Anfechtung entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts auch bzgl. des auf den gesetzlichen Mindestlohn entfallenden Anteils des Entgeltanspruchs nicht ausgeschlossen. Der Gesetzgeber hat den Mindestlohn nicht vor Anfechtbarkeit geschützt. 39 a) Der Mindestlohnanspruch aus § 1 Abs. 1 MiLoG ist ein gesetzlicher Anspruch, der eigenständig neben den arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch tritt (BAG 21. Dezember 2016 – 5 AZR 374/16 – Rn. 16, BAGE 157, 356). Erfüllung iSv. § 362 Abs. 1 BGB tritt beim Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn – wie in jedem Schuldverhältnis – ein, wenn die geschuldete Leistung bewirkt wird. Bei einer Geldschuld wird die geschuldete Leistung mangels anderer Vereinbarung nur dann bewirkt, wenn der Gläubiger den Geldbetrag, den er beanspruchen kann, endgültig zur freien Verfügung übereignet oder überwiesen erhält. Darf er den Betrag nicht behalten, tritt der Leistungserfolg nicht ein. Daher erfüllt der Arbeitgeber den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn durch die im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis erbrachten Entgeltzahlungen nur, soweit diese dem Arbeitnehmer endgültig verbleiben (BAG 25. Mai 2016 – 5 AZR 135/16 – Rn. 27 ff., BAGE 155, 202). 40 b) In der Literatur wird vor diesem Hintergrund angenommen, die bundesgesetzlich und damit gleichrangig neben der Insolvenzordnung geregelte Sicherung des durch Arbeitsleistung erworbenen Existenzminimums durch den Mindestlohn gelte auch im Insolvenzverfahren des Arbeitgebers und schließe die Insolvenzanfechtung hinsichtlich der in der Leistung des Arbeitsentgelts enthaltenen Erfüllung des gesetzlichen Mindestlohnanspruchs aus (ErfK/Müller-Glöge 22. Aufl. Einführung InsO Rn. 24e; vgl. auch ErfK/Franzen MiLoG § 1 Rn. 3). 41 c) Dieser Auffassung folgt der Senat nicht. Es gelten auch bzgl. des gesetzlichen Mindestlohns uneingeschränkt die allgemeinen Grundsätze bzgl. der Anfechtbarkeit von Entgeltzahlungen (noch offengelassen von BAG 26. Oktober 2017 – 6 AZR 511/16 – Rn. 25). 42 aa) Der „endgültige Verbleib“ des Mindestlohns beim Arbeitnehmer ist nur eine Voraussetzung für die Erfüllung iSv. § 362 Abs. 1 BGB und beinhaltet diesbezüglich die Abgrenzung zur Leistung unter Vorbehalt (BeckOGK/Looschelders Stand 1. März 2022 BGB § 362 Rn. 40; vgl. auch Bayreuther NZA 2014, 865, 868). Wurde der Mindestlohnanspruch in diesem Sinne nach § 362 Abs. 1 BGB erfüllt, endet die Rechtswirkung des Mindestlohngesetzes, weil die Forderung dann erloschen ist. Der erhaltene Mindestlohn wird Bestandteil des Vermögens des Arbeitnehmers, aus dem heraus ggf. ein Rückgewähranspruch nach § 143 Abs. 1 InsO zu erfüllen ist. Der Rückgewähranspruch ist ein eigenständiger gesetzlicher Anspruch (vgl. BAG 24. Oktober 2013 – 6 AZR 466/12 – Rn. 16 ff.), welcher bereits erfüllte Forderungen aus dem Vermögen des Gläubigers wieder zur Insolvenzmasse ziehen kann. Das ist das Wesen des Insolvenzanfechtungsrechts. Der Gesetzgeber hat weder in der Insolvenzordnung noch im Mindestlohngesetz eine anderweitige Regelung bzgl. der Anfechtbarkeit des Mindestlohns getroffen, obwohl das Mindestlohngesetz am 16. August 2014 in Kraft getreten ist (BGBl. I S. 1348) und deshalb während des Gesetzgebungsverfahrens bzgl. der Änderungen des Anfechtungsrechts durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz vom 29. März 2017 (BGBl. I S. 654) bereits geltendes Recht war (vgl. Henning Anm. NZI 2021, 776, 779). Der Mindestlohn hat auch im Zwangsvollstreckungsrecht keinen besonderen Schutz erfahren. Hieraus folgt, dass die Insolvenzanfechtung nach dem Willen des Gesetzgebers bezogen auf den Mindestlohn keinen Einschränkungen unterliegt (ebenso Cranshaw jurisPR-InsR 14/2021 Anm. 2 zu C VI). 43 bb) Dies widerspricht nicht dem Sinn und Zweck des gesetzlichen Mindestlohns. Ausweislich der Gesetzesbegründung soll der allgemeine Mindestlohn lediglich verhindern, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu Arbeitsentgelten beschäftigt werden, die jedenfalls unangemessen sind und den in Art. 2 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 GG zum Ausdruck kommenden elementaren Gerechtigkeitsanforderungen nicht genügen. Zudem sollen die sozialen Sicherungssysteme entlastet werden (vgl. BT-Drs. 18/1558 S. 28; zu weitergehenden Zielsetzungen vgl. BeckOK ArbR/Greiner Stand 1. März 2022 MiLoG § 1 Rn. 1; HK-MiLoG/Schubert 2. Aufl. Einleitung Rn. 46; Thüsing in Thüsing MiLoG/AEntG 2. Aufl. Einleitung Rn. 37). Letztere sind zur umfassenden Existenzsicherung des Arbeitnehmers einschließlich seiner etwaigen Unterhaltsverpflichtungen berufen (vgl. Riechert/Nimmerjahn MiLoG 2. Aufl. Einführung Rn. 103). Der Gesetzgeber hat sich bzgl. der ursprünglichen Höhe des Mindestlohns nur an der Pfändungsfreigrenze für einen alleinstehenden Vollzeitbeschäftigten bei durchschnittlicher Wochenarbeitszeit orientiert und wollte diese übertreffen (vgl. BT-Drs. 18/1558 S. 28). Das Mindestlohngesetz soll daher nicht umfassend die gesamte Existenz des Arbeitnehmers auf Dauer absichern, sondern nur die Mindesthöhe des Entgelts bestimmen. Dies dient letztlich zwar auch der Existenzsicherung, beinhaltet aber keine Sicherung gegen eine Insolvenzanfechtung, deren Folgen durch den Vollstreckungsschutz und sozialrechtliche Ansprüche abgemildert werden. 44 5. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist daher ohne Belang, ob in ihrem Fall durch die Pfändungsfreigrenzen ein höherer Betrag als der Mindestlohn geschützt wurde. Dies wäre nur von Bedeutung, falls die Anfechtung von Arbeitsentgelt bzgl. des Existenzminimums grundsätzlich unzulässig wäre und deshalb die Höhe des anfechtungsfreien Betrags bestimmt werden müsste. Wie dargelegt, ist dies nicht der Fall. 45 6. Unionsrechtliche Vorgaben gebieten keine auf das Existenzminimum bezogene Anfechtungssperre. Die Richtlinie 2008/94/EG bezweckt zwar einen Schutz des Arbeitnehmers bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers. Dieser Schutz soll aber nicht durch Beschränkung des Anfechtungsrechts, sondern durch Garantieeinrichtungen erfolgen, welche die Befriedigung gar nicht erst erfüllter Ansprüche sicherstellen (vgl. Art. 3 RL 2008/94/EG). Dabei können die Mitgliedstaaten nach Art. 4 RL 2008/94/EG die Zahlungspflicht der Garantieeinrichtungen begrenzen. Die Vorgaben der Richtlinie hat der deutsche Gesetzgeber durch die Vorschriften über den Insolvenzgeldanspruch in §§ 165 ff. SGB III umgesetzt (BAG 6. September 2018 – 6 AZR 367/17 – Rn. 31, BAGE 163, 271). Der Anspruch auf Insolvenzgeld wird durch Anfechtung nicht reduziert, sondern nur dahingehend beeinflusst, dass er erst durch die Rückgewähr des Erlangten zur Masse entsteht (BAG 26. Oktober 2017 – 6 AZR 511/16 – Rn. 36, BAGE 161, 21). Dem Arbeitnehmer verbleibt damit auch bei einer erfolgreichen Anfechtung der durch die Richtlinie gewährleistete Schutz. Die Problematik des Anlaufs der Nachfrist des § 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III (vgl. hierzu BAG 26. Oktober 2017 – 6 AZR 511/16 – Rn. 37, aaO; 29. Januar 2014 – 6 AZR 345/12 – Rn. 34, BAGE 147, 172) begründet keinen Entfall der Anfechtbarkeit. Bei Ablehnung einer Insolvenzgeldzahlung wegen Fristversäumnis wäre vielmehr zu prüfen, ob das Erfordernis der Fristwahrung mit der Richtlinie vereinbar ist (vgl. zum Streitstand EuArbRK/Kolbe 4. Aufl. RL 2008/94/EG Art. 4 Rn. 15; Gagel/Peters-Lange SGB III § 165 Stand Dezember 2021 Rn. 4a ff.). 46 7. Die Berufung der Beklagten auf Art. 4 Ziff. 1 der Europäischen Sozialcharta (ESC) führt zu keinem anderen Ergebnis. 47 a) Um die wirksame Ausübung des Rechts auf ein gerechtes Arbeitsentgelt zu gewährleisten, verpflichten sich in dieser Regelung die Vertragsparteien der Charta, das Recht der Arbeitnehmer auf ein Arbeitsentgelt anzuerkennen, welches ausreicht, um ihnen und ihren Familien einen angemessenen Lebensstandard zu sichern. Unabhängig davon, wie das Arbeitsentgelt zu bemessen ist, welches den Arbeitnehmern und ihren Familien einen angemessenen Lebensstandard sichern soll, kommt Art. 4 ESC für die in den Mitgliedsländern tätigen Arbeitnehmer kein verbindlicher Rechtscharakter zu. Diese Vorschrift hat keine unmittelbare Wirkung für den einzelnen Bürger (BAG 24. März 2004 – 5 AZR 303/03 – zu I 4 der Gründe, BAGE 110, 79; vgl. zur RESC EuArbRK/Schubert 4. Aufl. RESC Einl. Rn. 33 mwN; Treber in Schlachter/Heuschmid/Ulber Arbeitsvölkerrecht § 13 Rn. 51). Art. 4 Ziff. 1 ESC weist zudem keinen Bezug zu insolvenzrechtlichen Verteilungsgrundsätzen auf, sondern bezieht sich allein auf die Höhe des geschuldeten Arbeitsentgelts. 48 b) Demgegenüber sieht Art. 25 der revidierten und für die Bundesrepublik Deutschland zum 1. Mai 2021 in Kraft getretenen ESC (RESC) die Verpflichtung der Vertragsparteien vor, bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers die Forderungen der Arbeitnehmer „aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen durch eine Garantieeinrichtung oder durch jede andere wirksame Form des Schutzes“ zu sichern. Die Regelung orientiert sich ua. an der Insolvenzschutzrichtlinie der Europäischen Union (EuArbRK/Schubert 4. Aufl. RESC Art. 25 Rn. 1 mwN). Dies spricht für ein gleichlaufendes Verständnis. Mangels Anwendbarkeit im vorliegenden Fall, dem ein Anfechtungstatbestand aus dem Jahr 2016 zu Grunde liegt, bedarf es hierzu jedoch keiner Entscheidung. 49 8. Der Rückforderungsbetrag ist mit Prozesszinsen nach §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2, § 187 Abs. 1 BGB seit dem Folgetag der Rechtshängigkeit zu verzinsen (vgl. BAG 19. Mai 2021 – 5 AZR 378/20 – Rn. 30). Dies ist hier der 29. Dezember 2019, da der Mahnbescheid am 28. Dezember 2019 zugestellt wurde (§ 696 Abs. 3 ZPO). 50 II. Der Kläger hat die Kosten, die durch die Verweisung des Rechtsstreits entstanden sind, nach § 17b Abs. 2 Satz 2 GVG zu tragen. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte aufgrund ihres vollumfänglichen Unterliegens nach § 91 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.              Spelge                  Wemheuer                  Krumbiegel                                     Steinbrück                   Klapproth" bag_20-23,25.04.2023,"25.04.2023 20/23 - Arbeitnehmerstatus eines Vereinsmitglieds im Yoga-Ashram Das verfassungsrechtlich gewährleistete Selbstbestimmungsrecht von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften kann nur von einem Verein in Anspruch genommen werden, der ein hinreichendes Maß an religiöser Systembildung und Weltdeutung aufweist. Andernfalls ist es ihm verwehrt, mit seinen Mitgliedern zu vereinbaren, außerhalb eines Arbeitsverhältnisses fremdbestimmte, weisungsgebundene Arbeit in persönlicher Abhängigkeit zu leisten, sofern diese nicht ähnlich einem Arbeitnehmer sozial geschützt sind. Der Beklagte ist ein gemeinnütziger Verein, dessen satzungsmäßiger Zweck „die Volksbildung durch die Verbreitung des Wissens, der Lehre, der Übungen und der Techniken des Yoga und verwandter Disziplinen sowie die Förderung der Religion“ ist. Zur Verwirklichung seiner Zwecke betreibt er Einrichtungen, in denen Kurse, Workshops, Seminare, Veranstaltungen und Vorträge zu Yoga und verwandten Disziplinen durchgeführt werden. Dort bestehen sog. Sevaka-Gemeinschaften. Sevakas sind Vereinsangehörige, die in der indischen Ashram- und Klostertradition zusammenleben und ihr Leben ganz der Übung und Verbreitung der Yoga Vidya Lehre widmen. Sie sind aufgrund ihrer Vereinsmitgliedschaft verpflichtet, nach Weisung ihrer Vorgesetzten Sevazeit zu leisten. Gegenstand der Sevadienste sind zB Tätigkeiten in Küche, Haushalt, Garten, Gebäudeunterhaltung, Werbung, Buchhaltung, Boutique etc. sowie die Durchführung von Yogaunterricht und die Leitung von Seminaren. Als Leistung zur Daseinsfürsorge stellt der Beklagte den Sevakas Unterkunft und Verpflegung zur Verfügung und zahlt ein monatliches Taschengeld iHv. bis zu 390,00 Euro, bei Führungsverantwortung bis zu 180,00 Euro zusätzlich. Sevakas sind gesetzlich kranken-, arbeitslosen-, renten- und pflegeversichert und erhalten eine zusätzliche Altersversorgung. Die Klägerin ist Volljuristin. Sie lebte vom 1. März 2012 bis zur Beendigung ihrer Mitgliedschaft beim Beklagten am 30. Juni 2020 als Sevaka in dessen Yoga-Ashram und leistete dort im Rahmen ihrer Sevazeit verschiedene Arbeiten. Die Klägerin hat geltend gemacht, zwischen den Parteien habe ein Arbeitsverhältnis bestanden, und verlangt ab dem 1. Januar 2017 auf der Grundlage der vertraglichen Regelarbeitszeit von 42 Wochenstunden gesetzlichen Mindestlohn iHv. 46.118,54 Euro brutto. Der Beklagte hat eingewendet, die Klägerin habe gemeinnützige Sevadienste als Mitglied einer hinduistischen Ashramgemeinschaft und nicht in einem Arbeitsverhältnis geleistet. Die Religionsfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG und das Selbstbestimmungsrecht aus Art. 140 GG iVm. Art. 137 WRV ermöglichten es, eine geistliche Lebensgemeinschaft zu schaffen, in der die Mitglieder außerhalb eines Arbeitsverhältnisses gemeinnützigen Dienst an der Gesellschaft leisteten. Das Arbeitsgericht hat – soweit für die Revision von Bedeutung – der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage auf die Berufung des Beklagten abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Die Klägerin war Arbeitnehmerin des Beklagten und hat für den streitgegenständlichen Zeitraum Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn nach § 1 Abs. 1 iVm. § 22 Abs. 1 Satz 1 MiLoG. Sie war vertraglich zu Sevadiensten und damit iSv. § 611a Abs. 1 BGB zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Der Arbeitnehmereigenschaft stehen weder die besonderen Gestaltungsrechte von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften noch die Vereinsautonomie des Art. 9 Abs. 1 GG entgegen. Der Beklagte ist weder Religions- noch Weltanschauungsgemeinschaft. Es fehlt das erforderliche Mindestmaß an Systembildung und Weltdeutung. Der Beklagte bezieht sich in seiner Satzung ua. auf Weisheitslehren, Philosophien und Praktiken aus Indien und anderen östlichen und westlichen Kulturen sowie auf spirituelle Praktiken aus Buddhismus, Hinduismus, Christentum, Taoismus und anderen Weltreligionen. Aufgrund dieses weit gefassten Spektrums ist ein systemisches Gesamtgefüge religiöser bzw. weltanschaulicher Elemente und deren innerer Zusammenhang mit der Yoga Vidya Lehre nicht hinreichend erkennbar. Auch die grundgesetzlich geschützte Vereinsautonomie (Art. 9 Abs. 1 GG) erlaubt die Erbringung fremdbestimmter, weisungsgebundener Arbeitsleistung in persönlicher Abhängigkeit außerhalb eines Arbeitsverhältnisses allenfalls dann, wenn zwingende arbeitsrechtliche Schutzbestimmungen nicht umgangen werden. Zu diesen zählt ua. eine Vergütungszusage, die den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn garantiert, auf den Kost und Logis nicht anzurechnen sind. Denn dieser bezweckt die Existenzsicherung durch Arbeitseinkommen als Ausdruck der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG). Der Neunte Senat konnte auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht abschließend über die Höhe des Mindestlohnanspruchs der Klägerin entscheiden und hat den Rechtsstreit deshalb an das Landearbeitsgericht zurückverwiesen. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. April 2023 – 9 AZR 253/22 – Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 17. Mai 2022 – 6 Sa 1249/21 – Hinweis: Am selben Tag hat der Senat in einer ähnlich gelagerten Rechtssache (- 9 AZR 254/22 -) entschieden.","Tenor 1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 17. Mai 2022 – 6 Sa 1249/21 – aufgehoben. 2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Leitsatz 1. Kommt eine aufgrund Vereinsmitgliedschaft und zur Förderung des Vereinszwecks zu erbringende fremdbestimmte, weisungsgebundene Tätigkeit ihrer Verbindlichkeit nach einer arbeitsvertraglichen Pflicht gleich, ist jedenfalls dann zwingend von einem Arbeitsverhältnis auszugehen, wenn die beschäftigte Person nicht aufgrund ihrer Arbeitsleistung ähnlich einem Arbeitnehmer sozial geschützt ist. Als unabdingbarer Mindestschutz auf Entgeltebene ist dabei der gesetzliche Mindestlohn zu garantieren. 2. Eine spirituelle Gemeinschaft, die nicht auf einem Mindestmaß an Systembildung und Weltdeutung beruht, ist weder aufgrund des durch Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV garantierten Selbstbestimmungsrechts noch aufgrund der der korporativen Religionsfreiheit des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG berechtigt, sich eine innere Ordnung zu schaffen, nach deren Maßgabe ausschließlich vom Gemeinschaftszweck geprägte Dienste nicht dem staatlichen Arbeitsrecht unterworfen sind. Tatbestand 1 Die Klägerin verlangt von dem Beklagten die Zahlung gesetzlichen Mindestlohns für die Zeit vom 1. Januar 2017 bis zum 30. Juni 2020. 2 Der Beklagte ist ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in H. In seiner Satzung heißt es auszugsweise:          „Präambel          ‚Yoga V‘, die ‚Wissenschaft des Yoga‘, hat sich in Indien in vielen Jahrhunderten entwickelt.          Die Weisheit, Übungen und Techniken des Yoga können gerade im Leben des modernen westlichen Menschen sehr wertvoll sein. Die Wissenschaft des Yoga in ihrem gesamten Spektrum umfasst Techniken auf den Gebieten der Gesundheitsvorsorge, Heilung, Körper- und Energie-Arbeit, Psychologie, Selbstfindung, Selbstverwirklichung und der spirituellen und religiösen Entwicklung für ein Leben in Harmonie mit den kosmischen Gesetzen.          Der Yoga V e.V. steht in der Tradition des indischen Arztes und Yoga Meisters Swami S und bezieht in seiner Arbeit Yoga in seinem ganzen Spektrum sowohl klassischer wie auch moderner Entwicklungen mit ein. Yoga ist ein ganzheitliches, offenes Übungssystem, das mit Techniken, Weisheitslehren, Philosophiesystemen und Praktiken aus Indien und anderen östlichen und westlichen Kulturen verbunden werden kann und wird. Dazu gehören insbesondere, aber nicht nur, Ayurveda, Vastu (indische Wohnraumlehre) und andere vedische Wissenschaften; tibetische Medizin, Thai Medizin, Shiatsu, Tai Chi, westliche Schulmedizin, Naturheilkunde und andere Medizinsysteme; Ernährungskunde, Massage, Wellness-Wissenschaften; westliche Psychotherapie und Psychologie einschl. Sterbebegleitung; westliche und östliche Philosophie; Tanz, bildende Kunst, Literatur, Theater und Musik aus verschiedenen Kulturen; spirituelle Praktiken aus Buddhismus, Hinduismus, Christentum, Taoismus und anderen Weltreligionen; Sport, fernöstliche Selbstverteidigungskünste; Ethnologie, Anthropologie, Geschichtswissenschaft und andere universitäre Wissenschaften. Durch diese Verbindungen kann Yoga auch einen wertvollen Beitrag zur Völkerverständigung und zum Dialog der Kulturen leisten. Im Zeitalter der Spezialisierung kann Yoga zur Verbindung und Integration beitragen.          Wie im klassischen Indien kann die Übung des Yoga auch mit beruflicher Ausbildung, Weiterbildung und Fortbildung, Erlernen von Fremdsprachen und anderen beruflichen Fähigkeiten verbunden werden.          Der Yoga V e.V. ist einem humanistisch-spirituellen Welt- und Menschenbild verpflichtet, das von Respekt zu allen Menschen unabhängig ihrer religiösen, kulturellen, ethnischen Herkunft und sexuellen Orientierung geprägt ist und steht auf der Basis des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.          Die im Yoga V e.V. vereinigten Mitglieder fühlen sich verpflichtet, den Menschen durch die Verbreitung der Wissenschaft des Yoga und verwandter Übungssysteme zu dienen.          …                 § 2      Zweck des Vereins          Der Zweck des Vereins ist die Volksbildung durch die Verbreitung des Wissens, der Lehre, der Übungen und der Techniken des Yoga und verwandter Disziplinen sowie die Förderung der Religion. Der Verein verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne des Abschnitts ‚steuerbegünstigte Zwecke‘ der Abgabenordnung. Der Satzungszweck wird insbesondere verwirklicht durch          (1)      Errichtung von Zentren, in denen Yoga und verwandte Disziplinen gelehrt werden          (2)      Errichtung von Yoga Seminarhäusern          (3)      Schaffung von Yoga V Sevaka Gemeinschaften, in denen in alter indischer religiöser Ashram- und Kloster-Tradition Menschen in Lebensgemeinschaften zusammen leben, die sich ganz der spirituell-religiösen Praxis widmen im Sinne von Sadhana (spirituelle Übung), Satsang (gemeinsame Meditation, Mantrasingen, Lesung, Lichtzeremonie), Sattwa (spiritueller Lebensstil) und Seva (uneigennütziger Dienst). Durch solche funktionierende Sevaka Gemeinschaften werden friedvolle geschützte Orte geschaffen und gewahrt, an denen auf Grundlage gemeinsamer Werte, Prinzipien und gelebter Ashramregeln die uralte spirituell-religiöse Tradition von Yoga Vedanta praktiziert und gelehrt wird          (4)      Durchführung von Kursen, Workshops, Wochenenden, Seminaren, Veranstaltungen und Vorträgen, in denen die verschiedensten Aspekte des Yoga und verwandter Disziplinen gelehrt werden, sowohl im In- wie auch im Ausland          (5)      Durchführung von Ausbildungen, Weiterbildungen und Fortbildungen, auch im Hochschulbereich, auf dem Gebiet des Yoga und verwandter Disziplinen          (6)      Durchführung von Kursen, Workshops, Wochenenden, Seminaren, Veranstaltungen, Vorträgen, Ausbildungen, Weiterbildungen und Fortbildungen auf gesundheitlichen, psychologischen, kulturellen, beruflichen, spirituellen, philosophischen, religiösen und anderen Gebieten, die auch von Volkshochschulen und anderen volksbildnerisch gemeinnützigen Bildungsträgern durchgeführt werden könnten, sofern diese Veranstaltungen in Zusammenhang mit Yoga im weiteren Sinn stehen oder Yoga Übungen ein wichtiger Teil der Veranstaltungen ausmachen          (7)      Durchführung von spirituellen und religiösen Übungen, religiösen Ritualen, Studium der klassischen Yoga und Vedanta Schriften, spirituelle Unterweisung, Klausuren, Retreats, Kasualien, spirituellen und religiösen Ausbildungen          (8)      Durchführung von Forschungsarbeiten, die sich mit der Wirkung der Yoga-Übungen (auch im Zusammenhang mit verwandten Disziplinen) beschäftigen          (9)      Einladung von Gastreferent/innen, Lehrer/innen und Meister/innen aus dem In- und Ausland          (10)    Organisierung von Kongressen auf dem Gebiet des Yoga und verwandter Disziplinen          (11)    Aufbau von Yoga-Bibliotheken sowie eines Yoga-Museums          (12)    Verbreitung von Schriften und Veröffentlichungen über Yoga, und verwandte Disziplinen          …“              3 Zur Verwirklichung seiner Zwecke betreibt der Beklagte Zentren und Seminarhäuser. Als Vereinsmitglieder gehören ihm rund 240 Sevakas an. Die Mitgliedschaft bei dem Beklagten steht Gläubigen aller Religionen offen. Sevakas leben in Yoga V Ashrams und Zentren in indischer Ashram- und Klostertradition zusammen, um sich dort der Übung und Verbreitung der Yoga V Lehre zu widmen. Sie verfügen in den Ashrams über Unterkünfte für sich bzw. ihre Familien. Am Vereinssitz in H befinden sich Seminarräume, Gemeinschaftsräume (zB zur Einnahme der Mahlzeiten) und Unterkünfte für die „Sevaka Gemeinschaft“ sowie für Gäste. In den Seminarräumen werden für externe Gäste kostenpflichtige Seminare und Schulungen für Yogalehrer durchgeführt. 4 Für Sevakas gelten Regeln, die in der sog. Yoga V Smriti niedergelegt sind. In deren Teil A (unwiderrufliche Regeln) sind mit der möglichst weiten Verbreitung des Yoga, der Ermöglichung schnellen spirituellen Wachstums für ernsthafte Aspiranten durch Schaffung von Sevaka Gemeinschaften („geistliche Genossenschaften“) in Ashrams und Yoga-Zentren sowie der Vergrößerung der Kräfte des Friedens und des Verständnisses auf der Erde durch Aufbau weiterer Lichtpunkte im Lichtnetz der Erde in Verbundenheit mit anderen spirituellen und ökologischen Traditionen die Hauptziele des Yoga V bezeichnet. Für die spirituelle Entwicklung der Sevakas gelten die sog. „vier großen S“, nämlich Satsang (regelmäßige Teilnahme an gemeinsamer Meditation, Mantra-Singen, Arati), Sadhana (tägliche oder fast tägliche Praxis von Asanas und Pranayama), Seva (selbstloser Dienst im Ashram/Yoga-Zentrum) und Sattwa („reiner“ Lebensstil ohne Fleisch, Fisch, Tabak, illegale Drogen, Alkohol sowohl in als auch außerhalb der Yoga V Gemeinschaft). In Teil B der Smriti werden die allgemeinen Grundsätze aus deren Teil A konkretisiert. Teil C enthält ergänzende Empfehlungen. 5 Smriti werden nach Beschlüssen der Sevaka-Versammlung weiterentwickelt. Im streitrelevanten Zeitraum enthielten sie auszugsweise folgende Bestimmungen:          „Der Yoga V e.V. ist einem humanistisch-spirituellen Welt- und Menschenbild verpflichtet, das von Respekt zu allen Menschen unabhängig ihrer religiösen, kulturellen, ethnischen Herkunft geprägt ist und steht auf der Basis des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. …          P.3.    Sevaka bei Yoga V – ideal für spirituelles          und menschliches Wachstum          …                 In einem Yoga Ashram zu leben und dabei zugleich anderen, sich selbst und der Gemeinschaft zu dienen, ist nicht einfach ein Job, den man acht Stunden lang macht und sich dann seinen anderen Interessen und Hobbys widmet. Es ist eine grundsätzliche Lebenseinstellung und -aufgabe, bei der es kein separates Privat- und Berufsleben gibt, sondern alles zu einem erfüllten spirituellen Leben verschmilzt. Du solltest bereit sein, Dich voll zu engagieren und Dich ganz einzubringen. …          B.3.    Seva – das uneigennützige Dienen          B.3.1. Seva/Karma Yoga: Seva Inhalt und Aufgaben-          bereich          …                 Seva heißt uneigennütziges Dienen. Seva öffnet das Herz, reinigt, vermindert das Ego, bereitet so die notwendige Voraussetzung, dass höhere spirituelle Erfahrung und zügige spirituelle Entwicklung möglich wird. Du bist Sevaka Mitglied des gemeinnützigen Yoga V e.V., kein ‚Arbeitnehmer‘. …          B.3.4. Sevafreie Zeit          …                 a.     Es gibt einen Richtwert von 5 sevafreien Wochen pro Jahr. …          …“     6 Als Leistung zur Daseinsfürsorge gewährt der Beklagte Sevakas Unterkunft und Verpflegung. Auf das monatliche Taschengeld iHv. bis zu 390,00 Euro wird bei Führungsverantwortung ein Aufschlag iHv. bis zu 180,00 Euro gezahlt. Sevakas sind gesetzlich kranken-, arbeitslosen-, renten- und pflegeversichert. Nach dreijähriger Zugehörigkeit zu einer Sevaka Gemeinschaft schließt der Beklagte für den jeweiligen Sevaka eine zusätzliche Altersversorgung ab, an die jährliche Beiträge iHv. 1.470,00 Euro abgeführt werden. Sevakas mit längerer Sevakamitgliedschaft im Rentenalter können weiterhin im Ashram leben. Können sie keine Seva mehr zu leisten, haben sie abhängig von der Rentenhöhe einen Kostenbeitrag iHv. monatlich 450,00 bis 550,00 Euro für Unterkunft und Verpflegung zu leisten. 7 Der Beklagte ist Alleingesellschafter der Yoga V GmbH, die über einen Internetshop diverse Produkte vertreibt. Gewinne führt sie an den Beklagten ab. Für die bei der Yoga V GmbH anfallenden Tätigkeiten werden auch Sevakas des Beklagten eingesetzt. 8 Die Klägerin ist Volljuristin. Sie bewarb sich bei dem Beklagten mit dem Ziel, ganzheitliches Yoga zu lernen, zu leben und an andere Menschen weiterzugeben. In dem zwischen den Parteien geschlossenen „Vertrag über die Mitarbeit als Sevaka-Mitglied in der Yoga V Ashram Gemeinschaft“ vom 29. Februar 2012 heißt es auszugsweise:          „Präambel          Dieser Vertrag dient keinem Erwerbszweck, er ist Vereinbarung über die Mitgliedschaft in einer freien Vereinigung im Sinne des Grundgesetzes Artikel 9 (Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit) und angelehnt an die Grundlagen für die Ausübung der Religionsfreiheit im Sinne des Artikels 18 der ‚Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte‘ der Vereinten Nationen (UNO)          …                 Vergleichbar mit einer religiösen Gemeinschaft, sind alle Personen, die sich unserer Gemeinschaft anschließen, Mitglieder, die ihre Kraft, ihr Können und ihren guten Willen dafür einsetzen, die Lehre des Yoga in der Tradition von Swami S und Swami V zu verbreiten.          Das Mitglied der Yoga V Ashram Gemeinschaft (Sevaka) ist sich bewusst, dass seine/ihre Motivation ist, sich durch spirituelle Praxis in der Tradition von Swami S und Swami V geistig zu vervollkommnen sowie uneigennützigen Dienst zu leisten.          Er/sie wird Sevaka beim Yoga V e.V., weil er sich persönlich entwickeln will und nicht, um einer Erwerbstätigkeit im Sinne eines rein materiellen Zugewinns nachzugehen.          …                 § 3 Regeln für Sevakas, die Mitglieder der Yoga Gemeinschaft – Yoga V Smriti          Das spirituelle Zusammenleben und die demokratischen Grundsätze haben die Erstellung von weiteren Regeln innerhalb der Gemeinschaft nötig gemacht. Diese Regeln sind in der Yoga V Smriti, den Yoya V Sevaka Regeln, zusammengefasst.          …                        § 4      Die ‚vier großen S‘                   (1)      Das Leben in einer Yoga V-Gemeinschaft ist durch die 4 großen ‚S‘ gekennzeichnet. Damit die geistige und persönliche Entwicklung optimal unterstützt und die bewährte Tradition gewahrt bleibt, verpflichtet sich der/die Sevaka insbesondere zu:                            ·        Satsang: …                            ·        Sadhana: …                            ·        Sattwa: …                            ·        Seva: Uneigennütziger Dienst im Rahmen der spirituellen Gemeinschaft für die Verbreitung des Yoga und der Verbreitung von spirituellem Wissen. Dienen statt Erwerbsarbeit.                   …                                   § 9      Direktionsrecht                   (1)      Im Rahmen des Seva hat das Mitglied dienstliche Vorgesetzte (z.B. Ashram- und Zentrumsleiter, Teamleiter und Bereichsleiter). Obwohl das Mitglied bei wichtigen Entscheidungen in der SV, oder GSV gleichberechtigtes Stimmrecht (siehe § 5) hat, verpflichtet es sich, im Seva-Bereich den Anordnungen seiner Vorgesetzten Folge zu leisten.                   …                          § 11    Taschengeld, Kosten für Verpflegung und Unterkunft                   (1)      Das Mitglied erhält ein Taschengeld plus Sozialversicherung, Unterkunft und Verpflegung. Dies ist ein gemäß den Yoga V Sevaka Regeln (Yoga V Smriti) beschlossener Nettobetrag nach Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen und Kosten, für Unterkunft und Verpflegung. Der genaue Betrag ergibt sich aus den Bestimmungen der Yoga V Smriti Teil B.                   …                          § 14    Sevazeit          Die regelmäßige Sevazeit beträgt grundsätzlich 42 Stunden wöchentlich, wobei der Unterricht und andere Dienste auch an Wochenenden und Feiertagen stattfinden und geleistet werden. …          § 19    Nebentätigkeit          Um sich ganz der spirituellen Entwicklung widmen zu können, darf das Mitglied grundsätzlich keiner anderen bezahlten Tätigkeit (Nebentätigkeit) nachgehen, Ausnahmen hiervon sind in der Yoga V Smriti Teil B geregelt.          § 21    Anspruchsfristen          Grundsätzlich ist ein Anspruchsdenken nicht im Sinne dieser Vereinbarung. Will eine Partei dieses Vertrages jedoch dennoch Ansprüche geltend machen, muss sie dies innerhalb von spätestens sechs Monaten nach Fälligkeit dieser Ansprüche oder – bei Beendigung dieses Vertrages – drei Monate nach Vertragsbeendigung tun, ansonsten verfallen die Ansprüche. Werden die Ansprüche von der anderen Seite zurückgewiesen, müssen sie innerhalb von weiteren drei Monaten gerichtlich geltend gemacht werden, sonst verfallen sie ebenfalls.          …“     9 Unter dem 23. Juli 2015 bestätigte die Klägerin ihre Mitgliedschaft durch Abgabe einer vom Beklagten vorformulierten Erklärung. Entsprechende Erklärungen wurden allen Sevakas vorgelegt und von diesen unterschrieben. 10 Die Klägerin lebte vom 1. März 2012 bis zum 30. Juni 2020 als Sevaka im Yoga-Ashram des Beklagten in H. Sie nahm einen spirituellen Namen an, der ihr in einer Zeremonie verliehen und bei der internen Kommunikation verwendet wurde. Die Klägerin leistete für den Beklagten im Rahmen ihrer Seva verschiedene Dienste. Seit 2017 war sie stellvertretende Teamleiterin bei der Seminarplanung und im Zertifikatebüro, später plante sie Unterricht und war ab August 2017 dem Team Social media/Onlinemarketing zugeordnet. Ab Oktober 2017 wurde ihr die stellvertretende Teamleitung und ab September 2018 die Teamleitung im Onlinemarketing übertragen. Im September 2019 wurde die Klägerin dem Guroseva-Team zugeordnet, in dem sie während ihrer Seva-Zeit teilweise spirituelle Rituale durchführte. Nach Abschluss verschiedener Ausbildungen wurde sie am 30. Januar 2020 im Rahmen einer sog. Brahmachrya-Weihe zur Priesterin (Purohita) ernannt und war befugt, verschiedene Rituale zu vollziehen. Ab April 2020 wurde ihr die Seminarplanung für das Jahr 2021 übertragen. Daneben befasste sie sich mit datenschutzrechtlichen Themen. 11 Am 12. Juni 2020 kündigte die Klägerin das Rechtsverhältnis der Parteien zum 30. Juni 2020. Der Beklagte erteilte ihr unter dem 10. Juli 2020 eine Arbeitsbescheinigung gemäß § 312 SGB III, in der er ihr eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 25 Stunden bescheinigte. 12 Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Beklagte habe ihre Tätigkeit mit dem gesetzlichen Mindestlohn zu vergüten, da zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden habe. Die Sevaka Gemeinschaft sei nicht als religiöse Gemeinschaft zu qualifizieren. Bei dem Beklagten stehe vielmehr die wirtschaftliche Ausrichtung mit dem Ziel der Vermarktung von Yoga im Vordergrund. Sevakas würden als Arbeitskräfte eingesetzt und unterlägen dem Direktionsrecht des Beklagten. Die Yoga V GmbH, für die sie tätig geworden sei, habe mit dem Beklagten einen gemeinsamen Betrieb unterhalten. Die Klägerin hat behauptet, weit mehr als 42 Wochenstunden Arbeitsleistungen erbracht zu haben. 13 Die Klägerin hat zuletzt beantragt,          den Beklagten zu verurteilen, an sie 46.118,54 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 7. Oktober 2020 zu zahlen. 14 Der Beklagte hat seinen Klageabweisungsantrag darauf gestützt, dass die Klägerin ihre im Rahmen der Seva geleistete Arbeit nicht als Arbeitnehmerin, sondern aufgrund ihrer Vereinsmitgliedschaft geleistet habe. Die Klägerin sei durch ihren Vereinsbeitritt Mitglied einer hinduistischen Klostergemeinschaft geworden, die der Religionsfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 und 2 GG und dem Selbstbestimmungsrecht aus Art. 140 GG iVm. Art. 137 WRV unterliege. Yoga Vedanta sei eine Strömung des Hinduismus. Ebenso wie die Mitglieder einer christlich-klösterlichen Gemeinschaft lebten Sevakas in einer geistlichen Genossenschaft, in der sie gemeinnützigen Dienst an der Gesellschaft leisteten. Als Verein, der sich nach demokratischen Grundsätzen eine eigene Ordnung gegeben habe, habe er die Rechte und Pflichten seiner Mitglieder durch Satzung festgelegt. Der durch Seva zu leistende Vereinsbeitrag führe nicht zu einer Umgehung zwingender arbeitsrechtlicher Bestimmungen. Die Satzung gewähre den Sevakas einen Schutzstandard, der mit dem von Arbeitnehmern vergleichbar sei. Gleiches gelte für die sozialversicherungsrechtliche Absicherung. Die Klägerin sei dem Verein beigetreten, um Yoga und Spiritualität ganzheitlich zu leben, nicht jedoch, um Erwerbseinkünfte zu erzielen, wie dies für ein Arbeitsverhältnis kennzeichnend sei. Dem Einsatz der Klägerin bei der Yoga V GmbH habe ein Auftragsverhältnis zugrunde gelegen. 15 Die Klägerin hat in erster Instanz den Beklagten und die Yoga V GmbH gesamtschuldnerisch auf Zahlung von 200.124,30 Euro brutto in Anspruch genommen. Nach Rücknahme der gegen die Yoga V GmbH gerichteten Klage hat das Arbeitsgericht den Beklagten – unter Klageabweisung im Übrigen – zur Zahlung von 46.118,54 Euro brutto nebst Zinsen verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Entscheidungsgründe 16 Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Landesarbeitsgericht durfte der Berufung des Beklagten mit der gegebenen Begründung nicht stattgeben. Die Klägerin hat in der Zeit vom 1. Januar 2017 bis zum 30. Juni 2020 einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns nach § 1 Abs. 1 iVm. § 22 Abs. 1 Satz 1 MiLoG für jede tatsächlich geleistete Arbeitsstunde. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts war sie Arbeitnehmerin und unterfiel damit dem persönlichen Anwendungsbereich des Mindestlohngesetzes. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen kann der Senat die Höhe des Anspruchs der Klägerin nicht beziffern. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. 17 I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klägerin habe gegenüber dem Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns, weil zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis bestanden habe. Die Klägerin habe für den Beklagten auf vereinsrechtlicher Grundlage als Mitgliedsbeitrag nach § 58 Nr. 2 BGB weisungsgebundene, fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit geleistet. Sie sei ihrer Tätigkeit nicht mit der für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses typischen Erwerbsabsicht nachgegangen. Mit ihrem Beitritt zur Beklagten habe sich die Klägerin spirituell weiterentwickeln wollen, um Befreiung und Erleuchtung zu erreichen. Die Ableistung von Diensten auf Grundlage ihrer Vereinsmitgliedschaft habe nicht dazu geführt, dass zwingende arbeitsrechtliche Schutzbestimmungen umgangen worden seien. Zudem habe die Klägerin vereinsrechtlich auf die Willensbildung des Beklagten Einfluss nehmen können. Von besonderer Bedeutung für die Beurteilung des Rechtsverhältnisses der Parteien sei, dass der Beklagte eine Religionsgemeinschaft sei und sich auf die Glaubensfreiheit gemäß Art. 4 GG sowie auf das Selbstverwaltungsrecht der Religionsgemeinschaften aus Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV berufen könne. Sie sei deshalb berechtigt, sich – ähnlich christlich-religiösen Klostergemeinschaften – eine innere Ordnung zu geben, auf deren Grundlage die Mitglieder uneigennützig unter Gewährleistung einer Mindestdaseinsfürsorge Dienste leisteten. 18 II. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Die Klägerin war für den maßgeblichen Klagezeitraum Arbeitnehmerin iSv. § 1 Abs. 1 iVm. § 22 Abs. 1 Satz 1 MiLoG. Weder die Vereinsmitgliedschaft der Klägerin noch die religiöse oder weltanschauliche Ausrichtung des Beklagten stehen der Annahme eines Arbeitsverhältnisses entgegen. 19 1. Der persönliche Anwendungsbereich des Mindestlohngesetzes erstreckt sich nach § 22 Abs. 1 Satz 1 MiLoG auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. 20 a) Der Bestimmung liegt der nationale Arbeitnehmerbegriff des § 611a Abs. 1 BGB zugrunde (BAG 19. Januar 2022 – 5 AZR 217/21 – Rn. 11; 18. November 2020 – 5 AZR 103/20 – Rn. 17, BAGE 173, 32). 21 aa) Nach § 611a Abs. 1 BGB wird ein Arbeitnehmer durch den Arbeitsvertrag im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet (Satz 1). Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen (Satz 2). Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmten kann (Satz 3). Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab (Satz 4). Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen (Satz 5). Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an (Satz 6). 22 bb) Die Parteien einer privatrechtlichen Vereinbarung über die Erbringung von Dienst- bzw. Arbeitsleistungen sind danach nicht frei darin, den Vertragstyp unabhängig von den vereinbarten Bedingungen, unter denen die Leistung erbracht werden soll, und der tatsächlichen Vertragsdurchführung zu bestimmen. Sie sind an die zwingenden Vorgaben des § 611a Abs. 1 BGB gebunden. Ist die Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit materieller Vertragsgegenstand oder leistet der Beschäftigte abweichend von den getroffenen Vereinbarungen tatsächlich solche Arbeit, liegt ein Arbeitsverhältnis iSv. § 611a Abs. 1 BGB vor (vgl. BAG 1. Dezember 2020 – 9 AZR 102/20 – Rn. 39 mwN, BAGE 173, 111). 23 cc) Zur Abgrenzung des Arbeitsverhältnisses von anderen Vertragsverhältnissen (zB freier Dienstvertrag, Werkvertrag ua.) ist nach § 611a Abs. 1 Satz 5 BGB stets eine wertende Gesamtbetrachtung vorzunehmen, bei der den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung zu tragen ist. Die Gerichte für Arbeitssachen haben bei ihrer Entscheidung, ob ein Arbeitsverhältnis vorliegt, im Rahmen dieser Gesamtbetrachtung neben der Würdigung tatsächlicher Umstände auch die Besonderheiten oder Eigenarten einer Tätigkeit in Branchen und Bereichen mit besonderem verfassungsrechtlichen Schutz zu berücksichtigen (BT-Drs. 18/9232 S. 32). Sie sind von Verfassungs wegen gehalten, die durch das Grundgesetz eingeräumten Rechte interpretationsleitend zu berücksichtigen, damit deren wertsetzender Gehalt auch auf der Rechtsanwendungsseite gewahrt bleibt. Verfassungsrechtliche Garantien können den Grundrechtsträgern bei der Festlegung des Vertragstyps einen größeren rechtlichen Spielraum eröffnen. Dies hat der Senat zuletzt unter dem Gesichtspunkt der Pressefreiheit entschieden für die Prüfung, ob der Redakteur einer Zeitung als Arbeitnehmer oder als freier Mitarbeiter beschäftigt wird (BAG 30. November 2021 – 9 AZR 145/21 – Rn. 36). Auch der korporativen Religions- bzw. Bekenntnisfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG und dem Selbstbestimmungsrecht von Religions- oder Weltanschauungsgesellschaften aus Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV (vgl. BVerfG 22. Oktober 2014 – 2 BvR 661/12 – Rn. 96, BVerfGE 137, 273; BAG 14. Februar 1978 – 1 AZR 280/77 – zu II 6 der Gründe, BAGE 30, 122; Richardi KirchenArbR 8. Aufl. § 5 Rn. 6) ist in der Gesamtbetrachtung angemessenes Gewicht beizumessen. 24 b) Die Tatsacheninstanzen haben bei der Prüfung des Arbeitnehmerstatus einen weiten Beurteilungsspielraum. Ihre Würdigung ist in der Revisionsinstanz nur darauf zu überprüfen, ob sie den Rechtsbegriff des Arbeitnehmers selbst verkannt, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt, bei der Subsumtion den Rechtsbegriff wieder aufgegeben oder wesentliche Umstände außer Betracht gelassen haben (BAG 30. November 2021 – 9 AZR 145/21 – Rn. 41). 25 2. Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs hält die angefochtene Entscheidung einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Die Klägerin hat sich zwar ausdrücklich auf mitgliedschaftlicher Vertragsgrundlage zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Die formell auf vereinsrechtlicher Grundlage vereinbarten, auf einen Austausch von Leistung und Gegenleistung gerichteten mitgliedschaftlichen Pflichten der Parteien begründen aber einen Arbeitsvertrag. Dem stehen – entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts – weder die Vereinsautonomie des Beklagten noch dessen spirituelle Ausrichtung und das damit begründete, ordensähnlich organisierte Lebensmodell entgegen. 26 a) Das Landesarbeitsgericht ist im Ausgangspunkt zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin aufgrund privatrechtlichen Vertrags als Mitglied des Beklagten zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet war. Dies ergibt die Auslegung des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags (§§ 133, 157 BGB). 27 aa) Bei rein formaler Betrachtung sollte durch den zwischen den Parteien geschlossenen „Vertrag über die Mitarbeit als Sevaka-Mitglied in der Yoga V Ashram Gemeinschaft“ kein Arbeitsverhältnis, sondern eine Vereinsmitgliedschaft begründet werden. Dementsprechend sehen die auf das Rechtsverhältnis anzuwendenden Smriti unter B.3. ausdrücklich vor, das ein Sevaka „Mitglied des gemeinnützigen Yoga V e.V.“ und „kein Arbeitnehmer“ sei. Nach Maßgabe seiner Präambel dient der Vertrag der Parteien „keinem Erwerbszweck“. Die Vereinbarung über die Mitgliedschaft in einer freien Vereinigung iSd. Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit sei „angelehnt an die Grundlagen für die Ausübung der Religionsfreiheit im Sinne des Artikels 18 der ‚Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte‘ der Vereinten Nationen (UNO)“. Vergleichbar mit einer religiösen Gemeinschaft seien alle Mitglieder, die ihre Kraft, ihr Können und ihren guten Willen dafür einsetzten, die Lehre des Yoga in der Tradition von Swami S und Swami V zu verbreiten. Das Mitglied der Yoga V Ashram Gemeinschaft (Sevaka) sei sich bewusst, dass seine/ihre Motivation darin bestehe, sich durch spirituelle Praxis in der Tradition von Swami S und Swami V geistig zu vervollkommnen sowie uneigennützigen Dienst zu leisten. Mitglieder würden Sevakas beim Beklagten, um sich persönlich zu entwickeln und nicht, um einer Erwerbstätigkeit im Sinne eines rein materiellen Zugewinns nachzugehen. Durch die schriftliche Bestätigung der „Mitgliedschaft“ im Jahr 2015 sollte dieser Vertragsinhalt nicht abgeändert, sondern bekräftigt werden. 28 bb) Abweichend von der formalen Vertragsbezeichnung war der materielle Vertragsinhalt auf die Erbringung fremdbestimmter, weisungsgebundener Arbeit in persönlicher Abhängigkeit gerichtet. Bei der vertraglich geschuldeten Seva handelte es sich nicht nur um einen unabhängig von den zwingenden Vorschriften des Arbeitsrechts regelbaren Mitgliedsbeitrag, sondern um in persönlicher Abhängigkeit durchzuführende Tätigkeiten, die ihrem äußeren Erscheinungsbild nach mit denen eines Arbeitsverhältnisses identisch sind. 29 (1) Nach § 14 des Vertrags war die Klägerin verpflichtet, für den Beklagten wöchentlich 42 Stunden Dienst in Form von Seva zu verrichten. Seva diente schwerpunktmäßig der Durchführung und Sicherstellung des Seminarbetriebs sowie der Vermarktung von Yoga-Produkten. Gegenstand der Seva waren gemäß B.3.1. der in Bezug genommenen Smriti Tätigkeiten in Küche, Haushalt, Garten, Gebäudeunterhaltung, Werbung, Buchhaltung, Boutique etc. sowie die Durchführung von Yogaunterricht und die Leitung von Seminaren. Bei alledem – so die Smriti – hatte das Wohl der Gäste, für die diese Leistungen vorrangig zu erbringen waren, im Mittelpunkt zu stehen („ihre Anliegen haben immer Priorität vor allem anderen“). Nebentätigkeiten bei Dritten waren der Klägerin nach § 19 des Vertrags untersagt. Bei der Verrichtung der Seva unterlag sie nach § 9 Abs. 1 des Vertrags dem Direktionsrecht ihrer dienstlichen Vorgesetzten. 30 (2) Als Gegenleistung für Seva erhielt die Klägerin nach Maßgabe der vertraglich in Bezug genommenen Smriti neben freier Kost und Logis ein monatliches Taschengeld. Der Gegenleistungscharakter zeigt sich daran, dass Sevakas, die Rente beziehen und nicht mehr in der Lage sind, Seva zu leisten, kein Taschengeld erhalten, sondern zu den Kosten für Unterkunft und Verpflegung einen monatlichen Betrag iHv. 450,00 bis 550,00 Euro beitragen müssen. „Teilzeit-Sevakas“ in Rente, die ca. vier Stunden am Tag bzw. ca. 24 Stunden in der Woche „mithelfen“, bleiben Teil der Ashram Gemeinschaft, erhalten jedoch kein Taschengeld. Auch dies dokumentiert den inneren Zusammenhang zwischen der Arbeitsleistung und der Gewährung der geldwerten Vorteile. Mit der Teilzeitbeschäftigung können Unterkunft und Verpflegung noch erarbeitet werden, das Taschengeld jedoch nicht mehr. 31 (3) Der Vertrag war somit darauf angelegt, dass die Klägerin dem Beklagten ihre gesamte Arbeitskraft zur Verfügung stellt und seine Leistungen ihr einziges Arbeitseinkommen darstellen sollten. Die vom Beklagten gewährten Leistungen in Form von Verpflegung, Unterkunft und Taschengeld sollten es der Klägerin ermöglichen, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Die Entgeltlichkeit der Arbeitsleistung war – ebenso wie in einem Arbeitsverhältnis – dazu bestimmt, die wirtschaftliche Existenz der Klägerin zu sichern. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin mit ihrem Vereinsbeitritt weder vorrangig bezweckte, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, noch eine angemessene Gegenleistung für die versprochenen Dienste erwartete, sondern sich in erster Linie persönlich entwickeln, die spirituellen Lehren des Yoga verbreiten und nach Selbstverwirklichung streben wollte. Dass neben materiellen Interessen auch immaterielle Interessen die Klägerin zum Vereinsbeitritt bewogen haben, spricht nicht gegen das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses (vgl. dazu BAG 29. August 2012 – 10 AZR 499/11 – Rn. 16, BAGE 143, 77). Unerheblich ist, dass die geldwerten Leistungen keine angemessene Vergütung für die von der Klägerin geleistete Arbeit darstellen. Eine unangemessene Vergütung kann nicht Rechtfertigung dafür sein, einen Beschäftigten vom Schutzbereich zwingender arbeitsrechtlicher Bestimmungen auszunehmen. 32 b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts gestatten es die Besonderheiten der Vereinsautonomie nicht, die fremdbestimmt, weisungsgebunden und in persönlicher Abhängigkeit zu leistenden Tätigkeiten der Klägerin abweichend von den Vorgaben des § 611a Abs. 1 BGB als Mitgliedsbeitrag (§ 58 Nr. 2 BGB) zu regeln. 33 aa) Mit Blick auf die grundgesetzlich geschützte Vereinsautonomie (Art. 9 Abs. 1 GG) hat die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts es zugelassen, dass die Mitglieder von Vereinen auf vereinsrechtlicher Grundlage zu Arbeitsleistungen in fremdbestimmter persönlicher Abhängigkeit verpflichtet werden, ohne Arbeitnehmer zu sein. Die mitgliedschaftliche Bindung an einen Verein kann ein Arbeitsverhältnis iSv. § 611a Abs. 1 BGB jedoch nur unter der Voraussetzung eines gleichwertigen arbeitsrechtlichen Schutzes ausschließen (vgl. zu DRK-Schwestern BAG 21. Februar 2017 – 1 ABR 62/12 – Rn. 40 ff., BAGE 158, 121; 6. Juli 1995 – 5 AZB 9/93 – zu B I 2 b und c der Gründe, BAGE 80, 256; zu Scientology BAG 26. September 2002 – 5 AZB 19/01 – zu B II 1 der Gründe, BAGE 103, 20; 22. März 1995 – 5 AZB 21/94 – zu B II 3 der Gründe, BAGE 79, 319; zu Telefonseelsorge im Ehrenamt BAG 29. August 2012 – 10 AZR 499/11 – Rn. 18, BAGE 143, 77). Eine formell mitgliedschaftlich begründete Arbeitsverpflichtung darf nicht zu einer Umgehung zwingender arbeitsrechtlicher Schutzbestimmungen führen. Die in die Statusbeurteilung nach § 611a Satz 5 BGB einzubeziehenden Freiheiten des Art. 9 Abs. 1 GG gestatten in einem solchen Fall keine Abweichung von dem Status, den das Gesetz für abhängige Arbeit auf privatautonomer Grundlage vorsieht. 34 (1) Die Mitgliedschaft in einem Verein wird privatautonom durch eine Beitritts- und Aufnahmeerklärung begründet (BAG 21. Februar 2017 – 1 ABR 62/12 – Rn. 26, BAGE 158, 121; BGH 29. Juni 1987 – II ZR 295/86 – zu 1 der Gründe, BGHZ 101, 193; ErfK/Preis 23. Aufl. § 611a BGB Rn. 147; Staudinger/Schwennicke (2019) § 38 Rn. 105). Die Rechte und Pflichten der Vereinsmitglieder und des Vereins bestimmen sich im Allgemeinen aus der Satzung des Vereins (§ 25 BGB). Aufgrund der allgemeinen Freiheit rechtsgeschäftlichen Handelns kann sich der Verein in freier Selbstbestimmung eine eigene innere Ordnung geben (BAG 6. Juli 1995 – 5 AZB 9/93 – zu B I 2 b der Gründe, BAGE 80, 256). Dies umfasst grundsätzlich das Recht des Vereins, den von jedem Mitglied zu leistenden Vereinsbeitrag in Form von fremdbestimmter, weisungsgebundener Tätigkeit – insbesondere Arbeitsdienste zur Förderung des Vereinszwecks – festzulegen (vgl. ErfK/Preis 23. Aufl. § 611a BGB Rn. 148; Wank/Maties NZA 2007, 353, 355). 35 (2) Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich, wenn die tatsächliche Ausgestaltung der als Vereinsbeitrag zu erbringenden Dienstleistungen dem Erscheinungsbild eines Arbeitsverhältnisses entspricht. Erzeugt die vereinsrechtliche Dienstpflicht gemessen am Maßstab des § 611a Abs. 1 BGB eine Verbindlichkeit, die einer arbeitsvertraglichen Pflicht gleichkommt, steht der zwingende Charakter des Arbeitsrechts der Annahme entgegen, das Vereinsmitglied werde außerhalb eines Arbeitsverhältnisses tätig. Das daraus abzuleitende Gebot zur Nutzung der arbeitsrechtlichen Form führt grundsätzlich zu einem Verbot, die Pflicht zur Erbringung fremdbestimmter, weisungsgebundener Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit in anderer rechtlicher Form als der eines Arbeitsvertrags unter Anwendung des arbeitsrechtlichen Schutzregimes zu vereinbaren. Durch rechtliche Gestaltung darf nicht eine arbeitsvertragsgleiche Verpflichtung zur Arbeitsleistung geschaffen werden, ohne dem Dienstleistenden den arbeitsrechtlichen Schutz einzuräumen (Schwarze RdA 2020, 38, 41). Die Verdichtung der vereinsrechtlich begründeten persönlichen Arbeitspflicht zur arbeitsvertragsgleichen Verpflichtung zur Arbeitsleistung unter Ausklammerung zwingender arbeitsrechtlicher Schutzregeln führt zu einer objektiven Funktionswidrigkeit des Rechtsgeschäfts und damit dazu, dass – gegebenenfalls neben der Vereinsmitgliedschaft – ein Arbeitsverhältnis vorliegt, das den allgemeinen arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften unterliegt (vgl. BAG 6. Juli 1995 – 5 AZB 9/93 – zu B I 2 b der Gründe, BAGE 80, 256; 22. März 1995 – 5 AZB 21/94 – zu B II 3 der Gründe, BAGE 79, 319). 36 (3) Dies hat zur Folge, dass anstelle oder gegebenenfalls zusätzlich zur formal begründeten Vereinsmitgliedschaft jedenfalls dann tatsächlich ein Arbeitsverhältnis vorliegt, wenn ein Verein seinen in erheblichem Umfang zur Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichteten Mitgliedern weder einen Anspruch auf angemessene Vergütung noch einen Anspruch auf Versorgung einräumt (BAG 22. März 1995 – 5 AZB 21/94 – zu B II 3 a der Gründe, BAGE 79, 319). Seit Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes tritt diese Folge unabhängig von einer Versorgungszusage und deren Inhalt bereits dann ein, wenn der gesetzliche Mindestlohn als unabdingbarer Mindestschutz auf Entgeltebene nicht garantiert ist. Der allgemeine gesetzliche Mindestlohn schützt Arbeitnehmer umfassend vor den Folgen einer unangemessen niedrigen Vergütung. Die Normierung eines angemessenen Verhältnisses von Arbeitsleistung und Arbeitsentgelt bezweckt die Existenzsicherung durch Arbeitseinkommen als Ausdruck der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG), die letztlich auch die sozialen Sicherungssysteme entlasten soll (BT-Drs. 18/1558 S. 28; BAG 25. Mai 2016 – 5 AZR 135/16 – Rn. 30, BAGE 155, 202). Der durch das MiLoG vermittelte Mindestschutz bei der Einkommenshöhe für Arbeitsverhältnisse ist zur Vermeidung einer objektiven Funktionswidrigkeit der rechtsgeschäftlichen Beziehung auch bei einer arbeitsvertragsgleichen Tätigkeit in Vereinsstrukturen zu wahren. 37 bb) Durch die (formell) mitgliedschaftlich begründete Arbeitsverpflichtung der Klägerin werden zwingende arbeitsrechtliche Schutzbestimmungen umgangen. Die für das Rechtsverhältnis geltenden Bestimmungen in Satzung, Smriti und Mitgliedsvertrag gewährleisten nicht den arbeitsrechtlich gebotenen Mindestschutz. Der Beklagte hat der Klägerin den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn vorenthalten, indem er ihr lediglich das satzungsmäßig vorgesehene Taschengeld zahlte. Die Sachleistungen in Gestalt von Kost und Logis bleiben insoweit unberücksichtigt. Dem Ziel des Mindestlohngesetzes entsprechend, jedem Arbeitnehmer ein existenzsicherndes Monatseinkommen zu gewährleisten, fordern §§ 1 und 2 MiLoG mit dem Begriff der „Zahlung“ und der Nennung eines Eurobetrags in „brutto“ eine Entgeltleistung in Form von Geld (BAG 24. Juni 2021 – 5 AZR 505/20 – Rn. 30 mwN, BAGE 175, 193). 38 cc) Es bedarf daher keiner abschließenden Entscheidung des Senats, ob daran festzuhalten ist, dass Dienstleistenden für ihre arbeitsvertragsgleiche Tätigkeit nicht von vornherein unmittelbar durch das Gesetz der vollständige arbeitsrechtliche Schutz eingeräumt wird, sondern lediglich ein durch die Vereinssatzung vermittelter arbeitsvertragsähnlicher Mindestschutz im Sinne eines Umgehungsschutzes genügt (krit. Mestwerdt NZA 2014, 281, 283; Schaub ArbR-HdB/Vogelsang 19. Aufl. § 8 Rn. 19). 39 c) Das Landesarbeitsgericht hat bei der Beurteilung des zwischen den Parteien begründeten Vertragstyps im Rahmen der Gesamtwürdigung aller Umstände iSv. § 611a Abs. 1 Satz 5 BGB zu Unrecht das Selbstbestimmungsrecht von Religionsgemeinschaften aus Art. 4 Abs. 1 und 2 iVm. Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 WRV in die Prüfung einbezogen. Diese grundgesetzlichen Freiheiten sind vorliegend keine Umstände, die im Rahmen der Gesamtabwägung der Annahme eines Arbeitsverhältnisses entgegenstehen und eine fremdbestimmte, weisungsabhängige Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit außerhalb eines Arbeitsverhältnisses legitimieren. Auch die entsprechend verfassungsrechtlich gewährleistete Weltanschauungsfreiheit berechtigt nicht zur Beschäftigung in der Seva ohne den zwingenden arbeitsrechtlichen Mindestschutz. Der Beklagte ist weder Religions- noch Weltanschauungsgemeinschaft. Er darf sich daher keine innere Ordnung schaffen, nach deren Maßgabe ausschließlich vom religiösen bzw. weltanschaulichen Bekenntnis geprägte Dienste nicht dem staatlichen Arbeitsrecht unterworfen sind. 40 aa) Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV garantiert den Religionsgemeinschaften die Freiheit, ihre Angelegenheiten innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes selbständig zu ordnen und zu verwalten. Dieses Recht umfasst alle Maßnahmen, die der Sicherung der religiösen Dimension des Wirkens im Sinne des Selbstverständnisses der Religionsgemeinschaft und der Wahrung der unmittelbaren Beziehung der Tätigkeit zum Bekenntnis dienen. Der Staat erkennt die Religionsgemeinschaften als Institutionen mit dem originären Recht der Selbstbestimmung an, die ihrem Wesen nach unabhängig vom Staat sind und ihre Gewalt nicht von ihm herleiten. Dies gilt auch dann, wenn sie sich zur Erfüllung ihres Auftrags und ihrer Sendung privatrechtlicher Formen bedienen und die Tätigkeiten und getroffenen Maßnahmen in den weltlichen Bereich hineinwirken. Die Religionsgemeinschaften können selbst frei und autonom darüber bestimmen, welche Dienste sie in welchen Rechtsformen ausüben wollen und sind nicht auf spezifische Gestaltungsformen beschränkt. Religiöse Orden können insofern eine mögliche Variante und Form durch die Religion geprägter Dienste darstellen (vgl. BVerfG 22. Oktober 2014 – 2 BvR 661/12 – Rn. 95 f., BVerfGE 137, 273). 41 bb) Die durch Art. 140 GG inkorporierten Artikel der Weimarer Reichsverfassung sind vollgültiges Verfassungsrecht und von gleicher Normqualität wie die sonstigen Verfassungsbestimmungen. Sie sind – mit Selbststand gegenüber der korporativen Religionsfreiheit des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG – untrennbarer Bestandteil des Religions- und Staatskirchenrechts des Grundgesetzes, welches das für eine freiheitliche Demokratie wesentliche Grundrecht der Religionsfreiheit ohne Gesetzesvorbehalt in den Katalog der Grundrechte übernommen und es so gegenüber der Weimarer Reichsverfassung erheblich gestärkt hat. Beide Gewährleistungen bilden ein organisches Ganzes, wobei Art. 4 Abs. 1 und 2 GG den leitenden Bezugspunkt des deutschen staatskirchenrechtlichen Systems darstellt. Zwischen der Glaubensfreiheit und den inkorporierten Normen der Weimarer Reichsverfassung besteht eine interpretatorische Wechselwirkung. Die Weimarer Kirchenartikel sind einerseits funktional auf die Inanspruchnahme und Verwirklichung des Grundrechts der Religionsfreiheit angelegt und andererseits wird der Gewährleistungsgehalt des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG durch Art. 140 GG in Verbindung mit den inkorporierten Artikeln der Weimarer Reichsverfassung institutionell konkretisiert und ergänzt (BVerfG 30. Juni 2015 – 2 BvR 1282/11 – Rn. 89 f., BVerfGE 139, 321). 42 cc) Diese verfassungsrechtlichen Gewährleistungen eröffnen die Möglichkeit, Mitglieder eines Ordens oder Singularinstituts der katholischen Kirche oder evangelische Diakonissen in kirchlichen Einrichtungen nicht als Arbeitnehmer zu beschäftigen, obwohl sie weisungsgebundene Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verrichten. Für Personen, die in ein besonderes Rechtsverhältnis zur Kirche treten, um in der Nachfolge Christi zu leben, kann die Kirche eine Lebensordnung schaffen, auf die staatliches Recht nicht zur Anwendung gelangt, weil der Dienst ausschließlich vom religiösen Bekenntnis geprägt wird (BAG 7. Februar 1990 – 5 AZR 84/89 – BAGE 64, 131; 14. Februar 1978 – 1 AZR 280/77 – zu II 6 der Gründe, BAGE 30, 122; Richardi KirchenArbR 8. Aufl. § 5 Rn. 6). Diese Grundsätze sind nicht auf christliche Religionsgemeinschaften beschränkt, sondern gelten ebenso für andere Religionen. Auch deren Mitglieder können vom staatlichen Mindestschutz des Arbeitsrechts ausgenommen sein, wenn ihr Dienst ausschließlich vom religiösen Bekenntnis geprägt ist. 43 dd) Weltanschauungsvereinigungen sind verfassungsrechtlich Religionsgesellschaften gleichgestellt (Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 7 WRV), ebenso wie die Freiheit des weltanschaulichen Bekenntnisses der Freiheit des religiösen Bekenntnisses gleichsteht (Art. 4 Abs. 1 GG). Verfassungsrechtlich gilt deshalb für die einen das gleiche wie für die anderen (BVerwG 23. März 1971 – I C 54.66 – BVerwGE 37, 344). 44 ee) Unter Religion oder Weltanschauung ist eine mit der Person des Menschen verbundene Gewissheit über bestimmte Aussagen zum Weltganzen sowie zur Herkunft und zum Ziel des menschlichen Lebens zu verstehen. Die Religion legt eine den Menschen überschreitende und umgreifende („transzendente“) Wirklichkeit zugrunde, während sich die Weltanschauung auf innerweltliche („immanente“) Bezüge beschränkt (BAG 22. März 1995 – 5 AZB 21/94 – zu B I 1 b der Gründe, BAGE 79, 319; BVerwG 27. März 1992 – 7 C 21/90 – zu 2 a aa der Gründe, BVerwGE 90, 112). Ein religiöser, von Art. 4 GG geschützter Glaube ist nicht bereits in jeder animistischen Naturvorstellung und jedem magischen Weltbezug zu sehen. Neben dem transzendenten Bezug ist auch ein Mindestmaß an Systembildung und Weltdeutung notwendig. Von einem religiösen Glauben kann erst gesprochen werden, wenn die Stellung des Menschen, seine existentielle Sinnsuche unter Verwendung transzendenter Perspektiven so thematisiert wird, dass eine Verhaltensdisposition sich darauf stützen kann (Dürig/Herzog/Scholz/Di Fabio GG Stand Januar 2023 Art. 4 GG Rn. 65). Entsprechendes gilt für weltanschauliche Überzeugungen. Ein Gedankensystem wird erst dadurch zur Weltanschauung, wenn es sich mit Fragen nach dem Sinnganzen der Welt und insbesondere des Lebens der Menschen in dieser Welt befasst und zu sinnentsprechenden Werturteilen hinführt. Überzeugungen zu einzelnen Teilaspekten des Lebens – zB zum Gedanken der Toleranz – mögen im Einzelfall zwar Ausdruck einer weltanschaulichen Gesamtkonzeption sein; ohne die Einbettung in einen entsprechenden Zusammenhang vermögen sie hingegen den Begriff Weltanschauung nicht auszufüllen (BVerwG 19. Februar 1992 – 6 C 5/91 – zu 2 a bb der Gründe, BVerwGE 89, 368). Dies gilt auch für die Vermittlung rein geistiger Techniken (Kahl, Waldhoff/Walter/Mückl BK Stand Dezember 2022 Art. 4 Rn. 125). Eine reine Lebensweise und die Durchführung spiritueller Praktiken sind danach ohne Einbettung in einen Gesamtkontext für sich gesehen weder Religion noch Weltanschauung. 45 ff) Religionsgesellschaften iSv. Art. 137 WRV, die mit dem im Grundgesetz ebenfalls verwendeten Begriff der Religionsgemeinschaft (Art. 7 Abs. 3 Satz 2 GG) identisch sind, sind Verbände mit dem Zweck, gemeinsam religiöse Überzeugung zu betätigen. Auf die soziale Relevanz, Organisationsform oder zahlenmäßige Stärke einer solchen Gruppierung kommt es nicht an. Erforderlich ist, dass die Vereinigung von einem gewissen religiösen Konsens getragen wird, der sich auf den Sinn menschlicher Existenz bezieht und wesentliche Prinzipien der Lebensgestaltung umfasst. Der Zusammenschluss muss auf eine umfassende Überzeugung des ihn prägenden religiösen Konsenses durch ein Bekenntnis nach außen abzielen und die umfassende Erfüllung aller religiös motivierten Aufgaben, die er stellt, anstreben (Dürig/Herzog/Scholz/Korioth GG Stand Januar 2023 Art. 140 GG Art. 137 WRV Rn. 14; von Camphausen/de Wall Religionsverfassungsrecht 5. Aufl. § 15 Rn. 4). Allein die Behauptung und das Selbstverständnis, eine Gemeinschaft bekenne sich zu einer Religion und sei eine Religionsgemeinschaft, sind nicht ausreichend. Vielmehr muss es sich nach dem geistigen und äußeren Erscheinungsbild auch tatsächlich um eine Religion und Religionsgemeinschaft handeln. Dies im Streitfall zu prüfen und zu entscheiden, obliegt – als Anwendung einer Regelung der staatlichen Rechtsordnung – den staatlichen Organen und damit letztlich den Gerichten (BVerfG 5. Februar 1991 – 2 BvR 263/86 – zu C I der Gründe, BVerfGE 83, 341). Diese Vorgaben geltend entsprechend für Weltanschauungsgemeinschaften. 46 gg) Gemessen an diesen Grundsätzen handelt es sich bei dem Beklagten weder um eine Religions- noch um eine Weltanschauungsgemeinschaft. 47 (1) Es wird bereits nicht hinreichend deutlich, dass die vom Beklagten angeführte spirituelle Gemeinschaft auf einem Mindestmaß an Systembildung und Weltdeutung beruht. 48 (a) Der Beklagte hat nichts zu den Grundlagen seiner Gewissheit über bestimmte Aussagen zum Weltganzen sowie zur Herkunft und zum Ziel des menschlichen Lebens vorgetragen. Er beschränkt sich auf formelhafte Beschreibungen, wie Yoga Vedanta sei eine der Hauptrichtungen des Hinduismus und Yoga der Oberbegriff für alle Methoden der geistigen Entwicklung. Bei Yoga handele es sich um die religiöse und spirituelle Praxis innerhalb der Hindukultur und den spirituellen Heilsweg. Eine bestimmte Überzeugung über den Sinn und die Bewältigung des menschlichen Lebens wird daraus ebenso wenig deutlich wie aus dem Hinweis, die Sevakas lebten in spirituellen Gemeinschaften in der indischen religiösen Ashram- und Klosterkultur zusammen. Es bleibt unklar, auf welchem existentiellen Verständnis der Welt und des Sinnes menschlichen Lebens die gewählte Lebensform beruht. Es stellt danach für sich gesehen weder eine Religion noch eine bestimmte Weltanschauung dar, dass Sevakas, die in einer spirituell geprägten, klosterähnlich organisierten Gemeinschaft nach bestimmten Verhaltensregeln zusammenleben, Yoga in der Tradition von Swami S und Swami V praktizieren und vermitteln. 49 (b) Auch die Satzung des Beklagten zeigt nicht das Vorliegen eines bestimmten Bekenntnisses religiöser oder weltanschaulicher Art auf. Sie spricht vielmehr dagegen. 50 (aa) Nach der Satzung ist das Wirken des Beklagten darauf ausgerichtet, einem breiten Publikum durch die „Weisheit, Übungen und Techniken des Yoga“ Mittel an die Hand zu geben, die „im Leben des modernen westlichen Menschen sehr wertvoll sein“ können. Wenn in der Präambel der Satzung darauf hingewiesen wird, die Wissenschaft des Yoga umfasse in ihrem gesamten Spektrum Techniken auf den Gebieten der Gesundheitsvorsorge, Heilung, Körper- und Energie-Arbeit, Psychologie, Selbstfindung, Selbstverwirklichung und der spirituellen und religiösen Entwicklung für ein Leben in Harmonie mit den kosmischen Gesetzen, hat der nicht näher bezeichnete religiöse Aspekt als einer von vielen nur untergeordnete Bedeutung. Entsprechendes gilt für die in der Satzung aufgeführte Definition von Yoga als „ein ganzheitliches, offenes Übungssystem, das mit Techniken, Weisheitslehren, Philosophiesystemen und Praktiken aus Indien und anderen östlichen und westlichen Kulturen verbunden werden kann und wird“. In diesem Zusammenhang verweist die Satzung „insbesondere, aber nicht nur,“ auf „Ayurveda, Vastu (indische Wohnraumlehre) und andere vedische Wissenschaften; tibetische Medizin, Thai Medizin, Shiatsu, Tai Chi, westliche Schulmedizin, Naturheilkunde und andere Medizinsysteme; Ernährungskunde, Massage, Wellness-Wissenschaften; westliche Psychotherapie und Psychologie einschl. Sterbebegleitung; westliche und östliche Philosophie; Tanz, bildende Kunst, Literatur, Theater und Musik aus verschiedenen Kulturen; spirituelle Praktiken aus Buddhismus, Hinduismus, Christentum, Taoismus und anderen Weltreligionen; Sport, fernöstliche Selbstverteidigungskünste; Ethnologie, Anthropologie, Geschichtswissenschaft und andere universitäre Wissenschaften.“ 51 (bb) Die Satzung enthält danach eine Aufzählung verschiedener Glaubens- und Überzeugungsrichtungen, die weder als Einzelpositionen näher erläutert noch als Gesamtheit in einen inneren Sinnzusammenhang gestellt werden. Ein systemisches Gesamtgefüge religiöser bzw. weltanschaulicher Elemente und deren innerer Zusammenhang mit der Yoga V Lehre lassen sich nicht hinreichend erkennen. Aufgrund des breiten Spektrums beziehungslos nebeneinandergestellter Glaubens- und Überzeugungsrichtungen, die sich ggf. sogar gegenseitig ausschließen, beruht das Lebensmodell der Sevaka Gemeinschaft nicht auf einem bestimmten Bekenntnis im Sinn eines existentiellen Verständnisses der Welt und des Sinns menschlichen Lebens. Für die Annahme einer Religion oder Weltanschauung genügt es nicht, wenn die Gemeinschaft ihr Leben und Wirken zwar an für sich betrachtet fundierten Grundwerten ausrichtet, diese sich aber auf nicht näher erläuterte Schlagwörter beschränken, zwischen denen kein Sinnzusammenhang hergestellt wird. 52 (2) Der Eigenschaft des Beklagten als Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft steht zudem entgegen, dass eine gemeinsame religiöse oder weltanschauliche Zielsetzung nicht das bestimmende Element seiner Tätigkeit ist. Der Beklagte ist kein Zusammenschluss von Personen mit gemeinsamer religiöser Anschauung oder gemeinsamer Weltanschauung im Sinne positiver Überzeugungen. Das Leben in Gemeinschaft dient nicht der Verwirklichung gemeinsamer religiöser oder weltanschaulicher Ziele seiner Mitglieder. Es liegt zwar die für geistliche (Kloster- und Ordens-) Gemeinschaften typbildende vollständige Verflechtung von Arbeitsleben und persönlicher Lebensgemeinschaft vor. Diese ist jedoch nicht darauf ausgerichtet, dass die Mitglieder des Beklagten auf der Grundlage eines gemeinsamen religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses eine unter ihnen bestehende Übereinstimmung über Sinn und Bewältigung des menschlichen Lebens bezeugen. Die Mitgliedschaft bei dem Beklagten ist vielmehr multikonfessionell ausgestaltet. Sie setzt insbesondere keine bestimmte Religionszugehörigkeit voraus, sondern ermöglicht Gläubigen aller Religionen, ihre religiösen Ansichten weiterzuführen. Es besteht kein gemeinsamer Bezugspunkt, von dem aus Yoga V und die daran angepasste Lebensweise als Mittel zur Erreichung eines gemeinsamen existentiellen und spirituellen Ziels zu praktizieren ist. Jedes Mitglied kann – unabhängig von und parallel zu den Überzeugungen der anderen Mitglieder – seine Lebensweise anhand einer frei festgelegten Kombination aus den in der Präambel der Satzung aufgeführten Glaubensrichtungen und Überzeugungen ausrichten. Der Ashram und die dort praktizierten Rituale sind danach nicht Ausdruck eines gemeinsamen Bekenntnisses, sondern der äußere Rahmen für die Ausübung und Verbreitung von Yoga. 53 (3) Da es bei dem Beklagten bereits an einem engen Konnex zu einem durch Glauben oder Weltanschauung definierten Selbstverständnis fehlt, kommt es nicht darauf an, ob – wie die Klägerin annimmt – dem Beklagten der besondere Schutz aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG und Art. 140 GG in Verbindung mit den inkorporierten Artikeln der Weimarer Reichsverfassung abzusprechen ist, weil er wie andere Wirtschaftssubjekte am marktwirtschaftlichen Geschehen teilnimmt und bei ihm der durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG geschützte religiöse oder weltanschauliche Auftrag in der Gesamtschau der Tätigkeiten gegenüber anderen – vorwiegend gewinnorientierten – Erwägungen erkennbar in den Hintergrund tritt (vgl. dazu BVerfG 22. Oktober 2014 – 2 BvR 661/12 – Rn. 94, BVerfGE 137, 273). 54 d) Für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses mit dem Beklagten ist es unerheblich, ob die Klägerin die Tätigkeiten für die Yoga V GmbH als Erfüllungsgehilfin des Beklagten aufgrund eines mit diesem bestehenden Dienstvertrags oder in einem gemeinsamen Betrieb verrichtete. In beiden Fällen bliebe – anders als bei einer unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung gemäß § 9 Abs. 1 iVm. § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG – das mit dem Beklagten begründete Arbeitsverhältnis in seinem Bestand unberührt (vgl. zu Erfüllungsgehilfen BAG 27. September 2022 – 9 AZR 468/21 – Rn. 32; vgl. zum Gemeinschaftsbetrieb BAG 24. Mai 2022 – 9 AZR 337/21 – Rn. 45). 55 III. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig. Die in Höhe des Mindestlohns geltend gemachten Entgeltansprüche der Klägerin sind nicht – ganz oder teilweise – wegen Nichteinhaltung der im Mitgliedsvertrag enthaltenen Ausschlussfristenregelung verfallen. Die Ausschlussfristenregelung ist jedenfalls insoweit unwirksam, als sie die Geltendmachung des Anspruchs auf den gesetzlichen Mindestlohn (§ 3 Satz 1 MiLoG) sowie Ansprüche auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 3 Abs. 1 EFZG (BAG 20. Juni 2018 – 5 AZR 377/17 – Rn. 19 ff., BAGE 163, 99) und an gesetzlichen Feiertagen nach § 2 Abs. 1 EFZG (BAG 30. Januar 2019 – 5 AZR 43/18 – Rn. 37 ff., BAGE 165, 205) jeweils in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns beschränkt. Entsprechendes gilt für einen Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns (BAG 13. Juli 2022 – 5 AZR 498/21 – Rn. 16). Ansprüche auf Urlaubsentgelt muss der Arbeitnehmer aufgrund der in Bewilligung von bezahltem Erholungsurlaub enthaltenen „Zahlungszusage“ nicht im Sinne einer Verfallklausel geltend machen (BAG 30. Januar 2019 – 5 AZR 43/18 – Rn. 45, aaO). 56 IV. Der Senat ist an einer eigenen Sachentscheidung gehindert (§ 563 Abs. 3 ZPO). Auf der Grundlage der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts lässt sich nicht abschließend über die Höhe des Mindestlohnanspruchs der Klägerin entscheiden. Der Sachverhalt ist nicht vollständig aufgeklärt. Das Landesarbeitsgericht hat – auf der Grundlage seiner Argumentationslinie konsequent – nicht die Anzahl der vergütungspflichtigen Stunden festgestellt. Der Senat kann deshalb nicht beurteilen, in wie vielen Stunden die Klägerin tatsächlich ihre Arbeitsleistung erbracht hat bzw. in welchem Umfang Ausfallzeiten (zB Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaub) zu vergüten sind. Dies führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 ZPO). 57 1. Im fortgesetzten Berufungsverfahren wird sich das Landesarbeitsgericht – gegebenenfalls nach weiterem Sachvortrag der Parteien und Erhebung der schon bislang angebotenen Beweise – unter umfassender Würdigung des beiderseitigen Tatsachenvortrags die tatrichterliche Überzeugung bilden müssen, in welchem zeitlichen Umfang die Klägerin vergütungspflichtige Arbeit für den Beklagten geleistet hat bzw. inwieweit einer der Tatbestände vorgelegen hat, der eine Vergütungspflicht ohne Arbeit regelt (zB § 1 BUrlG, §§ 615, 616 Satz 1 BGB, § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 EFZG). 58 2. Der Arbeitnehmer trägt für die Behauptung, er habe die geschuldete Arbeit verrichtet, die Darlegungs- und Beweislast. Seiner Darlegungslast genügt er, indem er vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat. Mit dem Vortrag, zu bestimmten Zeiten gearbeitet zu haben, behauptet der Arbeitnehmer regelmäßig zugleich, während der genannten Zeiten die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbracht zu haben. Das ist für die erste Stufe der Darlegung ausreichend. Sodann ist es Sache des Arbeitgebers, im Rahmen einer abgestuften Darlegungslast substantiiert zu erwidern und im Einzelnen vorzutragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und an welchen Tagen der Arbeitnehmer von wann bis wann diesen Weisungen – nicht – nachgekommen ist. Trägt er nichts vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gelten die vom Arbeitnehmer vorgetragenen Arbeitsstunden gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden (st. Rspr., vgl. zB BAG 4. Mai 2022 – 5 AZR 474/21 – Rn. 24 mwN; 26. Juni 2019 – 5 AZR 452/18 – Rn. 39 mwN, BAGE 167, 158). 59 3. Unter der Voraussetzung des § 287 Abs. 2 ZPO wird das Landesarbeitsgericht eine Schätzung der Arbeitszeit in Betracht ziehen können, wenn aufgrund unstreitigen Sachvortrags oder nach § 286 Abs. 1 ZPO für wahr erachteten Sachvortrags der Klägerin feststeht, dass diese idR die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit erfüllt hat, aber nicht jede einzelne Arbeitsstunde belegen kann (vgl. BAG 24. Juni 2021 – 5 AZR 505/20 – Rn. 51 mwN, BAGE 175, 193).              Kiel                  Suckow                  Zimmermann                                    Mertz                   Lücke" bag_24-23,24.05.2023,"24.05.2023 24/23 - Profifußballer - pandemiebedingter Saisonabbruch - keine Verlängerung des befristeten Arbeitsvertrags aufgrund einer einsatzabhängigen Verlängerungsklausel In Arbeitsverträgen mit Profifußballern sind Vertragsklauseln geläufig, nach denen sich der für eine Spielzeit befristete Arbeitsvertrag um eine weitere Spielzeit verlängert, wenn der Vertragsspieler auf eine bestimmte (Mindest-)Anzahl von Spieleinsätzen kommt. Eine solche einsatzabhängige Verlängerungsklausel ist nicht dahin ergänzend auszulegen oder anzupassen, dass im Hinblick auf das pandemiebedingte vorzeitige Ende der Spielzeit 2019/2020 in der Fußball-Regionalliga Südwest der Vertrag sich bei weniger als den festgelegten Einsätzen verlängert. Der Kläger schloss im August 2019 einen für die Zeit vom 1. September 2019 bis 30. Juni 2020 befristeten Arbeitsvertrag als Profifußballer und Vertragsspieler mit der Beklagten für deren in der Regionalliga Südwest spielende 1. Mannschaft. Nach einer Regelung im Vertrag verlängert sich dieser um eine weitere Spielzeit, wenn der Kläger auf mindestens 15 Einsätze (von mindestens 45 Minuten) in Meisterschaftsspielen kommt. Bis zum 15. Februar 2020 absolvierte der Kläger zwölf Einsätze. Danach wurde er aufgrund einer aus sportlichen Gründen getroffenen Entscheidung des neu berufenen Trainerteams nicht mehr eingesetzt. Ab Mitte März 2020 fand pandemiebedingt kein Spielbetrieb mehr statt. Am 26. Mai 2020 wurde die ursprünglich mit 34 Spieltagen geplante Saison vorzeitig beendet. Mit seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, sein Vertrag habe sich um eine Spielzeit – also bis zum 30. Juni 2021 – verlängert. Die vereinbarte Bedingung hierfür sei angesichts des ungeplanten Saisonabbruchs bereits aufgrund seiner zwölf Spieleinsätze eingetreten. Hätten die Parteien das pandemiebedingte vorzeitige Ende der Spielzeit vorhergesehen, hätten sie eine an die tatsächliche Zahl von Spieltagen angepasste – also verringerte – Mindesteinsatzzahl oder auch nur eine Mindesteinsatzquote vereinbart. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte vor dem Siebten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Die Parteien haben die Vertragsverlängerung an eine – vom Kläger nicht erreichte – absolute Mindesteinsatzzahl gebunden. Diese ist im Hinblick auf den unvorhersehbaren pandemiebedingten Saisonabbruch weder im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) zu korrigieren noch hat der Kläger einen Anspruch auf entsprechende Anpassung der Verlängerungsvereinbarung aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 1 BGB). Für die Entscheidung des Senats kam es nicht darauf an, ob die einsatzgebundene Verlängerungsklausel wirksam ist. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. Mai 2023 – 7 AZR 169/22 – Vorinstanz: Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 14. März 2022 – 18 Sa 141/21 –","Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 14. März 2022 – 18 Sa 141/21 – wird zurückgewiesen. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen. Tatbestand 1 Die Parteien streiten vor dem Hintergrund einer sog. einsatzgebundenen Verlängerungsklausel im Profifußball darüber, ob sich ihr befristetes Arbeitsverhältnis um eine weitere Spielzeit verlängert hatte. 2 Der 1986 geborene Kläger schloss am 30. August 2019 mit der Beklagten – für deren in der Regionalliga Südwest spielende 1. Mannschaft – einen für die Zeit vom 1. September 2019 bis 30. Juni 2020 befristeten Arbeitsvertrag als Profifußballer und Vertragsspieler. Nach dessen § 1 sind ua. die Ordnungen des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) maßgebend „für die gesamte fußballsportliche Betätigung“ und ist im Übrigen festgelegt, dass der Spieler ua. die Spielordnung des DFB in ihrer jeweils gültigen Fassung verbindlich anerkennt und sich deren Bestimmungen unterwirft. In § 4 des Arbeitsvertrags war ua. ein monatliches Grundgehalt von 6.500,00 Euro (bei Zugehörigkeit der Mannschaft zur Regionalliga) vereinbart. § 10 Abs. 3 des Arbeitsvertrags lautet:          „Vertragsverlängerung          Sollte der Spieler auf mindestens 15 Einsätze in Meisterschaftsspielen bei der 1. Mannschaft kommen, verlängert sich dieser Vertrag um eine weitere Spielzeit. Im Falle eines Abstiegs aus der Regionalliga Südwest ist eine etwaige Verlängerung auch bei Überschreiten von 15 Einsätzen in Meisterschaftsspielen nichtig. Ein Einsatz wird gezählt, wenn der Spieler mindestens 45 Minuten gespielt hatte.          Im Falle einer Verlängerung aufgrund des Einsatzes in mehr als 15 Meisterschaftsspielen gelten folgende Anpassungen des § 4:          Spielklasse Regionalliga Südwest: Das monatliche Grundgehalt beträgt € 7.500,00.          …“     3 Der Kläger spielte vom 7. September 2019 (8. Spieltag) bis 15. Februar 2020 (20. Spieltag) in zwölf Meisterschaftsspielen für 45 Minuten oder länger, bevor ein zum 1. Dezember 2019 neu berufenes Trainerteam entschied, ihn aus sportlichen Erwägungen nicht mehr einzusetzen. Dementsprechend wurde er bei den nächsten beiden Spielen am 22. Februar 2020 und 9. März 2020 nicht mehr berücksichtigt. Ab dem 14. März 2020 (24. Spieltag) fand aufgrund der COVID-19-Pandemie kein Spielbetrieb mehr statt. Am 6. Mai 2020 teilte der Geschäftsführer dem Kläger mit, dass man in der kommenden Saison nicht mehr mit ihm plane. Am 26. Mai 2020 wurde die ursprünglich mit 34 Spieltagen geplante Spielzeit 2019/2020 der Regionalliga Südwest vorzeitig für beendet erklärt. 4 Der Kläger hat mit seiner am 21. Juli 2020 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage, soweit für die Revision noch von Interesse, den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf des 30. Juni 2021 – dem Ende der Spielzeit 2020/2021 – geltend gemacht. Hierzu hat er im Wesentlichen die Auffassung vertreten, die Klausel von § 10 Abs. 3 des Arbeitsvertrags sei dahingehend – ggf. auch ergänzend – auszulegen oder anzupassen, dass die Parteien die Vertragsverlängerung an eine spieltagbezogene prozentuale Quote von Einsätzen gebunden haben oder jedenfalls hätten, wenn der pandemiebedingte Saisonabbruch vorhersehbar gewesen wäre. Die danach notwendigen mindestens zehn Spieleinsätze habe er absolviert und entsprechend habe der Vertrag eine weitere Spielzeit bestanden. Auf die nach zwölf Einsätzen getroffene Entscheidung des Trainerteams, ihn nicht mehr einzusetzen, komme es nicht an. 5 Der Kläger hat zuletzt – soweit für die Revision von Interesse – beantragt          festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien über den 30. Juni 2020 bis zum Ablauf des 30. Juni 2021 hinaus fortbesteht. 6 Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, die Bedingung für die vom Kläger erstrebte Vertragsverlängerung sei nicht eingetreten und von ihr auch nicht vereitelt worden. Auch könne weder im Wege einer ergänzenden Auslegung noch einer Anpassung des Arbeitsvertrags angenommen werden, dass der Kläger die Voraussetzung für eine Vertragsverlängerung erfüllt habe. 7 Die Vorinstanzen haben das Feststellungsbegehren abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger dieses weiter. Entscheidungsgründe 8 Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das sein Feststellungsbegehren abweisende arbeitsgerichtliche Urteil zu Recht zurückgewiesen. 9 I. Die Revision ist zulässig. Insbesondere genügt ihre Begründung – entgegen der Auffassung der Beklagten – den Anforderungen von § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO. Sie setzt sich mit dem vom Landesarbeitsgericht im Zusammenhang mit der Prüfung der ergänzenden Vertragsauslegung aufgegriffenen hypothetischen Parteiwillen auseinander und bringt dabei eine aus Sicht des Klägers fehlerhafte Rechtsanwendung zum Ausdruck. Mit den Ausführungen zu einer – aus seiner Sicht gebotenen – Vertragsanpassung stellt er zudem die wesentliche Argumentation für die Abweisung seines Feststellungsantrags in Frage. Damit sind Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs hinreichend erkennbar. 10 II. Die Revision hat keinen Erfolg. 11 1. Das ist allerdings nicht schon deshalb der Fall, weil die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts – wie die Beklagte gemeint hat – unzulässig war. 12 a) Die Zulässigkeit der Berufung ist Prozessvoraussetzung für das gesamte weitere Verfahren nach der Berufungseinlegung und deshalb eine in der Revision von Amts wegen zu prüfende Prozessfortsetzungsbedingung. Fehlt sie, ist die Berufung vom Revisionsgericht als unzulässig zu verwerfen. Das gilt auch dann, wenn das Berufungsgericht das Rechtsmittel für zulässig gehalten hat (vgl. BAG 23. November 2022 – 7 AZR 122/22 – Rn. 13). 13 b) Die Berufung war zulässig. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass der Kläger zunächst weder mit der Einlegung seiner Berufung gegen das sein Feststellungsbegehren abweisende arbeitsgerichtliche Urteil noch mit deren Begründung ausdrücklich einen Berufungsantrag angekündigt – und einen solchen erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht formuliert – hat. Zwar muss die Berufungsbegründung nach § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO die Erklärung enthalten, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge). Das Fehlen eines förmlichen Berufungsantrags kann aber unschädlich sein, sofern sich Umfang und Ziel des Rechtsmittels durch Auslegung der innerhalb der Begründungsfrist eingereichten Schriftsätze des Berufungsklägers ihrem gesamten Inhalt nach eindeutig bestimmen lassen (vgl. BAG 18. Februar 2016 – 8 AZR 426/14 – Rn. 22 mwN). Das ist bereits dann der Fall, wenn die Berufungsbegründung den Schluss auf die Weiterverfolgung des erstinstanzlichen Begehrens zulässt (BGH 20. August 2019 – VIII ZB 29/19 – Rn. 14 mwN). So verhält es sich hier. Der Berufungsbegründung des Klägers war eindeutig zu entnehmen, dass er die Abweisung des Feststellungsantrags durch das Arbeitsgericht angreift und nicht etwa ein anderes, der Beschwer ggf. entgegenstehendes Rechtsschutzziel verfolgt. 14 2. Die Revision ist hingegen unbegründet, weil das Landesarbeitsgericht die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen hat. 15 a) Allerdings hat das Landesarbeitsgericht den vom Kläger angebrachten Streitgegenstand unzutreffend als Befristungskontrollklage iSv. § 17 TzBfG angesehen. Der Kläger hat vielmehr eine allgemeine Feststellungsklage iSd. § 256 Abs. 1 ZPO erhoben. Dieses Begehren ist zulässig. 16 aa) Das Revisionsgericht hat prozessuale Erklärungen selbständig auszulegen. Maßgebend sind die für Willenserklärungen des bürgerlichen Rechts entwickelten Grundsätze. Entsprechend § 133 BGB ist nicht am buchstäblichen Sinn des in der Prozesserklärung gewählten Ausdrucks zu haften, vielmehr ist der in der Erklärung verkörperte Wille zu ermitteln. Im Zweifel sind Prozesserklärungen dahin auszulegen, dass das gewollt ist, was aus Sicht der Prozesspartei nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht. Dabei sind die schutzwürdigen Belange des Prozessgegners zu berücksichtigen (vgl. etwa BAG 18. Januar 2017 – 7 AZR 236/15 – Rn. 21; 4. November 2015 – 7 AZR 851/13 – Rn. 14 mwN). 17 bb) Wie die gebotene Auslegung des Klagebegehrens ergibt, erstrebt der Kläger die gerichtliche Feststellung, dass zwischen ihm und der Beklagten in der Zeit vom 1. Juli 2020 bis zum 30. Juni 2021 ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Der Kläger hat sich zur Begründung seiner Klage auf die Verlängerungsklausel nach § 10 Abs. 3 des Arbeitsvertrags – und deren (ergänzende) Auslegung oder Anpassung vor dem Hintergrund der pandemiebedingten Sachlage – berufen. Dagegen hat er die Wirksamkeit der mit § 10 Abs. 2 des Arbeitsvertrags vereinbarten Befristung zum 30. Juni 2020 nicht (mehr) in Abrede gestellt. Weder hat er geltend gemacht, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund dieser Befristungsabrede nicht beendet worden ist, noch hat er sich diesbezüglich auf Unwirksamkeitsgründe – die innerhalb der verlängerten Anrufungsfrist des § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 6 KSchG anzubringen gewesen wären – berufen. Für dieses Antragsverständnis spricht zudem, dass er zunächst mit einem – in der Revision nicht mehr anhängigen – hilfsweisen Antrag (auch) seine Weiterbeschäftigung begehrt hat, allerdings zu den Bedingungen, die bei einer Verlängerung des Arbeitsvertrags nach dessen § 10 Abs. 3 bis zum 30. Juni 2021 greifen sollten (monatliche Vergütung iHv. 7.500,00 Euro brutto). Bei einer erfolgreichen Befristungskontrollklage würde demgegenüber ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu – ansonsten – unveränderten Arbeitsbedingungen bestehen. Das entsprach offensichtlich von vornherein nicht dem Rechtsschutzziel des Klägers, wenngleich er seine beim Arbeitsgericht eingereichte Klage als „Entfristungsklage“ bezeichnet hat. 18 cc) Das so verstandene Begehren ist als allgemeine Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Dem steht nicht entgegen, dass es inzwischen auf die Feststellung eines in der Vergangenheit liegenden Rechtsverhältnisses gerichtet ist. Da sich hieraus Rechtsfolgen ergeben können und die Beklagte das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses in dieser Zeit bestreitet, hat der Kläger ein berechtigtes Interesse an der entsprechenden gerichtlichen Feststellung. Er war nicht gehalten, im Laufe des Rechtsstreits von der zulässig erhobenen Feststellungsklage auf eine Leistungsklage überzugehen. 19 b) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass sich der befristete Arbeitsvertrag der Parteien nicht um eine weitere Spielzeit verlängert hat und die Klage deshalb unbegründet ist. Rechtsfehlerfrei ist es davon ausgegangen, dass die für die erstrebte Vertragsverlängerung nach § 10 Abs. 3 des Arbeitsvertrags festgelegte Bedingung nicht erfüllt ist. Auch seine weitere Annahme, die pandemiebedingten Besonderheiten rechtfertigten insoweit weder eine ergänzende Vertragsauslegung noch eine Vertragsanpassung, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. 20 aa) Allerdings hat Landesarbeitsgericht nicht bewertet, ob es sich bei § 10 Abs. 3 des Arbeitsvertrags um eine Allgemeine Geschäftsbedingung iSv. § 305 Abs. 1 BGB, eine Einmalklausel iSd. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB oder um eine individuelle Vertragsabrede und damit eine nichttypische Willenserklärung handelt. Jedenfalls das äußere Erscheinungsbild der formularmäßigen Gestaltung des Arbeitsvertrags (vgl. zu diesem Kriterium zB BAG 20. März 2019 – 7 AZR 98/17 – Rn. 21 mwN) lässt auf Allgemeine Geschäftsbedingungen schließen. Letztlich kann diese Frage offenbleiben. Wenngleich der Kläger ursprünglich (auch) argumentiert hat, § 10 Abs. 3 des Arbeitsvertrags benachteilige ihn unangemessen, wendet er sich – jedenfalls zuletzt – nicht gegen die Abrede oder Klausel an sich, sondern stützt sein Klagebegehren hierauf. Insoweit kann zu seinen Gunsten davon ausgegangen werden, dass § 10 Abs. 3 des Arbeitsvertrags an sich keinen Wirksamkeitsbedenken unterliegt und auch vor dem Hintergrund einer ggf. veranlassten AGB-rechtlichen Einbeziehungs- und Inhaltskontrolle rechtlich bindend ist (vgl. – zu einer allerdings lediglich einsatzabhängig vereinbarten Option der Vertragsverlängerung im Profifußball – BAG 16. Januar 2018 – 7 AZR 312/16 – Rn. 42 mwN, BAGE 161, 283). Dennoch trägt die Bestimmung das vom Kläger erstrebte Rechtsschutzziel nicht. Die entsprechende rechtliche Beurteilung durch das Landesarbeitsgericht hält der revisionsrechtlichen Überprüfung ungeachtet dessen stand, ob § 10 Abs. 3 des Arbeitsvertrags als Individualabrede oder als formularmäßige Vertragsklausel zu qualifizieren ist (vgl. zur unterschiedlichen Reichweite der revisionsrechtlichen Kontrolle zB BAG 19. November 2019 – 3 AZR 332/18 – Rn. 18 f.). 21 bb) Das gilt zunächst für das inhaltliche Verständnis von § 10 Abs. 3 des Arbeitsvertrags. 22 (1) Mit dieser Vertragsbestimmung haben die Parteien ausdrücklich die Verlängerung ihres befristeten Arbeitsverhältnisses an eine absolute Mindestanzahl von Spieleinsätzen des Klägers gebunden. Die hierin liegende Bedingung für die Vertragsverlängerung ist nicht eingetreten. Der Kläger hat in der Spielzeit 2019/2020 der Regionalliga Südwest keine mindestens 15 Einsätze in Meisterschaftsspielen der 1. Mannschaft der Beklagten absolviert. Die Beklagte muss sich auch nicht nach § 162 Abs. 1 BGB so behandeln lassen, als hätte der Kläger die notwendige Zahl an Einsätzen erreicht. Weder hat sie dies treuwidrig verhindert noch durch Nichteinsätze eine Vertragspflicht verletzt. Zum einen war der Abbruch der Spielzeit 2019/2020 in der Regionalliga Südwest durch die Corona-Pandemie ausgelöst. Zum anderen war die Entscheidung des (neu berufenen) Trainerteams, den Kläger nach dem 15. Februar 2020 nicht mehr einzusetzen, zuvor getroffen und mit sportlichen Erwägungen begründet worden. An diese Feststellungen ist der Senat gebunden; eine aus sportlichen Gründen getroffene Entscheidung über den weiteren Nichteinsatz eines Vertragsfußballspielers ist rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. auch BAG 16. Januar 2018 – 7 AZR 312/16 – Rn. 35 und Rn. 44, BAGE 161, 283). 23 (2) § 10 Abs. 3 des Arbeitsvertrags ist nicht dahingehend zu verstehen, dass sich die Bedingung für eine Vertragsverlängerung vor dem Hintergrund des pandemiebedingten vorzeitigen Spielzeitabbruchs bereits aufgrund der zwölf Spieleinsätze des Klägers verwirklicht hat. Die Vertragsverlängerung setzt nach dem ausdrücklichen Wortlaut von § 10 Abs. 3 des Arbeitsvertrags mindestens 15 Einsätze des Spielers voraus, in denen dieser mindestens 45 Minuten gespielt hat. Anhaltspunkte für ein wortlautabweichendes Verständnis dahingehend, die Parteien hätten die Verlängerung an eine spielzeitdauerabhängige Mindesteinsatzquote geknüpft, sind nicht ersichtlich. Insbesondere lässt die von der Revision in diesem Zusammenhang betonte Intention, in der (Mindest-)Einsatzzahl drücke sich die Wertigkeit eines Spielers im Mannschaftsgefüge aus (vgl. dazu auch Fischinger/Golücke in Fischinger/Orth COVID-19 und Sport Teil 2 Rn. 53), keinen Schluss darauf zu, die Parteien hätten (lediglich) eine in Relation zur Dauer der Spielzeit stehende Einsatzzeit als Bedingung für eine Vertragsverlängerung verabredet. Zum einen wäre auch diese Wertigkeit bei einer zwar relativ hohen, absolut aber niedrigen Einsatzzeit eines Spielers nicht unter allen Umständen indiziert und verlöre an Aussagekraft, je weniger Spieltage eine Saison tatsächlich umfasste. Zum anderen hat das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler angenommen, dass die Parteien mit der Mindesteinsatzzahl zumindest auch auf einen Indikator für die Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit des Spielers abgehoben haben, der sich in einer absoluten Zahl von mindestens zu erreichenden Einsätzen ausdrückt. Soweit der Kläger erstmals mit seiner Revision vorbringt, die Parteien hätten bei der festgelegten Mindesteinsatzzahl offenkundig berücksichtigt, dass er dem Mannschaftskader erst nach Beginn der Spielzeit beigetreten sei – was bewirkt habe, dass statt der üblicherweise vereinbarten mindestens 19 Spieleinsätze nur 15 vereinbart worden seien – handelt es sich um neuen Tatsachenvortrag in der Revisionsinstanz, der nach § 72 Abs. 5 ArbGG, § 559 ZPO nicht zu berücksichtigen ist. 24 cc) Eine ergänzende Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) dahingehend, dass bei einer vorzeitigen Beendigung der Spielzeit eine (im Verhältnis zur tatsächlichen Spielzeitdauer zu bestimmende) prozentuale Quote an Spieleinsätzen für den Eintritt der Bedingung genügt, kommt nicht in Betracht (aA Fischinger/Golücke in Fischinger/Orth COVID-19 und Sport Teil 2 Rn. 53 ff.; Fischinger SpuRt 2020, 112). Auch in diesem Zusammenhang ist nicht streitentscheidend, ob die Bestimmungen im Arbeitsvertrag der Parteien als Allgemeine Geschäftsbedingungen oder Individualvereinbarungen zu qualifizieren sind. 25 (1) Sollte es sich um eine Individualvereinbarung handeln, ist deren ergänzende Auslegung revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob das Berufungsgericht Auslegungs- und Ergänzungsregeln oder Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt oder wesentliche Umstände unbeachtet gelassen hat (vgl. zB BAG 17. Juni 2020 – 7 AZR 398/18 – Rn. 16). Sollte es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen handeln, sind diese grundsätzlich auch in Fällen, in denen eine Lücke in vorformulierten Verträgen nicht auf AGB-rechtlichen Einbeziehungs- oder Inhaltskontrollschranken beruht (vgl. dazu zB BGH 15. Februar 2019 – V ZR 77/18 – Rn. 17 ff.), einer ergänzenden Auslegung zugänglich (vgl. BGH 22. Dezember 2003 – VIII ZR 90/02 – Rn. 15; MüKoBGB/Fornasier 9. Aufl. § 306 Rn. 32 und § 305c Rn. 66; BeckOGK/Bonin Stand 1. März 2023 BGB § 306 Rn. 58). Diese unterliegt der uneingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht; sie kann auch grundsätzlich durch das Revisionsgericht selbst vorgenommen werden (vgl. – auch zu den Maßgaben der ergänzenden Vertragsauslegung – BAG 13. Juli 2021 – 3 AZR 298/20 – Rn. 74, BAGE 176, 1). 26 (2) Ausgehend hiervon hat das Landesarbeitsgericht zwar unzutreffend angenommen, dass der ergänzenden Auslegung der einsatzgebundenen Verlängerungsvereinbarung § 14 Abs. 4 TzBfG entgegensteht, wonach die Befristung eines Arbeitsvertrags zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedarf. Mit diesem Argument hat es verkannt, dass die Parteien nicht über die Wirksamkeit der ersten oder zweiten Befristung streiten; vor allem aber genügte die nach § 10 Abs. 3 des Arbeitsvertrags umschriebene Befristung („… verlängert sich dieser Vertrag um eine weitere Spielzeit …“) dem Schriftformgebot des § 14 Abs. 4 TzBfG, denn das festgelegte Ende des verlängerten Arbeitsvertrags stünde vor dem Hintergrund der die Parteien bindenden und die Spielzeit bzw. das Spieljahr datumsmäßig festlegenden DFB-Spielordnung (§ 7 Nr. 1 der Spielordnung) fest. Hingegen hält die weitere Annahme des Landesarbeitsgerichts, die ergänzende Vertragsauslegung in dem vom Kläger vorgebrachten Sinn scheitere jedenfalls an der Wertung der arbeitsvertraglich festgelegten einsatzgebundenen Vertragsverlängerung, im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. 27 (a) Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung ist das Bestehen einer Regelungslücke. Sie ist gegeben, wenn ein Vertrag eine planwidrige Unvollständigkeit aufweist. Das ist dann der Fall, wenn die Parteien einen Punkt übersehen oder ihn bewusst offengelassen haben, weil sie ihn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses für nicht regelungsbedürftig gehalten haben, und sich diese Annahme nachträglich als unzutreffend herausstellt. Dabei kann von einer planwidrigen Regelungslücke nur gesprochen werden, wenn der Vertrag eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihm zugrunde liegenden Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen, mithin ohne Vervollständigung des Vertrags eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen ist (BGH 27. April 2023 – VII ZR 144/22 – Rn. 24 mwN). Ist eine vertragliche Regelung planwidrig unvollständig, tritt an die Stelle der lückenhaften Vertragsbestimmung diejenige Gestaltung, die die Parteien bei einer angemessenen Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn diesen die Lückenhaftigkeit des Vertrags bekannt gewesen wäre. Hierfür ist zunächst an den Vertrag selbst anzuknüpfen, denn die in ihm enthaltenen Regelungen und Wertungen und ihr Sinn und Zweck sind Ausgangspunkt der Vertragsergänzung. Soweit irgend möglich sind danach die Lücken im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung in der Weise auszufüllen, dass die Grundzüge des konkreten Vertrags „zu Ende gedacht“ werden. Bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen orientiert sich die ergänzende Vertragsauslegung an einem objektiv generalisierenden, am Willen und Interesse der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise ausgerichteten Maßstab (vgl. zu all dem BAG 13. Juli 2021 – 3 AZR 298/20 – Rn. 74, BAGE 176, 1). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Feststellung und Bewertung des mutmaßlichen Parteiwillens und der Interessenlage ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses, denn die ergänzende Vertragsauslegung schließt eine anfängliche Regelungslücke rückwirkend (BAG 22. Oktober 2020 – 6 AZR 566/18 – Rn. 39, BAGE 172, 377; 24. September 2019 – 9 AZR 273/18 – Rn. 29, BAGE 168, 54; vgl. BGH 22. Dezember 2003 – VIII ZR 90/02 – zu II 2 a der Gründe). 28 (b) Nach diesen Maßgaben scheidet eine ergänzende Vertragsauslegung aus. 29 (aa) Hierfür streiten allerdings nicht – wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat – die am 1. April 2020 in Kraft und am 30. September 2022 außer Kraft getretenen „Corona-Bestimmungen“ des Art. 240 EGBGB. Die dort geregelten Moratorien zu vertragsrechtlichen Regelungen aus Anlass der COVID-19-Pandemie betrafen nicht die im vorliegenden Streitfall relevanten pandemischen Auswirkungen und nahmen in Art. 240 § 1 Abs. 4 Nr. 2 EGBGB arbeitsrechtliche Ansprüche explizit aus (vgl. auch BT-Drs. 19/18110 S. 35). Ungeachtet dessen sind auch im Anwendungsbereich der befristet geltenden Sonderbestimmungen selbst die Regelungen des allgemeinen schuldrechtlichen Leistungsstörungsrechts, insbesondere des § 313 Abs. 1 BGB, nicht ausgeschlossen (vgl. zu Art. 240 § 2 EGBGB BGH 12. Januar 2022 – XII ZR 8/21 – Rn. 18 ff., BGHZ 232, 178). Ebenso sind die Moratorien im vorliegenden Fall für eine ergänzende Vertragsauslegung nicht ausschlaggebend. 30 (bb) Der Kläger beruft sich auf eine Regelungslücke aufgrund des pandemiebedingten Abbruchs der Spielzeit 2019/2020. Es kann dahinstehen, ob dieser Umstand die Annahme einer planwidrigen Vertragslücke überhaupt zu begründen vermag. Dies ist allerdings zweifelhaft, denn ohne die vom Kläger geltend gemachte Ergänzung der Vertragsregelung stünde die Nichtverlängerung des Arbeitsvertrags nicht in einem offenbaren Widerspruch zu dem nach dessen Inhalt tatsächlich Vereinbarten. Die Parteien haben gerade nicht von vornherein eine Vertragslaufzeit über zwei Spielzeiten vereinbart, sondern sich auf eine Bedingung für den Bestand des auf eine Spielzeit befristeten Arbeitsverhältnisses über eine weitere Spielzeit verständigt. 31 (cc) Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass nur die von der Revision vertretene Ergänzung der einsatzgebundenen Verlängerungsbestimmung den Interessen der Parteien ausreichend Rechnung trägt. 32 (aaa) Die unter der Bedingung einer bestimmten Mindestzahl von Spieleinsätzen verabredete Vertragsverlängerung ist auch bei einer verkürzten Spielsaison sinnvoll, denn sie dient schon im Hinblick auf ihre Bindung an eine regelmäßige Spielzeitdauer – ursprünglich 34 Spieltage – nicht ausschließlich der „Verortung“ und der Bestimmung der Wertigkeit des Spielers im Mannschaftsgefüge, sondern zumindest auch der Bestimmung seiner konstanten Einsetzbarkeit. Sowohl für die Beurteilung der Wertigkeit eines Spielers innerhalb des Mannschaftsgefüges als auch für die Beurteilung seiner Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit bedurfte es einer gewissen Anzahl von Spieleinsätzen. Es ist zudem nicht zu erkennen, dass die Parteien davon ausgingen, der Kläger solle in jedem Fall tatsächlich die Möglichkeit haben, die verabredete Anzahl von mindestens 15 Spieleinsätzen zu erreichen. Es bestanden insoweit von vornherein Risiken, die seinen Einsatz ausschließen konnten, insbesondere Krankheiten oder Verletzungen, aber auch Spielersperren für den Kläger durch den Verband. Die Reduzierung der für eine Vertragsverlängerung erforderlichen Anzahl an Spieleinsätzen bei einer verkürzten Saison kann demnach gerade nicht als Ausdruck eines typischen Parteiwillens betrachtet werden. Ebenso wenig ist jedenfalls einem Profifußballspieler angesichts der sich ihm bietenden Vorteile eines auslaufenden Arbeitsvertrags – etwa die Möglichkeit zu einem ablösefreien Wechsel zu einem attraktiveren Verein zu besseren Konditionen (zB Gehaltserhöhungen, Handgeldzahlungen) – ein spezifisches oder generelles Interesse an einer frühzeitigen Erfüllung der Bedingung für eine automatische Vertragsverlängerung zu unterstellen. 33 (bbb) Im Übrigen hätte es nicht zwingend zur Folge, dass sich das Arbeitsverhältnis bereits bei einer verringerten Anzahl an Einsätzen verlängern würde, wenn die Vorstellungen der Parteien im Sinne der Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung zu Ende gedacht würden. Neben der Beibehaltung der vereinbarten Regelung oder der Verringerung der Anzahl von Pflichtspieleinsätzen wäre auch die Änderung anderer Konditionen denkbar, wie etwa die erforderliche Spieldauer pro Einsatz. Daher kann nicht unterstellt werden, dass bei einer Verkürzung der Spielzeit die entsprechende Reduzierung der erforderlichen Spieleinsätze eine zwingende Folge des Vertragsverständnisses der Parteien wäre. 34 dd) Der Kläger hat schließlich keinen Anspruch auf die begehrte Anpassung der Verlängerungsklausel aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB. 35 (1) Nach § 313 BGB kann die Anpassung eines Vertrags verlangt werden, wenn sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Geschäftsgrundlage sind die bei Vertragsschluss bestehenden gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien oder die dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen einer Vertragspartei vom Vorhandensein oder künftigen Eintritt bestimmter Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf diesen Vorstellungen aufbaut. Voraussetzung für eine Vertragsanpassung ist, dass die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie die Änderung vorausgesehen hätten, und einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann (BAG 5. Juni 2014 – 2 AZR 615/13 – Rn. 23, BAGE 148, 227). Allein der Wegfall bzw. die Störung der Geschäftsgrundlage berechtigt also noch nicht zu einer Vertragsanpassung (vgl. BGH 11. Januar 2023 – XII ZR 101/21 – Rn. 25). Vielmehr muss gemäß § 313 Abs. 1 BGB als weitere Voraussetzung hinzukommen, dass dem Vertragsteil, der die Anpassung verlangt, unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Durch diese Formulierung kommt zum Ausdruck, dass nicht jede einschneidende Veränderung der bei Vertragsschluss bestehenden Verhältnisse eine Vertragsanpassung rechtfertigt. Hierfür ist vielmehr erforderlich, dass ein Festhalten an der vereinbarten Regelung zu einem nicht mehr tragbaren Ergebnis führt. Ob dies der Fall ist, kann nur nach einer umfassenden Interessenabwägung unter Würdigung aller Umstände festgestellt werden (BGH 26. April 2017 – IV ZR 126/16 – Rn. 22). 36 (2) Für eine Berücksichtigung der Regelungen über die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) ist grundsätzlich insoweit kein Raum, als es um Erwartungen und um Umstände geht, die nach den vertraglichen Vereinbarungen in den Risikobereich einer der Parteien fallen sollen. Eine solche vertragliche Risikoverteilung bzw. Risikoübernahme schließt für die Vertragspartei regelmäßig die Möglichkeit aus, sich bei Verwirklichung des Risikos auf eine Störung der Geschäftsgrundlage zu berufen (BGH 12. Januar 2022 – XII ZR 8/21 – Rn. 49, BGHZ 232, 178). Die Anpassung darf in die Vereinbarung der Parteien nicht mehr eingreifen, als es durch die veränderten Umstände geboten ist. Sie darf nicht zu einer Überkompensation führen (vgl. BAG 18. Februar 2003 – 9 AZR 136/02 – Rn. 35 f., BAGE 105, 100). 37 (3) Ausgehend von diesen Grundsätzen kann – zugunsten des Klägers – mit dem Berufungsgericht davon ausgegangen werden, dass es über das gewöhnliche, vom Spieler zu tragende Einsatzrisiko hinausgeht, wenn dessen enttäuschte Einsatzerwartung auf Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie beruht, welche vorliegend den vorzeitigen Abbruch der Spielzeit 2019/2020 in der Regionalliga Südwest bedingt haben. Es kann zudem unterstellt werden, dass Grundlage für die Regelung in § 10 Abs. 3 des Arbeitsvertrags die Erwartung der Parteien einer Spielzeit von 34 Spieltagen – von denen der Kläger 27 Spieltage hätte bestreiten können – war. Diese Geschäftsgrundlage hat sich durch die COVID-19-Pandemie und die damit verbundenen weitreichenden Beschränkungen des gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und eben auch des sportlichen Lebens schwerwiegend geändert, denn nach dem 13. März 2020 war der Spielbetrieb zunächst ausgesetzt und dann eingestellt worden. Entgegen der ursprünglichen Annahme der Parteien entfiel damit über ein Drittel der Spielzeit. Hingegen muss neben den hier zumindest unterstellten realen und hypothetischen Elementen auch das normative Element erfüllt sein. Denn die Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB berechtigt für sich genommen noch nicht zu einer Vertragsanpassung. Vielmehr verlangt die Vorschrift als weitere Voraussetzung, dass dem betroffenen Vertragspartner unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Das kann vorliegend nicht festgestellt werden. Das Festhalten an der einsatzgebundenen Verlängerungsbestimmung ist dem Kläger im Hinblick auf die ihr zugrunde liegende Risikoverteilung gerade nicht unzumutbar. Nach deren Ausgestaltung fallen von vornherein unerwartete Umstände in den Risikobereich des Klägers, denn die Verlängerungsbestimmung hebt allein auf eine bestimmte Anzahl von Spieleinsätzen ab. Das zeigt, dass die der verabredeten Vertragsverlängerung immanente Gefahr des Nichterreichens der Mindesteinsatzanzahl auch aufgrund unvorhersehbarer Umstände – was sich etwa auch bei einer Verletzung des Klägers hätte realisieren können – vom Spieler zu tragen ist. Zudem hatte sich nicht lediglich ein Risiko des von den Parteien nicht vorhergesehenen Spielzeitabbruchs verwirklicht. Noch vor dem Zeitpunkt des faktischen Saisonabbruchs – zunächst als Unterbrechung und schließlich als vorzeitige Beendigung – hatte das (neu berufene) Trainerteam aus sportlichen Erwägungen entschieden, den Kläger nach dem 15. Februar 2020 nicht mehr einzusetzen. Die vom Kläger geltend gemachte Vertragsanpassung würde damit nicht allein die veränderten Umstände ausgleichen, sondern letztlich eine Überkompensation bewirken. 38 III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.              Schmidt                  Waskow                  Hamacher                                    Schiller                  Meißner" bag_25-23,31.05.2023,"31.05.2023 25/23 - Leiharbeit - gleiches Arbeitsentgelt - Abweichung durch Tarifvertrag Von dem Grundsatz, dass Leiharbeitnehmer für die Dauer einer Überlassung Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt wie vergleichbare Stammarbeitnehmer des Entleihers haben („equal pay“), kann nach § 8 Abs. 2 AÜG* ein Tarifvertrag „nach unten“ abweichen mit der Folge, dass der Verleiher dem Leiharbeitnehmer nur die niedrigere tarifliche Vergütung zahlen muss. Ein entsprechendes Tarifwerk hat der Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ) mit der Gewerkschaft ver.di geschlossen. Dieses genügt den unionsrechtlichen Anforderungen des Art. 5 Abs. 3 Richtlinie 2008/104/EG** (Leiharbeits-RL). Die Klägerin war aufgrund eines nach § 14 Abs. 2 TzBfG befristeten Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten, die gewerblich Arbeitnehmerüberlassung betreibt, als Leiharbeitnehmerin in Teilzeit beschäftigt. Sie war im Streitzeitraum Januar bis April 2017 hauptsächlich einem Unternehmen des Einzelhandels als Kommissioniererin überlassen und verdiente zuletzt 9,23 Euro brutto/Stunde. Sie hat behauptet, vergleichbare Stammarbeitnehmer erhielten einen Stundenlohn von 13,64 Euro brutto und mit ihrer Klage unter Berufung auf den Gleichstellungsgrundsatz des § 8 Abs. 1 AÜG bzw. § 10 Abs. 4 Satz 1 AÜG aF für den Zeitraum Januar bis April 2017 Differenzvergütung iHv. 1.296,72 Euro brutto verlangt. Sie hat gemeint, das auf ihr Leiharbeitsverhältnis kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit Anwendung findende Tarifwerk von iGZ und ver.di sei mit Art. 5 Abs. 3 Leiharbeits-RL und der dort verlangten Achtung des Gesamtschutzes der Leiharbeitnehmer nicht vereinbar. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, das Tarifwerk von iGZ und ver.di verstoße nicht gegen Unionsrecht, außerdem hat sie die Höhe der von der Klägerin behaupteten Vergütung vergleichbarer Stammarbeitnehmer des Entleihers mit Nichtwissen bestritten. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin blieb vor dem Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts erfolglos. Um unionsrechtliche Fragen zu klären, hatte der Senat zunächst mit Beschluss vom 16. Dezember 2020 (- 5 AZR 143/19 (A) – BAGE 173, 251) das Revisionsverfahren ausgesetzt und den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV um Vorabentscheidung von Rechtsfragen im Zusammenhang mit der von Art. 5 Abs. 3 Leiharbeits-RL verlangten, aber nicht näher definierten „Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern“ ersucht. Diese hat der EuGH mit Urteil vom 15. Dezember 2022 (- C-311/21 – [TimePartner Personalmanagement]) beantwortet. Nach Fortsetzung der Revisionsverhandlung hat der Senat heute die Revision der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt, also auf ein Arbeitsentgelt, wie es vergleichbare Stammarbeitnehmer des Entleihers erhalten. Aufgrund des wegen der beiderseitigen Tarifgebundenheit auf das Leiharbeitsverhältnis Anwendung findenden Tarifwerks von iGZ und ver.di war die Beklagte nach § 8 Abs. 2 Satz 2 AÜG und § 10 Abs. 4 Satz 1 AÜG aF nur verpflichtet, die tarifliche Vergütung zu zahlen. Dieses Tarifwerk genügt, jedenfalls im Zusammenspiel mit den gesetzlichen Schutzvorschriften für Leiharbeitnehmer, den Anforderungen des Art. 5 Abs. 3 Leiharbeits-RL. Trifft der Sachvortrag der Klägerin zur Vergütung vergleichbarer Stammarbeitnehmer zu, hat die Klägerin zwar einen Nachteil erlitten, weil sie eine geringere Vergütung erhalten hat, als sie erhalten hätte, wenn sie unmittelbar für den gleichen Arbeitsplatz von dem entleihenden Unternehmen eingestellt worden wäre. Eine solche Schlechterstellung lässt aber Art. 5 Abs. 3 Leiharbeits-RL ausdrücklich zu, sofern dies unter „Achtung des Gesamtschutzes der Leiharbeitnehmer“ erfolgt. Dazu müssen nach der Vorgabe des EuGH Ausgleichsvorteile eine Neutralisierung der Ungleichbehandlung ermöglichen. Ein möglicher Ausgleichsvorteil kann nach der Rechtsprechung des EuGH sowohl bei unbefristeten als auch befristeten Leiharbeitsverhältnissen die Fortzahlung des Entgelts auch in verleihfreien Zeiten sein. Anders als in einigen anderen europäischen Ländern sind verleihfreie Zeiten nach deutschem Recht auch bei befristeten Leiharbeitsverhältnissen stets möglich, etwa wenn – wie im Streitfall – der Leiharbeitnehmer nicht ausschließlich für einen bestimmten Einsatz eingestellt wird oder der Entleiher sich vertraglich ein Mitspracherecht bei der Auswahl der Leiharbeitnehmer vorbehält. Das Tarifwerk von iGZ und ver.di gewährleistet die Fortzahlung der Vergütung in verleihfreien Zeiten. Außerdem hat der deutsche Gesetzgeber mit § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG*** für den Bereich der Leiharbeit zwingend sichergestellt, dass Verleiher das Wirtschafts- und Betriebsrisiko für verleihfreie Zeiten uneingeschränkt tragen, weil der Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung nach § 615 Satz 1 BGB, der an sich abdingbar ist, im Leiharbeitsverhältnis nicht abbedungen werden kann. Auch hat der Gesetzgeber dafür gesorgt, dass die tarifliche Vergütung von Leiharbeitnehmern staatlich festgesetzte Lohnuntergrenzen und den gesetzlichen Mindestlohn nicht unterschreiten darf. Zudem ist seit dem 1. April 2017 die Abweichung vom Grundsatz des gleichen Arbeitsentgelts nach § 8 Abs. 4 Satz 1 AÜG zeitlich grundsätzlich auf die ersten neun Monate des Leiharbeitsverhältnisses begrenzt. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 31. Mai 2023 – 5 AZR 143/19 – Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Nürnberg, Urteil vom 7. März 2019 – 5 Sa 230/18 – *§ 8 Abs. 1 und Abs. 2 AÜG lautet: „(1) Der Verleiher ist verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an den Entleiher die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren (Gleichstellungsgrundsatz). … (2) Ein Tarifvertrag kann vom Gleichstellungsgrundsatz abweichen, soweit er nicht die in einer Rechtsverordnung nach § 3a Absatz 2 festgesetzten Mindeststundenentgelte unterschreitet. Soweit ein solcher Tarifvertrag vom Gleichstellungsgrundsatz abweicht, hat der Verleiher dem Leiharbeitnehmer die nach diesem Tarifvertrag geschuldeten Arbeitsbedingungen zu gewähren. …“ **Art. 5 Abs. 3 Richtlinie 2008/104/EG lautet: „Die Mitgliedstaaten können nach Anhörung der Sozialpartner diesen die Möglichkeit einräumen, auf der geeigneten Ebene und nach Maßgabe der von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen Tarifverträge aufrechtzuerhalten oder zu schließen, die unter Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern Regelungen in Bezug auf die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Leiharbeitnehmern, welche von den in Absatz 1 aufgeführten Regelungen abweichen können, enthalten können.“ ***§ 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG lautet: „Das Recht des Leiharbeitnehmers auf Vergütung bei Annahmeverzug des Verleihers (§ 615 Satz 1 BGB) kann nicht durch Vertrag aufgehoben oder beschränkt werden; § 615 Satz 2 BGB bleibt unberührt.“","Tenor 1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 7. März 2019 – 5 Sa 230/18 – wird zurückgewiesen. 2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen. Leitsatz Das vom Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ e.V.) mit der Gewerkschaft ver.di geschlossene Tarifwerk zur Leiharbeit, das vom Grundsatz des gleichen Arbeitsentgelts (§ 8 Abs. 1 Satz 1 AÜG bzw. § 10 Abs. 4 Satz 1 AÜG aF) „nach unten“ abweicht, genügt den unionsrechtlichen Anforderungen des Art. 5 Abs. 3 Richtlinie 2008/104/EG. Tatbestand 1 Die Parteien streiten über eine weitere Vergütung unter dem Gesichtspunkt der Gleichstellung der Leiharbeitnehmer in Bezug auf das Arbeitsentgelt („equal pay“) für die Monate Januar bis April 2017. 2 Die Klägerin war aufgrund eines nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG für die Zeit vom 4. April 2016 bis zum 4. April 2017 befristeten Arbeitsvertrags bei der Beklagten, die gewerblich Arbeitnehmerüberlassung betreibt, als Leiharbeitnehmerin in Teilzeit mit einer Arbeitszeit von zuletzt 56,33 Monatsstunden beschäftigt. Sie erhielt im Januar und Februar 2017 einen Stundenlohn von 9,00 Euro brutto, in den Folgemonaten von 9,23 Euro brutto. Ihre Tätigkeit war im Arbeitsvertrag als „Hilfsarbeiter/in“ umschrieben. 3 Die Klägerin ist Mitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), die Beklagte gehört dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ e.V., iF nur iGZ) an. Dieser hat mit mehreren Gewerkschaften des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) – darunter ver.di – Mantel-, Entgeltrahmen- und Entgelttarifverträge geschlossen, die eine Abweichung von dem in § 8 Abs. 1 Satz 1 AÜG und § 10 Abs. 4 Satz 1 AÜG aF verankerten Grundsatz der Gleichstellung vorsehen, insbesondere eine Vergütung, die geringer sein kann als diejenige, die vergleichbare Stammarbeitnehmer im Entleiherbetrieb erhalten. 4 In ihrem Arbeitsvertrag haben die Parteien auszugsweise Folgendes vereinbart:          „§ 1    Bezugnahme auf Tarifvertrag          (1)      Die Rechte und Pflichten der Parteien dieses Arbeitsvertrags bestimmen sich nach den Tarifverträgen in ihrer jeweils gültigen Fassung, welche der Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V. (iGZ) mit einer oder mehreren der Gewerkschaften IG BCE, NGG, IG Metall, GEW, ver.di, IG Bau, GdP, EVG geschlossen hat oder zukünftig schließen wird. Da insoweit mehrere Tarifverträge existieren oder zukünftig existieren können, gilt zur Ermittlung der jeweils anwendbaren Tarifverträge Folgendes:                   ▪        Bis zum Beginn des ersten Einsatzes finden die Tarifverträge Anwendung, an denen die Gewerkschaft ver.di als Vertragspartei beteiligt ist.                   ▪        Ab Beginn eines jeweiligen Einsatzes finden ausschließlich diejenigen Tarifverträge Anwendung, an denen die Gewerkschaft als Vertragspartei beteiligt ist, aus deren Satzung sich die Zuständigkeit für den Einsatzbetrieb ergibt. Sind satzungsgemäß mehrere Gewerkschaften zuständig, ist von diesen ausschließlich diejenige maßgeblich, die in obiger Aufzählung vor der/den andere/n genannt ist. Ist satzungsgemäß keine der oben genannten Gewerkschaften für den Einsatzbetrieb zuständig, finden die Tarifverträge Anwendung, an denen die Gewerkschaft ver.di als Vertragspartei beteiligt ist.                   ▪        Die ermittelten Tarifverträge finden jeweils durchgängig bis zu dem Zeitpunkt Anwendung, ab dem ein neuer Einsatz beginnt.          (2)      TimePartner wird den Mitarbeiter schriftlich informieren, welche Tarifverträge gemäß Abs. 1 Anwendung finden. Die in Abs. 1 genannten Tarifverträge sind zur Einsichtnahme durch den Mitarbeiter in den Geschäftsräumen von TimePartner ausgelegt.          …                          § 18    Ausschlussfristen          Tarifvertragliche Ausschlussfristen finden keine Anwendung. Stattdessen gilt folgendes:          (1)      Verfall der Ansprüche des Mitarbeiters          a)     Die Ansprüche des Mitarbeiters aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten gegenüber TimePartner schriftlich zumindest dem Grunde nach geltend gemacht werden. Die Ausschlussfrist beginnt, sobald der Anspruch fällig ist und der Mitarbeiter von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit Kenntnis erlangen müsste.          b)     Lehnt TimePartner den Anspruch schriftlich ab, so verfällt der Anspruch, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach Zugang der schriftlichen Ablehnung zumindest dem Grunde nach gerichtlich geltend gemacht wird.          c)     Die Regelungen unter a) und b) gelten nicht für solche Ansprüche, die sich aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit sowie aus vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzungen von TimePartner bzw. eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen von TimePartner ergeben, nicht für Ansprüche aus unerlaubten Handlungen sowie nicht für Ansprüche aus einem nach §§ 4 bis 6 AEntG für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag oder aus einer Rechtsverordnung nach §§ 7, 7a, 11 AEntG oder aus § 2 MiLoG. Die Regelung unter b) gilt ferner nicht für Ansprüche, die von dem Ausgang einer Kündigungsschutzklage abhängen.          (2)      Verfall der Ansprüche von TimePartner                   …                 (4)      Rechtsfolge                   Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Fristen geltend gemacht werden, sind ausgeschlossen.“ 5 Die Klägerin war im Streitzeitraum bis auf den 27. Januar 2017 der H&M & Co. KG (iF nur H&M) als Kommissioniererin überlassen, am 27. Januar 2017 arbeitete sie bei der REWE oHG. 6 Nachdem die Klägerin mit Schreiben vom 7. Juli 2017 von der Beklagten weitere Vergütung für den Zeitraum Januar bis April 2017 erfolglos gefordert hatte, hat sie mit ihrer am 13. Oktober 2017 anhängig gemachten Klage Differenzvergütung iHv. insgesamt 1.296,72 Euro brutto verlangt und behauptet, vergleichbare Stammarbeitnehmer der Entleiherin H&M seien nach dem Lohntarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer im Einzelhandel in Bayern vergütet worden und hätten im Streitzeitraum einen – vom tariflichen Monatslohn heruntergerechneten – Stundenlohn von 13,64 Euro brutto erhalten. Sie hat im Wesentlichen gemeint, die Tariföffnung im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz sowie die auf ihr Arbeitsverhältnis Anwendung findenden Tarifverträge seien mit Art. 5 Abs. 3 Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit (iF RL 2008/104) nicht vereinbar, weil sie den Gesamtschutz von Leiharbeitnehmern nicht ausreichend achteten. 7 Die Klägerin hat sinngemäß beantragt,          die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.296,72 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach bestimmter zeitlicher und betragsmäßiger Staffelung zu zahlen. 8 Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, aufgrund der beiderseitigen Tarifgebundenheit und der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf das Tarifwerk von iGZ und DGB-Tarifgemeinschaft schulde sie nur die für Leiharbeitnehmer vorgesehene tarifliche Vergütung. Dieses Tarifwerk genüge – jedenfalls zusammen mit den gesetzlichen Vorgaben zur Leiharbeit – den Anforderungen des Art. 5 Abs. 3 RL 2008/104 insbesondere dadurch, dass alle Leiharbeitnehmer unabhängig davon, ob sie in einem unbefristeten oder befristeten Arbeitsverhältnis zum Verleiher stünden, auch in der Zeit zwischen den Überlassungen die tarifliche Vergütung erhielten. Die von der Klägerin behauptete Entlohnung vergleichbarer Stammarbeitnehmer bei der Entleiherin H&M hat die Beklagte mit Nichtwissen bestritten. Überdies seien Ansprüche auf Differenzvergütung für Januar und Februar 2017 jedenfalls wegen nicht rechtzeitiger Geltendmachung nach der Ausschlussfristenregelung des § 18 Arbeitsvertrag verfallen. 9 Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt. 10 Der Senat hat nach mündlicher Verhandlung mit Beschluss vom 16. Dezember 2020 (- 5 AZR 143/19 (A) – BAGE 173, 251) das Revisionsverfahren ausgesetzt und den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV um Vorabentscheidung mehrerer Rechtsfragen zu Art. 5 Abs. 3 RL 2008/104 und der dort verlangten, aber nicht näher definierten „Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern“ ersucht (vgl. in diesem Zusammenhang zu unionsrechtlichen Unklarheiten auch BAG 14. Oktober 2020 – 7 AZR 286/18 – Rn. 91 ff.). Diese hat der Gerichtshof mit Urteil vom 15. Dezember 2022 (- C-311/21 – [TimePartner Personalmangement]) beantwortet. Entscheidungsgründe 11 Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Die zulässige Klage ist unbegründet. 12 I. Die Klage ist schon unschlüssig, soweit die Klägerin Differenzvergütung für den 27. Januar 2017 begehrt. Die Klägerin setzt auch für diesen Tag den von ihr behaupteten Stundenlohn vergleichbarer Stammarbeitnehmer bei H&M an, obwohl sie an diesem Tag einem REWE Markt überlassen war. Sachvortrag zur Vergütung vergleichbarer Stammarbeitnehmer dort hat sie nicht gehalten. 13 II. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine weitere Vergütung unter dem Gesichtspunkt der Gleichstellung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 AÜG bzw. – für das erste Quartal 2017 – nach § 10 Abs. 4 Satz 1 AÜG aF. Denn die Beklagte war nach § 8 Abs. 2 Satz 2 AÜG bzw. § 10 Abs. 4 Satz 2 AÜG aF nur zur Zahlung des tariflichen Arbeitsentgelts verpflichtet. Dieses hat die Klägerin unstreitig erhalten. 14 1. Unabhängig von der Bezugnahme in § 1 Arbeitsvertrag (zu den Anforderungen an eine zur Abweichung vom Gleichstellungsgrundsatz berechtigende Inbezugnahme tariflicher Regelungen sh. BAG 16. Oktober 2019 – 4 AZR 66/18 – Rn. 16 ff., BAGE 168, 96) gelten im Arbeitsverhältnis der Parteien kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit die von iGZ und ver.di für die Leiharbeitsbranche geschlossenen Tarifverträge mit unmittelbarer und zwingender Wirkung, § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG. Diese vom Gleichstellungsgrundsatz abweichenden Tarifverträge sind nach nationalem Tarifrecht wirksam und unterschritten auch nicht die in einer Rechtsverordnung nach § 3a Abs. 2 AÜG festgesetzten Mindeststundenentgelte oder den im Streitzeitraum geltenden gesetzlichen Mindestlohn, § 1 Abs. 3 Satz 1 MiLoG. Das hat der Senat in seinem Vorabentscheidungsersuchen bereits im Einzelnen begründet (BAG 16. Dezember 2020 – 5 AZR 143/19 (A) – Rn. 18 ff., BAGE 173, 251; sh. dazu auch Schüren/Hamann/Schüren AÜG 6. Aufl. § 8 Rn. 124 ff.; Thüsing AÜG/Kock/Greiner 4. Aufl. § 8 Rn. 51; Ulber/D. Ulber AÜG 6. Aufl. § 8 Rn. 239 ff., jeweils mwN) und nimmt darauf Bezug. 15 2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (grundlegend BAG 13. März 2013 – 5 AZR 146/12 – Rn. 21; ganz hM, vgl. nur Schüren/Hamann/Schüren AÜG 6. Aufl. § 8 Rn. 82; Thüsing AÜG/Greiner 4. Aufl. § 8 Rn. 38; Ulber/D. Ulber AÜG 6. Aufl. § 8 Rn. 164; ErfK/Roloff 23. Aufl. AÜG § 8 Rn. 9; HWK/Höpfner 10. Aufl. § 8 AÜG Rn. 17) ist die Klägerin nach allgemeinen Grundsätzen zur Höhe des Anspruchs auf gleiches Arbeitsentgelt darlegungs- und beweispflichtig (BAG 16. Dezember 2020 – 5 AZR 143/19 (A) – Rn. 26 mwN, BAGE 173, 251). Trifft ihre – von der Beklagten mit Nichtwissen bestrittene – Behauptung zur Vergütung vergleichbarer Stammarbeitnehmer bei der Entleiherin H&M zu, weicht das im Arbeitsverhältnis der Parteien geltende Tarifwerk von iGZ und ver.di im Hinblick auf die streitgegenständliche wesentliche Arbeits- und Beschäftigungsbedingung Arbeitsentgelt – Art. 3 Abs. 1 Buchst. f lit. ii RL 2008/104 – vom Grundsatz der Gleichstellung ab. 16 a) Der nationale Gesetzgeber ist bei der Zulassung von Abweichungen vom Gleichstellungsgrundsatz durch Tarifvertrag davon ausgegangen, dass nach deutschem Arbeitsrecht Tarifverträgen grundsätzlich eine Richtigkeitsgewähr zukommt (BT-Drs. 17/4804 S. 9; BAG 16. Oktober 2019 – 4 AZR 66/18 – Rn. 23, BAGE 168, 96). Zudem steht den Tarifvertragsparteien als selbständigen Grundrechtsträgern bei ihrer Normsetzung aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. nur BAG 22. Februar 2023 – 10 AZR 332/20 – Rn. 20 f. mwN). Sie haben außerdem eine Einschätzungsprärogative, soweit die tatsächlichen Gegebenheiten, die betroffenen Interessen und die Regelungsfolgen zu beurteilen sind. Darüber hinaus verfügen sie über einen Beurteilungsspielraum hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung der Regelung (st. Rspr., vgl. zB BAG 3. Juli 2019 – 10 AZR 300/18 – Rn. 19; 19. Dezember 2019 – 6 AZR 563/18 – Rn. 26, BAGE 169, 163, jeweils mwN; sh. auch BAG 16. Dezember 2020 – 5 AZR 143/19 (A) – Rn. 37, BAGE 173, 251). Durch die hohen Anforderungen, die die Rechtsprechung an die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung stellt, ist jedenfalls seit dem CGZP-Beschluss des Bundesarbeitsgerichts (BAG 14. Dezember 2010 – 1 ABR 19/10 – BAGE 136, 302) außerdem ein Missbrauch der Abweichung vom Gleichstellungsgrundsatz durch Tarifvertrag mit Hilfe arbeitgebernaher „Arbeitnehmervereinigungen“ praktisch ausgeschlossen. Die Verleiher sind vielmehr für Abweichungen vom Gleichstellungsgrundsatz auf DGB-Gewerkschaften wie ver.di geradezu angewiesen (zutr. Schüren/Hamann/Schüren AÜG 6. Aufl. § 8 Rn. 138; insofern ist es überholt, wenn J. Ulber in ZESAR 2023, 244, 255 weiterhin von „ausschließlich dem Lohndumping dienenden Dumping-TV in der Verleihbranche“ spricht). 17 b) Gleichwohl ist der Senat nach der Vorgabe des Gerichtshofs gehalten, bei einer Abweichung vom Grundsatz der Gleichstellung bzw. – in unionsrechtlicher Terminologie – der Gleichbehandlung durch Tarifvertrag uneingeschränkt zu überprüfen, ob das auf das Leiharbeitsverhältnis Anwendung findende Tarifwerk den Gesamtschutz der Leiharbeitnehmer angemessen achtet, und verpflichtet, die Vereinbarkeit der tariflichen Abweichung vom Gleichstellungs- bzw. Gleichbehandlungsgrundsatz mit den sich aus Art. 5 Abs. 3 RL 2008/104 ergebenden Anforderungen sicherzustellen. Zwar verfügen die Sozialpartner bei der Aushandlung und dem Abschluss von Tarifverträgen auch nach Unionsrecht (Art. 28 GRC) über einen weiten Beurteilungsspielraum und will die RL 2008/104 nach ihrem Erwägungsgrund 19 die Autonomie der Sozialpartner nicht beeinträchtigen. Doch muss – so der Gerichtshof – das Recht auf Kollektivverhandlungen im Rahmen der Anwendung des Unionsrechts im Einklang mit diesem ausgeübt werden (EuGH 15. Dezember 2022 – C-311/21 – [TimePartner Personalmanagement] Rn. 71 ff.; zust. Däubler NZA 2023, 73, 76; Donath AuR 2023, 170; J. Ulber ZESAR 2023, 244, 254; dagegen krit. zum Überprüfungsmaßstab Sagan EWiR 2023, 185, 186; Franzen NZA 2023, 25, 27; Bissels/Singraven DB 2023, 327, 332; BeckOK ArbR/Motz Stand 1. März 2023 AÜG § 8 Rn. 58.2 und 58a.5; Glajcar DB 2023, 1162; vgl. auch EuArbRK/Kolbe 4. Aufl. RL 2008/104/EG Art. 5 Rn. 20 f.; Preis/Sagan/Sansone EuArbR 2. Aufl. § 12 Rn. 12.77). 18 3. Das auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findende, von iGZ und ver.di geschlossene Tarifwerk für die Leiharbeitsbranche genügt – jedenfalls hinsichtlich der streitgegenständlichen wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingung Arbeitsentgelt (Art. 3 Abs. 1 Buchst. f RL 2008/104) – den Anforderungen des Art. 5 Abs. 3 RL 2008/104. Ein von der Vergütung vergleichbarer Stammarbeitnehmer unabhängiges, im Regelfall niedrigeres tarifliches Arbeitsentgelt achtet im Zusammenspiel mit den gesetzlichen Vorgaben zum Schutz der Leiharbeitnehmer den in der Richtlinie nicht definierten Gesamtschutz von Leiharbeitnehmern. 19 a) Den Sachvortrag der Klägerin zu ihren Gunsten als wahr unterstellt, hat sie bei der vom Gerichtshof vorgegebenen konkreten „Prüfung in drei Schritten“ (EuGH 15. Dezember 2022 – C-311/21 – [TimePartner Personalmanagement] Rn. 49) im Hinblick auf ihr Arbeitsentgelt einen Nachteil erlitten, weil sie mit der tariflichen Vergütung eine geringere Vergütung erhalten hat, als sie bekommen hätte, wenn sie von der Entleiherin H&M unmittelbar für den gleichen Arbeitsplatz eingestellt worden wäre. Eine solche Schlechterstellung lässt aber Art. 5 Abs. 3 RL 2008/104 ausdrücklich zu, sofern dies unter „Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern“ erfolgt. 20 b) Um den Gesamtschutz von Leiharbeitnehmern iSd. Art. 5 Abs. 3 RL 2008/104 zu achten, sollen nach der Vorgabe des Gerichtshofs Ausgleichsvorteile eine Neutralisierung der Ungleichbehandlung ermöglichen bzw. – so eine andere Formulierung des Gerichtshofs – es ermöglichen, die Auswirkungen der Ungleichbehandlung auszugleichen (EuGH 15. Dezember 2022 – C-311/21 – [TimePartner Personalmanagement] Rn. 39, 49, 50). Die Sozialpartner dürfen sich danach nicht darauf beschränken, eine oder mehrere der in Art. 3 Abs. 1 Buchst. f RL 2008/104 definierten wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen zu verschlechtern. Nicht verlangt hat der Gerichtshof zur Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern indes, dass auf die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen bezogene Ausgleichsvorteile in summa gleichsam wieder zur Gleichbehandlung bzw. – in der Terminologie des nationalen Rechts – zur Gleichstellung führen müssen (insoweit zutr. Däubler NZA 2023, 73, 75; Hamann jurisPR-ArbR 10/2023 Anm. 1 unter C III 3; ebenso BeckOK ArbR/Motz Stand 1. März 2023 AÜG § 8 Rn. 58a.1). 21 c) Auch hat der Gerichtshof – lässt man bei einzelnen seiner Ausführungen nicht die Gesamtheit seiner Überlegungen außer Betracht – nicht zwingend verlangt, dass der zur Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern erforderliche Ausgleich einer Ungleichbehandlung in Bezug auf wesentliche Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen ausschließlich durch den Tarifvertrag selbst erfolgen muss (so aber Däubler NZA 2023, 73, 74; J. Ulber ZESAR 2023, 244, 254; zur Berücksichtigung auch des Schutzes der Leiharbeitnehmer durch nationales Gesetzesrecht etwa Hamann jurisPR-ArbR 10/2023 Anm. 1 unter C I; Franzen NZA 2023, 25, 28; Donath AuR 2023, 170; BeckOK ArbR/Motz Stand 1. März 2023 AÜG § 8 Rn. 58a.7; Schüren NZA 2023, 529, 534; Bissels/Singraven DB 2023, 327, 331; ebenso die hM im Schrifttum vor der Entscheidung des Gerichtshofs, vgl. EuArbRK/Kolbe 4. Aufl. RL 2008/104/EG Art. 5 Rn. 21; Preis/Sagan/Sansone EuArbR 2. Aufl. § 12 Rn. 12.77 ff.; Thüsing AÜG/Kock/Greiner 4. Aufl. § 8 Rn. 58 mwN). An keiner Stelle seiner Entscheidung formuliert der Gerichtshof, dass der erforderliche Ausgleich einer Ungleichbehandlung nicht auch durch zwingende gesetzliche Regelungen erfolgen könne. Das ist auch konsequent, weil die Richtlinie mit Art. 5 Abs. 2 bis Abs. 4 dem Umstand Rechnung trägt, dass die Regulierung von Leiharbeit und der Schutz der Leiharbeitnehmer innerhalb der Europäischen Union ganz unterschiedlich ausgestaltet ist. In Art. 5 Abs. 3 RL 2008/104 berücksichtigt sie Rechtsordnungen, in denen dies im Wesentlichen durch Kollektivverträge, und zwar sowohl in Tarifverträgen der Entleiherbranchen als auch in besonderen Tarifverträgen für Leiharbeit erfolgt. Dem Anliegen der skandinavischen Länder, ihr Modell auch unter der Richtlinie beizubehalten, entsprach die Aufnahme der Gestaltungsmöglichkeit in Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie, weshalb diese Regelung auch als „skandinavische Ausnahme“ bezeichnet wird (vgl. Lembke/Stoffels FS Moll 2019 S. 377, 379; Rödl/Ulber NZA 2012, 841, 842; dazu auch COM(2014) 176 final S. 8). Da die Richtlinie unionsweit einheitlich gilt, werden hierdurch indessen gesetzliche Ausgleichsregelungen in einzelnen Mitgliedstaaten nicht ausgeschlossen. Ein derartiges Verständnis ist dem Urteil des Gerichtshofs vom 15. Dezember 2022 (- C-311/21 – [TimePartner Personalmanagement]) nicht zu entnehmen. 22 d) Soweit der Gerichtshof davon spricht, befristet beschäftigten Leiharbeitnehmern müsse „ein erheblicher ausgleichender Vorteil“ gewährt werden, fügt er selbst – relativierend – hinzu, dass dieser „im Wesentlichen mindestens das gleiche Niveau haben muss wie der, der Leiharbeitnehmern mit einem unbefristeten Vertrag gewährt wird“ und begründet dies damit, dass die befristet beschäftigten Leiharbeitnehmer „wohl eher selten in der Zeit zwischen den Überlassungen bezahlt werden“ (EuGH 15. Dezember 2022 – C-311/21 – [TimePartner Personalmanagement] Rn. 43; der Gerichtshof dürfte dabei das – etwa in Frankreich praktizierte – Modell der Befristung nur für eine bestimmte Überlassung vor Augen gehabt haben, vgl. dazu Blanke DB 2010, 1528, 1529; Bleck RdA 2015, 416, 419; Thüsing NZA 2023, 31, 36; Schüren/Wank RdA 2011, 1, 4; Schüren NZA 2023, 529 spricht insoweit von einsatzbefristeten Leiharbeitsverhältnissen). 23 e) Der Gerichtshof nähert sich dem in Art. 5 Abs. 3 RL 2008/104 verwendeten, weder dort noch an anderer Stelle der Richtlinie (im Erwägungsgrund 16 ist von „Gesamtschutzniveau“ die Rede, Erwägungsgrund 17 und Art. 5 Abs. 4 RL 2008/104 sprechen von einem „angemessenen Schutzniveau“) aber definierten Begriff des „Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern“ mit systematischen Überlegungen. Dabei gelangt er zu der Annahme, dass ein möglicher Ausgleichsvorteil zur Wahrung des Gesamtschutzes der Leiharbeitnehmer sowohl bei unbefristeten als auch bei befristeten Leiharbeitsverhältnissen die Fortzahlung des Entgelts in verleihfreien Zeiten sein kann. 24 aa) Ausgehend von seiner ständigen Rechtsprechung zur Auslegung von Vorschriften des Unionsrechts, wonach nicht nur ihr Wortlaut entsprechend seinem Sinn nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen sind, die mit der Regelung, zu der sie gehören, verfolgt werden (EuGH 17. März 2022 – C-232/20 – [Daimler] Rn. 29 mwN), analysiert der Gerichtshof Art. 5 RL 2008/104 anhand der aus den Erwägungsgründen 10 bis 12 und 16 sowie Art. 2 der Richtlinie abgeleiteten Ziele (EuGH 15. Dezember 2022 – C-311/21 – [TimePartner Personalmanagement] Rn. 35 ff.). Während Art. 5 Abs. 1 RL 2008/104 mit der Regel, dass die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen der Leiharbeitnehmer während der Dauer ihrer Überlassung mindestens denjenigen der eigenen Arbeitnehmer des entleihenden Unternehmens entsprechen müssen, das Ziel des Schutzes der Leiharbeitnehmer verfolgt, dienen die Ausnahmen des Art. 5 Abs. 2 bis Abs. 4 RL 2008/104 dem Ziel, der Vielfalt der Arbeitsmärkte und Arbeitsbeziehungen auf flexible Weise gerecht zu werden. Die Regelungen spiegeln den Kompromisscharakter der gefundenen Lösung wider und berücksichtigen hierbei – wie bereits ausgeführt (Rn. 21) – Besonderheiten nationaler Regelungssysteme (dazu Lembke/Stoffels FS Moll 2019 S. 377, 379; Preis/Sagan/Sansone EuArbR 2. Aufl. § 12 Rn. 12.69; Rödl/Ulber NZA 2012, 841, 842). Davon ausgehend, ist es offenkundig und folgerichtig, dass die von der Richtlinie eröffneten Ausnahmen für eine Abweichung vom Grundsatz der Gleichbehandlung „gleichwertig“ sind und jeweils von einem identischen Schutzniveau der Leiharbeitnehmer ausgehen, so dass an die Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern iSd. Art. 5 Abs. 3 RL 2008/104 keine höheren Anforderungen zu stellen sind, als diejenigen, die Art. 5 Abs. 2 und Abs. 4 RL 2008/104 für die dortigen Ausnahmen vom Grundsatz der Gleichbehandlung verlangen (ähnlich BeckOK ArbR/Motz Stand 1. März 2023 AÜG § 8 Rn. 58a.10; vgl. auch Franzen NZA 2023, 25, 28). 25 bb) Dementsprechend zieht der Gerichtshof bei der Konkretisierung des Begriffs „Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern“ in Art. 5 Abs. 3 RL 2008/104 die in Art. 5 Abs. 2 RL 2008/104 eröffnete Möglichkeit zur Abweichung vom Grundsatz der Gleichbehandlung heran (EuGH 15. Dezember 2022 – C-311/21 – [TimePartner Personalmanagement] Rn. 42 f.). Diese Ausnahme – bezeichnet als „German derogation“ (EuArbRK/Kolbe 4. Aufl. RL 2008/104/EG Art. 5 Rn. 14; Preis/Sagan/Sansone EuArbR 2. Aufl. § 12 Rn. 12.74) – ermöglicht den Mitgliedstaaten eine Abweichung vom Grundsatz der Gleichbehandlung in Bezug auf das Arbeitsentgelt, wenn Leiharbeitnehmer in einem unbefristeten Leiharbeitsverhältnis auch in der Zeit zwischen den Überlassungen bezahlt werden. Wegen der „Gleichwertigkeit“ der in Art. 5 Abs. 2 bis Abs. 4 RL 2008/104 vorgesehenen Ausnahmen vom Grundsatz der Gleichbehandlung kann der in Art. 5 Abs. 2 RL 2008/104 verlangte Vorteil – Vergütung in verleihfreien Zeiten – ein möglicher Ausgleichsvorteil auch für eine Ungleichbehandlung in Bezug auf das Arbeitsentgelt durch Tarifvertrag und damit geeignet sein, den Gesamtschutz iSd. Art. 5 Abs. 3 RL 2008/104 ausreichend zu achten (abw. – nur berücksichtigungsfähig, aber als solcher nicht ausreichend – Hamann jurisPR-ArbR 10/2023 Anm. 1 unter C III 5; Donath AuR 2023, 170, 172). Dabei ist es – auch nach Auffassung des Gerichtshofs (EuGH 15. Dezember 2022 – C-311/21 – [TimePartner Personalmanagement] Rn. 56) – unerheblich, ob der Leiharbeitnehmer zum Verleiher in einem unbefristeten oder nach nationalem Recht wirksam befristeten Arbeitsverhältnis steht (ebenso Schüren/Hamann/Schüren AÜG 6. Aufl. § 8 Rn. 150; Bissels/Singraven DB 2023, 327, 331; Franzen NZA 2023, 25, 27; Donath aaO; BeckOK ArbR/Motz Stand 1. März 2023 AÜG § 8 Rn. 58a.3; aA Däubler NZA 2023, 73, 74; Hamann aaO). Denn anders als in einigen anderen europäischen Ländern sind verleihfreie Zeiten nach deutschem Recht auch bei befristeten Leiharbeitsverhältnissen stets möglich, etwa wenn – wie im Streitfall – der Leiharbeitnehmer nicht ausschließlich für einen bestimmten Einsatz eingestellt wird oder der Entleiher sich vertraglich ein Mitspracherecht bei der Auswahl der Leiharbeitnehmer vorbehält. 26 cc) Soweit der Gerichtshof in diesem Zusammenhang vermutet, Leiharbeitnehmer mit einem befristeten Vertrag würden „wohl eher selten in der Zeit zwischen den Überlassungen bezahlt werden“ (EuGH 15. Dezember 2022 – C-311/21 – [TimePartner Personalmanagement] Rn. 43), geht das an der in Deutschland geltenden Rechtslage weitgehend vorbei und bezieht sich wohl auf den hier eher unüblichen Fall, dass Leiharbeitnehmer nur für den Verleih an einen bestimmten Entleiher und befristet auf die Zeit dieses Einsatzes vom Verleiher eingestellt werden (vgl. Thüsing NZA 2023, 31, 37; Schüren NZA 2023, 529, 531; zu den in den Mitgliedstaaten der Union praktizierten unterschiedlichen Modellen der Leiharbeit sh. Schüren/Hamann/Brors AÜG 6. Aufl. Einl. Rn. 617 ff.; Thüsing AÜG/Thüsing 4. Aufl. Einf. Rn. 29 f.). Aber selbst in diesen Fällen kann es nach deutscher Rechtslage zu verleihfreien Zeiten kommen, etwa wenn der Einsatz bei dem Entleiher plötzlich und unerwartet auf dessen Veranlassung endet. In einer solchen Situation kann der Verleiher das Leiharbeitsverhältnis – abgesehen vom Fall einer außerordentlichen Kündigung nach § 626 BGB, die einen wichtigen Grund erfordert – nicht mit sofortiger Wirkung beenden. 27 f) Davon ausgehend sind die Sozialpartner iGZ und ver.di bei ihrem in dem Leiharbeitsverhältnis der Parteien geltenden Tarifwerk für die Leiharbeitsbranche hinsichtlich der allein streitgegenständlichen wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingung Arbeitsentgelt ihrer Pflicht zur Achtung des Gesamtschutzes der Leiharbeitnehmer (EuGH 15. Dezember 2022 – C-311/21 – [TimePartner Personalmanagement] Rn. 79) im Zusammenspiel mit den die Leiharbeitnehmer schützenden Vorgaben des nationalen Rechts nachgekommen. 28 aa) Für die Achtung des Gesamtschutzes der Leiharbeitnehmer nimmt der Gerichtshof nicht ausschließlich die Sozialpartner in die Pflicht. Er weist ausdrücklich darauf hin, dass die in Art. 5 Abs. 3 RL 2008/104 eingeräumte Möglichkeit, den Sozialpartnern zu gestatten, vom Grundsatz der Gleichbehandlung abweichende Tarifverträge zu schließen, die Mitgliedstaaten nicht von der Verpflichtung befreit, durch geeignete Rechts- und Verwaltungsvorschriften sicherzustellen, dass die Leiharbeitnehmer „in vollem Umfang den Schutz in Anspruch nehmen können, den ihnen die Richtlinie 2008/104 gewährt“ (EuGH 15. Dezember 2022 – C-311/21 – [TimePartner Personalmanagement] Rn. 64 unter Berufung auf EuGH 17. März 2022 – C-232/20 – [Daimler] Rn. 109 mwN). 29 bb) Kommt der nationale Gesetzgeber dem durch zwingende gesetzliche Regelungen nach, ist offenkundig, dass die Sozialpartner bei ihrer Pflicht zur Achtung des Gesamtschutzes das die Leiharbeitnehmer schützende nationale Recht, soweit es die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen iSd. Art. 3 Abs. 1 Buchst. f RL 2008/104 betrifft, als Vorteil, der geeignet ist, die Ungleichbehandlung der Leiharbeitnehmer auszugleichen, miteinbeziehen dürfen, ohne dies deklaratorisch wiederholend in ihr Tarifwerk aufnehmen zu müssen (im Ergebnis ebenso EuArbRK/Kolbe 4. Aufl. RL 2008/104/EG Art. 5 Rn. 21; Preis/Sagan/Sansone EuArbR 2. Aufl. § 12 Rn. 12.77 ff.; BeckOK ArbR/Motz Stand 1. März 2023 AÜG § 8 Rn. 58a.3; Thüsing AÜG/Kock/Greiner 4. Aufl. § 8 Rn. 58; Franzen NZA 2023, 25, 27; Donath AuR 2023, 170, 172; Schüren NZA 2023, 529, 534; Bissels/Singraven DB 2023, 327, 332). Zwar müssen die Mitgliedstaaten zur Achtung des Gesamtschutzes der Leiharbeitnehmer den Sozialpartnern keine Vorgaben machen (EuGH 15. Dezember 2022 – C-311/21 – [TimePartner Personalmanagement] Rn. 66), sie sind aber auch nicht gehindert, den Gesamtschutz der Leiharbeitnehmer selbst ganz oder teilweise zu regeln. Art. 5 Abs. 3 RL 2008/104 räumt ihnen bei der Gestattung von Abweichungen vom Grundsatz der Gleichbehandlung durch die Sozialpartner mit der Formulierung „nach Maßgabe der von den Mitgliedsstaaten festgelegten Bedingungen“ einen großen Gestaltungsspielraum (Preis/Sagan/Sansone EuArbR 2. Aufl. § 12 Rn. 12.80) und damit die Möglichkeit ein, normativ für einen ausreichenden Gesamtschutz der Leiharbeitnehmer mit zu sorgen. Darauf dürfen die Tarifvertragsparteien aufbauen, denn würde man den auf die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen bezogenen gesetzlichen Schutz der Leiharbeitnehmer außer Betracht lassen, wären im Ergebnis die Anforderungen an die Tarifvertragsparteien zur Achtung des Gesamtschutzes der Leiharbeitnehmer iSd. Art. 5 Abs. 3 RL 2008/104 umso höher, je stärker bereits der jeweilige nationale Gesetzgeber die Leiharbeitnehmer hinsichtlich der wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen schützt. Ein solches Verständnis ist auch dem Urteil des Gerichtshofs vom 15. Dezember 2022 (- C-311/21 – [TimePartner Personalmanagement]) nicht zu entnehmen. 30 cc) Der im Tarifwerk von iGZ und ver.di vorgesehenen Abweichung vom Grundsatz der Gleichbehandlung beim Arbeitsentgelt der Leiharbeitnehmer stehen Ausgleichsvorteile gegenüber, die im Sinne der dritten Stufe des vom Gerichtshof entwickelten Prüfungsschemas (EuGH 15. Dezember 2022 – C-311/21 – [TimePartner Personalmanagement] Rn. 49) eine Neutralisierung der Ungleichbehandlung ermöglichen. 31 (1) Ein Ausgleichsvorteil ist, dass Leiharbeitnehmer wie die Klägerin das tarifliche Entgelt auch in verleihfreien Zeiten ungeschmälert erhalten (aA Däubler NZA 2023, 73, 74, der jedoch die grundsätzliche Abdingbarkeit des § 615 BGB vernachlässigt; ähnlich J. Ulber ZESAR 2023, 244, 254; im Ergebnis wie hier etwa BeckOK ArbR/Motz Stand 1. März 2023 AÜG § 8 Rn. 58a.3 und 58a.7; Franzen NZA 2023, 25, 28; Bissels/Singraven DB 2023, 327, 331). Das haben die Tarifvertragsparteien in § 2 Ziff. 2.2 Satz 2 Entgeltrahmentarifvertrag in der im Streitzeitraum maßgeblichen Fassung ausdrücklich bestimmt („Während der Zeit, die der Arbeitnehmer nicht bei einem Entleiher eingesetzt ist, erhält er die Vergütung gemäß Stammentgeltgruppe.“). 32 (2) Diesen Ausgleichsvorteil hat der Gesetzgeber mit § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG dadurch abgesichert, dass der Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs nach § 615 BGB, der grundsätzlich abdingbar ist (BAG 13. Juli 2022 – 5 AZR 498/21 – Rn. 19 mwN), nicht durch Vertrag aufgehoben oder beschränkt werden kann. Der Verleiher trägt also das Wirtschaftsrisiko für verleihfreie Zeiten uneingeschränkt (vgl. dazu auch Schüren/Hamann/Schüren AÜG 6. Aufl. § 11 Rn. 111 ff. mwN; Thüsing AÜG/Mengel 4. Aufl. § 11 Rn. 44; ErfK/Roloff 23. Aufl. AÜG § 11 Rn. 14; HWK/Höpfner 10. Aufl. § 11 AÜG Rn. 23 f.). Der Verleiher kann dies auch nicht dadurch umgehen, dass er in verleihfreien Zeiten einseitig ein im Leiharbeitsverhältnis geführtes Arbeitszeitkonto abbaut (BAG 16. April 2014 – 5 AZR 483/12 – Rn. 24; ErfK/Roloff aaO AÜG § 8 Rn. 7; HWK/Höpfner aaO Rn. 24). 33 (3) Zudem hat der deutsche Gesetzgeber dem Schutz der Leiharbeitnehmer beim Arbeitsentgelt dadurch Rechnung getragen, dass er Untergrenzen für die tarifliche Vergütung fixiert hat (zutr. Schüren NZA 2023, 529, 534). Diese darf die durch Rechtsverordnung nach § 3a Abs. 2 AÜG festgesetzten Mindeststundenentgelte nicht unterschreiten, § 8 Abs. 2 Satz 1 AÜG, § 9 Nr. 2 AÜG aF, und zwar auch nicht für Zeiten ohne Überlassung, § 8 Abs. 5 AÜG, § 10 Abs. 5 AÜG aF. Sofern es zu Zeiträumen ohne festgesetzte Mindeststundenentgelte kommt, darf die tarifliche Vergütung jedenfalls den gesetzlichen Mindestlohn nicht unterschreiten, § 1 Abs. 1 und Abs. 3 MiLoG, wobei dieser auch für Zeiten zu zahlen ist, in denen sich der Arbeitgeber im Annahmeverzug befindet (vgl. BAG 13. Juli 2022 – 5 AZR 498/21 – Rn. 17 mwN). 34 (4) Die ab dem 1. April 2017 geltende Fassung des AÜG verstärkt den Gesamtschutz der Leiharbeitnehmer. Nach § 8 Abs. 4 Satz 1 AÜG ist die Abweichung vom Gleichstellungsgrundsatz hinsichtlich des Arbeitsentgelts durch Tarifvertrag seither grundsätzlich auf die ersten neun Monate des Leiharbeitsverhältnisses begrenzt. Dieser Zeitraum kann durch Tarifvertrag auf höchstens 15 Monate verlängert werden, wobei aber nach einer Einarbeitungszeit von längstens sechs Wochen eine stufenweise Heranführung an das Arbeitsentgelt vergleichbarer Stammarbeitnehmer erfolgen muss, § 8 Abs. 4 Satz 2 AÜG. Mit dieser zeitlichen Begrenzung der Ungleichbehandlung in Bezug auf das Arbeitsentgelt sichert das Gesetz den Gesamtschutz der Leiharbeitnehmer zusätzlich ab und folgt in ihrer Wirkung der in Art. 5 Abs. 4 Satz 2 RL 2008/104 eröffneten Möglichkeit, eine Wartezeit für Gleichbehandlung vorzusehen (vgl. dazu auch Franzen NZA 2023, 25, 28; BeckOK ArbR/Motz Stand 1. März 2023 AÜG § 8 Rn. 58a.10). 35 4. Genügt danach im Hinblick auf das Arbeitsentgelt die tarifliche Abweichung vom Grundsatz der Gleichbehandlung bei der vom Gerichtshof vorgegebenen konkreten „Prüfung in drei Schritten“ (EuGH 15. Dezember 2022 – C-311/21 – [TimePartner Personalmanagement] Rn. 49) den unionsrechtlichen Anforderungen des Art. 5 Abs. 3 RL 2008/104, kommt es im Streitfall nicht mehr entscheidungserheblich darauf an, ob die Tarifvertragsparteien hinsichtlich weiterer der in Art. 3 Abs. 1 Buchst. f RL 2008/104 definierten Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen – Dauer der Arbeitszeit, Überstunden, Pausen, Ruhezeiten, Nachtarbeit, Urlaub und arbeitsfreie Tage – von der in Art. 5 Abs. 3 RL 2008/104 eröffneten Abweichungsmöglichkeit Gebrauch gemacht haben und die Klägerin davon betroffen gewesen sein könnte. Denn eine Ungleichbehandlung hinsichtlich weiterer wesentlicher Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen hat die Klägerin nicht streitgegenständlich gemacht und dazu in den Tatsacheninstanzen keinen substantiierten Sachvortrag gehalten. Das gilt auch, soweit sie zuletzt in der Revision pauschal auf einen höheren Jahresurlaub „nach § 12.1 MTV Einzelhandel“ hingewiesen hat, ohne allerdings darzulegen, aufgrund welcher Tatsachen sie, wäre sie unmittelbar bei der Entleiherin H&M angestellt gewesen, Anspruch auf eine längere Dauer ihres Jahresurlaubs gehabt hätte. Dass die Entleiherin H&M ihre Stammkräfte nach dem für ihre Branche einschlägigen Tarifvertrag bezahlen soll, besagt nicht zwangsläufig, dass sie tarifgebunden wäre oder mit allen ihren Beschäftigten arbeitsvertraglich einen Jahresurlaub entsprechend der einschlägigen tariflichen Urlaubsregelung vereinbaren würde. Es bedarf deshalb keiner Entscheidung zu der – vom Gerichtshof in seinem Urteil vom 15. Dezember 2022 (- C-311/21 – [TimePartner Personalmanagement]) nicht erörterten – Frage, ob eine „an sich“ den Gesamtschutz der Leiharbeitnehmer iSd. Art. 5 Abs. 3 RL 2008/104 achtende Ungleichbehandlung beim Arbeitsentgelt durch eine weitere Ungleichbehandlung beim Urlaub dazu führen könnte, dass der Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt gleichsam wiederauflebt oder sich die Rechtsfolge in einem solchen Falle auf einen höheren Urlaubsanspruch beschränken würde. 36 5. Weil ein Anspruch der Klägerin auf eine weitere Vergütung unter dem Gesichtspunkt des equal pay nicht entstanden ist, kommt es auf den von der Beklagten für die Monate Januar und Februar 2017 geltend gemachten möglichen Verfall eines solchen Anspruchs nach der arbeitsvertraglichen Ausschlussfristenregelung (vgl. dazu BAG 16. Dezember 2020 – 5 AZR 143/19 (A) – Rn. 24, BAGE 173, 251 und ausführlich BAG 16. Dezember 2020 – 5 AZR 22/19 – Rn. 11 ff. mwN) nicht mehr an. 37 III. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.              Linck                  Bubach                  Biebl                                    Bormann                  Abel" bag_26-23,31.05.2023,"31.05.2023 26/23 - Überlassung eines Dienstwagens zur privaten Nutzung - Pfändungsfreibetrag Die vereinbarte Überlassung eines Dienstwagens zur privaten Nutzung ist regelmäßig eine Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung und damit ein Sachbezug iSv. § 107 Abs. 2 Satz 1 GewO*. Der Wert dieses Sachbezugs beläuft sich grundsätzlich auf 1 % des Listenpreises des PKW zzgl. Sonderausstattungen und Umsatzsteuer im Zeitpunkt der Erstzulassung. Nach § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO darf dieser Wert allerdings nicht die Höhe des pfändbaren Teils des Arbeitsentgelts übersteigen. Der unpfändbare Betrag des Entgelts muss dem Arbeitnehmer in Geld ausgezahlt werden. Zur Ermittlung des pfändbaren Teils des Einkommens sind Geld- und Sachleistungen nach den vollstreckungsrechtlichen Vorschriften zusammenzurechnen. Nicht einbezogen wird dabei der steuerlich zu berücksichtigende geldwerte Vorteil für die Nutzung des PKW auf dem Weg von der Wohnung zum Betrieb in Höhe von monatlich 0,03 % des Listenpreises für jeden Entfernungskilometer (sog. 0,03 %-Regelung). Der verheiratete und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist bei der Beklagten in der Marketing-Abteilung beschäftigt. Im Laufe des Arbeitsverhältnisses hat die Beklagte ihm anstelle einer Entgelterhöhung einen Dienstwagen auch zur privaten Nutzung überlassen. Die Entgeltabrechnungen des Klägers weisen neben dem Bruttomonatsgehalt (zuletzt 4.285,00 Euro) geldwerte Vorteile für die PKW-Nutzung (445,00 Euro) und die Entfernungskilometer (747,60 Euro) zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (56 km) aus. Aus der Summe dieser drei Beträge hat die Beklagte nach Abzug von Steuern und Sozialversicherung das Nettoentgelt und nach weiterem Abzug der beiden geldwerten Vorteile den Auszahlungsbetrag errechnet. Mit seiner Klage hat der Kläger – soweit für das Revisionsverfahren noch von Relevanz – Vergütungsdifferenzen im Nettoentgelt iHv. 29.639,14 Euro für die Zeit von Januar 2017 bis April 2020 verlangt. Er hat geltend gemacht, bei Zahlung der Vergütung, die neben Geld auch den Sachbezug der Privatnutzungsmöglichkeit des PKW umfasse, seien die Pfändungsgrenzen, die sich aus drei Unterhaltspflichten ergäben, nicht beachtet worden. Das Arbeitsgericht hat die Klage insoweit abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Beklagte zur Zahlung der geforderten Nettovergütungsdifferenzen verurteilt. Die hiergegen gerichtete, vom Senat nachträglich zugelassene Revision der Beklagten hatte vor dem Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Das Berufungsgericht hat bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens iSv. § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO zu Unrecht den nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG** zu bemessenden Wert für die Nutzung des überlassenen Fahrzeugs für den Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte einbezogen. Zur Berechnung des pfändbaren Einkommens sind nach § 850e Nr. 3 Satz 1 ZPO*** Geld- und Naturalleistungen zusammenzurechnen. Zu Letzteren gehört die Überlassung eines dienstlichen PKW zur privaten Nutzung. Der Wert beträgt 1 % des Listenpreises. Keine Naturalleistung iSd. vollstreckungsrechtlichen Bestimmung stellt der nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG anzusetzende geldwerte Vorteil für die Nutzung des Fahrzeugs auf dem Weg von der Wohnung zum Betrieb in Höhe von monatlich 0,03 % des Listenpreises für jeden Entfernungskilometer dar. Hierbei handelt es sich nicht um einen Sachbezug iSv. § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO, sondern um einen steuerrechtlich relevanten Korrekturposten für den pauschalen Werbungskostenabzug. Er ist daher bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens nach § 850e Nr. 3 Satz 1 ZPO nicht einzubeziehen. Von dem – somit niedriger als vom Landesarbeitsgericht angenommen – anzusetzenden Betrag sind gem. § 850e Nr. 1 ZPO Steuern und Sozialversicherungsbeiträge in Abzug zu bringen. Aus dem so ermittelten pfändbaren Einkommen sind sodann nach Maßgabe von § 850c ZPO und der einschlägigen Pfändungsfreigrenzenbekanntmachungen die Pfändungsgrenzen zu ermitteln. Dabei ist Abs. 6 dieser Regelung, wonach nach billigem Ermessen Einkünfte der unterhaltsberechtigten Person (hier des Ehegatten) ganz oder teilweise berücksichtigt werden können, entsprechend anzuwenden. Nachdem das Landesarbeitsgericht hierzu keine Feststellungen getroffen hat und auch die für die Berechnung der Steuern und Sozialversicherungsbeiträge erforderlichen Tatsachen vom Berufungsgericht nicht festgestellt worden sind, war die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 31. Mai 2023 – 5 AZR 273/22 – Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 8. Februar 2022 – 9 Sa 407/21 – *§ 107 Abs. 2 GewO lautet: … „(2) Arbeitgeber und Arbeitnehmer können Sachbezüge als Teil des Arbeitsentgelts vereinbaren, wenn dies dem Interesse des Arbeitnehmers oder der Eigenart des Arbeitsverhältnisses entspricht. Der Arbeitgeber darf dem Arbeitnehmer keine Waren auf Kredit überlassen. Er darf ihm nach Vereinbarung Waren in Anrechnung auf das Arbeitsentgelt überlassen, wenn die Anrechnung zu den durchschnittlichen Selbstkosten erfolgt. Die geleisteten Gegenstände müssen mittlerer Art und Güte sein, soweit nicht ausdrücklich eine andere Vereinbarung getroffen worden ist. Der Wert der vereinbarten Sachbezüge oder die Anrechnung der überlassenen Waren auf das Arbeitsentgelt darf die Höhe des pfändbaren Teils des Arbeitsentgelts nicht übersteigen.“ **§ 8 Abs. 2 Satz 3 EStG lautet: „Kann das Kraftfahrzeug auch für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sowie Fahrten nach § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 4a Satz 3 genutzt werden, erhöht sich der Wert in Satz 2 für jeden Kalendermonat um 0,03 Prozent des Listenpreises im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 4 Satz 2 für jeden Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeits-stätte sowie der Fahrten nach § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 4a Satz 3.“ ***§ 850e Nr. 1 und Nr. 3 ZPO lautet: „Für die Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens gilt Folgendes: 1. Nicht mitzurechnen sind die nach § 850a der Pfändung entzogenen Bezüge, ferner Beträge, die unmittelbar auf Grund steuerrechtlicher oder sozialrechtlicher Vorschriften zur Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen des Schuldners abzuführen sind. … 3. Erhält der Schuldner neben seinem in Geld zahlbaren Einkommen auch Naturalleistungen, so sind Geld- und Naturalleistungen zusammenzurechnen. …“","Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 8. Februar 2022 – 9 Sa 407/21 – teilweise aufgehoben, soweit das Landesarbeitsgericht die Beklagte auf die Berufung des Klägers zur Zahlung weiterer 29.639,14 Euro netto zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 15.210,30 Euro seit dem 10. Dezember 2020 und aus 14.428,84 Euro seit dem 26. Januar 2022 verurteilt hat. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Leitsatz Überlässt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Dienstwagen zur privaten Nutzung, ist dies regelmäßig eine Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung und damit ein Sachbezug iSv. § 107 Abs. 2 Satz 1 GewO. Der Wert dieses Sachbezugs ist grundsätzlich mit 1 % des Listenpreises des PKW zzgl. Sonderausstattungen und Umsatzsteuer im Zeitpunkt der Erstzulassung zu bestimmen. Der nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG zu ermittelnde Zuschlag für die Nutzung des Fahrzeugs zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (sog. 0,03 %-Regelung) ist nicht einzubeziehen. Tatbestand 1 Die Parteien streiten in der Revision über Nettovergütungsdifferenzen. 2 Der Kläger war seit dem 4. Juni 2013 bei der Beklagten in der Marketing-Abteilung beschäftigt. Am 1. März 2014 haben die Parteien einen „Vertrag über die Kraftfahrzeugbenutzung“ abgeschlossen (iF Benutzungsvertrag), der ua. bestimmt:          „§ 1 Gegenstand des Vertrages          (1) Der Arbeitgeber überlässt das Kraftfahrzeug Marke Audi … dem Arbeitnehmer zur Benutzung.          (2) Überlässt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ein anderes Fahrzeug, so gilt dieser Vertrag entsprechend.          § 2 Nutzungsumfang          (1) Das Kraftfahrzeug darf grundsätzlich nur für betriebliche oder geschäftliche Zwecke in Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis benutzt werden.          (2) Das Kraftfahrzeug kann auch zu Privatfahrten benutzt werden. Betriebs-, Unterhaltungs- und Wartungskosten trägt der Arbeitgeber.          § 3 Kosten          (1) Der Arbeitgeber trägt die Kosten des Betriebes sowie für Reparaturen, Garage, Miete und Wartung des Fahrzeuges. …“ 3 Das Bruttomonatsgehalt des Klägers betrug zuletzt 5.477,60 Euro und setzte sich nach den Entgeltabrechnungen im streitgegenständlichen Zeitraum zusammen aus dem „Jahresgehalt anteilig“ iHv. zuletzt (April 2020) 4.285,00 Euro, dem „PKW-Wert gw. Vorteil“ iHv. 445,00 Euro und dem „PKW-KM gw. Vorteil“ iHv. 747,60 Euro. Der Kläger ist verheiratet und hat zwei Kinder. Die Ehefrau des Klägers ist berufstätig und bezieht ein eigenes Einkommen. 4 Mit seiner Klage und einer Klageerweiterung in der Berufungsinstanz hat der Kläger – soweit für die Revision von Relevanz – die Zahlung von Nettovergütungsdifferenzen für die Zeit von Januar 2017 bis April 2020 verlangt. Er hat gemeint, die Beklagte habe bei Zahlung der Vergütung die Regelungen der § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO, §§ 850 ff. ZPO zu den Pfändungsgrenzen nicht beachtet. Er habe unter Berücksichtigung seiner Ehefrau und zwei minderjähriger Kinder insgesamt drei Unterhaltspflichten. Die Erzielung eines eigenen Einkommens durch seine Ehefrau sei unbeachtlich. Die Nichtberücksichtigung von Familienangehörigen könne nur über die Regelung des § 850c Abs. 4 ZPO aF (seit 8. Mai 2021 § 850c Abs. 6 ZPO) erfolgen, eine solche Entscheidung sei jedoch dem Vollstreckungsgericht vorbehalten, nicht dem Arbeitsgericht als Prozessgericht. 5 Der Kläger hat – soweit für die Revision von Bedeutung – zuletzt sinngemäß beantragt,          die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 29.639,14 Euro netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 15.210,30 Euro seit dem 10. Dezember 2020 sowie aus 14.428,84 Euro seit dem 26. Januar 2022 zu zahlen. 6 Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, der Benutzungsvertrag beinhalte keine Vereinbarung, wonach ein Teil der Gesamtvergütung durch einen Sachbezug erfüllt werden solle. Die Überlassung des PKW zur Privatnutzung sei eine selbständige Leistung neben dem vereinbarten Entgelt, womit die Regelung des § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO nicht anwendbar sei. Der Wert der Sachbezüge sei allenfalls nach der 1 %-Regelung zu bestimmen und nicht zusätzlich auf Basis der 0,03 %-Regelung. Aufgrund ihres eigenen Einkommens sei bei der Berechnung der Pfändungsgrenzen keine Unterhaltspflicht gegenüber der Ehefrau des Klägers zu berücksichtigen. 7 Das Arbeitsgericht hat die Klage – soweit hier von Belang – abgewiesen. Die Parteien haben Berufungen gegen das Urteil des Arbeitsgerichts eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers – unter Zurückweisung der Berufungen im Übrigen – das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte zur Zahlung von weiteren 29.639,14 Euro netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 15.210,30 Euro seit dem 10. Dezember 2020 und aus 14.428,84 Euro seit dem 26. Januar 2022 verurteilt. Es hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen hat die Beklagte Nichtzulassungsbeschwerde erhoben. Mit Beschluss vom 10. August 2022 (- 5 AZN 199/22 -) hat der Senat die Revision – eingeschränkt – wegen grundsätzlicher Bedeutung von Rechtsfragen zugelassen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte den Klageabweisungsantrag in Bezug auf die Verurteilung zur Zahlung von Nettovergütungsdifferenzen weiter. Entscheidungsgründe 8 Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht bei Ermittlung des Sachbezugswerts der Überlassung des PKW zur Privatnutzung den allein steuerrechtlich relevanten 0,03 %-Wert der Entfernungskilometer zwischen Wohnung und Arbeitsstätte einbezogen. Auf Grundlage der getroffenen Feststellungen kann der Senat nicht über die Begründetheit der Klage entscheiden. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). 9 I. Die Revision ist nicht bereits deshalb teilweise erfolgreich, weil der Kläger in der Berufungsinstanz seine Klage um weitere Zahlungsansprüche erweitert hat und dieser Teil der Klage unzulässig wäre. Das Landesarbeitsgericht hat über den geänderten Antrag in der Sache entschieden. Es hat ausdrücklich die Sachdienlichkeit einer Klageänderung in der Berufungsinstanz nach § 533 ZPO bejaht. Eine Überprüfung dieser Entscheidung hat der Senat in entsprechender Anwendung von § 268 ZPO in der Revision nicht mehr vorzunehmen (vgl. BAG 13. Oktober 2020 – 3 AZR 130/20 – Rn. 20 mwN). 10 II. Die Nettolohnklage ist zulässig, insbesondere ist der Zahlungsantrag hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger verlangt für den Zeitraum Januar 2017 bis April 2020 konkret abgerechnete Beträge als Nettoarbeitsentgelt, welches die Beklagte nach seiner Auffassung zu Unrecht nicht in Geldbeträgen, sondern mittels Sachbezug zugewendet habe. Die Klage ist für den streitbefangenen Zeitraum als abschließende Gesamtklage zu verstehen (dazu BAG 24. Juni 2020 – 5 AZR 93/19 – Rn. 20 mwN, BAGE 171, 161). Den Darlegungen des Klägers ist zu entnehmen, aus welchen konkreten Einzelforderungen sich die „Gesamtklage“ zusammensetzt (hierzu BAG 19. März 2014 – 7 AZR 480/12 – Rn. 11). 11 III. In welchem Umfang die Zahlungsklage begründet ist, kann der Senat auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht endentscheiden. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht. Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung von Nettovergütungsdifferenzen kann aus § 611 Abs. 1 BGB bzw. seit dem 1. April 2017 aus § 611a Abs. 2 BGB folgen, wenn die Beklagte § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO verletzt hat. In diesem Fall wäre die Vereinbarung des Sachbezugs nach § 134 BGB nichtig. Die Beklagte hätte den Vergütungsanspruch des Klägers in Höhe des Werts des Sachbezugs nicht erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB). 12 1. Bei der Überlassung des betrieblichen PKW auch zur privaten Nutzung handelt es sich um einen Sachbezug, der Teil der Arbeitsvergütung des Klägers ist. 13 a) Nach § 107 Abs. 1 GewO ist das Arbeitsentgelt grundsätzlich in Euro zu berechnen und auszuzahlen. Sachbezüge können nach § 107 Abs. 2 Satz 1 GewO als Teil des Arbeitsentgelts nur dann vereinbart werden, wenn dies dem Interesse des Arbeitnehmers oder der Eigenart des Arbeitsverhältnisses entspricht (sog. Truckverbot). Des Weiteren ist hierbei § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO zu beachten. Danach darf der Wert der vereinbarten Sachbezüge die Höhe des pfändbaren Teils des Arbeitsentgelts nicht übersteigen. 14 aa) Sachbezug iSv. § 107 Abs. 2 Satz 1 GewO ist jede Leistung des Arbeitgebers, die er als Gegenleistung für die Arbeitsleistung in anderer Form als in Geld erbringt. Sachleistung und Arbeitsleistung müssen im unmittelbaren Gegenseitigkeitsverhältnis stehen (vgl. BAG 24. März 2009 – 9 AZR 733/07 – Rn. 12, BAGE 130, 101; 17. Februar 2009 – 9 AZR 676/07 – Rn. 14, BAGE 129, 335). Nicht erfasst ist das Arbeitsentgelt im weiteren Sinne, welches der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mit Rücksicht auf das Arbeitsverhältnis zusätzlich zum Arbeitsentgelt, aber außerhalb des Synallagmas zukommen lässt (vgl. NK-ArbR/Boecken/Pils 2. Aufl. GewO § 107 Rn. 18; Landmann/Rohmer GewO/Wiebauer Stand Dezember 2022 GewO § 107 Rn. 7; vgl. zu § 115 GewO aF BAG 23. September 1992 – 5 AZR 569/91 – zu I der Gründe). Maßgeblich ist damit, ob die Sachleistung die grundsätzlich in Geld zu erbringende synallagmatische Gegenleistung des Arbeitgebers ganz oder teilweise ersetzt oder nur als zusätzliche freiwillige Arbeitgeberleistung gewährt wird (vgl. BAG 14. November 2012 – 5 AZR 815/11 – Rn. 19). Dies richtet sich nach der – ggf. konkludent – getroffenen Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien (vgl. NK-ArbR/Boecken/Pils 2. Aufl. GewO § 107 Rn. 17; BeckOGK/Maschmann Stand 1. März 2023 GewO § 107 Rn. 18; BeckOK ArbR/Tillmanns Stand 1. Dezember 2022 GewO § 107 Rn. 6; Schaub ArbR-HdB/Linck 19. Aufl. § 68 Rn. 8). Deren Inhalt ist durch Auslegung zu ermitteln. Je größer der Wert der Naturalleistung, desto mehr spricht für eine Einordnung als echtes Arbeitsentgelt (vgl. BeckOGK/Maschmann aaO; Landmann/Rohmer GewO/Wiebauer Stand Dezember 2022 GewO § 107 Rn. 34). 15 bb) Die Gewährung der Sachbezüge muss den Interessen des Arbeitnehmers oder der Eigenart des Arbeitsverhältnisses entsprechen. Für die Bewertung des Arbeitnehmerinteresses kommt es auf eine objektive Betrachtung an (vgl. BAG 24. März 2009 – 9 AZR 733/07 – Rn. 15, BAGE 130, 101; MHdB ArbR/Krause 5. Aufl. § 67 Rn. 1; HWK/Lembke 10. Aufl. § 107 GewO Rn. 29; BeckOK ArbR/Tillmanns Stand 1. Dezember 2022 GewO § 107 Rn. 7; BeckOGK/Maschmann Stand 1. März 2023 GewO § 107 Rn. 22). Ob der konkrete Arbeitnehmer tatsächlich Interesse am Sachbezug hat, spielt keine Rolle, weil dies für den Arbeitgeber kaum erkennbar ist und die Vergütung häufig generalisierend geregelt wird. Im Regelfall wird ein solches Interesse bestehen, wenn mit dem Sachbezug ein besonderer Nutzen einhergeht. Ein Interesse des Arbeitnehmers ist grundsätzlich zu bejahen, wenn er betriebliches Eigentum (etwa ein Dienstfahrzeug) für private Zwecke nutzen darf (BeckOGK/Maschmann aaO). 16 cc) Der Wert der vereinbarten Sachbezüge darf nach § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO die Höhe des pfändbaren Teils des Arbeitsentgelts nicht übersteigen. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass der Arbeitnehmer innerhalb des Abrechnungszeitraums über ein bestimmtes Mindesteinkommen verfügt. Über dieses soll er in Geld verfügen können, um seinen notwendigen Lebensunterhalt bestreiten zu können (vgl. BAG 24. März 2009 – 9 AZR 733/07 – Rn. 21, BAGE 130, 101; HWK/Lembke 10. Aufl. § 107 GewO Rn. 69; ErfK/Preis 23. Aufl. GewO § 107 Rn. 7). Dem Arbeitnehmer muss damit zumindest der unpfändbare Betrag seines Entgelts in Geld ausgezahlt werden (MHdB ArbR/Krause 5. Aufl. § 67 Rn. 1). Durch § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO wird zudem sichergestellt, dass der Arbeitnehmer nicht gezwungen wird, aufgrund des Sachbezugs Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen, um die Bedürfnisse des täglichen Lebens befriedigen zu können (vgl. Reifelsberger/Kopp NZA 2013, 641, 645). Die Regelung dient somit auch dem Schutz der Sozialkassen (BeckOGK/Maschmann Stand 1. März 2023 GewO § 107 Rn. 44) und damit einem öffentlichen Interesse. 17 b) Die zwischen den Parteien vereinbarte private Nutzungsmöglichkeit des betrieblichen PKW durch den Kläger ist nach diesen Grundsätzen ein Sachbezug iSv. § 107 Abs. 2 Satz 1 GewO. 18 aa) Die Beklagte hat sich vertraglich verpflichtet, dem Kläger ein betriebliches Kraftfahrzeug mit privater Nutzungsberechtigung zur Verfügung zu stellen (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Benutzungsvertrag). Dabei handelt es sich um eine im Synallagma stehende Gegenleistung der Beklagten für die geschuldete Arbeitsleistung. Bereits der erhebliche Wert des Sachbezugs spricht dafür, die Leistung der Beklagten als Arbeitsentgelt im engeren Sinn einzuordnen. Anhaltspunkte, die für die Gewährung einer zusätzlichen freiwilligen Arbeitgeberleistung neben dem im Synallagma stehenden Arbeitsentgelt sprechen, sind vom Landesarbeitsgericht weder ausdrücklich festgestellt noch von den Parteien in dem vom Berufungsgericht in Bezug genommenen schriftsätzlichen Vortrag in den Tatsacheninstanzen dargelegt worden. Der Kläger hat dort vielmehr wiederholt vorgetragen, der PKW sei ihm von der Beklagten anstelle einer geplanten Lohnerhöhung gewährt worden. Dies hat die Beklagte zu keiner Zeit in den Tatsacheninstanzen bestritten. Sie selbst hat vielmehr sogar behauptet, der Kläger habe durch die Rückgabe des Fahrzeugs einen Teil des Gehalts nicht mehr gewünscht und damit darauf verzichtet. 19 Soweit die Beklagte nunmehr in der Revision neu vorträgt, es habe keine Vereinbarung über eine bestimmte Gesamtvergütung gegeben, die teilweise durch eine PKW-Überlassung als Sachbezug erfüllt werde, vielmehr sei auf eine Erhöhung der Gesamtbezüge verzichtet und vereinbart worden, die Mobilität des damals nicht über einen PKW verfügenden Klägers durch Gestellung eines Fahrzeugs auch zur privaten Nutzung sicherzustellen, kann dies bei der Entscheidung vom Senat nicht berücksichtigt werden. Neuer Sachvortrag ist in der Revisionsinstanz nach § 559 Abs. 1 ZPO grundsätzlich nicht berücksichtigungsfähig (vgl. BAG 16. Dezember 2020 – 5 AZR 22/19 – Rn. 22 mwN). Unabhängig davon ist der neue Vortrag der Beklagten unsubstantiiert. Es mangelt an konkreten Darlegungen, wer wann mit dem Kläger eine Vereinbarung solchen Inhalts getroffen haben soll. 20 bb) Die Überlassung des betrieblichen Kraftfahrzeugs zur Privatnutzung liegt objektiv betrachtet auch im Interesse des Klägers. Sämtliche Kosten des Betriebs des Fahrzeugs trägt die Beklagte (§ 3 Benutzungsvertrag). Dem Kläger bleiben entsprechende Aufwendungen erspart. 21 cc) Die Bestimmung des pfändbaren Arbeitseinkommens iSd. § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO richtet sich nach §§ 850 ff. ZPO. Zur Ermittlung der Pfändungsgrenzen nach §§ 850c, 850e ZPO ist der Wert des Sachbezugs eines privat nutzbaren betrieblichen Kraftfahrzeugs mit 1 % des Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zu bestimmen (§ 8 Abs. 2 Satz 2 iVm. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG). Der nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG zu ermittelnde Zuschlag für die Nutzung des Fahrzeugs für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (sog. 0,03 %-Regelung) ist hingegen nicht zu berücksichtigen. Das hat das Landesarbeitsgericht verkannt. Der in den Entgeltabrechnungen ausgewiesene und vom Nettoentgelt abgezogene „PKW-KM gw. Vorteil“ iHv. monatlich 747,60 Euro ist kein Sachbezug als Teil des Arbeitsentgelts im engeren Sinn (§ 107 Abs. 2 Satz 1 GewO) und auch keine Naturalleistung iSd. § 850e Nr. 3 Satz 1 ZPO. 22 (1) Der pfändbare Teil des Arbeitseinkommens bestimmt sich gemäß § 850 Abs. 1 ZPO nach Maßgabe der §§ 850a bis 850i ZPO. Erhält der Arbeitnehmer neben seinem in Geld zahlbaren Einkommen auch Naturalleistungen, wozu auch die Überlassung eines privat nutzbaren betrieblichen Kraftfahrzeugs gehört (BAG 24. März 2009 – 9 AZR 733/07 – Rn. 23, BAGE 130, 101; BGH 18. Oktober 2012 – IX ZB 61/10 – Rn. 3; PG/Ahrens ZPO 14. Aufl. § 850e Rn. 35; Musielak/Voit/Flockenhaus 20. Aufl. ZPO § 850e Rn. 14), sind Geld- und Naturalleistungen nach § 850e Nr. 3 Satz 1 ZPO zusammenzurechnen. Hiervon sind die nach § 850a ZPO unpfändbaren Beträge mit dem Bruttobetrag abzusetzen. Im Anschluss daran sind von dem so errechneten Betrag die Steuern und die vom Arbeitnehmer zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge sowie ggf. die in § 850e Nr. 1 Satz 2 ZPO aufgeführten Beträge in Abzug zu bringen (vgl. zur Auslegung des § 850e Nr. 1 Satz 1 ZPO BAG 17. April 2013 – 10 AZR 59/12 – Rn. 19 ff., BAGE 145, 18). Das so ermittelte Nettoeinkommen ist Grundlage der in § 850c ZPO und der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung geregelten Pfändungsgrenzen (vgl. Musielak/Voit/Flockenhaus 20. Aufl. ZPO § 850c Rn. 2a). 23 (2) Zur Bewertung der privaten Nutzungsmöglichkeit eines betrieblichen Kraftfahrzeugs des Arbeitgebers durch den Arbeitnehmer als vereinbarten Sachbezug nach § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO sind grundsätzlich die einkommenssteuer- und sozialversicherungsrechtlichen Regelungen (§ 8 Abs. 2 EStG, § 3 Abs. 1 Satz 3 Sozialversicherungsentgeltverordnung – SvEV) heranzuziehen (vgl. Landmann/Rohmer GewO/Wiebauer Stand Dezember 2022 GewO § 107 Rn. 45). Besondere steuerrechtliche Zusammenhänge dürfen hierbei allerdings nicht außer Acht geraten. Entsprechendes gilt für die Bestimmung des pfändbaren Arbeitseinkommens gemäß § 850e Nr. 3 Satz 1 ZPO, wenn der Arbeitnehmer neben seinem in Geld zahlbaren Einkommen Naturalleistungen erhält (Meller-Hannich in Kindl/Meller-Hannich Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung 4. Aufl. ZPO § 850e Rn. 24; Musielak/Voit/Flockenhaus 20. Aufl. ZPO § 850e Rn. 14; BeckOK ZPO/Riedel Stand 1. März 2023 § 850e Rn. 51; MüKoZPO/Smid 6. Aufl. ZPO § 850e Rn. 40; aA PG/Ahrens ZPO 14. Aufl. § 850e Rn. 38). Deren Wert ist dann mit dem in Geld ausgezahlten Arbeitseinkommen zusammenzurechnen (BAG 24. März 2009 – 9 AZR 733/07 – Rn. 23, BAGE 130, 101). 24 (a) § 8 Abs. 2 Sätze 2 bis 5 EStG regeln die Bewertung von Sachbezügen, die in der Nutzung betrieblicher Kraftfahrzeuge für private Fahrten bestehen. Dem liegt zugrunde, dass die private Nutzung eines betrieblichen PKW für private Fahrten als Nutzungsvorteil des Arbeitnehmers zu erfassen und zu besteuern ist. § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG verweist für den Wertansatz auf § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG. Danach sind für jeden Kalendermonat 1 % des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattung einschließlich Umsatzsteuer anzusetzen. Hiervon ausgehend ist der Wert des Sachbezugs der Privatnutzungsmöglichkeit des dem Kläger überlassenen PKW iSv. § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO mit 1 % des Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zu bestimmen. Dies entspricht der Rechtsprechung zur Berechnung des Schadensersatzanspruchs wegen des rechtswidrigen Entzugs eines zur Privatnutzung überlassenen Dienstwagens (vgl. BAG 12. Oktober 2022 – 5 AZR 30/22 – Rn. 38 mwN). 25 (b) Nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG erhöht sich der Wertansatz der Privatfahrten für jeden Kalendermonat um 0,03 % des Listenneupreises für jeden Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, wenn das zur privaten Nutzung überlassene Kraftfahrzeug auch für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte genutzt werden kann. Dieser weitere steuerrechtlich zu berücksichtigende geldwerte Vorteil ist allerdings entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kein Sachbezug iSd. § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO und keine Naturalleistung iSd. § 850e Nr. 3 Satz 1 ZPO. Auf diesem Rechtsfehler beruht das Berufungsurteil, weshalb es insoweit aufzuheben ist (§ 562 Abs. 1 ZPO). 26 Mit der pauschalen Wertermittlung nach § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG wird der gesamte geldwerte Vorteil für die Privatnutzung des Dienstwagens erfasst (vgl. BFH 4. April 2008 – VI R 68/05 – Rn. 15, BFHE 221, 17; 14. September 2005 – VI R 37/03 – zu II 1 b der Gründe, BFHE 211, 215). Die Zuschlagsregelung in § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG hat dagegen nicht die Funktion, eine irgendwie geartete zusätzliche private Nutzung des Dienstwagens zu bewerten. Der Zuschlag für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bezweckt vielmehr nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs einen Ausgleich für abgezogene, aber tatsächlich nicht entstandene Erwerbsaufwendungen. § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG stellt insoweit einen notwendigen Korrekturposten für den – pauschalen – Werbungskostenabzug nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG dar. Denn dieser Abzug wird für jeden Arbeitstag unabhängig davon vorgenommen, ob der Arbeitnehmer tatsächlich Aufwendungen gehabt hat (BFH 22. September 2010 – VI R 57/09 – Rn. 11, BFHE 231, 139; 4. April 2008 – VI R 68/05 – Rn. 14, BFHE 221, 17; NK-ArbR/Hummel/Nöcker 2. Aufl. EStG § 8 Rn. 20). Das Entstehen der Aufwendungen wird mit der Formulierung „Zur Abgeltung der Aufwendungen“ aus Vereinfachungsgründen gesetzlich unterstellt (BFH 18. April 2013 – VI R 29/12 – Rn. 11, BFHE 240, 570). Der Zuschlag nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG dient damit allein dazu, einen – überschießenden – Werbungskostenabzug nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG zu kompensieren. Aus der Abgeltungswirkung der 1 %-Regelung in § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG folgt, dass ein – weiterer – geldwerter Vorteil, der durch den Zuschlag nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG erfasst werden könnte, nicht besteht. Eine private Nutzung unterschiedlicher Intensität ist nicht vorstellbar (BFH 4. April 2008 – VI R 68/05 – Rn. 15, BFHE 221, 17). 27 (c) Dieses Ergebnis wird bestätigt, wenn man die praktische Auswirkung einer Einbeziehung des 0,03 %-Werts in den Begriff des Sachbezugs iSv. § 107 Abs. 2 Satz 1 GewO in den Blick nimmt. Dann könnte die Höhe der Vergütung, die sich aus Geld- und Naturalleistung zusammensetzt, durch den Arbeitnehmer einseitig bestimmt werden. Denn dieser hätte es durch schlichte Wohnsitzverlegung in der Hand, auf die Vergütungshöhe Einfluss zu nehmen. Je weiter die Fahrstrecke zwischen Arbeitsstätte und Wohnung ist, desto größer ist der nach der 0,03 %-Regelung anzusetzende Wert für jeden Entfernungskilometer. Eine Einbeziehung des 0,03 %-Werts in den Sachbezug würde damit das auf einer Vereinbarung zwischen den Arbeitsvertragsparteien beruhende synallagmatische Verhältnis von Leistung und Gegenleistung außer Kraft setzen. 28 2. Ist die Summe aus in Geld zahlbarem Einkommen und der Naturalleistung nach §§ 850c, 850e Nr. 3 Satz 1 ZPO unpfändbar, liegt bei Anrechnung des Sachbezugs auf das Arbeitsentgelt ein Verstoß gegen § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO vor (Schaub ArbR-HdB/Linck 19. Aufl. § 68 Rn. 2; BeckOGK/Maschmann Stand 1. März 2023 GewO § 107 Rn. 45; ErfK/Preis 23. Aufl. GewO § 107 Rn. 7). Dieser führt zur Nichtigkeit der Vereinbarung, einen Teil des Arbeitsentgelts durch Sachbezug zu tilgen (HWK/Lembke 10. Aufl. § 107 GewO Rn. 33), denn § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO ist ein Verbotsgesetz iSd. § 134 BGB. Bereits geleistete Sachbezüge haben deshalb keine Erfüllungswirkung nach § 362 Abs. 1 BGB (vgl. BeckOGK/Maschmann Stand 1. März 2023 GewO § 107 Rn. 26). Der Arbeitnehmer hat stattdessen einen Anspruch auf Auszahlung des dem Wert des Sachbezugs entsprechenden Geldbetrags (NK-ArbR/Boecken/Pils 2. Aufl. GewO § 107 Rn. 37; Boemke/Boemke GewO § 107 Rn. 40; AR/Kolbe 10. Aufl. § 107 GewO Rn. 40; HWK/Lembke 10. Aufl. § 107 GewO Rn. 33; BeckOGK/Maschmann Stand 1. März 2023 GewO § 107 Rn. 46). Die in der Vergangenheit gewährten Sachleistungen hat der Arbeitnehmer nach den Regeln des Bereicherungsrechts (§§ 812 ff. BGB) an den Arbeitgeber herauszugeben (vgl. NK-ArbR/Boecken/Pils 2. Aufl. GewO § 107 Rn. 24; HWK/Lembke 10. Aufl. § 107 GewO Rn. 34; Ennuschat/Wank/Winkler/Wank 9. Aufl. GewO § 107 Rn. 17; Landmann/Rohmer GewO/Wiebauer Stand Dezember 2022 GewO § 107 Rn. 46). 29 3. Ob die Beklagte bei Auszahlung der monatlichen Nettovergütungen im streitgegenständlichen Zeitraum die Pfändungsgrenzen der §§ 850c ff. ZPO eingehalten hat oder – in einzelnen Monaten – ein Verstoß gegen das Verbotsgesetz des § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO vorliegt, kann der Senat mangels Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entscheiden. Daher ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dieses wird unter Zugrundelegung des 1 %-Werts als Sachbezug für die Überlassung des PKW zur Privatnutzung zu prüfen haben, ob – ggf. unter (teilweiser) Einbeziehung einer dritten Unterhaltspflicht gegenüber der Ehefrau des Klägers – die Pfändungsgrenzen eingehalten worden sind. 30 a) Bei Arbeitseinkommen bestimmt sich der pfändbare Teil gemäß § 850 Abs. 1 ZPO nach Maßgabe der §§ 850a bis 850i ZPO. Das Nettoeinkommen wird nach § 850e ZPO errechnet (Rn. 22). Zur Sicherung des Existenzminimums des Arbeitnehmers und seiner unterhaltsberechtigten Familienangehörigen regelt § 850c Abs. 1 ZPO einen unpfändbaren Grundbetrag. Dieser ist entsprechend den Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers gestaffelt und nach oben begrenzt. Für den Teil des Arbeitseinkommens, der diesen Grundbetrag übersteigt, gelten die weiteren Pfändungsbeschränkungen des § 850c Abs. 2 ZPO bei Unterhaltspflichten (vgl. BAG 22. September 2015 – 9 AZR 143/14 – Rn. 10). Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer auf Grund gesetzlicher Verpflichtung seinem (früheren) Ehegatten, (früheren) Lebenspartner, Verwandten in gerader Linie, wozu ua. (nichteheliche) Kinder, Eltern, Großeltern, Enkelkinder zählen, Unterhalt schuldet und gewährt, dh. tatsächlich leistet (vgl. BAG 28. August 2013 – 10 AZR 323/12 – Rn. 14 mwN). 31 b) Auf Grundlage der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist es nicht möglich, das pfändbare Arbeitseinkommen des Klägers zu errechnen. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, ob der Kläger gesetzlich kranken- und pflegeversichert ist. Den Entgeltabrechnungen ist zu entnehmen, dass als gesetzliche Sozialversicherungsbeiträge nur solche zur Renten- und Arbeitslosenversicherung in Abzug gebracht worden sind. Sollte der Kläger nicht gesetzlich versichert sein, wären die von ihm entrichteten Beiträge für eine freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung nach § 850e Nr. 1 Satz 2 Buchst. b ZPO vom Bruttoeinkommen in Abzug zu bringen, wobei aufzuklären wäre, ob die Beträge, die er hierfür leistet, sich im Rahmen des Üblichen halten (dazu PG/Ahrens ZPO 14. Aufl. § 850e Rn. 9 f.; BeckOK ZPO/Riedel Stand 1. März 2023 § 850e Rn. 3; MüKoZPO/Smid 6. Aufl. ZPO § 850e Rn. 4). Ebenso wenig hat das Landesarbeitsgericht bislang Feststellungen zu den in den Entgeltabrechnungen enthaltenen Positionen „AG-Zuschuss KV“ und „AG-Zuschuss PV“ getroffen. Hierbei könnte es sich um Zuschüsse nach § 257 SGB V bzw. § 61 SGB XI handeln. Sollte dies zutreffen, wären diese Beitragszuschüsse des Arbeitgebers von den vom Kläger erbrachten Beitragszahlungen abzusetzen und im Ergebnis nur die Differenz nach § 850e Nr. 1 Satz 2 Buchst. b ZPO bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens zu berücksichtigen. 32 c) Nach Feststellung des pfändbaren Einkommens hat das Landesarbeitsgericht nach § 850c ZPO die Pfändungsgrenzen zu ermitteln. Dabei sind die jeweiligen Pfändungsfreigrenzenbekanntmachungen 2015, 2017 und 2019 zu beachten. Bei der Ermittlung der Pfändungsgrenzen ist das Berufungsgericht in der angefochtenen Entscheidung zu Unrecht davon ausgegangen, auch unterhaltsberechtigte Personen mit eigenem Einkommen seien bei der Bemessung des Freibetrags nach § 850c ZPO zu berücksichtigen. Eine abweichende Berücksichtigung der Unterhaltspflichten könne gemäß § 850c Abs. 4 ZPO aF (= Abs. 6 nF) nur durch das Vollstreckungsgericht und nicht durch das Prozessgericht bestimmt werden. 33 aa) Das Prozessgericht hat nach § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO zu prüfen, ob der Wert der vereinbarten Sachbezüge die Höhe des pfändbaren Teils des Arbeitsentgelts übersteigt. § 850c Abs. 4 ZPO aF ist in diesem Fall analog anzuwenden, weil kein Vollstreckungsverfahren vorliegt, das Gesetz aber das Prozessgericht verpflichtet, das pfändbare Einkommen festzustellen. Dem entspricht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach eine Entscheidung des Prozessgerichts über die Anwendung des § 850 c Abs. 4 ZPO aF dann zulässig ist, wenn mangels Vorliegens eines Vollstreckungsverfahrens eine Entscheidung über auf diese Bestimmung gestützte Anträge ausscheidet. Dies betrifft etwa den Fall der Abtretung einer Forderung, wenn der betreffende Betrag nicht abgetreten werden konnte, weil er nicht der Pfändung unterworfen war (§ 400 BGB), und hierbei zu prüfen ist, ob dies der Billigkeit entspricht (vgl. BGH 19. Mai 2009 – IX ZR 37/06 – Rn. 16, 18; bestätigend BGH 3. November 2011 – IX ZR 45/11 – Rn. 14 f.; Musielak/Voit/Flockenhaus 20. Aufl. ZPO § 850c Rn. 10; BeckOK ZPO/Riedel Stand 1. März 2023 § 850c Rn. 45). Wollte man dem Prozessgericht eine Prüfung des § 850c Abs. 4 ZPO aF (= Abs. 6 nF) verwehren, könnte es nicht nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften prüfen, ob der Arbeitgeber nach § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO berechtigterweise einen Teil der Vergütung des Arbeitnehmers in Form eines Sachbezugs entrichtet hat. Soweit der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 11. Dezember 2018 (- 3 AZR 400/17 – Rn. 46 ff.) für den Fall einer Aufrechnung mit Betriebsrentenüberzahlungen gegen Ansprüche auf Witwenrente eine analoge Anwendbarkeit des § 850c Abs. 4 ZPO abgelehnt hat, beruhte dies ersichtlich auf besonderen betriebsrentenrechtlichen Erwägungen. Andernfalls hätte sich der Senat mit der zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auseinandersetzen müssen. 34 bb) Der Anwendung des § 850c Abs. 4 ZPO aF im gerichtlichen Verfahren stehen entgegen der Auffassung des Klägers datenschutzrechtliche Belange nicht entgegen. 35 (1) Die Verarbeitung personenbezogener Daten ist gemäß Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e DSGVO rechtmäßig, wenn sie für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde. Die Rechtsgrundlage für entsprechende Verarbeitungen kann gemäß Art. 6 Abs. 3 Satz 1 Buchst. b DSGVO durch das Recht des Mitgliedstaats festgelegt werden, dem der Verantwortliche unterliegt. Die entsprechende Regelung muss ein im öffentlichen Interesse liegendes Ziel verfolgen und in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten legitimen Zweck stehen, Art. 6 Abs. 3 Satz 4 DSGVO. Den Vorgaben von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e DSGVO iVm. Art. 6 Abs. 3 DSGVO wird daher entsprochen, wenn insbesondere eine nationale Rechtsgrundlage besteht, die als Grundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten dient. Die Verarbeitung hat durch Verantwortliche zu erfolgen, die in Wahrnehmung einer Aufgabe tätig werden, die im öffentlichen Interesse liegt, oder einer Aufgabe, die in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt. Hierzu zählen etwa die Aufgaben, die Gerichte im Rahmen ihrer Rechtsprechungsbefugnisse wahrnehmen. Dies im Einzelnen zu beurteilen ist Aufgabe der nationalen Gerichte (EuGH 2. März 2023 – C-268/21 – [Norra Stockholm Bygg] Rn. 32, 39). Darüber hinaus stellt nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. j DSGVO die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche ebenfalls ein Ziel dar, das eine Verarbeitung personenbezogener Daten sogar zu einem anderen Zweck als demjenigen rechtfertigen kann, zu dem sie erhoben wurden (vgl. EuGH 2. März 2023 – C-268/21 – [Norra Stockholm Bygg] Rn. 38). 36 (2) Hiervon ausgehend bestehen gegen die Anwendung des § 850c Abs. 4 ZPO aF im vorliegenden Verfahren keine Bedenken. Diese Bestimmung stellt eine Grundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Gerichte als Verantwortliche iSd. Datenschutz-Grundverordnung dar. Die Parteien eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens sind nach § 138 ZPO im Rahmen des zivilprozessualen Beibringungsgrundsatzes verpflichtet, zur Anwendung des § 850c Abs. 4 ZPO aF (= Abs. 6 nF) Vortrag zu halten. Dass hierbei die Einkommensverhältnisse einer unterhaltsberechtigten Person offengelegt werden müssen, ist erforderlich und angemessen, denn § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO iVm. §§ 850 ff. ZPO soll sicherstellen, dass der Arbeitnehmer innerhalb des Abrechnungszeitraums über ein bestimmtes Mindesteinkommen verfügt, um seinen notwendigen Lebensunterhalt bestreiten zu können (Rn. 16). Hierdurch wird zudem gewährleistet, dass der Arbeitnehmer nicht gezwungen wird, aufgrund des Sachbezugs Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen, um die Bedürfnisse des täglichen Lebens befriedigen zu können. Die Regelung dient damit auch einem öffentlichen Interesse. 37 IV. Im fortgesetzten Berufungsverfahren wird das Landesarbeitsgericht auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben.              Linck                  Biebl                  Volk                                    Bormann                  Abel" bag_27-23,06.06.2023,"06.06.2023 27/23 - Betriebsratsvorsitzender als Datenschutzbeauftragter? Der Vorsitz im Betriebsrat steht einer Wahrnehmung der Aufgaben des Beauftragten für den Datenschutz typischerweise entgegen und berechtigt den Arbeitgeber in aller Regel, die Bestellung zum Datenschutzbeauftragten nach Maßgabe des BDSG in der bis zum 24. Mai 2018 gültigen Fassung (aF) zu widerrufen. Der bei der Beklagten angestellte Kläger ist Vorsitzender des Betriebsrats und in dieser Funktion teilweise von der Arbeit freigestellt. Mit Wirkung zum 1. Juni 2015 wurde er von der Beklagten und weiteren in Deutschland ansässigen Tochtergesellschaften zum Datenschutzbeauftragten bestellt. Auf Veranlassung des Thüringer Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit widerriefen die Beklagte und die weiteren Konzernunternehmen die Bestellung des Klägers am 1. Dezember 2017 wegen einer Inkompatibilität der Ämter mit sofortiger Wirkung. Nach Inkrafttreten der Verordnung (EU) 2016/679 vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie (RL) 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung; im Folgenden DSGVO) beriefen sie den Kläger vorsorglich mit Schreiben vom 25. Mai 2018 gemäß Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DSGVO als Datenschutzbeauftragten ab. Der Kläger hat geltend gemacht, seine Rechtsstellung als betrieblicher Datenschutzbeauftragter der Beklagten bestehe unverändert fort. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, Interessenkonflikte bei der Wahrnehmung der Aufgaben als Datenschutzbeauftragter und Betriebsratsvorsitzender ließen sich nicht ausschließen. Die Unvereinbarkeit beider Ämter stellten einen wichtigen Grund zur Abberufung des Klägers dar. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Die dagegen erhobene Revision der Beklagten hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Der Widerruf der Bestellung vom 1. Dezember 2017 war aus wichtigem Grund iSv. § 4f Abs. 3 Satz 4 BDSG aF iVm. § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt. Ein solcher liegt vor, wenn der zum Beauftragten für den Datenschutz bestellte Arbeitnehmer die für die Aufgabenerfüllung erforderliche Fachkunde oder Zuverlässigkeit iSv. § 4f Abs. 2 Satz 1 BDSG aF nicht (mehr) besitzt. Die Zuverlässigkeit kann in Frage stehen, wenn Interessenkonflikte drohen. Ein abberufungsrelevanter Interessenkonflikt ist anzunehmen, wenn der Datenschutzbeauftragte innerhalb einer Einrichtung eine Position bekleidet, die die Festlegung von Zwecken und Mitteln der Verarbeitung personenbezogener Daten zum Gegenstand hat. Dabei sind alle relevanten Umstände des Einzelfalls zu würdigen. Diese vom Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH 9. Februar 2023 – C-453/21 – [X-FAB Dresden]) zu einem Interessenkonflikt iSv. Art. 38 Abs. 6 Satz 2 DSGVO vorgenommene Wertung gilt nicht erst seit Novellierung des Datenschutzrechts aufgrund der DSGVO, sondern entsprach bereits der Rechtslage im Geltungsbereich des BDSG aF. Die Aufgaben eines Betriebsratsvorsitzenden und eines Datenschutzbeauftragten können danach typischerweise nicht durch dieselbe Person ohne Interessenkonflikt ausgeübt werden. Personenbezogene Daten dürfen dem Betriebsrat nur zu Zwecken zur Verfügung gestellt werden, die das Betriebsverfassungsgesetz ausdrücklich vorsieht. Der Betriebsrat entscheidet durch Gremiumsbeschluss darüber, unter welchen konkreten Umständen er in Ausübung seiner gesetzlichen Aufgaben welche personenbezogenen Daten vom Arbeitgeber fordert und auf welche Weise er diese anschließend verarbeitet. In diesem Rahmen legt er die Zwecke und Mittel der Verarbeitung personenbezogener Daten fest. Inwieweit jedes an der Entscheidung mitwirkende Mitglied des Gremiums als Datenschutzbeauftragter die Einhaltung der gesetzlichen Pflichten des Datenschutzes hinreichend unabhängig überwachen kann, bedurfte keiner abschließenden Entscheidung. Jedenfalls die hervorgehobene Funktion des Betriebsratsvorsitzenden, der den Betriebsrat im Rahmen der gefassten Beschlüsse vertritt, hebt die zur Erfüllung der Aufgaben eines Datenschutzbeauftragten erforderliche Zuverlässigkeit iSv. § 4f Abs. 2 Satz 1 BDSG aF auf. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 6. Juni 2023 – 9 AZR 383/19 – Vorinstanz: Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 19. August 2019 – 9 Sa 268/18 – Hinweis: Zur Abberufung eines Datenschutzbeauftragten vgl. ferner das Urteil vom 6. Juni 2023 – 9 AZR 621/19 –","Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 19. August 2019 – 9 Sa 268/18 – aufgehoben. 2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 27. Juni 2018 – 10 Ca 234/18 – abgeändert und die Klage abgewiesen. 3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Leitsatz Die Pflichten eines Datenschutzbeauftragten sind mit denen eines Betriebsratsvorsitzenden nicht zu vereinbaren. Der bei gleichzeitiger Wahrnehmung beider Funktionen bestehende Interessenkonflikt rechtfertigt es, die Bestellung des Betriebsratsvorsitzenden zum Datenschutzbeauftragten zu widerrufen. Tatbestand 1 Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Berufung des Klägers zum Beauftragten für Datenschutz bei der Beklagten sowie über den Widerruf der Bestellung und die Abberufung des Klägers. 2 Die in D ansässige Beklagte gehört dem X Konzern an. Sie ist eine 100%ige Tochtergesellschaft der aus einer AG umgewandelten X GmbH mit Sitz in E. Der Kläger steht unter Anrechnung von Zeiten vormaliger Betriebszugehörigkeit seit dem 1. November 1993 in einem Arbeitsverhältnis zu der Beklagten. Er ist Vorsitzender des bei dieser gebildeten Betriebsrats und zur Wahrnehmung seiner Aufgaben als Vorsitzender teilweise von der Arbeit freigestellt. 3 Der Kläger wurde mit Wirkung zum 1. Juni 2015 von der Beklagten, deren Muttergesellschaft sowie deren weiteren in Deutschland ansässigen Tochtergesellschaften X F GmbH und X I GmbH jeweils gesondert zum Datenschutzbeauftragten bestellt. Mit der parallelen Bestellung des Klägers verfolgten die Unternehmen das Ziel, einen konzerneinheitlichen Datenschutzstandard zu etablieren. 4 Mit Schreiben vom 4. September 2017 an die Muttergesellschaft der Beklagten, die damalige X AG, äußerte der Thüringer Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit unter Bezugnahme auf § 4f Abs. 2 BDSG in der bis zum 24. Mai 2018 gültigen Fassung (BDSG aF) Bedenken, dass der Kläger die zur Erfüllung seiner Aufgaben als betrieblicher Datenschutzbeauftragter erforderliche Zuverlässigkeit besitze. Wegen seines Amtes als Betriebsratsvorsitzender könnten Interessenkollisionen auftreten. In ihrer Stellungnahme vom 27. September 2017 antwortete die X GmbH unter Verweis auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 23. März 2011 (- 10 AZR 562/09 -), beide Funktionen seien miteinander vereinbar. 5 Der Thüringer Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit stellte mit Schreiben vom 24. November 2017 fest, der Kläger verfüge nicht über die für die Bestellung zum betrieblichen Datenschutzbeauftragten erforderliche Zuverlässigkeit. Aufgrund der Inkompatibilität mit dem Amt des Betriebsratsvorsitzenden sei der Kläger bereits nicht wirksam zum betrieblichen Datenschutzbeauftragten bestellt worden. Das Unternehmen verfüge deshalb seit dem 1. Juni 2015 über keinen betrieblichen Datenschutzbeauftragten. Die Muttergesellschaft der Beklagten erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 3. Januar 2018 mit dem Hinweis, dass nach Fristablauf ein betrieblicher Datenschutzbeauftragter von Amts wegen bestellt werde und die Verletzung der Pflicht, einen Beauftragten für den Datenschutz zu bestellen, mit einer Geldbuße bis zu 50.000,00 Euro geahndet werden könne. 6 Die Beklagte und die weiteren in Deutschland ansässigen Konzernunternehmen teilten dem Kläger daraufhin in eigenständigen Schreiben vom 1. Dezember 2017 mit, dass eine wirksame Bestellung als betrieblicher Datenschutzbeauftragter nicht erfolgt sei und nunmehr zur Vermeidung eines Bußgeldes ein geeigneter Datenschutzbeauftragter bestellt werde. Hilfsweise widerriefen sie jeweils mit Schreiben vom 1. Dezember 2017 die Bestellung des Klägers zum Datenschutzbeauftragten mit sofortiger Wirkung. Vorsorglich beriefen sie den Kläger nach Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung mit getrennten Schreiben vom 25. Mai 2018 gemäß Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DSGVO unter Hinweis auf betriebsbedingte Gründe als Datenschutzbeauftragten ab. 7 Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe ihn am 16. Juni 2015 wirksam für deren Betrieb in D zum Datenschutzbeauftragten bestellt. Seine Abberufung durch die Schreiben vom 1. Dezember 2017 und vom 25. Mai 2018 sei nicht wirksam. 8 Der Kläger hat beantragt          1.     festzustellen, dass seine Rechtsstellung als Beauftragter für Datenschutz der Beklagten nicht durch den Widerruf der Beklagten vom 1. Dezember 2017 beendet worden ist;          2.     festzustellen, dass seine Rechtsstellung als Beauftragter für den Datenschutz der Beklagten auch nicht durch den Widerruf der Beklagte vom 25. Mai 2018 beendet worden ist. 9 Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, aufgrund einer Inkompatibilität mit dem Amt eines Betriebsratsvorsitzenden sei der Kläger nicht wirksam zum betrieblichen Beauftragten für Datenschutz bestellt worden. Jedenfalls sei die Bestellung wirksam zum 1. Dezember 2017, hilfsweise zum 25. Mai 2018 beendet worden. Die Ämterinkompatibilität stelle einen wichtigen Grund im Sinne von § 4f Abs. 3 Satz 4 BDSG aF bzw. § 38 Abs. 2, § 6 Abs. 4 Satz 1 BDSG iVm. § 626 BGB dar. 10 Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Der Senat hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 27. April 2021 ausgesetzt und den Gerichtshof der Europäischen Union um Vorabentscheidung ersucht, ob die Regelung in § 6 Abs. 4 Satz 1 BDSG, der zufolge die Abberufung eines Datenschutzbeauftragten das Vorliegen eines wichtigen Grundes iSv. § 626 BGB voraussetzt, mit Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DSGVO im Einklang steht, und ob ein Interessenkonflikt iSv. Art. 38 Abs. 6 Satz 2 DSGVO vorliegt, wenn der Datenschutzbeauftragte zugleich das Amt des Vorsitzenden des in der verantwortlichen Stelle gebildeten Betriebsrats innehat (BAG 27. April 2021 – 9 AZR 383/19 (A) – BAGE 174, 358). Mit Urteil vom 9. Februar 2023 hat der Gerichtshof über das Vorabentscheidungsersuchen entschieden (EuGH 9. Februar 2023 – C-453/21 – [X-FAB Dresden]). Entscheidungsgründe 11 Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das klagestattgebende Urteil zu Unrecht zurückgewiesen. Zwar wurde der Kläger wirksam zum Datenschutzbeauftragten der Beklagten bestellt. Die Beklagte hat die Bestellung jedoch mit Schreiben vom 1. Dezember 2017 wirksam widerrufen. Der als unechter Hilfsantrag auszulegende Antrag zu 2. ist dem Senat damit nicht zur Entscheidung angefallen. 12 I. Entgegen der Ansicht der Revision hat die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 16. Juni 2015 in der von § 4f Abs. 1 Satz 1 BDSG aF gebotenen Form (vgl. BAG 27. Juli 2017 – 2 AZR 812/16 – Rn. 19, BAGE 160, 1) zum Beauftragten für den Datenschutz bestellt. Für die Wirksamkeit der Bestellung des Klägers ist es irrelevant, ob das Amt des Datenschutzbeauftragten mit dem Amt des Betriebsratsvorsitzenden kompatibel ist. Deshalb kann diese Frage, die das Landesarbeitsgericht unter Verweis auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 23. März 2011 (- 10 AZR 562/09 -) verneint hat, an dieser Stelle offenbleiben. 13 1. Die Zuverlässigkeit eines Beauftragten für den Datenschutz kann zwar in Frage stehen, wenn Interessenkonflikte drohen. Eine Überschneidung von Interessenssphären kann die von § 4f Abs. 2 Satz 1 BDSG aF geforderte Zuverlässigkeit beeinträchtigen (BAG 5. Dezember 2019 – 2 AZR 223/19 – Rn. 25 mwN, BAGE 169, 59). Aus der fehlenden Zuverlässigkeit einer zum Beauftragten für den Datenschutz bestellten Person iSv. § 4f Abs. 2 Satz 1 BDSG aF folgt aber nach dem BDSG aF nicht die Nichtigkeit der Bestellung. Diese Rechtsfolge ist im Gesetz nicht vorgesehen und widerspräche auch dessen Systematik, weil anderenfalls der in § 4f Abs. 3 Satz 4 BDSG aF vorgesehene Widerruf der Bestellung sowie das Recht der Aufsichtsbehörde, eine Abberufung wegen fehlender Zuverlässigkeit zu verlangen (§ 38 Abs. 5 Satz 3 BDSG aF), im Wesentlichen ins Leere liefen (BAG 5. Dezember 2019 – 2 AZR 223/19 – Rn. 26 mwN, aaO). 14 2. Ob ausnahmsweise etwas anderes gelten kann, wenn die Bestellung eines Beauftragten für den Datenschutz an einem besonders schwerwiegenden und offenkundigen Fehler leidet (vgl. BAG 5. Dezember 2019 – 2 AZR 223/19 – Rn. 27, BAGE 169, 59), bedarf an dieser Stelle keiner Entscheidung. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. 15 II. Der Widerruf der Bestellung des Klägers zum Beauftragten für den Datenschutz bei der Beklagten vom 1. Dezember 2017 ist wirksam, weil hierfür ein wichtiger Grund iSv. § 4f Abs. 3 Satz 4 BDSG aF iVm. § 626 Abs. 1 BGB gegeben ist. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts besteht ein unauflösbarer Interessenkonflikt, wenn der Datenschutzbeauftragte zugleich Betriebsratsvorsitzender der verantwortlichen Stelle ist. Dies macht es der Beklagten unzumutbar, den Kläger weiterhin als betrieblichen Datenschutzbeauftragten einzusetzen. 16 1. Der Widerruf der Bestellung zum Beauftragten für den Datenschutz nach § 4f Abs. 3 Satz 4 BDSG aF iVm. § 626 Abs. 1 BGB setzt das Vorliegen von Tatsachen voraus, die es dem Verantwortlichen unter Berücksichtigung der Gegebenheiten des Einzelfalls sowie unter Abwägung der Interessen beider Vertragspartner unzumutbar machen, die betreffende Person als betrieblichen Datenschutzbeauftragten auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist weiterhin einzusetzen. 17 a) Als wichtige Gründe kommen insbesondere solche in Betracht, die mit der Funktion und Tätigkeit des Datenschutzbeauftragten zusammenhängen und eine weitere Ausübung dieser Tätigkeit unmöglich machen oder sie zumindest erheblich gefährden, beispielsweise ein Geheimnisverrat oder eine dauerhafte Verletzung der Kontrollpflichten als Datenschutzbeauftragter (BAG 23. März 2011 – 10 AZR 562/09 – Rn. 15 mwN). Ein wichtiger Grund für den Widerruf ist auch dann gegeben, wenn der zum Beauftragten für den Datenschutz bestellte Arbeitnehmer die erforderliche Fachkunde oder Zuverlässigkeit iSv. § 4f Abs. 2 Satz 1 BDSG aF für die Aufgabenerfüllung nicht (mehr) besitzt. 18 b) Eine Überschneidung von Interessenssphären kann der vom BDSG aF geforderten Zuverlässigkeit entgegenstehen (BAG 23. März 2011 – 10 AZR 562/09 – Rn. 24; 22. März 1994 – 1 ABR 51/93 – zu B IV der Gründe, BAGE 76, 184). Dabei rechtfertigt nicht jeder Interessenkonflikt den Widerruf der Bestellung des Datenschutzbeauftragten. Erforderlich ist ein Grad, der die Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten in Frage stellt. 19 aa) Da das Gesetz die Bestellung eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten gestattet, der als Arbeitnehmer beim verantwortlichen Arbeitgeber angestellt ist, kann nicht jede Berührung der verschiedenen Aufgaben die Zuverlässigkeit in Frage stellen. Der betriebliche Datenschutzbeauftragte hat die Einhaltung der Datenschutzvorschriften beim Verantwortlichen und damit das Arbeitsumfeld jedes dort beschäftigten Arbeitnehmers zu überwachen. Damit muss er in letzter Konsequenz auch sich selbst einer Überprüfung unterziehen. Entsprechendes gilt für die Funktion des betrieblichen Datenschutzbeauftragten, da dieser nicht nur Überwachungs- sondern auch Beratungsfunktionen wahrzunehmen und damit das Ergebnis seiner eigenen Beratung zu reflektieren hat. 20 bb) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur DSGVO muss gewährleistet sein, dass ein Datenschutzbeauftragter unabhängig davon, ob es sich bei ihm um einen Beschäftigten des Verantwortlichen handelt oder nicht, seine Pflichten und Aufgaben in vollständiger Unabhängigkeit ausüben kann (vgl. EuGH 9. Februar 2023 – C-560/21 – [KISA] Rn. 20; 22. Juni 2022 – C-534/20 – [Leistritz] Rn. 26 f.). Nur wenn diese funktionelle Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten gewahrt bleibt, kann die Wirksamkeit der datenschutzrechtlichen Bestimmungen gewährleistet werden (vgl. EuGH 9. Februar 2023 – C-560/21 – [KISA] Rn. 22; 22. Juni 2022 – C-534/20 – [Leistritz] Rn. 28). 21 cc) Dieser Maßstab für einen wichtigen Grund besteht nicht erst ab der durch Inkrafttreten der DSGVO vorgenommenen Novellierung des Datenschutzrechts, sondern galt bereits nach dem BDSG aF. Nach dem gesetzgeberischen Willen hat die Ablösung von § 4f Abs. 3 Satz 4 BDSG aF durch § 6 Abs. 4 BDSG den Maßstab, anhand dessen eine relevante Interessenkollision zu beurteilen ist, unberührt gelassen (BT-Drs. 18/11325 S. 82: „Absatz 4 entspricht der bisherigen Regelung des § 4f Absatz 3 Satz 4 bis 6 BDSG a.F.“). 22 c) Ein Grund für den Widerruf der Funktion des Datenschutzbeauftragten ist danach in der Regel gegeben, wenn der Arbeitnehmer bei der Erfüllung seiner weiteren Aufgaben und Pflichten gestaltenden Einfluss auf die Datenverarbeitung in der verantwortlichen Stelle hat. In einem solchen Fall kann die unabhängige Erfüllung der Aufgaben eines Datenschutzbeauftragten gefährdet sein. 23 aa) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 38 Abs. 6 Satz 2 DSGVO darf der zum Datenschutzbeauftragten bestellte Arbeitnehmer innerhalb der verantwortlichen Stelle keine Position bekleiden, die eine Festlegung von Zwecken und Mitteln der Verarbeitung personenbezogener Daten zum Gegenstand hat (vgl. EuGH 9. Februar 2023 – C-453/21 – [X-FAB Dresden] Rn. 44, 46; zuvor bereits Art.-29-Datenschutzgruppe WP 243 rev. 01 S. 19). Das Recht des Verantwortlichen, die Bestellung des Datenschutzbeauftragten im Fall eines gestaltenden Einflusses auf die Datenverarbeitung zu widerrufen, wahrt dessen funktionelle Unabhängigkeit und gewährleistet damit die Wirksamkeit der datenschutzrechtlichen Bestimmungen. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, ist im Einzelfall unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände, insbesondere der Organisationsstruktur des Verantwortlichen und im Licht aller anwendbaren Rechtsvorschriften, einschließlich etwaiger interner Vorschriften des Verantwortlichen, festzustellen (vgl. EuGH 9. Februar 2023 – C-453/21 – [X-FAB Dresden] Rn. 45 f.). 24 2. Das Amt des Klägers als Betriebsratsvorsitzender steht danach einer weiteren Wahrnehmung seiner Aufgaben als Datenschutzbeauftragter entgegen. Die gesetzlichen Aufgaben beider Funktionen lassen sich nicht ohne Interessenkonflikt im Hinblick auf den Datenschutz ausüben, der die von § 4f Abs. 2 Satz 1 BDSG aF vorausgesetzte funktionale Zuverlässigkeit aufhebt. Dies rechtfertigt den Widerruf der Bestellung zum Beauftragten für Datenschutz. 25 a) Der Beauftragte für den Datenschutz hat gemäß § 4g Abs. 1 Satz 1 BDSG aF auf die Einhaltung des BDSG aF und anderer Vorschriften über den Datenschutz hinzuwirken. Dabei hat er insbesondere die ordnungsgemäße Anwendung der Datenverarbeitungsprogramme, mit deren Hilfe personenbezogene Daten verarbeitet werden sollen, zu überwachen sowie die bei der Verarbeitung personenbezogener Daten tätigen Personen durch geeignete Maßnahmen mit den Vorschriften des BDSG sowie anderen Vorschriften über den Datenschutz und mit den jeweiligen besonderen Erfordernissen des Datenschutzes vertraut zu machen (§ 4g Abs. 1 Satz 4 BDSG aF). Diese Aufgaben decken sich im Wesentlichen mit den Aufgaben des Datenschutzbeauftragten aus Art. 39 DSGVO. Danach obliegen dem Datenschutzbeauftragten die Unterrichtung und Beratung des Verantwortlichen oder des Auftragsbearbeiters und der Beschäftigten, die die Verarbeitung hinsichtlich ihrer Pflichten nach der DSGVO und sonstigen Datenschutzvorschriften der Union bzw. der Mitgliedstaaten durchführen. Er hat die Einhaltung der DSGVO, anderer Datenschutzvorschriften der Union bzw. der Mitgliedstaaten sowie Strategien des Verantwortlichen oder des Auftragsverarbeiters für den Schutz personenbezogener Daten einschließlich der Zuweisung von Zuständigkeiten, der Sensibilisierung und Schulung der an den Verarbeitungsvorgängen beteiligten Mitarbeitern zu überprüfen. Zudem ist er für die Beratung – auf Anfrage – im Zusammenhang mit der Datenschutzfolgenabschätzung und die Überwachung ihrer Durchführung gemäß Art. 35 DSGVO zuständig. 26 b) Die Pflichten eines Datenschutzbeauftragten sind mit denen eines Betriebsratsvorsitzenden im Hinblick auf datenschutzrechtliche Bestimmungen nicht zu vereinbaren. Ob bereits zwischen Betriebsratsmandat und dem Amt des Datenschutzbeauftragten eine Inkompatibilität besteht, die zu einem zum Widerruf der Bestellung berechtigenden Interessenkonflikt führt, muss der Senat nicht entscheiden. Jedenfalls ist eine funktionale Unvereinbarkeit mit den Aufgaben des Betriebsratsvorsitzenden gegeben, der im Rahmen seiner gesetzlichen Aufgaben nicht nur an der Entscheidung des Gremiums mitwirkt, sondern das Organ im Rahmen der gefassten Beschlüsse nach außen vertritt. 27 aa) Der Betriebsrat legt als Gremium Zwecke und Mittel der Verarbeitung personenbezogener Daten fest. Er entscheidet durch Beschluss darüber, unter welchen konkreten Umständen er welche personenbezogenen Daten in Ausübung der ihm durch das Betriebsverfassungsgesetz zugewiesenen Aufgaben erhebt und auf welche Weise er diese anschließend verarbeitet. 28 (1) Das Betriebsverfassungsgesetz räumt dem Betriebsrat in bestimmten sozialen, personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte ein, die von der bloßen Anhörung bzw. Unterrichtung (zB § 80 Abs. 2 Satz 1, § 102 Abs. 1 BetrVG, § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG) über die Beratung (zB § 90 Abs. 2 Satz 1, § 92 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG) bis hin zum Zustimmungsverweigerungsrecht (§ 99 BetrVG) und schließlich zum Mitbestimmungsrecht reichen, bei dem der Arbeitgeber die positive Zustimmung des Betriebsrats benötigt (zB §§ 87, 94, 112 Abs. 4 BetrVG). In Erfüllung dieser Aufgaben verarbeitet der Betriebsrat personenbezogene Daten. Diese erhält er insbesondere bei der Wahrnehmung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte einerseits vom Arbeitgeber und andererseits von Beschäftigten selbst, etwa im Rahmen der Sprechstunde (§ 39 BetrVG), einer Beschwerde (§ 85 Abs. 1 BetrVG), des Vorschlagsrechts der Arbeitnehmer (§ 86a BetrVG), des Meinungsaustauschs im Rahmen von Betriebs- oder Abteilungsversammlungen (§ 43 Abs. 3 Satz 1, § 45 BetrVG) oder der Anhörung eines von einer personellen Maßnahme betroffenen Arbeitnehmers (§ 102 Abs. 2 Satz 4 BetrVG, vgl. Lembke FS Schmidt 2021 S. 277, 282). Des Weiteren kann der Betriebsrat mit dem Arbeitgeber Betriebsvereinbarungen mit unmittelbarer und zwingender Wirkung für die betriebsangehörigen Arbeitnehmer schließen (§ 77 Abs. 4 BetrVG). Auch Regelungen in Betriebsvereinbarungen, etwa zu technischen Überwachungseinrichtungen iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG (vgl. Lang NZA 2023, 269, 272 f.), können die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Gegenstand haben. 29 (2) Die Zwecke der Datenverarbeitung des Betriebsrats sind zwar durch die Zuweisung von Aufgaben im Betriebsverfassungsgesetz ihrem äußeren Rahmen nach vorbestimmt. Der Betriebsrat kann also die Mitteilung geschützter Daten nicht unabhängig von seinen gesetzlichen Aufgaben verlangen. Beschäftigtendaten dürfen nur zu Zwecken genutzt werden, die das Betriebsverfassungsgesetz ausdrücklich vorsieht und die zur Erfüllung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben erforderlich sind. Im konkreten Fall legt der Betriebsrat jedoch zur Wahrnehmung seiner gesetzlichen Aufgaben in eigener Verantwortung fest, welche mitarbeiterbezogenen Informationen verlangt und wie die übermittelten Daten – tatsächlich – verarbeitet werden sollen. Dies eröffnet ihm im Hinblick auf die Verwendung der Daten einen erheblichen Entscheidungsspielraum (vgl. Maschmann FS Schmidt 2021 S. 353, 356; Schulz ZESAR 2019, 323, 325; Kurzböck/Weinbeck BB 2020, 500, 501). 30 (a) Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Voraussetzung für einen Auskunftsanspruch des Betriebsrats ist zum einen, dass überhaupt eine Aufgabe des Betriebsrats gegeben ist, und zum anderen, dass die begehrte Information zur Wahrnehmung der Aufgabe im Einzelfall erforderlich ist (BAG 9. April 2019 – 1 ABR 51/17 – Rn. 12, BAGE 166, 269). Spiegelbildlich darf auch der Arbeitgeber dem Betriebsrat Beschäftigtendaten grundsätzlich nur für erforderliche Betriebsratsaufgaben zur Verfügung stellen. Bei der Weitergabe sensitiver Daten an den Betriebsrat sind besondere Schutzvorkehrungen zu treffen. Aufgrund der Unabhängigkeit des Betriebsrats als Strukturprinzip der Betriebsverfassung hat es der Arbeitgeber aber nicht in der Hand, angemessene und spezifische Schutzmaßnahmen zu treffen oder dem Betriebsrat hierzu Vorgaben zu machen. Unabhängig davon, ob der Betriebsrat Teil der verantwortlichen Stelle (so zB Bonanni/Niklas ArbRB 2018, 371 f.; Pötters in Gola DS-GVO 2. Aufl. Art. 88 Rn. 38; zur Datenschutzrechtslage nach dem BDSG aF vgl. BAG 7. Februar 2012 – 1 ABR 46/10 – Rn. 43 mwN, BAGE 140, 350) oder gar Verantwortlicher (so zB Kurzböck/Weinbeck BB 2018, 1652, 1655; Kleinebrink DB 2018, 2566 f.; Maschmann NZA 2020, 1207, 1209 ff.; Wybitul NZA 2017, 413 f.) ist, trifft ihn insoweit diese spezifische Schutzpflicht (BAG 9. April 2019 – 1 ABR 51/17 – Rn. 47, aaO). 31 (b) Es kann dahinstehen, ob der Datenschutzbeauftragte unter dem BDSG aF Beaufsichtigungs- und Kontrollbefugnisse auch gegenüber dem Betriebsrat auszuüben hatte (so Kleinebrink DB 2018, 2566, 2570 f.; Lücke NZA 2019, 658, 667), oder ob dem die Unabhängigkeit des Betriebsrats entgegenstand (so BAG 11. November 1997 – 1 ABR 21/97 – zu B III 2 c und c bb der Gründe, BAGE 87, 64). Jedenfalls oblag es ihm nach der damaligen Gesetzesfassung, die Datenschutzkonformität der auf Anforderung des Betriebsrats durch den Arbeitgeber vorgenommenen Übermittlung personenbezogener – ggf. auch sensitiver – Mitarbeiterdaten zu überprüfen. Bei der Übermittlung sensitiver Daten hatte er dementsprechend in eigener Sache zu überwachen, ob das Schutzkonzept des Betriebsrats datenschutzrechtlichen Anforderungen entspricht und der Arbeitgeber die Daten an den Betriebsrat übermitteln darf. 32 (3) Gegenstand der Beaufsichtigungs- und Kontrollbefugnis des Datenschutzbeauftragten ist außerdem die Einhaltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen bei der Durchführung von Betriebsvereinbarungen, etwa zu § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, an dessen Zustandekommen er selbst mitgewirkt hat. 33 bb) Der Betriebsrat bestimmt auch über die Mittel der Verarbeitung personenbezogener Daten. Dazu zählen die technischen Methoden der Verarbeitung personenbezogener Daten und die Art und Weise, wie ein Ergebnis oder Ziel erreicht wird (Art.-29-Datenschutzgruppe WP 169 S. 17). 34 (1) Die festzulegenden Mittel betreffen in erster Linie die Verarbeitung der Daten. Der Betriebsrat entscheidet dazu in technischer Hinsicht über die Organisation seiner Abläufe und befindet darüber, ob er konkrete Daten in analoger oder digitaler Form speichert, welche Software er konkret verwendet, welche Benutzerrechte er einräumt und welche Speicherfristen er setzt (Brink/Joos NZA 2019, 1395, 1397; Kurzböck/Weinbeck BB 2020, 500, 501; Schulz ZESAR 2019, 323, 325). 35 (2) Dem steht nicht entgegen, dass der Betriebsrat bei der Datenverarbeitung Sachmittel, insbesondere eine IT- und Kommunikationsinfrastruktur, einsetzt, die der Arbeitgeber ihm nach § 40 Abs. 2 BetrVG zur Verfügung gestellt hat. Unabhängig davon, dass es für die Mittel der Verarbeitung nicht entscheidend darauf ankommt, welche – vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten – IT-Systeme oder Hardware der Betriebsrat zur Datenverarbeitung nutzt, obliegt die Prüfung, ob ein Sachmittel zur Erledigung von Betriebsratsaufgaben erforderlich und vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen ist, dem Betriebsrat. Er hat bei seiner Entscheidung lediglich die Interessen der Belegschaft an einer sachgerechten Ausübung des Betriebsratsamts und berechtigte Interessen des Arbeitgebers, auch soweit sie auf eine Begrenzung der Kostentragungspflicht gerichtet sind, gegeneinander abzuwägen (BAG 20. April 2016 – 7 ABR 50/14 – Rn. 16 mwN, BAGE 155, 54). 36 c) Ein als Betriebsratsvorsitzender beteiligter Datenschutzbeauftragter, der seine Überwachungsaufgabe im Spannungsfeld seiner funktionalen Interessen und Aufgaben erfüllen muss, besitzt nicht die für eine Gewährleistung des gesetzlichen Datenschutzes erforderliche Unabhängigkeit. Als Beauftragter für den Datenschutz ist der Vorsitzende des Betriebsrats verpflichtet zu prüfen, ob die von ihm nach außen vertretene Beschlusslage des Betriebsrats mit den Bestimmungen des Datenschutzes im Einklang steht. 37 aa) In seiner betriebsverfassungsrechtlichen Funktion ist er zwar in erster Linie Betriebsratsmitglied wie die anderen Gremiumsmitglieder. Er übt die gesetzlich zugewiesenen Befugnisse und Pflichten des Betriebsrats weder als Bevollmächtigter noch als gesetzlicher Vertreter an dessen Stelle aus (Fitting BetrVG 31. Aufl. § 26 Rn. 21 f.). Gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1 BetrVG vertritt der Betriebsratsvorsitzende den Betriebsrat im Rahmen der von ihm gefassten Beschlüsse. Zudem ist er zur Entgegennahme von dem Betriebsrat gegenüber abzugebenden Erklärungen berechtigt (§ 26 Abs. 2 Satz 2 BetrVG). Damit fungiert er nicht als Vertreter im Willen, sondern als Vertreter in der Erklärung (BAG 8. Februar 2022 – 1 AZR 233/21 – Rn. 27; 19. März 2003 – 7 ABR 15/02 – zu II 2 b der Gründe, BAGE 105, 311). 38 bb) Diese aufgabenbezogene Kommunikation des Betriebsratsvorsitzenden stellt die funktionelle Unabhängigkeit als Datenschutzbeauftragter und damit die Gewährleistung des Datenschutzes in Frage. Indem der Betriebsratsvorsitzende im Rahmen und aufgrund der Beschlüsse des Betriebsrats vom Arbeitgeber die Übermittlung personenbezogener Arbeitnehmerdaten verlangt und gegebenenfalls die Schutzvorkehrungen darlegt, die der Betriebsrat zur Wahrung berechtigter Interessen der betroffenen Arbeitnehmer beschlossen hat, vertritt er nach außen die Interessen des Betriebsrats. Bei gleichzeitiger Wahrnehmung der Funktion eines Datenschutzbeauftragten müsste er in identischer Angelegenheit – neutral und allein dem Datenschutz verpflichtet – überprüfen, ob Auskunftsersuchen und beschlossene Schutzvorkehrungen datenschutzrechtlichen Vorgaben genügen, und den Arbeitgeber insoweit uU datenschutzrechtlich beraten. Die dazu erforderliche Gewähr für Neutralität und Distanz zu dem Auskunftsverlangen des Betriebsrats weist er – strukturell bedingt – nicht auf, weil er einerseits durch den Beschluss des Betriebsrats gebunden und andererseits dem zwingenden Datenschutz verpflichtet ist. Dieser Interessenkonflikt beeinträchtigt die funktionelle Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten und gefährdet die Wirksamkeit datenschutzrechtlicher Regelungen, sodass er den Arbeitgeber zum Widerruf der Bestellung berechtigt. 39 III. Der gegen die Abberufung als Datenschutzbeauftragter vom 25. Mai 2018 gerichtete Klageantrag zu 2. fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Hierbei handelt es sich um einen unechten Hilfsantrag für den Fall, dass der vorrangige Widerruf der Bestellung zum Datenschutzbeauftragten vom 1. Dezember 2017 für unwirksam erachtet werden sollte. 40 IV. Als unterlegene Partei hat der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 91 Abs. 1 ZPO).              Kiel                  Suckow                  Zimmermann                                    Leitner                  Stang" bag_3-23,18.01.2023,"18.01.2023 3/23 - Lohngleichheit bei Teilzeitbeschäftigung Geringfügig Beschäftigte, die in Bezug auf Umfang und Lage der Arbeitszeit keinen Weisungen des Arbeitgebers unterliegen, jedoch Wünsche anmelden können, denen dieser allerdings nicht nachkommen muss, dürfen bei gleicher Qualifikation für die identische Tätigkeit keine geringere Stundenvergütung erhalten als vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer, die durch den Arbeitgeber verbindlich zur Arbeit eingeteilt werden. Der Kläger ist als Rettungsassistent im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses bei der Beklagten tätig. Diese führt im Auftrag eines Rettungszweckverbandes ua. Notfallrettung und Krankentransporte durch. Sie beschäftigt – nach ihrer Diktion – sog. „hauptamtliche“ Rettungsassistenten in Voll- und Teilzeit, denen sie im Streitzeitraum eine Stundenvergütung von 17,00 Euro brutto zahlte. Daneben sind sog. „nebenamtliche“ Rettungsassistenten für sie tätig, die eine Stundenvergütung von 12,00 Euro brutto erhalten. Hierzu gehört der Kläger. Die Beklagte teilt die nebenamtlichen Rettungsassistenten nicht einseitig zu Diensten ein, diese können vielmehr Wunschtermine für Einsätze benennen, denen die Beklagte versucht zu entsprechen. Ein Anspruch hierauf besteht allerdings nicht. Zudem teilt die Beklagte den nebenamtlichen Rettungsassistenten noch zu besetzende freie Dienstschichten mit und bittet mit kurzfristigen Anfragen bei Ausfall von hauptamtlichen Rettungsassistenten um Übernahme eines Dienstes. Im Arbeitsvertrag des Klägers ist eine durchschnittliche Arbeitszeit von 16 Stunden pro Monat vorgesehen. Darüber hinaus ist bestimmt, dass er weitere Stunden leisten kann und verpflichtet ist, sich aktiv um Schichten zu kümmern. Mit seiner Klage hat der Kläger zusätzliche Vergütung in Höhe von 3.285,88 Euro brutto für die Zeit von Januar 2020 bis April 2021 verlangt. Er hat geltend gemacht, die unterschiedliche Stundenvergütung im Vergleich zu den hauptamtlichen Mitarbeitern stelle eine Benachteiligung wegen seiner Teilzeittätigkeit dar. Die Beklagte hält die Vergütungsdifferenz für sachlich gerechtfertigt, weil sie mit den hauptamtlichen Rettungsassistenten größere Planungssicherheit und weniger Planungsaufwand habe. Diese erhielten zudem eine höhere Stundenvergütung, weil sie sich auf Weisung zu bestimmten Diensten einfinden müssten. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Beklagte zur Zahlung der geforderten Vergütung verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten blieb vor dem Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat richtig erkannt, dass die im Vergleich zu den hauptamtlichen Rettungsassistenten geringere Stundenvergütung den Kläger entgegen § 4 Abs. 1 TzBfG ohne sachlichen Grund benachteiligt. Die haupt- und nebenamtlichen Rettungsassistenten sind gleich qualifiziert und üben die gleiche Tätigkeit aus. Der von der Beklagten pauschal behauptete erhöhte Planungsaufwand bei der Einsatzplanung der nebenamtlichen Rettungsassistenten bildet keinen sachlichen Grund zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung. Es ist bereits nicht erkennbar, dass dieser Aufwand unter Berücksichtigung der erforderlichen „24/7-Dienstplanung“ und der öffentlich-rechtlichen Vorgaben zur Besetzung der Rettungs- und Krankenwagen signifikant höher ist. Auch wenn man unterstellt, dass die Beklagte durch den Einsatz der hauptamtlichen Rettungsassistenten mehr Planungssicherheit hat, weil sie diesen einseitig Schichten zuweisen kann, ist sie hierbei jedoch nicht frei. Sie unterliegt vielmehr ua. durch das Arbeitszeitgesetz vorgegebenen Grenzen in Bezug auf die Dauer der Arbeitszeit und die Einhaltung der Ruhepausen. Die nebenamtlichen Rettungsassistenten bilden insoweit ihre Einsatzreserve. Unerheblich ist, dass diese frei in der Gestaltung der Arbeitszeit sind. Die Beklagte lässt insoweit unberücksichtigt, dass diese Personengruppe weder nach Lage noch nach zeitlichem Umfang Anspruch auf Zuweisung der gewünschten Dienste hat. Dass sich ein Arbeitnehmer auf Weisung des Arbeitgebers zu bestimmten Dienstzeiten einfinden muss, rechtfertigt in der gebotenen Gesamtschau keine höhere Stundenvergütung gegenüber einem Arbeitnehmer, der frei ist, Dienste anzunehmen oder abzulehnen. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18. Januar 2023 – 5 AZR 108/22 – Vorinstanz: Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 19. Januar 2022 – 10 Sa 582/21 –","Tenor 1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 19. Januar 2022 – 10 Sa 582/21 – wird zurückgewiesen. 2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen. Leitsatz Geringfügig Beschäftigte, die in Bezug auf Umfang und Lage der Arbeitszeit keinen Weisungen des Arbeitgebers unterliegen, dürfen bei gleicher Qualifikation für die identische Tätigkeit keine geringere Stundenvergütung erhalten als vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer, die durch den Arbeitgeber verbindlich zur Arbeit eingeteilt werden. Tatbestand 1 Die Parteien streiten unter dem Gesichtspunkt der Benachteiligung wegen Teilzeitbeschäftigung über eine höhere Stundenvergütung. 2 Der Kläger ist seit dem 1. April 2015, zuletzt als Rettungsassistent im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses bei der Beklagten tätig. Diese führt im Auftrag eines Rettungszweckverbands ua. Notfallrettung und Krankentransporte durch. 3 Die Beklagte beschäftigt – nach ihrer Terminologie – sog. „hauptamtliche“ Rettungsassistenten in Voll- und Teilzeit, denen sie im Streitzeitraum eine Stundenvergütung von 17,00 Euro brutto zahlte. Daneben sind sog. „nebenamtliche“ Rettungsassistenten für sie tätig, die eine Stundenvergütung iHv. 12,00 Euro brutto erhielten. Zu Letzteren zählt der Kläger. Die Beklagte teilt die nebenamtlichen Rettungsassistenten nicht einseitig zu Diensten ein. Sie versendet Pläne mit den noch zu besetzenden Dienstschichten und kurzfristige Anfragen bei Ausfall von Mitarbeitern. Die nebenamtlichen Rettungsassistenten können sich darauf melden. Außerdem können sie Wunschtermine für Einsätze selbst benennen, denen die Beklagte versucht zu entsprechen. Ein Anspruch hierauf besteht aber nicht. 4 Der schriftliche Arbeitsvertrag des Klägers vom 8. Februar 2015 bestimmt ua., dass alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden. 5 Der Nachtrag zum Arbeitsvertrag vom 16. Januar 2019 bestimmt ua.:          „§3 Arbeitszeit, Arbeitsort          Von beiden Vertragsparteien ist ein möglichst regelmäßiger Arbeitseinsatz des Arbeitnehmers gewünscht.          Die durchschnittliche Arbeitszeit beträgt 16 Stunden pro Monat. Darüber hinaus kann der Arbeitnehmer im gesetzlichen Rahmen der geringfügigen Beschäftigung weitere Stunden ableisten. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, sich aktiv um Schichten zu kümmern.          Der Arbeitnehmer ist bereit und verpflichtet im Rahmen des gesetzlich Zulässigen Überstunden und Mehrarbeit, sowie Arbeit an Sonn- und Feiertagen und Nachtarbeit zu leisten. Die Verteilung der Arbeitszeit richtet sich nach den jeweiligen Vorgaben des Arbeitgebers, der Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen nach betrieblichen Erfordernissen festlegt. Die Tätigkeit als Rettungsassistent bringt wechselnde Arbeitsorte mit sich.“ 6 Mit seiner Klage hat der Kläger Differenzvergütung für die Zeit von Januar 2020 bis April 2021 gefordert. Er hat gemeint, die unterschiedliche Stundenvergütung verstoße gegen das gesetzliche Verbot der Benachteiligung wegen Teilzeitbeschäftigung. 7 Der Kläger hat zuletzt beantragt,          die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.285,88 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. 8 Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, eine Ungleichbehandlung liege nicht vor, weil haupt- und nebenamtliche Rettungsassistenten nicht vergleichbar seien. Zudem würden sachliche Gründe eine unterschiedliche Stundenvergütung rechtfertigen, weil die nebenamtlichen Rettungsassistenten ihre Arbeitszeiten frei einteilen könnten, während die hauptamtlichen an die Einteilung durch die Beklagte gebunden seien. Die größere Planungssicherheit und der geringere Planungsaufwand rechtfertigten eine höhere Stundenvergütung. Die Beklagte hat gerügt, das Landesarbeitsgericht habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, indem es keinen Hinweis erteilt habe zu der Frage, ob in der Gruppe der Nebenamtlichen auch in Vollzeit tätige Rettungsassistenten beschäftigt würden. 9 Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Beklagte zur beantragten Zahlung verurteilt. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Entscheidungsgründe 10 Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Berufung des Klägers zu Recht stattgegeben, daher ist die Revision zurückzuweisen. 11 I. Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung der Differenzvergütung, denn die vertragliche Vereinbarung über eine Stundenvergütung von 12,00 Euro brutto ist aufgrund eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot des § 4 Abs. 1 TzBfG nach § 134 BGB nichtig. Der Kläger kann von der Beklagten nach § 612 Abs. 2 BGB die begehrte weitere Vergütung verlangen. 12 1. Der Kläger kann sich auf § 4 Abs. 1 TzBfG berufen. 13 a) Als geringfügig Beschäftigter ist er teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer iSd. § 2 Abs. 2 TzBfG. Auch wenn der Kläger Dienste nicht annehmen muss, handelt es sich bei dem Vertragsverhältnis der Parteien um einen Arbeitsvertrag iSv. § 611a BGB. Ob ein Arbeitsverhältnis oder ein anderes Rechtsverhältnis vorliegt, ist gemäß § 611a Abs. 1 Satz 5 BGB grundsätzlich anhand einer Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls zu ermitteln, wobei nach § 611a Abs. 1 Satz 6 BGB der objektive Geschäftsinhalt den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen ist. Haben die Parteien jedoch ein Arbeitsverhältnis vereinbart, so ist es auch regelmäßig als solches einzuordnen (vgl. BAG 17. Juni 2020 – 7 AZR 398/18 – Rn. 15; 22. November 2016 – 9 AZB 41/16 – Rn. 17). So liegt der Fall hier, denn die Parteien haben ihr Rechtsverhältnis im Vertrag vom 8. Februar 2015 ausdrücklich als Arbeitsverhältnis bezeichnet. 14 b) Die Beklagte behandelt den Kläger als Teilzeitbeschäftigten im Vergleich zu den hauptamtlichen Rettungsassistenten in Bezug auf die Stundenvergütung mittelbar schlechter. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt. 15 aa) Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG darf ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG ist einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht. Diese Regelung beruht auf dem allgemeinen Prinzip, dass die Höhe des Entgelts bei Teilzeitbeschäftigten quantitativ vom Umfang der Beschäftigung abhängt. Teilzeitarbeit unterscheidet sich von der Vollzeitarbeit nur in quantitativer, nicht in qualitativer Hinsicht. Eine geringere Arbeitszeit darf daher grundsätzlich auch nur quantitativ, nicht aber qualitativ anders abgegolten werden als Vollzeitarbeit (vgl. BVerfG 27. November 1997 – 1 BvL 12/91 – zu B II 2 a aa der Gründe, BVerfGE 97, 35; BAG 28. Mai 2013 – 3 AZR 266/11 – Rn. 23). Eine Ungleichbehandlung wegen Teilzeitarbeit liegt vor, wenn die Dauer der Arbeitszeit das Kriterium darstellt, an das die Differenzierung hinsichtlich der unterschiedlichen Arbeitsbedingungen anknüpft (BAG 23. März 2021 – 3 AZR 24/20 – Rn. 11 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). 16 bb) Nach dem Wortlaut von § 4 Abs. 1 TzBfG bezieht sich das Verbot der Schlechterstellung von Teilzeitbeschäftigten auf vergleichbare vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer. Vergleichbar ist dabei nach § 2 Abs. 1 Satz 3 TzBfG ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer des Betriebs mit derselben Art des Arbeitsverhältnisses und der gleichen oder einer ähnlichen Tätigkeit. Die unterschiedliche Behandlung teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer untereinander wird von dem Verbot des § 4 Abs. 1 TzBfG erfasst, wenn eine Gruppe der teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer wie vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer behandelt und eine andere Gruppe der Teilzeitbeschäftigten von bestimmten Leistungen ausgeschlossen wird (vgl. BAG 23. März 2021 – 3 AZR 24/20 – Rn. 27 mwN). Dagegen findet das Verbot der Schlechterstellung nach § 4 Abs. 1 TzBfG nach seinem Wortlaut keine Anwendung, wenn nur teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer untereinander ungleich behandelt werden und nicht zugleich eine schlechtere Behandlung gegenüber Vollzeitbeschäftigten vorliegt. In einem solchen Fall ist die ungleiche Behandlung der Arbeitnehmer am Maßstab des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes zu prüfen (vgl. MüKoBGB/Müller-Glöge 9. Aufl. TzBfG § 4 Rn. 28; ErfK/Preis 23. Aufl. TzBfG § 4 Rn. 22; Schaub ArbR-HdB/Linck 19. Aufl. § 43 Rn. 25). 17 cc) Das Verbot der Diskriminierung gilt auch, wenn sich die Ungleichbehandlung lediglich mittelbar ergibt (vgl. BAG 23. März 2021 – 3 AZR 24/20 – Rn. 11; 3. Juni 2020 – 3 AZR 480/18 – Rn. 37; 19. Dezember 2018 – 10 AZR 231/18 – Rn. 48 mwN, BAGE 165, 1; aA MüKoBGB/Müller-Glöge 9. Aufl. TzBfG § 4 Rn. 16). Eine mittelbare Diskriminierung von Teilzeitkräften liegt vor, wenn eine Regelung sowohl für Vollzeit- als auch für Teilzeitkräfte gilt, sich aber so auswirkt, dass erheblich mehr Teilzeitkräfte als Vollzeitkräfte nachteilig betroffen sind (HK-TzBfG/Joussen 6. Aufl. TzBfG § 4 Rn. 10; MHdB ArbR/Schüren 5. Aufl. Bd. 1 § 49 Rn. 64). 18 dd) Danach liegt eine mittelbare Benachteiligung des Klägers wegen der Teilzeitbeschäftigung vor. 19 (1) Die Beklagte hat die Höhe der Stundenvergütung nicht unmittelbar am Umfang der Arbeitszeit angeknüpft. Eine mittelbare Ungleichbehandlung liegt darin, dass sie den nebenamtlichen Rettungsassistenten, die sie nicht in Dienstpläne einteilt, eine geringere Stundenvergütung zahlt. Davon sind nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ausschließlich Teilzeitbeschäftigte betroffen. 20 (2) Das Landesarbeitsgericht ist bei seinen Feststellungen von einer zutreffenden Verteilung der Darlegungslast ausgegangen. 21 (a) Eine unterschiedliche Behandlung wegen der Teilzeitarbeit ist vom Arbeitnehmer darzulegen. Nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast ist zu verfahren, wenn der Arbeitnehmer seiner Darlegungs- und Beweislast nicht nachkommen kann, weil er ihm nicht zugängliche Tatsachen aus der Sphäre des Arbeitgebers darlegen muss. Der Arbeitgeber hat dagegen darzulegen und zu beweisen, dass ein sachlicher Grund zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung vorliegt (vgl. zu Letzterem BAG 16. Januar 2003 – 6 AZR 222/01 – zu II 5 der Gründe, BAGE 104, 250; vgl. zur Darlegungs- und Beweislast im Allgemeinen MüKoBGB/Müller-Glöge 9. Aufl. TzBfG § 4 Rn. 55; HWK/Rennpferdt 10. Aufl. § 4 TzBfG Rn. 41). 22 (b) Den Vortrag des Klägers, wonach die Beklagte nur Teilzeitkräfte geringer vergüte, hat die Beklagte in den Vorinstanzen nicht bestritten. Nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast hätte ihr der substantiierte Vortrag oblegen, dass sie auch Vollzeitkräfte unter den nebenamtlichen Rettungsassistenten geringer vergüte. Ein einfaches Bestreiten hätte dabei nicht ausgereicht, weil es dem Kläger am Einblick in den Arbeitszeitumfang und die Vergütung der Arbeitnehmer der Beklagten fehlt. 23 (3) Gegen die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte beschäftige keine nebenamtlichen Rettungsassistenten in Vollzeit hat diese keine zulässige Verfahrensrüge erhoben. Die Beklagte rügt eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Das Landesarbeitsgericht habe keinen Hinweis zur Entscheidungserheblichkeit der Behauptung des Klägers erteilt, es gebe in der Gruppe der nebenamtlich Beschäftigten keine Vollzeitmitarbeiter. Diese Rüge genügt nicht den Anforderungen von § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO. 24 (a) Besteht ein Verfahrensmangel darin, dass das Landesarbeitsgericht den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hat, weil es der Hinweispflicht aus § 139 Abs. 2 ZPO nicht nachgekommen ist, muss konkret dargelegt werden, welchen Hinweis das Gericht hätte geben müssen und welche Reaktion auf einen entsprechenden Hinweis erfolgt wäre. Wer die Verletzung des § 139 ZPO durch das Berufungsgericht rügt, muss innerhalb der Revisionsbegründungsfrist im Einzelnen vortragen, was er auf einen entsprechenden Hinweis vorgebracht hätte. Der zunächst unterbliebene Vortrag muss vollständig nachgeholt und über die Rüge aus § 139 ZPO schlüssig gemacht werden. Hierzu ist darzulegen, welcher tatsächliche Vortrag gehalten oder welche für die Entscheidung erheblichen rechtlichen Ausführungen gemacht worden wären. Nur so kann das Revisionsgericht feststellen, ob die gerügte Verletzung für das Urteil kausal war (st. Rspr., vgl. nur BAG 18. September 2014 – 6 AZR 145/13 – Rn. 34). 25 (b) Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbegründung den zunächst unterbliebenen Vortrag nicht schlüssig gemacht. Das von ihr auf einen Hinweis angekündigte Vorbringen, es gebe auch in der Gruppe der nebenamtlich Beschäftigten in Vollzeit tätige Rettungsassistenten und sie habe dafür Beweis angeboten, genügt nicht, um den Behauptungen des Klägers entgegenzutreten. Es handelt sich um keinen substantiierten Vortrag. Dazu hätte sie die geringer vergüteten vollzeitbeschäftigten Rettungsassistenten genauer eingrenzen müssen. 26 c) Sachliche Gründe iSv. § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG rechtfertigen die Schlechterstellung des Klägers nicht. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt. 27 aa) § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG regelt kein absolutes Benachteiligungsverbot. Die Vorschrift konkretisiert das allgemeine Diskriminierungsverbot des § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG für den Bereich des Arbeitsentgelts oder einer anderen teilbaren geldwerten Leistung. § 4 Abs. 1 TzBfG verbietet eine Abweichung vom Pro-rata-temporis-Grundsatz zum Nachteil Teilzeitbeschäftigter, wenn dafür kein sachlicher Grund besteht. Allein das unterschiedliche Arbeitspensum berechtigt allerdings nicht zu einer unterschiedlichen Behandlung von Vollzeit- und Teilzeitkräften (vgl. BAG 23. Juli 2019 – 9 AZR 372/18 – Rn. 23 mwN). Die Rechtfertigungsgründe müssen anderer Art sein, zB auf der Arbeitsleistung, Qualifikation, Berufserfahrung oder unterschiedlichen Anforderungen am Arbeitsplatz beruhen (vgl. BAG 18. März 2014 – 9 AZR 694/12 – Rn. 22). Eine Schlechterstellung von Teilzeitbeschäftigten kann sachlich gerechtfertigt sein, wenn sich ihr Grund aus dem Verhältnis von Leistungszweck und Umfang der Teilzeitarbeit herleiten lässt. Die Prüfung der sachlichen Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung hat sich am Zweck der Leistung zu orientieren (vgl. BAG 23. März 2021 – 3 AZR 24/20 – Rn. 15; 29. Januar 2020 – 4 ABR 26/19 – Rn. 28, BAGE 169, 351). 28 Diesen Prüfungsmaßstab verlangt auch das Unionsrecht in der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit im Anhang der Richtlinie 97/81/EG. Nach § 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung kann die unterschiedliche Behandlung eines Teilzeitbeschäftigten gegenüber einem vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten nur aus objektiven Gründen gerechtfertigt werden. Diese liegen nur vor, wenn die in Rede stehende Ungleichbehandlung einem echten Bedarf entspricht und zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich ist (vgl. EuGH 1. März 2012 – C-393/10 – [O’Brien] Rn. 64 mwN; vgl. zu § 4 Nr. 1 Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge 9. Februar 2017 – C-443/16 – [Rodrigo Sanz] Rn. 42; vgl. auch BAG 29. Januar 2020 – 4 ABR 26/19 – Rn. 28, BAGE 169, 351). Es ist Sache des nationalen Gerichts zu beurteilen, ob objektive Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen (vgl. EuGH 7. April 2022 – C-236/20 – [Ministero della Giustizia ua.] Rn. 54; 1. März 2012 – C-393/10 – [O‘Brien] Rn. 65). 29 bb) Nach diesen Grundsätzen vermag die von der Beklagten angeführte größere Planungssicherheit durch den Einsatz von hauptamtlichen Rettungsassistenten die höhere Stundenvergütung dieser Mitarbeitergruppe im Vergleich zu den nebenamtlichen Rettungsassistenten nicht zu rechtfertigen. 30 (1) Ein Zusammenhang zwischen der besseren Bezahlung der hauptamtlichen Rettungsassistenten und größerer Planungssicherheit ist nicht erkennbar. Es ist zwar verständlich, dass die Beklagte einen echten Bedarf an Planungssicherheit hat, weil sie verpflichtet ist, die Dienste mit Notfallsanitätern und Rettungsassistenten zu besetzen. Gelingt ihr das nicht, verletzt sie ihre Vertragspflichten gegenüber dem Rettungszweckverband. Jedoch hat sie nicht substantiiert dargelegt, dass die höhere Vergütung der hauptamtlichen Rettungsassistenten geeignet ist, eine größere Planungssicherheit herzustellen. Nicht die Höhe der Vergütung, sondern die Stellenplanung durch die Beklagte ist der Grund dafür, dass sie nicht mehr hauptamtliche Rettungsassistenten beschäftigt. 31 (2) Die Beklagte hat auch nicht dargelegt, dass sie ihren Bedarf an hauptamtlichen Rettungsassistenten besser decken könne, wenn sie diesen eine höhere Stundenvergütung als den nebenamtlichen zahle. Insbesondere hat sie nicht vorgetragen, dass sie zu einer geringeren Vergütung als 17,00 Euro brutto pro Stunde nicht genügend hauptamtliche Rettungsassistenten finden würde, um die von ihr vorgesehenen Stellen zu besetzen (vgl. dazu BAG 27. Juli 1994 – 10 AZR 538/93 – zu III 2 b der Gründe). 32 cc) Die Beklagte hat ebenso wenig dargelegt, dass die Verringerung des Planungsaufwands für die hauptamtlichen Rettungsassistenten eine unterschiedliche Entlohnung rechtfertigen kann. Sie hat nicht substantiiert aufgezeigt, dass der Planungsaufwand bei den hauptamtlichen Rettungsassistenten geringer wäre als bei den nebenamtlichen. 33 (1) Die Beklagte hat den Planungsablauf für die beiden Arbeitnehmergruppen und den Aufwand der einzelnen Planungsschritte nicht konkret dargelegt. Ihr Vortrag in der Tatsacheninstanz enthält keine Angaben zu dem mit den einzelnen Planungsschritten verbundenen Zeit- und Personalaufwand. Soweit die Beklagte in der Revisionsbegründung hierzu weiter vorträgt, handelt es sich um neuen Sachvortrag in der Revisionsinstanz, der nach § 559 Abs. 1 ZPO nicht berücksichtigt werden kann. 34 (2) Aus dem berücksichtigungsfähigen Vortrag der Beklagten ergibt sich kein relevanter geringerer Planungsaufwand bei den hauptamtlichen Rettungsassistenten. Es ist bereits nicht erkennbar, dass der Aufwand unter Berücksichtigung der erforderlichen Dienstplanung für 24 Stunden pro Tag und an sieben Tagen der Woche sowie der öffentlich-rechtlichen Vorgaben zur Besetzung der Rettungs- und Krankenwagen signifikant höher ist. Selbst unterstellt, dass die Beklagte durch den Einsatz der hauptamtlichen Rettungsassistenten mehr Planungssicherheit hat, weil sie diesen Schichten einseitig zuweisen kann, ist sie hierbei jedoch nicht frei. Sie unterliegt vielmehr ua. durch das Arbeitszeitgesetz vorgegebenen Grenzen in Bezug auf die Dauer der Arbeitszeit und die Einhaltung der Ruhepausen. Zudem hat sie Urlaubs- und Krankheitszeiten zu berücksichtigen. Die nebenamtlichen Rettungsassistenten verringern demgegenüber den Planungsaufwand, indem sie sich eigenständig auf Dienste melden, womit die Beklagte bei der Dienstplangestaltung anders als für die hauptamtlichen nicht prüfen muss, ob eine Einteilung – etwa mit Blick auf Urlaub oder Arbeitsunfähigkeit – möglich ist. Die Beklagte muss diese Personengruppe nicht mit einer bestimmten wöchentlichen/monatlichen Stundenzahl beschäftigen, sondern kann deren Beschäftigungswünsche auch ohne Gründe ablehnen. Der Vortrag der Beklagten ist im Übrigen nicht frei von Widersprüchen, räumt sie doch selbst ein, dass die Dienstplaner gerade bei kurzfristigen Ausfällen – im Sinne einer Einsatzreserve – auf die nebenamtlichen Rettungsassistenten zurückgreifen, weil diese eher als die hauptamtlichen zu spontanen Einsätzen in der Lage sind. Damit tragen die nebenamtlichen Rettungsassistenten zu einer Verringerung des Planungsaufwands bei. 35 dd) Die Beklagte kann die höhere Stundenvergütung der hauptamtlichen Rettungsassistenten nicht damit rechtfertigen, dass diese auf ihre Weisung hin eingeteilt werden, wohingegen die nebenamtlichen Rettungsassistenten frei in der Gestaltung der Arbeitszeit sind. 36 (1) Ein sachlicher Grund setzt nicht notwendig voraus, dass die Tätigkeit unterschiedlich ist. Auch die weiteren Bedingungen des Arbeitsverhältnisses können unterschiedliche Anforderungen an die Arbeitsplätze begründen. Der Arbeitgeber darf durch die Entlohnung die Anpassungsfähigkeit des Arbeitnehmers an unterschiedliche Arbeitszeiten besonders vergüten, wenn er darlegt, dass die zeitliche Flexibilität für die Ausführung der dem Arbeitnehmer übertragenen spezifischen Aufgaben von Bedeutung ist (vgl. EuGH 27. Oktober 1993 – C-127/92 – [Enderby] Rn. 25; 17. Oktober 1989 – C-109/88 – [Danfoss] Rn. 22). Solchen Vortrag hat die Beklagte nicht erbracht. 37 (2) Das Arbeitszeitmodell, das die Beklagte mit den nebenamtlichen Rettungsassistenten betreibt, bietet – entgegen der Revision – diesen Arbeitnehmern auch nicht ausschließlich Vorteile. Es ist vielmehr ambivalent. Zwar eröffnet es den Arbeitnehmern die Freiheit, die von ihnen zu erbringenden Dienste selbst auszuwählen. Doch lässt die Beklagte insoweit unberücksichtigt, dass die nebenamtlichen Rettungsassistenten weder nach Lage noch nach zeitlichem Umfang Anspruch auf Zuweisung der gewünschten Dienste haben. Insbesondere wegen des fehlenden Anspruchs auf einen bestimmten Beschäftigungsumfang entstehen für die Arbeitnehmer in dieser Gruppe keine gesicherten Entgeltansprüche. 38 (3) Neben der Ambivalenz, die das Arbeitszeitmodell der Beklagten aufweist, ist in den Blick zu nehmen, dass die Tätigkeit in beiden Gruppen der haupt- und nebenamtlichen Rettungsassistenten die nämliche bleibt. Die Arbeitnehmer beider Gruppen üben in den Diensten, in denen sie tätig werden, aufgrund gleicher Qualifikation die identische Arbeit aus. Eine Differenzierung in der Stundenvergütung ist in dieser Situation mit dem Argument, dass vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer vom Arbeitgeber verbindlich zur Arbeit eingeteilt werden, sachlich nicht zu begründen (MüKoBGB/Müller-Glöge 9. Aufl. TzBfG § 4 Rn. 44). In der gebotenen Gesamtschau kann im Streitfall keine höhere Stundenvergütung gegenüber einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer gerechtfertigt werden, der frei darüber entscheiden kann, ob er Dienste annimmt oder ablehnt. 39 (4) Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass die Nettostundenvergütung der hauptamtlichen Rettungsassistenten trotz der Bruttodifferenz von 5,00 Euro pro Stunde im Vergleich zu derjenigen der nebenamtlichen Rettungsassistenten nicht unbedingt signifikant höher ist. Die besondere steuer- und sozialversicherungsrechtliche Behandlung geringfügig Beschäftigter stellt keinen sachlichen Grund für eine geringere Bezahlung dar. Die im Sozialversicherungs- und Steuerrecht getroffenen Differenzierungen verfolgen öffentlich-rechtliche und zum Teil auch arbeitsmarktpolitische Zwecke. Eine unterschiedliche Behandlung bei den Arbeitsbedingungen lässt sich hieraus jedoch nicht rechtfertigen (st. Rspr., vgl. BAG 25. April 2007 – 6 AZR 746/06 – Rn. 36, BAGE 122, 215; 28. März 1996 – 6 AZR 501/95 – zu II 2 c cc der Gründe, BAGE 82, 344; 7. März 1995 – 3 AZR 282/94 – zu B II 2 d gg der Gründe, BAGE 79, 236). Der Wert der Arbeitsleistung der Teilzeitbeschäftigten ändert sich dadurch nicht. Die Gegenleistung für die Arbeit besteht – wenn nichts Abweichendes vereinbart ist – grundsätzlich in der Zahlung von Bruttobeträgen durch den Arbeitgeber. Das gilt auch für geringfügig Beschäftigte (BAG 23. September 2020 – 5 AZR 251/19 – Rn. 10 ff.). Der Betrag ist unabhängig von Steuerklassen, Freibeträgen und Sozialversicherungsbeiträgen und damit auch unabhängig von den privaten Lebensumständen. Diese beeinflussen die Höhe der Abzüge. Sie erlauben dem Arbeitgeber aber nicht, teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer geringer zu vergüten als vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer (vgl. BAG 12. Juni 1996 – 5 AZR 960/94 – zu II 3 c der Gründe, BAGE 83, 168). 40 d) Die von der Beklagten erhobene Verfahrensrüge der Verletzung des Beibringungsgrundsatzes in Bezug auf die Angemessenheit der Vergütungsdifferenz ist offensichtlich unzulässig. Von einer Begründung wird insoweit gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen. 41 2. Auch wenn das Verbot der Schlechterstellung nach § 4 Abs. 1 TzBfG im Streitfall keine Anwendung fände, weil – wie die Beklagte in der Revision neu vorgetragen hat – nur teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer untereinander ungleich behandelt würden und nicht zugleich eine schlechtere Behandlung gegenüber Vollzeitbeschäftigten vorläge, änderte dies das Ergebnis nicht. In einem solchen Fall ist die ungleiche Behandlung der Arbeitnehmer am Maßstab des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes zu prüfen (vgl. MüKoBGB/Müller-Glöge 9. Aufl. TzBfG § 4 Rn. 28; Schaub ArbR-HdB/Linck 19. Aufl. § 43 Rn. 25). Ein wesentlicher materieller Unterschied folgt daraus in der Sache nicht, denn die Maßstäbe, anhand derer die Ungleichbehandlung nach § 4 Abs. 1 TzBfG und nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (vgl. hierzu zuletzt BAG 13. Juli 2022 – 5 AZR 412/21 – Rn. 30) zu messen ist, stimmen weitgehend überein (ErfK/Preis 23. Aufl. TzBfG § 4 Rn. 22). § 4 Abs. 1 TzBfG stellt einen Ausschnitt aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz dar und konkretisiert diesen für Fragen der Teilzeitarbeit (APS/Greiner 6. Aufl. TzBfG § 4 Rn. 3; HK-TzBfG/Joussen 6. Aufl. TzBfG § 4 Rn. 9). 42 3. Die Höhe des Anspruchs auf gleiche Vergütung steht zwischen den Parteien nicht im Streit. 43 4. Die Ansprüche sind nicht nach § 15 Abs. 1 des Arbeitsvertrags vom 8. Februar 2015 verfallen. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Vereinbarung einer Ausschlussfrist wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 iVm. Satz 1 BGB insgesamt unwirksam ist. Die am 8. Februar 2015 nach Inkrafttreten des MiLoG zum 1. Januar 2015 vereinbarte Klausel erfasst ihrem Wortlaut nach entgegen § 3 Satz 1 MiLoG auch den gesetzlichen Mindestlohn (vgl. BAG 4. Mai 2022 – 5 AZR 474/21 – Rn. 14; 18. September 2018 – 9 AZR 162/18 – Rn. 36, BAGE 163, 282). 44 5. Der Anspruch auf Prozesszinsen folgt aus § 288 Abs. 1 Satz 2, § 291 BGB. 45 II. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.              Linck                  Biebl                  Volk                                    Raabe                  Störring" bag_30-22,16.08.2022,"16.08.2022 30/22 - Behördlich angeordnete Quarantäne während des Urlaubs Der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gerichtet, um die Frage klären zu lassen, ob aus dem Unionsrecht die Verpflichtung des Arbeitgebers abzuleiten ist, einem Arbeitnehmer bezahlten Erholungsurlaub nachzugewähren, der zwar während des Urlaubs selbst nicht erkrankt ist, in dieser Zeit aber eine behördlich angeordnete häusliche Quarantäne einzuhalten hatte. Der Kläger ist seit 1993 bei der Beklagten als Schlosser beschäftigt. Auf seinen Antrag bewilligte ihm die Beklagte acht Tage Erholungsurlaub für die Zeit vom 12. bis zum 21. Oktober 2020. Mit Bescheid vom 14. Oktober 2020 ordnete die Stadt Hagen die Absonderung des Klägers in häusliche Quarantäne für die Zeit vom 9. bis zum 21. Oktober 2020 an, weil er zu einer mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizierten Person Kontakt hatte. Für die Zeit der Quarantäne war es dem Kläger untersagt, seine Wohnung ohne ausdrückliche Zustimmung des Gesundheitsamts zu verlassen und Besuch von haushaltsfremden Personen zu empfangen. Die Beklagte belastete das Urlaubskonto des Klägers mit acht Tagen und zahlte ihm das Urlaubsentgelt. Der Kläger hat die auf Wiedergutschrift der Urlaubstage auf seinem Urlaubskonto gerichtete Klage darauf gestützt, es sei ihm nicht möglich gewesen, seinen Urlaub selbstbestimmt zu gestalten. Die Situation bei einer Quarantäneanordnung sei der infolge einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit vergleichbar. Der Arbeitgeber müsse ihm deshalb entsprechend § 9 BUrlG, dem zufolge ärztlich attestierte Krankheitszeiten während des Urlaubs nicht auf den Jahresurlaub angerechnet werden dürfen, nachgewähren. Das Landesarbeitsgericht ist dieser Auffassung gefolgt und hat der Klage stattgegeben. Für den Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts ist es entscheidungserheblich, ob es mit Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Euro-päischen Union im Einklang steht, wenn vom Arbeitnehmer beantragter und vom Arbeitgeber bewilligter Jahresurlaub, der sich mit einer nach Urlaubsbewilligung durch die zuständige Behörde angeordneten häuslichen Quarantäne zeitlich überschneidet, nach nationalem Recht nicht nachzugewähren ist, weil der betroffene Arbeitnehmer selbst nicht krank war. Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 16. August 2022 – 9 AZR 76/22 (A) – Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 27. Januar 2022 – 5 Sa 1030/21 –","Tenor I. Der Gerichtshof der Europäischen Union wird nach Art. 267 AEUV um Vorabentscheidung über folgende Frage ersucht: Sind Art. 7 RL 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung und Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahingehend auszulegen, dass sie einer innerstaatlichen Regelung oder Praxis entgegenstehen, der zufolge ein vom Arbeitnehmer beantragter und vom Arbeitgeber bewilligter bezahlter Jahresurlaub, der sich mit einer nach Urlaubsbewilligung durch die zuständige Behörde wegen Ansteckungsverdachts angeordneten häuslichen Quarantäne zeitlich überschneidet, nicht nachzugewähren ist, wobei beim Arbeitnehmer während der Quarantäne keine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit besteht? II. Das Revisionsverfahren wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über das Vorabentscheidungsersuchen ausgesetzt. Leitsatz Der Gerichtshof der Europäischen Union wird nach Art. 267 AEUV um Vorabentscheidung über folgende Frage ersucht: Sind Art. 7 RL 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung und Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahingehend auszulegen, dass sie einer innerstaatlichen Regelung oder Praxis entgegenstehen, der zufolge ein vom Arbeitnehmer beantragter und vom Arbeitgeber bewilligter bezahlter Jahresurlaub, der sich mit einer nach Urlaubsbewilligung durch die zuständige Behörde wegen Ansteckungsverdachts angeordneten häuslichen Quarantäne zeitlich überschneidet, nicht nachzugewähren ist, wobei beim Arbeitnehmer während der Quarantäne keine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit besteht? Entscheidungsgründe 1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (RL 2003/88/EG) und Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Charta). A. Gegenstand des Verfahrens: 2 Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Gutschrift von acht Urlaubstagen auf seinem Urlaubskonto und in diesem Zusammenhang darüber, ob der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub erfüllt wird, wenn für den bereits durch Urlaubsbewilligung festgelegten Urlaubszeitraum durch die zuständige Behörde häusliche Quarantäne wegen des Verdachts auf Ansteckung mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 angeordnet wird. 3 Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 24. November 1993 als Schlosser zu einem Bruttomonatsentgelt iHv. zuletzt 3.000,00 Euro beschäftigt. Auf seinen Antrag bewilligte ihm die Beklagte acht Tage Erholungsurlaub für die Zeit vom 12. bis zum 21. Oktober 2020. Mit Bescheid vom 14. Oktober 2020 ordnete die Stadt H die Absonderung des Klägers in häusliche Quarantäne für die Zeit vom 9. bis zum 21. Oktober 2020 an, weil er Kontakt zu einer mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizierten Person hatte. In dem Bescheid heißt es auszugsweise:          „…              auf Grund des § 28 in Verbindung mit § 16 Abs. 8 und § 30 Abs. 1 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) vom 20. Juli 2000 (BGBl. I Seite 1045) in der aktuellsten Fassung wird Ihnen hiermit Folgendes angeordnet:                   1.     Sie sind in Kontakt gekommen mit einem bestätigten COVID-19-Fall. Deshalb wird Ihnen eine Absonderung in Form der häuslichen Quarantäne ab 09.10.2020 bis 21.10.2020 angeordnet.                   2.     Es ist in dieser Zeit untersagt, Ihre Wohnung ohne ausdrückliche Zustimmung des Gesundheitsamtes zu verlassen. Ferner ist es Ihnen in dieser Zeit untersagt, Besuch von Personen zu empfangen, die nicht ihrem Haushalt angehören.                   3.     Für die Zeit der Absonderung unterliegen Sie der Beobachtung durch das Gesundheitsamt gemäß § 29 IfSG. Danach haben Sie Untersuchungen und Entnahmen von Untersuchungsmaterial durch die Beauftragten des Gesundheitsamtes an sich vornehmen zu lassen, insbesondere erforderliche äußerliche Untersuchungen, Abstriche von Haut und Schleimhäuten oder Blutentnahmen, sowie das erforderliche Untersuchungsmaterial auf Verlangen bereitzustellen. Anordnungen des Gesundheitsamtes haben Sie Folge zu leisten. Sie können durch das Gesundheitsamt vorgeladen werden.                   4.     Ferner sind Sie verpflichtet, den Beauftragten des Gesundheitsamtes zum Zwecke der Befragung oder der Untersuchung den Zutritt zu ihrer Wohnung zu gestatten und auf Verlangen ihnen über alle Ihren Gesundheitszustand betreffenden Umstände Auskunft zu geben.          …                          Die Maßnahme der häuslichen Quarantäne wurde fernmündlich ausgesprochen. Gleichzeitig wurden Sie dazu angehört. Sie erklärten sich mit dieser Maßnahme einverstanden.          …                 Aufgrund des Kontakts sind Sie als ansteckungsverdächtig anzusehen. Ansteckungsverdächtig ist gemäß § 2 Nr. 7 IfSG eine Person, von der anzunehmen ist, dass sie Krankheitserreger aufgenommen hat, auch ohne krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider zu sein. Die Aufnahme von Krankheitserregern ist anzunehmen, wenn die betroffene Person mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Kontakt zu einer infizierten Person hatte.          …“     4 Der Kläger informierte die Beklagte unverzüglich über die Quarantäne, während deren er selbst nicht arbeitsunfähig erkrankt war. Die Beklagte belastete das Urlaubskonto des Klägers für den festgelegten Urlaubszeitraum mit acht Tagen und zahlte ihm das Urlaubsentgelt. 5 Mit der Klage verfolgt der Kläger das Ziel, diese Urlaubstage seinem Urlaubskonto wieder gutzuschreiben. Er vertritt die Auffassung, infolge der nachträglichen Quarantäneanordnung sei hinsichtlich des bereits bewilligten Urlaubs keine Erfüllung eingetreten. Es sei ihm nicht möglich gewesen, seinen Urlaub selbstbestimmt zu gestalten. Die Situation bei einer Quarantäneanordnung sei der infolge einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit vergleichbar. Die Beklagte müsse ihm den Urlaub deshalb entsprechend § 9 BUrlG, dem zufolge ärztlich attestierte Krankheitszeiten während des Urlaubs nicht auf den Jahresurlaub angerechnet werden dürfen, nachgewähren. 6 Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. B. Das nationale Recht 7 I. Bürgerliches Gesetzbuch:          „§ 275 Ausschluss der Leistungspflicht          (1) Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.          …“     8 II. Bundesurlaubsgesetz:          „§ 7 Zeitpunkt, Übertragbarkeit und Abgeltung des Urlaubs          (1) Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs sind die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, daß ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen. …                            § 9 Erkrankung während des Urlaubs          Erkrankt ein Arbeitnehmer während des Urlaubs, so werden die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Jahresurlaub nicht angerechnet.                            § 10 Maßnahmen der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation          Maßnahmen der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation dürfen nicht auf den Urlaub angerechnet werden, soweit ein Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts nach den gesetzlichen Vorschriften über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall besteht.          …“     9 III. Infektionsschutzgesetz (in der Fassung vom 19. Juni 2020)          „§ 2 Begriffsbestimmungen          Im Sinne dieses Gesetzes ist          …                          7.     Ansteckungsverdächtiger                   eine Person, von der anzunehmen ist, dass sie Krankheitserreger aufgenommen hat, ohne krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider zu sein,          …                          § 28 Schutzmaßnahmen          (1) Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten. …          § 56 Entschädigung          (1) Wer auf Grund dieses Gesetzes als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern im Sinne von § 31 Satz 2 Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet, erhält eine Entschädigung in Geld. Das Gleiche gilt für Personen, die als Ausscheider, Ansteckungsverdächtige oder Krankheitsverdächtige abgesondert wurden oder werden, bei Ausscheidern jedoch nur, wenn sie andere Schutzmaßnahmen nicht befolgen können. … Eine Entschädigung nach den Sätzen 1 und 2 erhält nicht, wer durch Inanspruchnahme einer Schutzimpfung oder anderen Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die gesetzlich vorgeschrieben ist oder im Bereich des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Betroffenen öffentlich empfohlen wurde, ein Verbot in der Ausübung seiner bisherigen Tätigkeit oder eine Absonderung hätte vermeiden können.          …                 (2) Die Entschädigung bemisst sich nach dem Verdienstausfall. Für die ersten sechs Wochen wird sie in Höhe des Verdienstausfalls gewährt. Vom Beginn der siebenten Woche an wird sie in Höhe des Krankengeldes nach § 47 Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch gewährt, soweit der Verdienstausfall die für die gesetzliche Krankenversicherungspflicht maßgebende Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht übersteigt. Im Fall des Absatzes 1a wird die Entschädigung abweichend von den Sätzen 2 und 3 in Höhe von 67 Prozent des der erwerbstätigen Person entstandenen Verdienstausfalls für jede erwerbstätige Person für längstens zehn Wochen gewährt, für eine erwerbstätige Person, die ihr Kind allein beaufsichtigt, betreut oder pflegt, längstens für 20 Wochen; für einen vollen Monat wird höchstens ein Betrag von 2016 Euro gewährt.          (3) Als Verdienstausfall gilt das Arbeitsentgelt (§ 14 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch), das dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit nach Abzug der Steuern und der Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung oder entsprechenden Aufwendungen zur sozialen Sicherung in angemessenem Umfang zusteht (Netto-Arbeitsentgelt). …          (5) Bei Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber für die Dauer des Arbeitsverhältnisses, längstens für sechs Wochen, die Entschädigung für die zuständige Behörde auszuzahlen. Die ausgezahlten Beträge werden dem Arbeitgeber auf Antrag von der zuständigen Behörde erstattet. Im Übrigen wird die Entschädigung von der zuständigen Behörde auf Antrag gewährt.          (6) Bei Arbeitnehmern richtet sich die Fälligkeit der Entschädigungsleistungen nach der Fälligkeit des aus der bisherigen Tätigkeit erzielten Arbeitsentgelts. …“ 10 IV. Mutterschutzgesetz          „§ 24 Fortbestehen des Erholungsurlaubs bei Beschäftigungsverboten          Für die Berechnung des Anspruchs auf bezahlten Erholungsurlaub gelten die Ausfallzeiten wegen eines Beschäftigungsverbots als Beschäftigungszeiten. Hat eine Frau ihren Urlaub vor Beginn eines Beschäftigungsverbots nicht oder nicht vollständig erhalten, kann sie nach dem Ende des Beschäftigungsverbots den Resturlaub im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr beanspruchen.“ C. Einschlägige Vorschriften des Unionsrechts 11 Die Richtlinie 2003/88/EG lautet auszugsweise:          „Artikel 7          Jahresurlaub          (1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind.                   (2) Der bezahlte Mindestjahresurlaub darf außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden.“          12 In der Charta der Grundrechte der Europäischen Union heißt es ua.:          „Artikel 31          Gerechte und angemessene Arbeitsbedingungen          …                 (2)      Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie auf bezahlten Jahresurlaub.“ D. Nationale Rechtsprechung 13 I. Nach der Rechtsprechung des Senats stehen Umstände, die im Anschluss an die Festlegung des Urlaubszeitraums eintreten und für sich gesehen die Arbeitspflicht entfallen lassen, der Erfüllung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub grundsätzlich nur dann entgegen, wenn gesetzliche Regelungen oder Tarifbestimmungen die Nichtanrechnung von Urlaub anordnen. Für Zeiten einer während des Erholungsurlaubs behördlich angeordneten Quarantäne sieht bisher weder das nationale Gesetz noch – soweit ersichtlich – das Unionsrecht die Nachgewährung von Urlaub vor, wie sie zB für den Fall der Erkrankung im Urlaub durch § 9 BUrlG angeordnet ist. Die nach der Entscheidung des Senats durch das Gesetz zur Stärkung des Schutzes der Bevölkerung und insbesondere vulnerabler Personengruppen vor COVID-19 vom 16. September 2022 (BGBl. I S. 1454) getroffene Neuregelung in § 59 Abs. 1 IfSG findet auf den streitgegenständlichen Zeitraum noch keine Anwendung. 14 1. Die Erfüllung des Urlaubsanspruchs setzt voraus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer durch entsprechende Erklärung von der Arbeitspflicht freistellt (st. Rspr., BAG 25. August 2020 – 9 AZR 612/19 – Rn. 15, BAGE 172, 66; 9. August 2016 – 9 AZR 575/15 – Rn. 11 mwN, BAGE 156, 65) und ihm das Urlaubsentgelt entweder nach § 11 BUrlG vor Antritt des Urlaubs zahlt oder dessen Zahlung vorbehaltlos zusagt (st. Rspr., BAG 19. Februar 2019 – 9 AZR 321/16 – Rn. 56; 19. Juni 2018 – 9 AZR 615/17 – Rn. 21, BAGE 163, 72). Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist die Urlaubserteilung des Arbeitgebers regelmäßig gesetzeskonform so zu verstehen, dass der Arbeitgeber damit zugleich streitlos stellt, für den gewährten Urlaub dem Grunde nach zur Zahlung von Urlaubsentgelt nach den gesetzlichen Vorgaben und etwaigen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen verpflichtet zu sein (vgl. BAG 30. Januar 2019 – 5 AZR 43/18 – Rn. 45, BAGE 165, 205). 15 2. Damit die Verpflichtung zur Urlaubserteilung nach § 362 Abs. 1 BGB erlischt, genügt jedoch nicht die Vornahme der erforderlichen Leistungshandlung (st. Rspr., zB BAG 9. August 2016 – 9 AZR 575/15 – Rn. 11, BAGE 156, 65; 18. März 2014 – 9 AZR 669/12 – Rn. 16; 9. August 1994 – 9 AZR 384/92 – zu 2 a der Gründe, BAGE 77, 296). Die Freistellungserklärung des Arbeitgebers kann das Erlöschen des Urlaubsanspruchs nur bewirken, soweit der Arbeitnehmer für den Freistellungszeitraum zur Arbeitsleistung verpflichtet ist. Für das Vorliegen der für die Gewährung und Inanspruchnahme von Urlaub erforderlichen Arbeitspflicht ist allein die objektive Rechtslage maßgeblich (st. Rspr., BAG 25. Januar 2022 – 9 AZR 230/21 – Rn. 19; 25. August 2020 – 9 AZR 612/19 – Rn. 17, BAGE 172, 66). 16 3. Der Arbeitgeber schuldet bezahlte Freistellung zum Zwecke der Erholung und Entspannung, jedoch keinen bestimmten „Urlaubserfolg“ (vgl. BAG 25. August 2020 – 9 AZR 612/19 – Rn. 28, BAGE 172, 66). Mit der Festlegung des Urlaubszeitraums auf Wunsch des Arbeitnehmers (§ 7 Abs. 1 BUrlG) hat der Arbeitgeber als Schuldner des Anspruchs auf bezahlte Freistellung das zu seiner Leistung Erforderliche getan (BAG 10. Mai 2005 – 9 AZR 251/04 – Rn. 27, BAGE 114, 313; vgl. zur Entgeltkomponente des Urlaubsanspruchs BAG 30. Januar 2019 – 5 AZR 43/18 – Rn. 44 f., BAGE 165, 205). Die Arbeitspflicht ist – einvernehmlich – mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben. Treten anschließend zusätzlich Umstände eines anderen Freistellungstatbestands ein, kann die bereits suspendierte Leistungspflicht im Urlaubszeitraum nicht noch einmal erlöschen. Aufgrund der Urlaubsbewilligung bestand bereits keine Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung mehr. Dies führt dazu, dass der zum Zwecke der Erholung und Entspannung freigestellte Arbeitnehmer im Freistellungszeitraum seine Urlaubsvergütung weiter beanspruchen kann, auch wenn er die ihm eingeräumte Freizeit infolge später eintretender urlaubsstörender Ereignisse nicht uneingeschränkt so gestalten kann, wie er sich dies eigentlich vorgestellt hatte. Entgegen der bisher vom Senat vertretenen Auffassung (vgl. BAG 9. August 2016 – 9 AZR 575/15 – Rn. 12, BAGE 156, 65; 16. Dezember 2008 – 9 AZR 164/08 – Rn. 38 mwN, BAGE 129, 46) geht der durch die Leistungshandlung konkretisierte Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers in einem solchen Fall nicht gemäß § 275 Abs. 1 BGB nachträglich ersatzlos unter. Es bleibt bei der bezahlten Freistellung zum Zweck der Gewährung des bezahlten Jahresurlaubs. 17 4. Nach Urlaubsbewilligung eintretende und vom Arbeitgeber nicht unmittelbar zu beeinflussende Umstände, die dazu führen, dass der Arbeitnehmer die Zeit der Befreiung von der Arbeitspflicht zum Zwecke des Erholungsurlaubs nicht oder nicht uneingeschränkt in der beabsichtigten Weise nutzen kann, sind regelmäßig dem persönlichen Lebensbereich des Arbeitnehmers zuzuordnen und fallen damit grundsätzlich in seine Risikosphäre (BAG 25. August 2020 – 9 AZR 612/19 – Rn. 29, BAGE 172, 66). Der Arbeitgeber schuldet als Leistungserfolg allein die bezahlte Freistellung von der Arbeitspflicht; er hat jedoch nicht für eine bestimmte Qualität des Freistellungszeitraums einzustehen (BAG 25. August 2020 – 9 AZR 612/19 – Rn. 28, aaO). Dem Arbeitnehmer ist wegen nachträglichen Eintritts urlaubsstörender Umstände der „misslungene“ Urlaub nur nachzugewähren, soweit der Gesetzgeber oder die Tarifvertragsparteien das Urlaubsrisiko dem Arbeitgeber auferlegt haben. 18 a) § 9 BUrlG bestimmt, dass durch ärztliches Zeugnis nachgewiesene Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den bewilligten Jahresurlaub nicht angerechnet werden. Ohne diese Bestimmung verbliebe es in Krankheitsfällen bei der urlaubsbedingten Freistellung. Die Arbeitspflicht war bereits durch die Bewilligung des Urlaubs aufgehoben. Hiervon enthält § 9 BUrlG eine – unionsrechtlich gebotene (vgl. EuGH 30. Juni 2016 – C-178/15 – [Sobczyszyn] Rn. 26; 10. September 2009 – C-277/08 – [Vicente Pereda] Rn. 22) – Ausnahme zugunsten des Arbeitnehmers (BAG 18. März 2014 – 9 AZR 669/12 – Rn. 23). Die Bestimmung beruht auf dem Gedanken, dass der Arbeitnehmer, der während des Urlaubs erkrankt, sich nicht erholen kann. Urlaub und Krankheit schließen einander aus. Der mit der Urlaubsgewährung verfolgte Zweck wird durch den Eintritt der Krankheit vereitelt. Dies soll nicht zu Lasten des Arbeitnehmers gehen, dessen Erholungsbedürfnis weiterbesteht (so bereits BAG 1. Juli 1974 – 5 AZR 600/73 – zu 3 a der Gründe). Der Urlaub wird, soweit er gemäß § 9 BUrlG unterbrochen wird, zu einem späteren Zeitpunkt gewährt. Der Arbeitnehmer hat damit in diesem gesetzlich geregelten Fall keinen Anspruch auf Urlaubsentgelt, sondern auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (vgl. BAG 23. Februar 2021 – 5 AZR 304/20 – Rn. 20; 27. Mai 2020 – 5 AZR 247/19 – Rn. 49, BAGE 170, 311). 19 b) § 10 BUrlG trifft eine entsprechende Regelung. Danach dürfen Maßnahmen der Vorsorge und Rehabilitation nicht auf den bezahlten Erholungsurlaub angerechnet werden, soweit ein Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts nach den gesetzlichen Vorschriften über die Entgeltzahlung im Krankheitsfall besteht. 20 c) § 24 Satz 2 MuSchG regelt die Unvereinbarkeit von Urlaub und einer (vollständigen) Arbeitsbefreiung infolge mutterschutzrechtlicher Beschäftigungsverbote mit der Folge, dass das Risiko der Leistungsstörung durch ein in den festgelegten Urlaubszeitraum fallendes mutterschutzrechtliches Beschäftigungsverbot dem Arbeitgeber zugewiesen wird (BAG 9. August 2016 – 9 AZR 575/15 – Rn. 15, BAGE 156, 65). 21 d) Im streitgegenständlichen Zeitraum enthielt das nationale Recht keine (Ausnahme-)Bestimmung, die für den Fall einer zeitlichen Überschneidung von bewilligtem Urlaub und aufgrund Ansteckungsgefahr angeordneter häuslicher Quarantäne dessen Nachgewährung anordnet. Der Gesetzgeber hat bei den Änderungen des Infektionsschutzgesetzes im Zusammenhang mit der SARS-CoV-2-Pandemie weder § 9 BUrlG um eine behördliche Anordnung häuslicher Quarantäne erweitert noch für die Absonderung spezielle Regelungen geschaffen, wie sie in § 24 Satz 2 MuSchG (vgl. dazu BAG 9. August 2016 – 9 AZR 575/15 – Rn. 13 ff., BAGE 156, 65), oder § 3 Abs. 1 Satz 1 THW-Helferrechtsgesetz (vgl. dazu BAG 10. Mai 2005 – 9 AZR 251/04 – Rn. 32 ff., BAGE 114, 313) normiert sind (vgl. Hein/Tophof NZA 2021, 601; Isenhardt ArbRAktuell 2022, 281, 282). Der deutsche Gesetzgeber hat erst nach der Entscheidung des Senats durch das Gesetz zur Stärkung des Schutzes der Bevölkerung und insbesondere vulnerabler Personengruppen vor COVID-19 vom 16. September 2022 (BGBl. I S. 1454) das Zusammentreffen von Urlaub und Quarantäne erstmals positvgesetzlich geregelt. Die neu in das Infektionsschutzgesetz aufgenommene Bestimmung des § 59 Abs. 1 IfSG ordnet mit ex-nunc-Wirkung an, dass in Fällen, in denen ein Beschäftigter während seines Urlaubs nach § 30 IfSG, auch in Verbindung mit § 32 IfSG, abgesondert wird oder sich aufgrund einer nach § 36 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 IfSG erlassenen Rechtsverordnung abzusondern hat, die Tage der Absonderung nicht auf den Jahresurlaub angerechnet werden. Die Vorschrift findet auf den streitgegenständlichen Zeitraum noch keine Anwendung. 22 5. Bei den geltenden Bestimmungen über die Nichtanrechnung von Urlaub handelt es sich um Ausnahmevorschriften, die sich nach nationalem Recht nicht ohne weiteres auf andere urlaubsstörende Ereignisse, aus denen sich eine Beseitigung der Arbeitspflicht des Arbeitnehmers ergibt, übertragen lassen (vgl. BAG 18. März 2014 – 9 AZR 669/12 – Rn. 23; 10. Mai 2005 – 9 AZR 251/04 – Rn. 30, BAGE 114, 313; 9. August 1994 – 9 AZR 384/92 – zu 2 c der Gründe, BAGE 77, 296; NK-ArbR/Düwell BUrlG § 9 Rn. 2; ErfK/Gallner 22. Aufl. BUrlG § 9 Rn. 2). Die Regelung in § 9 BUrlG ist damit nicht unmittelbar auf in Quarantäne befindliche Ansteckungsverdächtige, die selbst nicht erkrankt sind, anzuwenden. Ein Arbeitgeber ist in einem solchen Fall nach Auffassung des Senats aber auch nicht in analoger Anwendung des § 9 BUrlG zur Nachgewährung des sich mit der Quarantäne überschneidenden Urlaubs verpflichtet. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz liegt nach nationalem Recht weder eine planwidrige Regelungslücke noch eine vergleichbare Interessenlage vor. 23 a) Die analoge Anwendung einer Vorschrift ist nur möglich, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält, deren Planwidrigkeit aufgrund konkreter Umstände positiv festgestellt werden kann. Andernfalls könnte jedes Schweigen des Gesetzgebers als planwidrige Lücke aufgefasst und im Wege der Rechtsfortbildung von den Gerichten ausgefüllt werden. Die Lücke muss sich aus dem unbeabsichtigten Abweichen des Gesetzgebers von seinem dem konkreten Gesetzgebungsverfahren zugrundeliegenden Regelungsplan ergeben. Darüber hinaus muss der gesetzlich ungeregelte Fall nach Maßgabe des Gleichheitssatzes und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen nach der gleichen Rechtsfolge verlangen wie die gesetzessprachlich erfassten Fälle (vgl. BAG 23. Oktober 2019 – 7 ABR 7/18 – Rn. 20, BAGE 168, 204; 25. Januar 2018 – 8 AZR 338/16 – Rn. 42 mwN). Richterliche Rechtsfortbildung darf nicht dazu führen, dass ein Gericht seine eigene materielle Gerechtigkeitsvorstellung an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzt. Die Aufgabe der Rechtsprechung beschränkt sich darauf, den vom Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck eines Gesetzes auch unter gewandelten Bedingungen möglichst zuverlässig zur Geltung zu bringen oder eine planwidrige Regelungslücke mit den anerkannten Auslegungsmethoden zu füllen. Eine Interpretation, die als richterliche Rechtsfortbildung den Wortlaut des Gesetzes hintanstellt und sich über den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers hinwegsetzt, greift unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein (vgl. BVerfG 6. Juni 2018 – 1 BvL 7/14, 1 BvL 1375/14 – Rn. 73, BVerfGE 149, 126; BAG 12. Juli 2016 – 9 AZR 352/15 – Rn. 19). 24 b) Für eine entsprechende Anwendung der Rechtsfolgen des § 9 BUrlG auf Fälle einer behördlichen Anordnung häuslicher Quarantäne fehlt es nach Auffassung des Senats bereits an einer planwidrigen Regelungslücke. Der Gesetzgeber des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz) hat mit § 56 IfSG eine abschließende Regelung über die finanziellen Folgen einer Absonderung getroffen. In der amtlichen Begründung des § 48 des Regierungsentwurfs eines Bundes-Seuchengesetzes (BT-Drs. III/1888 S. 27) – einer Vorgängerregelung des § 56 IfSG – wird ausgeführt, dass die Entschädigungsvorschrift eine Billigkeitsregelung darstelle, die keinen vollen Schadensausgleich, sondern nur eine gewisse Sicherung der von einem Berufsverbot Betroffenen vor materieller Not bezwecke. Da dieser Personenkreis vom Schicksal in ähnlicher Weise betroffen sei wie Erkrankte, sollten ihm Leistungen gewährt werden, die er als Versicherter in der gesetzlichen Krankenversicherung im Krankheitsfalle erhielte. Damit beabsichtigte der Gesetzgeber keine vollständige Gleichstellung mit arbeitsunfähig erkrankten Personen, sondern lediglich eine punktuelle Absicherung (vgl. den schriftlichen Bericht des Ausschusses für Gesundheitswesen vom 17. April 1961, BT-Drs. III/2662 S. 3 „in etwa“). Diesem gesetzgeberischen Ziel entspricht es, dass das dem Bundes-Seuchengesetz zeitlich nachfolgende Bundesurlaubsgesetz die Nachgewährung von Urlaub in § 9 auf Fälle der Arbeitsunfähigkeit infolge der Erkrankung beschränkt hat. 25 c) Selbst bei Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke stände einer analogen Anwendung des § 9 BUrlG entgegen, dass der gesetzlich ungeregelte Fall der Nichtanrechnung von Zeiten behördlich angeordneter Quarantäne auf den Urlaub weder nach Maßgabe des Gleichheitssatzes noch zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen zwingend nach der in § 9 BUrlG geregelten Rechtsfolge verlangt. Die Situationen sind dazu nicht hinreichend vergleichbar. 26 aa) Krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglich geschuldete Tätigkeit beim Arbeitgeber wegen Krankheit nicht mehr ausüben kann oder nicht mehr ausüben sollte, weil die Heilung einer vorhandenen Krankheit nach ärztlicher Prognose verhindert oder verzögert wird (BAG 18. März 2014 – 9 AZR 669/12 – Rn. 25; 23. Januar 2008 – 5 AZR 393/07 – Rn. 19 mwN). Während der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit ist der Fokus des Arbeitnehmers typischerweise auf seine Genesung und die Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit gerichtet. Dies weicht vom Zweck des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub ab, es dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich zu erholen und über einen Zeitraum der Entspannung und Freizeit zu verfügen. Aufgrund der unterschiedlichen Zweckrichtung der Arbeitsbefreiung aufgrund von Krankheit und Urlaub ist es auch unionsrechtlich geboten, dass ein Arbeitnehmer, der während eines im Voraus festgelegten Urlaubszeitraums erkrankt, nach Wiedergenesung die Nachgewährung des Urlaubs verlangen kann (EuGH 30. Juni 2016 – C-178/15 – [Sobczyszyn] Rn. 26; 10. September 2009 – C-277/08 – [Vicente Pereda] Rn. 22). 27 bb) Die Situation einer Person, die von einer behördlichen Anordnung häuslicher Quarantäne betroffen, aber nicht selbst arbeitsunfähig erkrankt ist, unterscheidet sich davon wesentlich. Es bedarf weder einer Genesungszeit noch Behandlungsmaßnahmen zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, die den Arbeitnehmer erst in einen Zustand versetzen, den Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub ausüben zu können. Die betroffene Person ist zwar in ihrer Bewegungsfreiheit stark und im Einzelfall möglicherweise sogar stärker eingeschränkt als ein arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer. Er hat aber – wenngleich in dem durch die Umstände der Quarantäne begrenzten Umfang – die Möglichkeit, sich von der Arbeit zu erholen und über einen von den Belastungen des Arbeitsverhältnisses und dem Einfluss des Arbeitgebers unbeeinträchtigten Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu verfügen. 28 d) Ungeachtet der insoweit abweichenden Auffassung des Bundesgerichthofs (BGH 30. November 1978 – III ZR 43/77 – zu I 3 c der Gründe) kann der Senat daher entscheiden, dass § 9 BUrlG auf Fälle der behördlichen Anordnung häuslicher Quarantäne nicht entsprechend anwendbar ist, ohne dazu zuvor den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes nach § 2 Abs. 1 RsprEinhG anzurufen. 29 aa) Nach § 2 Abs. 1 RsprEinhG ist die Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes geboten, wenn ein oberster Gerichtshof in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen obersten Gerichtshofs oder des Gemeinsamen Senats abweichen will. Voraussetzung hierfür ist, dass sich die zur Entscheidung vorgelegte Rechtsfrage im Anwendungsbereich derselben Rechtsvorschrift stellt oder dass sie auf der Grundlage von Vorschriften aufgeworfen wird, die zwar in verschiedenen Gesetzen stehen, in ihrem Wortlaut aber im Wesentlichen und in ihrem Regelungsinhalt gänzlich übereinstimmen und deswegen nach denselben Prinzipien auszulegen sind (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes 12. März 1987 – GmS-OGB 6/86 – zu II der Gründe, BVerwGE 77, 370). 30 bb) Zwar hat der Bundesgerichtshof im Zusammenhang mit einem Entschädigungsanspruch nach dem früheren § 49 Abs. 1 BSeuchG (Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten beim Menschen [Bundes-Seuchengesetz] vom 18. Juli 1961, BGBl. I S. 1012) erkannt, dass § 9 BUrlG entsprechend anzuwenden sei, wenn gegen einen Arbeitnehmer für Zeiten bewilligten Urlaubs ein seuchenpolizeiliches Tätigkeitsverbot verhängt worden ist. Der Bundesgerichtshof hat angenommen, Ausscheider, Ausscheidungsverdächtige und Ansteckungsverdächtige seien vom Schicksal in ähnlicher Weise betroffen wie Kranke. Die Ähnlichkeit dieser Beschränkungen mit denjenigen, die auf einer Krankheit im medizinischen Sinne beruhten, rechtfertigten es, den in § 9 BUrlG enthaltenen Rechtsgedanken auf Fälle der vorliegenden Art mit der Maßgabe anzuwenden, dass im Einzelfall zu prüfen sei, ob durch die Beschränkungen die Gestaltung, die der Betroffene seinem Erholungsurlaub üblicherweise gegeben hätte, tatsächlich erheblich beeinträchtigt worden ist. Dabei geht der Bundesgerichtshof von der Prämisse aus, zu einer echten Erholung gehöre eine Sphäre der Selbstbestimmung und des Lebensgenusses (vgl. BGH 30. November 1978 – III ZR 43/77 – zu I 3 c aa der Gründe). 31 cc) Es bedarf keiner Entscheidung darüber, ob diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mit der Auffassung des Senats im Einklang steht. Einer Anrufung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes nach § 2 Abs. 1 RsprEinhG zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung bedarf es jedenfalls deshalb nicht, weil gemäß § 68 Abs. 1 IfSG idF vom 18. November 2020 für Streitigkeiten über Entschädigungsanträge nach § 56 Abs. 5 Satz 3 IfSG nunmehr der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gegeben ist. Das Rechtsgebiet, über das der Bundesgerichtshof seinerzeit zu entscheiden hatte, liegt nunmehr außerhalb seines Zuständigkeitsbereichs. Das – nach aktuellem Recht als Revisionsgericht zuständige – Bundesverwaltungsgericht hat sich mit der Rechtsfrage, ob § 9 BUrlG auf Quarantänefälle entsprechend anwendbar ist, noch nicht befasst. 32 II. Nach diesen Grundsätzen des nationalen Rechts hätte die Beklagte den Anspruch des Klägers auf bezahlten Jahresurlaub durch bezahlte Freistellung in der Zeit vom 12. bis zum 21. Oktober 2020 iSv. § 362 Abs. 1 BGB erfüllt. Der Urlaub wäre im Umfang von acht Tagen ersatzlos erloschen, obwohl der Umstand der behördlich angeordneten Quarantäne für den Arbeitnehmer nicht vorhersehbar und von seinem Willen unabhängig während der Zeit der Freistellung eingetreten ist. Der wegen Ansteckungsverdachts in Quarantäne befindliche Kläger war jedoch nicht arbeitsunfähig erkrankt, so dass ihm die Urlaubstage während dieser Zeit, in der er Urlaubsvergütung bezogen hat, nicht nach § 9 BUrlG erhalten bleiben. E. Erforderlichkeit der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union 33 Der Senat kann nicht abschließend darüber befinden, ob diese Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG oder Art. 31 Abs. 2 der Charta im Einklang steht, ohne den Gerichtshof anzurufen, dem nach Art. 267 AEUV die Aufgabe der verbindlichen Auslegung des Unionsrechts zugewiesen ist. F. Erläuterung der Vorlagefrage 34 Für die Entscheidung des Rechtsstreits bedarf es einer Klärung durch den Gerichtshof, ob das Unionsrecht eine innerstaatliche Regelung oder Praxis gestattet, die den Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub durch Freistellung und Fortzahlung der gewöhnlichen Vergütung auch für Zeiten als erfüllt ansieht, in denen die zuständige Behörde nach der Urlaubsbewilligung durch den Arbeitgeber wegen des Verdachts auf Ansteckung mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 häusliche Quarantäne angeordnet hat, oder ob der Urlaub in diesem Fall für den selbst nicht erkrankten Arbeitnehmer nachzugewähren ist. 35 I. Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs soll der in Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG verankerte Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub dem Arbeitnehmer ermöglichen, sich von der Ausübung der ihm nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben zu erholen und über einen Zeitraum der Entspannung und Freizeit zu verfügen (vgl. EuGH 6. November 2018 – C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften] Rn. 32; 20. Juli 2016 – C-341/15 – [Maschek] Rn. 34 mwN). Die bisherige Judikatur des Gerichtshofs deutet darauf hin, dass der Arbeitgeber grundsätzlich nur bezahlte Freistellung zur Erfüllung des Erholungsurlaubs, nicht jedoch einen darüberhinausgehenden Urlaubserfolg (Qualität des Freistellungszeitraums) schuldet, sofern dem nicht Umstände entgegenstehen, die (wie zB Krankheit, Unfall oder Mutterschutz) dem durch die Richtlinie 2003/88/EG gewährleisteten Mindestschutz des Jahresurlaubs zuwiderlaufen. 36 1. Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass eine nationale Regelung im Einklang mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG einen nach nationalem Recht vorgesehenen Sonderurlaub ausschließen kann, wenn die Bedürfnisse und Verpflichtungen, für die dieser Sonderurlaub zu gewähren ist, während des bezahlten Jahresurlaubs eintreten (EuGH 4. Juni 2020 – C-588/18 – [Fetico ua.] Rn. 42). Das vom Gerichtshof geprüfte Regelungswerk räumte Arbeitnehmern grundsätzlich einen Anspruch auf bezahlten Sonderurlaub ein, der es ihnen ermöglichte, bestimmten Bedürfnissen und Verpflichtungen (wie zB Krankenhausaufenthalt, chirurgische Operation oder beim Tod eines nahen Angehörigen sowie Erfüllung einer zwingenden im öffentlichen Interesse liegenden persönlichen Verpflichtung oder gewerkschaftlicher Vertretungsfunktionen) nachzukommen. Der Anspruch auf bezahlten Sonderurlaub bestand indessen nicht, wenn die Bedürfnisse und Verpflichtungen während des bezahlten Jahresurlaubs eintraten, obwohl diese den Urlaubsgenuss und die Gestaltung der durch die Urlaubsbewilligung eingeräumten Freizeit zu beeinträchtigen geeignet waren. Der Gerichtshof hat erkannt, dass derartige Sonderurlaubsregelungen nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2003/88/EG fallen, sondern der Ausübung der eigenen Befugnisse durch einen Mitgliedstaat unterliegen (EuGH 4. Juni 2020 – C-588/18 – [Fetico ua.] Rn. 31). Anders als bei einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit, bei der der Arbeitnehmer berechtigt ist, den Jahresurlaub auf seinen Antrag zu einer anderen als der mit dem Krankheitsurlaub zusammenfallenden Zeit zu nehmen, damit er ihn tatsächlich in Anspruch nehmen kann (EuGH 4. Juni 2020 – C-588/18 – [Fetico ua.] Rn. 34 mwN), hat der Gerichtshof für die den Eintritt der grundsätzlich zum Sonderurlaub berechtigenden Bedürfnisse und Verpflichtungen implizit erkannt, dass diese der Erfüllung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub nicht entgegenstehen, es sei denn, dadurch würde die Inanspruchnahme eines anderen unionsrechtlich gewährleisteten Urlaubs beeinträchtigt, der einen anderen Zweck verfolgt. Mit der Begründung, „die Bedürfnisse oder Verpflichtungen, die die Gewährung eines Sonderurlaubs rechtfertigen, [müssen] in einem Arbeitszeitraum eintreten“, „so dass sich die Arbeitnehmer während … des bezahlten Jahresurlaubs nicht auf ihn berufen können“ (EuGH 4. Juni 2020 – C-588/18 – [Fetico ua.] Rn. 35 f.), bringt der Gerichtshof zum Ausdruck, dass der Eintritt der – urlaubsstörenden – Sonderurlaubstatbestände nicht zur Unterbrechung des bewilligten Erholungsurlaubs führt. 37 2. Stehen danach den Jahresurlaub störende Bedürfnisse und Verpflichtungen wie Krankenhausaufenthalt, chirurgische Operation oder der Tod eines nahen Angehörigen sowie die Erfüllung einer zwingenden im öffentlichen Interesse liegenden persönlichen Verpflichtung oder gewerkschaftlicher Vertretungsfunktionen der Erfüllung des Urlaubsanspruchs grundsätzlich nicht entgegen, könnte dies auch dann gelten, wenn der Arbeitnehmer infolge häuslicher Quarantäne in der Gestaltung seiner Freizeit eingeschränkt ist. Sollten nach der Auffassung des Gerichtshofs durch die urlaubsstörende Wirkung der häuslichen Quarantäne weder die unionsrechtlichen Mindestanforderungen an Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung unterlaufen noch die durch Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG bezweckte Erholung und Entspannung maßgeblich vereitelt werden, wären die damit einhergehenden Einschränkungen als Teil des persönlichen Lebensschicksals dem Risikobereich des Arbeitnehmers zuzuordnen. Dies entspräche der Wertung des Gerichtshofs, dass eine aufgrund von in der Person des Arbeitnehmers liegenden Umständen stark eingeschränkte Möglichkeit, Freizeitaktivitäten nachzugehen, der Einordnung von Bereitschaftszeiten als Ruhezeit iSv. Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2003/88/EG nicht widerspricht (vgl. EuGH 9. März 2021 – C-344/19 – [Radiotelevizija Slovenija] Rn. 42). 38 II. Der Senat kann es aber nicht ausschließen, dass der Gerichtshof demgegenüber zu der Einschätzung gelangt, der durch die Richtlinie 2003/88/EG gewährleistete Mindestschutz werde durch die Absonderung wegen Ansteckungsgefahr ähnlich einer Erkrankung im Urlaub so wesentlich beeinträchtigt, dass er die Zeit der bezahlten Freizeit nicht in der unionsrechtlich gebotenen Weise nach seinen Vorstellungen gestalten kann und deshalb unionsrechtlich trotz an sich wirksamer Urlaubsfestlegung keine Erfüllung eintreten kann. 39 1. Für das Zusammentreffen von bezahltem Jahresurlaub und Krankheitsurlaub hat der Gerichtshof festgestellt, dass angesichts der unterschiedlichen Zwecke dieser beiden Urlaubsarten ein Arbeitnehmer, der sich während eines im Voraus festgelegten bezahlten Jahresurlaubs im Krankheitsurlaub befindet, berechtigt ist, den Jahresurlaub auf seinen Antrag zu einer anderen als der mit dem Krankheitsurlaub zusammenfallenden Zeit zu nehmen, damit er ihn tatsächlich in Anspruch nehmen kann (vgl. EuGH 4. Juni 2020 – C-588/18 – [Fetico ua.] Rn. 33 f.; 30. Juni 2016 – C-178/15 – [Sobczyszyn] Rn. 25 f.; 10. September 2009 – C-277/08 – [Vicente Pereda] Rn. 22). 40 2. Dieser unionsrechtliche Grundsatz könnte auch für den Fall des Zusammentreffens von Urlaub und einer behördlichen angeordneten häuslichen Quarantäne Geltung beanspruchen. Ebenso wie die Erkrankung ist auch die behördliche Anordnung häuslicher Quarantäne grundsätzlich nicht vorhersehbar und vom Willen des Arbeitnehmers unabhängig. Der Arbeitnehmer kann die behördliche Absonderung regelmäßig nicht vermeiden, es sei denn, er hat deren Voraussetzung schuldhaft (zB durch eine vermeidbare Reise in ein Risikogebiet) herbeigeführt. Zudem beeinträchtigen Krankheit und Quarantäne den Arbeitnehmer darin, die durch die Urlaubsbewilligung erlangte Freizeit selbstbestimmt zu gestalten.              Kiel                  Suckow                  Zimmermann                                    Anthonisen                  Jürging" bag_31-22,25.08.2022,"25.08.2022 31/22 - (Un-)Pfändbarkeit einer Corona-Sonderzahlung Zahlt ein Arbeitgeber, der nicht dem Pflegebereich angehört, freiwillig an seine Beschäftigten eine Corona-Prämie, ist diese Leistung als Erschwerniszulage nach § 850a Nr. 3 ZPO* unpfändbar, wenn ihr Zweck in der Kompensation einer tatsächlichen Erschwernis bei der Arbeitsleistung liegt, soweit die Prämie den Rahmen des Üblichen nicht übersteigt. Der Beklagte betreibt eine Gaststätte. Er zahlte an seine Beschäftigte (im Folgenden Schuldnerin), die als Küchenhilfe eingestellt war, aber auch als Thekenkraft eingesetzt wurde, im September 2020 neben dem Monatslohn iHv. 1.350,00 Euro brutto und Sonntagszuschlägen iHv. 66,80 Euro brutto eine Corona-Prämie iHv. 400,00 Euro. Über das Vermögen der Schuldnerin war im Jahr 2015 das Insolvenzverfahren eröffnet und die Klägerin zur Insolvenzverwalterin bestellt worden. Für den Monat September 2020 errechnete die Klägerin aus dem Monatslohn sowie der Corona-Prämie als pfändungsrelevanten Nettoverdienst einen Betrag iHv. 1.440,47 Euro und forderte den Beklagten erfolglos zur Zahlung eines aus ihrer Sicht pfändbaren Betrags iHv. 182,99 Euro netto auf. Mit ihrer Klage vertritt die Klägerin weiterhin die Auffassung, dass die vom Beklagten an die Schuldnerin gezahlte Corona-Prämie pfändbar sei. Anders als im Pflegebereich, wo der Gesetzgeber in § 150a Abs. 8 Satz 4 SGB XI ausdrücklich die Unpfändbarkeit der Corona-Prämie bestimmt habe, bestehe für eine Sonderzahlung wie hier keine Regelung über eine Unpfändbarkeit. Der Gesetzgeber habe insoweit lediglich bestimmt, dass die Zahlung bis zu einer Höhe von 1.500,00 Euro steuer- und abgabenfrei sei. Die vom Beklagten gezahlte Corona-Prämie sei auch keine nach § 850a Nr. 3 ZPO unpfändbare Erschwerniszulage. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Die Klägerin hat – wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat – keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung des von ihr geforderten Betrags. Die Corona-Prämie gehört nach § 850a Nr. 3 ZPO nicht zum pfändbaren Einkommen der Schuldnerin. Der Beklagte wollte mit der Leistung eine bei der Arbeitsleistung der Schuldnerin tatsächlich gegebene Erschwernis kompensieren. Die vom Beklagten gezahlte Corona-Prämie überstieg auch nicht den Rahmen des Üblichen iSv. § 850a Nr. 3 ZPO. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. August 2022 – 8 AZR 14/22 – Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 25. November 2021 – 6 Sa 216/21 – *§ 850 a ZPO Unpfändbar sind … 3. … Schmutz- und Erschwerniszulagen, soweit diese Bezüge den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen; …","Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 25. November 2021 – 6 Sa 216/21 – wird zurückgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen. Leitsatz Zahlt ein Arbeitgeber, der nicht dem Pflegebereich angehört, freiwillig an seine Beschäftigten eine Corona-Prämie, ist diese Leistung als Erschwerniszulage nach § 850a Nr. 3 ZPO unpfändbar, wenn ihr Zweck in der Kompensation einer coronabedingten, im Einzelfall tatsächlich gegebenen Erschwernis bei der Arbeitsleistung liegt, soweit die Prämie den Rahmen des Üblichen nicht übersteigt. Tatbestand 1 Die Parteien streiten über die Pfändbarkeit einer vom Beklagten an die Arbeitnehmerin M (im Folgenden Schuldnerin) gezahlten Corona-Prämie. 2 Durch Beschluss des Amtsgerichts G vom 18. August 2015 war über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und die Klägerin zur Insolvenzverwalterin bestellt worden. 3 Die Schuldnerin war vom 1. Juli 2020 bis zum 31. Dezember 2020 bei dem Beklagten, der in G das „B“ betreibt, als Küchenhilfe und – jedenfalls im September 2020 – auch als Thekenkraft im Gastbereich zu einer Bruttomonatsvergütung iHv. 1.350,00 Euro beschäftigt. 4 Der Beklagte zahlte an die Schuldnerin im September 2020 neben dem Monatslohn iHv. 1.350,00 Euro brutto und Sonntagszuschlägen iHv. 66,80 Euro brutto eine „Corona-Unterstützung“ iHv. 400,00 Euro. Ausgehend von einem pfändungsrelevanten Nettoverdienst iHv. 1.440,47 Euro (Monatslohn zzgl. „Corona-Unterstützung“, ohne Sonntagszuschläge) errechnete die Klägerin für den Monat September 2020 einen pfändbaren Betrag iHv. 182,99 Euro netto. Mit Schreiben vom 22. Oktober 2020 forderte die Klägerin den Beklagten auf, diesen Betrag bis spätestens zum 5. November 2020 an sie zu zahlen. 5 Der Beklagte lehnte diese Forderung mit E-Mail vom 29. Oktober 2020 mit der Begründung ab, die Corona-Prämie sei unpfändbar. Im Januar 2021 erteilte er der Schuldnerin eine neue Lohnabrechnung für den Monat September 2020, in der er die geleistete „Corona-Unterstützung“ iHv. 400,00 Euro in Abzug brachte. 6 Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr auf Zahlung des nach ihrer Auffassung pfändbaren Betrags iHv. 182,99 Euro gerichtetes Begehren weiter. Sie hat den Standpunkt vertreten, die vom Beklagten an die Schuldnerin gezahlte Corona-Prämie sei grundsätzlich pfändbar. Der Gesetzgeber habe die Unpfändbarkeit einer Corona-Prämie in § 150a Abs. 8 Satz 4 SGB XI nur für den Pflegebereich geregelt. Für alle anderen Bereiche habe er für Corona-Prämien keine Unpfändbarkeit, sondern nur bestimmt, dass diese bis zu einer Höhe von 1.500,00 Euro steuer- und abgabenfrei seien. Die vom Beklagten gezahlte „Corona-Unterstützung“ könne auch nicht als Erschwerniszulage iSv. § 850a Nr. 3 ZPO qualifiziert werden. Allein die Beschäftigung in der Gastronomie rechtfertige eine solche Qualifizierung nicht. An eine besondere Erschwernis bei der Arbeitserbringung werde nicht angeknüpft. Jedenfalls übersteige die geleistete Zahlung der Höhe nach den Rahmen des Üblichen iSv. § 850a Nr. 3 ZPO. Etwas anderes folge nicht aus § 3b EStG, der sich nur auf Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeitszuschläge beziehe. 7 Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 182,99 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. November 2020 zu zahlen. 8 Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, bei der von ihm geleisteten Corona-Prämie handele es sich um eine im Rahmen des Üblichen liegende Erschwerniszulage iSv. § 850a Nr. 3 ZPO. Er habe mit der Sonderzahlung das aufgrund der Covid-19-Pandemie für die Schuldnerin bei deren Tätigkeit im Kontakt mit der Kundschaft im Gastraum bestehende höhere Risiko einer Ansteckung abgelten wollen. Die Schuldnerin sei bei ihm nicht ausschließlich als Küchenhilfe beschäftigt worden, sondern vielmehr auch als Thekenkraft mit unmittelbarem Kontakt zur Kundschaft, was unstreitig ist. Bei dem von ihm, dem Beklagten, betriebenen B in G handele es sich um einen touristischen Hotspot in bester Lage, der auch im September 2020 eine hohe Besucherzahl verzeichnet habe, was ebenfalls unstreitig ist. Die Erschwerniszulage habe sich auch im Rahmen des Üblichen gehalten. Insoweit wirke sich aus, dass der Gesetzgeber eine Corona-Prämie bis zu einem Betrag iHv. 1.500,00 Euro nach § 3 Nr. 11a EStG steuerfrei gestellt habe. 9 Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision. Entscheidungsgründe 10 Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die zulässige Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat – wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat – keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von 182,99 Euro nebst Zinsen. Zahlt – wie hier – ein Arbeitgeber, der nicht dem Pflegebereich angehört, freiwillig an seine Beschäftigten eine Corona-Prämie, ist diese Leistung als Erschwerniszulage nach § 850a Nr. 3 ZPO unpfändbar, wenn ihr Zweck – wie hier – in der Kompensation einer coronabedingten tatsächlichen Erschwernis bei der Arbeitsleistung liegt, soweit – wie hier – die Prämie den Rahmen des Üblichen nicht übersteigt. 11 I. Zwar war über das Vermögen der Schuldnerin durch Beschluss des Amtsgerichts G vom 18. August 2015 das Insolvenzverfahren eröffnet und die Klägerin zur Insolvenzverwalterin bestellt worden. Die Schuldnerin hatte gegen den Beklagten im September 2020 auch unstreitig einen Anspruch auf Leistung einer Corona-Sonderzahlung iHv. 400,00 Euro und damit auf in Geld zahlbares Arbeitseinkommen iSv. § 850 Abs. 1, 2 und 4 ZPO erworben. Soweit der Beklagte der Schuldnerin im Januar 2021 eine neue Lohnabrechnung für September 2020 erteilte, in der er die „Corona-Unterstützung“ iHv. 400,00 Euro wieder in Abzug brachte, konnte er sich hierdurch nicht nachträglich einseitig von der vorbehaltlos zugesagten Leistung lösen. 12 II. Die Forderung der Schuldnerin gegen den Beklagten auf Zahlung der „Corona-Unterstützung“ gelangte jedoch wegen Unpfändbarkeit nicht in die Insolvenzmasse der Schuldnerin. Nach § 36 Abs. 1 Satz 1 InsO gehören Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, nicht zur Insolvenzmasse, wobei nach § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO die §§ 850, 850a, 850c, 850e, 850f Abs. 1, §§ 850g bis 850k, 851c und 851d ZPO entsprechend gelten. Die vom Beklagten an die Schuldnerin geleistete „Corona-Unterstützung“ ist als Erschwerniszulage nach § 850a Nr. 3 ZPO unpfändbar. 13 1. Nach § 850 Abs. 1 ZPO kann Arbeitseinkommen, das in Geld zahlbar ist, nur nach Maßgabe der §§ 850a bis 850i ZPO gepfändet werden. 14 2. Die vom Beklagten an die Schuldnerin gezahlte „Corona-Unterstützung“ ist zwar nicht nach § 850a Nr. 2 ZPO unpfändbar. 15 a) Nach § 850a Nr. 2 ZPO unpfändbar sind die für die Dauer eines Urlaubs über das Arbeitseinkommen hinaus gewährten Bezüge, Zuwendungen aus Anlass eines besonderen Betriebsereignisses und Treu(e)gelder, soweit sie den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen. 16 b) Der Beklagte hat die „Corona-Unterstützung“ weder als zusätzliche Leistung für die Dauer eines Urlaubs der Schuldnerin iSv. § 850a Nr. 2 ZPO noch als Zuwendung aus Anlass eines besonderen Betriebsereignisses iSv. § 850a Nr. 2 ZPO erbracht. Unter den Begriff der Zuwendungen aus Anlass eines besonderen Betriebsereignisses fallen Sonderleistungen, die der Arbeitgeber nicht regelmäßig, sondern aus einem bestimmten, besonderen Anlass, zB einem Betriebsjubiläum oder einem ganz außergewöhnlichen Erfolg des Betriebes gewährt (BAG 30. Juli 2008 – 10 AZR 459/07 – Rn. 30 mwN). Die vom Beklagten erbrachte Leistung hatte indes keinen Bezug zu einem (Betriebs)Ereignis im Betrieb des Beklagten. 17 c) Bei der vom Beklagten gezahlten „Corona-Unterstützung“ handelt es sich auch nicht um ein Treu(e)geld iSv. § 850a Nr. 2 ZPO. Treu(e)gelder sind die einem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber aus Anlass langjähriger Betriebszugehörigkeit gewährten Zuwendungen, insbesondere Zahlungen anlässlich eines Jubiläums (BAG 30. Juli 2008 – 10 AZR 459/07 – Rn. 23). Danach stellt die Leistung des Beklagten an die – im Übrigen nur für die Dauer eines halben Jahres bei ihm beschäftigte – Schuldnerin kein Treu(e)geld iSv. § 850a Nr. 2 ZPO dar. 18 3. Die von dem Beklagten an die Schuldnerin im September 2020 gezahlte „Corona-Unterstützung“ iHv. 400,00 Euro ist jedoch als Erschwerniszulage nach § 850a Nr. 3 ZPO unpfändbar. Ihr Zweck liegt in der Kompensation einer coronabedingten tatsächlichen Erschwernis bei der Arbeitsleistung. Die Zahlung übersteigt auch nicht den Rahmen des Üblichen. 19 a) Nach § 850a Nr. 3 ZPO unpfändbar sind Aufwandsentschädigungen, Auslösungsgelder und sonstige soziale Zulagen für auswärtige Beschäftigungen, das Entgelt für selbstgestelltes Arbeitsmaterial, Gefahrenzulagen sowie Schmutz- und Erschwerniszulagen, soweit diese Bezüge den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen. 20 b) Danach kann eine vom Arbeitgeber freiwillig gezahlte Corona-Prämie im Einzelfall eine Erschwerniszulage iSv. § 850a Nr. 3 ZPO sein. Dies ist der Fall, wenn der Zweck der Leistung in der Kompensation einer coronabedingten tatsächlichen Erschwernis bei der Arbeitsleistung liegt. 21 aa) Aus Sinn und Zweck der Pfändungsschutzvorschriften ergibt sich, dass eine Erschwernis iSv. § 850a Nr. 3 ZPO eine besondere Belastung bei der bzw. durch die Erbringung der Arbeitsleistung voraussetzt (vgl. BAG 23. August 2017 – 10 AZR 859/16 – Rn. 24, 37 ff., BAGE 160, 57; in diesem Sinne auch BGH 29. Juni 2016 – VII ZB 4/15 – Rn. 13, BGHZ 211, 46). Es muss sich dabei um eine im Einzelfall tatsächlich gegebene Erschwernis handeln. Entgegen der Auffassung der Klägerin muss diese weder berufsspezifisch noch dauerhaft mit der Erbringung der Arbeitsleistung verbunden sein. Der Begriff der Erschwerniszulage spricht für ein weites, nicht auf die der Ausübung der Arbeit innewohnenden Belastungen begrenztes Verständnis (BAG 23. August 2017 – 10 AZR 859/16 – Rn. 23, aaO) und dafür, dass es ausreicht, wenn die Tätigkeit im Einzelfall nur vorübergehend mit Erschwernissen verbunden ist. 22 bb) Die Regelung in § 150a SGB XI, der durch Gesetz vom 19. Mai 2020 mit Wirkung zum 23. Mai 2020 in das SGB XI eingefügt (BGBl. I S. 1018) wurde, steht der Qualifizierung der vom Beklagten gezahlten „Corona-Unterstützung“ als Erschwerniszulage iSv. § 850a Nr. 3 ZPO nicht entgegen. Diese Bestimmung schließt eine Anwendung von § 850a ZPO nicht aus. 23 (1) Nach § 150a Abs. 1 SGB XI sind die zugelassenen Pflegeeinrichtungen sowie die Arbeitgeber, die Arbeitnehmer bei solchen Einrichtungen im Wege der Arbeitnehmerüberlassung oder eines Werk- oder Dienstleistungsvertrags einsetzen, verpflichtet, ihren Beschäftigten im Jahr 2020 zum Zweck der Wertschätzung für die besonderen Anforderungen während der Coronavirus-SARS-CoV-2-Pandemie eine für jeden Beschäftigten einmalige Sonderleistung nach Maßgabe von § 150a Abs. 2 bis 6 und Abs. 8 SGB XI zu zahlen (Corona-Prämie). Nach § 150a Abs. 8 Satz 4 SGB XI ist die Corona-Prämie unpfändbar. 24 (2) Die in § 150a SGB XI getroffene Bestimmung steht der Qualifizierung der vom Beklagten an die Schuldnerin gezahlten „Corona-Unterstützung“ als Erschwerniszulage iSv. § 850a Nr. 3 ZPO nicht entgegen. Bei § 150a SGB XI handelt es sich um eine spezialgesetzliche Regelung, die ausschließlich für die Beschäftigten in zugelassenen Pflegeeinrichtungen gilt und die diesem Personenkreis zum Zweck der Wertschätzung für die besonderen Anforderungen während der Coronavirus-SARS-CoV-2-Pandemie – und insoweit auch teilweise unabhängig von einer besonderen Belastung bei der bzw. durch die Erbringung der Arbeitsleistung – einen öffentlich-rechtlichen Zahlungsanspruch einräumt, § 150a Abs. 1 SGB XI (vgl. BAG 1. März 2022 – 9 AZB 25/21 – Rn. 15 ff.). Mit der ausdrücklichen Festlegung der Unpfändbarkeit dieser öffentlich-rechtlichen Forderung in § 150a Abs. 8 Satz 4 SGB XI hat der Gesetzgeber keine Aussagen getroffen im Hinblick auf eine etwaige Pfändbarkeit von Corona-Prämien, die vom Arbeitgeber freiwillig an Beschäftigte außerhalb des Anwendungsbereichs des § 150a SGB XI gezahlt werden. 25 cc) Auch aus dem Umstand, dass aufgrund der Corona-Krise erbrachte Beihilfen und Unterstützungen bis zu einem Betrag iHv. 1.500,00 Euro steuer- und sozialversicherungsfrei waren, ergibt sich nichts anderes. 26 (1) Das Bundesministerium der Finanzen hat durch Schreiben vom 9. April 2020 – IV C 5 – S 2342/20/10009 :001 (BStBl. I S. 503) im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder für Beihilfen und Unterstützungen während der Corona-Krise mitgeteilt, dass Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern in der Zeit vom 1. März 2020 bis zum 31. Dezember 2020 aufgrund der Corona-Krise Beihilfen und Unterstützungen bis zu einem Betrag von 1.500,00 Euro nach § 3 Nr. 11 EStG steuerfrei in Form von Zuschüssen und Sachbezügen gewähren können, soweit diese zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistet werden. Nachfolgend wurde § 3 EStG durch das Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Corona-Steuerhilfegesetz) vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1385) dahin geändert, dass in diese Bestimmung Nr. 11a eingefügt wurde. Danach waren vom Arbeitgeber zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn in der Zeit vom 1. März bis zum 31. Dezember 2020 aufgrund der Corona-Krise an seine Arbeitnehmer in Form von Zuschüssen und Sachbezügen gewährte Beihilfen und Unterstützungen bis zu einem Betrag iHv. 1.500,00 Euro steuerfrei. Ausweislich der Gesetzesbegründung wurde damit im Interesse einer umfassenden Rechtssicherheit nachträglich eine gesetzliche Rechtsgrundlage für die Steuerfreiheit der Corona-Sonderleistungen geschaffen (BT-Drs. 19/19601 S. 33). Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV) in der vom 1. Januar 2018 bis zum 30. Juni 2021 geltenden Fassung war die steuerfreie Corona-Prämie nicht dem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsentgelt zuzurechnen. 27 (2) Weder aus dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 9. April 2020 noch aus § 3 Nr. 11a EStG oder § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SvEV lässt sich etwas dafür herleiten, dass eine vom Arbeitgeber freiwillig an seine Beschäftigten gezahlte Corona-Prämie nicht als Erschwerniszulage iSv. § 850a Nr. 3 ZPO unpfändbar sein könnte. Es gibt schon keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sich das Bundesministerium der Finanzen und/oder der Gesetzgeber mit der Frage nach der Pfändbarkeit einer Corona-Sonderzahlung überhaupt befasst hätten. 28 c) Die Erschwerniszulage ist nach § 850a Nr. 3 ZPO unpfändbar, soweit sie den Rahmen des Üblichen nicht übersteigt. Zur Ermittlung dieses Rahmens kann auf die in § 3 Nr. 11a EStG enthaltene Wertung zurückgegriffen werden (vgl. BAG 23. August 2017 – 10 AZR 859/16 – Rn. 52, BAGE 160, 57; vgl. BGH 20. September 2018 – IX ZB 41/16 – Rn. 6; 29. Juni 2016 – VII ZB 4/15 – Rn. 13 f., BGHZ 211, 46). 29 d) Danach handelt es sich bei der hier streitgegenständlichen, vom Beklagten an die Schuldnerin gezahlten „Corona-Unterstützung“ um eine Erschwerniszulage iSv. § 850a Nr. 3 ZPO, die den Rahmen des Üblichen nicht übersteigt und demgemäß nicht zum pfändbaren Einkommen der Schuldnerin gehört. 30 aa) Der Zweck der vom Beklagten der Schuldnerin gezahlten „Corona-Unterstützung“ liegt in der Kompensation einer tatsächlichen Erschwernis bei der Arbeitsleistung. 31 Die Schuldnerin war bei Ausübung ihrer Tätigkeit für den Beklagten im September 2020 einer coronabedingten tatsächlichen Erschwernis ausgesetzt. Sie war in dieser Zeit in dem vom Beklagten betriebenen B in G mit – auch im September 2020 – hoher Besucherzahl nicht nur als Küchenhilfe, sondern vielmehr – unstreitig – auch als Thekenkraft mit unmittelbarem Kontakt zur Kundschaft tätig. Wie das Landesarbeitsgericht festgestellt hat, bestand infolge des unmittelbaren Kundenkontakts im September 2020 für die Schuldnerin tatsächlich eine konkrete höhere Gefahr, sich mit dem Corona-Virus zu infizieren, als wenn sie die Tätigkeit im Betrieb des Beklagten nicht verrichtet hätte, zumal die Kunden zum Verzehr von Getränken und Speisen ihre Masken – jedenfalls vorübergehend – ablegen mussten. Zudem war die Schuldnerin bei der Erbringung der Arbeitsleistung einer besonderen psychischen Belastung ausgesetzt, da es zum damaligen Zeitpunkt kein wirksames Medikament gegen diese Erkrankung gab und auch keine Möglichkeit bestand, sich impfen zu lassen. Die Tätigkeit der Schuldnerin bei dem Beklagten als Thekenkraft mit unmittelbarem Kundenkontakt war für die Schuldnerin demzufolge mit einer coronabedingten besonderen Belastung verbunden. Soweit die Klägerin demgegenüber anführt, die Schuldnerin sei bei ihrer Arbeit einem allgemeinen pandemiebedingten Risiko ausgesetzt gewesen, welches ua. auch in öffentlichen Verkehrsmitteln oder beim Einkauf im Einzelhandel bestehe, führt dies nicht zu einer anderen Bewertung. Die Schuldnerin hatte bei ihrer Arbeit als Thekenkraft mit unmittelbarem Kundenkontakt – wenn sie ihre arbeitsvertraglichen Pflichten nicht verletzen wollte – nicht die Möglichkeit, sich den coronabedingten Risiken und besonderen Belastungen zu entziehen bzw. diese Risiken zu minimieren. Demgegenüber waren alle Menschen, was beispielsweise die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel und den Einkauf im Einzelhandel anbelangt, grundsätzlich frei in der Entscheidung, in welcher Intensität sie sich den damit verbundenen Risiken einer Infektion aussetzen wollten. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Einhaltung von Abständen. Dass der Beklagte – wie das Landesarbeitsgericht festgestellt hat – mit der an die Schuldnerin gezahlten „Corona-Unterstützung“ die bei der Arbeitsleistung der Schuldnerin tatsächlich gegebene coronabedingte besondere Erschwernis kompensieren wollte, hat die Klägerin in der Revision nicht in Abrede gestellt. 32 bb) Die „Corona-Unterstützung“ des Beklagten iHv. 400,00 Euro überstieg auch nicht den Rahmen des Üblichen iSv. § 850a Nr. 3 ZPO, der sich unter Rückgriff auf die in § 3 Nr. 11a EStG enthaltene Wertung bestimmt. § 3 Nr. 11a EStG sieht insoweit einen Betrag iHv. 1.500,00 Euro vor.     Schlewing     Winter     Berger     Bloesinger     Diekmann" bag_31-23,29.06.2023,"29.06.2023 31/23 - Offene Videoüberwachung - Verwertungsverbot In einem Kündigungsschutzprozess besteht grundsätzlich kein Verwertungsverbot in Bezug auf solche Aufzeichnungen aus einer offenen Videoüberwachung, die vorsätzlich vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers belegen sollen. Das gilt auch dann, wenn die Überwachungsmaßnahme des Arbeitgebers nicht vollständig im Einklang mit den Vorgaben des Datenschutzrechts steht. Der Kläger war bei der Beklagten zuletzt als Teamsprecher in der Gießerei beschäftigt. Die Beklagte wirft ihm ua. vor, am 2. Juni 2018 eine sog. Mehrarbeitsschicht in der Absicht nicht geleistet zu haben, sie gleichwohl vergütet zu bekommen. Nach seinem eigenen Vorbringen hat der Kläger zwar an diesem Tag zunächst das Werksgelände betreten. Die auf einen anonymen Hinweis hin erfolgte Auswertung der Aufzeichnungen einer durch ein Piktogramm ausgewiesenen und auch sonst nicht zu übersehenden Videokamera an einem Tor zum Werksgelände ergab nach dem Vortrag der Beklagten aber, dass der Kläger dieses noch vor Schichtbeginn wieder verlassen hat. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich, hilfsweise ordentlich. Mit seiner dagegen erhobenen Klage hat der Kläger ua. geltend gemacht, er habe am 2. Juni 2018 gearbeitet. Die Erkenntnisse aus der Videoüberwachung unterlägen einem Sachvortrags- und Beweisverwertungsverbot und dürften daher im Kündigungsschutzprozess nicht berücksichtigt werden. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten hatte vor dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts bis auf einen Antrag betreffend ein Zwischenzeugnis Erfolg. Sie führte zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Dieses musste nicht nur das Vorbringen der Beklagten zum Verlassen des Werksgeländes durch den Kläger vor Beginn der Mehrarbeitsschicht zu Grunde legen, sondern ggf. auch die betreffende Bildsequenz aus der Videoüberwachung am Tor zum Werksgelände in Augenschein nehmen. Dies folgt aus den einschlägigen Vorschriften des Unionsrechts sowie des nationalen Verfahrens- und Verfassungsrechts. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Überwachung in jeder Hinsicht den Vorgaben des Bundesdatenschutzgesetzes bzw. der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) entsprach. Selbst wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, wäre eine Verarbeitung der betreffenden personenbezogenen Daten des Klägers durch die Gerichte für Arbeitssachen nach der DSGVO nicht ausgeschlossen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Datenerhebung wie hier offen erfolgt und vorsätzlich vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers in Rede steht. In einem solchen Fall ist es grundsätzlich irrelevant, wie lange der Arbeitgeber mit der erstmaligen Einsichtnahme in das Bildmaterial zugewartet und es bis dahin vorgehalten hat. Der Senat konnte offenlassen, ob ausnahmsweise aus Gründen der Generalprävention ein Verwertungsverbot in Bezug auf vorsätzliche Pflichtverstöße in Betracht kommt, wenn die offene Überwachungsmaßnahme eine schwerwiegende Grundrechtsverletzung darstellt. Das war vorliegend nicht der Fall. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29. Juni 2023 – 2 AZR 296/22 – Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 6. Juli 2022 – 8 Sa 1149/20 – Hinweis: Der Senat hat drei ähnlich gelagerte Verfahren auf die Revision der Beklagten ebenfalls an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.","Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten wird – unter Zurückweisung der Revision im Übrigen – das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 6. Juli 2022 – 8 Sa 1149/20 – aufgehoben, soweit es den Kündigungsschutzanträgen des Klägers stattgegeben und den Auflösungsantrag der Beklagten abgewiesen hat. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen. Leitsatz 1. In einem Kündigungsschutzprozess besteht nach Maßgabe der Datenschutz-Grundverordnung und der Zivilprozessordnung grundsätzlich kein Verwertungsverbot in Bezug auf solche Aufzeichnungen aus einer offenen Videoüberwachung, die vorsätzlich vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers belegen sollen. Das gilt auch dann, wenn die Überwachungsmaßnahme des Arbeitgebers nicht vollständig im Einklang mit den Vorgaben des Datenschutzrechts steht. 2. Den Betriebsparteien fehlt die Regelungsmacht, ein über das formelle Verfahrensrecht der Zivilprozessordnung hinausgehendes Verwertungsverbot zu begründen, oder die Möglichkeit des Arbeitgebers wirksam zu beschränken, in einem Individualrechtsstreit Tatsachenvortrag über betriebliche Geschehnisse zu halten. Tatbestand 1 Die Parteien streiten vorrangig über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung. 2 Der Kläger war bei der Beklagten zuletzt als Teamsprecher in der Gießerei beschäftigt. Die Beklagte wirft ihm ua. vor, am 2. Juni 2018 (Samstag) eine sog. Mehrarbeitsschicht in der Absicht nicht geleistet zu haben, sie gleichwohl vergütet zu bekommen. Nach dem übereinstimmenden Vortrag beider Parteien hat der Kläger zwar an diesem Tag zunächst das Werksgelände betreten. Die auf einen anonymen Hinweis hin erfolgte Auswertung der Aufzeichnungen der durch ein Piktogramm ausgewiesenen und auch sonst nicht zu übersehenden Videokamera an Tor 5 zum Werksgelände ergab nach dem Vorbringen der Beklagten aber, dass der Kläger dieses vor Schichtbeginn wieder verlassen hat. 3 Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien – nach Anhörung des Betriebsrats – mit Schreiben vom 5. Oktober 2019 außerordentlich fristlos und mit weiterem Schreiben vom 9. Oktober 2019 ordentlich zum 31. Dezember 2019. 4 Dagegen hat sich der Kläger rechtzeitig mit der vorliegenden Klage gewandt und ua. behauptet, er habe am 2. Juni 2018 gearbeitet. Die Erkenntnisse der Beklagten aus der Videoüberwachung unterlägen einem Sachvortrags- und Beweisverwertungsverbot. Dessen ungeachtet sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden. Die Beklagte habe die Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB für die außerordentliche Kündigung nicht eingehalten. 5 Der Kläger hat zuletzt beantragt          1.     festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 5. Oktober 2019 nicht aufgelöst wurde,          2.     festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 9. Oktober 2019 nicht aufgelöst wurde,          3.     die Beklagte zu verurteilen, ihm ein qualifiziertes Zwischenzeugnis zu erteilen,          4.     hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 3. die Beklagte zu verurteilen, ihm ein qualifiziertes Endzeugnis zu erteilen. 6 Die Beklagte hat Klageabweisung sowie in zweiter Instanz hilfsweise beantragt,          das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber 50.000,00 Euro brutto nicht überschreiten sollte, zum 31. Dezember 2019 aufzulösen. 7 Der Kläger hat beantragt,          den Auflösungsantrag abzuweisen. 8 Die Beklagte hat zur Begründung der Kündigungen behauptet, der Kläger sei am 2. Juni 2018 lediglich im Werk erschienen, um seine Anwesenheit zur Ableistung der Mehrarbeitsschicht vorzutäuschen. Jedenfalls rechtfertige sein wahrheitswidriges Prozessvorbringen die Auflösung des Arbeitsverhältnisses. 9 Die Vorinstanzen haben der Klage mit den Anträgen zu 1. bis 3. stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat zudem den Auflösungsantrag der Beklagten abgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte weiterhin die Klageabweisung, hilfsweise die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses der Parteien. Entscheidungsgründe 10 Die Revision der Beklagten ist überwiegend begründet. 11 I. Die Revision ist insgesamt zulässig. Das gilt auch in Bezug auf den Antrag auf Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses. Insoweit bedurfte es keiner gesonderten Begründung iSv. § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO, weil die Beklagte davon ausgeht, der Senat könne die Kündigungsschutzanträge des Klägers selbst abweisen. Träfe dies zu, wäre nach der vom Landesarbeitsgericht zugrunde gelegten Rechtsprechung des Siebten Senats (BAG 4. November 2015 – 7 AZR 933/13 – Rn. 39) kein Raum mehr für die Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses. Denn eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts nach § 563 Abs. 3 ZPO wird mit ihrer Verkündung rechtskräftig (§ 705 Satz 1 ZPO). 12 II. Die Revision der Beklagten ist hinsichtlich des Antrags auf Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses allerdings unbegründet, weil ihre Berufung mangels der insoweit erforderlichen gesonderten Begründung iSv. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO unzulässig war. Das Urteil eines Landesarbeitsgerichts wird regelmäßig nicht bereits mit der Verkündung rechtskräftig. Deshalb ist der Arbeitgeber nach der vorgenannten Rechtsprechung des Siebten Senats auch zur beantragten Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses zu verurteilen, wenn das Berufungsgericht das Arbeitsverhältnis der Parteien für aufgelöst erachtet. 13 III. Im Übrigen ist die Revision der Beklagten begründet. Das Landesarbeitsgericht hat ihre Berufung gegen das klagestattgebende erstinstanzliche Urteil mit rechtsfehlerhafter Begründung bezüglich der Kündigungsschutzanträge zurück- und ihren Auflösungsantrag abgewiesen. Da der Senat nicht selbst abschließend über den vorrangigen Antrag gegen die außerordentliche Kündigung entscheiden kann, ist das Berufungsurteil insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache – einschließlich des unbeschiedenen Hilfsantrags auf Erteilung eines qualifizierten Endzeugnisses – zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ZPO). 14 1. Das vom Berufungsgericht keiner Auslegung entsprechend § 133 BGB unterzogene, noch im Streit befindliche Klagebegehren ist dahin zu verstehen, dass der Kläger zunächst zwei Anträge nach § 4 Satz 1 KSchG gestellt hat. Mit einem Hauptantrag wendet er sich gegen die außerordentliche, mit einem unechten Hilfsantrag gegen die ordentliche Kündigung (vgl. BAG 27. September 2022 – 2 AZR 508/21 – Rn. 12; 10. Dezember 2020 – 2 AZR 308/20 – Rn. 9, BAGE 173, 233). 15 2. Das Landesarbeitsgericht hat – der Sache nach – dem vorrangigen Antrag gegen die außerordentliche Kündigung rechtsfehlerhaft mit der Begründung entsprochen, es mangele an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB. 16 a) Das Berufungsgericht hat im Ausgangspunkt zu Recht angenommen, dass bereits das dem Kläger von der Beklagten vorgeworfene Verhalten am 2. Juni 2018 (Erschleichen von Vergütung hinsichtlich einer nicht abgeleisteten Mehrarbeitsschicht) – wäre es unstreitig oder erwiesen – einen wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche fristlose Kündigung bilden könne. 17 b) Des Weiteren ist das Landesarbeitsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass auch der dringende Verdacht eines solchen Verhaltens einen wichtigen Grund darstellen kann. 18 c) Allerdings hat das Berufungsgericht zu Unrecht gemeint, der Kläger habe das Vorbringen der Beklagten – ungeachtet des möglichen Eingreifens eines Sachvortragsverwertungsverbots – ausreichend bestritten, wonach er die Mehrarbeitsschicht am 2. Juni 2018 in Täuschungsabsicht nicht abgeleistet habe. Das Landesarbeitsgericht hat die Grundsätze der abgestuften Darlegungslast verkannt, die eingreifen, wenn der Arbeitgeber Vortrag zu einer negativen Tatsache (hier: die Nichtableistung der Schicht nach vorherigem Vorspiegeln der Präsenz) halten muss (vgl. BAG 16. Dezember 2021 – 2 AZR 356/21 – Rn. 31 ff.). 19 aa) Nach dem übereinstimmenden Vorbringen beider Parteien hat der Kläger sich verbindlich für die Mehrarbeitsschicht am 2. Juni 2018 gemeldet und das Werksgelände vor Schichtbeginn mithilfe seines Werksausweises unter Auslösung einer elektronischen Anwesenheitserfassung durch ein Drehkreuz an Tor 5 betreten. Für den von der Beklagten behaupteten Kündigungsvorwurf ist es ohne rechtliche Bedeutung, ob er seinen Namen anschließend selbst in eine vor Ort ausliegende Anwesenheitsliste eingetragen oder die Eintragung durch eine andere Person veranlasst hat. Allein entscheidend ist das Vorspiegeln einer Präsenz in der Absicht, die Schicht ohne Rechtfertigung nicht abzuleisten. 20 bb) Letzteres war nach dem Vorbringen der Beklagten der Fall, weil der Kläger das Werksgelände noch vor Beginn der Mehrarbeitsschicht wieder verlassen und es anschließend vor oder doch während der Schicht nicht erneut betreten haben soll. Damit hat die Beklagte ihrer primären Darlegungslast dafür genügt, dass der Kläger die Mehrarbeitsschicht nicht abgeleistet haben kann (Negativum). 21 cc) Hierauf hätte es dem Kläger im Rahmen einer sekundären Darlegungslast oblegen, substantiiert vorzutragen, welche tatsächlichen Umstände für das Positivum – das ordnungsgemäße Ableisten der Mehrarbeitsschicht – sprechen. Dazu hätte er zunächst konkret darlegen müssen, ob er durchgehend auf dem Werksgelände geblieben sein oder dieses zwar noch einmal verlassen, aber rechtzeitig wieder betreten haben möchte. Daran fehlt es bislang. Das Landesarbeitsgericht hat auch keine Tatsachen festgestellt, die dem Kläger eine Festlegung unzumutbar gemacht hätten (vgl. BGH 8. Januar 2019 – II ZR 139/17 – Rn. 32). Dagegen spricht, dass er nach seinem eigenen Vorbringen nur in seltenen Ausnahmefällen das Werksgelände noch vor einem Schichtbeginn – zunächst – wieder verlassen haben möchte. Deshalb müsste ihm dies ggf. in Erinnerung geblieben sein. Es tritt hinzu, dass nach dem eigenen Vorbringen des Klägers lediglich am mit einem Pförtner besetzten Haupteingang ein Zutritt zum Werksgelände ohne Verwendung des Werksausweises zur Freischaltung eines Drehkreuzes bei gleichzeitiger elektronischer Anwesenheitserfassung möglich ist. Der Kläger hätte daher ggf. – nach der Lebenserfahrung glaubhaft (vgl. BGH 19. April 2001 – I ZR 238/98 – zu II 1 der Gründe) – erläutern müssen, warum ihm der überaus ungewöhnliche Wiederzutritt zum Werksgelände über den Haupteingang nicht mehr erinnerlich sein könnte. Ohne entsprechendes Vorbringen ist der Vortrag der Beklagten zum Nichtableisten der Mehrarbeitsschicht in Täuschungsabsicht durch den Kläger nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehen. 22 d) Angesichts eines unzureichenden Bestreitens des Vorwurfs der Nichtableistung der Mehrarbeitsschicht in Täuschungsabsicht durch den Kläger hätte das Landesarbeitsgericht nicht nur ein Beweiserhebungs-, sondern vorrangig ein Sachvortragsverwertungsverbot (zu dessen Wirkung vgl. BAG 23. August 2018 – 2 AZR 133/18 – Rn. 16, BAGE 163, 239) betreffend das Vorbringen der Beklagten prüfen müssen, aus dem sie das Fehlen einer Arbeitsleistung des Klägers am 2. Juni 2018 ableitet. Indes greift weder ein Sachvortrags- noch ein Beweiserhebungsverbot ein. Das Berufungsgericht musste vielmehr nach Maßgabe von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e iVm. Abs. 3 und ggf. Abs. 4 iVm. Art. 23 Abs. 1 Buchst. f und j DSGVO iVm. § 3 BDSG sowie den Vorgaben der Zivilprozessordnung (§§ 138, 286, 371 ff. ZPO) nicht nur das Vorbringen der Beklagten über das vorzeitige Verlassen des Werksgeländes durch den Kläger seiner Entscheidung zugrunde legen, sondern ggf. auch die betreffende Bildsequenz aus der Überwachung an Tor 5 in Augenschein nehmen. 23 aa) Die Frage, ob die Gerichte für Arbeitssachen erhebliches Prozessvorbringen der Parteien und ggf. deren Beweisantritte bei ihrer Entscheidungsfindung berücksichtigen dürfen bzw. müssen, beantwortet sich nach Inkrafttreten der DSGVO nach deren Vorschriften. Die DSGVO regelt die Zulässigkeit von Datenverarbeitungen auch im Verfahren vor den nationalen Zivilgerichten. 24 (1) Nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e DSGVO ist die Verarbeitung personenbezogener Daten rechtmäßig, wenn sie für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde. Gemäß Art. 6 Abs. 3 Satz 1 Buchst. b DSGVO kann die Rechtsgrundlage für entsprechende Verarbeitungen durch das Recht des Mitgliedstaats festgelegt werden, dem der Verantwortliche unterliegt. Dieses muss nach Art. 6 Abs. 3 Satz 4 DSGVO ein im öffentlichen Interesse liegendes Ziel verfolgen und in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten legitimen Zweck stehen. Davon ist auszugehen, wenn die Zivilgerichte (EuGH 2. März 2023 – C-268/21 – [Norra Stockholm Bygg] Rn. 32) – zu denen nach unionsrechtlichem Verständnis auch die Gerichte für Arbeitssachen gehören (zu einem Kündigungsschutzprozess als zivilrechtliche Streitigkeit iSd. Brüssel Ia-VO vgl. BAG 7. Mai 2020 – 2 AZR 692/19 – Rn. 16) – die ihnen durch das nationale Recht übertragenen gerichtlichen Befugnisse ausüben (EuGH 4. Mai 2023 – C-60/22 – [Bundesrepublik Deutschland] Rn. 73). 25 (2) Erfolgt diese Verarbeitung zu einem anderen Zweck als zu demjenigen, zu dem die Daten erhoben wurden, ist das nach Art. 6 Abs. 4 DSGVO iVm. deren Erwägungsgrund 50 insbesondere zulässig, wenn die zweckändernde Verarbeitung auf dem Recht eines Mitgliedstaats beruht und in einer demokratischen Gesellschaft eine notwendige und verhältnismäßige Maßnahme zum Schutz der in Art. 23 Abs. 1 DSGVO genannten Ziele darstellt. Ausweislich des Erwägungsgrundes 50 ist der Verantwortliche zum Schutz dieser wichtigen Ziele des allgemeinen öffentlichen Interesses berechtigt, die personenbezogenen Daten ungeachtet dessen weiterzuverarbeiten, ob sich die Verarbeitung mit den Zwecken, für die die personenbezogenen Daten ursprünglich erhoben wurden, vereinbaren ließ (EuGH 2. März 2023 – C-268/21 – [Norra Stockholm Bygg] Rn. 33). Zu den in Art. 6 Abs. 4 DSGVO normierten Zielen gehören nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. f DSGVO der „Schutz der Unabhängigkeit der Justiz und der Schutz von Gerichtsverfahren“, wobei dieses Ziel nicht nur den Schutz der Rechtspflege vor internen oder externen Eingriffen, sondern auch eine ordnungsgemäße Rechtspflege gewährleistet. Darüber hinaus stellt nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. j DSGVO die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche ebenfalls ein Ziel dar, das eine Verarbeitung personenbezogener Daten zu einem anderen Zweck als demjenigen rechtfertigen kann, zu dem sie erhoben wurden (vgl. EuGH 2. März 2023 – C-268/21 – [Norra Stockholm Bygg] Rn. 38). Insoweit ist es unerheblich, ob deren Verarbeitung auf einer materiell-rechtlichen oder verfahrensrechtlichen Vorschrift des nationalen Rechts beruht (vgl. EuGH 2. März 2023 – C-268/21 – [Norra Stockholm Bygg] Rn. 40). Den vorstehenden unionsrechtlichen Vorgaben genügen – was zu beurteilen Sache der deutschen Gerichte ist (vgl. EuGH 2. März 2023 – C-268/21 – [Norra Stockholm Bygg] Rn. 39, 53) – die §§ 138, 286, 355 ff. ZPO. Diese Vorschriften des nationalen Rechts verpflichten die Parteien zu einem substantiierten und wahrheitsgemäßen Vorbringen und das Gericht zu dessen vollständiger Berücksichtigung und ggf. einer tatrichterlichen Würdigung auch im Hinblick auf eine etwaige Beweisaufnahme. Sie stellen nach Art. 6 Abs. 3 Satz 1 Buchst. b DSGVO erforderliche Rechtsgrundlagen für entsprechende Verarbeitungen im gerichtlichen Verfahren dar. 26 (3) Die – ggf. zweckändernde – Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch das Gericht kommt selbst dann in Betracht, wenn die vor- oder außergerichtliche Erhebung dieser Daten durch eine Prozesspartei sich nach Maßgabe der DSGVO oder des nationalen Datenschutzrechts – wie vom Landesarbeitsgericht angenommen – als rechtswidrig darstellt. Dies folgt ohne das Erfordernis eines darauf bezogenen Vorabentscheidungsverfahrens des Gerichtshofs der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV in aller Eindeutigkeit (acte clair) aus Art. 17 DSGVO. Nach dessen Abs. 1 Buchst. d sind zwar personenbezogene Daten zu löschen, wenn sie unrechtmäßig verarbeitet wurden, wozu nach Art. 4 Nr. 2 DSGVO auch ihre rechtswidrige Erhebung zählt. Von dem Recht auf Löschung unrechtmäßig verarbeiteter Daten besteht nach Art. 17 Abs. 3 Buchst. e DSGVO jedoch insoweit eine Ausnahme, wie die weitere Verarbeitung der fraglichen Daten zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen „erforderlich“ ist. Dazu hat der Gerichtshof klargestellt, dass das Recht auf Schutz personenbezogener Daten kein uneingeschränktes Recht ist, sondern – wie in Erwägungsgrund 4 der DSGVO ausgeführt – im Hinblick auf seine gesellschaftliche Funktion gesehen und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegen andere Grundrechte abgewogen werden muss (EuGH 24. September 2019 – C-136/17 – [GC ua.] Rn. 57; Bäcker in Kühling/Buchner DSGVO 3. Aufl. Art. 13 Rn. 68). Selbst wenn Art. 17 Abs. 3 Buchst. e DSGVO keine Rechtsgrundlage für die weitere Verarbeitung in diesen Fällen darstellte, läge der notwendige Erlaubnistatbestand in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e iVm. Abs. 3 und ggf. Abs. 4 iVm. Art. 23 Abs. 1 Buchst. f und j DSGVO iVm. § 3 BDSG iVm. den oben genannten Normen der Zivilprozessordnung (§§ 138, 286, 355 ff. ZPO). 27 bb) Der Senat muss im Streitfall nicht abschließend darüber befinden, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein verfahrensrechtliches Verwertungsverbot für Tatsachen eingreifen kann, von denen ein Arbeitgeber durch eine unrechtmäßige Datenverarbeitung Kenntnis erlangt hat. Ein Sachvortrags- oder Beweisverwertungsverbot kommt – gerade auch im Geltungsbereich der DSGVO – nur in Betracht, wenn die Nichtberücksichtigung von Vorbringen oder eines Beweismittels wegen einer durch Unionsrecht oder Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Rechtsposition des Arbeitnehmers zwingend geboten ist. Dies ist bei einer von ihm vorsätzlich begangenen Pflichtverletzung, die von einer offenen Überwachungsmaßnahme erfasst wurde, regelmäßig nicht der Fall. 28 (1) Der Senat kann zugunsten des von einer offenen Videoüberwachung betroffenen Arbeitnehmers unterstellen, dass – obwohl es eher zweifelhaft erscheint – das Merkmal der Erforderlichkeit in Art. 17 Abs. 3 Buchst. e DSGVO eine volle Verhältnismäßigkeitsprüfung bedingt. Da die Vorschrift andernfalls leerliefe und Art. 47 Abs. 2 GRC das Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz und insbesondere auf ein faires Verfahren verbürgt, wonach die Parteien eines Zivilprozesses grds. in der Lage sein müssen, ihr Rechtschutzziel hinreichend zu begründen und unter Beweis zu stellen (vgl. EuGH 2. März 2023 – C-268/21 – [Norra Stockholm Bygg] Rn. 53), könnte sich die gerichtliche Verarbeitung von rechtswidrig durch den Arbeitgeber erhobenen personenbezogenen Daten des klagenden Arbeitnehmers jedenfalls nur als unangemessen (unverhältnismäßig im engeren Sinn) darstellen, wenn sich die Überwachungsmaßnahme nach Unionsrecht als schwerwiegende Verletzung von Art. 7 und Art. 8 GRC erwiese und andere mögliche Sanktionen für den Arbeitgeber (zB Schadenersatz nach Art. 82 DSGVO und Verhängung von Geldbußen nach Art. 83 DSGVO) gänzlich unzureichend wären. 29 (2) Andererseits kann – was aber ebenfalls fraglich erscheint – zugunsten des klagenden Arbeitnehmers unterstellt werden, dass sich unter Geltung von Art. 17 Abs. 3 Buchst. e DSGVO in verfassungskonformer Auslegung des nationalen Verfahrensrechts ausnahmsweise das Verbot für das Gericht ergeben kann, Sachvortrag oder Beweismittel zu verwerten, die im Zug einer das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG) des Arbeitnehmers verletzenden Datenverarbeitung vom Arbeitgeber erlangt wurden. Ein solcher Tatbestand führte dazu, dass es an einer Rechtsgrundlage im mitgliedstaatlichen Verfahrensrecht iSv. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e iVm. Abs. 3 Satz 1 Buchst. b DSGVO fehlte (Rn. 24 f.). Dies hätte wiederum zur Folge, dass auch eine unionsrechtliche Ermächtigung für die Datenverarbeitung durch ein Gericht nicht vorhanden wäre. 30 (a) Ein Verwertungsverbot kommt in Betracht, wenn dies wegen einer durch das Grundgesetz geschützten Rechtsposition einer Prozesspartei zwingend geboten ist. Das setzt in aller Regel voraus, dass die betroffenen Schutzzwecke des bei der Gewinnung verletzten Grundrechts der Verwertung der Erkenntnis oder des Beweismittels im Rechtsstreit entgegenstehen und deshalb die Verwertung selbst einen Grundrechtsverstoß darstellen würde. Dies ist der Fall, wenn das nach Art. 1 Abs. 3 GG unmittelbar an die Grundrechte gebundene Gericht ohne Rechtfertigung in eine verfassungsrechtlich geschützte Position einer Prozesspartei eingriffe, indem es eine Persönlichkeitsrechtsverletzung durch einen Privaten perpetuierte oder vertiefte. Jenseits der sie treffenden Pflicht, ungerechtfertigte Grundrechtseingriffe zu unterlassen, können die Gerichte allenfalls dann wegen einer verfassungsrechtlichen Schutzpflicht gehalten sein, einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Private aktiv zu begegnen und Sachvortrag oder Beweisantritte einer Partei aus Gründen der Generalprävention außer Acht zu lassen, wenn andernfalls die verletzte Schutznorm in den betreffenden Fällen leerliefe (BAG 23. August 2018 – 2 AZR 133/18 – Rn. 14, BAGE 163, 239). 31 (b) Ein auf Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG gestütztes Verwertungsverbot scheidet – selbst unter Berücksichtigung der vom Senat zugunsten des betroffenen Arbeitnehmers unterstellten Vorgaben aus Art. 17 Abs. 3 Buchst. e DSGVO – regelmäßig in Bezug auf solche Bildsequenzen aus einer offenen Videoüberwachung aus, die vorsätzlich begangene Pflichtverletzungen zulasten des Arbeitgebers zeigen (sollen), ohne dass es auf die Rechtmäßigkeit der gesamten Überwachungsmaßnahme ankäme. 32 (aa) Die Beeinträchtigung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung eines Arbeitnehmers durch eine offene Überwachungsmaßnahme wird zum einen durch die Verhaltenshemmung (psychischer Anpassungsdruck) und zum anderen durch die Verdinglichung des gleichwohl gezeigten Verhaltens samt der darin liegenden Gefahr der Verbreitung der Aufzeichnung bewirkt. Anders als bei einer verdeckten Überwachungsmaßnahme geht es bei einer für ihn erkennbaren Überwachung nicht um den Schutz vor einer (heimlichen) Ausspähung, sondern vielmehr „nur“ um Entfaltungs-, Dokumentations- und Verbreitungsschutz. Ein Verwertungsverbot kommt lediglich in Betracht, wenn und soweit der Arbeitnehmer bezogen auf diese Zwecke schutzwürdig ist. Hieran fehlt es, wenn der Arbeitgeber durch die vorhandenen Daten von einer vorsätzlich begangenen Pflichtverletzung Kenntnis erlangt und auf diese reagieren will. Der Arbeitnehmer wurde durch die vorangegangene Überwachung und Aufzeichnung seines Verhaltens nicht daran gehindert, selbstbestimmt zu handeln. Er hat sich vielmehr – trotz seiner Kenntnis von der Überwachung – für die Begehung einer Vorsatztat zulasten des Arbeitgebers entschieden. Zwar wurde dieses Verhalten dokumentiert und damit eine Verbreitung ermöglicht. Doch muss der Arbeitnehmer diese – von ihm angesichts der Offenheit der Überwachung erkennbare – Folge hinnehmen, soweit die betreffende Bildsequenz dazu verwendet wird, den „Tatbeweis“ in einem Kündigungsschutzprozess zu führen, also lediglich der Durchsetzung rechtlich geschützter Belange des Arbeitgebers dienen soll (vgl. EGMR 27. Mai 2014 – 10764/09 – [De la Flor Cabrera/Spanien]; Niemann JbArbR Bd. 55 S. 41, 60). Das grundgesetzlich verbürgte Recht auf informationelle Selbstbestimmung kann nicht zu dem alleinigen Zweck in Anspruch genommen werden, sich der Verantwortung für vorsätzlich rechtswidriges Handeln zu entziehen (vgl. BAG 23. August 2018 – 2 AZR 133/18 – Rn. 30, BAGE 163, 239; BGH 24. November 1981 – VI ZR 164/79 – zu II 2 b der Gründe). Datenschutz ist kein Tatenschutz. 33 (bb) Aspekte der Generalprävention könnten allenfalls dann zu einem Verwertungsverbot in Bezug auf vorsätzliches Fehlverhalten des Arbeitnehmers führen, wenn sich die Überwachungsmaßnahme des Arbeitgebers als solche trotz ihrer offenen Durchführung als schwerwiegende Verletzung des durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Rechts darstellt (denkbar zB bei offener Überwachung von Toiletten oder Umkleideräumen oder offener Dauerüberwachung ohne Rückzugsmöglichkeit, vgl. BAG 23. August 2018 – 2 AZR 133/18 – Rn. 35, BAGE 163, 239). Das entspricht angesichts der zugunsten des Arbeitnehmers unterstellten Vorgaben in Art. 17 Abs. 3 Buchst. e DSGVO iVm. Art. 7 und Art. 8 GRC (Rn. 28) mit hinreichender Deutlichkeit dem Unionsrecht, was der Senat ohne ein darauf bezogenes Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 Abs. 3 AEUV entscheiden kann. 34 cc) Ein Verbot, inkriminierte Bildsequenzen aus einer offenen Videoüberwachung in Augenschein zu nehmen, besteht schließlich nicht deshalb, weil sie womöglich gar kein Verhalten des Arbeitnehmers zeigen, das eine vorsätzliche Verletzung der Rechtsgüter des Arbeitgebers darstellt oder doch auf eine solche hindeutet. Da Art. 103 Abs. 1 GG und Art. 47 Abs. 2 GRC grds. gebieten, einem erheblichen Beweisantritt nachzugehen, darf eine Beweiserhebung nicht auf die bloße Möglichkeit ihrer Grundrechtswidrigkeit hin unterbleiben. Auch insofern bestehen für den betroffenen Arbeitnehmer ausreichende andere Schutzmechanismen. Ergibt die Inaugenscheinnahme „rein gar nichts“ iSd. Arbeitgebers, verliert dieser nicht nur den Prozess. Vielmehr kann in der weiteren Verarbeitung – eindeutig – irrelevanter Sequenzen und deren Einführung in einen Rechtsstreit eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung liegen, für die er unter den Voraussetzungen von § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG eine Geldentschädigung (BAG 23. August 2018 – 2 AZR 133/18 – Rn. 36, BAGE 163, 239) oder nach Art. 82 DSGVO immateriellen Schadenersatz schuldet (EuGH 4. Mai 2023 – C-300/21 – [Österreichische Post]). 35 dd) Im vorliegenden Rechtsstreit waren die – vermeintlichen – Erkenntnisse der Beklagten aus der Videoüberwachung an Tor 5 zum Werksgelände ebenso zu berücksichtigen, wie die Bildsequenz, die den Kläger beim vorzeitigen Verlassen des Werksgeländes zeigen soll, ggf. als Beweismittel in Augenschein zu nehmen wäre. 36 (1) Es handelte sich um eine offene, durch zumindest ein Piktogramm ausgewiesene und auch sonst nicht zu übersehende Videoüberwachung. Es ist rechtlich ohne Bedeutung, dass das Piktogramm – über das Monitoring hinaus – nicht gesondert auf eine Aufzeichnung und Speicherung der Bildsequenzen hingewiesen hat und die Beklagte ihren Informationspflichten aus Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 DSGVO möglicherweise nicht vollständig nachgekommen sein mag. Der Kläger musste jedenfalls damit rechnen, dass auch eine Aufzeichnung und Speicherung seines „Passierverhaltens“ erfolgen könnte. Er wurde nicht heimlich „ausgespäht“, sondern hat sich einer Erfassung seiner möglichen vorsätzlichen Pflichtverletzung „sehenden Auges“ ausgesetzt. Anders hätte es allenfalls gelegen, wenn die Beklagte ihn in Bezug auf die Erfassung und Speicherung von vorsätzlichen Pflichtverletzungen „in Sicherheit gewiegt“ hätte (vgl. BAG 23. August 2018 – 2 AZR 133/18 – Rn. 44, BAGE 163, 239). Dafür ist indes nichts festgestellt. Anderes folgt nicht aus dem – streitigen und überdies unsubstantiierten – Vorbringen des Klägers, dem Betriebsrat sei mitgeteilt worden, dass die Videoüberwachung dazu bestimmt sei, Dienstfremden und Mitarbeitern, die Probleme mit ihrem Werksausweis hätten, die Möglichkeit zu geben, über eine Klingel den Werkschutz zu kontaktieren, damit dieser das Werkstor aus der Ferne öffnen könne. Dem lässt sich schon nicht entnehmen, dass dies dem Betriebsrat als alleiniger Zweck der Videoüberwachung – zumal auch des Ausgangs vom Werksgelände – eröffnet worden sei. Dessen ungeachtet ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass die Beklagte dem Betriebsrat erklärt hat, es erfolge ein reines Videomonitoring bzw. die Aufzeichnungen der Kameras sollten nicht ggf. zur Aufdeckung von vorsätzlichen Pflichtverletzungen genutzt werden. 37 (2) Zwar hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt, welchen genauen Erfassungsbereich die Kameras an Tor 5 zum Werksgelände hatten. Doch kann das Vorliegen einer zu einem ständigen Anpassungs- und Leistungsdruck führenden Dauer- oder Totalüberwachung ausgeschlossen werden. Die Arbeitnehmer wurden im Wesentlichen nur beim Durchschreiten des Tores – bei Betreten des Werksgeländes zudem beim Vorhalten ihres Werksausweises vor das Kartenlesegerät – für eine kurze Zeit gefilmt. Ihre Intim- oder Privatsphäre wurde dabei nicht tangiert. Eine schwere Grundrechtsverletzung folgt auch nicht daraus, dass die Beklagte möglicherweise lange mit der erstmaligen Sichtung des Bildmaterials zugewartet und es bis dahin vorgehalten hat (vgl. BAG 23. August 2018 – 2 AZR 133/18 – Rn. 30, 33, BAGE 163, 239). 38 (3) Mit der Verwertung der betreffenden Bildsequenz im vorliegenden Rechtsstreit ist keine Zweckänderung iSv. Art. 6 Abs. 4 DSGVO verbunden. Der maßgebliche abstrakte Zweck der Datenerhebung (Schutz der berechtigten Interessen der Beklagten und widrigenfalls Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche) stimmt mit dem Zweck der Datenverarbeitung im vorliegenden Verfahren (Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche) überein (vgl. Schulz in Gola/Heckmann DSGVO/BDSG 3. Aufl. Art. 6 DSGVO Rn. 135). Selbst wenn eine Zweckänderung vom Eigentums- hin zum Vermögensschutz vorläge, ergibt die – vom nationalen Gericht vorzunehmende (vgl. EuGH 2. März 2023 – C-268/21 – [Norra Stockholm Bygg] Rn. 48) – Abwägung der wechselseitigen Interessen, dass die Grundrechtspositionen des Klägers aus Art. 7 und Art. 8 GRC nicht das durch Art. 47 Abs. 2 GRC garantierte, in concreto besonders hoch zu bewertende Recht der Beklagten auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz gegenüber einem – vermeintlich – vorsätzlichen Fehlverhalten ihres Arbeitnehmers überwiegen. 39 IV. Der Senat kann aufgrund der bisher vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen nicht selbst abschließend über den vorrangigen Klageantrag gegen die außerordentliche fristlose Kündigung entscheiden. Das Berufungsurteil stellt sich insoweit nicht deshalb als im Ergebnis richtig dar (§ 561 ZPO), weil die Beklagte – wie das Arbeitsgericht angenommen hat – mit ihrem Vorbringen im Rechtsstreit aus betriebsverfassungsrechtlichen Gründen ausgeschlossen wäre, da sie es dem Betriebsrat bei der Anhörung nach § 102 BetrVG nicht unterbreitet hatte. Für den Kündigungsvorwurf und die darauf bezogene Einlassung des Gremiums spielt es keine erhebliche Rolle, ob der Kläger sich in der ausliegenden Anwesenheitsliste in seiner Eigenschaft als Teamsprecher selbst bestätigt oder eine entsprechende Eintragung durch einen anderen Teamsprecher veranlasst hat (Rn. 19). Schon gar nicht handelt es sich um zwei verschiedene Kündigungssachverhalte. 40 V. Die damit erforderliche Zurückverweisung umfasst den Antrag gegen die ordentliche Kündigung, den Auflösungsantrag der Beklagten und den Antrag auf Erteilung eines qualifizierten Endzeugnisses. Dagegen ist der Rechtsstreit hinsichtlich der Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses rechtskräftig abgeschlossen (Rn. 12). 41 VI. Für das fortgesetzte Berufungsverfahren sind folgende weitere Hinweise veranlasst: 42 1. Das Landesarbeitsgericht wird zunächst über den vorrangigen Antrag gegen die außerordentliche Kündigung vom 5. Oktober 2019 zu befinden haben, die – ungeachtet der weiteren von der Beklagten angeführten Kündigungssachverhalte – schon durchgreifen dürfte, wenn davon auszugehen sein sollte, der Kläger habe die Mehrarbeitsschicht am 2. Juni 2018 in der Absicht überhaupt nicht geleistet, sie gleichwohl von der Beklagten vergütet zu bekommen (Rn. 16). 43 a) Dabei wird das Berufungsgericht zu beachten haben, dass das Vorbringen der Beklagten zum Erschleichen der Vergütung für die Mehrarbeitsschicht am 2. Juni 2018 durch den Kläger nach dessen bisheriger Einlassung gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehen ist, weil er es weder ausreichend substantiiert bestritten hat (Rn. 18 ff.) noch zu seinen Gunsten ein Sachvortragsverwertungsverbot eingreift (Rn. 22 ff.). 44 b) Um der ihn treffenden sekundären Darlegungslast zu genügen, müsste der Kläger sich zunächst festlegen, ob er am 2. Juni 2018 zwar das Werksgelände vor Schichtbeginn verlassen, es jedoch ebenfalls noch vor Schichtbeginn „unbemerkt“ wieder betreten haben, oder ob er durchgängig auf dem Werksgelände geblieben sein möchte. Der Beklagten obläge sodann (nur) der Nachweis, dass diese Darstellung nicht zutrifft (vgl. BAG 16. Dezember 2021 – 2 AZR 356/21 – Rn. 31 f.). 45 c) Sollte der Kläger behaupten, er sei durchgängig auf dem Werksgelände verblieben, hätte das Landesarbeitsgericht nach §§ 371 ff. ZPO Beweis durch Inaugenscheinnahme der inkriminierten, keinem Verwertungsverbot unterliegenden (Rn. 22 ff.) Bildsequenz aus der Videoüberwachung an Tor 5 zu der gegenteiligen Behauptung der Beklagten zu erheben, der Kläger habe das Gelände vor Schichtbeginn wieder verlassen. Sollte sich dies erweisen, wäre schon deshalb davon auszugehen, dass die Darstellung der Beklagten zum Kündigungsvorwurf (Nichtableisten der Schicht in Täuschungsabsicht) zutrifft. Der Kläger könnte sich nicht in prozessual zulässiger Weise dahin einlassen, er habe das Werksgelände nicht verlassen; sollte er es doch verlassen haben, habe er es noch vor Schichtbeginn wieder betreten. 46 d) Sollte der Kläger nach der Zurückverweisung substantiiert darlegen, dass er das Werksgelände zwar zunächst wieder verlassen, es aber „unbemerkt“ noch vor Schichtbeginn – wann, durch welchen Eingang? – wieder betreten und sodann – nach rechtzeitigem Erreichen der Gießerei? – ordnungsgemäß gearbeitet habe, wird das Landesarbeitsgericht – ohne dass es auf die von der Beklagten vorgelegte Bildsequenz aus der Videoüberwachung an Tor 5 ankäme – nach § 286 Abs. 1 ZPO zu würdigen haben, ob es die Behauptung der Beklagten für erwiesen erachtet, der Kläger habe das Werksgelände am 2. Juni 2018 nicht wieder betreten. Dabei wird das Berufungsgericht zu beachten haben, dass für eine Überzeugungsbildung iSd. § 286 Abs. 1 ZPO ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit genügt, der verbleibenden Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen. Das Gericht muss ggf. begründen, warum es Restzweifel nicht überwinden konnte. Insbesondere darf es das Nichterreichen eines ausreichenden Grads an Gewissheit nicht allein darauf stützen, es seien andere Erklärungen theoretisch denkbar (vgl. BAG 11. Juni 2020 – 2 AZR 442/19 – Rn. 62, BAGE 171, 66). Dementsprechend wird sich das Landesarbeitsgericht die volle Überzeugung iSd. Vorbringens der Beklagten ggf. auch allein dadurch verschaffen können, dass es das gegenteilige Vorbringen des Klägers zum Wiedereintritt durch den Haupteingang zwar für ausreichend substantiiert, aber für nicht glaubhaft, weil jeder inneren Wahrscheinlichkeit entbehrend, erachtet (vgl. BGH 22. November 1994 – XI ZR 219/93 – zu II f der Gründe). In diesem Zusammenhang könnte es auch eine Rolle spielen, wenn der Kläger des vorliegenden Rechtsstreits sowie die Kläger der vom Senat am selben Tag entschiedenen Parallelverfahren – 2 AZR 297/22 und 2 AZR 298/22 – das Werksgelände zwar in kurzen Abständen vor Beginn der Mehrarbeitsschicht durch Tor 5 verlassen haben, es aber jeweils „unbemerkt“ rechtzeitig durch ein anderes Tor wieder betreten haben wollen. 47 e) Sollte der Kläger substantiiert dartun, dass er das Werksgelände vor Schichtbeginn durch ein Drehkreuz wieder betreten haben möchte, wären die Behauptung und ggf. ein entsprechender Beweisantritt der Beklagten prozessual beachtlich, dass dies nach der elektronischen Anwesenheitserfassung und der Videoüberwachung ausgeschlossen werden kann. Es stellt bereits keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers dar, wenn er von einer Überwachungsmaßnahme nicht erfasst wurde. Auch war mit der elektronischen Anwesenheitserfassung und einer offenen Videoüberwachung an den Toren zum Werksgelände keine schwerwiegende Grundrechtsverletzung verbunden (Rn. 33, 37). 48 f) Anders als vom Landesarbeitsgericht angenommen, ist es der Beklagten nicht aus betriebsverfassungsrechtlichen Gründen verwehrt, Daten, die sie mithilfe der elektronischen Anwesenheitserfassung gewonnen hat, in das Verfahren einzuführen. 49 aa) Das Berufungsgericht hat seine Auffassung auf eine am 17. Oktober 2007 für das Werk H abgeschlossene Betriebsvereinbarung über die Einführung einer elektronischen Anwesenheitserfassung (BV 2007) gestützt, wonach „keine personenbezogene Auswertung von Daten erfolgt“. Durch den Abschluss dieser Betriebsvereinbarung, deren weiterer Inhalt sich aus dem angefochtenen Urteil allerdings nicht erschließt, habe die Beklagte den Kläger im Sinne einer „berechtigten Privatheitserwartung“ in Sicherheit gewiegt. Dies gelte selbst für den Fall, dass der Betriebsrat der Auswertung der Kartenlesegeräte nachträglich zugestimmt habe, da die Betriebsvereinbarung den Arbeitnehmern – so das Landesarbeitsgericht – „eigene Rechte“ einräume. 50 bb) Es kann unterstellt werden, dass die BV 2007 die vom Landesarbeitsgericht herangezogene Regelung enthält. Diese konnte in Bezug auf die dem Kläger vorgeworfene Arbeitszeitmanipulation jedoch keine berechtigte Privatheitserwartung begründen oder den Kläger bezüglich der Begehung und Ahndung seiner vermeintlichen Arbeitszeitmanipulation „in Sicherheit wiegen“ (vgl. Rn. 36). 51 (1) Die Vorinstanz ist begründungslos davon ausgegangen, dass durch die BV 2007 auch eine vorsätzliche Pflichtverletzung der rechtlichen Ahndung entzogen werden soll. Eine solche Auslegung begegnet schon deshalb Bedenken, weil die Vereitelung von Sanktionen auch für schwere Pflichtverletzungen kaum mit dem in § 2 Abs. 1 BetrVG genannten „Wohl des Betriebs“ als Ziel der Zusammenarbeit zwischen den Betriebsparteien vereinbar wäre. Von der Regelung in der vom Berufungsgericht verstandenen Weise begünstigt wäre – ohne ersichtlichen Grund – auch der vertragswidrig handelnde Vorsatztäter. 52 (2) Das Landesarbeitsgericht muss dem Inhalt der BV 2007 aber nicht weiter nachgehen. Selbst wenn diese entsprechend seiner Sichtweise auszulegen wäre, würde ein Verstoß der Beklagten gegen das dort bestimmte „Auswertungsverbot“ nicht dazu führen, dass es den Gerichten für Arbeitssachen verwehrt wäre, die in den Rechtsstreit eingeführten Erkenntnisse ihrer Entscheidung zugrunde zu legen. 53 (a) Den Betriebsparteien fehlt die Regelungsmacht, ein über das formelle Verfahrensrecht der Zivilprozessordnung hinausgehendes Verwertungsverbot zu begründen oder die Möglichkeit des Arbeitgebers wirksam zu beschränken, in einem Individualrechtsstreit Tatsachenvortrag über betriebliche Geschehnisse zu halten (zweifelnd bereits BAG 31. Januar 2019 – 2 AZR 426/18 – Rn. 68, BAGE 165, 255) und diesen unter Beweis zu stellen. Es kann dahinstehen, ob und ggf. in welchem Umfang sich der Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat überhaupt verpflichten kann, Erkenntnisse aus einer Datenverarbeitung nicht zu nutzen. Die Betriebsparteien sind zwar berechtigt, im Rahmen ihrer Zuständigkeit die betriebsverfassungsrechtlichen Beteiligungsrechte auszugestalten und ggf. zu erweitern. Dabei sind sie nicht auf die in § 88 BetrVG genannten Regelungsgegenstände beschränkt. Die Aufzählung der dort genannten Angelegenheiten ist nicht abschließend. Den Betriebsparteien fehlt jedoch die Befugnis zu Eingriffen in das gerichtliche Verfahren. Dieses steht nicht zu ihrer Disposition. Vielmehr obliegt seine Ausgestaltung dem Gesetzgeber. Allein dieser ist befugt, den gerichtlichen Verfahrensablauf zu bestimmen (vgl. BAG 18. August 2009 – 1 ABR 49/08 – Rn. 20, BAGE 131, 358). Dazu gehört auch die in §§ 138, 286 Abs. 1 ZPO bestimmte Möglichkeit, Tatsachenstoff in das Verfahren einzuführen und unter Beweis zu stellen, sowie die darauf bezogene Würdigung durch das Gericht. 54 (b) Es tritt hinzu, dass das Recht zur – hier vorrangig erklärten – außerordentlichen Kündigung des Arbeitsvertrags gemäß § 626 BGB im Voraus weder verzicht- noch erheblich erschwerbar und eine gegenteilige Regelung nach § 134 BGB nichtig ist (BAG 15. März 1991 – 2 AZR 516/90 – zu II 2 d aa der Gründe; 28. Oktober 1971 – 2 AZR 15/71 – zu II 2 b der Gründe; 18. Dezember 1961 – 5 AZR 104/61 – zu 1 der Gründe). Zumindest auf eine erhebliche Erschwerung des Rechts zur außerordentlichen Kündigung liefe aber ein Verbot für den Arbeitgeber hinaus, Erkenntnisse aus einer Überwachungsmaßnahme, die auf ein Verhalten hindeuten (sollen), das „an sich“ geeignet ist, einen wichtigen Grund iSv. § 626 BGB zu bilden, in einen Kündigungsschutzprozess einzuführen. Denn dabei handelt es sich regelmäßig um die zuverlässigsten Erkenntnisquellen (vgl. BAG 23. August 2018 – 2 AZR 133/18 – Rn. 27, BAGE 163, 239). 55 (c) Nach alledem kann dahinstehen, ob ein in einer Betriebsvereinbarung bestimmtes Verbot für den Arbeitgeber, Erkenntnisse aus einer – zumal offenen – Überwachungsmaßnahme in einen Kündigungsschutzprozess einzuführen, die auf eine vorsätzliche Pflichtverletzung eines Arbeitnehmers hindeuten, auch unionsrechtswidrig wäre. Dafür dürfte sprechen, dass die DSGVO nach ihrem Art. 1 Abs. 1 eine grundsätzlich vollständige Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften zum Schutz personenbezogener Daten sicherstellen soll, und die Mitgliedstaaten bzw. die Betriebsparteien, wenn sie von einer Öffnungsklausel wie derjenigen in Art. 88 Abs. 1 DSGVO Gebrauch machen, ihr Ermessen unter den Voraussetzungen und innerhalb der Grenzen der Bestimmungen der DSGVO ausüben müssen und deshalb nur Rechtsvorschriften bzw. Kollektivvereinbarungen erlassen dürfen, die nicht gegen den Inhalt und die Ziele der DSGVO (ua. Schutz des freien Datenverkehrs) verstoßen. Das betrifft namentlich die in Art. 6 DSGVO enthaltenen Vorgaben (vgl. EuGH 30. März 2023 – C-34/21 – [Hauptpersonalrat der Lehrerinnen und Lehrer] Rn. 51, 59, 68 ff. und 79). Der Vorschrift ist es ausweislich ihres Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f aber fremd, dass bestimmte Verarbeitungen von personenbezogenen Daten trotz eines – bei Vorsatztaten besonders hohen – berechtigten Interesses des Verantwortlichen ungeachtet einer einzelfallbezogenen Abwägung ausgeschlossen sind. Ebenso erscheint zweifelhaft, ob es sich bei solchen Verwertungsverboten um geeignete und besondere Maßnahmen zur Wahrung ua. der berechtigten Interessen und der Grundrechte der betroffenen Arbeitgeber iSv. Art. 88 Abs. 2 DSGVO handelt (vgl. EuGH 30. März 2023 – C-34/21 – [Hauptpersonalrat der Lehrerinnen und Lehrer] Rn. 64). 56 g) Das Landesarbeitsgericht wird auch nicht aufklären müssen, ob bei der Einrichtung der Videoüberwachung – soweit es auf die daraus gewonnenen Erkenntnisse überhaupt ankommen sollte – Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats missachtet wurden. Der Schutzzweck von § 87 Abs. 1 Nr. 6 und § 77 BetrVG gebietet ein Verwertungsverbot jedenfalls dann nicht, wenn die Verwertung der Information bzw. des Beweismittels – wie hier – nach allgemeinen Grundsätzen zulässig ist (vgl. BAG 20. Oktober 2016 – 2 AZR 395/15 – Rn. 36, BAGE 157, 69; 22. September 2016 – 2 AZR 848/15 – Rn. 44, BAGE 156, 370). 57 h) Falls das Landesarbeitsgericht zwar nicht von einer „Tat“ durch den Kläger überzeugt sein, aber einen entsprechenden dringenden Verdacht bejahen sollte, wäre zu prüfen, ob der Kläger – wofür alles spricht – dazu ordnungsgemäß angehört worden ist (zu den Anforderungen vgl. BAG 25. April 2018 – 2 AZR 611/17 – Rn. 31 f.). 58 i) Schließlich wäre ggf. zu erörtern, ob die Beklagte die Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt und den Betriebsrat – wofür entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts alles spricht – ordnungsgemäß iSv. § 102 Abs. 1 BetrVG zu der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung angehört hat. 59 2. Sollte das Berufungsgericht dem Hauptantrag gegen die außerordentliche fristlose Kündigung vom 5. Oktober 2019 stattgeben, fiele der unechte Hilfsantrag gegen die ordentliche Kündigung vom 9. Oktober 2019 zur Entscheidung an. Insofern wird ggf. zu beachten sein, dass die Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB für eine ordentliche Tat-, aber auch Verdachtskündigung nicht gilt (vgl. BAG 31. Januar 2019 – 2 AZR 426/18 – Rn. 31, BAGE 165, 255). 60 3. Falls das Landesarbeitsgericht dem gegen die ordentliche Kündigung gerichteten unechten Hilfsantrag ebenfalls stattgeben sollte, fiele der von der Beklagten zweitinstanzlich zulässigerweise zu Protokoll gestellte Auflösungsantrag nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG zur Entscheidung an. Zwar spricht vieles dafür, dass die Beklagte die darauf bezogene Begründung nicht wirksam in das Verfahren eingeführt hat. Die Antragsbegründung hat sie weder zu Protokoll des Berufungsgerichts gegeben noch in einem gemäß § 46g Satz 1 ArbGG als elektronisches Dokument (dazu Siegmund NJW 2023, 1681, 1683) bei Gericht eingegangenen Schriftsatz ausgeführt. Dies bedarf indes keiner Entscheidung. Die Beklagte kann ihren den Auflösungsantrag begründenden, bisher nur im Termin übergebenen (Papier-)Schriftsatz im fortgesetzten Berufungsverfahren elektronisch einreichen. Der Auflösungsantrag dürfte sich als erfolgreich erweisen, wenn der dazu zweitinstanzlich und im Revisionsverfahren von der Beklagten gehaltene Vortrag zum wahrheitswidrigen Prozessvorbringen des Klägers unstreitig bleibt oder bewiesen wird. 61 4. Schließlich wird das Landesarbeitsgericht nach § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO auf eine Klarstellung hinzuwirken haben, ob der Kläger den Antrag auf Erteilung eines qualifizierten Endzeugnisses tatsächlich nur für den – nicht eingetretenen (Rn. 12) – Fall des Unterliegens mit dem Antrag auf Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses oder vielmehr für den Fall des Unterliegens mit einem der Kündigungsschutzanträge oder gegen den Auflösungsantrag der Beklagten, also der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, zur Entscheidung gestellt hat. 62 5. Bei der Kostenentscheidung für die erste Instanz wird das Landesarbeitsgericht – auch dann, wenn es die Berufung der Beklagten insgesamt zurück- und ihren im zweiten Rechtszug gestellten Auflösungsantrag abweisen sollte – zu beachten haben, dass der Kläger einen zunächst gestellten allgemeinen Feststellungsantrag zurückgenommen (§ 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO) und das Arbeitsgericht darüber hinaus zwei vermeintliche weitere allgemeine Feststellungsanträge rechtskräftig als unzulässig abgewiesen hat. Diese „Anträge“ mögen den Gebührenstreitwert für die erste Instanz nicht erhöht haben. Doch bedeutet dies nicht, dass sich die teilweise Klagerücknahme bzw. Klageabweisung nicht kraft Bildung eines fiktiven Kostenstreitwerts zulasten des Klägers auswirken müsste (vgl. Niemann NZA 2019, 65, 71). Hinsichtlich des zurückgenommenen Antrags könnte anderes gelten, wenn es sich – wofür vieles spricht – nicht um einen Haupt-, sondern einen unechten Hilfsantrag gehandelt haben sollte. Zudem wird das Berufungsgericht über die Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens und der Revision zu entscheiden haben.              Koch                  Schlünder                  Niemann                                    Mertz                  Alex" bag_32-22,25.08.2022,"25.08.2022 32/22 - Nachvertragliches Wettbewerbsverbot - Berechnung der Karenzentschädigung - Einbeziehung von Leistungen Dritter - Restricted Stock Units (RSUs) Der Begriff der „vertragsmäßigen Leistungen“ iSv. § 74 Abs. 2 HGB*, auf deren Grundlage sich bei einem zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbarten nachvertraglichen Wettbewerbsverbot die gesetzliche (Mindest-)Karenzentschädigung berechnet, umfasst nur solche Leistungen, die auf dem Austauschcharakter des Arbeitsvertrags beruhen und die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer als Vergütung für geleistete Arbeit schuldet. Deshalb sind, soweit der Arbeitnehmer eine Vereinbarung über die Gewährung von Restricted Stock Units (RSUs – beschränkte Aktienerwerbsrechte) nicht mit seinem Arbeitgeber, sondern mit der Obergesellschaft der Unternehmensgruppe schließt, der sein Vertragsarbeitgeber angehört, die dem Arbeitnehmer seitens der Obergesellschaft gewährten RSUs bzw. die ihm – nach Wegfall bestimmter Restriktionen – zugeteilten Aktien grundsätzlich nicht Teil der „vertragsmäßigen Leistungen“ iSv. § 74 Abs. 2 HGB. Etwas anderes kann jedoch gelten, wenn der Vertragsarbeitgeber im Hinblick auf die Gewährung der RSUs durch die Obergesellschaft ausdrücklich oder konkludent eine eigene (Mit-)Verpflichtung eingegangen ist. Ob dies zutrifft, beurteilt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls. Der Kläger war von Januar 2012 bis Januar 2020 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen beschäftigt. Sein monatliches Grundgehalt belief sich zuletzt auf 10.666,67 Euro brutto. Die Beklagte ist Mitglied einer Unternehmensgruppe, deren Obergesellschaft ein US-amerikanisches Unternehmen ist. Der im Dezember 2011 geschlossene Arbeitsvertrag des Klägers enthält unter § 15 die Vereinbarung eines neunmonatigen konzernweiten nachvertraglichen Wettbewerbsverbots. Im Gegenzug verpflichtete sich die Arbeitgeberin, an den Kläger „nach Ende der Anstellung eine Entschädigung zu zahlen, welche für jedes Jahr des Verbots die Hälfte der vom Angestellten zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erreicht“. Ergänzend wurde die Geltung der §§ 74 ff. HGB vereinbart. Während seines Arbeitsverhältnisses partizipierte der Kläger an dem „RSU-Programm“ der Obergesellschaft und erhielt auf der Grundlage der von ihm mit dieser jeweils separat getroffenen „Global Restricted Stock Unit Award Agreements“ jährlich eine bestimmte Anzahl von RSUs. Mit seiner Klage hat der Kläger, der sich nach seinem Ausscheiden an das Wettbewerbsverbot gehalten hat, die Beklagte zuletzt noch auf Zahlung von Karenzentschädigung iHv. insgesamt 80.053,65 Euro brutto nebst Zinsen in Anspruch genommen. Er hat die Auffassung vertreten, ihm stehe für die Karenzzeit – über den von der Beklagten bereits gezahlten und den ihm erstinstanzlich rechtskräftig zuerkannten weiteren Betrag hinaus – eine weitere Karenzentschädigung iHv. 8.894,85 Euro brutto monatlich zu. Bei der Berechnung der Karenzentschädigung seien auch die ihm gewährten RSUs zu berücksichtigen. Darauf, wer Schuldner dieser Leistungen sei, könne es schon in Anbetracht der Möglichkeit der Einflussnahme der Obergesellschaft auf die Vertragsbedingungen im Arbeitsverhältnis der Parteien nicht ankommen. Die Vorinstanzen haben die Klage im noch streitgegenständlichen Umfang abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Der Kläger hat – wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat – keinen Anspruch auf Zahlung einer höheren Karenzentschädigung. Ein solcher Anspruch hätte sich nur unter Berücksichtigung der dem Kläger seitens der Obergesellschaft gewährten RSUs ergeben können. Bei diesen handelt es sich jedoch nicht um „vertragsmäßige Leistungen“ iS der unter § 15 des Arbeitsvertrags über die Höhe der Karenzentschädigung getroffenen Vereinbarung. Diese Vereinbarung greift den Wortlaut von § 74 Abs. 2 HGB auf und ist mithin dahin zu verstehen, dass die Beklagte dem Kläger eine Karenzentschädigung iH der gesetzlichen Mindestentschädigung zugesagt hat. Für die Auslegung des Begriffs der „vertragsmäßigen Leistungen“ in § 15 des Arbeitsvertrags gilt demnach nichts anderes als für die Auslegung des entsprechenden Rechtsbegriffs in § 74 Abs. 2 HGB. Der Begriff der „vertragsmäßigen Leistungen“ iSv. § 74 Abs. 2 HGB, auf deren Grundlage sich bei der Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots die gesetzliche (Mindest-)Karenzentschädigung berechnet, umfasst nur solche Leistungen, die auf dem Austauschcharakter des Arbeitsvertrags beruhen und die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer als Vergütung für geleistete Arbeit schuldet. Da der Kläger die jeweiligen „Global Restricted Stock Unit Award Agreements“, also die Vereinbarungen über die Gewährung der RSUs, nicht mit der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen, sondern mit der Obergesellschaft getroffen hat, setzt die Berücksichtigung der RSUs bei der Berechnung der Karenzentschädigung zumindest voraus, dass die Beklagte im Hinblick auf die Gewährung dieser RSUs – ausdrücklich oder konkludent – eine (Mit-)Verpflichtung übernommen hatte. Die Beklagte ist jedoch – wie das Landesarbeitsgericht unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls rechtsfehlerfrei angenommen hat – weder ausdrücklich noch konkludent eine solche (Mit-)Verpflichtung eingegangen. Insbesondere war eine andere Bewertung nicht deshalb geboten, weil die Parteien in § 15 des Arbeitsvertrags ein „konzernweites“ Wettbewerbsverbot vereinbart hatten. Selbst wenn die Wettbewerbsabrede hinsichtlich ihres vereinbarten Konzernbezugs nicht dem Schutz berechtigter geschäftlicher Interessen der Beklagten gedient haben sollte, hätte dies nach § 74a Abs. 1 HGB** „nur“ eine Rückführung der dem Kläger auferlegten Beschränkungen auf die zulässige Reichweite des Verbots bewirkt, nicht aber dazu geführt, dass der Kläger, soweit er sich auch des Wettbewerbs insbesondere im Geschäftsbereich der Obergesellschaft enthalten hat, eine Karenzentschädigung unter Berücksichtigung der RSUs verlangen könnte. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. August 2022 – 8 AZR 453/21 – Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 11. August 2021 – 10 Sa 284/21 – * § 74 Abs. 2 HGB Das Wettbewerbsverbot ist nur verbindlich, wenn sich der Prinzipal verpflichtet, für die Dauer des Verbots eine Entschädigung zu zahlen, die für jedes Jahr des Verbots mindestens die Hälfte der von dem Handlungsgehilfen zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erreicht. ** § 74a Abs. 1 HGB Das Wettbewerbsverbot ist insoweit unverbindlich, als es nicht zum Schutz eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Prinzipals dient. …","Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 11. August 2021 – 10 Sa 284/21 – wird zurückgewiesen. Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen. Leitsatz Schließt der Arbeitnehmer eine Vereinbarung über die Gewährung (beschränkter) Aktienerwerbsrechte nicht mit seinem Arbeitgeber, sondern mit einem Dritten, ggf. einer (Konzern-)Obergesellschaft, sind die dem Arbeitnehmer gewährten Rechte bzw. die nach Wegfall von Beschränkungen zugeteilten Aktien grundsätzlich nicht Teil der „vertragsmäßigen Leistungen“ iSd. § 74 Abs. 2 HGB und deshalb bei der Berechnung der gesetzlichen Mindestkarenzentschädigung nicht zu berücksichtigen. Tatbestand 1 Die Parteien streiten über die Höhe der Karenzentschädigung für ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot, zuletzt ausschließlich darüber, ob seitens einer Obergesellschaft gewährte Restricted Stock Units (beschränkte Aktienerwerbsrechte, im Folgenden RSUs) in die Berechnung der Entschädigung einzubeziehen sind. 2 Die Beklagte ist ein Unternehmen der A-Gruppe, an deren Spitze die börsennotierte A Inc. mit Sitz in den Vereinigten Staaten von Amerika steht. Der Kläger war vom 9. Januar 2012 bis zum 31. Januar 2020 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen als Senior Alliance & Channel Manager, zuletzt zu einem monatlichen Grundgehalt iHv. 10.666,67 Euro brutto beschäftigt. Im Anstellungsvertrag vom 8. Dezember 2011 (im Folgenden Arbeitsvertrag), den der Kläger mit einer Rechtsvorgängerin der Beklagten, der A GmbH, einer Tochtergesellschaft der A Inc., schloss, heißt es auszugsweise:          „§ 3 Vergütung                   (1) Der Mitarbeiter erhält als Vergütung für seine Tätigkeit ein Brutto-Monatsgehalt von € 8333,33 brutto, zahlbar bargeldlos jeweils zum Monatsende auf das vom Mitarbeiter bestimmte Konto. …                   …                                                                                                           § 14 Zusatzvereinbarungen                   Die Parteien haben über folgende Regelungsgegenstände eine Zusatzvereinbarung getroffen:                            ●        Sign-on Bonus          Die vorstehend erwähnten Zusatzvereinbarungen sind diesem Anstellungsvertrag als Anlage beigefügt und sind wesentlicher Bestandteil dieses Anstellungsvertrages.                   § 15 Nachvertragliches Wettbewerbsverbot /                   Abwerbeverbot / Vertragsstrafe                   (1)                        Für Zwecke der nachfolgenden Regelung sind zu verstehen:                   (1.1)                    ‚Konzernunternehmen‘ als die A Inc. sowie jede Tochtergesellschaft der A Inc., die das Geschäft der US-amerikanischen, kanadischen oder europäischen Unternehmungen der A Inc. betreiben oder für diese Dienstleistungen erbringen.                   (1.2)                    ‚Konkurrenztätigkeit‘ als jede Tätigkeit, (1) die in Konkurrenz zur Tätigkeit des Unternehmens (Unternehmen = A GmbH) oder eines Konzernunternehmens steht (dies umfasst auch jede Tätigkeit, die das Unternehmen oder ein Konzernunternehmen aktiv entwickelt), in jedem Land, in dem das Unternehmen oder ein Konzernunternehmen tätig ist oder aktiv plant, tätig zu werden, und (2) von der der Angestellte Kenntnis besitzt.                   …                          (2)                        (2.1)                    Während der Dauer der Anstellung und bis zum Ablauf von 9 Monaten nach dem Beendigungstermin verpflichtet sich der Angestellte, weder unmittelbar noch mittelbar:                   (2.1.1)                   sich als Eigentümer, Teilhaber, Teilhaber an einem Joint Venture, Anteilseigner, Investor oder in irgendeiner ähnlichen Eigenschaft zu verpflichten, an einer eine Konkurrenztätigkeit ausübenden Unternehmung zu beteiligen oder diese zu betreiben                   oder                      (2.1.2)                   als Arbeitnehmer, gesetzlicher Vertreter, Direktor, Berater oder Vertreter oder Vermittler in jeglicher Funktion im Rahmen einer Konkurrenztätigkeit tätig zu werden, es sei denn, dass die Aufgaben und Tätigkeiten des Angestellten nichts (außer in geringstem Umfang) damit zu tun haben, womit der Angestellte in irgendeiner Weise zu irgendeinem Zeitpunkt während der letzten 24 Monate vor dem Beendigungstermin befasst war.                   …                          (2.3)                    Für die Dauer des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots verpflichtet sich die Gesellschaft nach Ende der Anstellung eine Entschädigung zu zahlen, welche für jedes Jahr des Verbotes die Hälfte der vom Angestellten zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erreicht.                   (2.4)                    Ergänzend gelten die § 74 ff HGB.“          3 In der in § 14 bezeichneten Zusatzvereinbarung über den Sign-on Bonus ist geregelt:          „Sign-on Bonus          (1) Aus Wertschätzung der Gesellschaft gegenüber der Entscheidung des Mitarbeiters bei der Gesellschaft zu arbeiten und in Erwartung einer länger andauernden Beschäftigung und Betriebstreue, wird die Gesellschaft eine einmalige Prämie in Höhe von € 88.000,00 brutto zahlen. Diese Prämie wird wie nachfolgend beschrieben gezahlt: Die erste Rate von € 12.500,00 wird üblicherweise mit der ersten Gehaltszahlung des Mitarbeiters ausgezahlt, die zwei Rate von € 12.500,00 wird üblicherweise mit der vierten Gehaltszahlung des Mitarbeiters ausgezahlt, die dritte Rate von € 12.500,00 wird üblicherweise mit der siebten Gehaltszahlung des Mitarbeiters ausgezahlt, die vierte Rate von € 12.500,00 wird üblicherweise mit der zehnten Gehaltszahlung des Mitarbeiters ausgezahlt, die fünfte Rate von € 9.500,00 mit der dreizehnten Gehaltszahlung des Mitarbeiters ausgezahlt, die sechste Rate von € 9.500,00 wird üblicherweise mit der sechzehnten Gehaltszahlung des Mitarbeiters ausgezahlt, die siebte Rate von € 9.500,00 wird üblicherweise mit der neunzehnten Gehaltszahlung des Mitarbeiters ausgezahlt und die achte Rate von € 9.500,00 wird üblicherweise mit der zweiundzwanzigsten Gehaltszahlung des Mitarbeiters ausgezahlt. Bedingung für die Auszahlung der Raten ist, dass beide Parteien eine Einigung darüber erzielt haben, das Arbeitsverhältnis einvernehmlich fortzusetzen.          (2) Bei einem Ausscheiden des Mitarbeiters aus dem Anstellungsverhältnis innerhalb von zwei Jahren nach dem Beginn der Beschäftigung ist der Teil der bereits erhaltenen Rate pro Rata zurück zu zahlen, der auf die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällt. …“ 4 Vor Abschluss seines Arbeitsvertrags ging dem Kläger ein auf den 28. November 2011 datiertes Schreiben der A Inc. zu, in dem es heißt:          „…              Wir freuen uns sehr, dass Sie ein Beschäftigungsverhältnis mit unserer Tochtergesellschaft, der A GmbH in Erwägung ziehen.          Sie sollten wissen, dass Sie, vorbehaltlich der Zustimmung des Board of Directors von A Inc., für den Fall, dass Sie das Anstellungsverhältnis mit einer unserer Tochtergesellschaften eingehen, berechtigt sein werden, beschränkte Aktieneinheiten, so genannte Restricted Stock Unit awards bezogen auf 750 Stammaktien der A Inc. zu erhalten.          Vorbehaltlich eines fortgesetzten Arbeitsverhältnisses mit einer unserer Tochtergesellschaften wird die Zuteilung gemäß dem nachfolgenden Zeitplan unverfallbar und in Stammaktien umgewandelt:          •        5% am 15. Tag des Monats in welchen der erste Jahrestag Ihres Arbeitsbeginns fällt,          •        15% am 15. Tag des Monats, in welchen der zweite Jahrestag Ihres Arbeitsbeginns fällt, und          •        20% alle jeweils folgenden sechs Monate, bis zur völligen Unverfallbarkeit.          Der Nachweis sowie die Bestimmungen und Bedingungen dieser Zuteilung erfolgen auf Grundlage eines Vertrages über beschränkte Aktieneinheiten (Restricted Stock Unit Award Agreement), den Sie mit A Inc. abschließen.“ 5 In einem „Dreiseitigen Überleitungsvertrag“ vom 28. November 2013, nach dem das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der A GmbH mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beendet und der Kläger „auf der Grundlage des bestehenden Arbeitsvertrages“ mit Wirkung ab dem 1. Januar 2014 von der A Germany GmbH „angestellt und beschäftigt“ wurde, heißt es unter „Artikel 3 Schlussbestimmungen“ ua.:          „§ 2. Kein Einfluss auf Restricted Stock Units (‚RSUs‘)          Dieser Vertrag hat keine Auswirkungen auf etwaige, dem Mitarbeiter von der A Inc., USA, gewährte Restricted Stock Units (‚RSUs‘).“ 6 In der Zeit seiner Beschäftigung bei den Rechtsvorgängerinnen der Beklagten und bei der Beklagten, die ihrerseits eine Rechtsnachfolgerin der A Germany GmbH ist, schloss der Kläger jährlich mit der A Inc. Vereinbarungen über den Erhalt einer bestimmten Anzahl von RSUs. Dort war – ausweislich des in deutscher Übersetzung vorgelegten Vertragsmusters – ua. geregelt:          „AN:    <<Berechtigten>>          Sie haben die Prämie über beschränkte Aktienerwerbsrechte (die ‚Prämie‘) von A Inc. (die ‚Gesellschaft‘) gemäß dem Aktienanreizplan der Gesellschaft von 1997 (der ‚Plan‘) erhalten. Die Prämie gewährt ein ungesichertes und ungedecktes Versprechen der Gesellschaft, Ihnen in der Zukunft Stammaktien der Gesellschaft zu übertragen, sofern die in diesem Vertrag (das ‚Global Restricted Stock Unit Award Agreement‘) aufgeführten Unverfallbarkeitsbedingungen (Vesting Conditions) erfüllt sind.                   1. Einleitung. Die Bedingungen der Prämie sind in diesem Global Restricted Stock Unit Award Agreement einschließlich dessen Anlage (der ‚Anhang‘) über etwaige länderspezifische Regelungen (insgesamt die ‚Vereinbarung‘) und dem Plan festgelegt. Auf die Regelungen des Plans wird Bezug genommen; er ist somit Bestandteil dieser Vereinbarung. …                   Die wichtigsten Bedingungen der Prämie sind im Folgenden zusammengefasst:                                                                                                             2.     Termin für Gewährung der Prämie: ________                            3.     Anzahl der beschränkten Aktienerwerbsrechte (Restricted Stock Units) dieser Prämie: ___________                            4.     Unverfallbarkeitsplan: Vorbehaltlich des Fortbestehens Ihres Arbeitsverhältnisses und vorbehaltlich der Bedingungen dieser Vereinbarung, einschließlich der Absätze 7 und 8 wird die Prämie gemäß dem folgenden Zeitplan unverfallbar:                                     Eintritt der Unverfallbarkeit (Datum) _____ Anzahl der Aktien ____                   …                          5. Umwandlung von beschränkten Aktienerwerbsrechten (Restricted Stock Units) und Zuteilung von Aktien. Bei Eintritt der Unverfallbarkeit der Prämie (‚Unverfallbarkeitsdatum‘) wird für jede Einheit eines beschränkten Aktienerwerbsrechts (Restricted Stock Unit), die an jenem Datum unverfallbar wird, eine Stammaktie zuteilungsreif (insgesamt die ‚Aktien‘), sofern die Bedingungen des Plans und dieser Vereinbarung erfüllt sind. …                   6. Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Bei Beendigung Ihres Arbeitsverhältnis mit der Gesellschaft bzw. einer Tochtergesellschaft gleich aus welchem Grund (auch aufgrund von Tod oder Arbeitsunfähigkeit) und unabhängig davon, ob die Beendigung freiwillig oder auf Veranlassung des Arbeitgebers erfolgt, verfällt der zu diesem Zeitpunkt noch nicht unverfallbare Anteil der Prämie automatisch und fällt sofort und ohne weitere Ankündigung an die Gesellschaft zurück. Für den Anteil der Prämie, der vor dem Unverfallbarkeitsdatum an die Gesellschaft zurückfällt, werden keine Aktien zugeteilt oder zur Zuteilung fällig.                   Im Sinne dieser Prämienregelung gilt Ihr Arbeitsverhältnis als von dem Tag an beendet, der Ihrer Freistellung von der Verpflichtung zur Arbeit für die Gesellschaft bzw. einer Tochtergesellschaft vorausgeht (gleich aus welchem Grund und unabhängig davon ob die Beendigung später für unwirksam bzw. als Verletzung der für Ihr Arbeitsverhältnis maßgeblichen Regelungen bzw. Ihres Arbeitsvertrag bewertet wird) und soweit in dieser Vereinbarung oder durch Beschluss der Gesellschaft nicht ausdrücklich bestimmt ist, dass die Prämie nicht verfällt. …                   …                          8. Recht auf Aktien. Vor Erfüllung der Prämie durch Zuteilung der Aktien haben Sie keinen Anspruch aus, auf oder im Zusammenhang mit Aktien, die gemäß der Prämie zuteilbar sind (einschließlich jeglicher Stimmrechte oder Rechte an den auf die Stammaktien gezahlten Dividenden).                   …                          11. Begrenzung von Rechten; Rechtsnatur der Zusage (Grant). Durch den Abschluss dieser Vereinbarung erklären Sie, dass Sie verstanden haben und damit einverstanden sind, dass:                   (a) der Plan eine freiwillige Leistung der Gesellschaft ist, die in ihrem Ermessen steht und dass der Plan jederzeit geändert, ausgesetzt oder beendet werden kann;                   (b) die Gewährung der Prämie eine einmalige Leistung der Gesellschaft ist und keinen vertraglichen oder sonstigen Anspruch auf künftige Prämien (bzw. entsprechende Ersatzleistungen) vermittelt, selbst wenn solche Prämien in der Vergangenheit gewährt worden sind.                   (c) sämtliche Entscheidungen bezüglich etwaiger zukünftiger Prämien im alleinigen Ermessen der Gesellschaft stehen;                   (d) Ihre Teilnahme an dem Plan freiwillig erfolgt;                   (e) weder die Prämie noch die Aktien etwaige Pensions- oder Vergütungsansprüche ersetzen;                   (f) die Prämie sowie für die aufgrund der Prämie gewährten Aktien und daraus erzielten Erlöse bzw. deren Wert nicht Teil Ihrer tatsächlichen oder erwarteten Vergütung in Hinblick auf die Berechnung von Sonderleistungen, Abfindungszahlungen, Sozialplänen, sonstigen Leistungen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses, Bonusgeldern, Prämien für langjährige Betriebszugehörigkeit, Betriebsrenten bzw. Ruhestandsgehälter oder Sozialhilfeleistungen (Welfare Benefits) und ähnliche Leistungen sind;                   …“              7 In jährlichen Feedback-Gesprächen bewerteten die Führungskräfte der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerinnen die vom Kläger im Vorjahr geleistete Arbeit. Diese Leistungsbewertungen flossen in die Entscheidung über die weitere Gewährung von RSUs ein. Die Letztentscheidung oblag dabei der A Inc., die sich jedoch in der Regel an den Vorschlägen der Führungskräfte der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen orientierte. 8 Die A Inc. gewährte dem Kläger mit Restricted Stock Unit Award Agreement (im Folgenden RSU Award Agreement) von 2017 135 RSUs, von denen 68 RSUs am 21. Mai 2019 und 67 RSUs am 21. November 2019 „vesteten“. Mit RSU Award Agreements von 2018 und 2019 gewährte die A Inc. dem Kläger jeweils 75 RSUs, deren „Vesting“ für einen Zeitpunkt nach der zwischenzeitlich erfolgten Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorgesehen war. 9 Die Beklagte übernahm im Rahmen eines Dienstleistungsvertrags für die A Inc. gegenüber dem Kläger die Abrechnung bereits „gevesteter“ RSUs, behielt die jeweils anfallenden Steuern und Gebühren ein und rechnete intern mit der A Inc. ab. In einem mit „Zusammenfassung der persönlichen Vergütung“ überschriebenen Formblatt teilte die Beklagte dem Kläger seine „voraussichtliche Gesamtvergütung von April 2019 bis März 2020“ mit. Das Formular enthält Angaben zur Höhe des voraussichtlichen Grundgehalts des Klägers, zur „neuen Aktiengewährung 2019“, zur „Unverfallbarkeit von Aktiengewährungen“ unter Berücksichtigung der Jahre 2019, 2020 und 2021 mit näher aufschlüsselten Positionen und zur Zusammenfassung der „prognostizierten Gesamtvergütung“. In einer Fußnote des Formblatts heißt es:          „… Deine persönliche Vergütungsübersicht ist eine rein informative Übersicht und kein Vertragsdokument oder Vertrag. … Beachte, dass Beschränkte Aktienzuteilungen (RSUs) freiwillige Leistungen sind, die Dir von A Inc. zur Verfügung gestellt werden, … Jede Zuteilung von Beschränkten Aktienzuteilungen (RSUs) unterliegt der Genehmigung des Board of Directors von A Inc., wird von einem Vertrag zwischen Dir und A Inc. begleitet und unterliegt den Bestimmungen eines solchen Vertrages. Beschränkte Aktienzuteilungen (RSUs) werden bei der Berechnung von Kündigungszahlungen (z. B. Abfindung/Vergütung für potenzielles nachvertragliche Wettbewerbsverbot) nicht berücksichtigt.“ 10 Im Hinblick auf die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 31. Januar 2020 trafen die Parteien am 14. Oktober 2019 eine Abwicklungsvereinbarung, in der es heißt:          „…              § 1 Beendigung          Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Anstellungsverhältnis zwischen dem Mitarbeiter und A sowie jedwedes etwaige sonstige Anstellungs- oder Dienstverhältnis zwischen dem Mitarbeiter und A auf Veranlassung des Arbeitgebers zum 31.01.2020 (‚Beendigungstermin‘) enden wird.          § 2 Vergütung / Abwicklung          (1) A verpflichtet sich, bis zum Beendigungstermin die regelmäßige monatliche Vergütung in Höhe von € 10.666,66 brutto weiterzuzahlen.          (2) … Bzgl. der Restricted Stock Units gilt ausschließlich die Regelung in § 8 dieser Vereinbarung.          …                 § 4 Urlaub          A hat den Mitarbeiter ab dem 14.10.2019 bis zum Beendigungstermin und unter Anrechnung auf offene Urlaubs- oder sonstige Freizeitausgleichsansprüche freigestellt. …          …                 § 8 Restricted Stock Units          Wenn und soweit der Mitarbeiter bereits Restricted Stock Units der A Inc. erhalten hat, richten sich die Rechte und Pflichten des Mitarbeiters bezüglich der Restricted Stock Units nach den schriftlich getroffenen einzelvertraglichen Regelungen (insbesondere nach dem Restricted Stock Unit Award Agreement mit A Inc.) sowie den Bestimmungen desjenigen Restricted Stock Unit Award Plans der A Inc., nach welchem die Restricted Stock Units dem Mitarbeiter zugeteilt wurden. Restricted Stock Units, die am Beendigungstermin noch nicht ‚gevested‘ (fällig) sind, verfallen gemäß den Bestimmungen des Restricted Stock Unit Award Agreements mit A Inc. ersatzlos. Alle Restricted Stock Units, die noch nicht ‚gevested‘ (fälligen) sind, aber vor dem Beendigungstermin ausübbar werden, werden wie gewohnt ausübbar, einschließlich aller Restricted Stock Units, die im November 2019 ausübbar werden.                                                                § 9 Nachvertragliches Wettbewerbsverbot / Abwerbeverbot          Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen den Parteien vereinbarte nachvertragliche Wettbewerbsverbot und Abwerbeverbot gemäß § 15 des Anstellungsvertrages vom 01.12.2011 unverändert bestehen bleibt.          § 10 Abgeltung          Mit dem Abschluss dieser Abwicklungsvereinbarung sind mit Ausnahme der vorgenannten Ansprüche wechselseitig alle gegenseitigen Ansprüche zwischen dem Mitarbeiter und A aus und im Zusammenhang mit dem Anstellungsverhältnis und im Zusammenhang mit dessen Beendigung, gleich ob bekannt oder unbekannt und unabhängig vom Zeitpunkt ihres Entstehens, abgegolten und erledigt. Ausgenommen hiervon sind Forderungen von A solcher Beträge, die unter Umständen bei der Abrechnung etwaiger von dem Mitarbeiter bereits ausgeübter oder nach § 8 noch auszuübender Restricted Stock Units überzahlt worden sind oder überzahlt werden sowie unverzichtbare Rechte und etwaige Ansprüche der einen Partei wegen unerlaubten Handlungen der anderen Partei.          …“     11 Der oben angeführte § 8 Satz 3 wurde auf Wunsch des Klägers in die Abwicklungsvereinbarung aufgenommen. Im Zuge der diesbezüglichen Verhandlungen erklärte die Beklagte gegenüber dem Kläger ua., dass A Inc. bestimmt habe, dass die ihm bereits gewährten RSUs auch während einer Freistellungsphase noch „vesten“ und zur Auszahlung kommen würden. 12 Die A Inc. warb im Jahr 2020 gegenüber potentiellen Arbeitskräften mit einem sog. „Total Compensation Modell“, wonach sich das Gehalt bestimmter Mitarbeiter in herausgehobener Stellung aus einem moderaten Grundgehalt und RSUs zusammensetzt. Mit einer im Jahr 2020 veröffentlichen Stellenausschreibung suchte die Beklagte Beschäftigte unter Hinweis auf eine „Vergütungsphilosophie aus Grundgehältern, jährlichen Leistungsprämien und RSUs“. 13 Der Kläger hielt sich nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis an das vereinbarte Wettbewerbsverbot, ohne anderweitigen Erwerb zu erzielen. Im Gegenzug zahlte die Beklagte an ihn für Februar bis Oktober 2020 eine Karenzentschädigung iHv. 5.310,42 Euro brutto monatlich und damit für den Karenzzeitraum insgesamt einen Betrag iHv. 47.793,78 Euro brutto. 14 Mit seiner Klage hat der Kläger für die Karenzzeit die Zahlung weiterer Karenzentschädigung verlangt. Er hat – soweit für das Revisionsverfahren noch von Belang – die Auffassung vertreten, neben seinem zuletzt bezogenen Grundgehalt seien auch die ihm gewährten RSUs als „vertragsmäßige Leistungen“ iSv. § 15 (2.3) des Arbeitsvertrags sowie iSv. § 74 Abs. 2 HGB bei der Bemessung der Karenzentschädigung zu berücksichtigen. Die RSUs stellten eine Gegenleistung für die von ihm im Arbeitsverhältnis mit der Beklagten geleistete Arbeit dar und bildeten – zusammen mit dem Grundgehalt – seinen „Marktwert“ ab, der nach Sinn und Zweck der Karenzentschädigung maßgeblich für deren Bemessung sei. Darauf, dass ihm die RSUs – formal betrachtet – nicht von der Beklagten, sondern von der A Inc. zugesagt worden seien, könne es angesichts der Einflussnahmemöglichkeit der Obergesellschaft auf die Bedingungen des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten und unter Berücksichtigung des Konzernbezugs des vereinbarten Wettbewerbsverbots nicht ankommen. Unabhängig davon sei die Beklagte – jedenfalls konkludent – eigene Verpflichtungen hinsichtlich der RSUs eingegangen, die zumindest darin bestünden, ihm die Teilnahme an dem RSU-Programm der Obergesellschaft zu ermöglichen. In die Berechnung der Karenzentschädigung seien nach § 74b Abs. 2 HGB sämtliche RSUs einzubeziehen, die ihm in den letzten 36 Monaten vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch „Vesting“ zugeflossen seien. 15 Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,          die Beklagte zu verurteilen, an ihn 80.053,65 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 8.894,85 Euro brutto seit dem 1. März, dem 1. April, dem 1. Mai, dem 1. Juni, dem 1. Juli, dem 1. August, dem 1. September, dem 1. Oktober und dem 1. November 2020 zu zahlen. 16 Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, bei den dem Kläger gewährten RSUs handele es sich nicht um „vertragsmäßige Leistungen“ iSv. § 15 (2.3) des Arbeitsvertrags sowie iSv. § 74 Abs. 2 HGB, weshalb sie bei der Bemessung der Karenzentschädigung nicht zu berücksichtigen seien. Aus den RSU Award Agreements sei ausschließlich die A Inc. verpflichtet gewesen; sie, die Beklagte, sei im Hinblick auf die RSUs keine – wie auch immer geartete – eigene (Mit-)Verpflichtung eingegangen. 17 Das Arbeitsgericht hat der ursprünglich auf Zahlung von 80.259,93 Euro brutto nebst Zinsen gerichteten Klage teilweise stattgegeben und dem Kläger für den Karenzzeitraum über die von der Beklagten gezahlten 47.793,78 Euro brutto hinaus weitere 206,28 Euro brutto zuzüglich Zinsen aus jeweils 22,92 Euro zugesprochen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seinen weitergehenden Zahlungsanspruch weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision. Entscheidungsgründe 18 Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zu Recht zurückgewiesen. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte über den von dieser für den Karenzzeitraum insgesamt gezahlten Betrag iHv. 47.793,78 Euro brutto sowie den ihm vom Arbeitsgericht für den Karenzzeitraum insgesamt zuerkannten weiteren Betrag iHv. 206,28 Euro brutto hinaus keinen Anspruch auf Zahlung einer weiteren Karenzentschädigung. 19 A. Der Kläger hat zwar aus § 15 des Arbeitsvertrags iVm. § 110 GewO, §§ 74 ff. HGB dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung einer Karenzentschädigung erlangt. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die A GmbH und der Kläger hatten in § 15 des Arbeitsvertrags ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot sowie die Zahlung einer Karenzentschädigung vereinbart. Diese Vereinbarung haben die Parteien nicht im Zusammenhang mit der einvernehmlichen Auflösung ihres Arbeitsverhältnisses zum 31. Januar 2020 aufgehoben, sondern in § 9 der unter dem 14. Oktober 2019 getroffenen Abwicklungsvereinbarung ausdrücklich deren unveränderten Fortbestand vereinbart. Umstände, die zur Nichtigkeit des Verbots führen könnten (vgl. dazu BAG 16. Dezember 2021 – 8 AZR 498/20 – Rn. 29 ff.), sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich. Der Kläger hat sich im Karenzzeitraum unstreitig auch an das Wettbewerbsverbot gehalten und kann deshalb als Gegenleistung die versprochene Karenzentschädigung beanspruchen. 20 B. Der Kläger hat allerdings gegen die Beklagte über den von dieser für den Karenzzeitraum insgesamt gezahlten Betrag iHv. 47.793,78 Euro brutto sowie den ihm vom Arbeitsgericht für den Karenzzeitraum insgesamt zuerkannten Betrag iHv. 206,28 Euro brutto hinaus keinen Anspruch auf Zahlung einer weiteren Karenzentschädigung. Ein solcher Anspruch würde voraussetzen, dass die seitens der A Inc. dem Kläger gewährten bzw. zu seinen Gunsten „gevesteten“ RSUs bei der Berechnung der Karenzentschädigung zu berücksichtigen wären. Dies ist jedoch – entgegen der Auffassung des Klägers – nicht der Fall. Die RSUs gehören nicht zu den vertragsmäßigen Leistungen iSv. § 15 (2.3) des Arbeitsvertrags iVm. § 74 Abs. 2 HGB. 21 I. Bei den in § 15 des Arbeitsvertrags erkennbar vorformulierten Vereinbarungen handelt es sich, wenn auch ggf. nicht um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB, so doch aber zumindest um vorformulierte Vertragsbedingungen iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB. Die Auslegung von § 15 (2.3) des Arbeitsvertrags nach den für Allgemeine Geschäftsbedingungen bzw. vorformulierte Vertragsbedingungen iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB geltenden Grundsätzen ergibt, dass dem Kläger bei Einhaltung des Wettbewerbsverbots eine Karenzentschädigung in der in § 74 Abs. 2 HGB bestimmten Mindesthöhe zufließen soll. 22 1. Allgemeine Geschäftsbedingungen sowie vorformulierte Vertragsbedingungen iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners zugrunde zu legen sind (vgl. etwa BAG 16. Dezember 2021 – 8 AZR 498/20 – Rn. 20; 28. Februar 2019 – 8 AZR 201/18 – Rn. 55, BAGE 166, 54; 23. November 2017 – 8 AZR 372/16 – Rn. 26 mwN). Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist (vgl. etwa BAG 16. Dezember 2021 – 8 AZR 498/20 – aaO; 3. Dezember 2019 – 9 AZR 44/19 – Rn. 15 mwN). Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen obliegt auch dem Revisionsgericht (etwa BAG 21. April 2016 – 8 AZR 753/14 – Rn. 30 mwN). 23 2. Nach § 15 (2.3) des Arbeitsvertrags ist die Beklagte für die Dauer des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots verpflichtet, an den Kläger eine Karenzentschädigung zu zahlen, die „für jedes Jahr des Verbotes die Hälfte der … zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erreicht“. Damit übernimmt § 15 (2.3) des Arbeitsvertrags hinsichtlich der Höhe der versprochenen Entschädigung den Wortlaut von § 74 Abs. 2 HGB. Nach dieser Regelung ist ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nur verbindlich, wenn sich der Prinzipal verpflichtet, für die Dauer des Verbots eine Entschädigung zu zahlen, die für jedes Jahr des Verbots mindestens die Hälfte der vom Handlungsgehilfen zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erreicht. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung des Umstands, dass nach § 15 (2.4) des Arbeitsvertrags ergänzend die §§ 74 ff. HGB gelten, konnte ein verständiger und redlicher Erklärungsempfänger die vertraglichen Vereinbarungen über das nachvertragliche Wettbewerbsverbot nur so verstehen, dass ihm bei Einhaltung des Verbots eine Karenzentschädigung in der in § 74 Abs. 2 HGB bestimmten Mindesthöhe zufließen soll (vgl. BAG 16. Dezember 2021 – 8 AZR 498/20 – Rn. 44). 24 II. Soweit danach unzweifelhaft das monatliche Grundgehalt des Klägers iHv. zuletzt 10.666,67 Euro brutto in die Berechnung der Karenzentschädigung einzubeziehen ist, werden die sich daraus für den Karenzzeitraum Februar bis Oktober 2020 ergebenden Ansprüche des Klägers auf die Karenzentschädigung iHv. insgesamt 48.000,06 Euro brutto durch die Zahlungen der Beklagten iHv. insgesamt 47.793,78 Euro brutto sowie die dem Kläger vom Arbeitsgericht rechtskräftig zuerkannten 206,28 Euro brutto ausgeglichen. 25 III. Eine darüber hinausgehende Karenzentschädigung steht dem Kläger nicht zu. Die ihm gewährten bzw. zu seinen Gunsten „gevesteten“ RSUs sind – entgegen der Auffassung des Klägers – keine vertragsmäßigen Leistungen iSv. § 15 (2.3) des Arbeitsvertrags iVm. § 74 Abs. 2 HGB und deshalb bei der Bemessung der Karenzentschädigung nicht zu berücksichtigen. 26 1. Als vertragsmäßig iSv. § 74 Abs. 2 HGB ist eine Leistung anzusehen, die auf dem Austauschcharakter des Arbeitsvertrags beruht und als Vergütung für die geleistete Arbeit erbracht wird. Ausgangspunkt für die Bestimmung der „zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen“ iSd. § 74 Abs. 2 HGB ist demnach alles, was der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber in der fraglichen Zeit als Gegenleistung für seine Arbeitsleistung erhalten hat (vgl. BAG 22. Oktober 2008 – 10 AZR 360/08 – Rn. 17; 18. Mai 1982 – 3 AZR 1155/79 – zu II 2 a der Gründe; 21. Juli 1981 – 3 AZR 666/78 – zu II 3 der Gründe; 16. November 1973 – 3 AZR 61/73 – zu I 3 a der Gründe, BAGE 25, 385). 27 2. Danach muss die Leistung, um als „vertragsmäßig“ iSv. § 74 Abs. 2 HGB in die Berechnung der (Mindest-)Karenzentschädigung einfließen zu können, ihren Ursprung im Arbeitsverhältnis der Parteien haben. Der Vertragsarbeitgeber muss die Leistung zur Erfüllung seiner Verpflichtungen aufgrund des Arbeitsvertrags erbracht haben. Deshalb sind, soweit der Arbeitnehmer eine Vereinbarung über die Gewährung von Leistungen – hier: von RSUs – nicht mit seinem Vertragsarbeitgeber, sondern mit der Obergesellschaft einer Unternehmensgruppe bzw. eines Konzerns schließt, der bzw. dem sein Vertragsarbeitgeber angehört, die dem Arbeitnehmer seitens der Obergesellschaft gewährten Leistungen – hier: RSUs – grundsätzlich nicht Teil der „vertragsmäßigen Leistungen“ iSv. § 74 Abs. 2 HGB. Etwas anderes kann allenfalls dann angenommen werden, wenn der Vertragsarbeitgeber im Hinblick auf die von der Obergesellschaft erbrachten Leistungen ausdrücklich oder konkludent eine eigene (Mit-)Verpflichtung eingegangen ist. Dies folgt aus der Auslegung von § 74 Abs. 2 HGB unter Berücksichtigung des Wortlauts, des systematischen Zusammenhangs, der Entstehungsgeschichte sowie von Sinn und Zweck der Bestimmung (zu den Maßstäben: vgl. BVerfG 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10 ua. – Rn. 66, BVerfGE 133, 168; BAG 26. April 2022 – 9 AZR 228/21 – Rn. 47 mwN). 28 a) Bereits der Wortlaut spricht dafür, dass der Begriff der „vertragsmäßigen Leistungen“ in § 74 Abs. 2 HGB dahin zu verstehen ist, dass es sich um Leistungen des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis handeln muss. „Vertragsmäßig“ bedeutet ebenso wie das Adjektiv „vertragsgemäß“ seinem Wortsinn nach „dem jeweiligen Vertrag entsprechend“ (vgl. Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache 3. Aufl. Stichworte: „vertragsmäßig“ und „vertragsgemäß“). Dabei kann es sich in Ermangelung eines anderen Bezugspunkts bei dem „Vertrag“ nur um die Vereinbarung handeln, infolge derer der Handlungsgehilfe – hier: der Arbeitnehmer – zur Unterlassung von Wettbewerb verpflichtet ist und der Prinzipal – hier: der Arbeitgeber – ihm die Entschädigung schuldet. 29 b) Ein solches Verständnis des Begriffs der „vertragsmäßigen Leistungen“ in § 74 Abs. 2 HGB findet seine Stütze auch in der Gesetzessystematik. 30 aa) § 74 HGB regelt Mindestanforderungen an eine Vereinbarung zwischen dem Prinzipal bzw. Arbeitgeber und dem Handlungsgehilfen bzw. Arbeitnehmer, die den Gehilfen für die Zeit nach Beendigung des Dienst- bzw. Arbeitsverhältnisses in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränkt (Wettbewerbsverbot). Dabei verlangt § 74 Abs. 1 HGB für eine solche Wettbewerbsabrede die Einhaltung der Schriftform und die Aushändigung einer vom Prinzipal bzw. Arbeitgeber unterzeichneten, die vereinbarten Bestimmungen enthaltenen Urkunde an den Gehilfen bzw. Arbeitnehmer. Nach § 74 Abs. 2 HGB bedarf es für die Verbindlichkeit des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots einer Entschädigungszusage des Prinzipals bzw. Arbeitgebers in der gesetzlich bestimmten Mindesthöhe. Wenn § 74 Abs. 2 HGB in diesem Kontext für die Höhe der gesetzlichen Mindestkarenzentschädigung an die „vertragsmäßigen Leistungen“ des Gehilfen bzw. Arbeitnehmers anknüpft, können damit nur Leistungen gemeint sein, die der Prinzipal bzw. Arbeitgeber zur Erfüllung seiner sich aus bzw. aufgrund der Vereinbarung ergebenden Verpflichtungen erbracht hat. Aus der Gesetzessystematik lässt sich demgegenüber nichts dafür entnehmen, dass der in § 74 Abs. 2 HGB verwendete Rechtsbegriff der „vertragsmäßigen Leistungen“ auch solche Leistungen erfasst, die der Arbeitnehmer – außerhalb des mit seinem Vertragsarbeitgeber bestehenden Arbeitsverhältnisses – aufgrund eines mit einem Dritten geschlossenen Vertrags bezogen hat. 31 bb) Aus § 74b Abs. 2 und Abs. 3 HGB folgt nichts Abweichendes. Nach § 74b Abs. 2 Satz 1 HGB sind, soweit die dem Handlungsgehilfen zustehenden vertragsmäßigen Leistungen in einer Provision oder in anderen wechselnden Bezügen bestehen, solche Leistungen nach dem Durchschnitt der letzten drei Jahre in Ansatz zu bringen. Hat die für die Bezüge bei der Beendigung des Dienstverhältnisses maßgebende Vertragsbestimmung noch nicht drei Jahre bestanden, erfolgt nach § 74b Abs. 2 Satz 2 HGB der Ansatz nach dem Durchschnitt des Zeitraums, für den die Bestimmung in Kraft war. Soweit Bezüge zum Ersatz besonderer Auslagen dienen sollen, die infolge der Dienstleistung entstehen, bleiben sie nach § 74b Abs. 3 HGB außer Ansatz. Die Regelungen in § 74b Abs. 2 und Abs. 3 HGB geben damit die Kriterien vor, nach denen schwankende Bezüge des Arbeitnehmers bei der Berechnung der Karenzentschädigung zu berücksichtigen sind. Dennoch muss es sich bei den fraglichen Bezügen – wie sich aus § 74b Abs. 2 Satz 1 HGB unmissverständlich ergibt – um „vertragsmäßige Leistungen“ handeln. § 74b Abs. 2 HGB erweitert diesen Begriff nicht, sondern setzt ihn voraus (vgl. MüKoHGB/Thüsing 5. Aufl. HGB § 74b Rn. 1; EBJS/Boecken/Rudkowski 4. Aufl. § 74b Rn. 1). 32 c) Dass „vertragsmäßige Leistungen“ iSv. § 74 Abs. 2 HGB nur Leistungen sind, die der Vertragsarbeitgeber zur Erfüllung seiner Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis erbracht hat, ergibt sich schließlich auch aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes und dem sich daraus erschließenden Normzweck. 33 aa) § 74 Abs. 2 HGB wurde durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung der §§ 74, 75 und des § 76 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs vom 10. Juni 1914 (RGBl. 1914 S. 209) eingeführt und gilt seither unverändert. In der Entwurfsbegründung heißt es zu der – ursprünglich in § 74a Satz 1 HGB vorgesehenen, letztlich in § 74 Abs. 2 HGB verankerten – Regelung, nach der die Verbindlichkeit eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots von der Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung einer Mindestkarenzentschädigung abhängig gemacht wurde, dass Prinzipale dazu angehalten werden sollten, ein Konkurrenzverbot nur in solchen Fällen zu vereinbaren, in denen ein wirtschaftlich erhebliches und schutzbedürftiges Interesse dafür vorliege. Dieses Interesse müsse in einem Opfer bestehen, das sie ihrerseits für die dem Gehilfen auferlegte Beschränkung zu erbringen hätten. Die Reformvorschläge des Entwurfs beruhten daher in ihrem wesentlichen Teil auf dem Grundsatz der bezahlten Karenz. Dieser Grundsatz erscheine nicht nur geeignet, den erwähnten Zweck zu erreichen, sondern sei auch sachlich gerechtfertigt und entspreche der Billigkeit. Denn wenn der Gehilfe infolge des Anstellungsvertrags noch nach der Beendigung des Dienstverhältnisses zu einer ihn erheblich beschwerenden Leistung in Gestalt des Unterlassens der Ausübung gewisser Arten seiner gewerblichen Tätigkeit verpflichtet bleibe, sei es nur angemessen, dass dieser Leistung eine Gegenleistung des Prinzipals gegenüberstehe. Dabei sei die Entschädigung aber nicht so zu bemessen, dass der Prinzipal für die Dauer des Verbots dem Angestellten die früheren Bezüge weiterzahle oder ihm den vollen Lebensunterhalt gewähre. Denn die Vorschrift, dass die Konkurrenzklausel nur insoweit gültig ist, als sie nach Ort, Zeit und Gegenstand das Fortkommen des Gehilfen nicht in unbilliger Weise erschwere, bleibe auch künftig bestehen und ermögliche es dem Gehilfen, sich einer zu weitgehenden Beeinträchtigung seiner Erwerbstätigkeit zu entziehen. Die Entschädigung könne vielmehr nur den Zweck haben, dem Gehilfen ein angemessenes Entgelt für die Nachteile zu gewähren, welche die Beschränkung seiner Freiheit in Bezug auf die Ausnutzung der Arbeitskraft auch dann mit sich bringe, wenn sich die Beschränkung innerhalb der gesetzlich zulässigen Grenzen halte. Vor diesem Hintergrund lege der Entwurf die Entschädigung je nach der Dauer und der damit anzunehmenden Schwere der Beschränkung in steigenden Stufen fest (vgl. Reichstagsprotokolle 1912 [Aktenstück Nr. 575 vom 29. November 1912] S. 725, 728). 34 bb) Die in den §§ 74 ff. HGB getroffenen Regelungen sind nach alledem das Ergebnis einer Abwägung zwischen den berechtigten geschäftlichen Interessen des Prinzipals bzw. Arbeitgebers, dass die in seinem Betrieb erlangten Kenntnisse und geschäftlichen Beziehungen nicht zu seinem Schaden ausgenutzt werden, und dem berechtigten Interesse des Gehilfen bzw. Arbeitnehmers, nach Beendigung des Dienst- bzw. Arbeitsverhältnisses seine Arbeitskraft frei nutzen zu können und in der Freiheit seiner Betätigung nicht beschränkt zu werden (vgl. BAG 15. Juni 1993 – 9 AZR 558/91 – zu I 2 b aa der Gründe, BAGE 73, 229; BGH 26. März 1984 – II ZR 229/83 – zu I 1 der Gründe, BGHZ 91, 1). In diesem Kontext bildet die Karenzentschädigung die Gegenleistung des Arbeitgebers dafür, dass der Arbeitnehmer nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses Konkurrenztätigkeiten unterlässt. Bezugspunkt für die Bemessung der Entschädigung sind dabei nach der Gesetzesbegründung die „früheren Bezüge“ des Arbeitnehmers, wobei die Entschädigung im Gesetz – in Abkehr von einer in der Entwurfsfassung vorgesehenen stufenweisen jährlichen Steigerung – für die gesamte Dauer des Verbots in Höhe der Hälfte der „zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen“ festgelegt und konkretisiert wurde. Da in der Gesetzesbegründung einerseits darauf eingegangen wird, dass der Gehilfe bzw. Arbeitnehmer die Wettbewerbsbeschränkung „infolge“ seines Anstellungsvertrags erfährt, andererseits im Zusammenhang mit dem eingeführten Grundsatz der „bezahlten Karenz“ Vertragsverhältnisse außerhalb des Dienst- bzw. Arbeitsverhältnisses nicht angesprochen werden, kann kein Zweifel bestehen, dass der historische Gesetzgeber das nachvertragliche Wettbewerbsverbot als ein an das Ende des Dienst- bzw. Arbeitsverhältnisses anknüpfendes Schuldverhältnis zwischen denselben Parteien – hier: Arbeitnehmer und Arbeitgeber – angesehen hat und den angemessenen Ausgleich in Form der Karenzentschädigung anhand der Leistungen hat bemessen wollen, die der Gehilfe bzw. Arbeitnehmer vom Prinzipal bzw. Arbeitgeber für seine Dienst- bzw. Arbeitsleistung beanspruchen konnte. 35 d) Danach könnten – unabhängig von der Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen im Übrigen (beschränkte) Aktienerwerbsrechte Vergütungsbestandteil sind, und wie ggf. ihr Wert zu ermitteln ist (zur Problematik bspw. Staudinger/Richardi/Fischinger [2020] § 611a Rn. 1495 ff.; Broer Die arbeitsrechtliche Behandlung von Aktienoptionen als Vergütungsbestandteil S. 143 ff., 290 ff.; Franken Die Vergütung mittels Aktienoptionen aus arbeitsrechtlicher Sicht S. 85 ff., 116 ff.; Pulz Personalbindung durch aktienkursorientierte Vergütung S. 32 ff.; Naber/Seeger GWR 2016, 117, 118 f.) – (beschränkte) Aktienerwerbsrechte allenfalls dann bei der Bemessung der Karenzentschädigung eines Arbeitnehmers zu berücksichtigen sein, wenn diese ihre Rechtsgrundlage in Vereinbarungen mit dem Vertragsarbeitgeber haben. 36 aa) Daran fehlt es regelmäßig, wenn der Arbeitnehmer eine Vereinbarung über die Gewährung von (beschränkten) Aktienerwerbsrechten nicht mit seinem Vertragsarbeitgeber, sondern mit der Obergesellschaft einer Unternehmensgruppe bzw. eines Konzerns abschließt, der bzw. dem sein Vertragsarbeitgeber angehört. In einem solchen Fall steht der Vertrag über die Gewährung der Aktienerwerbsrechte regelmäßig rechtlich selbständig neben dem Arbeitsvertrag mit dem Vertragsarbeitgeber. Ansprüche aus einer solchen Vereinbarung können deshalb grundsätzlich nur gegenüber der Obergesellschaft geltend gemacht werden, sie werden nicht Bestandteil des Arbeitsverhältnisses mit dem Vertragsarbeitgeber. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitsvertrag – wie üblich – Motiv für die Gewährung der RSUs durch die Obergesellschaft ist (vgl. BAG 16. Januar 2008 – 7 AZR 887/06 – Rn. 17 mwN zur Behandlung von seitens einer Konzernobergesellschaft an Arbeitnehmer eines anderen Konzernunternehmens gewährter Aktienoptionen als Arbeitsentgelt iSv. § 37 BetrVG; 12. Februar 2003 – 10 AZR 299/02 – zu II 2 c der Gründe mwN, BAGE 104, 324 zum Eintritt eines Betriebserwerbers nach § 613a BGB in Verpflichtungen aus einem Aktienoptionsplan, wenn die Vereinbarung über die Optionsgewährung nicht mit dem Betriebsveräußerer, sondern mit einem Dritten geschlossen wurde; im Ergebnis ebenso bspw. Annuß/Lembke BB 2003, 2230, 2231; Naber/Seeger GWR 2016, 117, 118; Willemsen FS Wiedemann 2002 S. 645, 654 ff.; Broer Die arbeitsrechtliche Behandlung von Aktienoptionen als Vergütungsbestandteil S. 291 f., 294 ff.; Franken Die Vergütung mittels Aktienoptionen aus arbeitsrechtlicher Sicht S. 218 ff.; aA etwa Bauer/Diller Wettbewerbsverbote 9. Aufl. Rn. 375; Lipinski/Melms BB 2003, 150, 152). 37 bb) Die von einem Dritten im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis versprochenen (beschränkten) Aktienerwerbsrechte können deshalb allenfalls dann Teil der „vertragsmäßigen Leistungen“ iSv. § 74 Abs. 2 HGB sein, wenn der Vertragsarbeitgeber im Hinblick auf die Gewährung solcher Leistungen durch die Obergesellschaft eine – wie auch immer geartete – eigene (Mit-)Verpflichtung eingegangen ist (vgl. BAG 16. Januar 2008 – 7 AZR 887/06 – Rn. 16, 17; 12. Februar 2003 – 10 AZR 299/02 – zu II 2 c der Gründe, BAGE 104, 324). Die Einbeziehung von Aktienerwerbsrechten in das Arbeitsverhältnis kann dabei sowohl durch ausdrückliche Erklärung als auch durch schlüssiges Verhalten des Vertragsarbeitgebers erfolgen. Dabei kann eine solche Einbeziehung im Einzelfall anzunehmen sein, wenn die Arbeitsvertragsparteien die Teilhabe des Arbeitnehmers an einem Aktienerwerbs-Programm der Obergesellschaft explizit oder konkludent vereinbaren (vgl. BAG 16. Januar 2008 – 7 AZR 887/06 – aaO; 12. Februar 2003 – 10 AZR 299/02 – zu II 2 d bb der Gründe, aaO; zu möglichen Anknüpfungspunkten einer konkludenten Einbeziehung von seitens einer Konzernmutter gewährten Aktienoptionen in das mit einer Tochtergesellschaft bestehende Arbeitsverhältnis vgl. Willemsen FS Wiedemann 2002 S. 645, 656 f.; ausführlich auch Franken Die Vergütung mittels Aktienoptionen aus arbeitsrechtlicher Sicht S. 221 ff.). Eine rechtliche Verpflichtung zu einer solchen Vertragsgestaltung oder tatsächliche dahin gehende Vermutung besteht aber nicht. Maßgeblich sind stets die jeweiligen Umstände des Einzelfalls. 38 cc) Die von der Revision hiergegen vorgebrachten Argumente veranlassen keine andere Bewertung. 39 (1) Die vom Kläger im Anschluss an Bauer/Diller (Wettbewerbsverbote 9. Aufl. Rn. 375) vertretene Auffassung, nach Sinn und Zweck der Karenzentschädigung müssten in deren Berechnung – zumindest bei engen Unternehmensverflechtungen – geldwerte Leistungen, die ein anderes, dem Unternehmensverbund angehöriges Unternehmen gegenüber Arbeitnehmern des Vertragsarbeitgebers im Hinblick auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses erbringt, deshalb einfließen, weil die Arbeitgeberleistungen häufig erst zusammen mit den Drittzuwendungen den „Marktwert“ des Arbeitnehmers zutreffend widerspiegelten, könnte zwar de lege ferenda unter Umständen erwägenswert sein, sie findet aber in § 74 Abs. 2 HGB, der – wie unter Rn. 26 ff. ausgeführt – eine vertragsmäßige Leistung des Vertragsarbeitgebers voraussetzt, keine Stütze. 40 (2) Aus dem Umstand, dass die Karenzentschädigung dem Arbeitnehmer den Lebensstandard sichern soll, den er sich aufgrund seiner vorausgegangenen Tätigkeit erarbeitet hat (vgl. BAG 9. Januar 1990 – 3 AZR 110/88 – zu 2 b aa der Gründe, BAGE 64, 1), folgt nichts Abweichendes. Angesichts der gesetzlichen Anknüpfung an die „vertragsmäßigen Leistungen“ kann maßgeblich nur der Lebensstandard sein, den der Arbeitnehmer auf der Grundlage seiner Rechtsbeziehungen mit dem Vertragsarbeitgeber erlangt hat. Wenden Dritte, was ihnen frei steht, dem Arbeitnehmer Aktienerwerbsrechte mit Bezug auf das Arbeitsverhältnis aus eigener Initiative und auf eigene Rechnung zu, werden diese Leistungen nicht Gegenstand des Arbeitsverhältnisses; die Vergünstigungen können dem Vertragsarbeitgeber – vorbehaltlich einer durch diesen begründeten (Mit-)Verpflichtung hinsichtlich der Gewährung der Zuwendung – vertragsrechtlich selbst dann nicht zugerechnet werden, wenn er von den Leistungen Kenntnis hat und diese billigt. Das schließt zugleich die Einbeziehung der Drittleistungen in die Karenzentschädigung nach § 74 Abs. 2 HGB aus, weil sich andernfalls für den aus dem Gewährungsvertrag nicht verpflichteten Vertragsarbeitgeber Lasten ergäben, die mit den Grundsätzen der Vertragsfreiheit nicht in Einklang zu bringen wären (zur Unzulässigkeit eines Vertrags zulasten Dritter vgl. BAG 30. Oktober 2003 – 8 AZR 491/02 – zu II 2 b bb (1) der Gründe, BAGE 108, 199). 41 (3) Dass zu den vertragsmäßigen Leistungen iSv. § 74 Abs. 2 HGB auch Sonderzuwendungen gehören, die der Arbeitgeber unter Ausschluss eines Rechtsanspruchs als freiwillige Leistungen gewährt (vgl. BAG 22. Oktober 2008 – 10 AZR 360/08 – Rn. 17; 9. Januar 1990 – 3 AZR 110/88 – zu 2 der Gründe, BAGE 64, 1; jeweils mwN), führt ebenfalls zu keiner anderen Bewertung. Der Begriff „freiwillig“ bringt lediglich zum Ausdruck, dass der Arbeitgeber nicht bereits durch Gesetz, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung zu der fraglichen Leistung verpflichtet ist (vgl. BAG 13. Mai 2015 – 10 AZR 266/14 – Rn. 22). Der Ausschluss eines Rechtsanspruchs hat, soweit er wirksam ist, jeweils nur für die Zukunft Bedeutung. Er ändert nichts daran, dass für eine in den maßgeblichen Zeiträumen (§ 74 Abs. 2, § 74b Abs. 2 HGB) tatsächlich bewirkte Arbeitgeberleistung ein schuldrechtlicher Anspruch aus dem Arbeitsvertrag begründet wird. Das unterscheidet die „freiwilligen“ Leistungen des Vertragsarbeitgebers von Zuwendungen, die ihre Rechtsgrundlage ausschließlich in den Rechtsbeziehungen zu einem Dritten haben. Die vom Kläger und vereinzelt in der Rechtsprechung der Instanzgerichte (vgl. Hessisches LAG 31. Mai 2017 – 18 Sa 768/16 – zu II 3 b der Gründe) angenommene Parallelität der Sachverhalte besteht nicht. 42 (4) Wird – wie hier – mit der Obergesellschaft einer Unternehmensgruppe bzw. eines Konzerns auf der Basis eines von dieser aufgelegten Anreizplans die Gewährung von Aktienerwerbsrechten außerhalb der mit dem Vertragsarbeitgeber vereinbarten Vergütung vereinbart, liegt darin im Allgemeinen keine unzulässige Umgehung der gesetzlichen Bestimmungen über das Mindestmaß der Entschädigung. Gegen eine Umgehungsabsicht spricht, dass die (Konzern-)Obergesellschaft mit dem Gewährungsvertrag, auch wenn dieser durch den Arbeitsvertrag motiviert ist, typischerweise eigene Zwecke verfolgt. Ein dahin gehendes Angebot erfolgt regelmäßig nicht aus altruistischen Motiven oder in Form einer Schenkung; die Leistung soll vielmehr den im Unternehmensverbund beschäftigten Mitarbeitern Anreize zur Leistungssteigerung bieten in der Erwartung, dass durch besondere Anstrengungen der Wert der Aktie der Obergesellschaft steigt. Da in einem solchen Fall nicht der Arbeitsvertrag, sondern der Gewährungsvertrag die originäre Rechtsgrundlage für die Einräumung der Erwerbsrechte ist (für von einer Konzernmutter an Arbeitnehmer von Tochtergesellschaften gewährte Aktienoptionen: vgl. BAG 12. Februar 2003 – 10 AZR 299/02 – zu II 2 d dd der Gründe, BAGE 104, 324; Annuß/Lembke BB 2003, 2230, 2231; Franken Die Vergütung mittels Aktienoptionen aus arbeitsrechtlicher Sicht S. 220; aA Lipinski/Melms BB 2003, 150, 152), finden die Leistungen der Obergesellschaft ihren Ursprung nicht im Arbeitsvertrag mit dem Arbeitgeber. Der Arbeitnehmer, der ein solches, über die arbeitsvertraglich geschuldete Vergütung hinausgehendes Angebot der (Konzern-)Obergesellschaft annimmt, muss wissen, dass er insoweit nicht mit seinem Arbeitgeber, sondern mit einem anderen Vertragspartner kontrahiert und dass er Ansprüche aus dieser Vereinbarung grundsätzlich nur gegenüber diesem anderen Vertragspartner – hier die Obergesellschaft – realisieren kann. Er muss deshalb erkennen, dass solche Ansprüche, sofern der Arbeitgeber in Bezug auf die Drittleistungen keine eigene (Mit-)Verpflichtung übernommen hat, auch bei der Bemessung der Karenzentschädigung nach § 74 Abs. 2 HGB keine Berücksichtigung finden. 43 (5) Die nicht vom Vertragsarbeitgeber, sondern von der Obergesellschaft einer Unternehmensgruppe bzw. eines Konzerns, der bzw. dem der Vertragsarbeitgeber angehört, aufgrund eines mit der Obergesellschaft geschlossenen Vertrags erbrachten Leistungen sind auch dann nicht in die Berechnung der vom Vertragsarbeitgeber geschuldeten Karenzentschädigung einzubeziehen, wenn sich das Wettbewerbsverbot – wie hier – nach der mit dem Vertragsarbeitgeber getroffenen Abrede nicht auf den Geschäftsbereich des Vertragsarbeitgebers beschränkt, sondern auch auf den Geschäftsbereich eines anderen oder mehrerer anderer Unternehmen der Gruppe bzw. des Konzerns erstreckt. Ein solches Wettbewerbsverbot hat keinen Einfluss auf den Bedeutungsgehalt des § 74 Abs. 2 HGB, es hat insbesondere nicht zur Folge, dass die Leistungen der Obergesellschaft „vertragsmäßige Leistungen“ des Vertragsarbeitgebers iSv. § 74 Abs. 2 HGB werden. 44 (a) Inhalt und Umfang eines Wettbewerbsverbots sind maßgeblich für die Beurteilung, ob das Wettbewerbsverbot unverbindlich iSv. § 74a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 HGB ist. Nach § 74a Abs. 1 Satz 1 HGB ist das Wettbewerbsverbot insoweit unverbindlich, als es nicht dem Schutz eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Arbeitgebers dient. Nach § 74a Abs. 1 Satz 2 HGB ist es ferner unverbindlich, soweit es unter Berücksichtigung der gewährten Entschädigung nach Ort, Zeit oder Gegenstand eine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Gehilfen enthält. Dabei stehen die Regelungen in § 74a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 HGB allerdings nicht beziehungslos nebeneinander. Ein Wettbewerbsverbot, das nicht dem Schutz eines berechtigten geschäftlichen Interesses dient, stellt regelmäßig auch eine unbillige Fortkommenserschwerung des Arbeitnehmers dar. In erster Linie kommt es deshalb darauf an, inwieweit das vereinbarte Wettbewerbsverbot tatsächlich von einem berechtigten geschäftlichen Interesse des Arbeitgebers gedeckt ist. Ist dies im Hinblick auf eine dem Verbot unterliegende Tätigkeit nicht der Fall, ist das Wettbewerbsverbot insoweit bereits nach § 74a Abs. 1 Satz 1 HGB unverbindlich. Besteht ein solches Interesse, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, inwieweit das Wettbewerbsverbot den Arbeitnehmer ausnahmsweise dennoch unbillig behindert. Die Frage der unbilligen Fortkommenserschwerung nach § 74a Abs. 1 Satz 2 HGB ist unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, wobei auch eine Wechselwirkung mit der vereinbarten Entschädigung besteht. Eine großzügige Entschädigung kann eine weitergehende örtliche, zeitliche und gegenständliche Einschränkung des Arbeitnehmers rechtfertigen (zu den Einzelheiten vgl. BAG 21. April 2010 – 10 AZR 288/09 – Rn. 15 ff., BAGE 134, 147). 45 (b) Nach § 74a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 HGB büßt ein zu weit gefasstes Wettbewerbsverbot seine Wirksamkeit nicht insgesamt, sondern nur teilweise ein. Es wird aufgrund der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls auf das zulässige Maß zurückgeführt. Die Unwirksamkeit des Verbots in seinem unverbindlichen Teil tritt dabei kraft Gesetzes ein; es findet eine geltungserhaltende Reduktion statt (vgl. BAG 16. Dezember 2021 – 8 AZR 498/20 – Rn. 37 mwN). Rechtsfolge eines nur teilweise verbindlichen Wettbewerbsverbots ist demnach, dass der Arbeitgeber lediglich im verbindlichen Umfang die Unterlassung einer Konkurrenztätigkeit verlangen kann, während der Arbeitnehmer in vollem Umfang Anspruch auf die vereinbarte Karenzentschädigung hat, sofern er das Verbot in seinem verbindlichen Teil beachtet (ausführlich BAG 21. April 2010 – 10 AZR 288/09 – Rn. 23, BAGE 134, 147). 46 (c) Ausweislich der Gesetzesbegründung (vgl. Rn. 33) hat der historische Gesetzgeber den mit der Regelung in § 74a Abs. 1 HGB bewirkten Schutz des Gehilfen bei der Fassung des § 74 Abs. 2 HGB berücksichtigt und in seine Erwägungen zur Festlegung der Höhe der gesetzlichen Mindestkarenzentschädigung einbezogen. Eine dem Arbeitnehmer im Einzelfall auferlegte Verpflichtung, Wettbewerb auch im Geschäftsbereich eines mit dem Vertragsarbeitgeber verbundenen Unternehmens zu unterlassen, kann danach allenfalls zur teilweisen Unverbindlichkeit des Wettbewerbsverbots führen. Der Umstand, dass dem Arbeitnehmer eine sich auch auf andere (Konzern-)Unternehmen erstreckende Wettbewerbsbeschränkung auferlegt wurde, gebietet demgegenüber kein anderes Verständnis des Begriffs der „vertragsmäßigen Leistungen“ iSv. § 74 Abs. 2 HGB. 47 (6) Auch steuerliche Erwägungen führen nicht zu einem anderen Ergebnis. Zwar ist für Aktienoptionen anerkannt, dass der geldwerte Vorteil aus der Ausübung solcher Optionen, der sich seinerseits nach dem Unterschied zwischen Übernahmepreis und aktuellem Kurs im Zeitpunkt des Zuflusses bemisst, steuerrechtlich unabhängig davon Arbeitslohn darstellt, ob die Optionen durch den Arbeitgeber oder durch eine Konzernobergesellschaft, also einen Dritten, eingeräumt wurden (vgl. BFH 23. Juli 2001 – VI B 63/99 – zu 2 b aa der Gründe; 24. Januar 2001 – I R 119/98 – zu II 4 b der Gründe, BFHE 195, 110; jeweils mwN). Entsprechendes wird für geldwerte Vorteile aus der unentgeltlichen Gewährung von RSUs nach Wegfall bestimmter Restriktionen und Zuteilungentsprechender Aktien angenommen (vgl. FG Köln 2. Oktober 2014 – 15 K 2686/11 -). Aus der steuerlichen Behandlung können jedoch keine Rückschlüsse auf die privatrechtliche Rechtsgrundlage von Einkünften des Arbeitnehmers gezogen werden (BAG 30. März 2022 – 10 AZR 419/19 – Rn. 46; 12. Februar 2003 – 10 AZR 299/02 – zu II 2 d dd der Gründe, BAGE 104, 324). Dementsprechend differenziert auch der Bundesfinanzhof in seinen Entscheidungen zur steuerlichen Behandlung von Einkünften aus der Ausübung von Aktienoptionen, die eine Muttergesellschaft Arbeitnehmern einer Tochtergesellschaft einräumt, ausdrücklich zwischen den schuldrechtlichen Beziehungen und den steuerrechtlichen Konsequenzen (bspw. BFH 24. Januar 2001 – I R 119/98 – aaO). 48 3. Nach alledem waren die dem Kläger von der A Inc. zugesagten und gewährten RSUs nicht in die Berechnung der Karenzentschädigung nach § 15 (2.3) des Arbeitsvertrags iVm. § 74 Abs. 2 HGB einzubeziehen. 49 a) Der Kläger hat über die RSUs, die er in der Zeit seiner Tätigkeit für die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerinnen erhalten hat, Vereinbarungen ausschließlich mit der A Inc. getroffen. Nach der Präambel der vorgelegten Mustervereinbarung war Gegenstand der jeweiligen Abreden der Erhalt einer „Prämie“ von „A Inc. (die ‚Gesellschaft‘) gemäß dem Aktienanreizplan der Gesellschaft von 1997 (der ‚Plan‘)“. Die Prämie gewährte ein ungesichertes und ungedecktes Versprechen der A Inc., dem Kläger „in der Zukunft Stammaktien der Gesellschaft zu übertragen, sofern die in [dem] Vertrag (… ‚Global Restricted Stock Unit Award Agreement‘) aufgeführten Unverfallbarkeitsbedingungen (Vesting Conditions) erfüllt“ waren. Danach besteht kein Zweifel daran, dass die dem Kläger gewährten RSUs Leistungen der A Inc. und keine Leistungen der Beklagten darstellten. 50 b) Weder die Beklagte noch ihre Rechtsvorgängerinnen sind hinsichtlich der Gewährung der RSUs eine irgendwie geartete vertragliche (Mit-)Verpflichtung eingegangen. 51 aa) Eine solche Verpflichtung ergibt sich weder aus dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 8. Dezember 2011 iVm. der Zusatzvereinbarung über die Gewährung eines „Sign-on Bonus“ noch aus dem Überleitungsvertrag vom 28. November 2013 bzw. dem Schreiben der A Inc. vom 28. November 2011. 52 (1) Bei den erkennbar jeweils vorformulierten vertraglichen Vereinbarungen handelt es sich, wenn auch ggf. nicht um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB, so doch aber zumindest um vorformulierte Vertragsbedingungen iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB, deren Auslegung – wie unter Rn. 22 ausgeführt – nach den für Allgemeine Geschäftsbedingungen bzw. vorformulierten Vertragsbedingungen iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB geltenden Grundsätzen auch dem Revisionsgericht obliegt. Bei dem Schreiben der A Inc. vom 28. November 2011 handelt es sich um typische Erklärungen, so dass hier Entsprechendes gilt. 53 (2) Der für das Arbeitsverhältnis der Parteien bis zuletzt maßgebliche Arbeitsvertrag vom 8. Dezember 2011 enthält keine ausdrücklichen Regelungen über die Gewährung von RSUs. Ein verständiger und redlicher Vertragspartner konnte – wie das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat – auch weder den Vereinbarungen über die Zahlung des sog. Sign-on Bonus noch den Klauseln über die Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots eine konkludente Abrede entnehmen, nach der die Gewährung von RSUs bzw. die Teilnahme am RSU-Anreizprogramm der A Inc. in irgendeiner Form Teil der dem Kläger von der Beklagten versprochenen Leistungen sein sollte. 54 (a) Aus § 14 des Arbeitsvertrags iVm. der Zusatzvereinbarung über den „Sign-on Bonus“ ergibt sich, dass die vormalige Arbeitgeberin des Klägers mit der Zahlung dieses Bonus ihre Wertschätzung für die Entscheidung des Klägers zur Eingehung des Arbeitsverhältnisses zum Ausdruck bringen wollte. Zum anderen sollte die Zahlung die – erwartete – Betriebstreue des Klägers in den ersten Jahren des Arbeitsverhältnisses honorieren. Daraus ergibt sich kein Anhaltspunkt für das vom Kläger favorisierte Verständnis, der „Sign-on Bonus“ habe zudem eine wirtschaftliche Kompensation der ihm vor Abschluss des Arbeitsvertrags durch Schreiben der A Inc. vom 28. November 2011 in Aussicht gestellten, allerdings verzögert „vestenden“ RSUs dargestellt. 55 (b) Selbst wenn zugunsten des Klägers davon ausgegangen würde, der „Sign-on Bonus“ habe eine „Überbrückungsleistung“ dargestellt, hätte es sich hierbei nach der in § 14 des Arbeitsvertrags iVm. der Zusatzvereinbarung über den „Sign-on Bonus“ getroffenen Abrede doch um eine einmalige Leistung des Arbeitgebers gehandelt, die sowohl nach ihrem Inhalt als auch den Modalitäten der Auszahlung von den Zuteilungen der RSUs gänzlich unabhängig war. Für einen verständigen und redlichen Arbeitnehmer in der Lage des Klägers war zudem objektiv bereits aus dem Schreiben der A Inc. vom 28. November 2011 erkennbar, dass ihm RSUs nicht von der Vertragsarbeitgeberin, sondern von dritter Seite, nämlich der A Inc. gewährt werden würden. Nach dem Schreiben sollte der Kläger für den Fall, dass er ein Arbeitsverhältnis mit einer Tochtergesellschaft der A Inc. eingehen würde, berechtigt sein, auf der Grundlage eines mit A Inc. abzuschließenden Vertrags beschränkte Aktieneinheiten der A Inc. zu erhalten. Ein über die Gewährung des „Sign-on Bonus“ hinausgehender Verpflichtungswille der Beklagten als Vertragsarbeitgeberin ist deshalb aus den betreffenden schriftlichen Vereinbarungen nicht ablesbar. 56 (c) Auch die in § 15 des Arbeitsvertrags über das nachvertragliche Wettbewerbsverbot getroffenen Vereinbarungen konnten aus der Sicht eines verständigen und redlichen durchschnittlichen Vertragspartners nicht dahin verstanden werden, dass RSUs Teil der dem Kläger aufgrund des mit seinem Vertragsarbeitgeber geschlossenen Arbeitsvertrags zustehenden Leistungen waren. Zwar bezieht sich die dem Kläger in § 15 (2) des Arbeitsvertrags auferlegte Wettbewerbsbeschränkung auch auf den Geschäftsbereich von Konzernunternehmen und insoweit auf die in § 15 (1.1) des Arbeitsvertrags als ein solches Unternehmen benannte A Inc.. Ein rechtlicher Bindungswille der Beklagten, in Bezug auf Leistungen, die dem Kläger außerhalb des Arbeitsvertrags von Seiten der A Inc. gewährt werden, eigene (Mit-)Verpflichtungen zu begründen oder diese Drittleistungen jedenfalls bei der Bemessung der Karenzentschädigung zu berücksichtigen, lässt sich hieraus aber nicht ableiten. Vereinbarungen über den Umfang des Wettbewerbsverbots bestimmen – wie unter Rn. 43 ff. ausgeführt – weder den Umfang der vom Vertragsarbeitgeber im Arbeitsverhältnis geschuldeten Leistungen noch beeinflussen sie – ungeachtet der Frage einer sich aus der Reichweite der Wettbewerbsbeschränkung ergebenden teilweisen Unverbindlichkeit des Verbots – die Höhe der versprochenen Karenzentschädigung. 57 (d) Soweit der Kläger einwendet, es liege „auf der Hand“, dass RSUs bei den Gehaltsverhandlungen „eine Rolle“ gespielt hätten, und er mit der Beklagten im Lauf seiner Tätigkeit ganz erhebliche Erhöhungen seines Grundgehalts vereinbart oder er eine andere leistungsabhängige Gratifikation erhalten hätte, wenn es nicht das RSU-Anreizprogramm der A Inc. gegeben hätte, handelt es sich um bloße Spekulationen, die durch nichts belegt sind. Konkrete Anhaltspunkte, die zu der Annahme berechtigten, die Parteien hätten im Rahmen ihrer arbeitsvertraglichen Vereinbarungen konkludent verabredet, der Kläger solle die RSUs anstelle eines ihm sonst von der Beklagten gezahlten (höheren) Gehalts beziehen (zu diesem Gesichtspunkt bspw. Annuß/Lembke BB 2003, 2230, 2233; Franken Die Vergütung mittels Aktienoptionen aus arbeitsrechtlicher Sicht S. 222 mwN), liegen nicht vor. 58 (3) Die Rechtsvorgängerin der Beklagten ist auch in dem Überleitungsvertrag vom 28. November 2013 hinsichtlich der Gewährung der RSUs keine irgendwie geartete vertragliche (Mit-)Verpflichtung eingegangen. Die Regelung in Art. 3 § 2 dieses Vertrags hat, soweit dort bestimmt ist, dass der Vertrag keine Auswirkungen auf etwaige, dem Kläger von der A Inc., USA, gewährte RSUs hat, zweifelsfrei lediglich klarstellenden Charakter. 59 bb) Ein konkludentes Angebot der Beklagten oder einer ihrer Rechtsvorgängerinnen, im Hinblick auf die Gewährung der RSUs eine eigene vertragliche (Mit-)Verpflichtung zu begründen, lässt sich auch weder deren Verhalten bei der Durchführung des Arbeitsverhältnisses bzw. dem Verhalten der A Inc. entnehmen. Insbesondere lässt sich ein entsprechender (Mit-)Verpflichtungswille weder aus den von den Führungskräften erstellten Leistungsbeurteilungen noch aus der Auszahlung von Erlösen aus Aktienzuteilungen einschließlich deren steuerlicher Behandlung durch die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerinnen, aus deren Vergütungsmitteilungen oder aus dem von der A Inc. beworbenen „Total Compensation Modell“ bzw. aus Äußerungen der Beklagten über ihre „Unternehmensphilosophie“ ableiten. 60 Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei den in Rede stehenden Äußerungen und Mitteilungen um typische oder atypische Erklärungen handelt (zur unterschiedlichen Reichweite der revisionsrechtlichen Kontrolle: vgl. BAG 24. März 2021 – 10 AZR 16/20 – Rn. 38, BAGE 174, 294; 19. Dezember 2018 – 7 AZR 70/17 – Rn. 24 mwN, BAGE 164, 370). Ebenso kann offenbleiben, ob die angefochtene Entscheidung, soweit es um die Würdigung eines tatsächlichen Verhaltens geht, einer uneingeschränkten revisionsrechtlichen Kontrolle unterliegt oder nur daraufhin überprüft werden kann, ob sich das Landesarbeitsgericht entsprechend den Vorgaben des Prozessrechts mit dem Prozessstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat und ob seine Würdigung vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr., zB BAG 19. Februar 2015 – 8 AZR 1011/13 – Rn. 27 mwN). Sowohl die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Auslegung als auch dessen Würdigung halten auch einer uneingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung stand. 61 (1) Es spricht bereits viel dafür, dass den von den Führungskräften vorgenommenen Leistungsbeurteilungen kein rechtsgeschäftlicher Erklärungswert zukommt (vgl. Häferer/Burger NZA 2020, 143, 145). Unmittelbare Rechtsfolgen treten mit ihnen nicht ein. Letztlich kommt es hierauf aber nicht an. Unabhängig von ihrer Einordnung als Realakt, rechtsgeschäftsähnliche Handlung oder als Willenserklärung lag in der Erstellung von Leistungsbeurteilungen jedenfalls kein an den Kläger gerichtetes Angebot der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerinnen, im Hinblick auf die Gewährung von RSUs eine eigene (Mit-)Verpflichtung zu begründen (vgl. auch BAG 16. Januar 2008 – 7 AZR 887/06 – Rn. 23). 62 (a) Die Leistungsbeurteilungen dienten der A Inc. mit Sitz in den USA als Grundlage für deren Entscheidung über die künftige Gewährung von RSUs an in der „A-Gruppe“ beschäftigte Mitarbeiter/innen. Soweit Führungskräfte der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerinnen und nicht Beschäftigte der A Inc. die Leistungsbeurteilungen vorgenommen haben, lag dies in der Natur der Sache. Die (Konzern-)Obergesellschaft wollte mit den RSUs Anreize für im (Konzern-)Verbund tätige Beschäftigte schaffen, von deren Arbeitsleistung sie mittelbar – über Wertsteigerungen ihrer Aktien – profitieren konnte. Da sie die Qualität der Arbeitsleistung von Mitarbeitern/innen, die zum potentiell begünstigten Personenkreis zählten, jedoch nicht unmittelbar bei ihr beschäftigt waren, nicht aus eigener Kenntnis beurteilen konnte, war sie auf die Unterstützung des jeweiligen Vertragsarbeitgebers angewiesen. Diese Umstände waren für einen verständigen Arbeitnehmer in der Lage des Klägers ohne Weiteres erkennbar. Ein solcher Arbeitnehmer wusste aus den mit der A Inc. geschlossenen RSU Award Agreements und den zugrunde liegenden Planbedingungen auch, dass die Letztentscheidung über die Gewährung von RSUs im alleinigen Ermessen des Vorstands der A Inc. (Board of Directors) lag. 63 (b) Es spricht zudem viel dafür, dass die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerinnen gegenüber dem Kläger sogar eine rechtliche Verpflichtung traf, die Leistungsbeurteilungen durchzuführen. Denn grundsätzlich ist jeder Vertragspartner verpflichtet, auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils Rücksicht zu nehmen (§ 241 Abs. 2 BGB). Diese Rücksichtnahmepflicht kann auch eine Verpflichtung des Arbeitgebers umfassen, bei der Wahrung oder Entstehung von Ansprüchen seiner Arbeitnehmer mitzuwirken, die diese gegenüber Dritten erwerben können (vgl. BAG 24. September 2009 – 8 AZR 444/08 – Rn. 14). Bei dieser Pflicht handelt es sich allerdings um eine Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis, deren schuldhafte Verletzung keine vertraglichen Leistungsansprüche nach sich ziehen, sondern allenfalls Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber begründen könnte. 64 (2) Auch der Umstand, dass die Beklagte nach dem „Vesting“ der RSUs und der Zuteilung von Aktien die jeweiligen Veräußerungserlöse an den Kläger auszahlte, lässt nicht auf deren Willen schließen, eine eigene rechtsgeschäftliche (Mit-)Verpflichtung einzugehen. Die Auskehrung der Erlöse durch die Beklagte beruhte auf einem – unstreitig – zwischen ihr und der A Inc. geschlossenen Dienstleistungsvertrag. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte sei bei den Auszahlungen als Erfüllungsgehilfin der A Inc. iSd. § 278 Satz 1 BGB tätig geworden, ist demnach rechtsfehlerfrei und wird von der Revision auch nicht angegriffen. 65 Ob die Beklagte – wie jedenfalls für das Jahr 2019 geschehen – verpflichtet war, Lohnsteuer auf die vom Kläger aus RSU-Gewährungen erzielten Aktienerlöse nach Maßgabe der §§ 38, 41a EStG anzumelden, einzubehalten und abzuführen (zur Problematik vgl. BFH 23. Juli 2001 – VI B 63/99 – zu 2 b bb der Gründe), bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Selbst wenn die Durchführung des Lohnabzugsverfahrens mit den Vorgaben des Steuerrechts nicht in Einklang gestanden haben sollte, wäre dies nur steuerrechtlich von Bedeutung; Rückschlüsse auf einen bestimmten Inhalt des Schuldverhältnisses der Parteien konnte ein verständiger und redlicher Arbeitnehmer – wie unter Rn. 47 ausgeführt – aus diesem Verhalten nicht ziehen. 66 (3) Entgegen seiner Auffassung konnte der Kläger die ihm für das Vergütungsjahr 2019 unter dem Titel „Zusammenfassung der persönlichen Vergütung“ zugeleitete Übersicht nicht dahin verstehen, dass RSUs Teil der Gegenleistung der Beklagten für seine Arbeitsleistung waren, sie also durch seine Arbeit verdient und auch von der Beklagten als Entlohnung für erbrachte Arbeit verstanden wurden. Der Vergütungsmitteilung lässt sich ein dahin gehender rechtsgeschäftlicher Bindungswille der Beklagten nicht entnehmen, was die Revision letztlich auch zugesteht. An dieser Bewertung würde sich auch dann nichts ändern, wenn inhaltsgleiche Zusammenfassungen bereits vor 2019 Jahr für Jahr aufs Neue erstellt und an den Kläger übermittelt worden sein sollten. 67 Die „Zusammenfassung der persönlichen Vergütung“ für das Vergütungsjahr 2019 enthält in der Fußnote den Hinweis, dass RSUs von der A Inc. zur Verfügung gestellt werden und jede Zuteilung auf der Grundlage und nach den Bestimmungen des zwischen dem Kläger und der A Inc. hierzu getroffenen Vertrags erfolgt. Zugleich wird ausdrücklich klargestellt, dass es sich bei dem Schreiben um eine „informative Übersicht“ und nicht um einen Vertrag oder ein Vertragsdokument handelt. Bereits daraus wurde für einen durchschnittlichen Arbeitnehmer hinreichend deutlich, dass die Zusammenfassung(en) der persönlichen Vergütung keinen Einfluss auf die der RSU-Gewährung zugrunde liegenden schuldrechtlichen Beziehungen haben sollte(n). Im Übrigen konnte auch der weitere in der „Zusammenfassung der persönlichen Vergütung“ enthaltene Hinweis, wonach die RSUs nicht bei der Berechnung zB von Abfindungen und Karenzentschädigungen Berücksichtigung finden, nur dahin verstanden werden, dass die Beklagte die RSUs nicht als Bestandteil ihrer Gegenleistung für die vom Kläger geschuldete Arbeitsleistung ansah. 68 (4) Der Kläger durfte die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Parteien und das Verhalten der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerinnen bei der Durchführung des Arbeitsverhältnisses auch nicht deshalb anders verstehen, weil die A Inc. im Jahr 2020 ein „Total Compensation Modell“ verfolgte und gegenüber potentiellen Mitarbeitern/innen bewarb, nach welchem sich die „Vergütung“ von Mitarbeitern/innen aus einem „moderaten“ Grundgehalt sowie RSUs zusammensetzt. Insoweit fehlt es bereits an Vorbringen des Klägers zu den Umständen, unter denen die Erklärungen erfolgten, und damit zugleich an der Darlegung eines Sachverhalts, aufgrund dessen die Beklagte sich die Äußerungen der Obergesellschaft im Arbeitsverhältnis mit dem Kläger ggf. zurechnen lassen müsste. Dem weiteren Vorbringen des Klägers, die Beklagte habe in einer Stellenanzeige selbst damit geworben, eine „Vergütungsphilosophie“ aus Grundgehältern, jährlichen Leistungsprämien sowie RSUs zu verfolgen, kommt vorliegend schon deshalb keine Bedeutung zu, weil die herangezogene Ausschreibung aus dem Jahr 2020 stammt und sich an neu einzustellende Mitarbeiter/innen wendet. Unabhängig davon enthält eine Stellenausschreibung regelmäßig kein rechtsverbindliches Angebot zum Abschluss eines Arbeitsvertrags mit einem bestimmten Inhalt (vgl. BAG 25. Januar 2000 – 9 AZR 140/99 – Rn. 35). 69 cc) Das Landesarbeitsgericht hat auch die Abreden der Parteien in der Abwicklungsvereinbarung vom 14. Oktober 2019 zutreffend dahin ausgelegt, dass sich aus ihnen keine eigene (Mit-)Verpflichtung der Beklagten hinsichtlich der Gewährung der RSUs ergibt. 70 (1) Dabei waren – wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat – jedenfalls bei der Auslegung von § 2 Abs. 2 und § 8 der Abwicklungsvereinbarung – auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen. Bei den in diesen Bestimmungen enthaltenen Abreden handelt es sich nämlich nicht um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB oder um vorformulierte Vertragsbedingungen iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB, bei deren Auslegung solche Umstände außer Betracht bleiben müssten (st. Rspr., zB BAG 9. Dezember 2015 – 7 AZR 68/14 – Rn. 17 mwN), sondern um Individualvereinbarungen (vgl. dazu bspw. BAG 10. Mai 2016 – 9 AZR 434/15 – Rn. 25 mwN). Nach den von den Parteien nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts fand die in § 8 der Abwicklungsvereinbarung getroffene Abrede in wesentlichen Teilen auf Initiative des Klägers und erst nach eingehenden Verhandlungen der Parteien über ihren Inhalt Eingang in den Vertrag. Der Kläger konnte, wie der betreffende E-Mail-Verkehr der Parteien belegt, auf die in der Regelung enthaltenen Formulierungen Einfluss nehmen und hat dies auch getan. 71 (2) Hiervon ausgehend konnte der Kläger der Abwicklungsvereinbarung nicht entnehmen, dass die Beklagte ihm RSUs oder auch nur die auf das „Vesting“ im November 2019 entfallenden Anteile als Bestandteil ihrer Arbeitgeberleistungen zuwenden wollte. 72 (a) Zwar konnte die in § 2 Abs. 2 der Abwicklungsvereinbarung unter der Überschrift „Vergütung / Abwicklung“ getroffene Vereinbarung, wonach bezüglich der RSUs ausschließlich die Regelung in § 8 der Vereinbarung galt, – für sich betrachtet – auf den ersten Blick den Eindruck erwecken, aus Sicht der Beklagten handele es sich bei den RSUs um „Vergütung“ im arbeitsvertraglichen Sinne. 73 (b) Allerdings musste § 2 Abs. 2 der Abwicklungsvereinbarung im Kontext mit den Bestimmungen in § 8 der Abwicklungsvereinbarung ausgelegt werden. Danach findet sich für die Auffassung des Klägers, die Parteien hätten die RSUs oder die auf das „Vesting“ im November 2019 entfallenden Anteile als Bestandteil der von der Beklagten als Vertragsarbeitgeberin geschuldeten Leistungen vereinbart, kein genügender Anhaltspunkt. 74 (aa) Dies legt bereits der Wortlaut von § 8 der Abwicklungsvereinbarung nahe. 75 Nach § 8 Satz 1 der Abwicklungsvereinbarung richten sich die Rechte und Pflichten des Mitarbeiters bezüglich der RSUs, wenn und soweit der Mitarbeiter bereits RSUs der A Inc. erhalten hat, nach den schriftlich getroffenen einzelvertraglichen Regelungen (insbesondere nach dem RSU Award Agreement mit A Inc.) sowie den Bestimmungen desjenigen Restricted Stock Unit Plans der A Inc., nach welchem die RSUs dem Mitarbeiter zugeteilt wurden. Diese Regelung hat erkennbar klarstellenden Charakter und sollte verdeutlichen, dass sich die Ansprüche des Klägers auf die Gewährung von RSUs weiterhin nur aus den mit der A Inc. getroffenen Vereinbarungen bzw. dem von dieser aufgelegten RSU-Anreizprogramm ergeben konnten. Die in § 8 Satz 2 und Satz 3 der Abwicklungsvereinbarung über den Verfall und die Ausübbarkeit von RSUs getroffenen Abreden stehen sodann nicht beziehungslos neben Satz 1 der Bestimmung, sondern knüpfen an die dort getroffenen Vereinbarungen an. Soweit es darin heißt, dass alle RSUs, die noch nicht „gevested“, dh. fällig sind, aber vor dem Beendigungstermin ausübbar werden, „wie gewohnt“ ausübbar werden, einschließlich aller RSUs, die im November 2019 fällig werden, konnte es sich wiederum nur um RSUs handeln, die auf der Grundlage desjenigen Restricted Stock Unit Plans der A Inc. beruhten, nach welchem die RSUs dem Kläger zugeteilt wurden. Danach ließen auch die Vereinbarungen der Parteien über das „Vesting“ nicht darauf schließen, dass die Beklagte – abweichend von der klarstellenden Abrede in § 8 Satz 1 der Abwicklungsvereinbarung – im Hinblick auf die Gewährung dieser RSUs eigene Verpflichtungen begründen wollte. 76 (bb) Auch unter Berücksichtigung der vorausgegangenen Verhandlungen und der bestehenden Interessenlage der Parteien konnten die in der Abwicklungsvereinbarung getroffenen Abreden nicht dahin verstanden werden, dass die Beklagte dem Kläger RSUs oder auch nur die auf das „Vesting“ im November 2019 entfallenden Anteile als Bestandteil ihrer Arbeitgeberleistungen zuwenden wollte. 77 Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ging es dem Kläger bei der in § 8 der Abwicklungsvereinbarung getroffenen Regelung – unstreitig – darum, für die Zeit der vereinbarten Freistellung von der Arbeitspflicht ein „Vesting“ ihm bereits gewährter RSUs, die nach den Vereinbarungen mit der A Inc. an sich im November 2019 fällig werden sollten, sicherzustellen. Hintergrund war dabei die in Nr. 6 des maßgeblichen RSU Award Agreements enthaltene Bestimmung, wonach bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der A Inc. bzw. einer ihrer Tochtergesellschaften unabhängig vom Beendigungsgrund und unabhängig davon, ob die Beendigung freiwillig oder auf Veranlassung des jeweiligen Arbeitgebers erfolgt, der zu diesem Zeitpunkt noch nicht unverfallbare Anteil der Prämie „automatisch“ verfallen sollte, und zudem „im Sinne dieser Prämienregelung“ das Arbeitsverhältnis als von dem Tag an beendet gelten sollte, der der Freistellung des Arbeitnehmers von der Verpflichtung zur Arbeit für die Gesellschaft bzw. einer ihrer Tochtergesellschaften vorausgeht, soweit in dieser (Prämien-)Vereinbarung oder durch Beschluss der Gesellschaft nicht ausdrücklich bestimmt worden sei, dass die Prämie nicht verfällt. 78 Da es der Beklagten, die diese Bestimmungen kannte, grundsätzlich nicht oblag, Regelungen über ein „Vesting“ zu treffen, spricht alles dafür, dass sich deren Interesse bei der Aufnahme von § 8 in die Abwicklungsvereinbarung darauf beschränkte, das Zustandekommen des Abwicklungsvertrags nicht durch aus Sicht des Klägers bestehende Unsicherheiten über den Eintritt der Unverfallbarkeit von Aktienzuteilungen im Freistellungszeitraum zu gefährden. Bereits daraus ergibt sich, dass der Kläger nicht annehmen durfte, die Beklagte wolle mit den Regelungen in § 8 Satz 2 und Satz 3 der Abwicklungsvereinbarung originäre eigene arbeitsvertragliche Pflichten in Bezug auf die Gewährung von RSUs begründen oder auch nur dokumentieren. 79 Es kommt hinzu, dass die Beklagte – wie das Landesarbeitsgericht ebenfalls unangefochten festgestellt hat – dem Kläger im Zuge der Verhandlungen über § 8 der Abwicklungsvereinbarung versicherte, dass die A Inc. bestimmt habe, die dem Kläger bereits gewährten RSUs auch während einer Freistellungsphase noch „vesten“ und zur Auszahlung kommen zu lassen. Dabei wies sie – unstreitig – einen zwischenzeitlichen Vorschlag des Klägers zurück, der auszugsweise dahin lauten sollte, dass die Parteien, „unabhängig und ggf. entgegen … anderslautender Formulierungen in den Bestimmungen des RSU Award Plans […] ausdrücklich vereinbaren, dass die im November 2019 vestenden RSU’s [dem Kläger] trotz Freistellung von der Erbringung seiner Arbeitsleistung zustehen, ihm zugeteilt und noch im November 2019 an ihn übertragen werden“. Stattdessen schlug sie die letztlich in § 8 der Abwicklungsvereinbarung aufgenommene Regelung vor, mit der sich der Kläger im Ergebnis einverstanden erklärte. All dies verdeutlicht, dass die in § 8 Satz 2 und Satz 3 der Abwicklungsvereinbarung getroffenen Abreden nur dem Zweck dienten, die von der A Inc. zugesagte Handhabung der Abreden in Nr. 6 des RSU Award Agreements zu bestätigen. Etwas anderes folgt deshalb auch nicht aus der Begleit-E-Mail der Mitarbeiterin G vom 14. Oktober 2019, in der es heißt, sie „bestätige“ „gerne nochmal“, dass die im November 2019 „vestenden“ RSUs dem Kläger trotz Freistellung zustehen, ihm zugeteilt und an ihn übertragen würden, was gerne auch der Geschäftsführer der Beklagten nochmals bestätigen könne. 80 Umstände, die auf eine hiervon abweichende Interessenlage der Parteien hindeuten könnten, sind nicht erkennbar. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat anklingen lassen, das Landesarbeitsgericht habe bei seiner Würdigung den Prozessstoff nicht erschöpft, fehlt es dafür an Anhaltspunkten. Eine zulässige Verfahrensrüge hat der Kläger insoweit nicht erhoben. 81 (cc) Abweichendes folgt auch nicht aus § 10 Satz 2 der Abwicklungsvereinbarung. Soweit dort bestimmte Ansprüche aus der in Satz 1 enthaltenen Erledigungsregelung ausgenommen werden, betrifft dies ua. Beträge, die unter Umständen bei der Abrechnung etwaiger von dem Mitarbeiter bereits ausgeübter oder nach § 8 der Abwicklungsvereinbarung noch auszuübender RSUs von der Beklagten überzahlt worden sind oder überzahlt werden. Diese Regelung steht erkennbar im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Beklagten als Dienstleister bei der Abrechnung und Auskehrung von Aktienerlösen, die der Kläger aus den ihm von Seiten der Obergesellschaft gewährten RSUs erzielt hat oder noch erzielen würde. Auch aus dieser vertraglichen Vereinbarung lässt sich demnach im Hinblick auf die Gewährung von RSUs nichts für eine (Mit-)Verpflichtung der Beklagten herleiten. 82 dd) Die gebotene Gesamtschau aller Umstände des vorliegenden Einzelfalls führt nicht zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis. Die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerinnen haben im Rahmen schriftlicher Vereinbarungen mit dem Kläger weder ausdrücklich noch konkludent eine (Mit-)Verpflichtung begründet, nach welcher RSUs als Bestandteil der von ihnen für die Arbeitsleistung des Klägers geschuldeten Vergütung anzusehen wären. Im Lauf des Arbeitsverhältnisses wurde dem Kläger mehrfach – wie zuletzt in § 8 der Abwicklungsvereinbarung – verdeutlicht, dass für die Gewährung der RSUs allein die schuldrechtlichen Beziehungen zwischen ihm und der A Inc. maßgeblich sein sollen. Die Beklagte und ihre Rechtsvorgängerinnen haben – jedenfalls gegenüber dem Kläger – auch zu keinem Zeitpunkt RSUs ohne entsprechende Klarstellung als Vergütung bezeichnet bzw. durch ein sonstiges Verhalten zum Ausdruck gebracht, hinsichtlich der Gewährung von RSUs eigene vertragliche Verpflichtungen eingehen zu wollen. Für den Kläger war überdies aus den mit der A Inc. getroffenen Abreden erkennbar, dass diese mit dem RSU-Anreizprogramm eigene, am Shareholder-Value ausgerichtete Zwecke verfolgte. Auch wenn, wie der Kläger behauptet hat, sämtliche Vertragsangelegenheiten im Hinblick auf die Gewährung von RSUs „mit der bei der Beklagten angesiedelten Abteilung ‚HR‘“ „kommuniziert“ worden sein sollten, musste er doch wissen, dass er Ansprüche aus den RSU Award Agreements iVm. dem jeweils zugrunde liegenden Plan nur gegenüber der aus den Vereinbarungen verpflichteten Obergesellschaft geltend machen konnte. Im Übrigen diente die vom Kläger nicht näher spezifizierte „Kommunikation“ über die Beklagte angesichts des Sitzes der A Inc. in den USA der Vereinfachung, die auch ihm zugutekam. 83 4. Der Beklagten ist es schließlich nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, bei der Berechnung der Karenzentschädigung die seitens der A Inc. gewährten RSUs außer Betracht zu lassen. Tatsächliche Umstände, die zu der Annahme führen könnten, die Beklagte habe sich durch treuwidriges Verhalten eine für sie günstige Rechtsstellung verschafft (zu den Voraussetzungen vgl. BAG 11. August 2016 – 8 AZR 4/15 – Rn. 44 mwN, BAGE 156, 71) oder verhalte sich widersprüchlich (vgl. dazu bspw. BAG 16. Januar 2008 – 7 AZR 887/06 – Rn. 22 mwN), liegen nicht vor. Gegenteiliges macht der Kläger – wie bereits im Berufungsrechtszug – auch nicht (mehr) geltend.              Schlewing                  Winter                  Berger                                    Bloesinger                  Diekmann" bag_33-22,25.08.2022,"25.08.2022 33/22 - Keine Änderung der insolvenzrechtlichen Rangfolge durch Eintritt der Neumasseunzulänglichkeit Der Eintritt der Neumasseunzulänglichkeit führt nicht zu einer Änderung der Rangordnung des § 209 Abs. 1 InsO. Die Parteien streiten über den insolvenzrechtlichen Rang von Annahmeverzugsansprüchen. Der beklagte Insolvenzverwalter hat sich im Lauf des Insolvenzverfahrens nach erfolgter Anzeige der drohenden Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 Abs. 1 InsO im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung in der Folgezeit zunächst auf Neumasseunzulänglichkeit und sodann auf Neu-Neumasseunzulänglichkeit berufen und diese jeweils dem Insolvenzgericht gegenüber angezeigt. Der Eintritt der angezeigten Neu-Neumasseunzulänglichkeit ist zwischen den Parteien streitig. Der von der Arbeitsleistung freigestellte Kläger hat Annahmeverzugsansprüche, die in den Zeitraum nach der „Neumasseunzulänglichkeitsanzeige“ des Beklagten fallen, vorrangig mit einer Leistungsklage geltend gemacht. Hilfsweise hat er gestaffelt die Feststellung dieser Ansprüche als Masseverbindlichkeiten begehrt, die jeweils im Rang vor denjenigen Masseverbindlichkeiten stehen, die bis zu der jeweiligen (Neu-)Masseunzulänglichkeitsanzeige begründetet worden sind. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers die Leistungsklage abgewiesen und der Feststellungsklage teilweise stattgegeben. Die Revision des Klägers und die Anschlussrevision des Beklagten hatten vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Der Leistungsklage fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofs können Ansprüche nur noch mit einer Feststellungsklage geltend gemacht werden, wenn nach erfolgter Anzeige der Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 InsO durch den Insolvenzverwalter die neu zu erwirtschaftende Insolvenzmasse nicht zur Deckung der Neumasseverbindlichkeiten ausreicht. Hat der Insolvenzverwalter nach § 208 Abs. 1 InsO (drohende) Masseunzulänglichkeit angezeigt, ändert sich nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung von Bundesarbeitsgericht und Bundesgerichtshof die Rangfolge für die Masseverbindlichkeiten nach § 209 Abs. 1 InsO nicht, wenn in der Folgezeit die neu zu erwirtschaftende Insolvenzmasse nicht ausreicht, um fällige Neumasseverbindlichkeiten zu decken. Diese sind dann nur noch quotal zu befriedigen. An dieser Rechtsprechung hat der Sechste Senat festgehalten. Die Insolvenzordnung regelt abschließend, dass eine Rangfolgenordnung nur einmal erfolgt. Daher findet eine Rangabwertung der Neumasseverbindlichkeiten iSv. § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO bei erneuter Masseunzulänglichkeit nicht statt. Sog. Neu- bzw. Neu-Neumasseunzulänglichkeitsanzeigen des Insolvenzverwalters entfalten deshalb keine Bindungswirkung iSd. § 208 Abs. 1 InsO. Der Insolvenzverwalter hat folglich die Neumasseunzulänglichkeit im Bestreitensfall darzulegen und zu beweisen. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. August 2022 – 6 AZR 441/21 – Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 29. April 2021 – 5 Sa 517/20 –","Tenor 1. Die Revision des Klägers und die Anschlussrevision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 29. April 2021 – 5 Sa 517/20 – werden zurückgewiesen. 2. Die Kosten der Revision hat der Kläger zu 3/4 und der Beklagte zu 1/4 zu tragen. Leitsatz Der Eintritt der Neumasseunzulänglichkeit führt nicht zu einer Neuordnung der gesetzlich festgelegten Rangfolge der Masseverbindlichkeiten. Vielmehr sind alle Neumasseverbindlichkeiten quotal zu erfüllen. Tatbestand 1 Die Parteien streiten über den insolvenzrechtlichen Rang von Annahmeverzugsansprüchen für den Zeitraum September 2019 bis Mai 2020 in einer masseunzulänglichen Insolvenz. 2 Am 1. November 2017 wurde über das Vermögen der Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG (im Folgenden Schuldnerin) das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung eröffnet und der Beklagte als Sachwalter eingesetzt. Am selben Tag zeigte dieser beim Insolvenzgericht Charlottenburg (im Folgenden Insolvenzgericht) nach § 208 Abs. 1 Satz 2 InsO drohende Masseunzulänglichkeit an. Am 16. Januar 2018 hob das Insolvenzgericht die Eigenverwaltung auf und bestellte den Beklagten zum Insolvenzverwalter. 3 Der Kläger war bei der Schuldnerin als Flugkapitän eingestellt. Mit Schreiben vom 15. Januar 2018 kündigte die Schuldnerin das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30. April 2018. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg erklärte die Kündigung im anschließenden Kündigungsschutzverfahren mit Urteil vom 13. Dezember 2019 (- 9 Sa 1146/19 -) für unwirksam. Die Entscheidung ist rechtskräftig geworden. Das Arbeitsverhältnis des Klägers wurde nach Mai 2020 zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt beendet. Bis dahin war der Kläger durchgehend von der Erbringung seiner Arbeitsleistung freigestellt. 4 Am 30. April 2019 zeigte der Beklagte dem Insolvenzgericht gegenüber Neumasseunzulänglichkeit und am 27. Mai 2020 „Neu-Neumasseunzulänglichkeit“ an. Alle Anzeigen wurden öffentlich bekannt gemacht, letztere am 28. Mai 2020. Das Insolvenzgericht ordnete mit Beschlüssen vom 30. April 2019 und 4. Juni 2020 an, dass die Zwangsvollstreckung von Massegläubigern wegen Masseverbindlichkeiten, die bis zum 30. April 2019 und bis zum 27. Mai 2020 begründet wurden (Neumasseverbindlichkeiten bzw. „Neu-Neumasseverbindlichkeiten“), unzulässig sei. Der gegen den Beschluss vom 4. Juni 2020 eingelegten sofortigen Beschwerde des Klägers half das Insolvenzgericht wegen mangelnder Beschwer nicht ab, da der Beschluss lediglich auf die Folgen des § 210 InsO hinweise, die auch für „Neu-Neumassegläubiger“ gelten würden. 5 Mit seiner Klage hat der Kläger im Wege der Leistungsklage für den Zeitraum September 2019 bis Mai 2020 Annahmeverzugsansprüche abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes geltend gemacht. Seit der Berufungsinstanz begehrt er in einem gestaffelten Hilfsverhältnis auch die Feststellung von Differenzvergütungsansprüchen als Masseverbindlichkeit. 6 Der Kläger hat die Auffassung vertreten, durch die erneuten Anzeigen der Masseunzulänglichkeit und die daraus abgeleiteten Rechtsfolgen, die die Grenze richterlicher Rechtsfortbildung überschritten, sei er in seinen Grundrechten aus Art. 14 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 3 GG verletzt. Der Insolvenzordnung sei nicht zu entnehmen, dass der Gesetzgeber eine erneute Masseunzulänglichkeitsanzeige habe zulassen wollen. Neumasseverbindlichkeiten seien daher stets vollständig und uneingeschränkt im Wege der Leistungsklage zu befriedigen, bis der Insolvenzverwalter selbst einen Insolvenzantrag stelle. Darüber hinaus habe der Beklagte eine zum 27. Mai 2020 eingetretene erneute Neumasseunzulänglichkeit nicht ordnungsgemäß dargelegt. Sein Zahlenwerk sei insgesamt nicht überprüfbar. 7 Der Kläger hat zuletzt beantragt,          1.     den Beklagten zu verurteilen, an ihn 144.259,11 Euro brutto abzüglich erhaltener Lohnersatzleistungen iHv. 18.435,60 Euro netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz in im Einzelnen genannter, gestaffelter Höhe zu zahlen;          2.     hilfsweise                   festzustellen, dass zu seinen Gunsten Differenzlohnansprüche iHv. 144.259,11 Euro brutto abzüglich erhaltener Lohnersatzleistungen iHv. 18.435,60 Euro netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz in im Einzelnen genannter, gestaffelter Höhe bestehen und zwar                   a)     als Masseverbindlichkeit im Rang vor den bis zum 27. Mai 2020 begründeten Masseverbindlichkeiten;                   b)     weiter hilfsweise als Masseverbindlichkeit im Rang vor den bis zum 30. April 2019 begründeten Masseverbindlichkeiten;                   c)     weiter hilfsweise im Rang vor den bis zum 1. November 2017 begründeten Masseverbindlichkeiten. 8 Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, die erneute Anzeige einer Masseunzulänglichkeit sei zwar gesetzlich nicht geregelt, aber jedenfalls in analoger Anwendung der §§ 207 ff. InsO zulässig. Die nach § 208 Abs. 3 InsO bestehende Verpflichtung des Insolvenzverwalters, das Insolvenzverfahren weiter geordnet durchzuführen, erfordere es regelmäßig, neue Verbindlichkeiten – ua. auch durch die Weiterbeschäftigung von Arbeitnehmern der Schuldnerin – einzugehen. Das sei möglich, weil den Neumassegläubigern nach § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO Vorrang vor den Altmassegläubigern eingeräumt werde. Dies müsse vor dem Hintergrund einer gleichbleibenden Interessenlage auch bei wiederholtem Eintritt von Masseunzulänglichkeit gelten. Aufgrund der erneuten Masseunzulänglichkeitsanzeige vom 27. Mai 2020 sei daher bereits das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers für die Zahlungsklage entfallen. 9 Die Anzeige vom 27. Mai 2020 sei vor dem Hintergrund der Kündigungsschutzurteile des Bundesarbeitsgerichts vom 13. Februar 2020 (- 6 AZR 146/19 – BAGE 169, 362 ua.) und vom 14. Mai 2020 (- 6 AZR 235/19 – BAGE 170, 244 ua.) auch erforderlich gewesen. Aufgrund dieser Entscheidungen sei für die Zeit nach der Masseunzulänglichkeitsanzeige vom 30. April 2019 unter Berücksichtigung mitgeteilter anderweitiger Verdienste sowie auf Dritte übergegangener Ansprüche von Annahmeverzugsansprüchen für die Monate Mai 2019 bis Mai 2020 iHv. 43.975.252,22 Euro auszugehen gewesen. Diesen Verbindlichkeiten hätte zum 31. Mai 2020 ein frei von Drittrechten vorhandenes Guthaben iHv. 30.437.391,12 Euro gegenübergestanden. 10 Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert. Es hat die Leistungsklage mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig zurückgewiesen und auf den erstmals in der Berufungsinstanz gestellten Hilfsantrag festgestellt, dass zugunsten des Klägers Differenzlohnansprüche in der von ihm geltend gemachten Höhe im Rang vor den bis zum 1. November 2017 begründeten Masseverbindlichkeiten bestehen. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. 11 Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein ursprüngliches Klageziel nach Maßgabe des Hauptantrags und des gestaffelten Hilfsantrags zu 2 a und b weiter. Der Beklagte erstrebt mit seiner Anschlussrevision die vollständige Zurückweisung der Berufung. Die Höhe des eingeklagten Annahmeverzugs ist in der Revisionsinstanz unstreitig geworden. Entscheidungsgründe 12 Revision und Anschlussrevision sind unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die streitbefangenen Ansprüche im Rang der Neumasseverbindlichkeit stehen, es innerhalb dieses Rangs nach Darlegung der Neumasseunzulänglichkeit durch den Insolvenzverwalter keine gesetzlich vorgesehenen weiteren Rangfolgen gibt und abweichende Ränge auch nicht im Wege der Analogie entwickelt werden können. Es hat weiter zutreffend erkannt, dass diese Ansprüche nicht im Wege der Leistungsklage durchgesetzt, sondern lediglich festgestellt werden können. 13 I. Die mit dem Hauptantrag verfolgte Leistungsklage ist unzulässig. Ihr fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. 14 1. Die mit der Leistungsklage verfolgten Ansprüche für die Zeit vom 1. September 2019 bis zum 31. Mai 2020 sind Neumasseverbindlichkeiten. Dem Beklagten ist es nicht gelungen, das Arbeitsverhältnis zum 30. April 2018, dem Zeitpunkt des (fiktiven) Ablaufs der Frist der erstmöglichen Kündigung nach der am 1. November 2017 erfolgten Anzeige der (drohenden) Masseunzulänglichkeit, zu beenden. Die nach diesem Zeitpunkt entstandenen streitbefangenen Annahmeverzugsansprüche gelten daher nach den Qualifikationsregeln des § 209 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 InsO als Neumasseverbindlichkeiten (BAG 22. Februar 2018 – 6 AZR 868/16 – Rn. 13 ff., BAGE 162, 58). Die Freistellung des Klägers ändert daran nichts (BAG 31. März 2004 – 10 AZR 253/03 – zu B III 1 c der Gründe, BAGE 110, 135). 15 2. Können Neumasseverbindlichkeiten, die nach § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO vor den Altmasseverbindlichkeiten iSv. § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO zu berichtigen sind, unter Berücksichtigung des in § 209 Abs. 1 Nr. 1 InsO geregelten Vorrangs der Kosten des Insolvenzverfahrens nicht vollständig befriedigt werden (Unterdeckung der Neumasse, künftig: Neumasseunzulänglichkeit; vgl. Thole ZIP 2018, 2241; Ganter NZI 2019, 7), findet das Vollstreckungsverbot des § 210 InsO keine unmittelbare Anwendung. Nach ständiger Rechtsprechung von Bundesarbeitsgericht (seit BAG 4. Juni 2003 – 10 AZR 586/02 – zu II 1 der Gründe; 31. März 2004 – 10 AZR 253/03 – zu B II 2 der Gründe, BAGE 110, 135; 15. Juni 2004 – 9 AZR 431/03 – zu I 2 der Gründe, BAGE 111, 80; zuletzt BAG 22. Februar 2018 – 6 AZR 868/16 – Rn. 10, BAGE 162, 58) und Bundesgerichtshof (seit BGH 3. April 2003 – IX ZR 101/02 – zu III 2 c bb der Gründe, BGHZ 154, 358; 29. April 2004 – IX ZR 141/03 – zu II 3 der Gründe; 13. April 2006 – IX ZR 22/05 – Rn. 18, BGHZ 167, 178; zum Kostenfestsetzungsverfahren: BGH 9. Oktober 2008 – IX ZB 129/07 – Rn. 6; 27. September 2007 – IX ZB 172/05 – Rn. 6) ist dieses Vollstreckungsverbot jedoch entsprechend anzuwenden, wenn der Insolvenzverwalter die Neumasseunzulänglichkeit hinreichend dargelegt hat. In diesem Fall fehlt dem Neumassegläubiger das Rechtsschutzbedürfnis zur Durchsetzung seiner Forderung. Er ist grundsätzlich auf eine Feststellungsklage zu verweisen. Nur so lässt sich eine mit dem das Insolvenzrecht beherrschenden Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gläubiger unvereinbare Bevorzugung „schnellerer“ Neumassegläubiger vermeiden (vgl. BGH 3. April 2003 – IX ZR 101/02 – aaO; aA Jaeger/Windel InsO 2. Aufl. § 208 Rn. 59 f.: Wahrung der Rangordnung der InsO mit der Erinnerung nach § 766 ZPO). An dieser ständigen Rechtsprechung hält der Senat fest. Es ist nicht Sinn und Aufgabe des Vollstreckungsverfahrens zu klären, in welcher Höhe ein gerichtlich ausgeurteilter Anspruch unter Beachtung des Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung tatsächlich durchsetzbar ist (vgl. Anders/Gehle/Vogt-Beheim ZPO 80. Aufl. § 766 Rn. 2 f.). 16 3. Nach diesen Grundsätzen hat das Landesarbeitsgericht die Leistungsklage zu Recht mangels Rechtsschutzbedürfnisses verworfen. 17 a) Der Beklagte hat am 1. November 2017 (drohende) Masseunzulänglichkeit angezeigt (§ 208 Abs. 1 InsO). Diese Anzeige hat Tatbestandswirkung (Jaeger/Windel InsO 2. Aufl. § 208 Rn. 36) und ist damit für alle am Verfahren Beteiligten einschließlich der Prozessgerichte bindend (st. Rspr. seit BAG 11. Dezember 2001 – 9 AZR 459/00 – zu II 4 b der Gründe; BGH 3. April 2003 – IX ZR 101/02 – zu II 1 der Gründe, BGHZ 154, 358). Ihre Rechtswirkungen treten bereits mit Eingang der Anzeige beim Insolvenzgericht ein, ohne dass es insoweit auf die – vorliegend unstreitig erfolgte – von § 208 Abs. 2 InsO geforderte öffentliche Bekanntmachung der Anzeige und deren förmliche Zustellung an die Massegläubiger ankommt, die nur deklaratorische Bedeutung haben (für die Bekanntmachung KPB/Pape InsO § 208 Stand März 2004 Rn. 8; BeckOK InsR/Ruland Stand 15. Januar 2022 InsO § 208 Rn. 6; Jaeger/Windel aaO § 208 Rn. 39; für die Zustellung BAG 31. März 2004 – 10 AZR 253/03 – zu B III 1 a der Gründe, BAGE 110, 135). 18 b) Der Kläger hat nicht bestritten, dass die Neumasse bereits im April 2019 unzulänglich geworden ist. Bereits deswegen ist die Leistungsklage unzulässig. Zudem rügt die Revision ohne Erfolg, dem Landesarbeitsgericht seien bei seiner Feststellung, der Beklagte habe bezogen auf den 27. Mai 2020 eine erneute Neumasseunzulänglichkeit hinreichend dargelegt, Verfahrensfehler unterlaufen. 19 aa) Beruft sich der Insolvenzverwalter im Erkenntnisverfahren gegenüber einem Neumassegläubiger auf eine eingetretene Neumasseunzulänglichkeit, muss er – anders als im Kostenfestsetzungsverfahren, in dem gemäß § 104 Abs. 2 ZPO eine Glaubhaftmachung genügt (vgl. BGH 9. Oktober 2008 – IX ZB 129/07 – Rn. 10) – diese im Prozess substantiiert darlegen und ggf. beweisen. Der Einwand muss grundsätzlich in den Tatsacheninstanzen erfolgen. Tritt die Neumasseunzulänglichkeit allerdings erst nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz ein, kann sie als Grund für den Entfall einer Prozessvoraussetzung auch noch in der Revisionsinstanz geltend gemacht und nachgewiesen werden. 20 bb) Die vorliegend erfolgte öffentliche Bekanntmachung des Eintritts der nach Auffassung des Verwalters bestehenden Unzulänglichkeit der Neumasse ersetzt den notwendigen Vortrag zur Darlegung der Neumasseunzulänglichkeit nicht. Für die Bindungswirkung einer solchen Bekanntmachung fehlt es an der erforderlichen gesetzlichen Anordnung. Im Hinblick auf die konzeptionell andere Ausgestaltung der Anzeige der Masseunzulänglichkeit nach § 208 Abs. 1 InsO (dazu Rn. 17) ist davon auszugehen, dass sich der Gesetzgeber bewusst gegen die Publizitätswirkung einer – ungeachtet der fehlenden gesetzlichen Grundlage erfolgten – Bekanntmachung der Neumasseunzulänglichkeit entschieden hat (vgl. MüKoInsO/Hefermehl 4. Aufl. § 208 Rn. 60; vgl. für § 60 KO: BAG 11. Dezember 2001 – 9 AZR 80/01 – zu I 5 b bb der Gründe; BGH 7. Juli 2005 – IX ZR 241/01 – zu II 2 a der Gründe). 21 cc) Für den Nachweis der Neumasseunzulänglichkeit reicht es regelmäßig aus, wenn der Insolvenzverwalter einen im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz noch zeitnahen Finanzstatus vorlegt, also eine Zusammenstellung, auf deren Grundlage das Prozessgericht beurteilen kann, ob tatsächlich Neumasseunzulänglichkeit vorliegt (vgl. BAG 11. Dezember 2001 – 9 AZR 80/01 – zu I 3 der Gründe [zu § 60 KO]; BGH 3. April 2003 – IX ZR 101/02 – zu III 2 c cc der Gründe, BGHZ 154, 358). Die Angabe des auf dem Insolvenzkonto befindlichen Betrags genügt ebenso wenig wie eine bloß pauschale Gegenüberstellung von Aktiva und Passiva ohne deren Bewertung (BGH 10. August 2000 – III ZB 27/00 -; MüKoInsO/Hefermehl 4. Aufl. § 208 Rn. 60, § 210 Rn. 22). Bestreitet der Prozessgegner die nach diesen Maßstäben dargelegte Neumasseunzulänglichkeit, hat der Tatrichter seine tatrichterliche Überzeugung vom Vorliegen der Neumasseunzulänglichkeit unter Heranziehung der Beweiserleichterungen der entsprechend anzuwendenden Bestimmung des § 287 Abs. 2 ZPO zu bilden (vgl. BGH 3. April 2003 – IX ZR 101/02 – aaO unter Verweis auf BGH 22. Februar 2001 – IX ZR 191/98 – zu II 1 b der Gründe, BGHZ 147, 28). 22 dd) Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zur hinreichenden Darlegung der im Mai 2020 eingetretenen (erneuten) Neumasseunzulänglichkeit durch den Beklagten lassen keinen Rechtsfehler erkennen. 23 (1) Die tatrichterliche Beurteilung, dass der Insolvenzverwalter die Neumasseunzulänglichkeit dargelegt hat, kann vom Revisionsgericht nur auf Rechtsfehler überprüft werden, also darauf, ob sich das Tatsachengericht mit dem Streitstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (vgl. allg. zur revisionsgerichtlichen Kontrolle von Beweiswürdigungen, die nach § 287 ZPO vorzunehmen sind, BGH 24. Juni 2008 – VI ZR 234/07 – Rn. 18; Stein/Jonas/Thole 23. Aufl. § 287 Rn. 55). 24 (2) Nach diesem Maßstab ist die Feststellung der im Mai 2020 bestehenden (erneuten) Neumasseunzulänglichkeit revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. 25 (a) Das Landesarbeitsgericht hat ua. angenommen, der Beklagte habe mit konkreten Angaben zur Liquidität und mit Forderungsaufstellungen nachvollziehbar dargelegt, dass es aufgrund seines Unterliegens in zahlreichen Kündigungsschutzverfahren im Abgleich mit dem frei von Drittrechten vorhandenem Insolvenzguthaben zu einer Unterdeckung von mehr als 13 Millionen Euro gekommen sei. 26 (b) Die dagegen erhobenen Revisionsrügen greifen nicht durch. 27 (aa) Die Rüge, es sei völlig unklar, auf welcher Grundlage der Beklagte die zur Darlegung der Unterdeckung eingesetzten Beträge ermittelt habe und sein Zahlenwerk sei insgesamt nicht überprüfbar, berücksichtigt nicht, dass auch der Geltendmachung einer Neumasseunzulänglichkeit durch den Insolvenzverwalter eine von ihm ständig fortzuschreibende Liquiditätsprognose zugrunde liegt (vgl. Pape in Mohrbutter/Ringstmeier Handbuch Insolvenzverwaltung 9. Aufl. Kapitel 12 Rn. 103). Dieser sind wie jeder Prognose Bewertungsschwierigkeiten und Schätzungsungenauigkeiten immanent und hinzunehmen (vgl. BGH 20. Juli 2017 – IX ZR 310/14 – Rn. 25 mwN). Von dieser Erkenntnis hat sich das Landesarbeitsgericht leiten lassen und die in den Tatsacheninstanzen vorgetragenen Tatsachen nachvollziehbar, vollständig und rechtlich möglich gewürdigt, ohne dabei Denkgesetze und Erfahrungssätze zu verletzen. Mit ihrer Rüge erstrebt die Revision letztlich eine nach dem Gesetz nicht zulässige Ersetzung der Ermessensentscheidung des Landesarbeitsgerichts durch eine eigene des Senats (Wieczorek/Schütze/Ahrens 4. Aufl. § 287 ZPO Rn. 67). 28 (bb) Soweit die Revision geltend macht, die überwiegende Zahl der gekündigten Beschäftigten habe eine Anschlussbeschäftigung gefunden und insoweit anrechenbares Einkommen erzielt, sodass es keine Forderungsanmeldungen in der vom Beklagten bei der Annahme der Neumasseunzulänglichkeit zugrunde gelegten Höhe gebe, handelt es sich um neuen Vortrag, mit dem kein Rechtsanwendungsfehler des Landesarbeitsgerichts gerügt werden kann. Dieses neue Vorbringen ist zudem nach § 72 Abs. 5 ArbGG, § 559 ZPO nicht zu berücksichtigen (BAG 19. November 2020 – 6 AZR 449/19 – Rn. 41 mwN; 24. Oktober 2019 – 2 AZR 101/18 – Rn. 16 mwN). 29 4. Da im Streitfall das Rechtsschutzbedürfnis für die Leistungsklage bereits aus den dargelegten Gründen fehlt, kann dahinstehen, ob den Beschlüssen des Insolvenzgerichts vom 30. April 2019 und vom 4. Juni 2020 über ein Verbot der Zwangsvollstreckung durch Massegläubiger wegen Neumasseverbindlichkeiten, die bis zu diesem Tag begründet wurden, eine Wirkung für das Rechtsschutzbedürfnis zukommt. 30 II. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei erkannt, dass die zulässige Feststellungsklage unbegründet ist, soweit der Kläger die Feststellung von Masseverbindlichkeiten im Rang vor den bis zum 27. Mai 2020 (Antrag zu 2 a) und weiter hilfsweise im Rang vor den bis zum 30. April 2019 begründeten Masseverbindlichkeiten (Antrag zu 2 b) begehrt, die Klage aber begründet ist, soweit der Kläger die Feststellung des Vorrangs der streitbefangenen Ansprüche aus Annahmeverzug vor den Altmasseverbindlichkeiten (Antrag zu 2 c) begehrt. 31 1. Durch die Anzeige der Masseunzulänglichkeit nach § 208 Abs. 1 InsO wird die Rangfolge der Massegläubiger abschließend neu nach § 209 InsO geordnet. Tritt eine Neumasseunzulänglichkeit ein, kommt es zu keiner neuen, von der des § 209 InsO abweichenden Verteilungsordnung. Vielmehr befinden sich nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit alle Neumassegläubiger in einer zwingenden Quotengemeinschaft. Können infolge der weiteren Entwicklung des Insolvenzverfahrens nicht alle Neumassegläubiger voll befriedigt werden, sind ihre Ansprüche quotal zu erfüllen. Das ist durch die ständige Rechtsprechung von Bundesarbeitsgericht (BAG 31. März 2004 – 10 AZR 253/03 – zu B II 2 a der Gründe [Stellt sich … heraus, dass die vorhandene Masse auch die Ansprüche nach § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO nicht mehr voll abdecken kann und auch nur für sie eine anteilige Erfüllung infrage kommt, …], BAGE 110, 135; 4. Juni 2003 – 10 AZR 586/02 – zu II 1 der Gründe) und Bundesgerichtshof (BGH 9. Oktober 2008 – IX ZB 129/07 – Rn. 7 [Neumasseverbindlichkeiten dürfen nicht allein durch eine spätere Anzeige zu Altmasseverbindlichkeiten zurückgestuft werden]; 13. April 2006 – IX ZR 22/05 – Rn. 17 [Dies läuft darauf hinaus, … Verbindlichkeiten, die nach der erneuten Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet worden sind, einen im Gesetz nicht vorgesehenen verbesserten Rang zu verschaffen], BGHZ 167, 178; 3. April 2003 – IX ZR 101/02 – zu III 2 c bb der Gründe [Reicht die verfügbare Insolvenzmasse nicht zur vollen Befriedigung aller Neumassegläubiger, greift innerhalb der durch § 209 InsO vorgegebenen Rangordnung … der Grundsatz der Gleichbehandlung], BGHZ 154, 358) geklärt (sh. die zutreffenden Zusammenfassungen der Rechtsprechung bei Ganter NZI 2019, 7, 8; ders. ZIP 2019, 97, 98; Thole ZIP 2018, 2241, 2244; MüKoInsO/Hefermehl 4. Aufl. § 208 Rn. 60). 32 2. An dieser bisher nicht näher begründeten Auffassung hält der Senat ungeachtet der im Schrifttum erhobenen Kritik (Ganter NZI 2019, 7) fest. 33 a) Die Bildung von Zwischenrängen, wie sie der Beklagte mit der von ihm erklärten „Neumasseunzulänglichkeitsanzeige“ vom 30. April 2019 und der „Neu-Neumasseunzulänglichkeitsanzeige“ vom 27. Mai 2020 vorgenommen hat, ist mit der gesetzlichen Rangordnung des § 209 InsO nicht vereinbar, weil diese Rangordnung abschließend ist. Eine Differenzierung in „Alt-Neumasseverbindlichkeiten“ und „Neu-Neumasseverbindlichkeiten“ bzw. die vom Beklagten vorgenommene Bildung weiterer Zwischenrangstufen infolge weiterer „Anzeigen“ der Neumasseunzulänglichkeit lässt sich auch nicht im Wege der analogen Anwendung der §§ 208 ff. InsO vornehmen. Die Voraussetzungen für eine solche richterliche Rechtsfortbildung liegen nicht vor. 34 aa) Bereits der Wortlaut der §§ 208 ff. InsO macht deutlich, dass die durch die Anzeige der Masseunzulänglichkeit eingetretene neue Rangfolge mit der Unterteilung in Alt- und Neumasseverbindlichkeiten abschließend ist und sich auch dann nach dem Willen des Gesetzgebers nicht mehr ändert, wenn es zu einer Neumasseunzulänglichkeit kommt. 35 § 209 Abs. 1 Einleitungssatz InsO legt fest, dass die Forderungen des jeweiligen Rangs in der von dieser Bestimmung vorgegebenen Reihenfolge vollständig zu erfüllen sind, bevor die Forderungen eines nachfolgenden Rangs beglichen werden dürfen. Reicht die für einen Rang vorhandene Masse nicht aus, sind die Masseverbindlichkeiten bei gleichem Rang „im Verhältnis ihrer Beträge“, also anteilig, zu berichtigen (BeckOK InsR/Ruland Stand 15. Januar 2022 InsO § 209 Rn. 1). Nach diesem unmissverständlichen Wortlaut sind innerhalb einer Rangklasse alle Forderungen gleichrangig und deshalb bei unzureichender Masse nur noch anteilig zu befriedigen (MüKoInsO/Hefermehl 4. Aufl. § 209 Rn. 13; Uhlenbruck/Ries 15. Aufl. § 209 InsO Rn. 10; für § 209 Abs. 1 Nr. 1 InsO BGH 7. Februar 2013 – IX ZB 245/11 – Rn. 29; für Altmassegläubiger BGH 3. April 2003 – IX ZR 101/02 – zu III 2 c bb der Gründe, BGHZ 154, 358). Im Ergebnis sind Forderungen einer Rangklasse anteilig zu kürzen, wenn die für diese Klasse zur Verfügung stehende Masse unzureichend ist (Nerlich/Römermann/Westphal InsO § 209 Stand November 2021 Rn. 4). Darum sind Neumasseverbindlichkeiten bei Eintritt einer Neumasseunzulänglichkeit nicht abhängig vom Zeitpunkt ihres Entstehens zu „Alt-Neumasseverbindlichkeiten“ herabzustufen bzw. als „Neu-Neumasseverbindlichkeiten“ zu privilegieren, sondern quotal zu erfüllen. 36 bb) Systematische Erwägungen bestätigen das wortlautgemäße Verständnis. 37 (1) Die Insolvenzordnung unterscheidet für die Zeit ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens verschiedene Gläubigergruppen mit sehr unterschiedlichen Rechtsstellungen. Für jede dieser Gläubigergruppen ist geregelt, nach welchen Maßgaben und in welchem Umfang die ihr zugehörigen Gläubiger die Befriedigung ihrer Forderungen verfolgen und ggf. durchsetzen können. Für Insolvenzgläubiger ist eine Rangfolge lediglich noch für nachrangige Insolvenzforderungen iSv. § 39 InsO vorgesehen. Die Gläubigerrangfolge der §§ 61 und 62 KO ist unter dem Gesichtspunkt der Verteilungsgerechtigkeit nicht übernommen worden (BT-Drs. 12/2443 S. 81; Gottwald/Haas/Pechartscheck Insolvenzrechts-Handbuch 6. Aufl. § 19 Rn. 1). Dagegen ist für Massegläubiger nach Eintritt einer Masseunzulänglichkeit in § 209 InsO ein im Einzelnen genau ausdifferenziertes Rangfolgesystem geregelt, nach dem die jeweiligen Forderungen zu berichtigen sind. Die Anzeige der Masseunzulänglichkeit führt danach zu einer Neuordnung der insolvenzrechtlichen Rangfolge der Masseverbindlichkeiten. Es kommt zu einer in Alt- und Neumasseverbindlichkeiten „gespaltenen“ neuen Rangordnung (BAG 22. Februar 2018 – 6 AZR 868/16 – Rn. 12, BAGE 162, 58). Eine abweichende Rangordnung nach Eintritt der Neumasseunzulänglichkeit ist in diesem ausdifferenzierten System nicht vorgesehen. 38 (2) Auch § 211 InsO spricht gegen die Möglichkeit, Zwischenränge zu bilden. Diese Regelung ergänzt die Vorschriften in §§ 208 ff. InsO. Sie verpflichtet den Verwalter, nach Abschluss des Insolvenzverfahrens die Erlöse an die Gläubiger nach Maßgabe des § 209 InsO und nicht nach einer anderen, selbstgesetzten Rangfolge zu verteilen. Erst nach Erfüllung dieser Verpflichtung darf das Verfahren vom Insolvenzgericht eingestellt werden (Nerlich/Römermann/Westphal InsO § 211 Stand November 2021 Rn. 3; MüKoInsO/Hefermehl 4. Aufl. § 211 Rn. 1). 39 (3) Aus dieser Systematik der Insolvenzordnung folgt nicht nur, dass der Gesetzgeber die Zahl der Rangklassen gering halten wollte (Thole ZIP 2018, 2241, 2244). Aus ihr folgt zugleich, dass es sich um ein abgeschlossenes Regelungssystem handelt (aA Runkel/Schnurbusch NZI 2000, 49) und dass nicht gesetzlich geregelte Rangänderungen ausgeschlossen sind (aus diesem Grund gegen die nur quotale Befriedigung von Urlaubsabgeltungsansprüchen als Masseverbindlichkeit unter Zurückstufung des Rests dieser Ansprüche zur Insolvenzforderung bzw. Altmasseverbindlichkeit BAG 10. September 2020 – 6 AZR 94/19 (A) – Rn. 56, BAGE 172, 158). Deshalb führt auch der Eintritt der Neumasseunzulänglichkeit nicht zu einer weiteren Veränderung der Rangfolge. 40 cc) Angesichts des den §§ 208 ff. InsO zu entnehmenden eindeutigen Willens des Gesetzgebers, mit diesen Bestimmungen abschließend festzulegen, welcher Rang Forderungen nach Eintritt der Masseunzulänglichkeit zukommen soll, ist es entgegen der Annahme des Beklagten den Gerichten verwehrt, diese Bestimmungen auf die Neumasseunzulänglichkeit analog anzuwenden, Zwischenränge zu schaffen und so in die vom Gesetzgeber geschaffene Rangordnung einzugreifen (aA Ganter NZI 2019, 7, 11 ff., 15). Damit würden sie sich unzulässig rechtsfortbildend über den Willen des Gesetzgebers hinwegsetzen, statt die eindeutige gesetzgeberische Entscheidung, dass auch nach Eintritt einer Neumasseunzulänglichkeit die Rangordnung des § 209 InsO weiter gilt, zu respektieren. 41 (1) Die Anwendung einer Vorschrift auf einen anderen Tatbestand im Wege der Einzel- bzw. Gesetzesanalogie (zu diesen Begrifflichkeiten Larenz Methodenlehre der Rechtswissenschaft 6. Aufl. S. 383) ist nur möglich, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält, deren Planwidrigkeit aufgrund konkreter Umstände positiv festgestellt werden kann. Andernfalls könnte jedes Schweigen des Gesetzgebers als planwidrige Lücke aufgefasst und im Wege der Analogie von den Gerichten ausgefüllt werden. Die Lücke muss sich demnach aus dem unbeabsichtigten Abweichen des Gesetzgebers von seinem, dem konkreten Gesetzgebungsverfahren zugrunde liegenden Regelungsplan ergeben. Darüber hinaus muss der gesetzlich ungeregelte Fall nach Maßgabe des Gleichheitssatzes und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen nach der gleichen Rechtsfolge verlangen wie die gesetzessprachlich erfassten Fälle (vgl. BAG 30. Oktober 2019 – 6 AZR 465/18 – Rn. 53, BAGE 168, 254; zuletzt BAG 10. November 2021 – 10 AZR 696/19 – Rn. 50). 42 (2) Diese Voraussetzungen liegen hier offenkundig nicht vor. 43 (a) Aus den unter Rn. 34 ff. dargelegten Gründen fehlt es bereits an der für eine Rechtsfortbildung durch Analogie erforderlichen planwidrigen Regelungslücke. 44 (b) Zudem führt jede Ausweitung der Rangordnung und jedes Mehr an Forderungen in vorgehenden Rangstellen zu einer Minderung der den nachrangigen Gläubigern verbleibenden Haftungsmasse. Das wäre auch bei der Bildung von Zwischenrängen der Fall. Die bisherigen Neumassegläubiger würden zu Alt-Neumassegläubigern, die zwar gegenüber den „genuinen“ Altmassegläubigern nach wie vor bevorzugt zu bedienen wären, aber gegenüber den nach dem Zeitpunkt des Eintritts der Neumasseunzulänglichkeit hinzukommenden Neu-Neumassegläubigern im Rang zurückträten (so ausdrücklich Ganter NZI 2019, 7, 12). Derartige Eingriffe in die gesetzlich festgelegte Rangfolge gehen zwangsläufig zulasten anderer Gläubiger und führen regelmäßig zu neuen Unstimmigkeiten bei der Insolvenzabwicklung. Wegen dieser Auswirkungen kann nur der Gesetzgeber selbst unter Abwägung und Ausgleich der betroffenen Interessen die Rangfolge von Forderungen in der Insolvenz festlegen oder ändern (Thole ZIP 2018, 2241, 2244; vgl. für die Einordnung von Abfindungen aus Sozialplänen in den Rang „0“ und damit vor § 61 Abs. 1 KO BVerfG 19. Oktober 1983 – 2 BvR 485/80 ua. – zu B II 2 b der Gründe, BVerfGE 65, 182). 45 (c) Unabhängig von Vorstehendem ließe sich schließlich auch nicht mit der erforderlichen Sicherheit festlegen, welche Rechtsfolgen der §§ 208 ff. InsO auf die Neumasseunzulänglichkeit zu übertragen wären. Das zeigt die im Schrifttum kontrovers geführte Diskussion, was die Folge eines Eintritts der Neumasseunzulänglichkeit ist. Neben der Bildung von Zwischenrängen (Ganter NZI 2019, 7; Dinstühler ZIP 1998, 1697; Kröpelin ZIP 2003, 2341) wird auch die Rückstufung der bisherigen Neugläubiger zu Altmassegläubigern iSv. § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO befürwortet (Uhlenbruck/Ries 15. Aufl. § 208 InsO Rn. 25). Teilweise wird auch vertreten, dem Verwalter müsse es durch die Schaffung einer haftungsrechtlichen Einrede ermöglicht werden, nur bestimmte Neumasseverbindlichkeiten voll zu bedienen und andere Neumassegläubiger auf die Quote zu verweisen (Thole ZIP 2018, 2241, 2246 ff.; dazu unter Rn. 52). 46 (d) Nach Vorstehendem kommt es nicht darauf an, ob die Bildung von Zwischenrängen tatsächlich „sinnvoll“ wäre, um die Neumasseunzulänglichkeit handhaben zu können (so Ganter NZI 2019, 7, 12) oder ob das lediglich zu einer intransparenten Verteilungsordnung führte (Thole ZIP 2018, 2241, 2244; Jaeger/Windel InsO 2. Aufl. § 208 Rn. 27). Selbst wenn eine Rechtsfortbildung „sinnvoll“ wäre, ist es im Hinblick auf das in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Rechtsstaatsprinzip der Rechtsprechung verwehrt, sich über den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers hinwegzusetzen und dessen Regelungsmodell durch ein eigenes zu ersetzen (vgl. BVerfG 25. Januar 2011 – 1 BvR 918/10 – Rn. 55 ff., BVerfGE 128, 193). 47 b) Auch die im Schrifttum (Nachweise bei Ganter ZIP 2019, 97 in Fn. 27) erörterte Rückstufung der bisherigen Neumassegläubiger zu Altmassegläubigern wäre aus den in Rn. 33 ff. dargelegten Gründen eine unzulässige Rechtsfortbildung. 48 3. Aus den vom Beklagten erstatteten „Neumasseunzulänglichkeitsanzeigen“ folgt nichts anderes. Der Senat ist nicht an die diesen „Anzeigen“ zugrunde liegende gesetzwidrige Rangordnung gebunden. Nach der Konzeption der Insolvenzordnung führt der Eintritt der Neumasseunzulänglichkeit nicht zu einer Neuordnung der gesetzlich festgelegten Rangfolge der Masseverbindlichkeiten. Einer „Neumasseunzulänglichkeitsanzeige“ bedarf es daher nicht. Wird sie gleichwohl erstattet, kommt ihr – anders als der Anzeige der Masseunzulänglichkeit nach § 208 InsO – keine bindende Wirkung zu. 49 a) Die rechtlichen Folgen einer „Neumasseunzulänglichkeitsanzeige“ hat die Rechtsprechung bisher offengelassen (BAG 4. Juni 2003 – 10 AZR 586/02 – zu II 1 der Gründe; BGH 9. Oktober 2008 – IX ZB 129/07 – Rn. 7 ff.; 13. April 2006 – IX ZR 22/05 – Rn. 21, BGHZ 167, 178; 3. April 2003 – IX ZR 101/02 – zu III 2 c bb der Gründe, BGHZ 154, 358). Entgegen der Annahme in Teilen des Schrifttums (Ganter NZI 2019, 7, 8; Thole ZIP 2018, 2241, 2243) hat das Bundesarbeitsgericht auch in der Entscheidung vom 31. März 2004 (- 10 AZR 253/03 – zu B II 2 a der Gründe, BAGE 110, 135) eine „Neumasseunzulänglichkeitsanzeige“ nicht als „reelle Alternative zur einzelfallbezogenen Einwendung im Prozess“ angesehen, sondern wie der Bundesgerichtshof in der vom Zehnten Senat des Bundesarbeitsgerichts herangezogenen Entscheidung vom 3. April 2003 (- IX ZR 101/02 – BGHZ 154, 358) die Wirkung einer solchen Anzeige gerade offenlassen wollen. Anhaltspunkte dafür, dass sich der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts vom uneingeschränkten Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, es könne – in der konkreten Situation – offenbleiben, ob eine Anzeige der Neumasseunzulänglichkeit mit bindender Wirkung zulässig sei, in der Entscheidung vom 4. Juni 2003 (- 10 AZR 586/02 – zu II 1 der Gründe) hat lösen wollen, fehlen. 50 b) Mit der Anzeige der Masseunzulänglichkeit nach § 208 Abs. 1 InsO werden die bis dahin einheitlich zu behandelnden Masseverbindlichkeiten in zwei unterschiedliche Ränge getrennt und von da an unterschiedlich befriedigt. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll und muss dieser Anzeige Bindungswirkung erga omnes und damit auch gegenüber dem Prozessgericht zukommen, weil für den Insolvenzverwalter keine verlässliche Grundlage für die Abwicklung der Insolvenzmasse bestünde, wenn die Masseunzulänglichkeit von jedem einzelnen Massegläubiger in Frage gestellt werden könnte. Die Anzeige könnte dann ihren gesetzlichen Zweck nicht erfüllen (vgl. BAG 11. Dezember 2001 – 9 AZR 459/00 – zu II 4 b der Gründe; BGH 3. April 2003 – IX ZR 101/02 – zu II 1 der Gründe, BGHZ 154, 358). Bindungswirkung hat die Anzeige nach § 208 InsO deshalb nur, damit der gesetzgeberische Wille, dadurch unterschiedliche Ränge zu bilden, effektiv umgesetzt werden kann. Die Anzeige nach § 208 Abs. 1 InsO und die Wirkungen des § 209 InsO sind demnach untrennbar miteinander verknüpft (vgl. BGH 13. April 2006 – IX ZR 22/05 – Rn. 17, BGHZ 167, 178; Thole ZIP 2018, 2241, 2243 f.; HK-InsO/Hölzle 10. Aufl. § 208 Rn. 4; Uhlenbruck/Ries 15. Aufl. § 208 InsO Rn. 2). 51 c) Der Gesetzgeber hat – wie in Rn. 34 ff. ausgeführt – dem Eintritt der Neumasseunzulänglichkeit im Unterschied zur Masseunzulänglichkeit keine rangändernden Folgen beigemessen. Neumasseverbindlichkeiten sind auch bei Vorliegen einer Neumasseunzulänglichkeit gleichmäßig und im selben Rang zu befriedigen. Damit bedarf es weder einer Anzeige der Neumasseunzulänglichkeit noch kann einer etwaig doch erfolgten und veröffentlichten „Anzeige“ Wirkung erga omnes zukommen (vgl. Jaeger/Windel InsO 2. Aufl. § 208 Rn. 28). Eine solche Wirkung lässt sich auch nicht im Wege der Analogie entwickeln (aA Ganter NZI 2019, 7, 12). Vielmehr ist die Konsequenz der gesetzlichen Grundentscheidung, eine Neuordnung der Rangfolge für Masseverbindlichkeiten nur einmal – nämlich als Folge der Anzeige der Masseunzulänglichkeit – anzuordnen, hinzunehmen. Eine rechtlich nicht erforderliche und darum gesetzlich nicht vorgesehene Anzeige kann keine rechtliche Wirkung, erst recht keine Bindungswirkung, entfalten (Thole ZIP 2018, 2241, 2243 f.). 52 4. Soweit im Schrifttum vertreten wird, die bestehende Rechtslage kollidiere mit der aus § 208 Abs. 3 InsO folgenden Verpflichtung des Insolvenzverwalters, die Masse auch nach Eintritt der Neumasseunzulänglichkeit weiter zu verwalten und zu verwerten, weil sich die dafür benötigten Neumassegläubiger auf eine lediglich quotale Befriedigung ihrer Forderungen nicht einlassen würden, berechtigt das die Rechtsprechung nicht zur Entwicklung einer „haftungsrechtlichen Einrede“ (aA Thole ZIP 2018, 2241, 2245 ff.; Jaeger/Windel InsO 2. Aufl. § 208 Rn. 56). Zwar würde eine solche Einrede es dem Insolvenzverwalter ermöglichen, ohne Haftungsrisiko bestimmte Neumasseverbindlichkeiten voll zu bedienen und andere – wie gesetzlich vorgesehen – nur noch quotal zu befriedigen. Für eine solche „Korrektur“ der Entscheidung des Gesetzgebers, alle Neumassegläubiger auch nach Eintritt einer Neumasseunzulänglichkeit weiterhin gleich zu behandeln, fehlt es jedoch an der dafür erforderlichen Rechtsgrundlage, die ihre Verfechter darum auch nicht aufzuzeigen vermögen. 53 Bei Anwendung und Auslegung des § 208 Abs. 3 InsO ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich die den Insolvenzverwalter danach treffenden Pflichten, die grundsätzlich auch beinhalten, bei der weiteren Verwertung die Verteilungsordnung des § 209 InsO allen Gläubigern gegenüber gleichermaßen umzusetzen (aA MüKoInsO/Hefermehl 4. Aufl. § 208 Rn. 60: Berechtigung, die Neumasseunzulänglichkeit selektiv einzuwenden), nicht abstrakt und für jedes Insolvenzverfahren einheitlich festlegen lassen. Diese Pflichten richten sich vielmehr nach der jeweiligen Marktsituation und Lage der Masse (vgl. Jaeger/Windel InsO 2. Aufl. § 209 Rn. 19). Darum ist der Insolvenzverwalter nach Eintritt einer Neumasseunzulänglichkeit nicht verpflichtet, die Masse um jeden Preis weiter zu verwalten und zu verwerten. Im Gegenteil überformt der Insolvenzeintritt nach dem Willen des Gesetzgebers Marktgesetze nicht und soll nicht den Wettbewerb zwischen gesunden und insolventen Unternehmen verzerren. Ist nach Einschätzung des Insolvenzverwalters der Liquidationswert höher als der Fortführungswert, hat er als Teil der dem Insolvenzrecht zukommenden Ordnungsaufgabe das insolvente Unternehmen zu liquidieren (BT-Drs. 12/2443 S. 75 f.). Letztlich geht es nach Eintritt der Neumasseunzulänglichkeit nur noch um eine geordnete Abwicklung (vgl. bereits für die Masseunzulänglichkeit BGH 4. Juli 2002 – IX ZR 97/99 – zu II 5 b der Gründe, BGHZ 151, 236). § 208 Abs. 3 InsO vermag deshalb eine verzögerte Abwicklung nicht zu decken (KPB/Pape InsO § 208 Stand März 2004 Rn. 20). Abhängig von den Umständen des Einzelfalls kann sich deshalb die Pflicht aus § 208 Abs. 3 InsO auf eine selektive Notverwertung beschränken, also auf die Pflicht, das Insolvenzverfahren schnellstmöglich zur Einstellung zu bringen (vgl. Jaeger/Windel aaO § 208 Rn. 72 f.; zu einer derartigen Begrenzung des § 208 Abs. 3 InsO bereits bei Eintritt von Masseunzulänglichkeit MüKoInsO/Hefermehl § 208 Rn. 46). Bei komplexen Verfahren wie dem vorliegenden ist dem Insolvenzverwalter allerdings zuzugestehen, dass allein die Abwicklung erhebliche Zeit in Anspruch nimmt und auch das Eingehen neuer Verbindlichkeiten erforderlich machen kann, etwa für die Verteidigung in Kündigungsschutzverfahren oder für die Heranziehung von Dritten zur Erfüllung steuerrechtlicher oder anderer öffentlich-rechtlicher Pflichten (vgl. Thole ZIP 2018, 2241, 2248 f.). 54 5. Die bestehende Rechtslage ist entgegen der Annahme der Revision verfassungskonform. 55 a) Die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Die vom Kläger vermisste gesetzliche Grundlage für einen Eingriff in den Schutzbereich dieses Grundrechts, von dem auch schuldrechtliche Forderungen erfasst werden (vgl. BVerfG 7. Dezember 2004 – 1 BvR 1804/03 – zu B II 1 a der Gründe, BVerfGE 112, 93), findet sich in §§ 208 f. InsO. Mit diesen Bestimmungen ist gesetzlich festgelegt, dass und wie Neumasseverbindlichkeiten bei Eintritt einer Neumasseunzulänglichkeit zu befriedigen sind. Ohnehin ist das Insolvenzverfahren seinerseits Teil der Gewährleistung des Eigentums durch Art. 14 Abs. 1 GG (BAG 27. Februar 2014 – 6 AZR 367/13 – Rn. 24 mwN). 56 b) Die Rüge einer Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG bezieht sich auf eine „weitere Rückstufung“ der Neumasseverbindlichkeiten, zu der es nach der geltenden Rechtslage bei Eintritt der Neumasseunzulänglichkeit gerade nicht kommt. Soweit die Rüge dahin zu verstehen sein sollte, dass der absolute Vorrang der Kosten nach § 209 Abs. 1 Nr. 1 InsO eine nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG in Einklang stehende Bevorzugung des Insolvenzverwalters darstelle, berücksichtigt die Revision nicht, dass der Rangvortritt der Kosten des Verwalters verfassungsrechtlich geboten ist (vgl. BGH 5. Dezember 1991 – IX ZR 275/90 – zu II 2 a der Gründe, BGHZ 116, 233). 57 c) Schließlich sind entgegen der Auffassung der Revision auch die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung (Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 3 GG) nicht dadurch überschritten, dass in entsprechender Anwendung des § 210 InsO Neumasseverbindlichkeiten nach Eintritt der Neumasseunzulänglichkeit nicht mehr mit der Leistungsklage verfolgt werden können. Mit dieser Rechtsfortbildung hat sich die höchstrichterliche Rechtsprechung an dem in § 1 Satz 1 InsO verankerten Grundsatz der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung orientiert (BT-Drs. 12/2443 S. 108) und die der Insolvenzordnung zugrunde liegende gesetzgeberische Wertung, einen konkurrierenden Wettlauf der Gläubiger zu vermeiden (vgl. zu diesem übergeordneten Ziel der Insolvenzordnung BT-Drs. 12/2443 S. 139; BGH 19. Juli 2007 – IX ZB 36/07 – Rn. 12, BGHZ 173, 286; 9. September 1997 – IX ZR 14/97 – zu II 1 a der Gründe, BGHZ 136, 309), auf den gesetzlich nicht geregelten Fall der Neumasseunzulänglichkeit übertragen. 58 III. Soweit das Landesarbeitsgericht im Tenor des Berufungsurteils mit 144.249,11 Euro brutto eine um 10,00 Euro zu niedrige Neumasseverbindlichkeit festgestellt hat, handelt es sich offensichtlich um einen jederzeit auch noch vom Rechtsmittelgericht (vgl. BAG 6. September 2018 – 6 AZR 204/17 – Rn. 20 mwN) von Amts wegen zu berichtigenden Tenorierungsfehler (§ 319 ZPO). Ausweislich des Protokolls der mündlichen Berufungsverhandlung vom 26. November 2020 hat der Kläger die Anträge aus dem Schriftsatz vom 3. September 2020 gestellt und damit die Feststellung von Differenzlohnansprüchen iHv. 144.259,11 Euro brutto abzüglich der erhaltenen Lohnersatzleistungen begehrt. In diesem Umfang hat das Landesarbeitsgericht ausweislich seiner Berechnungsdarlegung unter A II 2 c cc der Urteilsgründe auch über den Streitgegenstand entschieden und der Klage entsprochen. 59 IV. Wegen der Erfolglosigkeit der Revision und der Anschlussrevision sind die Kosten des Revisionsverfahrens gemäß § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO verhältnismäßig zu teilen.              Spelge                  Krumbiegel                  Wemheuer                                    C. Klar                  M. Werner" bag_35-22,13.09.2022,"13.09.2022 35/22 - Einführung elektronischer Zeiterfassung - Initiativrecht des Betriebsrats Der Arbeitgeber ist nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann. Aufgrund dieser gesetzlichen Pflicht kann der Betriebsrat die Einführung eines Systems der (elektronischen) Arbeitszeiterfassung im Betrieb nicht mithilfe der Einigungsstelle erzwingen. Ein entsprechendes Mitbestimmungsrecht nach § 87 BetrVG besteht nur, wenn und soweit die betriebliche Angelegenheit nicht schon gesetzlich geregelt ist. Der antragstellende Betriebsrat und die Arbeitgeberinnen, die eine vollstationäre Wohneinrichtung als gemeinsamen Betrieb unterhalten, schlossen im Jahr 2018 eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit. Zeitgleich verhandelten sie über eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeiterfassung. Eine Einigung hierüber kam nicht zustande. Auf Antrag des Betriebsrats setzte das Arbeitsgericht eine Einigungsstelle zum Thema „Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Einführung und Anwendung einer elektronischen Zeiterfassung“ ein. Nachdem die Arbeitgeberinnen deren Zuständigkeit gerügt hatten, leitete der Betriebsrat dieses Beschlussverfahren ein. Er hat die Feststellung begehrt, dass ihm ein Initiativrecht zur Einführung eines elektronischen Zeiterfassungssystems zusteht. Das Landesarbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats stattgegeben. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberinnen hatte vor dem Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG in sozialen Angelegenheiten nur mitzubestimmen, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht. Bei unionsrechtskonformer Auslegung von § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG* ist der Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet, die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer zu erfassen. Dies schließt ein – ggfs. mithilfe der Einigungsstelle durchsetzbares – Initiativrecht des Betriebsrats zur Einführung eines Systems der Arbeitszeiterfassung aus. Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 13. September 2022 – 1 ABR 22/21 – Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm, Beschluss vom 27. Juli 2021 – 7 TaBV 79/20 – *§ 3 ArbSchG lautet auszugsweise: § 3 Grundpflichten des Arbeitgebers (1) 1Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. 2Er hat die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls sich ändernden Gegebenheiten anzupassen. … (2) Zur Planung und Durchführung der Maßnahmen nach Absatz 1 hat der Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Art der Tätigkeiten und der Zahl der Beschäftigten 1. für eine geeignete Organisation zu sorgen und die erforderlichen Mittel bereitzustellen …","Tenor Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberinnen wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 27. Juli 2021 – 7 TaBV 79/20 – aufgehoben. Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Minden vom 15. September 2020 – 2 BV 8/20 – wird zurückgewiesen. Leitsatz 1. Arbeitgeber sind nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer zu erfassen, für die der Gesetzgeber nicht auf der Grundlage von Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG (juris: EGRL 88/2003) eine von den Vorgaben in Art. 3, 5 und 6 Buchst. b dieser Richtlinie abweichende Regelung getroffen hat. 2. Dem Betriebsrat steht kein – über einen Einigungsstellenspruch durchsetzbares – Initiativrecht zur Einführung eines elektronischen Systems zu, mit dem die tägliche Arbeitszeit solcher Arbeitnehmer erfasst werden soll. Entscheidungsgründe 1 A. Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Betriebsrat ein Initiativrecht zur Einführung eines elektronischen Systems zur Arbeitszeiterfassung zusteht. 2 Die Arbeitgeberinnen betreiben eine vollstationäre Wohneinrichtung als gemeinsamen Betrieb. Dort ist der antragstellende Betriebsrat gebildet. 3 Die Betriebsparteien schlossen im Jahr 2018 eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit („BV Clinic Planner“). Zeitgleich verhandelten sie über eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeiterfassung. Eine Einigung hierüber kam nicht zustande. Ende Mai 2018 entschieden die Arbeitgeberinnen, kein elektronisches Zeiterfassungssystem im Betrieb einzuführen. 4 Auf Antrag des Betriebsrats setzte das Arbeitsgericht eine Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand „Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Einführung und Anwendung einer elektronischen Zeiterfassung“ ein. Die Arbeitgeberinnen rügten deren Zuständigkeit. 5 In dem daraufhin vom Betriebsrat eingeleiteten – vorliegenden – Beschlussverfahren hat er die Auffassung vertreten, ihm stehe ein Initiativrecht zur Einführung eines elektronischen Systems zur Arbeitszeiterfassung zu. Die Verwendung eines solchen Systems liege im Interesse der Arbeitnehmer, insbesondere diene es dem Gesundheitsschutz. 6 Der Betriebsrat hat beantragt          festzustellen, dass er hinsichtlich der initiativen Einführung einer elektronischen Zeiterfassung im Betrieb G ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hat. 7 Die Arbeitgeberinnen haben beantragt, den Antrag abzuweisen. 8 Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihm auf die Beschwerde des Betriebsrats stattgegeben. Mit ihrer Rechtsbeschwerde begehren die Arbeitgeberinnen, die erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen. 9 B. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberinnen hat Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat der Beschwerde des Betriebsrats gegen die antragsabweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts zu Unrecht stattgegeben. Der zulässige Feststellungsantrag ist unbegründet. Dem Betriebsrat steht das begehrte Initiativrecht nicht zu. 10 I. Der Antrag ist zulässig. 11 1. Er ist allerdings auslegungsbedürftig. 12 Sowohl der Wortlaut des Antrags („initiative Einführung“) als auch die hierzu gegebene Begründung zeigen, dass der Betriebsrat nicht die Feststellung begehrt, ihm stehe ein Mitbestimmungsrecht bei einer von den Arbeitgeberinnen geplanten Nutzung eines elektronischen Systems zur Erfassung der gesamten Arbeitszeit der Arbeitnehmer zu. Vielmehr möchte der Betriebsrat gerichtlich geklärt haben, dass er ein – notfalls über einen Spruch der Einigungsstelle durchsetzbares und damit gegen den Willen der Arbeitgeberinnen erzwingbares – Initiativrecht zur Einführung und Verwendung eines solchen Systems im Betrieb hat. Wie der Antrag erkennen lässt, soll sich das Initiativrecht nicht lediglich auf die Ausgestaltung – das „Wie“ – einer Arbeitszeiterfassung („elektronisch“), sondern auch darauf beziehen, dass sämtliche Arbeitszeiten der Arbeitnehmer des Betriebs – also Beginn und Ende ihrer täglichen Arbeitszeit einschließlich der Überstunden – systematisch erfasst werden. Unerheblich ist, dass der Antrag nach seiner sprachlichen Fassung auf „ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG“ abstellt. Der Antragsteller kann nicht bindend vorgeben, auf der Grundlage welcher Rechtsnormen ein Antragsbegehren zu prüfen ist. Die verschiedenen Mitbestimmungstatbestände, die als rechtliche Grundlage für die erstrebte Maßnahme in Betracht kommen, führen nicht zu unterschiedlichen Verfahrensgegenständen und damit nicht zu einer objektiven Antragshäufung. Der Einschränkung des Begehrens auf eine bestimmte Rechtsgrundlage und damit eine vom Gericht zu gebende rechtliche Begründung kommt daher keine Bedeutung zu (vgl. BAG 11. Dezember 2018 – 1 ABR 13/17 – Rn. 30 mwN). 13 2. Der so verstandene Antrag ist zulässig. 14 a) Er ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Maßnahme, deren Durchführung der Betriebsrat aufgrund eines Initiativrechts begehrt, ist im Antrag beschrieben. Der Begriff der „elektronischen Zeiterfassung“ meint zum einen ein System, mit dem die gesamte Arbeitszeit der Arbeitnehmer erfasst werden soll. Zum anderen soll die Erfassung dieser Zeiten auf elektronischem Weg erfolgen. Deshalb genügt eine bloße Speicherung manuell eingegebener Daten nicht. 15 b) Der Betriebsrat hat nach § 256 Abs. 1 ZPO ein rechtliches Interesse an der erstrebten Feststellung. Die Arbeitgeberinnen stellen das von ihm reklamierte Initiativrecht in Abrede. 16 II. Der Antrag ist unbegründet. Dem vom Betriebsrat geltend gemachten Initiativrecht steht § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG entgegen. 17 1. Nach § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG besteht kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, soweit die betreffende Angelegenheit gesetzlich geregelt ist. Das beruht auf der Erwägung, dass der Mitbestimmungszweck nicht erreicht werden kann, wenn und soweit eine den Arbeitgeber bindende und abschließende gesetzliche Vorschrift existiert. Wird der Mitbestimmungsgegenstand durch eine solche Norm inhaltlich und abschließend geregelt, besteht für die Betriebsparteien keine Ausgestaltungsmöglichkeit. Verbleibt dem Arbeitgeber dagegen trotz bestehender normativer Regelung ein Gestaltungsspielraum, ist ein darauf bezogenes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats eröffnet (BAG 22. Juli 2014 – 1 ABR 96/12 – Rn. 14 mwN, BAGE 148, 341). 18 2. Der Gesetzesvorbehalt des § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG gilt auch, soweit die in § 87 Abs. 1 BetrVG aufgeführten Mitbestimmungstatbestände dem Betriebsrat ein Initiativrecht zur Einführung oder Regelung einer betrieblichen Angelegenheit gewähren. Wenn – und soweit – für den Arbeitgeber eine bindende gesetzliche Verpflichtung zur Vornahme einer bestimmten betrieblichen Maßnahme besteht, ist kein Raum mehr für ein darauf gerichtetes Initiativrecht des Betriebsrats. 19 3. Danach steht dem Betriebsrat das reklamierte Initiativrecht nicht zu. Die Arbeitgeberinnen sind schon kraft Gesetzes verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem Beginn und Ende und damit die Dauer der Arbeitszeiten einschließlich der Überstunden in ihrem gemeinsamen Betrieb erfasst werden. Deshalb kann sich ein Initiativrecht des Betriebsrats – wie hier vom Antragsteller erstrebt – nicht auf die Einführung – das „Ob“ – einer darauf bezogenen Zeiterfassung richten. 20 a) Eine entsprechende Verpflichtung der Arbeitgeberinnen ergibt sich allerdings nicht schon unmittelbar aus Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC). Zwar gehören zu den gesetzlichen Regelungen iSd. § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG alle zwingenden Rechtsnormen und damit auch unionsrechtliche Bestimmungen, soweit ihnen eine unmittelbare Wirkung zukommt (vgl. für nach Art. 288 Abs. 2 Satz 2 AEUV verbindlich und unmittelbar geltende Verordnungen der Europäischen Union BAG 7. Februar 2012 – 1 ABR 63/10 – Rn. 23 ff., BAGE 140, 343). Art. 31 Abs. 2 GRC begründet jedoch für Arbeitgeber keine unmittelbar geltende Pflicht zur Einführung eines Systems, mit dem Beginn und Ende und damit die Dauer der Arbeitszeiten einschließlich der Überstunden im Betrieb erfasst werden. 21 aa) Nach Art. 3 und 5 der Richtlinie 2003/88/EG (Arbeitszeitrichtlinie) müssen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, damit jedem Arbeitnehmer innerhalb eines 24-Stunden-Zeitraums eine Mindestruhezeit von elf zusammenhängenden Stunden und innerhalb eines Siebentagezeitraums eine kontinuierliche Mindestruhezeit von 24 Stunden zuzüglich einer täglichen Ruhezeit von elf Stunden gewährt wird. Darüber hinaus verpflichtet Art. 6 Buchst. b der Richtlinie 2003/88/EG die Mitgliedstaaten, für die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit eine – die Überstunden einschließende – Obergrenze von 48 Stunden vorzusehen. 22 (1) Diese Bestimmungen konkretisieren das in Art. 31 Abs. 2 GRC verbürgte Grundrecht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit und auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten und sind daher in dessen Licht auszulegen (EuGH 9. März 2021 – C-344/19 – [Radiotelevizija Slovenija (Rufbereitschaft an einem abgelegenen Ort)] Rn. 27 mwN; 9. März 2021 – C-580/19 – [Stadt Offenbach am Main (Rufbereitschaft eines Feuerwehrmanns)] Rn. 28; vgl. auch EuGH 17. März 2021 – C-585/19 – [Academia de Studii Economice din Bucureşti] Rn. 36 f.). Damit die Richtlinie ihre volle Wirksamkeit entfalten kann, gehört nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu den erforderlichen Maßnahmen auch die Verpflichtung der Arbeitgeber, zum Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann (EuGH 14. Mai 2019 – C-55/18 – [CCOO] Rn. 38 ff., 60 ff.). 23 (2) Das geforderte System darf sich – trotz des vom Gerichtshof verwendeten Begriffs der „Messung“ – dabei nicht darauf beschränken, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit (einschließlich der Überstunden) lediglich zu „erheben“. Diese Daten müssen vielmehr auch erfasst und damit aufgezeichnet werden (aA H. Hanau ZFA 2020, 129, 133). Anderenfalls wären weder die Lage der täglichen Arbeitszeit noch die Einhaltung der täglichen und der wöchentlichen Höchstarbeitszeiten innerhalb des Bezugszeitraums überprüfbar (vgl. EuGH 14. Mai 2019 – C-55/18 – [CCOO] Rn. 47, 49). Auch eine Kontrolle durch die zuständigen Behörden wäre sonst nicht gewährleistet (vgl. EuGH 14. Mai 2019 – C-55/18 – [CCOO] Rn. 57). Die Pflicht zur Einführung beschränkt sich zudem nicht darauf, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmern ein solches System zur freigestellten Nutzung zur Verfügung stellt (aA wohl Thüsing/Flink/Jänsch ZFA 2019, 456, 468 ff.). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs muss er hiervon auch tatsächlich Gebrauch machen (vgl. EuGH 14. Mai 2019 – C-55/18 – [CCOO] Rn. 50) und es damit verwenden (ebenso Bayreuther NZA 2020, 1, 7; Rieble/Vielmeier Gutachten zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom 14. Mai 2019 [C-55/18] in das deutsche Arbeitszeitrecht Rn. 35 ff.). 24 bb) Danach begründet Art. 31 Abs. 2 GRC keine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung. Der Norm kommt insoweit keine Direktwirkung zu (ebenso Fink SAE 2021, 68, 72; Bayreuther NZA 2020, 1, 3; ders. EuZW 2019, 446, 447; Thüsing DB 2020, 1343, 1344 f.; Giesen DB 2020, Nr. 20 M18 f.; Boemke jurisPR-ArbR 24/2020 Anm. 4; Fuhlrott NZA-RR 2020, 279; Fuhlrott/Garden ArbRAktuell 2019, 263, 264; Methfessel/Weck DB 2020, 1346, 1347; Wiesenecker BB 2020, 564, 566; Reinhard NZA 2019, 1313, 1314; Höpfner/Daum RdA 2019, 270, 275; Sittard/Esser jM 2019, 284, 286 f.; Baeck/Winzer/Launer NZG 2019, 858, 859; aA Riegel RdA 2021, 152, 154; Heuschmid NJW 2019, 1853, 1854; Klein/Leist ZESAR 2019, 365, 366; wohl auch Ulber NZA 2019, 677, 680; Brors NZA 2019, 1176, 1179). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs verbürgt Art. 31 Abs. 2 GRC zwar – neben dem Recht auf bezahlten Jahresurlaub – ausdrücklich auch das Recht jedes Arbeitnehmers auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit sowie auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten (EuGH 17. März 2021 – C-585/19 – [Academia de Studii Economice din Bucureşti] Rn. 36 mwN; 9. März 2021 – C-344/19 – [Radiotelevizija Slovenija (Rufbereitschaft an einem abgelegenen Ort)] Rn. 27; 6. November 2018 – C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften] Rn. 20). Die Pflicht von Arbeitgebern, ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzuführen, mit dem die von jedem Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann, leitet der Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 14. Mai 2019 (- C-55/18 – [CCOO]) jedoch nicht unmittelbar aus den grundrechtlichen Gewährleistungen des Art. 31 Abs. 2 GRC ab. Vielmehr legt er lediglich die Vorgaben der Richtlinie 2003/88/EG – insbesondere deren Art. 3, 5 und 6 – in dessen Licht aus (EuGH 14. Mai 2019 – C-55/18 – [CCOO] Rn. 30 f.). Auch in der Entscheidungsformel beschränkt er sich auf die Auslegung der Richtlinie 2003/88/EG sowie der Richtlinie 89/391/EWG (Arbeitsschutzrahmenrichtlinie). Diese Beschränkung nimmt der Gerichtshof vor, obwohl die maßgebliche Vorlagefrage auch auf die Auslegung von Art. 31 Abs. 2 GRC gerichtet war und der Generalanwalt insoweit eine unmittelbare Anwendung von Art. 31 Abs. 2 GRC in Betracht gezogen hatte (vgl. die Schlussanträge des Generalanwalts Pitruzzella vom 31. Januar 2019 – C-55/18 – [CCOO] Rn. 93 ff.). 25 b) Auch § 16 Abs. 2 Satz 1 ArbZG lässt sich keine gesetzliche Verpflichtung der Arbeitgeberinnen entnehmen, die gesamten Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten im Betrieb zu erfassen. 26 aa) Die Vorschrift sieht lediglich vor, dass der Arbeitgeber die „über“ die werktägliche Arbeitszeit nach § 3 Satz 1 ArbZG „hinausgehende“ Arbeitszeit der Arbeitnehmer aufzeichnen muss. Damit verlangt sie schon nach ihrem Wortlaut keine mit einer Aufzeichnung einhergehende Erfassung sämtlicher Arbeitszeiten der Arbeitnehmer. 27 bb) Eine dahingehende unionsrechtskonforme Auslegung dieser Norm scheidet aus. 28 (1) Um die praktische Wirksamkeit der in einer Richtlinie vorgegebenen Rechte zu gewährleisten und der sich aus Art. 288 Abs. 3 AEUV ergebenden Verpflichtung nachzukommen, sind die Gerichte gehalten, die nationalen Rechtsnormen im Rahmen der anerkannten Methoden im Licht der Richtlinie auszulegen. Dabei müssen sie sämtliche nationalen Rechtsnormen berücksichtigen und die im nationalen Recht anerkannten Auslegungsmethoden anwenden, um ihre Auslegung so weit wie möglich am Wortlaut und Zweck der fraglichen Richtlinie auszurichten (vgl. etwa EuGH 28. April 2022 – C-44/21 – [Phoenix Contact] Rn. 49; 19. April 2016 – C-441/14 – [DI] Rn. 31 mwN). 29 (2) Den Ausführungen des Gerichtshofs in dem Urteil vom 14. Mai 2019 (- C-55/18 – [CCOO] Rn. 63), wonach die Mitgliedstaaten über einen Spielraum bei der Festlegung der konkreten Modalitäten zur Umsetzung eines Arbeitszeiterfassungssystems verfügen, lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen. Der Gerichtshof hat auch in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die sich aus einer Richtlinie ergebende Verpflichtung der Mitgliedstaaten, das in der Richtlinie vorgesehene Ziel zu erreichen, und ihre Pflicht nach Art. 4 Abs. 3 EUV, alle zur Erfüllung dieser Verpflichtung geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zu treffen, allen Trägern öffentlicher Gewalt der Mitgliedstaaten und damit im Rahmen ihrer Zuständigkeiten auch den Gerichten obliegen (EuGH 14. Mai 2019 – C-55/18 – [CCOO] Rn. 68 f.). Soweit die sich aus den Richtlinien 2003/88/EG und 89/391/EWG ergebenden Vorgaben Spielräume bei der Ausgestaltung eines Systems zur Arbeitszeiterfassung für das nationale Recht eröffnen, sind diese daher (lediglich) bei dessen richtlinienkonformer Auslegung durch die nationalen Gerichte zu beachten. 30 (3) Gleichwohl findet die Pflicht eines Gerichts, diejenige Auslegung des nationalen Rechts zu wählen, die dem Inhalt der Richtlinie in der vom Gerichtshof vorgenommenen Auslegung entspricht, ihre Grenzen an dem nach der innerstaatlichen Rechtsordnung methodisch Erlaubten (BVerfG 17. November 2017 – 2 BvR 1131/16 – Rn. 37). Die Verpflichtung zur Verwirklichung eines Richtlinienziels darf nicht als Grundlage für eine Auslegung des nationalen Rechts „contra legem“ dienen (EuGH 12. Mai 2022 – C-426/20 – [Luso Temp] Rn. 57; 15. Januar 2014 – C-176/12 – [Association de médiation sociale] Rn. 39; BAG 19. Mai 2022 – 2 AZR 424/21 – Rn. 17 mwN). 31 (4) In Anwendung dieser Maßstäbe lässt sich § 16 Abs. 2 Satz 1 ArbZG – ungeachtet der Frage, ob das öffentliche Arbeitszeitrecht überhaupt einer unionsrechtskonformen Interpretation zugänglich ist (insoweit kritisch Bayreuther NZA 2020, 1, 2 f.) – nicht dahin auslegen, dass sämtliche Arbeitszeiten der Arbeitnehmer aufgezeichnet werden müssten (ebenso Bayreuther NZA aaO; Thüsing/Flink/Jänsch ZFA 2019, 456, 484; Baeck/Winzer/Launer NZG 2019, 858, 859; Höpfner/Daum RdA 2019, 270, 276 f.; Riegel RdA 2021, 152, 153 f.; Sittard/Esser jM 2019, 284, 286; aA Oberthür MDR 2019, 1029, 1030; H. Hanau BT-Ausschussdrs. 19(11)752 S. 73, 81). 32 (a) Einem solchen Verständnis steht schon der eindeutige Gesetzeswortlaut entgegen. 33 (b) Systematik und Regelungszusammenhang belegen den beschränkten Umfang der in § 16 Abs. 2 Satz 1 ArbZG normierten Aufzeichnungspflicht. 34 (aa) Nach § 21a Abs. 7 Satz 1 ArbZG ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Arbeitszeit der Arbeitnehmer im Straßentransport aufzuzeichnen. Diese Vorschrift im Abschnitt „Sonderregelungen“ wäre nicht erforderlich gewesen, wenn davon auszugehen wäre, dass schon § 16 Abs. 2 Satz 1 ArbZG eine derart umfassende Pflicht zur Aufzeichnung von Arbeitszeiten begründen sollte. 35 (bb) Vor allem § 8 Offshore-ArbZV und § 10 Abs. 1 BinSchArbZV verdeutlichen das. Nach diesen Bestimmungen hat der Arbeitgeber „abweichend von § 16 Absatz 2 [Satz 1] des Arbeitszeitgesetzes“ die gesamte Arbeitszeit aufzuzeichnen. Die dortigen Formulierungen belegen, dass § 16 Abs. 2 Satz 1 ArbZG gerade keine Pflicht zur Dokumentation der gesamten Arbeitszeit enthält. 36 (cc) Ein Vergleich mit anderen gesetzlichen Regelungen zur Arbeitszeitaufzeichnung unterstreicht die begrenzte Aufzeichnungspflicht nach § 16 Abs. 2 Satz 1 ArbZG ebenfalls. So sehen § 6 Abs. 1 GSA Fleisch, § 17 Abs. 1 MiLoG, § 19 Abs. 1 AEntG und § 17c Abs. 1 AÜG ausdrücklich vor, dass Arbeitgeber und Entleiher Beginn und Ende sowie Dauer der täglichen Arbeitszeit aufzuzeichnen haben. Anders als § 16 Abs. 2 Satz 1 ArbZG erfassen diese Normen nicht nur einen Teil der von den betreffenden (Leih-)Arbeitnehmern geleisteten Arbeitszeiten. 37 (c) Es ist auch nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber § 16 Abs. 2 Satz 1 ArbZG nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 14. Mai 2019 (- C-55/18 – [CCOO]) eine weitergehende Reichweite hätte beimessen wollen. Während er mit Blick auf diese Entscheidung § 6 GSA Fleisch mit Wirkung zum 1. Januar 2021 um eine Pflicht zur elektronischen und manipulationssicheren Aufzeichnung der Arbeitszeiten ergänzt hat (sh. BT-Drs. 19/22772 S. 7), wurde § 16 Abs. 2 Satz 1 ArbZG nicht angepasst. 38 cc) Eine analoge Anwendung von § 16 Abs. 2 Satz 1 ArbZG auf Zeiten, die vom Gesetzeswortlaut nicht erfasst sind, ist ebenfalls nicht möglich. 39 (1) Eine Analogie setzt voraus, dass eine vom Gesetzgeber unbeabsichtigt gelassene Lücke besteht und diese Planwidrigkeit aufgrund konkreter Umstände positiv festgestellt werden kann. Anderenfalls könnte jedes Schweigen des Gesetzgebers – also der Normalfall eines nicht geregelten Sachverhalts – als planwidrige Lücke aufgefasst und sie durch eine Analogie von den Gerichten ausgefüllt werden (BAG 17. Dezember 2019 – 1 ABR 35/18 – Rn. 41 mwN, BAGE 169, 149). 40 (2) Eine solche planwidrige Regelungslücke ist nicht gegeben. Das zeigt die Gesetzeshistorie. Im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens hatte der Bundesrat in seiner Stellungnahme vorgeschlagen, die Worte „über die werktägliche Arbeitszeit des § 3 Satz 1 hinausgehende“ in § 16 Abs. 2 Satz 1 ArbZG zu streichen. Zur Begründung verwies er darauf, dass eine effiziente Kontrolle durch die staatlichen Gewerbeaufsichtsämter nur bei einer vollständigen Aufzeichnung der Arbeitszeit möglich sei. Ein zusätzlicher Aufwand für den Arbeitgeber entstehe dadurch nicht, weil in der Regel eine Aufzeichnung für die Lohnabrechnung und aus anderen Gründen ohnehin erfolge (BT-Drs. 12/5888 S. 37, 45). Der Vorschlag, den die Bundesregierung „im weiteren Gesetzgebungsverfahren prüfen“ wollte (vgl. BT-Drs. 12/5888 S. 50, 54), wurde später nicht aufgegriffen. Dies lässt erkennen, dass die Aufzeichnungspflicht der Arbeitgeber nach § 16 Abs. 2 Satz 1 ArbZG bewusst nur auf die über die werktägliche Arbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit beschränkt werden sollte. 41 c) Eine Pflicht zur Erfassung sämtlicher Arbeitszeiten kann auch nicht aus § 17 Abs. 4 ArbZG abgeleitet werden (aA Thüsing/Flink/Jänsch ZFA 2019, 456, 480 ff.). Die Norm ermächtigt lediglich die Aufsichtsbehörden, die Erteilung bestimmter Informationen für die Durchführung des Arbeitszeitgesetzes und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen vom Arbeitgeber zu verlangen. Damit begründet sie allenfalls Auskunftspflichten. Zudem kann der Arbeitgeber das behördliche Auskunftsbegehren nach § 17 Abs. 4 Satz 2 ArbZG in der zum 1. Januar 2021 in Kraft getretenen Fassung auch dadurch erfüllen, dass er „Geschäftsunterlagen“ vorlegt, die nur „mittelbar“ Auskunft über die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes geben. Ausweislich der Gesetzesmaterialien genügen dafür auch „Stundenlohn-Abrechnungen“ (vgl. BT-Drs. 19/25141 S. 33). Dies zeigt, dass der Norm keine – auch keine indirekte – Verpflichtung zur Erfassung sämtlicher Arbeitszeiten entnommen werden kann. 42 d) Die Pflicht der Arbeitgeberinnen, ein System einzuführen, mit dem sämtliche Arbeitszeiten im Gemeinschaftsbetrieb erfasst werden, folgt jedoch aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG. 43 aa) Nach dieser Rahmenvorschrift (vgl. auch BAG 18. März 2014 – 1 ABR 73/12 – Rn. 23, BAGE 147, 306) hat der Arbeitgeber zur Planung und Durchführung der Maßnahmen nach § 3 Abs. 1 ArbSchG unter Berücksichtigung der Art der Tätigkeiten und der Zahl der Beschäftigten für eine „geeignete Organisation“ zu sorgen und die „erforderlichen Mittel“ bereitzustellen. Bei unionsrechtskonformem Verständnis beinhaltet die gesetzliche Regelung auch die – grundsätzliche – Verpflichtung der Arbeitgeberinnen, ein System zur Erfassung der von ihren Arbeitnehmern geleisteten täglichen Arbeitszeit einzuführen, das Beginn und Ende und damit die Dauer der Arbeitszeit einschließlich der Überstunden umfasst. 44 (1) Der Wortlaut von § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG steht einer solchen Auslegung nicht entgegen. 45 (a) Die – gesetzessprachlich weit gefasste – Verpflichtung des Arbeitgebers, für eine „geeignete Organisation“ zu sorgen und die „erforderlichen Mittel“ hierfür bereitzustellen, kann auch die Einführung und Verwendung eines Systems zur Erfassung der Arbeitszeiten der Arbeitnehmer umfassen. Die in der Norm verwendeten Begrifflichkeiten bieten ausreichende Möglichkeiten, um bei ihrer jeweiligen Anwendung im Einzelfall dem nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs bestehenden Spielraum der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der konkreten Modalitäten eines Arbeitszeiterfassungssystems Rechnung zu tragen. 46 (b) Es ist auch nicht methodisch ausgeschlossen anzunehmen, dass die Nutzung eines solchen Systems – wie vom Wortlaut des § 3 Abs. 2 ArbSchG gefordert – „zur Planung und Durchführung der Maßnahmen nach Absatz 1“ erfolgt. Nach der sprachlichen Fassung der Norm sollen die in Nr. 1 angesprochene Organisation und die hierfür notwendigen Mittel zwar mit den Maßnahmen des Arbeitgebers verknüpft sein, die er auf der Grundlage der Generalklausel des § 3 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG zum Zweck des Arbeitsschutzes treffen muss oder bereits getroffen hat (zum Inhalt dieser Norm etwa BAG 7. Dezember 2021 – 1 ABR 25/20 – Rn. 30 mwN; 28. März 2017 – 1 ABR 25/15 – Rn. 22, BAGE 159, 12). Aufgrund des lediglich unspezifischen und generalisierten Bezugs auf mögliche Arbeitsschutzmaßnahmen verschließt sich diese Formulierung jedoch nicht einer Auslegung dahin, dass auch solche organisatorischen Maßnahmen von Nr. 1 der Norm erfasst werden, die im Allgemeinen „zur Durchführung“ des Arbeitsschutzes geeignet sind. Einem solchen Schutz dient ein System, mit dem die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer erfasst werden. Damit wird sichergestellt, dass die – den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer bezweckenden – Regelungen über die Höchstarbeitszeit und die Ruhezeiten eingehalten werden. 47 (2) Ausschlaggebend für ein solches Verständnis von § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG ist der in den Gesetzesmaterialien ausgedrückte Wille des Gesetzgebers. Danach sollte mit dieser nationalen Vorschrift Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 89/391/EWG umgesetzt werden (vgl. BT-Drs. 13/3540 S. 16). Die Norm sieht ua. vor, dass der Arbeitgeber die für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer erforderlichen Maßnahmen einschließlich der Bereitstellung einer geeigneten Organisation und der erforderlichen Mittel trifft. Da sich § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG – dem Umsetzungswillen des Gesetzgebersentsprechend – sprachlich weitgehend an Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 89/391/EWG orientiert, soll ihm nach den Vorstellungen des Gesetzgebers derselbe Bedeutungsgehalt wie der unionsrechtlichen Vorgabe zukommen. Sie beinhaltet nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs auch die Verpflichtung eines Arbeitgebers zur Einrichtung eines objektiven, verlässlichen und zugänglichen Systems für die Erfassung sämtlicher Arbeitszeiten (EuGH 14. Mai 2019 – C-55/18 – [CCOO] Rn. 62). Der Gerichtshof hat diese Auslegung nicht lediglich auf Art. 3 und 5 sowie Art. 6 Buchst. b der Richtlinie 2003/88/EG iVm. Art. 31 Abs. 2 GRC gestützt. Er hat die Verpflichtung zur Einführung und Verwendung eines entsprechenden Arbeitszeiterfassungssystems im Betrieb vielmehr auch aus der in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 89/391/EWG verankerten allgemeinen arbeitsschutzrechtlichen Organisationspflicht des Arbeitgebers abgeleitet. 48 (3) Gesetzessystematische Erwägungen zwingen nicht zu der Annahme, dass eine solche unionsrechtskonforme Auslegung von § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG „contra legem“ wäre. 49 (a) Der Umstand, dass die inhaltlichen Vorgaben zur Arbeitszeit im Arbeitszeitgesetz geregelt sind, lässt nicht den Schluss zu, dass sich eine Pflicht des Arbeitgebers zur systematischen Erfassung sämtlicher Arbeitszeiten nicht aus dem Arbeitsschutzgesetz ergeben könnte. Der Aspekt der Arbeitszeit, der einen nicht unbedeutenden Bestandteil des Arbeits- und Gesundheitsschutzes der Beschäftigten darstellt, ist aus dem Anwendungsbereich des Arbeitsschutzgesetzes (§ 1 ArbSchG) nicht ausgenommen. § 1 Abs. 3 Satz 1 ArbSchG stellt lediglich klar, dass die sich aus dem Arbeitsschutzgesetz ergebenden Verpflichtungen des Arbeitgebers seine durch andere Rechtsvorschriften begründeten Pflichten unberührt lassen. Gerade § 5 Abs. 3 Nr. 4 ArbSchG zeigt, dass auch die Arbeitszeit als unmittelbarer Gefährdungsfaktor zum Regelungsgegenstand des Arbeitsschutzgesetzes gehört. 50 (b) Auch unionsrechtlich ist vorgegeben, dass das Arbeitszeit- und das Arbeitsschutzgesetz bei arbeitszeitrechtlichen Fragestellungen nebeneinander gelten. Die den beiden Gesetzen zugrunde liegenden Richtlinien 2003/88/EG und 89/391/EWG schließen einander nicht aus. Nach dem dritten Erwägungsgrund der (Arbeitszeit-)Richtlinie 2003/88/EG bleiben die Bestimmungen der (Arbeitsschutzrahmen-)Richtlinie 89/391/EWG auf die in der (Arbeitszeit-)Richtlinie 2003/88/EG geregelte Materie der Arbeitszeit – unbeschadet darin enthaltener strengerer und/oder spezifischer Vorschriften – in vollem Umfang anwendbar. Damit findet die (Arbeitsschutzrahmen-)Richtlinie 89/391/EWG auch auf die Einhaltung der Mindestruhezeiten und der wöchentlichen Höchstarbeitszeit Anwendung (vgl. EuGH 14. Mai 2019 – C-55/18 – [CCOO] Rn. 61). 51 (c) Aus § 16 Abs. 2 Satz 1 ArbZG, der nur eine in seinem Umfang begrenzte Aufzeichnungspflicht für Arbeitszeiten vorsieht, lassen sich ebenfalls keine hinreichenden Anhaltspunkte ableiten, die einer unionsrechtskonformen Auslegung des § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG entgegenstünden. 52 (aa) Das Arbeitszeitgesetz trat zum 1. Juli 1994 und damit nur wenige Monate nach der ersten Arbeitszeitrichtlinie – der Richtlinie 93/104/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung vom 23. November 1993 – in Kraft. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens im Oktober 1993 ging der nationale Gesetzgeber davon aus, dass sich die Konzeptionen beider Normwerke entsprächen (vgl. BT-Drs. 12/5888 S. 20). Das lässt erkennen, dass er nicht beabsichtigte, eine von den Vorgaben der – nur kurze Zeit später in Kraft tretenden – Arbeitszeitrichtlinie abweichende Regelung zu treffen. Die Modifikation der ersten Arbeitszeitrichtlinie durch die Richtlinie 2000/34/EG und die Ablösung der geänderten Richtlinie durch die Richtlinie 2003/88/EG in der Folgezeit haben daran nichts geändert. Bereits die Richtlinie 93/104/EG enthielt in ihren Art. 3 und 5 Vorgaben für die tägliche und wöchentliche Ruhezeit, die mit denen der Richtlinie 2003/88/EG wortlautidentisch waren. Der Umstand, dass der Gesetzgeber bis zum Ablauf der Umsetzungsfrist der ersten Arbeitszeitrichtlinie am 23. November 1996 die damals ausschließlich eine begrenzte Aufzeichnungspflicht normierende Bestimmung des § 16 Abs. 2 Satz 1 ArbZG nicht veränderte, spricht dafür, dass er (lediglich) annahm, die nationale Bestimmung stehe im Einklang mit den unionsrechtlichen Vorgaben. 53 (bb) Den Gesetzesmaterialien zu § 16 Abs. 2 Satz 1 ArbZG und seiner Entstehungsgeschichte lässt sich ebenfalls kein klar erkennbarer Wille des Gesetzgebers entnehmen, der bei einem entsprechenden unionsrechtskonformen Verständnis des § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG übergangen oder verfälscht würde (vgl. zu dieser für die richterliche Rechtsfortbildung geltenden Grenze BVerfG 6. Juni 2018 – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 – Rn. 75, BVerfGE 149, 126). Soweit in der Begründung des Gesetzentwurfs vom 13. Oktober 1993 durch die Bundesregierung ausgeführt wird, mit der Beschränkung der Nachweispflicht auf die „über die werktägliche Arbeitszeit des § 3 Satz 1 hinausgehende[n] Arbeitszeiten“ werde unnötiger Aufwand vermieden (BT-Drs. 12/5888 S. 31), handelt es sich lediglich um eine konstatierende Bemerkung. Aus dem Umstand, dass die Bundesregierung danach – trotz gegenteiligen Vorschlags des Bundesrats – an dieser Begrenzung der arbeitgeberseitigen Aufzeichnungspflicht in § 16 Abs. 2 Satz 1 ArbZG festhielt, kann angesichts der damals grundsätzlichen Annahme des Gesetzgebers, in Übereinstimmung mit der ersten Arbeitszeitrichtlinie zu handeln, nicht sein unzweifelhafter Wille abgeleitet werden, § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG – durch den er erklärtermaßen und uneingeschränkt die unionsrechtlichen Vorgaben des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 89/391/EWG umsetzen wollte – nicht im Sinn dieser Vorgaben verstehen zu dürfen. 54 (d) Gleiches gilt für die nach Inkrafttreten des § 3 ArbSchG zum 21. August 1996 erlassenen Bestimmungen in § 6 Abs. 1 GSA Fleisch, § 17 Abs. 1 MiLoG, § 19 Abs. 1 AEntG und § 17c Abs. 1 AÜG. Soweit diese Vorschriften für spezifische Situationen eine den Beginn und das Ende sowie die Dauer der täglichen Arbeitszeit erfassende Aufzeichnungspflicht anordnen, lässt das nicht zwingend den Umkehrschluss zu, der Gesetzgeber habe für die Norm des § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG die Grundentscheidung getroffen, sie könne – anders als von ihm hierzu ausdrücklich verlautbart – nicht im Sinn einer nach den Vorgaben des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 89/381/EWG für alle Arbeitnehmer erforderlichen Arbeitszeiterfassung verstanden werden. 55 bb) Die sich danach aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG ergebende Verpflichtung der Arbeitgeberinnen, ein System einzuführen und zu verwenden, mit dem Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeiten einschließlich der Überstunden erfasst werden, bezieht sich – wie für die Mitbestimmung nach § 87 BetrVG allein erheblich – auch auf alle in ihrem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer iSd. § 5 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. 56 (1) Die Pflicht eines Arbeitgebers zur Erfassung der Arbeitszeiten betrifft diejenigen Arbeitnehmer, für die der nationale Gesetzgeber nicht auf der Grundlage von Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG von den Vorgaben der Art. 3, 5 und 6 Buchst. b dieser Richtlinie abgewichen ist. Der Gerichtshof hat angenommen, die Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung gelte „unbeschadet von Art. 17 Abs. 1“ dieser Richtlinie (vgl. EuGH 14. Mai 2019 – C-55/18 – [CCOO] Rn. 63). Dies bedeutet, dass sich die Arbeitszeiterfassung nicht auf Arbeitnehmer erstrecken muss, für die ein Mitgliedstaat Ausnahmen vorgesehen hat, weil die Dauer ihrer Arbeitszeit wegen besonderer Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht bemessen und/oder vorherbestimmt ist oder von den Arbeitnehmern selbst bestimmt werden kann. 57 (2) Diese Ausnahmen sind hier nicht gegeben. Die in den §§ 18 bis 21 ArbZG vorgesehenen Bestimmungen sind nicht einschlägig. Aus diesem Grund ist es auch nicht entscheidungserheblich, inwieweit diese Vorschriften den unionsrechtlichen Anforderungen entsprechen. Weitere – nach Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG grundsätzlich mögliche – Sonderregelungen für Arbeitnehmer hat der Gesetzgeber (bislang) nicht getroffen. 58 III. Der Antrag des Betriebsrats bleibt auch erfolglos, soweit er – als Minus zu seinem weitergehenden hauptsächlichen Begehren – die Feststellung eines Initiativrechts nach § 87 Abs. 1 BetrVG lediglich in Bezug auf die Ausgestaltung der Arbeitszeiterfassung im gemeinsamen Betrieb der beiden Arbeitgeberinnen begehrt. 59 1. Entsprechend dem Gebot der rechtsschutzgewährenden Antragsauslegung (vgl. dazu BAG 28. Juli 2020 – 1 ABR 41/18 – Rn. 11, BAGE 171, 340; 22. Oktober 2019 – 1 ABR 17/18 – Rn. 15) ist das Begehren des Betriebsrats dahin zu verstehen, dass er (hilfsweise) zumindest gerichtlich festgestellt wissen will, ihm stehe für die Ausgestaltung eines bei den Arbeitgeberinnen zu verwendenden Systems zur Arbeitszeiterfassung – dh. ausschließlich beim „Wie“ – ein Initiativrecht zu. Wie Antragswortlaut und -begründung zeigen, soll sich das vom Betriebsrat erstrebte Initiativrecht inhaltlich nur auf die Ausgestaltung durch ein elektronisches Zeiterfassungssystem richten. 60 2. Auch dieses Begehren bleibt jedoch ohne Erfolg. Zwar steht dem Betriebsrat – vorbehaltlich ggf. anderweitiger künftiger Regelungen durch den Gesetzgeber – für die Ausgestaltung des im Betrieb der Arbeitgeberinnen zu verwendenden Systems zur Erfassung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG iVm. § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG ein Initiativrecht zu (vgl. etwa für die Ausgestaltung des Klärungsprozesses nach § 84 Abs. 2 SGB IX aF [jetzt § 167 Abs. 2 SGB IX] BAG 22. März 2016 – 1 ABR 14/14 – Rn. 12, BAGE 154, 329). Wegen des Charakters von § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG als arbeitsschutzrechtliche Rahmenvorschrift und der in diesem Zusammenhang bei ihrer Ausfüllung zu beachtenden unionsrechtlichen Vorgaben kann der Betriebsrat sein Initiativrecht allerdings nicht auf eine Zeiterfassung in elektronischer Form beschränken. 61 a) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG hat der Betriebsrat bei betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz mitzubestimmen, die der Arbeitgeber aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Rahmenvorschrift zu treffen hat, bei deren Gestaltung ihm aber Handlungsspielräume verbleiben. Das Mitbestimmungsrecht setzt ein, wenn eine gesetzliche Handlungspflicht objektiv besteht und wegen Fehlens einer zwingenden gesetzlichen Vorgabe betriebliche Regelungen verlangt, um das vom Gesetz vorgegebene Ziel des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu erreichen (BAG 19. November 2019 – 1 ABR 22/18 – Rn. 28 mwN, BAGE 168, 323). 62 b) Diese Voraussetzungen sind (zurzeit) erfüllt. 63 aa) Die Arbeitgeberinnen sind nach der Rahmenvorschrift des § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG (vgl. dazu BAG 18. März 2014 – 1 ABR 73/12 – Rn. 23, BAGE 147, 306) verpflichtet, ein System einzurichten, mit dem Beginn und Ende und damit die Dauer der Arbeitszeiten einschließlich der Überstunden der Arbeitnehmer in ihrem gemeinsamen Betrieb erfasst werden. Damit besteht für sie eine objektive gesetzliche Handlungspflicht. 64 bb) Deren Ausgestaltung lässt Raum für eine Mitbestimmung des Betriebsrats. 65 (1) Nach den Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union ist zum Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer ein „objektives, verlässliches und zugängliches“ System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann (EuGH 14. Mai 2019 – C-55/18 – [CCOO] Rn. 38 ff., 60 ff.). Dabei besteht – solange vom Gesetzgeber (noch) keine konkretisierenden Regelungen getroffen wurden – ein Spielraum, in dessen Rahmen ua. die „Form“ dieses Systems festzulegen ist (EuGH 14. Mai 2019 – C-55/18 – [CCOO] Rn. 63). Bei ihrer Auswahl sind vor allem die Besonderheiten der jeweils betroffenen Tätigkeitsbereiche der Arbeitnehmer und die Eigenheiten des Unternehmens – insbesondere seine Größe – zu berücksichtigen. Wie der Verweis des Gerichtshofs auf die Schlussanträge des Generalanwalts erkennen lässt (EuGH 14. Mai 2019 – C-55/18 – [CCOO] Rn. 63; Schlussanträge des Generalanwalts Pitruzzella vom 31. Januar 2019 – C-55/18 – [CCOO] Rn. 87), muss die Arbeitszeiterfassung nicht ausnahmslos und zwingend elektronisch erfolgen. Vielmehr können beispielsweise – je nach Tätigkeit und Unternehmen – Aufzeichnungen in Papierform genügen. Zudem ist es, auch wenn die Einrichtung und das Vorhalten eines solchen Systems dem Arbeitgeber obliegt, nach den unionsrechtlichen Maßgaben nicht ausgeschlossen, die Aufzeichnung der betreffenden Zeiten als solche an die Arbeitnehmer zu delegieren (vgl. auch Bayreuther NZA 2020, 1, 6 f.; ders. Rechtsgutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales in Nachfolge des EuGH-Urteils vom 14. Mai 2019 [C-55/18] S. 38 ff.; Rieble/Vielmeier Gutachten zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom 14. Mai 2019 [C-55/18] in das deutsche Arbeitszeitrecht Rn. 26 ff., 66 ff.; Thüsing/Flink/Jänsch ZFA 2019, 456, 471 ff.; Höpfner/Daum RdA 2019, 270, 277 f.; Schrader NZA 2019, 1035, 1037). Bei der Auswahl und der näheren Ausgestaltung des jeweiligen Arbeitszeiterfassungssystems ist jedoch zu beachten, dass die Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer bei der Arbeit Zielsetzungen darstellen, die keinen rein wirtschaftlichen Überlegungen untergeordnet werden dürfen (vierter Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/88/EG; EuGH 14. Mai 2019 – C-55/18 – [CCOO] Rn. 66 mwN). 66 (2) Solange (und soweit) der Gesetzgeber den ihm zustehenden Spielraum bei der Ausgestaltung der unionsrechtlichen Arbeitszeiterfassungspflicht (vgl. auch Bayreuther NZA 2020, 1, 3; Baeck/Winzer/Launer NZG 2019, 858, 859 f.) nicht ausgeübt hat, können die Betriebsparteien und – im Fall ihrer fehlenden Einigung – die Einigungsstelle nach Maßgabe des § 87 Abs. 2 BetrVG entsprechende Regelungen treffen. Ihnen kommt insbesondere ein Gestaltungsspielraum dahingehend zu, in welcher Art und Weise – ggf. differenziert nach der Art der von den Arbeitnehmern ausgeübten Tätigkeiten – die Erfassung von Beginn und Ende der Arbeitszeit im Betrieb zu erfolgen hat. 67 c) Da sich die aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG folgende Pflicht der Arbeitgeberinnen, ein System zur Erfassung von Beginn und Ende der Arbeitszeit im Gemeinschaftsbetrieb zu etablieren, nicht zwingend auf eine Zeiterfassung in elektronischer Form bezieht, kann sich auch das dem Betriebsrat bei der Ausgestaltung eines solchen Zeiterfassungssystems zustehende Initiativrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG nicht lediglich hierauf beschränken. Das geben Inhalt und Zweck dieses Mitbestimmungstatbestands vor. 68 aa) § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG regelt die mitzubestimmende Angelegenheit in gegenständlicher Hinsicht nicht unmittelbar selbst, sondern knüpft an das Vorhandensein einer ausfüllungsbedürftigen – dem Arbeitsschutz der Arbeitnehmer dienenden – Vorschrift an. Eine solche Rahmenvorschrift zeichnet sich dadurch aus, dass sie zwar Maßnahmen zur Gewährleistung des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer erfordert, sie aber nicht selbst im Einzelnen benennt, sondern dem Arbeitgeber lediglich ein zu erreichendes Schutzziel vorgibt (vgl. BAG 18. März 2014 – 1 ABR 73/12 – Rn. 18, BAGE 147, 306). Nach der gesetzlichen Konzeption besteht ein Mitbestimmungsrecht, wenn den Arbeitgeber eine sich aus der Rahmenvorschrift ergebende Handlungspflicht trifft. Anknüpfungspunkt für die Beteiligung des Betriebsrats bildet dann der für den Arbeitgeber bestehende Spielraum bei der Umsetzung bzw. der Erfüllung seiner gesetzlichen Handlungspflicht. Gerade weil zwingende gesetzliche Vorgaben fehlen, muss eine „Regelung“ auf betrieblicher Ebene erfolgen, um den von der ausfüllungsbedürftigen Vorschrift beabsichtigten Arbeits- und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer zu erreichen (vgl. BAG 28. März 2017 – 1 ABR 25/15 – Rn. 18, BAGE 159, 12; 11. Februar 2014 – 1 ABR 72/12 – Rn. 14). Zweck des in § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG vorgesehenen Mitbestimmungsrechts ist es, im Interesse der betroffenen Beschäftigten durch die gleichberechtigte Mitsprache des Betriebsrats bei der Ausfüllung vorhandener Handlungsspielräume des Arbeitgebers bei betrieblichen Maßnahmen eine möglichst effiziente Umsetzung des gesetzlichen Arbeitsschutzes im Betrieb zu gewährleisten (BAG 30. September 2014 – 1 ABR 106/12 – Rn. 13 mwN). 69 bb) Dieses Ziel kann nicht erreicht werden, wenn der Gegenstand der zu regelnden Angelegenheit entgegen den Vorgaben der jeweiligen Rahmenvorschrift zu eng gefasst wird. Der Regelungsgegenstand eines vom Betriebsrat reklamierten Initiativrechts muss – für den Fall, dass die Betriebsparteien hierüber keine Einigung erzielen – auch den Gegenstand einer nach § 76 Abs. 2 Satz 2 und 3 BetrVG iVm. § 100 ArbGG errichteten Einigungsstelle bilden können. Wird der Regelungsauftrag einer solchen Einigungsstelle zu weitgehend beschränkt, besteht die Gefahr, dass sie die dem Arbeitgeber obliegende Handlungspflicht inhaltlich nicht ausgestalten kann, weil ihr durch die Begrenzung des Regelungsauftrags der gesetzlich vorgesehene Gestaltungsspielraum – teilweise – genommen wird. Dies hätte zur Folge, dass eine effiziente Umsetzung des gesetzlichen Arbeitsschutzes im Betrieb nicht gewährleistet wäre. Aus diesem Grund muss der Regelungsauftrag einer Einigungsstelle zur Ausgestaltung einer arbeitsschutzrechtlichen Handlungspflicht des Arbeitgebers – und damit auch der Inhalt des dem Betriebsrat insoweit zustehenden Initiativrechts – dem jeweiligen Inhalt der Verpflichtung und dem in diesem Zusammenhang bestehenden Gestaltungsspielraum entsprechen. 70 cc) Diese Vorgaben sind hier nicht gewahrt. Eine Beschränkung der zu regelnden betrieblichen Angelegenheit auf eine bestimmte Form der Zeiterfassung („elektronisch“) für alle Arbeitnehmer hätte zur Folge, dass eine mit einem entsprechenden Regelungsauftrag ausgestattete Einigungsstelle nur über diese Form der Arbeitszeiterfassung im Betrieb befinden könnte. Da eine solche Art der Ausgestaltung unionsrechtlich jedoch nicht zwingend vorgegeben ist, bestünde die Gefahr, dass die Einigungsstelle ggf. keinen (umfassenden) inhaltlichen Spruch über die Ausgestaltung der den beiden Arbeitgeberinnen obliegenden Pflicht zur Verwendung eines Arbeitszeiterfassungssystems für alle Arbeitnehmer ihres Gemeinschaftsbetriebs treffen könnte. Damit könnte sie entgegen den Vorgaben des § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG die regelungspflichtige Angelegenheit nicht oder zumindest nicht abschließend ausgestalten. 71 d) Schon wegen dieser mitbestimmungsrechtlichen Besonderheiten kann der Betriebsrat sein – hilfsweise geltend gemachtes – Initiativrecht auf (bloße) Ausgestaltung der den Arbeitgeberinnen zum Zweck des Arbeitsschutzes obliegenden Verpflichtung aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG zur (ausschließlichen) Erfassung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer auch nicht auf § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG stützen. 72 IV. Der Senat muss kein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 Abs. 3 AEUV an den Gerichtshof der Europäischen Union richten. Das Verfahren wirft mit Blick auf die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung keine entscheidungserhebliche unionsrechtliche Rechtsfrage auf, die nicht bereits durch die Entscheidung des Gerichtshofs vom 14. Mai 2019 (- C-55/18 – [CCOO]) hinreichend geklärt wäre. Auch in Bezug auf die inhaltliche Ausgestaltung des Mitbestimmungsverfahrens bedarf es keiner Vorlage. Art. 11 der Richtlinie 89/391/EWG verweist insoweit auf die nationalen Rechtsvorschriften, ohne konkrete Vorgaben für die Beteiligung im Einzelfall zu machen (vgl. BAG 8. November 2011 – 1 ABR 42/10 – Rn. 25).              Gallner                  Ahrendt                  Rinck                                    Klebe                  Rose" bag_36-22,13.09.2022,"13.09.2022 36/22 - Ver.di ist tariffähig Mit der Entscheidung des Ersten Senats des Bundesarbeitsgerichts steht fest, dass die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) tariffähig ist. Damit kann sie Tarifverträge auch in der Pflegebranche abschließen. Ver.di wurde im Jahr 2001 durch einen Zusammenschluss von fünf Gewerkschaften gegründet. Sie hat etwa 1,9 Millionen Mitglieder und ist ua. für die Pflegebranche zuständig. Der Antragsteller – ein Arbeitgeberverband für Pflegeeinrichtungen in Deutschland – hat die Feststellung begehrt, dass ver.di in der Pflegebranche nicht tariffähig ist. Ihr fehle in diesem Bereich die erforderliche – durch die Zahl der organisierten Arbeitnehmer vermittelte – Durchsetzungskraft gegenüber der Arbeitgeberseite. Hilfsweise hat der Antragsteller geltend gemacht, ver.di sei bezogen auf ihren gesamten satzungsmäßigen Organisationsbereich tarifunfähig. Das in erster Instanz zuständige Landesarbeitsgericht hat die Anträge abgewiesen. Die hiergegen erhobene Rechtsbeschwerde des Antragstellers blieb vor dem Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts erfolglos. Der auf die Feststellung einer teilweisen Tarifunfähigkeit gerichtete Hauptantrag war unzulässig. Die Tariffähigkeit ist die rechtliche Fähigkeit, im selbst beanspruchten Organisationsbereich wirksam Tarifverträge mit dem sozialen Gegenspieler abzuschließen. Diese Fähigkeit ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für den beanspruchten Zuständigkeitsbereich einer Vereinigung einheitlich und unteilbar. Eine teilweise, auf bestimmte Branchen, Regionen, Berufskreise oder Personengruppen beschränkte Tariffähigkeit einer Koalition gibt es nicht. Die Rechtsbeschwerde gegen die Abweisung des Hilfsantrags war unzulässig. Damit steht rechtskräftig fest, dass ver.di tariffähig ist. Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 13. September 2022 – 1 ABR 24/21 – Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. Juni 2021 – 21 BVL 5001/21 –","Tenor Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Juni 2021 – 21 BVL 5001/21 – wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Abweisung des Hauptantrags richtet. Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde als unzulässig verworfen. Leitsatz Ein auf die Feststellung einer lediglich partiellen Tarifunfähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung gerichteter Antrag ist unzulässig. Entscheidungsgründe 1 I. Die Beteiligten streiten vorrangig darüber, ob die am Verfahren zu 2. beteiligte ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) in der Pflegebranche tariffähig ist. 2 Ver.di wurde im Jahr 2001 durch den Zusammenschluss von fünf Gewerkschaften gegründet. Sie hat etwa 1,9 Millionen Mitglieder. Ausweislich § 3 Nr. 1 ihrer Satzung in der zuletzt durch den 5. Ordentlichen Bundeskongress vom 22. bis 28. September 2019 geänderten Fassung (Satzung) erstreckt sich ihr Organisationsgebiet auf die Bundesrepublik Deutschland. Der Organisationsbereich von ver.di umfasst nach § 4 Nr. 1 ihrer Satzung „Unternehmen, Betriebe, Einrichtungen und Verwaltungen der im Anhang 1 aufgeführten Bereiche“. Zum Organisationskatalog im Anhang 1 der Satzung gehören ua. die Bereiche „Postdienste, Postbank und Telekommunikation“, „Handel, Banken, Versicherungen“, „Medien, Druck und Papier, Publizistik und Kunst“ sowie „Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr“. Zum letztgenannten Bereich zählen nach Nr. 1.4 des Anhangs 1 auch „Gesundheits- und Sozialdienste, … insbesondere … Verwaltungen, Betriebe und Einrichtungen des öffentlichen und privaten Gesundheitswesens“. 3 Ver.di hat in der Vergangenheit mit einigen Trägern von Pflegeeinrichtungen Tarifverträge abgeschlossen. Im Februar 2021 vereinbarte sie mit der Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche einen Tarifvertrag über Mindestarbeitsbedingungen in der Pflegebranche. 4 Der Arbeitgeberverband Pflege e. V. (AGVP) hat das vorliegende Verfahren eingeleitet. Beteiligt sind zudem die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände e. V. (BDA), der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) – dem ver.di angehört – sowie das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS). 5 Der AGVP hat geltend gemacht, ver.di sei in der Pflegebranche nicht tariffähig. Ihr fehle in diesem Bereich die erforderliche – durch die Zahl der organisierten Arbeitnehmer vermittelte – Durchsetzungskraft gegenüber der Arbeitgeberseite. Die Regelungen in § 7a und §§ 10 bis 13 AEntG bedingten die Anerkennung einer auf den Bereich der Pflegebranche bezogenen partiellen Tariffähigkeit. Hilfsweise hat der AGVP – mit einem ver.di am 8. Juni 2021 zugestellten Schriftsatz – vorgebracht, ver.di sei bezogen auf ihren gesamten satzungsmäßigen Organisationsbereich nicht tariffähig. 6 Der AGVP hat beantragt          festzustellen, dass ver.di nicht tariffähig ist, soweit es um Betriebe und selbstständige Betriebsabteilungen geht, die überwiegend ambulante, teilstationäre oder stationäre Pflegeleistungen oder ambulante Krankenpflegeleistungen für Pflegebedürftige erbringen (Pflegebetriebe), soweit diese Leistungen nicht in Krankenhäusern erbracht werden;          hilfsweise          festzustellen, dass ver.di nicht tariffähig ist. 7 Ver.di und der DGB haben beantragt, die Anträge abzuweisen. 8 Das Landesarbeitsgericht hat die Anträge abgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. 9 II. Die Rechtsbeschwerde des AGVP ist erfolglos. 10 1. Am Verfahren sind – neben dem Antragsteller – ver.di als Arbeitnehmervereinigung, über deren (teilweise) Tariffähigkeit gestritten wird, der DGB und die BDA als Spitzenorganisationen beteiligt. Da sich die beanspruchte Zuständigkeit von ver.di auf das gesamte Bundesgebiet und damit auf mehr als ein Bundesland erstreckt, ist auch das BMAS als oberste Arbeitsbehörde des Bundes im Verfahren zu hören. Weitere Arbeitgeberverbände oder Arbeitgeber, mit denen ver.di Tarifverträge abgeschlossen hat, mussten nicht beteiligt werden. Deren Interessen sind – selbst bei fehlender mitgliedschaftlicher Legimitation – durch die Beteiligung der BDA als ausreichend gewahrt anzusehen (vgl. BAG 11. Juni 2013 – 1 ABR 33/12 – Rn. 14, BAGE 145, 205; 14. Dezember 2010 – 1 ABR 19/10 – Rn. 59, BAGE 136, 302). 11 2. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet, soweit sie sich gegen die Abweisung des Hauptantrags wendet. Der Antrag ist unzulässig. 12 a) Sowohl seine sprachliche Fassung als auch der hierzu gehaltene Vortrag des AGVP zeigen, dass das hauptsächliche Begehren des Antragstellers auf die Feststellung einer branchenbezogenen Tarifunfähigkeit von ver.di gerichtet ist. Durch gerichtlichen Beschluss soll festgestellt werden, dass ver.di in der Pflegebranche iSv. § 10 Satz 2 und Satz 4 AEntG nicht tariffähig ist. 13 b) Das für eine Entscheidung über die Tariffähigkeit einer Vereinigung in § 97 ArbGG vorgesehene besondere Beschlussverfahren ermöglicht es nicht, einen solchen Antrag anzubringen. Dies folgt aus seinem Zweck. 14 aa) Das gerichtliche Verfahren zur Entscheidung über die Tariffähigkeit einer Vereinigung nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG dient der Sicherung der durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Tarifautonomie. Auf Antrag einer nach § 97 Abs. 1 ArbGG antragsberechtigten Vereinigung oder Stelle soll durch Beschluss mit Wirkung für und gegen jedermann (§ 97 Abs. 3 Satz 1 ArbGG) geklärt werden, ob die Vereinigung, deren Tariffähigkeit im Arbeitsleben in Zweifel gezogen wird, die rechtliche Voraussetzung für den Abschluss von Tarifverträgen besitzt und damit über die Eigenschaft verfügt, für ihre Mitglieder eine normative Regelung von Arbeitsbedingungen herbeiführen zu können (vgl. BAG 11. Juni 2013 – 1 ABR 33/12 – Rn. 17 mwN, BAGE 145, 205). 15 bb) Entsprechend diesem Ordnungszweck kann Gegenstand eines Verfahrens nach § 2a Abs. 1 Nr. 4, § 97 ArbGG nur die vom Antragsteller begehrte Feststellung sein, ob eine Vereinigung tariffähig (oder tarifzuständig) ist. Durch eine lediglich auf die partielle Tariffähigkeit einer Vereinigung gerichtete Antragstellung kann die mit diesem Verfahren beabsichtigte Klärung einer für die Teilnahme am Tarifgeschehen unerlässlichen Eigenschaft nicht erreicht werden. 16 (1) Die Tariffähigkeit ist die rechtliche Fähigkeit, im selbst beanspruchten Organisationsbereich wirksam Tarifverträge mit dem sozialen Gegenspieler abzuschließen. Diese Fähigkeit ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für den beanspruchten Zuständigkeitsbereich einer Vereinigung einheitlich und unteilbar. Eine teilweise, auf bestimmte Branchen, Regionen, Berufskreise oder Personengruppen beschränkte Tariffähigkeit gibt es nicht (vgl. BAG 22. Juni 2021 – 1 ABR 28/20 – Rn. 32; 26. Juni 2018 – 1 ABR 37/16 – Rn. 59, BAGE 163, 108; 14. Dezember 2010 – 1 ABR 19/10 – Rn. 81, BAGE 136, 302; 5. Oktober 2010 – 1 ABR 88/09 – Rn. 24, BAGE 136, 1; ausf. BAG 28. März 2006 – 1 ABR 58/04 – Rn. 56 ff., BAGE 117, 308). Das Prinzip der Einheitlichkeit und Unteilbarkeit der Tariffähigkeit einer Arbeitnehmerorganisation bedingt einerseits, dass ihr diese Eigenschaft insgesamt nicht versagt werden kann, wenn ihr die Durchsetzungskraft oder die organisatorische Leistungsfähigkeit in einem Teilbereich des von ihr gewählten Organisationsbereichs fehlt. Andererseits liegt die Tariffähigkeit jedoch nicht bereits dann vor, wenn die Vereinigung nur in irgendeinem Teilbereich ihrer Tarifzuständigkeit durchsetzungsfähig ist. Erforderlich, aber auch ausreichend ist vielmehr, wenn die Arbeitnehmerkoalition in einem zumindest nicht unbedeutenden Teil des von ihr selbst bestimmten Zuständigkeitsbereichs über Durchsetzungsmacht und organisatorische Leistungsfähigkeit verfügt (vgl. BAG 22. Juni 2021 – 1 ABR 28/20 – Rn. 32 mwN). Im Normalfall lässt dies erwarten, dass sich die Arbeitnehmervereinigung auch in den Bereichen, in denen es ihr an Mächtigkeit fehlt, beim Abschluss von Tarifverträgen nicht den Forderungen der Arbeitgeberseite unterwirft. Zugleich steht dies von vornherein der Annahme entgegen, die Arbeitgeberseite ließe sich in diesen Bereichen nur deshalb auf Tarifverhandlungen und -abschlüsse mit der Arbeitnehmerorganisation ein, um auf diesem Weg gesetzliche Tarifvorbehalte oder -öffnungen zu ihren Gunsten nutzen, die geltenden Regelungen einer weiteren Angemessenheitskontrolle entziehen (vgl. § 310 Abs. 4 BGB) und die Arbeitsbedingungen auch der nichtorganisierten Arbeitnehmer durch entsprechende Verweise regeln zu können (vgl. BAG 22. Juni 2021 – 1 ABR 28/20 – Rn. 49). 17 (2) Das Prinzip der Einheitlichkeit und Unteilbarkeit der Tariffähigkeit einer Arbeitnehmerorganisation ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es sichert die Funktionsfähigkeit der durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Tarifautonomie (vgl. hierzu auch BVerfG 14. Januar 2015 – 1 BvR 931/12 – Rn. 62, BVerfGE 138, 261 [„Grundrecht der Tarifautonomie aus Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG“]). Wäre die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung nicht einheitlich bezogen auf den von ihr selbst gewählten Organisationsbereich zu beurteilen, könnte sich bei jedem Tarifvertrag die Frage stellen, ob die ihn abschließende Arbeitnehmerkoalition im jeweiligen räumlichen, fachlichen und ggf. personellen Bereich über eine ausreichende Durchsetzungsmacht verfügt und deshalb insoweit partiell tariffähig ist. Hinzu kommt, dass damit die Grenzen, innerhalb derer eine nur teilweise Tariffähigkeit anzunehmen wäre, kaum bestimmt werden könnten. Die sich hieraus ergebenden Rechtsunsicherheiten würden die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie ernsthaft gefährden (vgl. bereits BAG 28. März 2006 – 1 ABR 58/04 – Rn. 58, BAGE 117, 308). 18 (3) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde gilt das Prinzip der Einheitlichkeit und Unteilbarkeit der Tariffähigkeit auch für die Pflegebranche. 19 (a) Weder der Wortlaut noch der sich aus den Gesetzesmaterialien ergebende Sinn und Zweck von §§ 10 bis 13 sowie §§ 7, 7a AEntG geben Veranlassung zu der Annahme, für diese Branche könne eine partielle Tariffähigkeit anerkannt werden. 20 (aa) Die Regelungen in §§ 10 bis 13 AEntG, die erst auf Empfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales in das zum 24. April 2009 in Kraft getretene Arbeitnehmer-Entsendegesetz aufgenommen wurden, zielen ausschließlich darauf ab, in der Pflegebranche auf der Grundlage einer Kommissionsempfehlung Mindestarbeitsbedingungen durch Rechtsverordnung zu schaffen und durchzusetzen (vgl. BT-Drs. 16/11669 S. 24). Auch die zum 29. November 2019 in Kraft getretenen Modifikationen dieser Vorschriften durch Art. 1 des Gesetzes für bessere Löhne in der Pflege (Pflegelöhneverbesserungsgesetz) bezwecken lediglich die einfachere Festlegung besserer Arbeitsbedingungen in dieser Branche (vgl. BT-Drs. 19/13395 S. 11). Es bestehen keine Anhaltspunkte für die Annahme, der Gesetzgeber habe mit diesen Bestimmungen vom Grundsatz der Einheitlichkeit und Unteilbarkeit der Tariffähigkeit einer Arbeitnehmerkoalition abweichen wollen. Vielmehr gewährte bereits § 12 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 AEntG in der bis zum 15. August 2014 geltenden Fassung ausdrücklich den in der Pflegebranche tarifzuständigen „Gewerkschaften“ das Recht, Mitglieder für die Pflegekommission vorzuschlagen. Damit hat sich der Gesetzgeber bewusst eines gesetzesübergreifend einheitlichen Gewerkschaftsbegriffs bedient, der das Erfordernis der Tariffähigkeit dieser Arbeitnehmervereinigung – im Sinn der von der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen hieran – mit einschließt (vgl. BAG 15. Mai 2019 – 7 ABR 35/17 – Rn. 23 mwN). Dies gilt auch für die Regelungen in § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a und Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 AEntG in der seit dem 29. November 2019 geltenden Fassung. Das für eine Auswahl zwischen mehreren Vorschlägen konkurrierender Gewerkschaften vorgesehene ermessensleitende Kriterium ihrer Repräsentativität – das im Übrigen gleichermaßen auf vorschlagsberechtigte Arbeitgebervereinigungen und deren Zusammenschlüsse sowie auf Zusammenschlüsse von Gewerkschaften anzuwenden ist – kann nur bei Arbeitnehmerorganisationen greifen, die tariffähig sind. 21 (bb) Aus dem zum 16. August 2014 durch Art. 6 des Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie (Tarifautonomiestärkungsgesetz) in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz eingefügten § 7a lässt sich ebenfalls nichts Gegenteiliges ableiten. Mit dieser Regelung soll nur ein besonderer Weg zur Erstreckung von Branchentarifverträgen für die nicht ausdrücklich in § 4 Abs. 1 AEntG definierten Branchen zur Verfügung gestellt werden (vgl. BT-Drs. 18/1558 S. 52). Soweit nach § 7a Abs. 2 iVm. § 7 Abs. 2 AEntG im Fall konkurrierender Branchentarifverträge auf deren jeweilige Repräsentativität abzustellen ist, setzt auch dies nach § 2 Abs. 1 TVG ihren Abschluss durch eine Gewerkschaft und damit eine tariffähige Arbeitnehmervereinigung voraus. 22 (b) Entsprechendes gilt für die ab dem 1. September 2022 geltenden und durch Art. 2 des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz) in § 72 SGB XI eingefügten Absätze 3a und 3b. Das Erfordernis einer Tarifgebundenheit oder einer zumindest tariflichen Vorgaben entsprechenden Entlohnung des Pflegepersonals als Voraussetzung für den Abschluss eines Versorgungsvertrags zwischen einer Pflegeeinrichtung und den Pflegekassen lässt nicht den Schluss zu, der Grundsatz der Einheitlichkeit und Unteilbarkeit der Tariffähigkeit gelte nicht für die Pflegebranche. 23 (c) Den Arbeitgebern in der Pflegebranche muss – anders als die Rechtsbeschwerde meint – auch nicht von Verfassungs wegen ein ausdrücklich in dieser Branche durchsetzungsmächtiger Tarifpartner zur Verfügung stehen. Mit den Anforderungen an die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmerkoalition soll nicht den Interessen des jeweiligen sozialen Gegenspielers Rechnung getragen, sondern die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie als solche gesichert werden (vgl. ausf. zuletzt BAG 22. Juni 2021 – 1 ABR 28/20 – Rn. 35 ff.). 24 (4) Das Prinzip der Einheitlichkeit und Unteilbarkeit der Tariffähigkeit einer Arbeitnehmerorganisation verletzt weder den Antragsteller in seinen Grundrechten noch beeinträchtigt es grundrechtliche Gewährleistungen seiner Mitglieder. 25 (a) Art. 9 Abs. 3 GG schützt Koalitionen in ihrem Bestand, ihrer organisatorischen Ausgestaltung und ihren Betätigungen, sofern sie der Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dienen. Der Schutz erstreckt sich auf alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen. Die Wahl der Mittel, die die Koalitionen für geeignet halten, um ihre Zwecke zu erreichen, überlässt Art. 9 Abs. 3 GG grundsätzlich ihnen selbst, wobei der Schutz zumindest so weit reicht, wie es eine funktionierende Tarifautonomie erfordert (vgl. BAG 13. Oktober 2021 – 4 AZR 403/20 – Rn. 30 mwN). Zudem gewährleistet die Verfassungsnorm dem einzelnen Mitglied einer Vereinigung das Recht, aktiv an der verfassungsrechtlich geschützten Koalitionstätigkeit teilzunehmen und sich damit selbst koalitions-spezifisch zu betätigen (vgl. BAG 28. Juli 2020 – 1 ABR 41/18 – Rn. 21 mwN, BAGE 171, 340). Diese Freiheit wird durch den Umstand, dass die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmerorganisation – auch im Bereich der Pflege – einheitlich und unteilbar ist, nicht beeinträchtigt. Dem AGVP und seinen Mitgliedern steht es frei, mit einer tariffähigen Arbeitnehmervereinigung in Tarifverhandlungen einzutreten oder hiervon abzusehen. 26 (b) Auch Art. 12 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Die Norm schützt die freie berufliche Betätigung und gewährleistet dem Einzelnen das Recht, jede Tätigkeit, für die er sich geeignet glaubt, zur Grundlage seiner Lebensführung zu machen. Dieser besondere Freiheitsraum kann auch durch rechtliche Vorgaben berührt werden, die keine unmittelbar berufsregelnde Zielsetzung haben. Kommt ihnen zumindest eine objektive Tendenz zur Regelung unternehmerischer Tätigkeiten zu, ist der Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG betroffen (vgl. etwa BVerfG 13. Juli 2004 – 1 BvR 1298/94 ua. – zu C I 1 der Gründe, BVerfGE 111, 191). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Das Erfordernis, dass die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmerkoalition nur einheitlich und unteilbar ist, hat weder für den Antragsteller noch seine Mitglieder berufsregelnde Tendenz. 27 (c) Art. 14 GG ist ebenfalls nicht beeinträchtigt. Es ist nicht ersichtlich, dass der Antragsteller oder seine Mitglieder durch das Prinzip der Einheitlichkeit und Unteilbarkeit der Tariffähigkeit einer Arbeitnehmerorganisation in einer dem Schutz dieses Grundrechts unterfallenden eigentumsfähigen Position verletzt werden. Die Rechtsbeschwerde zeigt eine solche Beeinträchtigung auch nicht auf. 28 (5) Selbst wenn der Senat zugunsten des AGVP davon ausginge, der Grundsatz der Einheitlichkeit und Unteilbarkeit der Tariffähigkeit berühre ihn oder seine Mitglieder in den (oder einer der) genannten grundrechtlichen Gewährleistungen, wäre eine solche Beeinträchtigung jedenfalls durch das Erfordernis der Funktionsfähigkeit der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie gerechtfertigt. Die Annahme der partiellen Tariffähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung gefährdete sie ernsthaft. 29 (6) Die von der Rechtsbeschwerde erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen auf der Grundlage von §§ 7a, 10 ff. AEntG erlassene Rechtsvorordnungen sind unerheblich. Sie betreffen lediglich ein etwaiges – hier allerdings nicht verfahrensgegenständliches – Tätigwerden des Gesetzgebers zur Regelung der Arbeitsbedingungen in der Pflegebranche. 30 3. Soweit die Rechtsbeschwerde sich gegen die Abweisung des auf die Feststellung der Tarifunfähigkeit von ver.di gerichteten Hilfsantrags durch das Landesarbeitsgericht wendet, ist sie unzulässig. 31 a) Nach § 97 Abs. 2a Satz 1 iVm. § 94 Abs. 2 Satz 2 ArbGG muss die Rechtsbeschwerdebegründung angeben, welche rechtliche Bestimmung durch den angefochtenen Beschluss verletzt sein soll und worin diese Verletzung bestehen soll. Für eine Sachrüge hat sie den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzuzeigen, dass Gegenstand und Richtung ihres Angriffs erkennbar sind. Dies erfordert eine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen des angefochtenen Beschlusses. Der Rechtsbeschwerdeführer muss darlegen, warum er die Begründung des Landesarbeitsgerichts für unrichtig hält (vgl. BAG 23. Februar 2016 – 1 ABR 82/13 – Rn. 19 mwN). Wird die Rechtsbeschwerde auf Verfahrensrügen gestützt, sind nach § 97 Abs. 2a Satz 1, § 92 Abs. 2 Satz 1, § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO die Tatsachen zu bezeichnen, die den Mangel ergeben, auf den sich die Rechtsbeschwerde beruft. Zudem ist die Kausalität zwischen dem Verfahrensmangel und dem Ergebnis des Landesarbeitsgerichts darzulegen (vgl. für das Urteilsverfahren BAG 23. Januar 2018 – 1 AZR 550/16 – Rn. 9). Bei mehreren Verfahrensgegenständen muss für jeden eine auf die angefochtene Entscheidung zugeschnittene Begründung gegeben werden. Fehlt sie zu einem Verfahrensgegenstand, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig (vgl. BAG 23. Februar 2016 – 1 ABR 82/13 – aaO). 32 b) Diesen Anforderungen genügt die Rechtsbeschwerde nicht, soweit sie sich gegen die Abweisung des Hilfsantrags wendet. 33 aa) Das Landesarbeitsgericht hat – zusammengefasst – angenommen, ver.di sei tariffähig. Ausweislich ihrer Satzung handele es sich um eine Vereinigung, die sich zur Wahrnehmung der Interessen ihrer Mitglieder in deren Eigenschaft als Arbeitnehmer zusammengeschlossen habe und willens sei, Tarifverträge abzuschließen. Ver.di sei frei gebildet, gegnerunabhängig und auf überbetrieblicher Grundlage organisiert. Zudem erkenne sie in ihrer Satzung das geltende Tarifrecht als Teil der Grundsätze des demokratischen und sozialen Rechtsstaats als verbindlich an. Darüber hinaus verfüge ver.di nicht nur über eine leistungsfähige Organisation, sondern – trotz fehlender Angaben zum Organisationsgrad – schon angesichts der Zahl ihrer Mitglieder auch über die notwendige Durchsetzungskraft gegenüber dem sozialen Gegenspieler. Unabhängig davon habe sie in weiten und bedeutenden Teilen ihres nach dem Zusammenschluss ihrer Gründungsgewerkschaften nicht nennenswert erweiterten satzungsmäßigen Organisationsbereichs langjährig am Tarifgeschehen teilgenommen und zahlreiche Tarifverträge abgeschlossen. Selbst eine etwa fehlende Durchsetzungsmacht in der Pflegebranche habe nicht zur Folge, dass ver.di nicht tariffähig sei. Diese Branche stelle nicht das Kernstück des von ver.di beanspruchten Organisationsbereichs dar. 34 bb) Mit diesen tragenden Erwägungen setzt sich die Rechtsbeschwerde nicht auseinander. 35 (1) Mit ihrem Hinweis, der Hilfsantrag werde aufrechterhalten, sei aber nur eine Folge des Bestehens auf einer strikten Anwendung des Einheitsprinzips, die weder von der gesetzgeberischen Lage noch aufgrund der besonderen Struktur der Pflegebranche geboten sei, zeigt die Rechtsbeschwerde keinen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts auf. Ihr Vorbringen, ver.di habe zu Unrecht seine Mitgliederstärke in der Pflegebranche nicht offenlegen müssen, wendet sich nicht gegen die tragende Argumentation des Landesarbeitsgerichts. Nach dessen Ausführungen kam es auf die Organisationsstärke von ver.di im Bereich der Pflege nicht an. Der hiergegen nur pauschal erhobene Einwand, dieser Organisationsgrad sei auch für den Hilfsantrag bedeutsam gewesen, genügt nicht. Er lässt nicht erkennen, aus welchen Gründen der AGVP die hierzu gegebene Begründung des Gerichts für unzutreffend hält. 36 (2) Ob die Rechtsbeschwerde mit ihrem Vortrag, das Landesarbeitsgericht habe nicht ohne eigene Ermittlungen davon ausgehen dürfen, dass ver.di tariffähig sei, eine Verfahrensrüge anbringen wollte, kann dahinstehen. Sollte dies der Fall sein, wäre auch sie unzulässig. Es fehlt die Darlegung, welche konkrete Sachverhaltsaufklärung das Landesarbeitsgericht hätte durchführen müssen und warum dies nach seinen tragenden Ausführungen hätte entscheidungserheblich sein können.              Gallner                  Rinck                  Ahrendt                                    Klebe                  Rose" bag_37-22,14.09.2022,"14.09.2022 37/22 - Verlängerung der gesetzlich festgelegten Höchstdauer einer Arbeitnehmerüberlassung durch Tarifvertrag Bei einer vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung kann in einem Tarifvertrag der Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche abweichend von der gesetzlich zulässigen Dauer von 18 Monaten eine andere Überlassungshöchstdauer vereinbart werden. Diese ist auch für den überlassenen Arbeitnehmer und dessen Arbeitgeber (Verleiher) unabhängig von deren Tarifgebundenheit maßgebend. Der Kläger war der Beklagten ab Mai 2017 für knapp 24 Monate als Leiharbeitnehmer überlassen. Die Beklagte ist Mitglied im Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e.V. (Südwestmetall). In ihrem Unternehmen galt daher der zwischen Südwestmetall und der Industriegewerkschaft Metall (IG Metall) geschlossene „Tarifvertrag Leih-/Zeitarbeit“. Der Tarifvertrag regelt ua., dass die Dauer einer Arbeitnehmerüberlassung 48 Monate nicht überschreiten darf. Der Kläger will mit seiner Klage festgestellt wissen, dass zwischen ihm und der Beklagten (Entleiherin) aufgrund Überschreitung der gesetzlichen Höchstüberlassungsdauer kraft Gesetzes (§ 9 Abs. 1 Nr. 1b, § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG*) ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen sei. Der Tarifvertrag Leih-/Zeitarbeit gelte für ihn mangels Mitgliedschaft in der IG Metall nicht. Zudem sei die dem Tarifvertrag zugrundliegende Regelung (§ 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG**) verfassungswidrig. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte vor dem Vierten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Südwestmetall und IG Metall konnten die Überlassungshöchstdauer für den Einsatz von Leiharbeitnehmern bei der Beklagten durch Tarifvertrag mit Wirkung auch für den Kläger und dessen Arbeitgeberin (Verleiherin) verlängern. Bei § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG handelt es sich um eine vom Gesetzgeber außerhalb des Tarifvertragsgesetzes vorgesehene Regelungsermächtigung, die den Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche nicht nur gestattet, die Überlassungshöchstdauer abweichend von § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG verbindlich für tarifgebundene Entleihunternehmen, sondern auch für Verleiher und Leiharbeitnehmer mittels Tarifvertrag zu regeln, ohne dass es auf deren Tarifgebundenheit ankommt. Die gesetzliche Regelung ist unionsrechts- und verfassungskonform. Die vereinbarte Höchstüberlassungsdauer von 48 Monaten hält sich im Rahmen der gesetzlichen Regelungsbefugnis. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14. September 2022 – 4 AZR 83/21 – Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 18. November 2020 – 21 Sa 12/20 – Hinweise: Der Senat hat in einer Parallelsache (- 4 AZR 26/21 -), in der der Klage durch das Landesarbeitsgericht (Urteil vom 2. Dezember 2020 – 4 Sa 16/20 -) stattgegeben worden war, die Klage ebenfalls abgewiesen. *§ 9 und 10 AÜG lauten auszugsweise: § 9 Unwirksamkeit (1) Unwirksam sind: … 1b. Arbeitsverträge zwischen Verleihern und Leiharbeitnehmern mit dem Überschreiten der zulässigen Überlassungshöchstdauer nach § 1 Absatz 1b, es sei denn, der Leiharbeitnehmer erklärt schriftlich bis zum Ablauf eines Monats nach Überschreiten der zulässigen Überlassungshöchstdauer gegenüber dem Verleiher oder dem Entleiher, dass er an dem Arbeitsvertrag mit dem Verleiher festhält, … § 10 Rechtsfolgen bei Unwirksamkeit (1) Ist der Vertrag zwischen einem Verleiher und einem Leiharbeitnehmer nach § 9 unwirksam, so gilt ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zu dem zwischen dem Entleiher und dem Verleiher für den Beginn der Tätigkeit vorgesehenen Zeitpunkt als zustande gekommen; tritt die Unwirksamkeit erst nach Aufnahme der Tätigkeit beim Entleiher ein, so gilt das Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer mit dem Eintritt der Unwirksamkeit als zustande gekommen. … **§ 1 AÜG lautet auszugsweise: § 1 Arbeitnehmerüberlassung, Erlaubnispflicht … (1b) 1Der Verleiher darf denselben Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinander folgende Monate demselben Entleiher überlassen; der Entleiher darf denselben Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinander folgende Monate tätig werden lassen. … 3In einem Tarifvertrag von Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche kann eine von Satz 1 abweichende Überlassungshöchstdauer festgelegt werden.","Tenor 1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 18. November 2020 – 21 Sa 12/20 – wird zurückgewiesen. 2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen. Leitsatz Die Geltung eines Tarifvertrags nach § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG, durch den die nach § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG gesetzlich festgelegte Überlassungshöchstdauer abweichend geregelt wird, erfordert allein die Tarifgebundenheit der Entleiherin. Der Gesetzgeber hat den Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche eine von den im Tarifvertragsgesetz vorgesehenen Arten von Tarifnormen (§ 1 Abs. 1 TVG) und deren Bindungswirkung (§ 3 Abs. 1 und Abs. 2, § 4 Abs. 1 TVG) abweichende Regelungsbefugnis eingeräumt. Für die Verleiherin und den überlassenen Arbeitnehmer gilt die tarifliche Regelung unabhängig von deren Tarifgebundenheit. Tatbestand 1 Die Parteien streiten, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist. 2 Der Kläger ist seit dem 15. März 2017 aufgrund eines Arbeitsvertrags vom 26. Februar 2017 bei der S GmbH (Verleiherin) beschäftigt. Er wurde der Beklagten, die Mitglied des Verbands der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e.V. (Südwestmetall) ist, vom 11. Mai 2017 bis zum 30. April 2019 auf Grundlage eines „Einzelabrufs Arbeitnehmerüberlassung zum Rahmenvertrag Arbeitnehmerüberlassung“ überlassen. 3 Südwestmetall und die Industriegewerkschaft Metall (IG Metall) schlossen am 31. Mai 2017 einen Tarifvertrag Leih-/Zeitarbeit (TV LeiZ) mit ua. folgendem Inhalt:          „1.     Geltungsbereich                   Es gilt der Geltungsbereich der Manteltarifverträge für die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden, Südwürttemberg-Hohenzollern und Südbaden.          2.     Einsatz von Leih-/Zeitarbeitnehmern          …                          2.2      Der vorübergehende Einsatz von Leih-/Zeitarbeitnehmern ist gemäß § 1 Abs. 1 Satz 4 AÜG zulässig. Die nachfolgenden tariflichen Regelungen erfolgen in Umsetzung der Öffnungsklauseln nach § 1 Abs. 1b AÜG und sind in ihrer Anwendung auf den Geltungsbereich des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes beschränkt.                   Ein vorübergehender Einsatz ist danach gegeben, wenn          2.2.1  ein Einsatz zeitlich befristet ist                   oder             2.2.2  ein Sachgrund vorliegt, …                   oder             2.2.3  der Einsatz dazu dient, Auftragsspitzen oder anderen zeitlich begrenzten Mehrbedarf abzuarbeiten.          …                          2.3      Die Tarifparteien stimmen darin überein, dass die Höchstdauer eines Einsatzes nach diesem Tarifvertrag (Ziffer 3 und Ziffer 4.1) 48 Monate nicht überschreiten darf.                   …                 3.     Betriebe mit Betriebsvereinbarung          3.1      Die Betriebsparteien können im Rahmen einer freiwilligen Betriebsvereinbarung den Einsatz von Leih-/Zeitarbeit und die Ausgestaltung der betrieblichen Flexibilität regeln. Auf Verlangen einer Seite sind hierzu Verhandlungen aufzunehmen.          3.1.1  In dieser Vereinbarung können zum betrieblichen Einsatz von Leih-/Zeitarbeit u.a. geregelt werden:                   –        …                          –        Höchstdauer des Einsatzes und Übernahmeregeln          …                                   4.     Betriebe ohne Betriebsvereinbarung          4.1      Besteht keine Betriebsvereinbarung gemäß Ziffer 3, gilt Folgendes:                   –        Nach 18 Monaten Überlassung hat der Entleiher zu prüfen, ob er dem Leih-/Zeitarbeitnehmer einen unbefristeten Arbeitsvertrag anbieten kann.                   –        Nach 24 Monaten Überlassung hat der Entleiher dem Leih-/Zeitarbeitnehmer einen unbefristeten Arbeitsvertrag anzubieten. Dieses kann nach Beratung mit dem Betriebsrat bei akuten Beschäftigungsproblemen entfallen.“ 4 Im nachfolgenden Tarifvertrag vom 16. November 2018 finden sich insoweit inhaltsgleiche Regelungen. 5 Mit seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, zwischen ihm und der Beklagten bestehe wegen Überschreitung der gesetzlich zulässigen Überlassungshöchstdauer kraft Gesetzes ein Arbeitsverhältnis. Er hat die Auffassung vertreten, die gesetzliche Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten sei nicht durch den TV LeiZ verlängert worden. Dieser gelte nicht für sein Arbeitsverhältnis, da er – unstreitig – nicht Mitglied der IG Metall sei. Bei den Regelungen des TV LeiZ handele es sich um Inhaltsnormen, für deren Geltung seine Tarifgebundenheit erforderlich sei. Darüber hinaus sei § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG, der eine Verlängerung der gesetzlichen Überlassungshöchstdauer durch einen Tarifvertrag der Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche ermöglicht, verfassungs- und unionsrechtswidrig. 6 Der Kläger hat zuletzt beantragt,          1.     festzustellen, dass zwischen den Parteien seit dem 16. Oktober 2018 ein Arbeitsverhältnis besteht;          2.     hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1., die Beklagte zu verurteilen, die wesentlichen Vertragsbedingungen des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Kläger auszuhändigen;          3.     hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1., die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag zu 1. als Kfz-Meister zu beschäftigen. 7 Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Überlassungshöchstdauer des § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG sei durch den TV LeiZ wirksam verlängert worden. Bei dessen maßgebenden Regelungen handele es sich um Betriebsnormen iSd. § 3 Abs. 2 TVG. Deshalb sei eine Tarifgebundenheit des Klägers nicht erforderlich. 8 Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Entscheidungsgründe 9 Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts im Ergebnis zutreffend zurückgewiesen. Der Antrag zu 1. ist zulässig, aber unbegründet. Die Anträge zu 2. und 3. fallen dem Senat daher nicht zur Entscheidung an. 10 I. Der Feststellungsantrag ist zulässig. Ein Arbeitnehmer kann mit der allgemeinen Feststellungsklage das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zu einem Entleiher auf Grundlage der Vorschriften des AÜG geltend machen. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche besondere Feststellungsinteresse besteht auch, soweit der Feststellungsantrag auf die Vergangenheit gerichtet ist, da sich aus dem durch den Kläger behaupteten Arbeitsverhältnis Rechtsfolgen für die Gegenwart und Zukunft, insbesondere mögliche Ansprüche auf Vergütung, ergeben können (vgl. BAG 26. April 2022 – 9 AZR 228/21 – Rn. 14; 20. März 2018 – 9 AZR 508/17 – Rn. 17 f.). 11 II. Der Antrag ist nicht begründet. Zwischen den Parteien ist kein Arbeitsverhältnis nach § 9 Abs. 1 Nr. 1b, § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG kraft Gesetzes begründet worden. Die Überlassungshöchstdauer wurde durch die Überlassung des Klägers an die Beklagte in der Zeit vom 11. Mai 2017 bis zum 30. April 2019 nicht überschritten. Die gesetzliche Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten (§ 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG) ist vorliegend nach § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG iVm. Nr. 2.3 TV LeiZ wirksam auf 48 Monate verlängert worden. 12 1. Die Überlassungsdauer ist arbeitnehmer- und nicht arbeitsplatzbezogen zu bestimmen. Danach war der Kläger der Beklagten im Zeitraum vom 11. Mai 2017 bis zum 30. April 2019 knapp 24 Monate überlassen. 13 a) Bezugspunkt der Überlassungsdauer nach § 1 Abs. 1b AÜG ist die Dauer der Eingliederung des überlassenen Arbeitnehmers in die Arbeitsorganisation eines Entleihers. Das hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze (vom 21. Februar 2017, BGBl. I S. 258) klargestellt (BT-Drs. 18/9232 S. 20; BT-Drs. 18/9723 S. 6; sh. auch Schüren/Hamann/Hamann AÜG 6. Aufl. § 1 Rn. 301 mwN). Dem Wortlaut des § 1 Abs. 1b Satz 1 Halbs. 1 und Halbs. 2 AÜG nach dürfen Verleiher und Entleiher „denselben Leiharbeitnehmer“ nicht länger als 18 aufeinanderfolgende Monate überlassen und tätig werden lassen. Der Arbeitsplatz, an dem der Leiharbeitnehmer eingesetzt wird, findet demgegenüber keine Erwähnung. 14 b) Die arbeitnehmerbezogene Berechnung der Überlassungsdauer ist mit dem Unionsrecht vereinbar (aA etwa Schüren/Hamann/Hamann AÜG 6. Aufl. § 1 Rn. 302; Ulber RdA 2018, 50, 52). 15 aa) Art. 5 Abs. 5 Satz 1 Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit (Richtlinie 2008/104/EG) verpflichtet die Mitgliedstaaten zwar, aufeinanderfolgende Überlassungen zu verhindern, mit denen die Bestimmungen dieser Richtlinie insgesamt umgangen werden sollen (EuGH 17. März 2022 – C-232/20 – [Daimler] Rn. 56; 14. Oktober 2020 – C-681/18 – [KG] Rn. 55 ff.). Einem Mitgliedstaat ist es danach verwehrt, keine Maßnahmen zu ergreifen, um den vorübergehenden Charakter der Leiharbeit zu wahren (EuGH 17. März 2022 – C-232/20 – [Daimler] Rn. 67; 14. Oktober 2020 – C-681/18 – [KG] Rn. 63). Durch die in § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG enthaltene Festlegung auf eine arbeitnehmerbezogene Berechnung der Überlassungshöchstdauer ist aber nicht gegen diese Verpflichtung verstoßen worden. Zur Gewährleistung des vorübergehenden Charakters der Leiharbeit ist es nicht erforderlich, die Bestimmung der Überlassungsdauer arbeitsplatzbezogen auszugestalten. Der Begriff „vorübergehend“ kennzeichnet nicht den Arbeitsplatz, der im entleihenden Unternehmen zu besetzen ist, sondern die Modalitäten der Überlassung eines Arbeitnehmers an dieses Unternehmen (EuGH 17. März 2022 – C-232/20 – [Daimler] Rn. 31). Die Überlassung eines Arbeitnehmers an ein entleihendes Unternehmen zur Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz, der dauerhaft vorhanden ist und der nicht vertretungsweise besetzt wird, steht einem Verständnis der Überlassung als „vorübergehend“ nicht entgegen (EuGH 17. März 2022 – C-232/20 – [Daimler] Rn. 38). 16 bb) Der Durchführung eines weiteren Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV bedarf es nicht. 17 (1) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union muss ein nationales letztinstanzliches Gericht seiner Vorlagepflicht nachkommen, wenn sich in einem bei ihm schwebenden Verfahren eine Frage des Unionsrechts stellt, es sei denn, das Gericht hat festgestellt, dass diese Frage nicht entscheidungserheblich ist, dass die betreffende unionsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder dass die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (EuGH 9. September 2015 – C-72/14 und C-197/14 – [van Dijk] Rn. 55 ff.; 9. September 2015 – C-160/14 – [Ferreira da Silva e Brito ua.] Rn. 38 ff.; grundlegend 6. Oktober 1982 – 283/81 – [C.I.L.F.I.T.] Rn. 21; sh. auch BVerfG 30. Juli 2019 – 2 BvR 1685/14 ua. – Rn. 315, BVerfGE 151, 202; 9. Mai 2018 – 2 BvR 37/18 – Rn. 24 mwN). Dabei ist es nicht erforderlich, dass die strittigen Fragen der jeweiligen Verfahren vollkommen identisch sind (EuGH 6. Oktober 1982 – 283/81 – [C.I.L.F.I.T.] Rn. 14). Das Fachgericht muss sich hinsichtlich des materiellen Unionsrechts hinreichend kundig machen. Es hat etwaige einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszuwerten und seine Entscheidung daran zu orientieren. Auf dieser Grundlage muss es sich unter Anwendung und Auslegung des materiellen Unionsrechts die vertretbare Überzeugung bilden, dass die Rechtslage entweder von vornherein eindeutig – „acte clair“ – oder durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs in einer Weise geklärt ist, die keinen vernünftigen Zweifel zulässt – „acte éclairé“ – (BVerfG 30. Juli 2019 – 2 BvR 1685/14 ua. – aaO; 9. Mai 2018 – 2 BvR 37/18 – Rn. 29; 15. Dezember 2016 – 2 BvR 221/11 – Rn. 37; BAG 29. September 2020 – 9 AZR 266/20 (A) – Rn. 41, BAGE 172, 337; 23. Januar 2019 – 4 AZR 445/17 – Rn. 36, BAGE 165, 100). Hinsichtlich der Voraussetzungen eines acte clair oder acte éclairé kommt dem letztinstanzlichen Hauptsachegericht ein Beurteilungsrahmen zu (BVerfG 9. Mai 2018 – 2 BvR 37/18 – Rn. 29; 15. Dezember 2016 – 2 BvR 221/11 – Rn. 36 f. mwN; 15. Januar 2015 – 1 BvR 499/12 – Rn. 8 f. mwN). 18 (2) Die früher umstrittene Frage, ob eine „arbeitnehmerbezogene“ Bestimmung der Überlassungsdauer mit Unionsrecht vereinbar ist, ist durch die Ausführungen des EuGH zum Begriff „vorübergehend“ in der Rechtssache Daimler (EuGH 17. März 2022 – C-232/20 – Rn. 30 ff.) geklärt (Rn. 15). 19 2. Damit ist zwar die Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten nach § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG überschritten worden. Für die Parteien und die Verleiherin ist aber die nach Nr. 2.3 TV LeiZ iVm. § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG festgelegte Höchstdauer von 48 Monaten maßgebend. 20 a) Nach § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG kann in einem Tarifvertrag von Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche eine von § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG abweichende Überlassungshöchstdauer festgelegt werden. Ein auf dieser Grundlage geschlossener Tarifvertrag muss eine konkrete zeitliche Grenze festlegen, durch die der „vorübergehende“ Charakter der Arbeitnehmerüberlassung iSd. § 1 Abs. 1 Satz 4 AÜG gewahrt wird. Dies ergibt die Auslegung der gesetzlichen Regelung (zu den Auslegungsgrundsätzen etwa BAG 9. September 2020 – 4 AZR 385/19 – Rn. 24; 11. Dezember 2019 – 4 AZR 310/16 – Rn. 22, BAGE 169, 106, jeweils mwN). 21 aa) § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG nennt zwar keine Obergrenze für die abweichende Überlassungshöchstdauer. Nach dem Wortlaut der Vorschrift muss eine solche aber in dem maßgebenden Tarifvertrag festgelegt werden. Dies erfordert die konkrete Benennung einer Überlassungshöchstdauer (vgl. Ulber/Ulber AÜG-Basis 3. Aufl. § 1 Rn. 241 mwN; Deinert RdA 2017, 65, 76; Seiwerth NZA 2017, 479, 480). 22 bb) Die tariflich festgelegte Überlassungshöchstdauer muss so bemessen sein, dass sie nach § 1 Abs. 1 Satz 4 AÜG iVm. Art. 1 Abs. 1 Richtlinie 2008/104/EG als „vorübergehend“ anzusehen ist. Die Überlassung von Arbeitnehmern ist nach § 1 Abs. 1 Satz 4 AÜG nur vorübergehend zulässig. Dies dient der Umsetzung von Art. 1 Abs. 1 Richtlinie 2008/104/EG, wonach Leiharbeitnehmer vorübergehend anderen Unternehmen zur Verfügung gestellt werden (vgl. zur Vorgängerregelung in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG in der bis zum 31. März 2017 geltenden Fassung BT-Drs. 17/4804 S. 8). Aufgrund dieser Begrenzung der Überlassungsdauer wird durch § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG den Tarifvertragsparteien nicht in verfassungswidriger Weise eine „Normsetzungsbefugnis des Staats“ in beliebigem Umfang übertragen (so aber Ulber/J. Ulber AÜG 5. Aufl. § 1 Rn. 288). Mit der Regelung in § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG hat der Gesetzgeber „vorübergehend“ für den Regelfall konkretisiert (vgl. BT-Drs. 18/9232 S. 20) und die weitere Ausgestaltung – im Rahmen der unionsrechtlichen Vorgaben – in § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG den Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche überlassen. 23 b) Durch einen Tarifvertrag iSd. § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG wird die zulässige Überlassungshöchstdauer für den Einsatz bei einer an diesen nach § 3 Abs. 1 TVG gebundenen Entleiherin nicht nur für diese, sondern zugleich – und unabhängig von deren Tarifgebundenheit – auch für den überlassenen Arbeitnehmer und die Verleiherin geändert. 24 aa) Nach dem gesetzgeberischen Konzept soll ein Tarifvertrag nach § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG einheitlich die Überlassungshöchstdauer für alle an der Überlassung Beteiligten, mithin Entleiherin, Verleiherin und Leiharbeitnehmer ändern (vgl. Schüren/Hamann/Hamann AÜG 6. Aufl. § 1 Rn. 348). Insoweit wird nicht zwischen Entleih- und Verleihdauer unterschieden. Die in § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG vorgenommene Differenzierung zwischen der zulässigen Verleih- und Entleihdauer, die der Verdeutlichung der jeweiligen Pflichtenstellungen dient, findet sich in Satz 3 nicht wieder. § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG verweist – wie § 9 Abs. 1 Nr. 1b AÜG – nicht lediglich auf einen der Halbsätze des § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG, sondern auf Satz 1 insgesamt. Auch der Gesetzgeber geht von „einer Überlassungshöchstdauer“ aus (BT-Drs. 18/9232 S. 20). 25 bb) Für die Geltung eines solchen Tarifvertrags ist einzig die Tarifgebundenheit der Entleiherin, nicht aber die des Leiharbeitnehmers oder die der Verleiherin, erforderlich (so auch Hütter-Brungs jM 2021, 370, 371; BeckOK ArbR/Kock Stand 1. September 2022 § 1 AÜG Rn. 118). 26 (1) Die Geltung eines Tarifvertrags nach Satz 3 setzt die Tarifgebundenheit der Entleiherin voraus. Das ergibt sich aus den Regelungen in § 1 Abs. 1b Satz 4 bis Satz 6 AÜG, die bestimmen, wie und unter welchen Voraussetzungen nicht tarifgebundene Entleiher Regelungen nach Satz 3 durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung übernehmen können. 27 (2) Demgegenüber findet die Tarifgebundenheit des Leiharbeitnehmers oder die der Verleiherin im Gesetz keine Berücksichtigung. Auf diese kommt es daher nach der gesetzlichen Regelung nicht an. Dieses Verständnis wird durch die Entstehungsgeschichte bestätigt. Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, in „tarifgebundenen Unternehmen“ seien „damit längere Einsätze über 18 Monate hinaus möglich“ (BT-Drs. 18/9232 S. 2, 15), ohne die Tarifgebundenheit des Leiharbeitnehmers oder der Verleiherin zu erwähnen. 28 cc) Es handelt sich bei einer solchen tarifvertraglichen Regelung weder um eine Inhalts- noch eine Betriebsnorm iSv. § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 2 TVG. Vielmehr machen die Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche von einer ihnen vom Gesetzgeber eingeräumten Regelungsermächtigung Gebrauch, die sich von den in § 1 Abs. 1 TVG genannten Arten von Tarifnormen und deren unmittelbarer und zwingender Geltung (§ 3 Abs. 1 und Abs. 2, § 4 Abs. 1 TVG) unterscheidet. 29 (1) Es handelt sich bei der Festlegung einer von § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG abweichenden Überlassungshöchstdauer nicht um Inhaltsnormen iSd. § 1 Abs. 1 TVG. Inhaltsnormen sind Bestimmungen, die objektives Recht für den Inhalt und für die Beendigung von Arbeitsverhältnissen schaffen (BAG 16. September 1986 – GS 1/82 – zu C II 2 b der Gründe, BAGE 53, 42) und deren Inhalt gestalten (vgl. zB BAG 26. Februar 2020 – 4 AZR 48/19 – Rn. 29 ff., BAGE 170, 56). Diese gelten nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG unmittelbar und zwingend nur zwischen den beiderseits Tarifgebundenen. Tarifgebunden sind nach § 3 Abs. 1 TVG die Mitglieder der Tarifvertragsparteien und die Arbeitgeberin, die selbst Partei des Tarifvertrags ist (vgl. hierzu BAG 13. Oktober 2021 – 4 AZR 403/20 – Rn. 64 ff.). Die Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien für Inhaltsnormen erstreckt sich nach § 1 Abs. 1 TVG grundsätzlich nur auf Arbeitsverhältnisse (ErfK/Franzen 22. Aufl. TVG § 1 Rn. 38; sh. auch BAG 25. Mai 2022 – 4 AZR 454/21 – Rn. 43; vgl. zu § 12a TVG BAG 31. Januar 1995 – 1 ABR 35/94 – zu B II 4 a der Gründe). Die tariflichen Regelungen nach § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG betreffen nach dem gesetzlichen Regelungskonzept allerdings nicht allein ein Arbeitsverhältnis als Zwei-Personen-Verhältnis, sondern das gesamte Drei-Personen-Verhältnis von Verleiherin, Leiharbeitnehmer und Entleiherin. Zwischen der Entleiherin und dem Leiharbeitnehmer besteht zudem kein Arbeitsverhältnis (insoweit zustimmend Ulber/Ulber AÜG-Basis 3. Aufl. § 1 Rn. 237 f.; Henssler RdA 2017, 83, 97; Bayreuther BB 2014, 1973). 30 (2) Tarifliche Bestimmungen über eine von § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG abweichende Überlassungshöchstdauer können weiterhin nicht als betriebliche Normen iSd. § 1 Abs. 1 TVG angesehen werden. 31 (a) Rechtsnormen eines Tarifvertrags über betriebliche Fragen nach § 3 Abs. 2 TVG („Betriebsnormen“) betreffen Regelungsgegenstände, die nur einheitlich gelten können. Ihre Regelung in einem Individualvertrag wäre zwar nicht im naturwissenschaftlichen Sinne unmöglich, sie würde aber wegen „evident sachlogischer Unzweckmäßigkeit ausscheiden“, weil eine einheitliche Regelung auf betrieblicher Ebene unerlässlich ist. Bei der näheren Bestimmung dieses Normtyps ist auszugehen von dem in § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 2 TVG verwandten Begriff der „betrieblichen Fragen“. Dies sind nicht etwa alle Fragen, die im weitesten Sinne durch die Existenz des Betriebs und durch die besonderen Bedingungen der betrieblichen Zusammenarbeit entstehen können. Gemeint sind vielmehr nur solche Fragen, die unmittelbar die Organisation und Gestaltung des Betriebs betreffen. Diese Umschreibung markiert zwar keine scharfe Grenze, sie verdeutlicht aber Funktion und Eigenart der Betriebsnormen iSv. § 3 Abs. 2 TVG. Betriebsnormen regeln normativ das betriebliche Rechtsverhältnis zwischen der Arbeitgeberin und der Belegschaft als Kollektiv, hingegen nicht die Rechtsverhältnisse zwischen Arbeitgeberin und Arbeitnehmern, die hiervon allenfalls mittelbar betroffen sind (sh. nur BAG 22. Februar 2012 – 4 AZR 527/10 – Rn. 33 mwN). Rechtsnormen über betriebliche Fragen gelten nach § 3 Abs. 2 TVG für alle Betriebe, deren Arbeitgeberin tarifgebunden ist, ohne dass es auf die Tarifgebundenheit der einzelnen Arbeitnehmer ankommt. 32 (b) Bei Festlegung der Überlassungshöchstdauer ist demgegenüber eine einheitliche Regelung nicht unerlässlich. Es ist insbesondere im Hinblick auf die in einem Betrieb eingesetzten Leiharbeitnehmer verschiedener Berufsgruppen nicht zwingend erforderlich, für alle die gleiche Überlassungshöchstdauer festzulegen (Pant Gesetzliche und kollektivvertragliche Regulierung der Arbeitnehmerüberlassung durch Höchstüberlassungszeiten S. 285; Franzen ZfA 2016, 25, 38; Henssler Ausschussdrs. 18(11)761neu S. 47; Henssler RdA 2017, 83, 97; aA HK-AÜG/Ulrici AÜG § 1 Rn. 99; Schüren/Hamann/Hamann AÜG 6. Aufl. § 1 Rn. 347; Lembke NZA 2017, 1, 5; Löwisch DB 2017, 1449, 1450). Zudem könnte mittels einer Betriebsnorm in einem Tarifvertrag der Einsatzbranche die gesetzliche Verpflichtung der Verleiherin zur Beachtung der gesetzlichen Überlassungshöchstdauer nach § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG (sh. auch § 16 Abs. 1 Nr. 1e AÜG) nicht mit Wirkung ihr gegenüber abgeändert werden. Sie würde von der Geltungserstreckung nach § 3 Abs. 2 TVG nicht erfasst. 33 (3) Der Gesetzgeber hat die Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche zur Normsetzung durch die Regelung des § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG vielmehr über die im Tarifvertragsgesetz vorgesehenen Arten von Tarifnormen (§ 1 Abs. 1 TVG) und deren Bindungswirkung (§ 3 Abs. 1 und Abs. 2, § 4 Abs. 1 TVG) hinaus erweitert. 34 (a) Der Gesetzgeber ist nicht gehindert, für die Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche eine solche Möglichkeit zu eröffnen, die von den Gestaltungsoptionen des Tarifvertragsgesetzes abweicht und hinsichtlich der verbindlichen Rechtssetzung darüber hinaus geht. Die verfassungsrechtlich gewährleistete Tarifautonomie, die im Zentrum der den Koalitionen eingeräumten Möglichkeiten zur Verfolgung ihrer Zwecke steht (sh. nur BVerfG 24. Oktober 2019 – 1 BvR 887/17 – Rn. 8 mwN), ist als Freiheitsrecht nicht darauf beschränkt, dass lediglich ein Tarifsystem als ausschließliche Form der Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen gewährleistet ist. Der Gesetzgeber kann für die autonome Regelung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen durch die Koalitionen auch weitere Regelungsmöglichkeiten vorsehen (vgl. BVerfG 1. März 1979 – 1 BvR 532/77 – zu C IV 2 b der Gründe, BVerfGE 50, 290). 35 (b) Nach Maßgabe des § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG können die Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche tarifliche Regelungen zur Überlassungshöchstdauer vereinbaren, die kraft gesetzlicher Anordnung zur Verwirklichung des gesetzlichen Regelungsplans (Rn. 24) – auch – für überlassene Leiharbeitnehmer und deren Arbeitgeberinnen (Verleiherinnen) gelten. Zweck der Regelung ist es, die Vereinbarung einer einheitlich für Verleiherin, Leiharbeitnehmer und Entleiherin geltenden Überlassungshöchstdauer zu ermöglichen. Dies zeigt sich in der Zuweisung der Regelungsmacht an die Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche als grundsätzlich außerhalb des zwischen Verleiherin und Leiharbeitnehmer bestehenden Arbeitsverhältnisses stehenden Dritten (aA wohl Kottlors Die Höchstüberlassungsdauer nach der AÜG-Reform S. 260; Henssler RdA 2017, 83, 97; wohl auch Schüren/Fasholz NZA 2015, 1473, 1474). 36 (c) Ein anderes Ergebnis folgt nicht aus dem Umstand, dass die Rechtssetzung durch Tarifvertrag zu erfolgen hat. Damit werden lediglich formale Anforderungen (vgl. zB § 1 Abs. 2, §§ 6, 7, 8 TVG), nicht aber die Wirkungsweise der Regelungen festgelegt. 37 c) Das dargelegte Verständnis der gesetzlichen Regelung in § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. 38 aa) Der Gesetzgeber war nicht gehalten, von der Festsetzung einer Überlassungshöchstdauer in § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG abzusehen und deren Regelung allein den Tarifvertragsparteien zu überlassen. Es ist dem Gesetzgeber zum Schutz von Gemeinwohlbelangen mit verfassungsrechtlichem Rang nicht grundsätzlich verwehrt, Fragen zu regeln, die Gegenstand von Tarifverträgen sein können. Art. 9 Abs. 3 GG verleiht den Tarifvertragsparteien in dem für tarifvertragliche Regelungen offenstehenden Bereich zwar ein Normsetzungsrecht, aber kein Normsetzungsmonopol. Der Gesetzgeber bleibt befugt, das Arbeitsrecht zu regeln (vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG; BVerfG 19. Juni 2020 – 1 BvR 842/17 – Rn. 24; 3. April 2001 – 1 BvL 32/97 – zu B 3 der Gründe, BVerfGE 103, 293). 39 bb) Mit § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG hat der Gesetzgeber die nach Art. 9 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich gewährleistete kollektive Koalitionsfreiheit gesetzlich ausgestaltet und die erforderliche Grundlage für eine Regelung durch die Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche geschaffen (vgl. zur erforderlichen Ausgestaltung BVerfG 20. Oktober 1981 – 1 BvR 404/78 – zu B I 1 der Gründe, BVerfGE 58, 233). Ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung wäre eine für alle an der Arbeitnehmerüberlassung Beteiligten verbindliche tarifliche Regelung durch einen, auf das Zwei-Personen-Verhältnis ausgerichteten, Tarifvertrag nicht möglich gewesen. Die Übertragung der Regelungsermächtigung allein an die Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche, nicht aber an diejenigen der Zeitarbeitsbranche, führt weder zu einer Verletzung von deren Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG noch zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung iSd. Art. 3 Abs. 1 GG. 40 (1) Die positive Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG) der Tarifvertragsparteien der Zeitarbeitsbranche wird nicht dadurch verletzt, dass ihnen keine (subsidiäre) Regelungsmacht zur Verlängerung der Überlassungshöchstdauer durch den Gesetzgeber eingeräumt worden ist (aA Henssler RdA 2017, 83, 97; HWK/Höpfner 10. Aufl. § 1 AÜG Rn. 65). Dabei kann dahinstehen, ob in einer Regelung, die – wie vorliegend – erst die Grundlage für eine tarifliche Normsetzung zugunsten einer Koalition schafft, eine Beeinträchtigung der Koalitionsfreiheit einer nicht in gleichem Maße begünstigten Koalition liegen kann (kritisch Kingreen NZA 2021, 1, 6 f.; Pant Gesetzliche und kollektivvertragliche Regulierung der Arbeitnehmerüberlassung durch Höchstüberlassungszeiten S. 327). Eine solche wäre jedenfalls verhältnismäßig, da sie einem legitimen Ziel dient, zur Erreichung dieses Ziels weder offensichtlich ungeeignet ist noch ein milderes Mittel zur Erreichung des Ziels erkennbar und sie zudem verhältnismäßig im engeren Sinn wäre (zum Prüfungsmaßstab sh. BVerfG 11. Juli 2017 – 1 BvR 1571/15 ua. – Rn. 151 ff., BVerfGE 146, 71). 41 (a) Das Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG ist in erster Linie ein Freiheitsrecht. Es schützt die individuelle Freiheit, Vereinigungen zur Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu bilden und diesen Zweck gemeinsam zu verfolgen, ihnen fernzubleiben oder sie zu verlassen. Darüber sollen die Beteiligten grundsätzlich frei von staatlicher Einflussnahme, selbst und eigenverantwortlich bestimmen können. Geschützt ist damit auch das Recht der Vereinigungen selbst, durch spezifisch koalitionsmäßige Betätigung die in Art. 9 Abs. 3 GG genannten Zwecke zu verfolgen, wobei die Wahl der Mittel, die die Koalitionen zur Erreichung dieses Zwecks für geeignet halten, mit Art. 9 Abs. 3 GG grundsätzlich ihnen selbst überlassen ist (BVerfG 12. Juni 2018 – 2 BvR 1738/12 ua. – Rn. 115, BVerfGE 148, 296; 11. Juli 2017 – 1 BvR 1571/15 ua. – Rn. 130, BVerfGE 146, 71). 42 (b) Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit ist zwar vorbehaltlos gewährleistet, aber wie jedes Grundrecht zugunsten anderer Ziele mit Verfassungsrang beschränkbar. Es bedarf zudem der Ausgestaltung durch die Rechtsordnung, soweit es die Beziehungen zwischen Trägern widerstreitender Interessen zum Gegenstand hat. Beide Tarifvertragsparteien genießen den Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG in gleicher Weise, stehen bei der Ausübung aber gegeneinander. Das erfordert koordinierende Regelungen, die gewährleisten, dass die aufeinander bezogenen Grundrechtspositionen trotz ihres Gegensatzes nebeneinander bestehen können (BVerfG 19. Juni 2020 – 1 BvR 842/17 – Rn. 18). Bei der Ausgestaltung der Tarifautonomie hat der Gesetzgeber einen weiten Handlungsspielraum. Das Grundgesetz schreibt ihm nicht vor, wie die gegensätzlichen Grundrechtspositionen im Einzelnen abzugrenzen sind. Der Gesetzgeber ist nicht gehindert, die Rahmenbedingungen der Tarifautonomie zu ändern, sei es aus Gründen des Gemeinwohls, sei es, um gestörte Paritäten wieder herzustellen (BVerfG 19. Juni 2020 – 1 BvR 842/17 – Rn. 19; 11. Juli 2017 – 1 BvR 1571/15 ua. – Rn. 149, BVerfGE 146, 71). 43 (c) Die Regelung dient einem legitimen Ziel. Sie flankiert die Bestimmung über die Überlassungshöchstdauer in § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG. Diese ist auf den Schutz der Leiharbeitnehmer (BT-Drs. 18/9232 S. 20) und damit die Verbesserung ihrer Stellung und die Gewährleistung ihrer Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG gerichtet (vgl. BVerfG 19. Juni 2020 – 1 BvR 842/17 – Rn. 26; 29. Dezember 2004 – 1 BvR 2283/03 ua. – zu C II 3 b bb (1) der Gründe). Die in Satz 3 vorgesehene Tarifdispositivität soll darüber hinaus nicht nur die Bedeutung tarifvertraglicher Vereinbarungen als wesentliches Element einer verlässlichen Sozialpartnerschaft (BT-Drs. 18/9232 S. 15), sondern auch den flexiblen Einsatz von Leiharbeit zur Deckung von Auftragsspitzen weiterhin ermöglichen und so die positive Beschäftigungswirkung der Arbeitnehmerüberlassung erhalten (BT-Drs. 18/9232 S. 20, 1). Bei letzterer handelt es sich um einen verfassungsrechtlich legitimierten Gemeinwohlbelang (BVerfG 29. Dezember 2004 – 1 BvR 2283/03 ua. – zu C II 3 b bb (2) der Gründe). 44 (d) Die Tariföffnungsklausel ist zur Zielerreichung nicht offensichtlich ungeeignet. 45 (aa) Hierfür ist die Möglichkeit ausreichend, dass der erstrebte Erfolg gefördert werden kann, also die Möglichkeit der Zweckerreichung besteht. Die Regelung darf nicht von vornherein untauglich sein (BVerfG 23. Mai 2018 – 1 BvR 97/14 ua. – Rn. 90, BVerfGE 149, 86; 11. Juli 2017 – 1 BvR 1571/15 ua. – Rn. 159, BVerfGE 146, 71). Der Gesetzgeber hat dabei einen Einschätzungsspielraum für die Beurteilung der tatsächlichen Grundlagen der Regelung. Die Grenze liegt dort, wo sich deutlich erkennbar abzeichnet, dass eine Fehleinschätzung vorgelegen hat (BVerfG 11. Juli 2017 – 1 BvR 1571/15 ua. – aaO; 15. Januar 2002 – 1 BvR 1783/99 – zu B II 1 b aa der Gründe, BVerfGE 104, 337). 46 (bb) Die den Tarifvertragsparteien eröffnete Regelungsoption kann die beabsichtigte Flexibilität gewährleisten, ohne den durch Satz 1 bezweckten Schutz der Leiharbeitnehmer zu gefährden. Zum einen können die jeweiligen Branchenbesonderheiten – im Gegensatz zur starren Regelung in § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG – berücksichtigt und damit das Instrument der Arbeitnehmerüberlassung bedarfsgerecht und flexibel genutzt werden. Zum anderen wird der Leiharbeitnehmer durch die Beschränkung der Öffnungsklausel auf eine vorübergehende Überlassung (Rn. 22) ebenso wie aufgrund der Regelung in § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG vor einem unbegrenzten Einsatz auf einem Dauerarbeitsplatz geschützt und kann ggf. vom „Klebeeffekt“, also der Chance, von dem entleihenden Unternehmen direkt als Arbeitnehmer beschäftigt zu werden, profitieren (vgl. hierzu ErfK/Wank/Roloff 22. Aufl. AÜG § 1 Rn. 3; Franzen ZfA 2016, 25, 35). 47 (e) Die Festlegung einer Überlassungshöchstdauer mit einer Tariföffnungsklausel lediglich zugunsten der Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche ist auch erforderlich. 48 (aa) Der Gesetzgeber verfügt auch insoweit über einen Beurteilungs- und Prognosespielraum. Daher können Maßnahmen, die der Gesetzgeber zum Schutz eines wichtigen Ziels für erforderlich hält, verfassungsrechtlich nur beanstandet werden, wenn nach den ihm bekannten Tatsachen und im Hinblick auf die bisherigen Erfahrungen feststellbar ist, dass Regelungen, die als Alternativen in Betracht kommen, die gleiche Wirksamkeit versprechen, die Betroffenen indessen weniger belasten (BVerfG 11. Juli 2017 – 1 BvR 1571/15 ua. – Rn. 162, BVerfGE 146, 71; 11. Juli 2006 – 1 BvL 4/00 – Rn. 95, BVerfGE 116, 202). 49 (bb) Nur durch die gesetzliche Festlegung einer Überlassungshöchstdauer konnte der umfassende Schutz der Leiharbeitnehmer unabhängig von deren Einsatzort erreicht werden. Die Einräumung einer – auch nur subsidiären – Regelungsmacht an die Tarifvertragsparteien der Zeitarbeitsbranche würde diese zwar weniger belasten, wäre aber zur Erreichung der mit der Regelung verfolgten Ziele nicht gleich wirksam. Der Gesetzgeber konnte davon ausgehen, dass die Tarifvertragsparteien der Zeitarbeitsbranche keinen den Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche vergleichbaren Einblick in die Situation in den Entleiherbetrieben in den verschiedenen Branchen haben. Dementsprechend können sie den Bedarf zum Einsatz von Leiharbeitnehmern nicht in gleicher Weise einschätzen wie die sachnäheren Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche (vgl. hierzu Schüren/Hamann/Hamann AÜG 6. Aufl. § 1 Rn. 361; Hamann jurisPR-ArbR 17/2022 Anm. 8; Hütter-Brungs jM 2021, 370, 372; Deinert RdA 2017, 65, 76; Corzelius Grundlagen, Wirkungen und Grenzen des tarifdispositiven Rechts in der Arbeitnehmerüberlassung S. 162). Eine Änderung der Überlassungshöchstdauer durch diese könnte daher nicht in gleichem Maße flexibel an dem jeweiligen Bedarf ausgerichtet werden. Zudem kann davon ausgegangen werden, dass die Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche im Gegensatz zu denjenigen der Zeitarbeitsbranche auch die Interessen der ebenfalls (mittelbar) betroffenen Stammbelegschaft in höherem Maße berücksichtigen (Pant Gesetzliche und kollektivvertragliche Regulierung der Arbeitnehmerüberlassung durch Höchstüberlassungszeiten S. 335 f.). 50 (f) Die Regelung ist auch im engeren Sinn verhältnismäßig. Eine etwaige Beeinträchtigung der aus Art. 9 Abs. 3 GG folgenden Rechte der Tarifvertragsparteien der Zeitarbeitsbranche (Rn. 40) wäre zumutbar. Der Gesetzgeber hat in angemessener Weise die Belange der zu schützenden Leiharbeitnehmer als überwiegend erachtet und gleichzeitig größtmögliche Flexibilität gewährleistet. Das zeigt die insoweit gebotene Abwägung aller Belange unter Berücksichtigung des Gewichts der mit der Regelung einhergehenden Belastungen (vgl. BVerfG 19. Juni 2020 – 1 BvR 842/17 – Rn. 29). 51 (aa) Die Regelung dieser Arbeitsverhältnisse durch Rechtsnormen iSd. § 1 Abs. 1 TVG bleibt den Tarifvertragsparteien der Leiharbeitsbranche unbenommen. Der Leiharbeitsvertrag besteht nach dem Regelungskonzept des AÜG unabhängig von der Verleihmöglichkeit (BT-Drs. 17/4804 S. 7; Hamann AuR 2016, 136, 138; Schüren/Hamann/Hamann AÜG 6. Aufl. § 1 Rn. 347, 361; aA Ulber/Ulber AÜG-Basis 3. Aufl. § 1 Rn. 238; Ulber RdA 2018, 50, 52). Die Überlassungshöchstdauer betrifft nicht unmittelbar die in die fachliche Zuständigkeit der Tarifvertragsparteien der Zeitarbeitsbranche fallenden Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen im Leiharbeitsverhältnis. Die Veränderung der Überlassungshöchstdauer wirkt sich lediglich in der Weise auf das Leiharbeitsverhältnis aus, dass sie das Weisungsrecht der Verleiherin hinsichtlich der Einsatzdauer bei der jeweiligen Entleiherin erweitert oder beschränkt (Corzelius Grundlagen, Wirkungen und Grenzen des tarifdispositiven Rechts in der Arbeitnehmerüberlassung S. 162). 52 (bb) Zudem handelt es sich bei der Überlassungshöchstdauer nicht um eine Materie, die vor Einführung des § 1 Abs. 1b AÜG üblicherweise und in großem Umfang von den Tarifvertragsparteien geregelt wurde (vgl. Kottlors Die Höchstüberlassungsdauer nach der AÜG-Reform S. 282) oder auch nur von diesen für alle Beteiligten hätte geregelt werden können (Rn. 39). Es sind daher keine Bereiche betroffen, in denen der Tarifautonomie und damit Art. 9 Abs. 3 GG eine besonders große Wirkkraft zukommt, weil durchweg tarifvertragliche Vereinbarungen existieren. Dann würde die Tarifautonomie grundsätzlich einen stärkeren Schutz genießen als – wie vorliegend – in Bereichen, die die Koalitionen üblicherweise ungeregelt lassen (BVerfG 3. April 2001 – 1 BvL 32/97 – zu B 3 d der Gründe, BVerfGE 103, 293; 24. April 1996 – 1 BvR 712/86 – zu C II 1 der Gründe, BVerfGE 94, 268). 53 (2) Aus den vorgenannten Gründen kommt in Bezug auf die Tarifvertragsparteien der Leiharbeitsbranche auch keine Verletzung des Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG in Betracht. 54 (a) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen. Welche Anforderungen an die Rechtfertigungsgründe für gesetzliche Ungleichbehandlungen zu stellen sind, hängt wesentlich davon ab, in welchem Maß sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken kann. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (BVerfG 23. Mai 2017 – 2 BvL 10/11 ua. – Rn. 96, BVerfGE 145, 249; 17. Januar 2012 – 2 BvL 4/09 – Rn. 57, BVerfGE 130, 52). 55 (b) Vorliegend werden zwar Tarifvertragsparteien, zum einen die Arbeitgeber(-verbände) sowie die Gewerkschaften der Einsatzbranche und zum anderen die Tarifvertragsparteien der Zeitarbeitsbranche ungleich behandelt, indem der Gesetzgeber erstere zur Regelung der Überlassungshöchstdauer ermächtigt, letztere aber nicht. Unabhängig vom anzuwendenden Prüfungsmaßstab liegt aber jedenfalls im Hinblick auf die größere Sachnähe der Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche (Rn. 49) eine zulässige Differenzierung vor. 56 cc) Die negative Koalitionsfreiheit der Leiharbeitnehmer und Verleiher ist nicht beeinträchtigt. Das Grundrecht der negativen Koalitionsfreiheit schützt nicht dagegen, dass der Gesetzgeber die Ergebnisse von Koalitionsvereinbarungen als Anknüpfungspunkt für die zulässige Überlassungshöchstdauer iSd. § 1 Abs. 1b AÜG nimmt. Allein dadurch, dass jemand den Vereinbarungen fremder Tarifvertragsparteien unterworfen wird, ist ein spezifisch koalitionsrechtlicher Aspekt nicht betroffen (BVerfG 11. August 2020 – 1 BvR 2654/17 – Rn. 33; 11. Juli 2006 – 1 BvL 4/00 – Rn. 68, BVerfGE 116, 202; Kingreen NZA 2021, 1, 3). 57 d) Die Regelung in § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG ist mit Unionsrecht vereinbar. Die Übertragung der Regelungsbefugnis auf die Tarifvertragsparteien ist auch ohne eine gesetzliche Festlegung einer absoluten Überlassungshöchstgrenze zulässig. Nach der Entscheidung des EuGH vom 17. März 2022 (- C-232/20 – [Daimler]) bedarf es trotz der früher vertretenen unterschiedlichen Rechtsauffassungen (vgl. für Unionsrechtswidrigkeit Ulber/Ulber AÜG-Basis 3. Aufl. § 1 Rn. 251, 254; Ulber RdA 2018, 50, 51; Stellungnahme DGB Ausschussdrs. 18(11)761neu S. 14; für Unionsrechtskonformität Stellungnahme Henssler Ausschussdrs. 18(11)761neu S. 46; für die Notwendigkeit einer richtlinienkonformen Auslegung Gräf SAE 2019, 11, 20) keiner Vorlage mehr. Durch die Entscheidung ist die Rechtslage iSe. „acte éclairé“ geklärt (zu den Voraussetzungen Rn. 17). 58 aa) Die Richtlinie 2008/104/EG steht einer nationalen Regelung nicht entgegen, die die Tarifvertragsparteien ermächtigt, auf der Ebene der Branche der entleihenden Unternehmen von einer nach nationalem Recht festgelegten Überlassungshöchstdauer abzuweichen (EuGH 17. März 2022 – C-232/20 – [Daimler] Rn. 111). 59 bb) Die Festlegung einer absoluten Überlassungshöchstgrenze in der Öffnungsklausel ist nach dem Recht der Europäischen Union nicht erforderlich. Die Richtlinie 2008/104/EG zielt nicht speziell darauf ab, die Dauer der Überlassung eines Leiharbeitnehmers an ein entleihendes Unternehmen festzulegen, bei deren Überschreitung eine solche Überlassung nicht mehr als vorübergehend eingestuft werden kann. Die Richtlinie 2008/104/EG legt auch an keiner Stelle eine Dauer fest, bei deren Überschreitung eine Überlassung nicht mehr als „vorübergehend“ eingestuft werden kann. Die Mitgliedstaaten sind durch keine Bestimmung dieser Richtlinie verpflichtet, im nationalen Recht eine solche Dauer vorzusehen (EuGH 17. März 2022 – C-232/20 – [Daimler] Rn. 53). Sie müssen lediglich dafür Sorge tragen, dass Leiharbeit bei demselben entleihenden Unternehmen nicht zu einer Dauersituation für einen Leiharbeitnehmer wird (EuGH 17. März 2022 – C-232/20 – [Daimler] Rn. 56; 14. Oktober 2020 – C-681/18 – [KG] Rn. 55, 60). 60 cc) Diesen Anforderungen wird die gesetzliche Regelung in § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG gerecht. Die Öffnungsklausel erlaubt lediglich die Vereinbarung von Tarifverträgen, die eine Überlassungshöchstdauer vorsehen, die sich im Rahmen dessen hält, was nach § 1 Abs. 1 Satz 4 AÜG und Art. 1 Abs. 1 Richtlinie 2008/104/EG als „vorübergehend“ anzusehen ist (Rn. 22). 61 e) Nach diesen Grundsätzen ist die für die Parteien und die Verleiherin maßgebende Überlassungshöchstdauer durch Nr. 2.3 TV LeiZ auf 48 Monate verlängert worden. 62 aa) Südwestmetall und IG Metall haben als Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche wirksam den TV LeiZ abgeschlossen. 63 (1) Der TV LeiZ wahrt das Schriftformerfordernis nach § 1 Abs. 2 TVG. Der Kläger hat sein anfängliches Bestreiten nach Vorlage des unterzeichneten TV LeiZ bereits erstinstanzlich fallen gelassen. 64 (2) Bei Südwestmetall und IG Metall handelt es sich um Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche iSd. § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG. Das sind diejenigen, die für die Unternehmen der Entleiher einer Branche tarifzuständig sind. Vorliegend war der Kläger in einem Betrieb der Metall- und Elektroindustrie eingesetzt. 65 (3) Den Tarifvertragsparteien fehlte entgegen der Auffassung des Klägers nicht die Tarifzuständigkeit. 66 (a) Die Tarifzuständigkeit einer Vereinigung richtet sich nach dem in ihrer Satzung festgelegten Organisationsbereich. Dessen autonome Festlegung ist Ausdruck der in Art. 9 Abs. 1 und Abs. 3 GG verfassungsrechtlich garantierten Vereins- und Koalitionsfreiheit (vgl. hierzu BAG 31. Januar 2018 – 10 AZR 695/16 (A) – Rn. 32; 22. Februar 2017 – 5 AZR 252/16 – Rn. 33, BAGE 158, 205; 21. Januar 2015 – 4 AZR 797/13 – Rn. 72, BAGE 150, 304). Die Tarifzuständigkeit muss bei Abschluss des Tarifvertrags vorliegen. Fehlt sie, ist der Tarifvertrag wegen Fehlens einer Wirksamkeitsvoraussetzung unwirksam (BAG 14. Januar 2014 – 1 ABR 66/12 – Rn. 50, BAGE 147, 113). 67 (b) An der Tarifzuständigkeit von Südwestmetall und IG Metall für die Branche der Metall- und Elektroindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden, Südwürttemberg-Hohenzollern und Südbaden bestehen keine Zweifel. 68 (c) Eine darüber hinausgehende Tarifzuständigkeit ist nicht erforderlich (aA Henssler RdA 2017, 83, 97; Gussen FA 2014, 363, 364 f.). Der Tarifvertrag trifft eine Regelung über die zulässige Überlassungshöchstdauer in der Branche, für die die Tarifvertragsparteien zuständig sind. Er enthält keine Inhaltsnormen, die für das Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitnehmer und der Verleiherin gelten würden (Rn. 29). Es bedarf daher insoweit keiner Tarifzuständigkeit. Die in § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG angeordnete Geltung für Leiharbeitnehmer und Verleiher besteht unabhängig von einer Tarifzuständigkeit für diesen Bereich. Anders als in § 3 Abs. 2 TVG (vgl. hierzu BAG 14. Januar 2014 – 1 ABR 66/12 – Rn. 51, BAGE 147, 113; 29. Juli 2009 – 7 ABR 27/08 – Rn. 25, BAGE 131, 277) wird durch diese Norm nicht nur die Notwendigkeit der Tarifgebundenheit, sondern auch diejenige der Tarifzuständigkeit darauf reduziert, dass sie allein hinsichtlich der Einsatzbranche vorliegen muss. 69 (d) Der Senat war, da an der Tarifzuständigkeit keine vernünftigen Zweifel bestehen, nicht gehalten, vor einer Entscheidung über die Revision des Klägers das Verfahren nach § 97 Abs. 5 ArbGG auszusetzen (vgl. hierzu BAG 31. Januar 2018 – 10 AZR 695/16 (A) – Rn. 10 ff.; 22. Februar 2017 – 5 AZR 252/16 – Rn. 29 ff., BAGE 158, 205). 70 bb) Der TV LeiZ sieht in Nr. 2.3 für eine Arbeitnehmerüberlassung in einem Betrieb ohne Betriebsvereinbarung – wie im vorliegenden Fall – eine Verlängerung der Überlassungshöchstdauer auf 48 Monate vor. Das ergibt die Auslegung der tariflichen Vorschriften (zu den Auslegungsgrundsätzen BAG 13. Oktober 2021 – 4 AZR 365/20 – Rn. 21 mwN). 71 (1) Nach Nr. 2.3 Abs. 1 TV LeiZ „stimmen die Tarifparteien darin überein, dass die Höchstdauer eines Einsatzes nach diesem Tarifvertrag (Ziffer 3 und Ziffer 4.1) 48 Monate nicht überschreiten darf“. Hierin liegt, auch wenn „übereinstimmen“ lediglich bedeutet, mit jemandem einer Meinung zu sein (vgl. Duden Das Bedeutungswörterbuch 5. Aufl. Stichwort „übereinstimmen“), – vorbehaltlich der weiteren Regelungen des TV LeiZ – die Festlegung einer Überlassungshöchstdauer. Die Regelung in Nr. 2.3 TV LeiZ erfolgte „in Umsetzung der Öffnungsklauseln nach § 1 Abs. 1b AÜG“. Weiterhin wird in Nr. 2.3 Abs. 2 TV LeiZ die tarifliche Überlassungshöchstdauer für den Fall des Einsatzes wegen eines Sachgrundes über einen Zeitraum von mehr als 48 Monaten „festgelegt“. Der Hinweis auf § 1 Abs. 1b AÜG im Ganzen verdeutlicht zudem, dass nicht lediglich die Frist des § 1 Abs. 1b Satz 1 Halbs. 2 AÜG, sondern auch diejenige des § 1 Abs. 1b Satz 1 Halbs. 1 AÜG verlängert werden soll. 72 (2) Nr. 4.1 TV LeiZ legt keine abweichende Überlassungshöchstdauer fest. Die Vorschrift enthält lediglich eine Überprüfungspflicht nach 18 Monaten sowie eine Pflicht, dem Leiharbeitnehmer nach 24 Monaten ein Angebot zum Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrags zu unterbreiten. Eine solche Pflicht schließt aus, dass die Tarifvertragsparteien bereits zu diesem Zeitpunkt von der Überschreitung der Überlassungshöchstdauer mit der Folge des Zustandekommens eines Arbeitsverhältnisses aufgrund gesetzlicher Vorschriften ausgegangen sind. Dann hätte es des Angebots nicht mehr bedurft. 73 cc) Die Überlassungshöchstdauer von 48 Monaten hält sich im Rahmen dessen, was als „vorübergehend“ iSd. § 1 Abs. 1 Satz 4 AÜG iVm. Art. 1 Abs. 1 Richtlinie 2008/104/EG anzusehen ist (so auch Schüren/Hamann/Hamann AÜG 6. Aufl. § 1 Rn. 351). 74 (1) „Vorübergehend“ bedeutet nach allgemeinem Sprachgebrauch „zeitlich begrenzt“ (EuGH 17. März 2022 – C-232/20 – [Daimler] Rn. 57). Eine konkrete zeitliche Grenze, nach der eine Überlassung nicht mehr als „vorübergehend“ angesehen werden könnte, findet sich allerdings weder im AÜG noch in der Richtlinie 2008/104/EG (zu letzterer EuGH 17. März 2022 – C-232/20 – [Daimler] Rn. 53). Im Hinblick darauf verbietet sich ein Rückgriff auf zeitliche Grenzen in anderen Regelungswerken (aA Ulber/Ulber AÜG-Basis 3. Aufl. § 1 Rn. 198 f.; Ulber RdA 2018, 50, 53: 24 Monate nach Art. 12 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 und Art. 16 Abs. 4 Richtlinie 2004/78/EG), die zudem anderen Zielen dienen (Hamann jurisPR-ArbR 35/2020 Anm. 3). Nicht „vorübergehend“ ist eine Überlassung dann, wenn sie unter Berücksichtigung sämtlicher relevanter Umstände, zu denen insbesondere die Branchenbesonderheiten zählen, vernünftigerweise nicht mehr als „vorübergehend“ betrachtet werden kann (EuGH 17. März 2022 – C-232/20 – [Daimler] Rn. 60). Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Überlassung ohne jegliche zeitliche Begrenzung erfolgt und der Leiharbeitnehmer dauerhaft anstelle eines Stammarbeitnehmers eingesetzt werden soll (BAG 21. Februar 2017 – 1 ABR 62/12 – Rn. 57, BAGE 158, 121; 30. September 2014 – 1 ABR 79/12 – Rn. 43). Aus § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG und § 1 Abs. 1b Satz 6 AÜG, die die Überlassungshöchstdauer außerhalb der Geltung eines Tarifvertrags auf 18 und 24 Monate festlegen, ergibt sich zudem, dass eine „vorübergehende“ Überlassung diesen Zeitraum übersteigen kann (Schüren/Hamann/Hamann AÜG 6. Aufl. § 1 Rn. 351). 75 (2) Nach diesen Grundsätzen ist die vereinbarte Überlassungshöchstdauer von 48 Monaten noch als „vorübergehend“ anzusehen. Der TV LeiZ enthält eine hinreichend konkrete Obergrenze. Aufgrund des den Tarifvertragsparteien zustehenden Gestaltungsspielraums und deren Einschätzungsprärogative in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen (vgl. hierzu BAG 15. Oktober 2021 – 6 AZR 253/19 – Rn. 38; 16. Dezember 2020 – 5 AZR 143/19 (A) – Rn. 37, BAGE 173, 251; 15. April 2015 – 4 AZR 796/13 – Rn. 31, BAGE 151, 235) ist davon auszugehen, dass die Branchenbesonderheiten im TV LeiZ hinreichend Berücksichtigung gefunden haben (ausf. zur Angemessenheitsvermutung BAG 21. Mai 2014 – 4 AZR 50/13 – Rn. 29 mwN, BAGE 148, 139; BT-Drs. 17/4804 S. 9). Ein Zeitraum von vier Jahren kann darüber hinaus nicht als dauerhaft angesehen werden, zumal damit die in § 1 Abs. 1b Satz 1 und Satz 6 AÜG vorgesehenen Grenzen nicht um ein Vielfaches überschritten werden. 76 Die Höchstdauer kann darüber hinaus – bei einer Überlassung ohne besonderen Sachgrund und wenn wie vorliegend keine Betriebsvereinbarung existiert, in der die Besonderheiten der jeweiligen Betriebe berücksichtigt werden könnten – nach Nr. 4.1 TV LeiZ nur ausgeschöpft werden, wenn die Entleiherin nach 18 Monaten der Überlassung nach Überprüfung der tatsächlichen Gegebenheiten dem Leiharbeitnehmer keinen unbefristeten Arbeitsvertrag anbieten konnte und sie nach Beratung mit dem Betriebsrat aufgrund akuter Beschäftigungsprobleme auch nach 24 Monaten nicht verpflichtet war, dem Leiharbeitnehmer einen unbefristeten Arbeitsvertrag anzubieten. Damit sind im TV LeiZ zusätzliche Mechanismen vorgesehen, die gewährleisten, dass lediglich eine „vorübergehende“ Überlassung erfolgt. 77 dd) Der Tarifvertrag gilt für den Einsatz des Klägers bei der Beklagten, da letztere tarifgebundenes Mitglied bei Südwestmetall ist. 78 f) Die Überlassungshöchstdauer von 48 Monaten ist durch den Einsatz des Klägers bei der Beklagten von knapp 24 Monaten nicht überschritten worden. 79 III. Der Kläger hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.              Treber                  M. Rennpferdt                  Klug                                    Widuch                  P. Hoffmann" bag_41-22,19.10.2022,"19.10.2022 41/22 - Fortbestand der Schwerbehindertenvertretung bei Absinken der Anzahl der schwerbehinderten Beschäftigten in einem Betrieb unter fünf Die Schwerbehindertenvertretung ist die Interessenvertretung der schwerbehinderten und gleichgestellten Beschäftigten. Sie wird nach § 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX* ua. in Betrieben mit wenigstens fünf – nicht nur vorübergehend beschäftigten – schwerbehinderten Menschen für eine Amtszeit von regelmäßig vier Jahren gewählt. Sinkt die Anzahl schwerbehinderter Beschäftigter im Betrieb unter den Schwellenwert von fünf, ist das Amt der Schwerbehindertenvertretung nicht vorzeitig beendet. In dem Kölner Betrieb einer Arbeitgeberin mit ungefähr 120 Mitarbeitern wurde im November 2019 eine Schwerbehindertenvertretung gewählt. Zum 1. August 2020 sank die Zahl der schwerbehinderten Menschen in diesem Betrieb auf vier Beschäftigte. Die Arbeitgeberin informierte die Schwerbehindertenvertretung darüber, dass sie nicht mehr existiere und die schwerbehinderten Beschäftigten von der Schwerbehindertenvertretung in einem anderen Betrieb vertreten würden. In dem von ihr eingeleiteten Verfahren hat die Schwerbehindertenvertretung des Kölner Betriebs die Feststellung begehrt, dass ihr Amt nicht aufgrund des Absinkens der Anzahl schwerbehinderter Menschen im Betrieb vorzeitig beendet ist. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben den Antrag abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Schwerbehindertenvertretung hatte vor dem Siebten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Das Amt der Schwerbehindertenvertretung ist nicht vorzeitig beendet. Eine ausdrückliche Regelung, die das Erlöschen der Schwerbehindertenvertretung bei Absinken der Anzahl schwerbehinderter Beschäftigter unter den Schwellenwert nach § 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX vorsieht, besteht im Gesetz nicht. Eine vorzeitige Beendigung der Amtszeit ist auch nicht aus gesetzessystematischen Gründen oder im Hinblick auf Sinn und Zweck des Schwellenwerts geboten. Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 19. Oktober 2022 – 7 ABR 27/21 – Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 31. August 2021 – 4 TaBV 19/21 – *Hinweis: § 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX lautet: „In Betrieben und Dienststellen, in denen wenigstens fünf schwerbehinderte Menschen nicht nur vorübergehend beschäftigt sind, werden eine Vertrauensperson und wenigstens ein stellvertretendes Mitglied gewählt, das die Vertrauensperson im Falle der Verhinderung vertritt.“","Tenor Auf die Rechtsbeschwerde der Schwerbehindertenvertretung wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Köln vom 31. August 2021 – 4 TaBV 19/21 – aufgehoben. Auf die Beschwerde der Schwerbehindertenvertretung wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 10. März 2021 – 20 BV 134/20 – abgeändert. Es wird festgestellt, dass die Schwerbehindertenvertretung im Amt ist. Leitsatz Das Amt der Schwerbehindertenvertretung endet nicht vorzeitig, wenn die für ihre Wahl notwendige Mindestanzahl von fünf nicht nur vorübergehend beschäftigten schwerbehinderten Beschäftigten im Betrieb oder in der Dienststelle während der Amtszeit unterschritten wird. Entscheidungsgründe 1 A. Die Beteiligten streiten darüber, ob das Amt der antragstellenden Schwerbehindertenvertretung vorzeitig geendet hat. 2 Die zu 2. beteiligte Arbeitgeberin ist ein Unternehmen der klinischen Forschung. Neben einem Betrieb an ihrem Sitz in L unterhält sie in K einen Betrieb mit ca. 120 Mitarbeitern. In diesem sind ein Betriebsrat sowie die am 13. November 2019 gewählte, antragstellende Schwerbehindertenvertretung gebildet. Am 1. August 2020 sank die Zahl der im Ker Betrieb beschäftigten schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten Menschen von fünf auf vier. Die Arbeitgeberin teilte der dort gewählten Schwerbehindertenvertretung daraufhin mit, dass diese aus ihrer Sicht nicht mehr existiere und die Interessen der schwerbehinderten Beschäftigten in K von der im Betrieb L errichteten Schwerbehindertenvertretung wahrgenommen würden. 3 In dem von der im Ker Betrieb gewählten Schwerbehindertenvertretung eingeleiteten Verfahren hat diese die Auffassung vertreten, ihr Mandat sei nicht aufgrund des Absinkens der Zahl der schwerbehinderten Beschäftigten unter den Schwellenwert des § 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX vorzeitig beendet. Es bestehe vielmehr für die Dauer der in § 177 Abs. 7 Satz 1 SGB IX geregelten Amtszeit von vier Jahren. Die Gründe für ein vorzeitiges Erlöschen des Amts seien in § 177 Abs. 7 SGB IX abschließend festgelegt; ein Unterschreiten des in § 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX geregelten Schwellenwerts gehöre nicht hierzu. 4 Die Schwerbehindertenvertretung hat beantragt          festzustellen, dass ihre Amtszeit nicht am 1. August 2020 aufgrund des Herabsinkens der Anzahl der schwerbehinderten Mitarbeiter im Ker Betrieb der Arbeitgeberin unter fünf beendet ist. 5 Die Arbeitgeberin hat Antragsabweisung beantragt und darauf verwiesen, für den Betriebsrat sei anerkannt, dass sein Amt ende, wenn die Zahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer dauerhaft unter den in § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG geregelten Schwellenwert sinke. Entsprechendes gelte für den Wegfall der Errichtungsvoraussetzungen einer Schwerbehindertenvertretung während ihrer Amtszeit. Hierfür sprächen im Übrigen die besonderen Ersatzvertretungsbestimmungen des § 180 SGB IX, wonach eine umfassende Vertretung durch die Gesamtschwerbehindertenvertretung bzw. die deren Rechte und Pflichten wahrnehmende Schwerbehindertenvertretung (eines anderen Betriebs) gesichert sei. Dies greife jedenfalls dann, wenn – wie vorliegend – im Unternehmen des Arbeitgebers eine Schwerbehindertenvertretung in einem anderen Betrieb existiere. 6 Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Beschwerde der Schwerbehindertenvertretung zurückgewiesen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt diese ihr Begehren weiter. 7 B. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, zur Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung und zur Stattgabe des Antrags. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen hat das Amt der antragstellenden Schwerbehindertenvertretung nicht geendet. 8 I. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig; insbesondere ist die Schwerbehindertenvertretung rechtsbeschwerdebefugt. 9 1. Die Rechtsmittelbefugnis im Beschlussverfahren folgt der Beteiligungsbefugnis. Daher ist rechtsbeschwerdebefugt nur derjenige, der nach § 83 Abs. 3 ArbGG am Verfahren beteiligt ist. 10 a) Verfahrensbeteiligt ist eine Person oder Stelle, die durch die zu erwartende Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen bzw. schwerbehindertenvertretungsrechtlichen Rechtsstellung unmittelbar betroffen wird. In einem Beschlussverfahren kann nach § 83 Abs. 3 ArbGG nur eine Person, Vereinigung oder Stelle zu hören sein, die nach § 10 ArbGG partei- und damit beteiligtenfähig ist. Einem nicht (mehr) existenten Gremium kommen keine kollektivrechtlichen Rechtspositionen (mehr) zu. Die Beteiligtenbefugnis ist vom Gericht in jeder Lage des Verfahrens – auch noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz – von Amts wegen zu prüfen und zu berücksichtigen. Fehlt die Rechtsmittelbefugnis, ist das Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen (BAG 14. September 2022 – 7 ABR 17/21 – Rn. 12 mwN). 11 b) Ist das Amt einer an einem Beschlussverfahren beteiligten Schwerbehindertenvertretung erloschen, ohne dass eine neue Schwerbehindertenvertretung gewählt wurde, endet damit deren Beteiligtenfähigkeit. Ein unstreitiger Verlust der Beteiligtenfähigkeit der Schwerbehindertenvertretung führt grundsätzlich zur Unzulässigkeit eines von ihr eingelegten Rechtsmittels. Ist die Beteiligtenfähigkeit hingegen streitig, wird sie hinsichtlich der Zulässigkeit des Rechtsmittels unterstellt. Es entspricht einem allgemeinen prozessualen Grundsatz, dass eine Partei, deren Parteifähigkeit oder gar rechtliche Existenz überhaupt im Streit steht, wirksam ein Rechtsmittel mit dem Ziel einlegen kann, hierüber eine Sachentscheidung zu erlangen. Das gilt auch in einem Verfahren, dessen Gegenstand nicht die Existenz der rechtsmittelführenden Stelle ist (vgl. BAG 14. September 2022 – 7 ABR 17/21 – Rn. 13 mwN). 12 2. Unter Anwendung dieser Grundsätze fehlt der Schwerbehindertenvertretung nicht die Rechtsmittelbefugnis. 13 a) Antragstellerin ist die Schwerbehindertenvertretung als Stelle. Das hat sie in der Anhörung vor dem Senat bestätigt. Schwerbehindertenvertretungen sind nach § 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX als Zusammenfassung von Vertrauensperson und stellvertretenden Mitgliedern zu einem besonderen kollektiven Vertretungskörper definiert (vgl. auch BAG 14. September 2022 – 7 ABR 17/21 -Rn. 23) und grundsätzlich beteiligtenfähig. 14 b) Die Beteiligten streiten gerade darüber, ob die Schwerbehindertenvertretung besteht und damit beteiligtenfähig ist. Für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde ist hiervon auszugehen. 15 II. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Schwerbehindertenvertretung gegen die ihr Begehren abweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts zu Unrecht zurückgewiesen. Der zulässige Feststellungsantrag ist begründet. 16 1. Der Antrag ist zulässig. Ihm begegnen in seiner gebotenen Auslegung weder im Hinblick auf die Anforderung des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO noch im Hinblick auf § 256 Abs. 1 ZPO Bedenken. Die Schwerbehindertenvertretung ist auch antragsbefugt. 17 a) Das Begehren ist – wie seine Auslegung ergibt – auf die Feststellung gerichtet, dass die Schwerbehindertenvertretung im Amt ist, was ihr die Arbeitgeberin mit Wirkung ab dem 1. August 2020 abspricht. Der Schwerbehindertenvertretung geht es erkennbar um ihre Existenz. Sie begehrt nicht – jedenfalls nicht ausschließlich – die vergangenheitsbezogene Feststellung, dass sie als Stelle nicht am 1. August 2020 aufgelöst worden ist, sondern dass sie – derzeit – fortbesteht. Dieses Antragsverständnis hat sie in der Anhörung vor dem Senat bestätigt. 18 b) Der so verstandene Antrag ist hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Des Weiteren erfüllt er die Voraussetzungen des auch im Beschlussverfahren geltenden § 256 Abs. 1 ZPO. Ein auf die Feststellung des (Fort-)Bestands der Schwerbehindertenvertretung gerichteter Antrag betrifft ein Rechtsverhältnis (vgl. zum Gesamtbetriebsrat BAG 1. Juni 2022 – 7 ABR 41/20 – Rn. 19). Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche besondere Feststellungsinteresse liegt vor. Die Arbeitgeberin stellt das Amt der Schwerbehindertenvertretung in Abrede. Das Rechtsschutzinteresse ist nicht wegen des Endes der gesetzlichen Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung entfallen. Diese dauerte – sollte die Schwerbehindertenvertretung nicht weggefallen sein – auch nach den Bekundungen der Beteiligten bis einschließlich 12. November 2022 und damit im Zeitpunkt der Senatsentscheidung an. 19 c) Die Schwerbehindertenvertretung ist antragsbefugt. Sie verfolgt ein eigenes Recht, indem sie ihren (Fort-)Bestand geltend macht. Durch die begehrte Entscheidung ist sie in ihrer sich aus §§ 177 ff. SGB IX ergebenden Rechtsposition betroffen. 20 2. Im Hinblick auf den Verfahrensgegenstand ist neben der antragstellenden Schwerbehindertenvertretung allein die Arbeitgeberin am Verfahren beteiligt. Daneben sind keine weiteren Beteiligten zu hören, insbesondere nicht die Vertrauensperson und ihre Stellvertreter, denn der Streit betrifft nicht deren persönliche Rechte und Rechtsstellung. Es geht allein um das Amt der Schwerbehindertenvertretung als Stelle und nicht um das der gewählten Vertrauensperson. Diese ist in einem solchen Streit ebenso wenig anzuhören wie Betriebsratsmitglieder in einem Verfahren, in dem die Betriebsratswahl insgesamt angefochten wird (vgl. BAG 15. August 2012 – 7 ABR 24/11 – Rn. 13). 21 3. Der Antrag ist begründet. Die im Betrieb der Arbeitgeberin in K gewählte Schwerbehindertenvertretung ist im Amt. Dieses endete nicht – wie von den Vorinstanzen angenommen – am 1. August 2020 aufgrund des Umstands, dass ab diesem Zeitpunkt nicht mehr wenigstens fünf schwerbehinderte Menschen im Betrieb beschäftigt waren. 22 a) Nach § 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX werden in Betrieben und Dienststellen, in denen wenigstens fünf schwerbehinderte Menschen – zu denen ihnen Gleichgestellte zählen (vgl. § 151 Abs. 3 SGB IX; § 1 Abs. 2 SchwbVWO) – nicht nur vorübergehend beschäftigt sind, eine Vertrauensperson und wenigstens ein stellvertretendes Mitglied gewählt, das die Vertrauensperson im Falle der Verhinderung vertritt. Die Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung beträgt nach § 177 Abs. 7 Satz 1 SGB IX vier Jahre. Nach § 177 Abs. 7 Satz 3 SGB IX erlischt das Amt vorzeitig, wenn die Vertrauensperson es niederlegt, aus dem Arbeits- bzw. Dienstverhältnis ausscheidet oder die Wählbarkeit verliert. 23 b) Sinkt die Anzahl schwerbehinderter Beschäftigter unter die erforderliche Mindestzahl des § 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, endet das Mandat der gewählten Schwerbehindertenvertretung nicht vorzeitig (ebenso BeckOK SozR/Brose Stand 1. September 2022 SGB IX § 177 Rn. 33; Christians GK-SGB IX Stand August 2022 § 177 Rn. 131; Dusel/Hoff in Bihr/Fuchs/Krauskopf/Ritz SGB IX § 94 Rn. 5; HaKo-BetrVG/Düwell 6. Aufl. § 32 Rn. 15; FKS-SGB IX/Krämer/Gün 4. Aufl. § 177 Rn. 32; Fuchs/Ritz/Rosenow/Ritz SGB IX 7. Aufl. § 177 Rn. 40; Knittel SGB IX 11. Aufl. § 94 Rn. 242; Kossens/von der Heide/Maaß SGB IX 4. Aufl. § 94 Rn. 46; Mushoff in Hauck/Noftz SGB IX Stand Dezember 2018 § 177 Rn. 68; Pahlen in Neumann/Pahlen/Greiner/Winkler/Jabben SGB IX 14. Aufl. § 177 Rn. 43; vgl. auch Bötzel Schwerbehindertenvertretung und Betriebsrat als Interessenvertretung schwerbehinderter Menschen im Betrieb S. 69 f.; Endres Schwellenwertregelungen im Arbeitsrecht S. 143; Sachadae Die Wahl der Schwerbehindertenvertretung S. 190; aA Trenk-Hinterberger in HK-SGB IX 3. Aufl. § 94 Rn. 39; Hohmann in Wiegand Schwerbehindertenrecht Stand Juni 2017 § 94 SGB IX Rn. 322 [bei Absinken der Anzahl der Beschäftigten im Betrieb insgesamt unter fünf]). Eine solche ausdrückliche Annahme stellt das Gesetz nicht auf; gegen sie sprechen vor allem normsystematische Erwägungen. Sie ist außerdem weder aus teleologischen Gründen geboten noch von der vom Landesarbeitsgericht angenommenen Parallelwertung betriebsverfassungs- und schwerbehindertenvertretungsrechtlicher Maßgaben getragen. 24 aa) Im Wortlaut von § 177 Abs. 1 Satz 1, Abs. 7 Satz 1 und Satz 3 SGB IX ist nicht angelegt, dass ein Absinken der Anzahl schwerbehinderter Beschäftigter unter „wenigstens fünf“ während der Amtszeit einer gewählten Schwerbehindertenvertretung zu deren Erlöschen führt. § 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX bindet die Wahl einer Vertrauensperson (und wenigstens eines stellvertretenden Mitglieds) an eine bestimmte Organisationseinheit (Betrieb und Dienststellen), in der eine bestimmte Anzahl (wenigstens fünf) schwerbehinderter Menschen nicht nur vorübergehend beschäftigt ist. Weder in dieser Vorschrift noch in denen zur Amtszeit (§ 177 Abs. 7 Satz 1 SGB IX) und zu den Tatbeständen eines vorzeitigen Erlöschens des Amts der Vertrauensperson (§ 177 Abs. 7 Satz 3 SGB IX) finden sich Anhaltspunkte dafür, dass der Schwellenwert von „wenigstens fünf schwerbehinderten Menschen“ die gesamte Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung erreicht sein muss. Allerdings verböte sich eine solche Interpretation angesichts des offenen Gesetzeswortlauts auch nicht von vornherein. 25 bb) Systematische Erwägungen sprechen gegen die Annahme, dass das Absinken der Beschäftigtenzahl iSv. § 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX unter den dort geregelten Schwellenwert den Wegfall einer errichteten Schwerbehindertenvertretung bewirkt. 26 (1) Der Schwellenwert des § 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX knüpft – anders als die auf die regelmäßige Zahl von Wahlberechtigten rekurrierende Betriebsratsfähigkeit eines Betriebs (vgl. § 1 Abs. 1 BetrVG) und Personalratsfähigkeit einer Dienststelle (vgl. im Anwendungsbereich des Bundespersonalvertretungsrechts § 13 Abs. 1 BPersVG) – nicht an die „in der Regel“ in der Organisationseinheit beschäftigte Anzahl schwerbehinderter Menschen an. Maßgeblich ist damit nicht die den Betrieb oder die Dienststelle allgemein kennzeichnende Anzahl schwerbehinderter Beschäftigter; entsprechend sind keine rückblickende Betrachtung und prognostische Einschätzung veranlasst (vgl. zu diesen Kriterien bei der Bestimmung betriebsverfassungsrechtlich relevanter Schwellenwerte der „in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer“ zB BAG 18. Januar 2017 – 7 ABR 60/15 – Rn. 34, BAGE 158, 19). Eine Prognose der Zahl nicht nur vorübergehend beschäftigter schwerbehinderter Menschen (und ihnen Gleichgestellter) ließe sich auch nur bedingt und unzuverlässig erstellen, denn diese hängt weder allein von betrieblichen Planungen ab noch ist sie aufgrund sonstiger objektiver Anhaltspunkte mit einiger Sicherheit vorhersehbar (vgl. BAG 16. November 2005 – 7 ABR 9/05 – Rn. 20, BAGE 116, 205 zu der Frage, ob die Wahl der Schwerbehindertenvertretung im vereinfachten Wahlverfahren durchzuführen ist; ebenso Sachadae Die Wahl der Schwerbehindertenvertretung S. 186 f.; zu prognostischen Ungewissheiten vgl. auch Düwell/Sachadae NZA 2014, 1241). Insoweit zeigt aber das Fehlen einer ausdrücklichen Regelung über ein (vorzeitiges) Amtsende der Schwerbehindertenvertretung im Falle der amtszeitigen Schwellenwertunterschreitung, dass deren Mandat gerade nicht von einer solchen Entwicklung abhängen soll. 27 (2) Für dieses Ergebnis streitet darüber hinaus der Normtextvergleich von § 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX mit § 178 Abs. 1 Satz 4 SGB IX. Bei letztgenannter Vorschrift ist die Möglichkeit der Heranziehung des mit der höchsten Stimmenzahl gewählten stellvertretenden Mitglieds zu bestimmten Aufgaben (nur) in Betrieben und Dienststellen „mit in der Regel mehr als 100 beschäftigten schwerbehinderten Menschen“ eröffnet. Die sprachlich modifizierte Fassung des Schwellenwerts legt den Schluss nahe, dass es bei § 178 Abs. 1 Satz 4 SGB IX – insoweit aber gerade anders als bei der auf das Mandat „an sich“ bezogenen Vorschrift des § 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX – auf einen Bestimmungszeitraum unter Berücksichtigung vergangener und künftiger Entwicklungen ankommen soll. 28 (3) Die Einbettung der Vorschriften zur Wahl und Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung in das Regelungsgefüge des SGB IX „Teil 3. Besondere Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen (Schwerbehindertenrecht)“ legt es darüber hinaus nahe, § 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX im Kontext mit der grundsätzlichen Verpflichtung privater oder öffentlicher Arbeitgeber zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen nach §§ 154 ff. SGB IX zu interpretieren. Das deutet auf eine dem Schwellenwert inhärente Grundannahme, dass allein die im Zeitpunkt der Wahl bestehende (Mindest-)Zahl der in dem Betrieb oder in der Dienststelle beschäftigten schwerbehinderten Menschen ausschlaggebend ist, weil diese typischerweise schon wegen der Befolgung der Beschäftigungspflicht während der Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung nicht unterschritten wird (ähnlich Düwell Wahl der Schwerbehindertenvertretung 3. Aufl. S. 43). 29 cc) Die Annahme einer Beendigung des Schwerbehindertenvertretungsmandats bei einem amtszeitigen Unterschreiten der Mindestzahl schwerbehinderter Beschäftigter iSd. § 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist nicht aus teleologischen Gründen geboten. Die Argumentation des Landesarbeitsgerichts, der Schwellenwert verhindere die Zersplitterung der Vertretungsorgane und stelle eine Bagatellgrenze dar – weshalb er nicht nur als Voraussetzung für die Wahl, sondern auch für den Bestand der Schwerbehindertenvertretung anzusehen sei -, verfängt nicht. Sie verkennt die Regelungskonzeption der Mindestzahlbestimmung (auch unter Berücksichtigung deren Normhistorie) sowie deren Sinn und Zweck. Auch die gesetzliche Ausgestaltung des Aufgabenkatalogs der Schwerbehindertenvertretung spricht nicht für eine solche Annahme. 30 (1) § 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX hebt beim Schwellenwert nicht auf die Zahl der im Betrieb (oder der Dienststelle) beschäftigten Arbeitnehmer ab, sondern auf die der dort nicht nur vorübergehend beschäftigten schwerbehinderten Menschen. Für die Errichtungsfähigkeit einer Schwerbehindertenvertretung ist demnach, anders als das Landesarbeitsgericht meint, nicht die – durch eine Zahl beschäftigter Arbeitnehmer ausgedrückte – Größe der Organisationseinheit „an sich“ entscheidend, sondern die Größe einer Beschäftigtengruppe. Bereits der historische Gesetzgeber hat den Schwellenwert bewusst von der Betriebsgröße entkoppelt. Während § 11 Abs. 2 des Gesetzes über die Beschäftigung Schwerbeschädigter vom 6. April 1920 (RGBl. I S. 458) eine besondere Vertretung der Interessen schwerbehinderter Menschen noch „in Betrieben, die wenigstens 100 Arbeitnehmer beschäftigen“ vorsah, war diese bereits mit § 12 Satz 2 des Gesetzes über die Beschäftigung Schwerbeschädigter in der vom 1. Januar 1923 ab gültigen Fassung (RGBl. I S. 58) ausschließlich an eine (Mindest-)Zahl schwerbehinderter Beschäftigter gebunden („Sofern in einem Betriebe wenigstens fünf schwerbeschädigte Arbeitnehmer nicht nur vorübergehend beschäftigt sind …“; vgl. auch Bötzel Schwerbehindertenvertretung und Betriebsrat als Interessenvertretung schwerbehinderter Menschen im Betrieb S. 5; Sachadae Die Wahl der Schwerbehindertenvertretung S. 134). 31 (2) Der so gefasste – beschäftigtengruppenbezogene – Schwellenwert bezweckt nicht die Privilegierung kleinster Organisationseinheiten. Mit ihm ist vielmehr sichergestellt, dass bei einer hinreichenden Zahl derjenigen Beschäftigten, deren spezifischen Interessen und Belangen die Bildung der Schwerbehindertenvertretung dient, eine solche gebildet werden kann. Darüber hinaus zeigt eine Zusammenschau mit den Regelungen zur Wahlberechtigung nach § 177 Abs. 2 SGB IX („… alle in dem Betrieb oder der Dienststelle beschäftigten schwerbehinderten Menschen“) und zur nicht auf schwerbehinderte Menschen beschränkten Wählbarkeit nach § 177 Abs. 3 SGB IX, dass die Mindestzahl des § 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX neben der Funktionsfähigkeit einer organisatorisch separaten Vertretung der schwerbehinderten Beschäftigten (so Endres Schwellenwertregelungen im Arbeitsrecht S. 143) der Sicherstellung deren Legitimation durch eine hinreichend große Personengruppe der Wahlberechtigten dient. Diese Funktion spiegelt ebenso § 177 Abs. 1 Satz 4 SGB IX, wonach abweichend vom betriebs- und personalvertretungsrechtlichen Organisationsrecht eine (gemeinsame) Schwerbehindertenvertretung für mehrere örtlich nahe liegende Betriebe oder Dienststellen gewählt werden kann, wenn sonst die nötige Mindestzahl des § 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX nicht erreicht wird. 32 (3) Dieser wahlzeitpunktbezogene Normzweck gebietet keine Annahme, das Amt der Schwerbehindertenvertretung sei mit dem Wegfall ihrer Errichtungsvoraussetzungen vorzeitig beendet. Deren ua. in § 178 SGB IX näher ausgestalteten Aufgaben setzen auch keine bestimmte Größe der Beschäftigtengruppe schwerbehinderter Menschen voraus und greifen zT selbst dann, wenn im Betrieb oder in der Dienststelle gar keine schwerbehinderten Menschen (mehr) beschäftigt sein sollten. Das belegen vor allem die Regelungen des § 178 Abs. 1 Satz 3 SGB IX – wonach die Schwerbehindertenvertretung Beschäftigte bei Anträgen auf Feststellung einer Behinderung, ihres Grades und einer Schwerbehinderung an die nach § 152 Abs. 1 SGB IX zuständigen Behörden sowie auf Gleichstellung an die Agentur für Arbeit unterstützt – sowie zu den Unterrichtungs-, Beteiligungs-, Anhörungs- und Einsichtsrechten der Schwerbehindertenvertretung im Stellenbesetzungsverfahren nach § 164 Abs. 1 Satz 4, Satz 6, Satz 7 und Satz 9 SGB IX sowie § 178 Abs. 2 Satz 4 SGB IX. Insofern soll die Schwerbehindertenvertretung gerade auch – und stärker als Betriebs- und Personalrat – die Eingliederung derer fördern, die noch nicht zur Belegschaft gehören (vgl. Düwell in Grobys/Panzer-Heemeier StichwortKommentar Arbeitsrecht 3. Aufl. Schwerbehindertenvertretung Rn. 5). Zudem ist die Vertrauensperson Verbindungsperson zur Bundesagentur für Arbeit und zu dem Integrationsamt, vgl. § 182 Abs. 2 Satz 2 SGB IX. Auch die nach § 178 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ausdrücklich neben die Vertretung der Interessen schwerbehinderter Menschen in dem Betrieb oder der Dienststelle tretende Aufgabe, schwerbehinderten Menschen beratend und helfend zur Seite zu stehen, entfällt nicht bei einem Unterschreiten der für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung maßgeblichen Mindestzahl. Sie spricht im Übrigen deutlich dafür, den Schwellenwert des § 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX nicht ausschließlich vor dem Hintergrund einer größenabhängigen (Selbst-)Repräsentanz der schwerbehinderten Menschen im Betrieb und in der Dienststelle zu interpretieren. 33 (4) Der vom Landesarbeitsgericht angeführten Vermeidung einer Zersplitterung der Vertretungsorgane im Betrieb (bzw. in der Dienststelle) dient nicht der Schwellenwert des § 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, sondern die Ausgestaltung der Funktion und Struktur der Schwerbehindertenvertretung. Diese ist in Bezug auf die im Betrieb (in der Dienststelle) beschäftigten schwerbehinderten Menschen gesetzliches Organ der Verfassung des Betriebs (bzw. der Dienststelle, vgl. auch BAG 13. Februar 2020 – 6 AZR 146/19 – Rn. 67 ff., BAGE 169, 362; 21. September 1989 – 1 AZR 465/88 – zu I 2 der Gründe, BAGE 62, 382; Raab GK-BetrVG 12. Aufl. § 32 Rn. 9 f.; ferner auch BeckOK ArbR/Mauer Stand 1. September 2022 BetrVG § 32 Rn. 1; HaKo-BetrVG/Düwell 6. Aufl. § 32 Rn. 10; HWK/Reichold 10. Aufl. § 32 BetrVG Rn. 2). Ihr kommt jedoch weder eine Befugnis zu, für die Gruppe der schwerbehinderten Menschen verbindliche kollektive Regelungen zu vereinbaren, noch hat sie erzwingbare Mitbestimmungsrechte. Diese nimmt vielmehr der Betriebsrat (oder der Personalrat) wahr, welcher die Interessen aller Arbeitnehmer des Betriebs (oder der Dienststelle) einschließlich der schwerbehinderten Beschäftigten gegenüber dem Arbeitgeber vertritt. Das trägt der Vermeidung einer Zersplitterung der Belegschaftsvertretung hinreichend Rechnung (vgl. Fitting 31. Aufl. § 32 Rn. 14). 34 dd) Die Argumentation des Landesarbeitsgerichts, der für den Betriebsrat geltende Grundsatz, dass dessen Amt bei einem Unterschreiten des Schwellenwerts von § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ende, sei auf die Schwerbehindertenvertretung wegen des Gebots eines Gleichlaufs der beiden Institutionen zu übertragen, verkennt den Wesensgehalt der schwerbehindertenvertretungsrechtlichen Bestimmungen. 35 (1) Das Postulat eines Gleichlaufs trägt schon deshalb nicht, weil die Schwerbehindertenvertretung eine autarke Interessenvertretung der schwerbehinderten Beschäftigten ist. Sie kann auch dann gebildet werden, wenn kein Betriebs- oder Personalrat besteht (vgl. Düwell in Grobys/Panzer-Heemeier StichwortKommentar Arbeitsrecht 3. Aufl. Schwerbehindertenvertretung Rn. 2; ders. HaKo-BetrVG 6. Aufl. § 32 Rn. 10; Mushoff in Hauck/Noftz SGB IX Stand Dezember 2018 § 177 Rn. 8; vgl. zu der demgegenüber – allerdings nicht unumstr. – Voraussetzung des Bestehens eines Betriebsrats als Voraussetzung für die Errichtung einer Jugend- und Auszubildendenvertretung zB Fitting 31. Aufl. § 60 Rn. 24 f.), wenngleich Betriebs- und Personalrat nach § 176 Satz 2 Halbs. 2 SGB IX auf ihre Wahl hinwirken. Es konterkariert zudem die gesetzliche Konzeption eines eigenständig-einheitlichen Regelungsrahmens für Schwerbehindertenvertretungen in Betrieben und Dienststellen und dessen Einbindung in die besonderen Bestimmungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen. 36 (2) Geht man dessen ungeachtet mit der Entscheidung des Senats vom 7. April 2004 (- 7 ABR 41/03 – zu B II 1 b der Gründe, BAGE 110, 159) und der nahezu einhelligen Auffassung im Schrifttum (vgl. zB die Nachweise bei Franzen GK-BetrVG 12. Aufl. § 1 Rn. 106) davon aus, dass die Amtszeit des Betriebsrats endet, wenn die Zahl der ständig beschäftigten Arbeitnehmer im Betrieb nicht nur vorübergehend unter fünf sinkt – und damit als Mindestzahl nicht nur Voraussetzung für die Wahl, sondern auch für den Bestand des Betriebsrats ist (so ausdr. Richardi/Maschmann BetrVG 17. Aufl. § 1 Rn. 144 f. unter Verweis auf RAG 17. Dezember 1930 BenshSlg. 10, 506) – begründen die verschiedenen Regelungskonzepte des BetrVG und des Teil 3. Kapitel 5 SGB IX gerade keine Übertragung dieser Rechtsfolge auf die Schwerbehindertenvertretung. 37 (a) Das belegen bereits die Unterschiede von § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG und § 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Während § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG bei der Errichtung des Betriebsrats an die Betriebsgröße anknüpft, stellt § 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX bei der Wahl einer Schwerbehindertenvertretung auf die Zahl schwerbehinderter Beschäftigter ab. § 1 Abs. 1 BetrVG hebt auf den Arbeitnehmerbegriff nach § 5 BetrVG ab, § 177 Abs. 1 SGB IX demgegenüber auf den Begriff der nicht nur vorübergehend beschäftigten schwerbehinderten Menschen (dazu ausf. zB Düwell in LPK-SGB IX 6. Aufl. § 177 Rn. 13). Die Wahlen von Schwerbehindertenvertretung und Betriebsrat finden zudem nach § 177 Abs. 5 Satz 1 SGB IX und § 13 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zu verschiedenen Zeitpunkten statt, allerdings hauptsächlich aus Gründen der Entzerrung. 38 (b) Der Betriebsrat ist ein Gremium, dessen Mitgliederzahl von der Größe des Betriebs abhängt (§ 9 BetrVG). Ändert sich die Belegschaftsstärke, bewirkt dies unter der Voraussetzung von § 13 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG eine (Neu-)Wahl des Betriebsrats außerhalb der regelmäßigen Betriebsratswahlen. Das BetrVG hält damit ausdrücklich eine Bestimmung vor, wenn sich die für die Betriebsratswahl maßgebende Belegschaftsstärke ändert. Die besondere Vertretung schwerbehinderter Beschäftigter ist demgegenüber unabhängig von deren Anzahl und der Betriebs-/Dienststellengröße als sog. Ein-Personen-Vertretung konzipiert (Düwell in LPK-SGB IX 6. Aufl. § 177 Rn. 6). Gewählt werden eine Vertrauensperson sowie mindestens ein stellvertretendes Mitglied. Das (die) mit der höchsten Stimmenzahl gewählte(n) stellvertretende(n) Mitglied(er) kann die Schwerbehindertenvertretung unter den Voraussetzungen des § 178 Abs. 1 Satz 4 und Satz 5 SGB IX zu bestimmten Aufgaben heranziehen. Das Sinken der Zahl der schwerbehinderten Beschäftigten bildet – konzeptionell konsequent – keinen Regelungsgegenstand. 39 (c) Der Verweis des Landesarbeitsgerichts auf § 177 Abs. 8 SGB IX iVm. § 21a BetrVG greift zu kurz. Nach § 21a Abs. 1 Satz 1 BetrVG, der gem. § 177 Abs. 8 SGB IX in Betrieben für die Schwerbehindertenvertretung entsprechend gilt, bleibt der Betriebsrat im Fall der Betriebsspaltung im Amt und führt die Geschäfte für die ihm bislang zugeordneten Betriebsteile weiter, soweit sie die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG erfüllen und nicht in einen Betrieb eingegliedert werden, in dem ein Betriebsrat besteht (Übergangsmandat). Sinn und Zweck des Übergangsmandats ist es, die Arbeitnehmer in der Übergangsphase einer Umstrukturierung vor dem Verlust der Beteiligungsrechte zu schützen (BT-Drs. 14/5741 S. 39). Das Übergangsmandat als Vollmandat (Fitting 31. Aufl. § 21a Rn. 20; Kreutz GK-BetrVG 12. Aufl. § 21a Rn. 37) dient der Überbrückung einer Phase des „Übergangs“ bis zu einer Neuwahl des Betriebsrats, wie sich insbesondere aus § 21a Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 BetrVG ergibt. Diese Überbrückungsfunktion ist obsolet, sofern der aus der Betriebsspaltung hervorgehende Betriebsteil nicht betriebsratsfähig iSd. § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist (vgl. Fitting 31. Aufl. § 21a Rn. 14; Kreutz GK-BetrVG 12. Aufl. § 21a Rn. 26). Das Betriebsratsmandat endet aber in diesem Fall nicht wegen des Unterschreitens des Schwellenwerts von § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, sondern als Folge der Betriebsspaltung (aA Kreutz GK-BetrVG 12. Aufl. § 21a Rn. 27). Entsprechend ist dem Verweis in § 177 Abs. 8 SGB IX auf § 21a BetrVG – anders als das Landesarbeitsgericht argumentiert – keine mittelbare Wertentscheidung des Gesetzgebers dahingehend zu entnehmen, das Unterschreiten des in § 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX festgelegten Schwellenwerts bewirke das vorzeitige Amtsende einer gewählten Schwerbehindertenvertretung (was dann auch nur im Anwendungsbereich des BetrVG und insbesondere nicht für in Dienststellen errichtete Schwerbehindertenvertretungen gölte; vgl. zu diesem ausdrücklich verlautbarten Regelungsgehalt des § 177 Abs. 8 SGB IX die Gesetzesbegründung BT-Drs. 18/9522 S. 315). 40 c) Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin bedingt schließlich § 180 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 1 Alt. 2 SGB IX, wonach die Gesamtschwerbehindertenvertretung bzw. die deren Rechte und Pflichten nach § 180 Abs. 1 Satz 2 SGB IX wahrnehmende Schwerbehindertenvertretung (hier nach Ansicht der Arbeitgeberin die in ihrem Betrieb in L errichtete Schwerbehindertenvertretung) auch die Interessen der schwerbehinderten Menschen vertritt, die in einem Betrieb tätig sind, für die eine Schwerbehindertenvertretung nicht gewählt ist, keine vorzeitige Beendigung des Amts der Antragstellerin wegen des Unterschreitens des Schwellenwerts von § 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX im Ker Betrieb. Die Mandatserstreckung der (Gesamt-)Schwerbehindertenvertretung setzt einen vertretungslosen Zustand voraus; sie vermag ihn nicht zu begründen.              Schmidt                  Waskow                  Hamacher                                    Welzel                  Wenckebach" bag_42-22,08.11.2022,"08.11.2022 42/22 - Nachkündigungen des Kabinenpersonals von Air Berlin wirksam Die Nachkündigungen des Kabinenpersonals der insolventen Fluggesellschaft Air Berlin vom 27. August 2020 sind grundsätzlich wirksam. Die Klägerin war bei Air Berlin als Flugbegleiterin mit Einsatzort Düsseldorf beschäftigt. Ihr Arbeitsverhältnis wurde wegen Stilllegung des Flugbetriebs zunächst mit Schreiben vom 27. Januar 2018 gekündigt. Diese Kündigung hat das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst. Nachdem der Senat mit Urteil vom 14. Mai 2020 (- 6 AZR 235/19 -) entschieden hatte, dass die Kündigungen des Kabinenpersonals wegen fehlerhafter Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 Abs. 1, Abs. 3 KSchG iVm. § 134 BGB unwirksam sind, hat der Beklagte den entsprechenden Kündigungsschutzantrag der Klägerin anerkannt. Im Rahmen einer weiteren Massenentlassung hat er nach Durchführung der erforderlichen Verfahren den verbliebenen Beschäftigten des Kabinenpersonals mit Schreiben vom 27. August 2020 erneut gekündigt. Die Klägerin hat auch diese Kündigung ua. wegen formeller Mängel für unwirksam gehalten. Die Vorinstanzen haben ihre Kündigungsschutzklage jedoch abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Die nunmehr streitbefangene Kündigung vom 27. August 2020 hat das Arbeitsverhältnis beendet. Sie ist wegen der Stilllegung des Flugbetriebs sozial gerechtfertigt. Die Anforderungen an das nach § 17 Abs. 2 KSchG mit der Personalvertretung durchzuführende Konsultationsverfahren wurden erfüllt, insbesondere wurde die Personalvertretung ausreichend über den Zeitraum der beabsichtigten Entlassungen informiert. Die Massenentlassungsanzeige wurde gemäß § 17 Abs. 3 KSchG bei der weiterhin zuständigen Agentur für Arbeit Düsseldorf vollständig erstattet. Eine Unwirksamkeit der Kündigung ergibt sich auch nicht aus sonstigen Gründen. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 8. November 2022 – 6 AZR 15/22 – Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 13. Oktober 2021 – 12 Sa 279/21 – Hinweis: Der Senat hat in einem Parallelverfahren (- 6 AZR 16/22 -) die Revision gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Dezember 2021 (- 5 Sa 981/21 -) ebenfalls zurückgewiesen.","Tenor 1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 13. Oktober 2021 – 12 Sa 279/21 – wird zurückgewiesen. 2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen. Leitsatz Leitet der Arbeitgeber entgegen § 17 Abs. 3 Satz 6 KSchG dem Betriebsrat keine Abschrift der Massenentlassungsanzeige zu, führt dies nicht zur Unwirksamkeit der im Rahmen der Massenentlassung erklärten Kündigungen. Tatbestand 1 Die Parteien streiten über den Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses. 2 Die 1969 geborene Klägerin war seit dem 1. Juli 1997 als Flugbegleiterin bei einer Fluggesellschaft beschäftigt. Der dort auf ihr Arbeitsverhältnis anwendbare Tarifvertrag sah vor, dass nach Vollendung des 50. Lebensjahres und mindestens 15 Jahren Beschäftigungszeit nur noch eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses möglich ist (§ 50 MTV Nr. 4 Kabinenpersonal LTU). 3 Das Arbeitsverhältnis ging schließlich auf die Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG (im Folgenden Schuldnerin) mit Sitz in Berlin über. Die von dieser Fluggesellschaft eingesetzten Flugzeuge standen nicht in deren Eigentum, sondern waren geleast. Sie führte neben dem eigenwirtschaftlichen Flugbetrieb auch noch Flüge im sog. Wet Lease für Unternehmen der Lufthansa-Gruppe, insbesondere für die Eurowings GmbH (im Folgenden Eurowings), durch. Die Schuldnerin stellte dabei die von ihr selbst geleasten Flugzeuge (sog. Head Lease) Eurowings als weiterer Leasingnehmerin (sog. Sub Lease) mit Besatzung, Wartung und Versicherung zur Verfügung. Für ihren gesamten Flugbetrieb unterhielt die Schuldnerin Stationen an den Flughäfen Berlin-Tegel, Düsseldorf, München, Frankfurt am Main, Stuttgart, Hamburg, Köln, Paderborn, Nürnberg und Leipzig. Der Dienstort der Klägerin war zuletzt Düsseldorf. 4 Durch den „Tarifvertrag Personalvertretung (TVPV) für das Kabinenpersonal der Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG“ (im Folgenden TVPV) war bei der Schuldnerin gemäß § 117 Abs. 2 BetrVG für das Kabinenpersonal die Personalvertretung Kabine (im Folgenden PV Kabine) errichtet. Nach § 74 Abs. 1 Satz 1 TVPV ist die PV Kabine vor jeder Kündigung zu hören. Die Gründe für die Kündigung sind gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 TVPV mitzuteilen. Eine ohne Anhörung der PV Kabine ausgesprochene Kündigung ist gemäß § 74 Abs. 1 Satz 3 TVPV unwirksam. 5 Für das Kabinenpersonal schloss die Schuldnerin zudem am 8. Dezember 2016 den Tarifvertrag „TV Air Berlin: Pakt für Wachstum und Beschäftigung“ (im Folgenden TV Pakt) ab. Dieser beschrieb Wachstumsperspektiven im Rahmen eines neuen Geschäftsmodells. Ausweislich § 2 Abs. 2 TV Pakt ging die Schuldnerin nicht davon aus, betriebsbedingte Beendigungskündigungen „durchführen zu müssen“. Gleichwohl unvermeidbare Kündigungen waren erst nach Abschluss eines Sozialtarifvertrags über einen Interessenausgleich und Sozialplan zulässig, der sich auf das gesamte Kabinenpersonal auf der Grundlage der Betriebszugehörigkeit ausrichten musste. 6 Unter dem 15. August 2017 beantragte die Schuldnerin beim zuständigen Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen bei Eigenverwaltung. Das Gericht ordnete zunächst die vorläufige Eigenverwaltung an. Der Beklagte wurde am 16. August 2017 zum vorläufigen Sachwalter bestellt. Am 12. Oktober 2017 unterzeichneten der Executive Director der persönlich haftenden Gesellschafterin der Schuldnerin, der Generalbevollmächtigte der Schuldnerin und der Beklagte für die Schuldnerin eine Erklärung, wonach der Geschäftsbetrieb der Schuldnerin zum 31. Januar 2018 stillgelegt werden sollte. Am 24. Oktober 2017 beschloss der vorläufige Gläubigerausschuss die vollständige Betriebseinstellung zum 31. Januar 2018 und wies die vorläufige Eigenverwaltung an, die erforderlichen Maßnahmen umzusetzen. 7 Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 1. November 2017 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet. Es wurde Eigenverwaltung angeordnet und der Beklagte zum Sachwalter bestellt. Dieser zeigte noch am gleichen Tag gegenüber dem Insolvenzgericht gemäß § 208 Abs. 1 Satz 2 InsO drohende Masseunzulänglichkeit an. Zudem stellte er ua. die Klägerin von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. 8 Zum 31. Dezember 2017 wurde der Flugbetrieb eingestellt. Die für dessen Aufrechterhaltung erforderlichen Lizenzen und Genehmigungen erloschen mit Ablauf des 31. Januar 2018. 9 Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 16. Januar 2018 wurde die Eigenverwaltung aufgehoben, das Insolvenzverfahren angeordnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestimmt. 10 Mit Schreiben vom 27. Januar 2018 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 30. April 2018. Mit Anerkenntnisurteil des Bundesarbeitsgerichts vom 21. Januar 2021 (- 6 AZR 18/20 -) wurde festgestellt, dass diese Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat. Dem Anerkenntnis liegt die zwischenzeitlich zu dem Personalabbau bei der Schuldnerin ergangene Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zugrunde. Demnach war die dafür nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG erforderliche Massenentlassungsanzeige nicht ordnungsgemäß iSd. § 17 Abs. 3 KSchG erstattet worden. Hieraus folgte die Unwirksamkeit der hierauf bezogenen Kündigungen (vgl. zu Piloten: BAG 13. Februar 2020 – 6 AZR 146/19 – BAGE 169, 362; 27. Februar 2020 – 8 AZR 215/19 – BAGE 170, 98; vgl. zu Flugbegleitern: BAG 14. Mai 2020 – 6 AZR 235/19 – BAGE 170, 244). 11 In Kenntnis der Ergebnisse der Verfahren – 6 AZR 146/19 – und – 8 AZR 215/19 – sowie der diesbezüglichen Pressemitteilungen des Bundesarbeitsgerichts Nr. 7/20 und Nr. 11/20, welche jeweils am Tag der Urteilsverkündung veröffentlicht wurden, leitete der Beklagte mit Schreiben vom 17. April 2020 ein neues Konsultationsverfahren (§ 17 Abs. 2 KSchG) gegenüber der PV Kabine ein. Er verwies auf die „fortgesetzte Betriebsstilllegung aufgrund des ursprünglichen Stilllegungsbeschlusses“ und wiederholte die Gründe für die bereits erfolgten Kündigungen. Hieran anknüpfend legte er den Stand der Stilllegung des Geschäftsbetriebs der Schuldnerin dar und führte dabei insbesondere an, dass der Flugbetrieb vollständig eingestellt sei, sämtliche Arbeitsverhältnisse aufgehoben bzw. gekündigt seien und nur noch die Restabwicklung mit einem Team von ca. 26 Mitarbeitern betrieben werde. Wegen der vollumfänglichen Betriebsstilllegung sei beabsichtigt, alle noch bestehenden Arbeitsverhältnisse zu beenden. Im Bereich Kabine betreffe dies bezogen auf die Station Düsseldorf 268 Beschäftigte. Es sei geplant, diesen wie allen anderen Beschäftigten zu kündigen. Hinsichtlich des Zeitraums, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen, heißt es im Schreiben vom 17. April 2020 auszugsweise wie folgt:          „Die geplanten Entlassungen sollen nach Durchführung und Abschluss des Konsultationsverfahrens sowie unter Beachtung der sonstigen Formalien, u.a. der Personalratsanhörung, bei bestehendem Sonderkündigungsschutz nach Zustimmung/Zulässigkeitserklärung des zuständigen Fachamtes etc. erfolgen. Aufgrund der in diesen Beteiligungsverfahren geltenden Fristen ist beabsichtigt, die Entlassungen ab Ende des Monats Mai 2020 vorzunehmen. Die Kündigungen sollen unter Berücksichtigung des § 113 InsO ausgesprochen werden, soweit nicht eine kürzere vertragliche bzw. tarifvertragliche Kündigungsfrist einschlägig ist, so dass sich das Kündigungsdatum und der Beendigungszeitpunkt entsprechend verschieben können.“ 12 Ferner erklärte der Beklagte, dass wegen der Kündigung aller Beschäftigten eine Sozialauswahl nicht erforderlich sein werde und legte eine Auflistung vor, aus der die Berufsgruppen bzw. Tätigkeiten der Beschäftigten, deren Geschlecht, Alter, Familienstand und Staatsangehörigkeit hervorgingen. 13 Mit Schreiben vom 20. Mai 2020 ergänzte der Beklagte seine Angaben bezüglich 66 noch nicht berücksichtigter Beschäftigter aus den Bereichen Kabine und Cockpit. Bezogen auf die Station Düsseldorf folgten hieraus weitere 27 und damit insgesamt 295 zu kündigende Angehörige des Kabinenpersonals. 14 Die anwaltliche Beraterin der PV Kabine verlangte mit Schreiben vom 4. Juni 2020 ergänzende Informationen. Sie stellte zum Themenkomplex „Betriebsänderung/mögliche Stilllegung“ insgesamt 17 Fragen, welche sich unter anderem auf die Zahl der bis Ende Januar 2018 im Wet Lease („ACMIO-Operation“) Beschäftigten, die Übertragung von Flugzeugen und Start- bzw. Landerechten („Slots“) an andere Fluggesellschaften, verwendete und ggf. übertragene Software, Nutzung von Räumlichkeiten oder Kundenbeziehungen sowie geistiges Eigentum bezogen. Fragen zur „möglichen Sozialauswahl“ betrafen ua. die Mitarbeiter des Abwicklungsteams und die Entlassung von Mitarbeitern im Zeitraum zwischen Oktober 2017 bis September 2019. Zum Themenkomplex „mildere Mittel“ wurde ua. gefragt, welche finanziellen Mittel bei Verhandlungen über Interessenausgleich und Sozialplan noch berücksichtigt werden könnten, warum und zu welchen Kosten ein Generalbevollmächtigter eingesetzt wurde, welche Rückstellungen für Schadensersatzforderungen bzw. Annahmeverzugsforderungen von Mitarbeitern gebildet worden seien und wie der Stand eines Verfahrens gegen eine andere Fluggesellschaft sei. 15 Mit E-Mail vom 5. Juni 2020 meldete der Beklagte ein weiteres betroffenes Arbeitsverhältnis nach. Zu den von der PV Kabine gestellten Fragen nahm er mit Schreiben vom 17. Juni 2020 Stellung. Bezüglich des Themenkomplexes „Betriebsänderung/mögliche Stilllegung“ legte er eine Liste der vormals im Wet Lease Beschäftigten vor. Hinsichtlich der Weiterverwendung der Flugzeuge machte er auf die einzelnen Maschinen bezogene Angaben. Unbeantwortet blieben Fragen zur nunmehrigen Wartung der ehemaligen „Air-Berlin-Maschinen“, zur Software und zur Übertragung von geistigem Eigentum. Hinsichtlich der zur „möglichen Sozialauswahl“ gestellten Fragen wurde der Grund für die Befristung der Arbeitsverhältnisse einzelner Bodenmitarbeiter im Abwicklungsteam dargelegt. Die bezogen auf „mildere Mittel“ gestellten Fragen wurden dahingehend beantwortet, dass für den Abschluss eines Sozialplans oder die Schaffung einer Transfergesellschaft keine gesonderten Mittel zur Verfügung stünden. Der Zeitpunkt einer Entscheidung in dem gegen eine andere Fluggesellschaft geführten Verfahren sei noch nicht absehbar. 16 Am 2. Juli 2020 fand zwischen der PV Kabine und Vertretern des Beklagten eine Telefonkonferenz statt. Hierbei sollten Vorschläge der PV Kabine besprochen werden, um die von dem Beklagten beabsichtigten Massenentlassungen zu vermeiden, zu beschränken oder abzumildern. Die PV Kabine vertrat die Auffassung, dass es zu einem Betriebsteilübergang auf eine andere Fluggesellschaft gekommen sei. Der Beklagte ging demgegenüber davon aus, dass eine vollständige Betriebsstilllegung vorliege. Die Fragen der PV Kabine vom 4. Juni 2020 sowie ergänzende Fragen wurden erörtert und seitens des Beklagten beantwortet. Die Massesituation der Schuldnerin wurde besprochen. Der Beklagte erklärte, dass kurzfristig nicht mit einem Massezufluss zu rechnen sei. Der Abschluss eines Insolvenzsozialplans nach § 123 InsO sowie weitergehende, teilweise noch offene Fragen zur Verwertung von Assets und Slots sowie zur Nutzung von Flughandbüchern wurden erörtert. Die PV Kabine bat abschließend um Beantwortung von drei weiteren Fragen bezüglich der Übertragung von Slots und geistigem Eigentum. 17 Der Beklagte erklärte diesbezüglich mit Schreiben vom 10. Juli 2020 unter Hinweis auf die Entscheidung des erkennenden Senats vom 14. Mai 2020 im Verfahren – 6 AZR 235/19 – (BAGE 170, 244), dass das Bundesarbeitsgericht bereits klargestellt habe, dass kein Betriebs(teil)übergang vorliege. Weitere, über die bisher schon erteilten hinausgehende Informationen seien daher nicht zweckdienlich. Die Fragen zur Übertragung von Slots und geistigem Eigentum wurden teilweise beantwortet. Schließlich wurde bezüglich sieben Beschäftigten die Stationszuordnung korrigiert. 18 Mit Schreiben vom 20. Juli 2020 bestand die PV Kabine unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Achten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 27. Februar 2020 (- 8 AZR 215/19 – BAGE 170, 98) auf der Beantwortung weiterer Fragen zur „Klärung eines Betriebsteilübergangs“ hinsichtlich des Wet Lease. Die PV Kabine hielt zudem die Fragen zur Übertragung von geistigem Eigentum nicht für ausreichend beantwortet und bat um eine Liste der technischen Handbücher, die übertragen worden seien. Hinsichtlich der Einsetzung eines Generalbevollmächtigten wurde nochmals die Bezifferung der hierdurch verursachten Kosten verlangt. Schließlich wurden Fragen bezüglich eines Bußgeldbescheids des Umweltbundesamtes in Höhe von über 80 Mio. Euro wegen Nichtrückgabe der Emissionsberechtigungen für Flüge gestellt. 19 Der Beklagte legte der PV Kabine mit Schreiben vom 27. Juli 2020 noch eine Liste der in den einzelnen Stationen vormals im Wet Lease eingesetzten Mitarbeiter vor und bot der PV Kabine eine abschließende ergebnisoffene Erörterung am 3. oder 4. August 2020 an. 20 Nachdem die PV Kabine hierauf nicht innerhalb der ihr dafür gesetzten Frist reagiert hatte, teilte ihr der Beklagte mit Schreiben vom 5. August 2020 mit, dass er „keine Möglichkeit der Wiedereröffnung des Geschäftsbetriebs der Schuldnerin in tatsächlicher Hinsicht“ sehe. Er habe sich daher entschlossen, die Kündigung der noch nicht rechtskräftig beendeten Arbeitsverhältnisse zu wiederholen. Zudem erklärte er das Konsultationsverfahren für beendet. Die PV Kabine widersprach der Beendigung des Konsultationsverfahrens mit Schreiben vom 7. August 2020. 21 Ebenfalls mit Schreiben vom 7. August 2020 hörte der Beklagte unter Wiederholung seiner Absichten und ergänzender Bezugnahme auf die im Konsultationsverfahren erteilten Auskünfte die PV Kabine zu der geplanten Kündigung aller Beschäftigten an (§ 74 TVPV). Die Sozialdaten der Betroffenen wurden in einer Anlage mitgeteilt. Das Schreiben ging der PV Kabine am 10. August 2020 zu. Mit Schreiben vom 13. August 2020 erwiderte die PV Kabine, sie sei insbesondere bezüglich eines möglichen Betriebsübergangs und der daraus folgenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten nicht ausreichend informiert worden. Hierauf reagierte der Beklagte mit Schreiben vom 17. August 2020 und legte zur Klarstellung eine modifizierte Mitarbeiterliste vor. Die PV Kabine hielt im Schreiben vom 21. August 2020 an ihrer Position fest. 22 Am 18. August 2020 erstattete der Beklagte bei der Agentur für Arbeit Düsseldorf auf dem von der Bundesagentur für Arbeit erstellten Formular eine Massenentlassungsanzeige bezüglich der Beschäftigten, welche von der Schuldnerin deren früherer Station Düsseldorf zugeordnet worden waren. Im Anzeigeformular wurde die (ehemalige) Station Düsseldorf als Betrieb angeführt. In der Formularrubrik „Stellungnahme des Betriebsrats“ wurde unter Ziffer 41 das Kästchen „ja“ angekreuzt und handschriftlich „siehe Beiblatt“ vermerkt. Die tariflichen Personalvertretungsstrukturen erläuterte der Beklagte in einer Anlage. Außerdem legte er der Anzeige ein 34-seitiges Anschreiben bei, in dem er die Gesamtsituation und den bisherigen Verlauf des Insolvenzverfahrens darstellte. Die „zum nächstmöglichen Zeitpunkt – voraussichtlich noch im August 2020“ geplante ordentliche Kündigung aller verbliebenen 358 Beschäftigten der Station Düsseldorf (davon Cockpit 64, Kabine 294) wurde mit der bereits erfolgten Stilllegung der Station begründet. Im normalen Geschäftsbetrieb seien in dieser Station im August 2017 noch 2.009 Personen beschäftigt gewesen. Die Berufsgruppen und Sozialdaten der Betroffenen wurden mitgeteilt. Eine Sozialauswahl sei wegen der Entlassung aller Beschäftigten nicht veranlasst. Die Kündigungen sollten unter Beachtung der jeweils maßgeblichen Kündigungsfrist gemäß § 113 InsO erklärt werden. Hinsichtlich der Beteiligung der verschiedenen Personalvertretungen wurde der jeweilige Schriftverkehr im Konsultations- und Anhörungsverfahren vorgelegt. Es wurde mitgeteilt, dass das Konsultationsverfahren mit dem Betriebsrat Boden Nord und der Personalvertretung (PV) Cockpit einvernehmlich beendet worden sei. Mit der PV Cockpit sei ein Insolvenzsozialplan abgeschlossen worden. Bezüglich der PV Kabine wurde die Erklärung der Beendigung des Konsultationsverfahrens mit Schreiben vom 5. August 2020 vorgelegt. Die Agentur für Arbeit Düsseldorf bestätigte mit Schreiben vom 21. August 2020 den Eingang der vollständigen Massenentlassungsanzeige am 19. August 2020. 23 Mit Schreiben vom 27. August 2020 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin nach § 113 InsO zum 30. November 2020. Hiergegen hat sich die Klägerin mit ihrer am 14. September 2020 beim Arbeitsgericht eingegangenen Kündigungsschutzklage gewandt. 24 Der Beklagte erklärte mit Schreiben vom 28. Januar 2021 nach erneuter Beteiligung der PV Kabine und weiterer Massenentlassungsanzeige vorsorglich eine weitere Kündigung zum 30. April 2021. Mit Klageerweiterung vom 2. Februar 2021 hat die Klägerin auch diese Kündigung angegriffen. 25 Sie hat die Auffassung vertreten, beide Kündigungen seien unwirksam. Bezüglich der Kündigung vom 27. August 2020 sei schon unklar, welche unternehmerische Entscheidung Grundlage der Kündigung sei. Der Beklagte habe im Vorfeld der Kündigung die Stilllegung eines bereits seit ca. zweieinhalb Jahren geschlossenen Betriebs nicht beschließen können. Denkbar sei lediglich die Entscheidung, den Betrieb nicht wiederzueröffnen und deshalb allen Beschäftigten zu kündigen. Dies sei aber keine die Kündigung rechtfertigende Organisationsentscheidung. Es handle sich dann letztlich um eine unzulässige Wiederholungskündigung bei gleichbleibendem Kündigungsgrund. Zudem verstoße die Kündigung gegen den durch Art. 9 Abs. 3 GG gesicherten Sonderkündigungsschutz nach § 50 MTV Nr. 4 Kabinenpersonal LTU und gegen § 2 Abs. 2 TV Pakt. Weiterhin scheitere die Kündigung an der nicht ordnungsgemäßen Durchführung des Konsultationsverfahrens mit der PV Kabine. Der Beklagte habe den Zeitraum der geplanten Entlassungen nicht hinreichend konkret benannt. Die Unwirksamkeit der Kündigung folge weiterhin aus der inhaltlich fehlerhaften Massenentlassungsanzeige, welche zudem bei einer unzuständigen Agentur für Arbeit erstattet worden sei. Der Beklagte sei unzutreffend davon ausgegangen, dass die vormalige Station in Düsseldorf nach wie vor der maßgebliche Betrieb sei. Nach Auflösung der Stationen dürfe nicht mehr auf die frühere betriebliche Struktur abgestellt werden. Die Massenentlassungsanzeige hätte sich auf alle verbliebenen Beschäftigten beziehen und bei der für den Unternehmenssitz in Berlin zuständigen Agentur für Arbeit eingereicht werden müssen. Auch die nach § 74 TVPV erforderliche Anhörung der PV Kabine sei nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden. Es fehle der Hinweis auf den tariflichen Sonderkündigungsschutz und die Regelung des § 2 Abs. 2 TV Pakt. Die Kündigung vom 28. Januar 2021 sei aus denselben Gründen unwirksam. 26 Die Klägerin hat beantragt,          1.     festzustellen, dass das zwischen ihr und dem Beklagten bzw. der Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG bestehende Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 27. August 2020 nicht aufgelöst worden ist;          2.     hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. festzustellen, dass das zwischen ihr und dem Beklagten bzw. der Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG bestehende Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 28. Januar 2021 nicht aufgelöst worden ist. 27 Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Kündigungen seien wegen der schon von der Schuldnerin beschlossenen und tatsächlich erfolgten Stilllegung des Flugbetriebs sozial gerechtfertigt. Die Rechte der PV Kabine seien gewahrt. Die Massenentlassung sei ordnungsgemäß gegenüber der zuständigen Agentur für Arbeit angezeigt worden. 28 Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt die Klägerin ihre Klageziele weiter. Entscheidungsgründe 29 Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die Kündigung vom 27. August 2020 ist wirksam, der Hauptantrag deshalb unbegründet. Der nur für den Fall des Obsiegens mit dem Hauptantrag gestellte Hilfsantrag fiel dem Senat demzufolge nicht zur Entscheidung an. 30 I. Der Hauptantrag ist als gemäß § 4 Satz 1 KSchG formulierte Kündigungsschutzklage zulässig. Er ist damit hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (vgl. BAG 10. Dezember 2020 – 2 AZR 308/20 – Rn. 13, BAGE 173, 233; 13. Dezember 2007 – 2 AZR 818/06 – Rn. 19). Dem steht nicht entgegen, dass der Antrag den Beklagten und die Schuldnerin alternativ als Vertragspartner benennt. Das Landesarbeitsgericht hat diesbezüglich zutreffend angeführt, der Antrag beziehe sich offensichtlich auf das mit der Schuldnerin begründete Arbeitsverhältnis, welches nunmehr der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Beklagten als Insolvenzverwalter unterfalle. Dies steht zwischen den Parteien auch nicht in Streit. 31 II. Der Hauptantrag ist jedoch unbegründet. Die Kündigung vom 27. August 2020 hat das Arbeitsverhältnis zum 30. November 2020 aufgelöst. 32 1. Die Kündigung ist wegen der bereits zum 31. Dezember 2017 erfolgten Stilllegung des Flugbetriebs durch dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG gerechtfertigt. Dies hat der Senat bezüglich der erstmaligen Kündigungen des Kabinenpersonals vom 27. Januar 2018 bereits entschieden und dabei klargestellt, dass es zu keinem Betriebs(teil)übergang iSv. § 613a Abs. 1 BGB gekommen ist (vgl. BAG 14. Mai 2020 – 6 AZR 235/19 – Rn. 57 ff., 89 ff., BAGE 170, 244). Die Einstellung des Flugbetriebs hat das Beschäftigungsbedürfnis für das Kabinenpersonal, dem die Klägerin zugehörig war, endgültig entfallen lassen. Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten sind nicht ersichtlich. Die Angriffe der Revision geben keinen Anlass zu einer Änderung dieser Rechtsprechung. Die Nachkündigung ist deshalb sozial gerechtfertigt. 33 a) Entgegen der Auffassung der Revision hat die ursprüngliche Entscheidung der Schuldnerin bezüglich der Betriebstilllegung zum dauerhaften Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses aller im Flugbetrieb eingesetzten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geführt. 34 aa) Die Schuldnerin hatte bereits in der vorläufigen Eigenverwaltung im Oktober 2017 den ernsthaften und endgültigen Entschluss gefasst, den Betrieb spätestens zum 31. Januar 2018 stillzulegen. Der Beklagte hat das von der Schuldnerin beschlossene Stilllegungskonzept umgesetzt und in diesem Zusammenhang ua. die Kündigungen des Kabinenpersonals im Januar 2018 erklärt (vgl. BAG 14. Mai 2020 – 6 AZR 235/19 – Rn. 19 ff., BAGE 170, 244). Für die streitgegenständliche Kündigung gilt nichts Anderes. Der Beklagte hat sich nach seinem Vortrag und ausweislich der Schreiben an die PV Kabine unverändert die Stilllegungsentscheidung der Schuldnerin zu eigen gemacht und auf dieser Grundlage im Jahr 2020 lediglich Nachkündigungen erklärt, die zur Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung notwendig geworden waren, weil die ersten Kündigungen aus formalen Gründen unwirksam waren. Es handelt sich nicht um eine weitere Kündigungswelle, welche auf ein eigenständiges unternehmerisches Konzept zurückzuführen wäre. Das bloße Festhalten an der Entscheidung der Schuldnerin stellt keine eigene unternehmerische Entscheidung dar, sondern ist Teil der Abwicklung des Insolvenzverfahrens (zur Verpflichtung des Insolvenzverwalters aus § 208 Abs. 3 InsO vgl. BAG 25. August 2022 – 6 AZR 441/21 – Rn. 53). Zu diesem Schluss kommt letztlich auch das Landesarbeitsgericht, wenn es anführt, es mache inhaltlich keinen Unterschied, ob an der Entscheidung der Schuldnerin festgehalten oder die Stilllegungsentscheidung „wiederholt“ worden sei. Entgegen der Auffassung der Revision ist das Innehaben der Rechtsmacht zur Abänderung einer Entscheidung nicht mit der Notwendigkeit, eine solche Entscheidung tatsächlich zu treffen, gleichzusetzen. Dies gilt auch bezüglich der Verwaltungsbefugnis nach § 80 Abs. 1 InsO. 35 bb) Dessen ungeachtet ist auch nicht ersichtlich, dass der Beklagte nach dem Erlöschen der Lizenzen zur Führung eines Flugbetriebs zum 31. Januar 2018, der Weggabe der Flugzeuge und dem Verlust der Start- und Landerechte überhaupt noch eine reale Entscheidungsmöglichkeit zur Wiederaufnahme des Flugbetriebs gehabt hätte. 36 b) Die Kündigung scheitert nicht an einer fehlerhaften Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei ausgeführt, dass in Folge der Betriebsstilllegung keine Flugbegleiterinnen mehr beschäftigt wurden und sich eine Sozialauswahl mangels Vergleichbarkeit nicht auf die 26 Beschäftigten, welche mit der Abwicklung des Unternehmens betraut wurden, beziehe. Dem tritt die Revision nicht entgegen. 37 2. Bei der streitgegenständlichen Kündigung handelt es sich nicht um eine unzulässige Wiederholungskündigung. Eine solche liegt nicht vor, wenn es sich bei dem Kündigungssachverhalt um einen sog. Dauertatbestand handelt oder wenn die frühere Kündigung bereits aus formellen Gründen für unwirksam erklärt worden ist (vgl. BAG 27. April 2021 – 2 AZR 357/20 – Rn. 36 mwN). Beides ist hier der Fall. Die unstreitige Stilllegung des Flugbetriebs ist ein Dauertatbestand. Zudem scheiterte die Kündigung der Klägerin vom 27. Januar 2018 letztlich an der fehlerhaften Massenentlassungsanzeige und damit an einer Formalität. 38 3. Der tarifliche Sonderkündigungsschutz der Klägerin nach § 50 MTV Nr. 4 Kabinenpersonal LTU kommt gemäß § 113 Satz 1 InsO nicht zur Anwendung. 39 a) Nach § 113 Satz 1 InsO kann ein Dienstverhältnis, bei dem der Schuldner der Dienstberechtigte ist, vom Insolvenzverwalter und vom anderen Teil ohne Rücksicht auf eine vereinbarte Vertragsdauer oder einen vereinbarten Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung gekündigt werden. Das Kündigungsrecht kann nicht durch einzelvertragliche, tarifvertragliche oder sonstige kollektivrechtliche Vereinbarung ausgeschlossen werden. Tarifvertraglich unkündbare Arbeitsverhältnisse sind daher im Insolvenzverfahren ordentlich kündbar. Dies stellt selbst bei beiderseitiger Tarifbindung keinen ungerechtfertigten Eingriff in die nach Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie dar. Neben einer übermäßigen Belastung der Masse könnte eine Fortgeltung tariflicher Bestandsschutzregelungen eine mögliche Sanierung gefährden. Insbesondere würde die zu diesem Zweck durch § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 InsO ermöglichte Schaffung einer ausgewogenen Personalstruktur konterkariert, wenn eine bestimmte Beschäftigtengruppe ordentlich unkündbar wäre. Eine solche Einschränkung der Sanierungsfähigkeit würde Gemeinwohlbelange missachten. Der Gesetzgeber hat die Schwere der Belastung der betroffenen Arbeitnehmer zudem dadurch gemildert, dass er keine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern eine Kündigungsfrist von drei Monaten vorgesehen hat. Darüber hinaus hat er in § 113 Satz 3 InsO eine – wenn auch lediglich im Range einer Insolvenzforderung stehende – finanzielle Entschädigung in Form des Anspruchs auf verschuldensunabhängigen Ersatz des sog. Verfrühungsschadens geschaffen. In der Gesamtschau ist die Durchbrechung tariflichen Sonderkündigungsschutzes durch § 113 InsO deshalb verhältnismäßig im engeren Sinn (BAG 16. Mai 2019 – 6 AZR 329/18 – Rn. 27, BAGE 166, 363). 40 b) Entgegen der Auffassung der Revision ist es zum Schutz der Tarifautonomie nicht geboten, bei ordentlicher Unkündbarkeit nur die Erklärung einer außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist zuzulassen. Der Gesetzgeber hat mit § 113 InsO, wie ausgeführt, das Verhältnis von Insolvenzverfahren und tariflichem Sonderkündigungsschutz in verfassungskonformer Weise abschließend geregelt. Dabei hat er sich in Satz 1 der Bestimmung bewusst gegen die Übernahme der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entschieden (Einzelheiten zur Entstehungsgeschichte des § 113 Satz 1 InsO BAG 16. Juni 1999 – 4 AZR 191/98 – zu II 1 b bb der Gründe, BAGE 92, 41), wonach der Konkursverwalter an tarifvertragliche Unkündbarkeitsklauseln gebunden war, weil auch tarifvertragliche Kündigungsfristen zu den gesetzlichen Kündigungsfristen iSv. § 22 KO gehörten. Deshalb konnte das ordentlich unkündbare Arbeitsverhältnis nach der Konkursordnung nur außerordentlich, ggf. unter Wahrung einer Auslauffrist, gekündigt werden (BAG 28. März 1985 – 2 AZR 113/84 – zu B III 2 b der Gründe, BAGE 48, 220; 7. Juni 1984 – 2 AZR 602/82 – zu B II 6 der Gründe, BAGE 46, 206). Die aus dieser Entstehungsgeschichte folgende Eröffnung der Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung durch den Insolvenzverwalter ist als Teil des gesetzlichen Gesamtkonzepts von der Rechtsprechung zu respektieren und verletzt die Tarifautonomie nicht. Zudem führte die Ansicht der Revision jedenfalls bei Betriebsstilllegungen praktisch zum selben Ergebnis. In anderen Fällen wäre die außerordentliche Kündigung mit Unsicherheiten behaftet, welche wiederum die Sanierung gefährden könnten (zu den Anforderungen an eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung vgl.: BAG 27. April 2021 – 2 AZR 357/20 – Rn. 21 ff.; 27. Juni 2019 – 2 AZR 50/19 – Rn. 14 ff.; 20. Juni 2013 – 2 AZR 379/12 – Rn. 21, BAGE 145, 265). 41 c) Letztlich kann dies aber dahingestellt bleiben. Die Klägerin hat keine Tarifgebundenheit aufgrund Gewerkschaftszugehörigkeit behauptet. Nur bei beiderseitiger Tarifgebundenheit kommt eine Verletzung der Tarifautonomie überhaupt in Betracht. Bei bloßer Inbezugnahme gilt der tarifliche Kündigungsschutz nur auf vertraglicher Grundlage und wird als Vertragsrecht ohne Weiteres von § 113 Satz 1 InsO verdrängt (BAG 16. Mai 2019 – 6 AZR 329/18 – Rn. 25, BAGE 166, 363). Schon deshalb ist entgegen der Revision kein Verstoß gegen die Vereinigungsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG bzw. Art. 12 Abs. 1 GRC erkennbar. 42 4. Die Regelung in § 2 Abs. 2 TV Pakt steht der Wirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung nicht entgegen. Der TV Pakt erfasst nicht die Stilllegung des Geschäftsbetriebs der Schuldnerin, sondern bezieht sich auf „Wachstum und Beschäftigung“. Anders als die Revision meint, setzt der TV Pakt den angestrebten Fortbestand des Betriebs voraus (BAG 21. Januar 2020 – 1 AZR 149/19 – Rn. 26 ff., BAGE 169, 243). Die Betriebsstilllegung ist nicht nur eines von mehreren „Szenarien“, in denen der Beschäftigungsbedarf entfällt. Sie beendet die Perspektiven, welche der TV Pakt sichern will und macht ihn hinfällig. 43 5. Die Kündigung vom 27. August 2020 ist Teil einer anzeigepflichtigen Massenentlassung iSv. § 17 Abs. 1 KSchG. Der Beklagte hat zu Recht dieses Verfahren bezogen auf die Station Düsseldorf durchgeführt. 44 a) Der in § 17 KSchG geregelte besondere Kündigungsschutz bei Massenentlassungen unterfällt in zwei getrennt durchzuführende Verfahren mit jeweils eigenen Wirksamkeitsvoraussetzungen, nämlich die in § 17 Abs. 2 KSchG normierte Pflicht zur Konsultation des Betriebsrats einerseits und die in § 17 Abs. 1, Abs. 3 KSchG geregelte Anzeigepflicht gegenüber der Agentur für Arbeit andererseits. Beide Verfahren stehen selbstständig nebeneinander und sind auch vor einer Betriebsstilllegung durchzuführen (BAG 13. Februar 2020 – 6 AZR 146/19 – Rn. 30 mwN, BAGE 169, 362; 13. Juni 2019 – 6 AZR 459/18 – Rn. 40, BAGE 167, 102). Dies gilt ebenso bei Nachkündigungen (vgl. BAG 22. September 2016 – 2 AZR 276/16 – Rn. 37, BAGE 157, 1). Zwar kann man dann insbesondere den Sinn einer erneuten Massenentlassungsanzeige in Frage stellen, weil die Agentur für Arbeit schon aufgrund der zwischenzeitlichen Arbeitslosmeldungen der betroffenen Arbeitnehmer ihre Vermittlungsbemühungen begonnen hat oder solche nicht (mehr) erforderlich waren, weil die Arbeitnehmer wieder Arbeitsverhältnisse begründet haben. Der Gesetzgeber hat jedoch keine entsprechenden Ausnahmen in § 17 KSchG vorgesehen. 45 b) Der Beklagte hat vorliegend eine nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG anzeigepflichtige Massenentlassung beabsichtigt. Als Betrieb iSv. § 17 Abs. 1 KSchG ist dabei entgegen der Auffassung der Revision die frühere Station Düsseldorf anzusehen. Von den ehemals knapp 360 Beschäftigten, welche dieser Station zugeordnet und deren Arbeitsverhältnisse noch nicht beendet waren, sollten alle nahezu zeitgleich entlassen werden, soweit nicht behördliche Zustimmungsverfahren zu durchlaufen waren. Der Schwellenwert des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG ist damit bezogen auf den Zeitraum von 30 Kalendertagen überschritten. 46 aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der Betriebsbegriff des § 17 Abs. 1 KSchG wegen Art. 1 Abs. 1 Buchst. a Unterabs. i der Richtlinie 98/59/EG (sog. Massenentlassungsrichtlinie, im Folgenden MERL) unionsrechtlich determiniert. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) ist der Begriff „Betrieb“ dahin auszulegen, dass er nach Maßgabe der Umstände die Einheit bezeichnet, der die von der Entlassung betroffenen Arbeitnehmer zur Erfüllung ihrer Aufgabe angehören. Es muss sich um eine unterscheidbare Einheit von einer gewissen Dauerhaftigkeit und Stabilität handeln, die zur Erledigung einer oder mehrerer bestimmter Aufgaben bestimmt ist und über eine Gesamtheit von Arbeitnehmern sowie über technische Mittel und eine organisatorische Struktur zur Erfüllung dieser Aufgaben verfügt. Da die MERL die sozioökonomischen Auswirkungen betrifft, die Massenentlassungen in einem bestimmten örtlichen Kontext und einer bestimmten sozialen Umgebung hervorrufen können, muss die fragliche Einheit weder rechtliche noch wirtschaftliche, finanzielle, verwaltungsmäßige oder technologische Autonomie besitzen, um als „Betrieb“ qualifiziert werden zu können (BAG 13. Februar 2020 – 6 AZR 146/19 – Rn. 33 mwN, BAGE 169, 362; vgl. auch Brams Anm. AP KSchG 1969 § 17 Nr. 56; Lindemann Anm. AP KSchG 1969 § 17 Nr. 57; Krings NJW 2020, 2765; Schubert EWiR 2020, 509, 510; Senk Anm. AP BGB § 613a Nr. 480 unter II). 47 bb) Bezogen auf die im November 2017 und Januar 2018 erklärten Kündigungen hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass die Station der Schuldnerin am Flughafen Düsseldorf für das dorthin zugeordnete Personal den Betrieb iSd. MERL und damit des § 17 KSchG darstellt (BAG 14. Mai 2020 – 6 AZR 235/19 – Rn. 114 ff., BAGE 170, 244; 13. Februar 2020 – 6 AZR 146/19 – Rn. 36 ff., BAGE 169, 362; zur Station Köln vgl. BAG 27. Februar 2020 – 8 AZR 215/19 – Rn. 173 ff., BAGE 170, 98; kritisch Moll RdA 2021, 49, 52). 48 cc) Gleiches gilt auch bezüglich der Nachkündigungen, welche wegen der Unwirksamkeit der ersten Kündigungen erklärt wurden. Dabei ist entgegen der Revision ohne Belang, dass die Station Düsseldorf ebenso wie die anderen Stationen als „unterscheidbare Einheit“ im Zeitpunkt des Kündigungszugangs im August 2020 nicht mehr existierte. Entscheidend ist, dass die Beschäftigten der vormaligen Station Düsseldorf bis dahin keiner anderen Organisationseinheit zugeordnet worden waren. Weder die Schuldnerin noch der Beklagte nahmen eine Umstrukturierung des Gesamtbetriebs zur Fortführung der Geschäftstätigkeit oder im Zusammenhang mit dessen Abwicklung vor. Stattdessen wurde der Flugbetrieb zum 31. Dezember 2017 vollständig eingestellt. Für das fliegende Personal, welches nicht in der Zentrale in Berlin mit Abwicklungsarbeiten betraut wurde, verblieb es daher formell bei der zuletzt maßgeblichen Stationszugehörigkeit, auch wenn es überwiegend schon zum 1. November 2017 freigestellt worden war. Ein organisatorischer Bezug zum Unternehmenssitz in Berlin wurde für diese Beschäftigtengruppe nicht mehr begründet. Damit blieb auch der örtliche Kontext zu Düsseldorf gewahrt. Die durch die Schließung der Station in Düsseldorf ausgelöste Massenentlassung hat nach der Konzeption der MERL und des § 17 Abs. 1 KSchG auch nach der Betriebsstilllegung allein dort ihre sozioökonomischen Auswirkungen, so dass das Massenentlassungsverfahren nach wie vor in der aufgelösten Struktur durchzuführen war. Ob bezogen auf die Luftfahrtbranche tatsächlich ein globalisierter Arbeitsmarkt besteht, ändert an dieser typisierenden, branchenunabhängigen Konzeption nichts. 49 6. Der Beklagte hat das Konsultationsverfahren wirksam durchgeführt. 50 a) Die auf tarifvertraglicher Grundlage gebildete und für das Kabinenpersonal zuständige PV Kabine als zuständiges Gremium wurde im Konsultationsverfahren ordnungsgemäß nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG unterrichtet. Dies hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei entschieden. 51 aa) Das Konsultationsverfahren ist vor Folgekündigungen noch einmal durchzuführen, wenn – wie hier – abermals ein Massenentlassungstatbestand vorliegt und noch eine beteiligungsfähige Arbeitnehmervertretung besteht (BAG 22. September 2016 – 2 AZR 276/16 – Rn. 37, BAGE 157, 1; 22. April 2010 – 6 AZR 948/08 – Rn. 20, BAGE 134, 176). 52 bb) Der Beklagte hat das Konsultationsverfahren mit Schreiben vom 17. April 2020 rechtzeitig eingeleitet. Der Rechtzeitigkeit steht nicht entgegen, dass die Stilllegung bei der Verfahrenseinleitung bereits unumkehrbar war. Dies war hier unvermeidbar, weil die Nachkündigungen, wie dargelegt, auf derselben Stilllegungsentscheidung wie die formunwirksamen vorausgegangenen Kündigungen beruhten und die Stilllegung zwischenzeitlich vollzogen worden war. Insbesondere waren im Zeitpunkt der Nachkündigungen die für die Aufrechterhaltung des Flugbetriebs erforderlichen Lizenzen und Genehmigungen seit mehr als zwei Jahren erloschen. Es genügte, das Konsultationsverfahren rechtzeitig vor Erklärung der Nachkündigungen einzuleiten (vgl. BAG 22. September 2016 – 2 AZR 276/16 – Rn. 38, BAGE 157, 1). Anderenfalls wäre eine Nachkündigung in dieser Konstellation rechtlich unmöglich, weil mangels möglicher Einflussnahme der Arbeitnehmervertretung auf die Stilllegungsentscheidung ein Konsultationsverfahren niemals mehr rechtzeitig eingeleitet werden könnte (zur Ermöglichung der Einflussnahme vgl. EuGH 3. März 2011 – C-235/10 ua. – [Claes] Rn. 56; BAG 13. Juni 2019 – 6 AZR 459/18 – Rn. 41 mwN, BAGE 167, 102). Die Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung zur Stilllegung des Betriebs wäre dann ausgeschlossen. Die MERL lässt als lediglich teilharmonisierendes Unionsrecht aber die unternehmerische Entscheidungsfreiheit unangetastet und regelt nur das bei Massenentlassungen erforderliche Verfahren, wobei Entlassungen nach dessen ordnungsgemäßer Durchführung möglich bleiben müssen (vgl. EuGH 21. Dezember 2016 – C-201/15 – [AGET Iraklis] Rn. 29 ff., 41). § 17 Abs. 2 KSchG statuiert als bloßes Umsetzungsrecht deshalb kein Verbot solcher Nachkündigungen, sondern knüpft an die der Planung zugrundeliegenden tatsächlichen Verhältnisse an. Die Einflussnahmemöglichkeit der Arbeitnehmervertretung reduziert sich dann faktisch auf die Abmilderung der Stilllegungsfolgen. 53 cc) Der Beklagte hat der PV Kabine die zweckdienlichen Auskünfte erteilt und dabei die nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 6 KSchG geforderten Angaben gemacht. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei unter Bezugnahme auf die Schreiben des Beklagten vom 17. April 2020 und 20. Mai 2020 eine ausreichende schriftliche Unterrichtung bejaht. 54 (1) Der Beklagte hat schon im Schreiben vom 17. April 2020 die Gründe für die geplanten Entlassungen unter Darstellung des bisherigen Verlaufs des Insolvenzverfahrens benannt. Dabei hätte schon die Angabe genügt, dass nicht beabsichtigt sei, den stillgelegten Betrieb wieder aufzunehmen (vgl. BAG 22. September 2016 – 2 AZR 276/16 – Rn. 40, BAGE 157, 1). Die Zahl und Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer wurde bezogen auf die Station Düsseldorf als den Betrieb iSv. § 17 Abs. 1 KSchG mitgeteilt. Da keine Sozialauswahl beabsichtigt war, erübrigte sich die Benennung von Auswahlkriterien. Gleiches gilt bezüglich der Berechnung von Abfindungen. Die Revision erhebt insoweit auch keine Rügen. 55 (2) Der Revisionsangriff richtet sich vielmehr gegen die Ansicht des Landesarbeitsgerichts, der Beklagte habe bereits im Schreiben vom 17. April 2020 den Zeitraum, in dem die (geplanten) Entlassungen vorgenommen werden sollten, hinreichend iSv. § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KSchG benannt. Nach Auffassung der Revision fehlt es an der Angabe des Endes des geplanten Zeitraums. Diese Rüge, welche sich auf einen Rechtsfehler und nicht auf einen Verfahrensfehler bezieht, ist unbegründet. 56 (a) Im Ausgangspunkt geht die Revision zutreffend davon aus, dass unter einem Zeitraum eine bestimmte Zeit bzw. eine Zeitspanne zu verstehen ist (Wahrig Deutsches Wörterbuch 9. Aufl. Stichwort: Zeitraum). Dies beinhaltet bei der Angabe eines Zeitraums dessen von Beginn und Ende eingegrenzte Dauer. Zu Gunsten der Revision kann unterstellt werden, dass dieses Sprachverständnis auch für Art. 2 Abs. 3 Satz 1 Buchst. b Unterabs. iv MERL, welchen § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KSchG umsetzt, gilt. Dann müsste der Zeitraum angegeben werden, in dem die beabsichtigten Kündigungen den betroffenen Arbeitnehmern zugehen werden. Das wäre insoweit systemkonform, als der Massenentlassungsschutz an den Zugang der Kündigungserklärung anknüpft (vgl. hierzu BAG 13. Juni 2019 – 6 AZR 459/18 – Rn. 34 mwN, BAGE 167, 102). 57 (b) Im Zeitpunkt der Einleitung des Konsultationsverfahrens kann der Arbeitgeber jedoch noch nicht angeben, wann die Kündigungen zugehen werden, denn dies hängt vom Verlauf des Konsultationsverfahrens, insbesondere dessen Dauer, ab. Ob und wie viele Kündigungen zu welchem Zeitpunkt erfolgen sollen, ist zudem gerade Gegenstand der zu führenden Beratungen. Es genügt daher jedenfalls zu Beginn des Konsultationsverfahrens die Mitteilung des Monats, in dem der Arbeitgeber nach seinem aktuellen Planungsstand die Kündigungen erklären will (vgl. MHdB ArbR/Spelge 5. Aufl. Bd. 2 § 121 Rn. 140; KR/Weigand/Heinkel 13. Aufl. § 17 KSchG Rn. 116; in diesem Sinne auch LKB/Bayreuther 16. Aufl. § 17 Rn. 79; ErfK/Kiel 22. Aufl. KSchG § 17 Rn. 22; Lembke/Oberwinter in Thüsing/Rachor/Lembke KSchG 4. Aufl. § 17 Rn. 104; aA Salamon NZA 2015, 789, 791: auf Zugang der Kündigungserklärung abstellend). Dies entspricht der bereits erwähnten (Rn. 52) unionsrechtlich determinierten Zielsetzung des Konsultationsverfahrens, welches der Arbeitnehmervertretung Einfluss auf die Willensbildung des Arbeitgebers ermöglichen soll, um ggf. Massenentlassungen zu vermeiden bzw. zu beschränken oder zumindest deren Folgen durch soziale Begleitmaßnahmen zu mildern (vgl. EuGH 3. März 2011 – C-235/10 ua. – [Claes] Rn. 56; BAG 13. Juni 2019 – 6 AZR 459/18 – Rn. 41 mwN, BAGE 167, 102). Das Bundesarbeitsgericht hat dementsprechend bei Angabe der Kündigungsfristen die Angabe ausreichen lassen, die Kündigungen sollten „möglichst im Juli ausgesprochen“ werden (BAG 28. Mai 2009 – 8 AZR 273/08 – Rn. 57). 58 (c) Ob der Arbeitgeber im Laufe des Konsultationsverfahrens verpflichtet ist, den geplanten Zeitraum der Entlassungen zu präzisieren, hängt vom Verlauf des Konsultationsverfahrens und des Planungsstands sowie vom Kenntnisstand der Arbeitnehmervertretung (dazu BAG 13. Juni 2019 – 6 AZR 459/18 – Rn. 41, BAGE 167, 102) ab. In der Rechtsprechung sowohl des EuGH als auch des Bundesarbeitsgerichts ist wegen der Dynamik des Verfahrens anerkannt, dass die erforderlichen Auskünfte seitens des Arbeitgebers zwar nicht unbedingt zum Zeitpunkt der Eröffnung der Konsultationen zu erteilen sind, er sie aber „im Verlauf des Verfahrens“ zu vervollständigen und alle einschlägigen Informationen bis zu dessen Abschluss zu erteilen hat (EuGH 10. September 2009 – C-44/08 – [Akavan Erityisalojen Keskusliitto AEK ua.] Rn. 52 f.; BAG 13. Juni 2019 – 6 AZR 459/18 – aaO; 26. Februar 2015 – 2 AZR 955/13 – Rn. 29, BAGE 151, 83). Eine erneute Unterrichtung bzw. Ergänzung der bisher erteilten Informationen bezüglich des Zeitraums iSv. § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KSchG ist aber nicht erforderlich, wenn der Betriebsrat bzw. die sonstige Arbeitnehmervertretung die aktuelle Planung des Zeitablaufs ohnehin kennt oder zumindest einschätzen kann. Dies ist insbesondere der Fall, wenn das Konsultationsverfahren selbst eine Verzögerung bewirkt hat, der Arbeitgeber aber erkennbar an der Massenentlassung konzeptionell unverändert festhalten will. 59 (d) Der Senat kann die hier erfolgte Unterrichtung abschließend beurteilen. In der Gesamtschau mag zwar noch nicht abschließend geklärt sein, wie weit das Unionsrecht zum Umfang der Auskunftspflicht in Massenentlassungssachen Vorgaben macht (vgl. BVerfG 3. September 2018 – 1 BvR 552/17 – Rn. 5). Ob aber die nach dem Unionsrecht für ein ordnungsgemäßes Konsultationsverfahren erforderlichen Informationen im konkreten Einzelfall erteilt wurden, haben nach der Aufgabenverteilung zwischen dem EuGH und den nationalen Gerichten letztere zu entscheiden (BAG 26. Oktober 2017 – 2 AZR 298/16 – Rn. 27; in diesem Sinne auch EuGH, Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston 21. Juni 2018 – C-61/17 – [Bichat] Rn. 67). 60 (e) Vorliegend hat der Beklagte der PV Kabine mit Schreiben vom 17. April 2020 mitgeteilt, dass die geplanten Entlassungen nach Durchführung und Abschluss des Konsultationsverfahrens sowie unter Beachtung der sonstigen Formalien und Beteiligungsverfahren erfolgen sollen. Aufgrund der in den Beteiligungsverfahren geltenden Fristen sei beabsichtigt, die Entlassungen ab Ende des Monats Mai 2020 vorzunehmen. Die Kündigungen sollten unter Berücksichtigung des § 113 InsO erklärt werden, soweit nicht eine kürzere vertragliche bzw. tarifvertragliche Kündigungsfrist einschlägig sei. Damit hat er unmissverständlich deutlich gemacht, für welchen Zeitpunkt er die Kündigungen plante und dass die Beendigung der noch bestehenden Arbeitsverhältnisse nach Abschluss der erforderlichen Beteiligungsverfahren so schnell wie möglich erfolgen sollte. Diese Unterrichtung entspricht den oben (Rn. 55 ff.) dargestellten Vorgaben des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KSchG. Entgegen der Auffassung der Revision bedurfte es keiner weiteren Erläuterung, warum von der Kündigungsmöglichkeit des § 113 InsO Gebrauch gemacht werden sollte. Dies folgt schon aus der insolvenzrechtlichen Abwicklungsverpflichtung des Beklagten. 61 (f) Einer weiteren Konkretisierung im Laufe des Konsultationsverfahrens bedurfte es bezogen auf den zu benennenden Zeitraum der Entlassungen nicht. Entgegen der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat deutlich gewordenen Annahme der Revision ist diese Information nicht erforderlich, um der Arbeitnehmervertretung „Planungssicherheit“ darüber zu verschaffen, wie lange sie noch konkrete Vorschläge in das Verfahren einbringen kann. Sie ist vielmehr lediglich Bestandteil der dem Gremium mitzuteilenden Informationen über den Planungsstand, mit dem der Arbeitgeber in das Konsultationsverfahren geht. Ob es bezüglich dieses Zeitpunkts beim mitgeteilten Planungsstand bleibt, ist nach dem Zweck des Konsultationsverfahrens gerade Teil der darin erfolgenden Erörterungen, deren Ergebnis es ua. sein kann, dass die geplanten Entlassungen verschoben werden und so die Massenentlassungen beschränkt bzw. deren Folgen abgemildert werden. Eine ergänzende Information ist daher nur erforderlich, wenn der Arbeitgeber den Zeitpunkt der Entlassungen nicht allein wegen der Dauer des Konsultationsverfahrens oder als Ergebnis dieses Verfahrens, sondern aus Gründen verschiebt, die der Arbeitnehmervertretung unbekannt sind. Ein solcher Fall liegt zB vor, wenn der Arbeitgeber mehrere Gremien beteiligen muss, mit diesen getrennte Konsultationsverfahren durchführt und aufgrund der Erörterung in einem dieser Verfahren den Entlassungszeitpunkt verschiebt. Das muss er den anderen Gremien mitteilen (vgl. BAG 13. Februar 2020 – 6 AZR 146/19 – Rn. 69, BAGE 169, 362). 62 Vorliegend wusste die PV Kabine aus dem Konsultationsverfahren heraus, dass sich die Kündigungserklärungen allein aufgrund der Dauer des Konsultationsverfahrens verschieben würden. Sie hatte selbst durch ihre Nachfragen, berechtigt oder nicht, das Verfahren verzögert. An der ursprünglichen, der PV Kabine aus der Unterrichtung bekannten Absicht des Beklagten, die Kündigungen so schnell wie möglich nach Abschluss des Konsultationsverfahrens und weiterer Beteiligungsverfahren zu erklären, hatte sich hierdurch jedoch entgegen der Auffassung der Revision offensichtlich nichts geändert. Der Beklagte hat entsprechend der angekündigten Vorgehensweise zunächst das Konsultationsverfahren mit dem Ziel eines einvernehmlichen Abschlusses betrieben. Dabei ist es entgegen der Ansicht der Revision ohne Belang, ob sich dieses unnötigerweise auch auf Stationen wie Köln bezogen hat, welche wegen der geringen Beschäftigtenzahl nicht von einer Massenentlassung betroffen waren. Der Beklagte wollte die PV Kabine damit erkennbar umfassend informieren. Dies ist nicht zu beanstanden. Gleiches gilt für den Umstand, dass der Beklagte das Konsultationsverfahren in zeitlicher Hinsicht nicht mit Blick auf die Zwei-Wochen-Frist des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG beschleunigt durchgeführt hat und diese Frist wegen der ergänzenden Unterrichtungen mit Schreiben vom 20. Mai 2020 und 5. Juni 2020 bezogen auf Entlassungen ab Ende Mai 2020 nicht hätte wahren können. Eine intensive Beratung, welche die Nachfragen der Arbeitnehmervertretung aufgreift, entspricht der Zielsetzung des Konsultationsverfahrens. Letztlich konnte die PV Kabine während des Konsultationsverfahrens den angepassten Zeitraum ohne weitere Unterrichtung selbst einschätzen. 63 b) Der Beklagte hat mit der PV Kabine ausreichend gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG beraten und durfte die Konsultation mit Schreiben vom 5. August 2020 beenden. 64 aa) Im Konsultationsverfahren besteht kein Einigungszwang und erst recht kein Zwang für den Arbeitgeber, die Vorstellungen des Betriebsrats zu übernehmen (BAG 13. Juni 2019 – 6 AZR 459/18 – Rn. 48, BAGE 167, 102). Es reicht aus, wenn der Arbeitgeber mit dem ernsthaften Willen zur Einigung in die Verhandlungen mit dem Betriebsrat geht (BAG 28. Juni 2012 – 6 AZR 780/10 – Rn. 57, BAGE 142, 202) und bereit ist, dessen abweichende Vorschläge ins Kalkül zu ziehen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Dem steht nicht entgegen, dass der Arbeitgeber die Vermeidung oder Einschränkung von Entlassungen von bestimmten Bedingungen abhängig macht. Auch eine absolute Verhandlungs(mindest)dauer ist weder nach nationalem noch nach Unionsrecht vorgeschrieben (vgl. BAG 13. Juni 2019 – 6 AZR 459/18 – Rn. 51 aaO; 16. Mai 2007 – 8 AZR 693/06 – Rn. 42). Die Konsultationen sind ohne Einigung der Betriebsparteien beendet, wenn der Arbeitgeber annehmen darf, es bestehe kein Ansatz für weitere, zielführende Verhandlungen (vgl. BAG 26. Februar 2015 – 2 AZR 955/13 – Rn. 29, BAGE 151, 83). Dem Arbeitgeber kommt in diesem Rahmen eine Beurteilungskompetenz zu, wann er den Beratungsanspruch des Betriebsrats als erfüllt ansieht (BAG 14. Mai 2020 – 6 AZR 235/19 – Rn. 143, BAGE 170, 244; 22. September 2016 – 2 AZR 276/16 – Rn. 50, BAGE 157, 1). 65 bb) Hiervon ausgehend wurde der Beratungsanspruch der PV Kabine erfüllt. Dies verdeutlicht insbesondere die Reaktion des Beklagten auf die Nachfragen, welche die PV Kabine mit Schreiben vom 4. Juni 2020 und 20. Juli 2020 stellte. Der Beklagte nahm hierzu mit Schreiben vom 17. Juni 2020 und 27. Juli 2020 ausführlich Stellung. Hinzu kommt die Beratung im Rahmen der Telefonkonferenz am 2. Juli 2020, welche ausweislich der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ebenfalls die Nachfragen der PV Kabine zum Gegenstand hatte. In der Gesamtschau beschränkte sich der weitere Erörterungsbedarf der PV Kabine zum 5. August 2020 auf den von ihr angenommenen Betriebs(teil)übergang. Der Senat hatte jedoch bereits am 14. Mai 2020 entschieden, dass es zu keinem Betriebs(teil)übergang iSv. § 613a Abs. 1 BGB gekommen ist (BAG 14. Mai 2020 – 6 AZR 235/19 – Rn. 57 ff., BAGE 170, 244). Hierauf hat der Beklagte im Konsultationsverfahren zuletzt mit Schreiben vom 10. Juli 2020 zu Recht verwiesen und durfte deshalb diesbezügliche Fragen der PV Kabine unbeantwortet lassen. Der Hinweis der PV Kabine auf die Bedenken des Achten Senats des Bundesarbeitsgerichts, welche dieser in seiner Entscheidung vom 27. Februar 2020 (- 8 AZR 215/19 – Rn. 66 ff., BAGE 170, 98) geäußert hat, ist demgegenüber unbeachtlich. Bei diesen Überlegungen handelt es sich um ein obiter dictum. Es ist nicht zu beanstanden, dass sich der Beklagte daran orientiert hat, dass der erkennende Senat entscheidungserheblich über das Vorliegen eines Betriebs(teil)übergangs befunden hat. Dies musste auch der PV Kabine bewusst sein. Es drängt sich daher der Eindruck auf, dass die weitere Thematisierung des Betriebs(teil)übergangs nur der Verzögerung des Verfahrens dienen sollte. Hierfür sprechen auch offensichtlich sachfremde Fragen wie die nach den durch die Einsetzung eines Generalbevollmächtigten verursachten Kosten. 66 7. Die Kündigung ist nicht gemäß § 17 Abs. 3 KSchG iVm. § 134 BGB unwirksam. 67 a) Dabei kann offenbleiben, ob ein Verstoß gegen § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG zur Unwirksamkeit der Kündigung führen würde (vgl. hierzu das Vorabentscheidungsersuchen BAG 27. Januar 2022 – 6 AZR 155/21 (A) – Rn. 24 ff.). Nach dieser Vorschrift hat der Arbeitgeber der Agentur für Arbeit gleichzeitig (mit der Unterrichtung) eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG zuzuleiten. Der Beklagte hat mit der Klageerwiderung behauptet, dass dies hier geschehen sei. Die Klägerin hat dies in den Tatsacheninstanzen nicht bestritten. Der Vortrag gilt demnach als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO). Wenn die Klägerin dies nunmehr erstmals in der Revisionsinstanz bestreitet, handelt es sich um neuen Sachvortrag, der in der Revisionsinstanz nicht mehr berücksichtigt werden kann (BAG 24. Januar 1990 – 4 AZR 525/89 – Rn. 14). Dass sich der klägerische Vortrag in den Tatsacheninstanzen nicht mit § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG befasst hat, räumt die Revision indirekt dadurch ein, dass sie nur auf die pauschale Rüge einer fehlerhaften Massenentlassungsanzeige in der Klageschrift verweist und sich im Übrigen gegen die Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts, wonach bei einem Verstoß gegen § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG jedenfalls kein Unwirksamkeitsgrund gegeben sei, wendet. 68 b) Die Massenentlassungsanzeige vom 18. August 2020 wurde vor Erklärung der streitgegenständlichen Kündigung ordnungsgemäß bei der zuständigen Agentur für Arbeit Düsseldorf erstattet. 69 aa) Der nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG maßgebliche Betrieb befand sich in Düsseldorf (Rn. 45 ff.). Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Anzeigeerstattung, welche nach Beendigung des Konsultationsverfahrens und vor Zugang der Kündigungen erfolgen muss, war demnach die Agentur für Arbeit Düsseldorf für das Anzeigeverfahren nach § 17 Abs. 3 KSchG zuständig. Die weitergehenden Rügen der Revision sind unbegründet. 70 (1) Die Revision missversteht die Entscheidung des Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 22. September 2016 (- 2 AZR 276/16 – BAGE 157, 1), wenn sie annimmt, dass demnach bei einer Auflösung bisheriger Betriebsstrukturen die Massenentlassungsanzeige nicht mehr am früheren, bereits durch Stilllegung aufgelösten Betriebssitz erstattet werden könne. In dem dort entschiedenen Fall wurde eine Massenentlassungsanzeige bezüglich beabsichtigter Nachkündigungen nach Betriebsstilllegung sowohl bei der für den früheren Betriebssitz als auch bei der für den Beschäftigungsbetrieb zuständigen Agentur für Arbeit erstattet (Rn. 14 der vorgenannten Entscheidung). Dies hat der Zweite Senat gebilligt (Rn. 70 der vorgenannten Entscheidung). Damit wurde die hier zu beurteilende Fallkonstellation nicht entschieden. Vorliegend wurden nicht zwei identische Anzeigen gegenüber den beiden in Betracht kommenden Agenturen erstattet. Nur diese, auf Absicherung bedachte, Vorgehensweise hat der Zweite Senat beurteilt und zutreffend für ordnungsgemäß erachtet. In der hier zu entscheidenden Konstellation hat sich der Beklagte aber dazu entschieden, bezüglich des an einer Station beschäftigten Personals nur eine Anzeige bei der seiner Ansicht nach zuständigen Agentur zu erstatten. Dies war bei den Kündigungen vom Januar 2018 auch schon der Fall, weshalb der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 14. Mai 2020 auf den unterschiedlichen Sachverhalt hingewiesen hat (BAG 14. Mai 2020 – 6 AZR 235/19 – Rn. 125, BAGE 170, 244). Daraus ist lediglich zu folgern, dass es bei nur einer Anzeigeerstattung nach der Stilllegung auf die Zuständigkeit der gewählten Agentur für Arbeit ankommt. 71 (2) Hinsichtlich dieser örtlichen Zuständigkeit trifft § 17 KSchG selbst keine ausdrückliche Regelung. Aus dem Zweck des Anzeigeverfahrens folgt aber, dass die Anzeige bei der Agentur für Arbeit zu erstatten ist, bei der es zu den innerhalb der Sperrfrist zu bewältigenden sozioökonomischen Auswirkungen kommt (vgl. EuGH 27. Januar 2005 – C-188/03 – [Junk] Rn. 47 f.). Diese treten nach der Vorstellung der MERL typischerweise am Sitz des Betriebs auf, dessen örtliche Gemeinschaft von der Massenentlassung betroffen ist. Dort bzw. in dessen räumlicher Nähe wohnen die Arbeitnehmer, melden sich arbeitsuchend und würden den Arbeitsmarkt und damit auch die sozialen Verhältnisse belasten (BAG 13. Februar 2020 – 6 AZR 146/19 – Rn. 78, BAGE 169, 362; Spelge NZA-Beilage 2021, 34, 35, 38). Für die durch die Massenentlassung verursachten Vermittlungsbemühungen macht es keinen Unterschied, ob der Betrieb noch existiert oder vollständig stillgelegt wurde. Entscheidend ist, dass der zuständigen Behörde iSv. Art. 4 Abs. 2 MERL ermöglicht wird, nach Lösungen für die durch die beabsichtigten Massenentlassungen aufgeworfenen Probleme zu suchen, also die besonderen sozioökonomischen Auswirkungen zu bewältigen, die solche Entlassungen in einem bestimmten örtlichen Kontext und einer bestimmten sozialen Umgebung hervorrufen können (vgl. EuGH 13. Mai 2015 – C-182/13 – [Lyttle ua.] Rn. 32; 15. Februar 2007 – C-270/05 – [Athinaïki Chartopoiïa] Rn. 28; BAG 19. Mai 2022 – 2 AZR 467/21 – Rn. 23). 72 (3) Entgegen der Auffassung der Revision steht das Verwaltungsverfahrensrecht einer Zuständigkeit der Agentur für Arbeit Düsseldorf nicht entgegen. Dabei kann unentschieden bleiben, ob man die örtlich zuständige Agentur für Arbeit anhand einer richtlinienkonformen Auslegung des § 3 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG oder des § 327 Abs. 4 SGB III bestimmt (ebenso BAG 13. Februar 2020 – 6 AZR 146/19 – Rn. 79, BAGE 169, 362). § 17 Abs. 3 iVm. Abs. 1 KSchG begründet in Verbindung mit den „Fachlichen Weisungen“ der Bundesagentur für Arbeit (vgl. hierzu BAG 13. Februar 2020 – 6 AZR 146/19 – Rn. 78, aaO) jedenfalls wegen der Besonderheiten des Massenentlassungsrechts, das, wie ausgeführt, auf die sozioökonomischen Auswirkungen und damit einen speziellen örtlichen Bezug abstellt, in der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung der Zuständigkeitsvorschriften eine eigenständige und umfassende Zuständigkeit der Agentur für Arbeit, in deren Bezirk der betroffene Betrieb seinen Sitz hat oder hatte. Diese umfasst dann wegen der in § 18 Abs. 1 KSchG vorgesehenen Verknüpfung mit dem Anzeigeverfahren auch die Kompetenz zum Erlass von Verwaltungsakten im Rahmen von §§ 18, 20 KSchG. Dementsprechend kann die Revision keine Rechtsprechung benennen, die eine Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes nach § 2 Abs. 1 RsprEinhG veranlassen würde. 73 bb) Die Anzeige vom 18. August 2020 enthält die nach § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG erforderlichen Angaben bezüglich des Konsultationsverfahrens mit der PV Kabine. 74 (1) Nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG hat der Arbeitgeber, der nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG verpflichtet ist, der Agentur für Arbeit Entlassungen anzuzeigen, seiner schriftlichen Anzeige die Stellungnahme des Betriebsrats „zu den Entlassungen“ beizufügen. Gemäß § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG ist die Massenentlassungsanzeige auch dann wirksam erfolgt, wenn zwar keine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats vorliegt, der Arbeitgeber aber glaubhaft macht, dass er das Gremium mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG unterrichtet hat, und er gleichzeitig den Stand der Beratungen darlegt. Nach dem Zweck des Anzeigeverfahrens (dazu ausführlich BAG 13. Februar 2020 – 6 AZR 146/19 – Rn. 71, 75, 81, 93 und 109, BAGE 169, 362) muss durch die Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats oder – ersatzweise – die Darlegung des Beratungsstands die Durchführung und ggf. das Ergebnis des Konsultationsverfahrens dokumentiert werden. Die Arbeitsverwaltung soll beurteilen können, ob die Betriebsparteien auf der Grundlage ausreichender Informationen tatsächlich über die geplanten Massenentlassungen und insbesondere deren Vermeidung beraten haben (BAG 28. Juni 2012 – 6 AZR 780/10 – Rn. 53, BAGE 142, 202). Daneben soll sie Kenntnis von einer – eventuell dem Arbeitgeber ungünstigen – Sichtweise des Betriebsrats erlangen (BAG 21. März 2013 – 2 AZR 60/12 – Rn. 44, BAGE 144, 366; 21. März 2012 – 6 AZR 596/10 – Rn. 21 f.). Dementsprechend ist die Massenentlassungsanzeige unwirksam, wenn der Arbeitgeber ihr eine Stellungnahme des Betriebsrats nicht beifügt (§ 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG) bzw. er Darlegungen gemäß § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG unterlässt oder den Stand der Beratungen mit dem Betriebsrat in einer Weise irreführend darstellt, die geeignet ist, eine für ihn – den Arbeitgeber – günstige Entscheidung der Behörde zu erwirken (BAG 14. Mai 2020 – 6 AZR 235/19 – Rn. 136, BAGE 170, 244; 22. September 2016 – 2 AZR 276/16 – Rn. 24, BAGE 157, 1). 75 (2) Vorliegend hat der Beklagte mit dem das Formularblatt ergänzenden Schreiben vom 18. August 2020, welches am Folgetag bei der Agentur für Arbeit Düsseldorf eingegangen ist, den Stand der Beratungen ausführlich und zutreffend dargestellt. Insbesondere wurde mitgeteilt, dass das Konsultationsverfahren durch den Beklagten mit Schreiben vom 5. August 2020 für beendet erklärt wurde. Die angeführte Glaubhaftmachung des Vortrags erfolgte durch Übersendung des unstreitig geführten Schriftverkehrs mit der PV Kabine. Dies ist ausreichend (APS/Moll 6. Aufl. KSchG § 17 Rn. 118). Die Zwei-Wochen-Frist wurde gewahrt, weil die PV Kabine spätestens durch das per E-Mail versandte Schreiben des Beklagten vom 27. Juli 2020 die nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG vorgeschriebenen Informationen erhalten hatte und damit iSd. § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG „unterrichtet“ worden war. 76 (3) Die Rüge der Revision, wonach das Formblatt unter Ziffer 41 widersprüchlich ausgefüllt worden sei, greift nicht durch. Das Landesarbeitsgericht hat diesbezüglich rechtsfehlerfrei ausgeführt, dass das Formblatt bezüglich der „Stellungnahme des Betriebsrats“ keine Felder für drei Arbeitnehmervertretungen vorsehe und deshalb nicht „richtig“ ausgefüllt werden könne. Die maßgeblichen Informationen sind jedoch in dem Begleitschreiben zutreffend übermittelt worden. 77 cc) Die Anzeige beinhaltet auch die nach § 17 Abs. 3 Satz 4 KSchG erforderlichen Angaben. Sie stellt aus den genannten Gründen zutreffend auf die vormalige Station Düsseldorf ab. Soweit die Revision rügt, bei der Nennung der in der Regel Beschäftigten sei ein Arbeitnehmer unberücksichtigt geblieben, ist dies im vorliegenden Fall unbeachtlich. Bei 358 benannten Beschäftigten handelt es sich um eine marginale Abweichung, welche keinen Einfluss auf die Tätigkeit der Agentur für Arbeit hat. Mit dem Zweck der Massenentlassungsanzeige stünde es nicht im Einklang, wenn die fehlende Angabe einer einzigen Entlassung die Auflösung der Arbeitsverhältnisse auch aller anderen von der Massenentlassungsanzeige erfassten Arbeitnehmer hindern würde (BAG 28. Juni 2012 – 6 AZR 780/10 – Rn. 50, BAGE 142, 202; im Ergebnis ebenso BAG 19. Mai 2022 – 2 AZR 467/21 – Rn. 24). Zudem können sich ohnehin nur die Arbeitnehmer, die von der Massenentlassungsanzeige nicht erfasst sind, auf die zu niedrige Angabe der Zahl der zu entlassenden Arbeitnehmer berufen (BAG 28. Juni 2012 – 6 AZR 780/10 – aaO). 78 dd) Der Beklagte hat im Rahmen der Mitteilung der Sozialdaten auch die sog. „Soll-Angaben“ nach § 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG gemacht (vgl. hierzu BAG 19. Mai 2022 – 2 AZR 467/21 – Rn. 13 ff.). 79 ee) Ein etwaiger Verstoß gegen § 17 Abs. 3 Satz 6 KSchG stünde der Wirksamkeit der Kündigung nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat eine Abschrift der Anzeige zuzuleiten. Es handelt sich hierbei nicht um ein Verbotsgesetz iSv. § 134 BGB. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt. 80 (1) § 17 Abs. 3 Satz 6 KSchG entspricht Art. 3 Abs. 2 MERL. Die Weiterleitung der Anzeige dient lediglich der Information der Arbeitnehmervertretung, nicht der Erfüllung der Aufgaben der Arbeitsverwaltung (EuArbRK/Spelge 4. Aufl. RL 98/59/EG Art. 3 Rn. 28). Auf dieser Grundlage kann der Betriebsrat bzw. die sonstige Arbeitnehmervertretung dann nach § 17 Abs. 3 Satz 7 KSchG gegenüber der Agentur für Arbeit weitere Stellungnahmen abgeben. 81 (2) Ein Verstoß gegen § 17 Abs. 3 Satz 6 KSchG führt nicht zur Unwirksamkeit der Anzeige und damit der Kündigung (ErfK/Kiel 22. Aufl. KSchG § 17 Rn. 33; HaKo-KSchR/Pfeiffer 7. Aufl. KSchG § 17 Rn. 79). Es besteht offenkundig kein Bezug zur individualrechtlichen Ebene (LKB/Bayreuther 16. Aufl. § 17 Rn. 135). Dies wird insbesondere dadurch deutlich, dass Stellungnahmen des Betriebsrats zur Anzeige erst nach dem Zugang der Kündigung erfolgen können, wenn der Arbeitgeber die Kündigungen sofort nach Eingang der Anzeige erklärt (zur Zulässigkeit dieser Vorgehensweise: BAG 13. Juni 2019 – 6 AZR 459/18 – Rn. 33, BAGE 167, 102; 6. November 2008 – 2 AZR 935/07 – Rn. 25, BAGE 128, 256). Die Wirksamkeit einer Kündigung bestimmt sich aber nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt ihres Zugangs (vgl. BAG 17. Februar 2016 – 2 AZR 613/14 – Rn. 26; 18. Oktober 2012 – 6 AZR 41/11 – Rn. 66). Daraus ergibt sich, dass sich das Wechselspiel von Information und Stellungnahme auf einen kündigungsrechtlich irrelevanten Zeitraum bezieht (vgl. Schubert/Schmitt JbArbR Bd. 59 S. 81, 104). 82 (3) Auch das Unionsrecht verlangt offenkundig bei einem Verstoß gegen die Weiterleitungspflicht keine Unwirksamkeit der betroffenen Kündigungen, weshalb diesbezüglich keine Vorlagepflicht nach Art. 267 AEUV besteht (vgl. hierzu EuGH 6. Oktober 2021 – C-561/19 – [Consorzio Italian Management e Catania Multiservizi] Rn. 39 ff.). Der unionsrechtlich determinierte Arbeitnehmerschutz bei Massenentlassungen knüpft an den Zeitpunkt der Entlassung und damit ebenfalls an den Zugang der Kündigungserklärung an (BAG 13. Juni 2019 – 6 AZR 459/18 – Rn. 34, BAGE 167, 102; 26. Januar 2017 – 6 AZR 442/16 – Rn. 23, BAGE 158, 104 unter Verweis auf EuGH 27. Januar 2005 – C-188/03 – [Junk] Rn. 39). Wann eine Kündigung als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, mit der ein Gestaltungsrecht ausgeübt wird, wirksam wird, richtet sich nach dem jeweiligen Recht des Mitgliedstaates (EuGH 21. Dezember 2016 – C-201/15 – [AGET Iraklis] Rn. 29 ff., 33) und darum nach § 130 Abs. 1 BGB. Der danach maßgebliche Zugang liegt vor, wenn die Willenserklärung derart in den Machtbereich des Empfängers gerät, dass dieser nach allgemeinen Umständen von ihr Kenntnis erlangen kann. 83 8. Die Kündigung scheitert auch nicht an einer fehlerhaften Anhörung der PV Kabine vor Erklärung der Kündigung. 84 a) § 74 Abs. 1 TVPV ist § 102 Abs. 1 BetrVG nachgebildet. Die hierzu ergangene Rechtsprechung kann deshalb auf § 74 Abs. 1 TVPV übertragen werden. Der Inhalt der Unterrichtung ist dementsprechend nach ihrem Sinn und Zweck grundsätzlich subjektiv determiniert. Die Personalvertretung soll die Stichhaltigkeit und Gewichtigkeit der Kündigungsgründe überprüfen, um sich über sie eine eigene Meinung bilden zu können. Der Arbeitgeber muss daher grundsätzlich nur die Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben. Dem kommt der Arbeitgeber nicht nach, wenn er der Personalvertretung bewusst einen unrichtigen oder unvollständigen – und damit irreführenden – Kündigungssachverhalt schildert, der sich bei der Würdigung durch die Personalvertretung zum Nachteil des Arbeitnehmers auswirken kann. Die subjektive Überzeugung des Arbeitgebers von der Relevanz oder Irrelevanz bestimmter Umstände ist zudem für den Umfang der Unterrichtung dann nicht maßgeblich, wenn dadurch der Zweck der Anhörung verfehlt würde (vgl. zu § 102 BetrVG BAG 5. Dezember 2019 – 2 AZR 240/19 – Rn. 43 f. mwN). 85 b) Nach diesen Grundsätzen hat der Beklagte mit Schreiben vom 7. August 2020 und 17. August 2020 nebst Anlagen die PV Kabine ordnungsgemäß über die beabsichtigte Kündigung aller Mitglieder des Kabinenpersonals einschließlich der Klägerin unterrichtet. Dies hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei entschieden. Die Unterrichtung enthält die erforderlichen Angaben bezüglich des Kündigungsgrundes, der Sozialdaten und der – für nicht erforderlich gehaltenen – Sozialauswahl. Bezüglich des tariflichen Sonderkündigungsschutzes und § 2 Abs. 2 TV Pakt musste keine Unterrichtung erfolgen, weil diese Regelungen für den Kündigungsentschluss des Beklagten ohne Bedeutung waren. Zudem hat der Beklagte deutlich gemacht, dass er allen Beschäftigten längstens mit der Frist des § 113 Satz 2 InsO kündigen will. Damit war klar, dass er meinte, einen tariflichen Sonderkündigungsschutz nicht beachten zu müssen. Bezüglich des TV Pakt durfte er davon ausgehen, dass es mangels dessen Anwendbarkeit keiner Unterrichtung bedarf. Dies war durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bereits geklärt (BAG 21. Januar 2020 – 1 AZR 149/19 – Rn. 26 ff., BAGE 169, 243). Soweit die Revision noch anführt, die Mitteilung in der Anhörung, wonach eine Massenentlassungsanzeige für die in Köln stationierten Arbeitnehmer nicht zu erstatten sei, sei falsch, ist dies unzutreffend. Die Rechtsansicht des Beklagten traf zu. Ob ein Massenentlassungsverfahren durchzuführen war, bestimmte sich nach den zuletzt im Flugbetrieb maßgeblichen Strukturen. Sofern im Zeitpunkt der Nachkündigungen das Arbeitsverhältnis von höchstens 20 der einer Station der Schuldnerin zugeordneten Arbeitnehmern noch nicht wirksam beendet worden war, musste für diese Station kein Massenentlassungsverfahren durchgeführt werden. 86 III. Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.              Spelge                  Heinkel                  Krumbiegel                                    Brand                  Dr. S. Rönnau" bag_44-22,16.11.2022,"16.11.2022 44/22 - Mehrarbeitszuschläge nach dem Manteltarifvertrag für die Zeitarbeit - Berücksichtigung von Urlaubsstunden Für das Erreichen des Schwellenwertes, ab dem nach den Bestimmungen des Manteltarifvertrags für die Zeitarbeit ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Mehrarbeitszuschläge besteht, sind nicht nur die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden, sondern auch genommene Urlaubsstunden zu berücksichtigen. Der Kläger war bei der Beklagten als Leiharbeitnehmer in Vollzeit mit einem Bruttostundenlohn im Jahr 2017 von 12,18 Euro beschäftigt. Für das Arbeitsverhältnis der Parteien galt aufgrund beiderseitiger Organisationszugehörigkeit der Manteltarifvertrag für die Zeitarbeit in der Fassung vom 17. September 2013 (MTV). § 4.1.2. MTV* bestimmt, dass Mehrarbeitszuschläge in Höhe von 25 % für Zeiten gezahlt werden, die im jeweiligen Kalendermonat über eine bestimmte Zahl geleisteter Stunden hinausgehen. Im Monat August 2017, auf den 23 Arbeitstage entfielen, arbeitete der Kläger 121,75 Stunden und nahm 10 Tage Urlaub in Anspruch, die die Beklagte mit 84,7 Stunden abrechnete. Mehrarbeitszuschläge leistete sie für diesen Monat nicht. Der Kläger verlangt mit seiner Klage Mehrarbeitszuschläge für die über 184 Stunden hinausgehenden Stunden und meint, die für den Urlaub abgerechneten Stunden seien einzubeziehen. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Auf ein Vorabentscheidungsersuchen des Zehnten Senats des Bundesarbeitsgerichts (Beschluss vom 17. Juni 2020 – 10 AZR 210/19 (A) – vgl. PM Nr. 16/20) hat der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil vom 13. Januar 2022 – C-514/20 – entschieden, dass das Unionsrecht (Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG**) einer tariflichen Regelung entgegensteht, nach der für die Berechnung, ob und für wie viele Stunden einem Arbeitnehmer Mehrarbeitszuschläge zustehen, nur die tatsächlich gearbeiteten Stunden berücksichtigt werden, nicht aber die Stunden, in denen der Arbeitnehmer seinen bezahlten Jahresurlaub in Anspruch nimmt. Die Revision des Klägers hatte unter Zugrundelegung dieser Entscheidung vor dem Zehnten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Die tarifliche Regelung des § 4.1.2 MTV muss bei gesetzeskonformer Auslegung so verstanden werden, dass bei der Berechnung von Mehrarbeitszuschlägen nicht nur tatsächlich geleistete Stunden, sondern auch Urlaubsstunden bei der Frage mitzählen, ob der Schwellenwert, ab dem solche Zuschläge zu zahlen sind, überschritten wurde. Anderenfalls wäre die Regelung geeignet, den Arbeitnehmer von der Inanspruchnahme seines gesetzlichen Mindesturlaubs abzuhalten, was mit § 1 BUrlG*** in seinem unionsrechtskonformen Verständnis nicht vereinbar wäre. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16. November 2022 – 10 AZR 210/19 – Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 14. Dezember 2018 – 13 Sa 589/18 – *§ 4.1.2. MTV lautet auszugsweise: Mehrarbeitszuschläge werden für Zeiten gezahlt, die in Monaten mit – 20 Arbeitstagen über 160 geleistete Stunden – 21 Arbeitstagen über 168 geleistete Stunden – 22 Arbeitstagen über 176 geleistete Stunden – 23 Arbeitstagen über 184 geleistete Stunden hinausgehen. **Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG lautet: Jahresurlaub (1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind. (2) Der bezahlte Mindestjahresurlaub darf außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden. ***§ 1 BUrlG lautet: § 1 Urlaubsanspruch Jeder Arbeitnehmer hat in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub.","Tenor 1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 14. Dezember 2018 – 13 Sa 589/18 – teilweise unter Zurückweisung der Revision im Übrigen aufgehoben. 2. Auf die Berufung des Klägers und unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 14. Februar 2018 – 10 Ca 4180/17 – teilweise abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 68,36 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8. Dezember 2017 zu zahlen. 3. Die Kosten des erstinstanzlichen und des Berufungsverfahrens haben die Beklagte zu 60 % und der Kläger zu 40 % zu tragen. Die Kosten der Revision hat die Beklagte zu tragen. Leitsatz Eine tarifvertragliche Regelung, nach der für die Berechnung eines Schwellenwerts, ab dem Mehrarbeitszuschläge zu zahlen sind, Arbeitszeit, in der der Arbeitnehmer bezahlten Jahresurlaub in Anspruch genommenen hat, nicht als geleistete Arbeitsstunden berücksichtigt wird, verstößt gegen § 1 BUrlG in seinem unionsrechtskonformen Verständnis. Tatbestand 1 Die Parteien streiten über Mehrarbeitszuschläge. 2 Der Kläger war im Streitzeitraum bei der Beklagten als Leiharbeitnehmer in Vollzeit mit einem Bruttostundenlohn von 12,18 Euro beschäftigt. Die Beklagte führt ein Unternehmen der Arbeitnehmerüberlassung. Für das Arbeitsverhältnis der Parteien galt aufgrund beiderseitiger Organisationszugehörigkeit der Manteltarifvertrag für die Zeitarbeit in der Fassung vom 17. September 2013 (MTV). 3 Der MTV lautet auszugsweise:          „§ 3 Arbeitszeit          3.1. Arbeitszeit          3.1.1. Die individuelle regelmäßige monatliche Arbeitszeit beträgt für Vollzeitbeschäftigte 151,67 Stunden. Das entspricht einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden.          …                 3.1.2. Die individuelle regelmäßige Arbeitszeit pro Monat richtet sich nach der Anzahl der Arbeitstage.          In Monaten mit          – 20 Arbeitstagen beträgt die Monatsarbeitszeit 140 Std.          – 21 Arbeitstagen beträgt die Monatsarbeitszeit 147 Std.          – 22 Arbeitstagen beträgt die Monatsarbeitszeit 154 Std.          – 23 Arbeitstagen beträgt die Monatsarbeitszeit 161 Std.          Bei Teilzeitarbeit berechnet sich die regelmäßige Arbeitszeit pro Monat anteilig.          …                 3.2. Arbeitszeitkonto          3.2.1. Für jeden Arbeitnehmer wird ein Arbeitszeitkonto eingerichtet. Auf dieses Konto werden die Stunden übertragen, die über die regelmäßige Arbeitszeit pro Monat hinaus abgerechnet werden. …          § 4 Zuschläge          4.1. Mehrarbeit          4.1.1. Mehrarbeit ist die über die regelmäßige monatliche Arbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit.          4.1.2. Mehrarbeitszuschläge werden für Zeiten gezahlt, die in Monaten mit          – 20 Arbeitstagen über 160 geleistete Stunden          – 21 Arbeitstagen über 168 geleistete Stunden          – 22 Arbeitstagen über 176 geleistete Stunden          – 23 Arbeitstagen über 184 geleistete Stundenhinausgehen.          Der Mehrarbeitszuschlag beträgt 25 Prozent.          Diese Regelungen gelten gleichermaßen für Teilzeitbeschäftigte.          …                 § 6a Urlaubsentgelt und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall          Für die Berechnung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und des Urlaubsentgelts sind für jeden nach den gesetzlichen und tariflichen Bestimmungen zu vergütenden Krankheits- bzw. Urlaubstag für die Höhe des fortzuzahlenden Entgelts der durchschnittliche Arbeitsverdienst und die durchschnittliche Arbeitszeit der letzten drei abgerechneten Monate (Referenzzeitraum) vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit bzw. des Urlaubsantritts zugrunde zu legen. Hierfür gilt:          a) Es ist der durchschnittliche Arbeitsverdienst des Referenzzeitraums auf Grundlage der individuellen regelmäßigen Arbeitszeit zu bilden. Zum Arbeitsverdienst zählen die Entgeltbestandteile gemäß § 2 Entgelttarifvertrag iGZ sowie sonstige Zulagen und Zuschläge (ohne Mehrarbeitszuschläge) gemäß den Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes.          b) Zusätzlich finden die durchschnittlich im Referenzzeitraum erarbeiteten Zulagen und Zuschläge (ohne Mehrarbeitszuschläge) auf Grundlage der durchschnittlichen tatsächlichen Arbeitszeit Berücksichtigung, die über die individuelle regelmäßige Arbeitszeit hinausgeht.          c) Für die im Arbeitszeitkonto zu berücksichtigenden Stunden ist die im Referenzzeitraum durchschnittlich ermittelte Arbeitszeit gemäß Buchstabe b) maßgeblich (vgl. § 3.2.1.).“ 4 Im Monat August 2017, auf den 23 Arbeitstage entfielen, arbeitete der Kläger 121,75 Stunden und nahm zehn Tage Erholungsurlaub, für die die Beklagte 84,7 Stunden abrechnete und vergütete. 5 Der Kläger hat die Auffassung vertreten, in die Berechnung des Schwellenwerts für Mehrarbeitszuschläge müssten alle in einem Monat abgerechneten Stunden, also auch solche für seinen genommenen Urlaub, einbezogen werden. Für den Monat August 2017 sei daher von insgesamt 206,45 geleisteten Stunden auszugehen. Damit sei die Schwelle von 184 geleisteten Stunden überschritten, sodass er Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge in Höhe von 72,32 Euro habe. 6 Der Kläger hat – soweit für die Revision von Interesse – zuletzt beantragt,          die Beklagte zu verurteilen, an ihn 72,32 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8. Dezember 2017 zu zahlen. 7 Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, dass angesichts des klaren Wortlauts der tariflichen Regelung bei der Bemessung von Mehrarbeitszuschlägen nur tatsächlich gearbeitete Stunden, nicht aber Urlaubszeiten einzubeziehen seien. 8 Das Arbeitsgericht hat die Klage, die auch auf die Zahlung einer Verzugspauschale in Höhe von 40,00 Euro gerichtet war, insgesamt abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die vom Arbeitsgericht zugelassene Berufung zurückgewiesen. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren – beschränkt auf die Mehrarbeitszuschläge – weiter. 9 Der Senat hat mit Beschluss vom 17. Juni 2020 (- 10 AZR 210/19 (A) -) das Revisionsverfahren ausgesetzt und den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) um eine Vorabentscheidung gebeten, ob Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte (GRC) iVm. Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG einer tariflichen Regelung wie der vorliegenden entgegensteht. Hierzu ist das Urteil des EuGH vom 13. Januar 2022 (- C-514/20 – [Koch Personaldienstleistungen]) ergangen. Entscheidungsgründe 10 Die zulässige Revision des Klägers hat überwiegend Erfolg. 11 I. Die zulässige Klage ist weitgehend begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung von Mehrarbeitszuschlägen für den Monat August 2017 in Höhe von 68,36 Euro brutto nach § 4.1.2. MTV, da er in diesem Monat zuschlagsauslösende Mehrarbeit geleistet hat. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil insoweit zu Unrecht zurückgewiesen. In Höhe von 3,96 Euro brutto ist die Klage hingegen unbegründet. 12 1. Nach § 4.1.2. MTV sind Mehrarbeitszuschläge für Zeiten zu zahlen, die über eine bestimmte Anzahl geleisteter Stunden hinausgehen. Die tarifvertragliche Regelung ist so zu verstehen, dass nicht nur die tatsächlich geleisteten Stunden bei der Berechnung von Mehrarbeitszuschlägen, sondern auch zu vergütende Urlaubsstunden zu berücksichtigen sind. Das ergibt eine gesetzeskonforme Auslegung der Tarifnorm in Übereinstimmung mit § 1 BUrlG in seinem unionsrechtskonformen Verständnis. 13 a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags, die in der Revisionsinstanz in vollem Umfang überprüfbar ist, folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Dabei sind der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (vgl. zu den Grundsätzen der Tarifauslegung die st. Rspr., zB BAG 20. Juli 2022 – 7 AZR 247/21 – Rn. 20; 13. Oktober 2021 – 4 AZR 365/20 – Rn. 21 mwN). Außerdem sind Tarifnormen, soweit sie dies zulassen, grundsätzlich so auszulegen, dass sie nicht im Widerspruch zu höherrangigem Recht stehen und damit Bestand haben (Gebot der gesetzeskonformen Auslegung; st. Rspr., vgl. BAG 1. Dezember 2020 – 9 AZR 104/20 – Rn. 29 mwN). Gesetze sind wiederum – soweit Unionsrecht umgesetzt wird – unionsrechtskonform auszulegen, wenn dies möglich ist (st. Rspr., vgl. etwa BAG 21. Juli 2022 – 2 AZR 130/21 (A) – Rn. 25 mwN; 25. August 2020 – 9 AZR 214/19 – Rn. 16, BAGE 172, 55; 17. Juni 2020 – 10 AZR 210/19 (A) – Rn. 37, BAGE 171, 114). Die richtlinienkonforme Auslegung eines nationalen Gesetzes kann sich demnach auf die Auslegung eines Tarifvertrags auswirken. 14 b) Ausgehend vom Wortlaut des § 4.1.2. MTV sind unter „geleistete Stunden“ nach dem allgemeinen Sprachgebrauch Stunden zu verstehen, in denen eine tatsächliche Arbeitsleistung erbracht wird. Urlaubszeiten, in denen nicht gearbeitet wird, sind dagegen nicht vom Wortsinn erfasst (vgl. BAG 17. Juni 2020 – 10 AZR 210/19 (A) – Rn. 24, BAGE 171, 114; 11. Juni 2008 – 5 AZR 389/07 – Rn. 14). Allerdings ist der Wortlaut nicht eindeutig, insoweit nicht abschließend zu verstehen und der Begriff „geleistete Stunden“ von den Tarifvertragsparteien nicht selbst definiert. Unter den Begriff der „geleisteten Stunden“ im vorliegenden Tarifsinn können vielmehr auch Stunden fallen, die ein Arbeitnehmer wegen Urlaubs vergütet erhält. Denn der tatsächlichen Erbringung der Arbeitsleistung kann es gleichstehen, wenn die Leistung von Stunden nur deshalb nicht erfolgt, weil der Arbeitnehmer unter Fortzahlung seines Entgelts wegen Urlaubs von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt ist (vgl. zu ähnlichen Formulierungen BAG 30. Januar 2019 – 10 AZR 596/17 – Rn. 31 ff.; 13. Juni 2019 – 6 AZR 576/17 – Rn. 27; 24. März 2010 – 10 AZR 152/09 – Rn. 22 mwN; LAG Mecklenburg-Vorpommern 17. Mai 2022 – 2 Sa 51/20 -). Zwar deuten Sinn und Zweck der tariflichen Bestimmung und deren Gesamtzusammenhang darauf hin, dass nur tatsächlich geleistete Stunden bei der Berechnung der Mehrarbeitszuschläge berücksichtigt werden sollten (vgl. BAG 17. Juni 2020 – 10 AZR 210/19 (A) – Rn. 25 ff., aaO). Ausgeschlossen ist ein anderes Verständnis aber auch danach nicht (ebenso Weidl GPR 2022, 100, 103). 15 c) Nur ein Verständnis der Tarifnorm, wonach genommene Urlaubsstunden als „geleistete Stunden“ nach § 4.1.2. MTV mitzählen, ist im Hinblick auf § 1 BUrlG gesetzeskonform. 16 aa) Bestimmte Anreize, auf den gesetzlichen Mindesturlaub zu verzichten, können gegen § 1 BUrlG verstoßen. Arbeitnehmer dürfen nicht aus wirtschaftlichen Erwägungen davon abgehalten werden, ihren Anspruch auf Erholungsurlaub geltend zu machen. Ein mit § 1 BUrlG nicht zu vereinbarender Anreiz, auf Urlaub zu verzichten, kann nach nationalem Recht auch in Tarifverträgen nicht wirksam vereinbart werden. Die Öffnungsklausel in § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG, nach der in Tarifverträgen grundsätzlich von den Vorschriften des Bundesurlaubsgesetzes abgewichen werden kann, gilt nicht für § 1 BUrlG(BAG 17. Juni 2020 – 10 AZR 210/19 (A) – Rn. 36, BAGE 171, 114; 13. Juni 2019 – 6 AZR 576/17 – Rn. 27; 22. Januar 2019 – 9 AZR 10/17 – Rn. 33). 17 bb) § 1 BUrlG ist seinerseits unionsrechtskonform nach Art. 31 Abs. 2 GRC und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG auszulegen. Die Bestimmung des § 1 BUrlG, wonach jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub hat, entspricht den Regelungen in Art. 31 Abs. 2 GRC und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG(BAG 17. Juni 2020 – 10 AZR 210/19 (A) -Rn. 37 mwN, BAGE 171, 114). Zur Erfüllung des Anspruchs auf den gesetzlichen Urlaub reicht die Entbindung von der Arbeitsverpflichtung allein nicht aus, sondern die Zeit der Freistellung von der Arbeit muss „bezahlt“ sein (BAG 30. Januar 2019 – 10 AZR 596/17 – Rn. 32; 10. Februar 2015 – 9 AZR 455/13 – Rn. 21, BAGE 150, 355). 18 cc) In seinem Urteil vom 13. Januar 2022 (- C-514/20 – [Koch Personaldienstleistungen]) hat der EuGH, dem nach Art. 267 AEUV die Aufgabe der verbindlichen Auslegung von Richtlinien zugewiesen ist, festgestellt, dass Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG im Licht von Art. 31 Abs. 2 GRC dahin auszulegen sei, dass er einer Regelung in einem Tarifvertrag entgegen stehe, nach der für die Berechnung, ob die Schwelle der zu einem Mehrarbeitszuschlag berechtigenden Arbeitszeit erreicht ist, die Stunden, die dem vom Arbeitnehmer in Anspruch genommenen bezahlten Jahresurlaub entsprechen, nicht als geleistete Arbeitsstunden berücksichtigt werden. Er hat zu Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG ausgeführt, dass das Recht auf bezahlten Jahresurlaub als ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Union – verbürgt in Art. 31 Abs. 2 GRC – anzusehen sei, von dem nicht abgewichen werden dürfe. Der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub solle es dem Arbeitnehmer ermöglichen, sich zu erholen und über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu verfügen. Die Schaffung eines Anreizes, auf den Erholungsurlaub zu verzichten, sei mit den Zielen von Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG unvereinbar. Das gelte für jede Praxis eines Arbeitgebers, die den Arbeitnehmer davon abhalten könne, den Jahresurlaub zu nehmen. Der in § 4.1.2. MTV angelegte Mechanismus zur Anrechnung von Arbeitsstunden, die für das Überschreiten einer bestimmten Schwelle, ab der Mehrarbeitszuschläge geschuldet sind, zu berücksichtigen sind, sei allerdings geeignet, den Arbeitnehmer davon abzuhalten, Urlaub zu nehmen. Denn in dem Monat, in dem er Urlaub nehme, könne ein Mehrarbeitszuschlag trotz geleisteter Überstunden deshalb entfallen, weil die Urlaubsstunden bei der Berechnung des Schwellenwerts nicht berücksichtigt würden. Ein solcher Mechanismus sei nicht mit dem in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG vorgesehenen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub vereinbar. 19 dd) Unter Zugrundelegung dieser Vorgaben, an die der Senat nach Art. 267 AEUV gebunden ist, ist § 4.1.2. MTV gesetzeskonform in Übereinstimmung mit § 1 BUrlG in seinem unionsrechtskonformen Verständnis dahin auszulegen, dass genommene und zu vergütende Urlaubsstunden bei der Berechnung der Mehrarbeitszuschläge zu berücksichtigen sind. In dieser Auslegung weicht § 4.1.2. MTV nicht von den für den gesetzlichen Mindesturlaub gegebenen gesetzlichen Vorgaben in § 1 BUrlG in seiner richtlinienkonformen Auslegung ab. 20 d) Eine andere Auslegung würde dazu führen, dass ein Mechanismus gegeben wäre, den Arbeitnehmer davon abzuhalten, seinen Jahresurlaub zu nehmen, und somit ein unzulässiger finanzieller Anreiz, auf den – gesetzlichen – Mindesturlaub zu verzichten. Dies wäre immer dann der Fall, wenn ein Arbeitnehmer während eines Kalendermonats Mehrarbeit im Tarifsinn leistet und im selben Monat Urlaub nimmt. Mehrarbeitszuschläge könnten sich verringern oder vollständig entfallen, weil der maßgebende Schwellenwert für Mehrarbeitszuschläge in geringerem Umfang oder gar nicht mehr überschritten würde. In Anspruch genommener Urlaub könnte in Bezug auf tarifvertragliche Mehrarbeitszuschläge mit einem finanziellen Nachteil einhergehen, wenn mehr als 40 Stunden pro Woche gearbeitet wurden und bei Weiterarbeit statt Urlaubs die jeweils maßgebliche Berechnungsschwelle überschritten würde. Im Fall des Klägers würde ein solches Verständnis von § 4.1.2. MTV auch tatsächlich dazu führen, dass Mehrarbeitszuschläge im Monat August 2017 nicht zu zahlen wären. Ohne Berücksichtigung der bezahlten Urlaubsstunden hätte der Kläger die Schwelle für Mehrarbeitszuschläge nicht überschritten. 21 2. Danach steht dem Kläger für den Monat August 2017 ein Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge in Höhe von 68,36 Euro brutto nebst Zinsen zu. Im Übrigen sind die Klage und insoweit auch die Revision unbegründet. 22 a) Im Monat August 2017 erbrachte der Kläger 121,75 Stunden Arbeitsleistungen und hat unstreitig 84,7 Stunden Urlaub vergütet erhalten. Zusammen ergeben sich insgesamt 206,45 Stunden, die – wie dargelegt – für die Berechnung der Mehrarbeitszuschläge zugrunde zu legen sind. Der Monat August 2017 hatte 23 Arbeitstage, sodass nach § 4.1.2. MTV Mehrarbeitszuschläge für über 184 Stunden hinausgehende Zeiten, somit für 22,45 Stunden zu zahlen sind. Daraus errechnet sich bei einem Stundensatz von 12,18 Euro brutto und einem Zuschlag von 25 % ein Mehrarbeitszuschlag von 68,36 Euro brutto (22,45 Stunden x 12,18 Euro x 25 %). Soweit der Kläger weitere 3,96 Euro brutto an Mehrarbeitszuschlägen begehrt, fehlt es hingegen an einer Anspruchsgrundlage. 23 b) Der Anspruch auf Zinsen ab dem 8. Dezember 2017 folgt aus § 286 Abs. 1 Satz 2, § 288 Abs. 1, § 291 BGB. 24 II. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der Vorinstanzen auf § 92 Abs. 1 Satz 1, § 97 ZPO und hinsichtlich des Revisionsverfahrens auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.              W. Reinfelder                  Heinkel                  Günther-Gräff                                    Schurkus                  Salzburger" bag_45-22,30.11.2022,"30.11.2022 45/22 - Versetzung ins Ausland Der Arbeitgeber kann aufgrund seines arbeitsvertraglichen Direktionsrechts den Arbeitnehmer anweisen, an einem Arbeitsort des Unternehmens im Ausland zu arbeiten, wenn nicht im Arbeitsvertrag ausdrücklich oder den Umständen nach konkludent etwas anderes vereinbart worden ist. § 106 GewO begrenzt das Weisungsrecht des Arbeitgebers insoweit nicht auf das Territorium der Bundesrepublik Deutschland. Die Ausübung des Weisungsrechts im Einzelfall unterliegt nach dieser Bestimmung allerdings einer Billigkeitskontrolle. Der Kläger ist seit Januar 2018 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin – beides international tätige Luftverkehrsunternehmen mit Sitz im europäischen Ausland – als Pilot beschäftigt. Arbeitsvertraglich war die Geltung irischen Rechts und ein Jahresgehalt von 75.325,00 Euro brutto vereinbart. Aufgrund eines von der Beklagten mit der Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC), deren Mitglied der Kläger ist, geschlossenen Vergütungstarifvertrags verdiente er zuletzt 11.726,22 Euro brutto monatlich. Stationierungsort des Klägers war der Flughafen Nürnberg. Der Arbeitsvertrag sieht vor, dass der Kläger auch an anderen Orten stationiert werden könne. Aufgrund der Entscheidung, die Homebase am Flughafen Nürnberg Ende März 2020 aufzugeben, versetzte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 20. Januar 2020 zum 30. April 2020 an ihre Homebase am Flughafen Bologna. Vorsorglich sprach sie eine entsprechende Änderungskündigung aus, die der Kläger unter dem Vorbehalt ihrer sozialen Rechtfertigung annahm. Der Kläger hält seine Versetzung nach Bologna für unwirksam und hat im Wesentlichen gemeint, das Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 Satz 1 GewO erfasse nicht eine Versetzung ins Ausland. Zumindest sei eine solche unbillig, weil ihm sein tariflicher Vergütungsanpruch entzogen werde und ihm auch ansonsten erhebliche Nachteile entstünden. Dagegen hat die Beklagte gemeint, § 106 Satz 1 GewO lasse auch eine Versetzung ins Ausland zu, zumal als Alternative nur eine betriebsbedingte Beendigungskündigung in Betracht gekommen wäre. Ihre Entscheidung wahre billiges Ermessen, es seien alle an der Homebase Nürnberg stationierten Piloten ins Ausland versetzt worden, ein freier Arbeitsplatz an einem inländischen Stationierungsort sei nicht vorhanden gewesen. Zudem habe sie das mit der Gewerkschaft VC in einem „Tarifsozialplan bzgl. Stilllegung/Einschränkung von Stationierungsorten“ vorgesehene Verfahren eingehalten. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat unter Bejahung der Anwendbarkeit deutschen Rechts nach Art. 8 Rom I-Verordnung die Berufung des Klägers zurückgewiesen und angenommen, die Versetzung des Klägers an die Homebase der Beklagten am Flughafen Bologna sei nach § 106 Satz 1 GewO wirksam. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers blieb vor dem Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts ohne Erfolg. Soweit das Landesarbeitsgericht die Anwendbarkeit deutschen Rechts nach Art. 8 Rom I-Verordnung bejaht hat, sind hiergegen in der Revision von den Parteien keine Verfahrensrügen erhoben worden und revisible Rechtsfehler nicht ersichtlich. Ist – wie im Streitfall – arbeitsvertraglich ein bestimmter inländischer Arbeitsort nicht fest vereinbart, sondern ausdrücklich eine unternehmensweite Versetzungsmöglichkeit vorgesehen, umfasst das Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 Satz 1 GewO auch die Versetzung an einen ausländischen Arbeitsort. Eine Begrenzung des Weisungsrechts auf Arbeitsorte in der Bundesrepublik Deutschland ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Rechtsfehlerfrei hat das Landesarbeitsgericht auch angenommen, dass die Maßnahme billigem Ermessen entsprach und der Ausübungskontrolle standhält. Die Versetzung ist Folge der unternehmerischen Entscheidung, die Homebase am Flughafen Nürnberg aufzugeben. Damit ist die Möglichkeit, den Kläger dort zu stationieren, entfallen. Die Beklagte hat das für einen solchen Fall in dem mit der Gewerkschaft VC geschlossenen Tarifsozialplan vereinbarte Verfahren eingehalten. Offene Stellen an einem anderen inländischen Stationierungsort gab es nicht, ein Einsatz als „Mobile Pilot“ war nicht möglich, eine Base-Präferenz hatte der Kläger nicht angegeben, alle am Flughafen Nürnberg stationierten Piloten wurden an einen Standort in Italien versetzt. Die Weisung der Beklagten lässt den Inhalt des Arbeitsvertrags, insbesondere das arbeitsvertragliche Entgelt, unberührt. Dass der Kläger den Anspruch auf das höhere tarifliche Entgelt verliert, liegt an dem von den Tarifvertragsparteien vereinbarten Geltungsbereich des Vergütungstarifvertrags, der auf die in Deutschland stationierten Piloten beschränkt ist. Zudem sieht der Tarifsozialplan vor, dass Piloten, die an einen ausländischen Stationierungsort verlegt werden, zu den dort geltenden Arbeitsbedingungen, insbesondere den dortigen Tarifgehältern, weiterbeschäftigt werden. Es ist auch nicht unbillig iSd. § 106 Satz 1 GewO, wenn die Beklagte mit der Versetzung verbundene sonstige Nachteile des Klägers, der seinen Wohnort Nürnberg nicht aufgeben will, finanziell nicht stärker ausgleicht, als es im Tarifsozialplan vorgesehen ist. Weil die Versetzung des Klägers bereits aufgrund des Weisungsrechts der Beklagten wirksam war, kam es auf die von ihr vorsorglich ausgesprochene Änderungskündigung nicht mehr an. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 30. November 2022 – 5 AZR 336/21 – Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Nürnberg, Urteil vom 23. April 2021 – 8 Sa 450/20 – Hinweis: Der Senat hat am heutigen Tag in drei Parallelverfahren (- 5 AZR 352/21 -, – 5 AZR 369/21 -, – 5 AZR 462/21 -) die Revisionen der Kläger ebenfalls zurückgewiesen.","Tenor 1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 23. April 2021 – 8 Sa 450/20 – wird zurückgewiesen. 2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen. Leitsatz 1. Der Arbeitgeber kann aufgrund seines Weisungsrechts nach § 106 Satz 1 GewO dem Arbeitnehmer grundsätzlich auch einen Arbeitsplatz im Ausland zuweisen, wenn die möglichen Arbeitsorte nicht durch Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag oder gesetzliche Vorschriften auf das Inland begrenzt sind. Eine Beschränkung des Weisungsrechts auf Arbeitsorte in der Bundesrepublik Deutschland ist dem Arbeitsvertrag als solchem nicht immanent. 2. Die Zuweisung eines Arbeitsorts im Ausland unterliegt wie jede Ausübung des Weisungsrechts des Arbeitgebers nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 1 BGB einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle. Sofern die Weisung auf einer unternehmerischen Entscheidung beruht, kommt dieser besonderes Gewicht zu, ohne dass das unternehmerische Konzept auf seine Zweckmäßigkeit zu überprüfen wäre. Tatbestand 1 Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung ins Ausland, die die Beklagte im Wege ihres Weisungsrechts und einer vorsorglichen Änderungskündigung vorgenommen hat. 2 Der 1968 geborene Kläger, der verheiratet und einem Kind unterhaltspflichtig ist, war seit Januar 2018 bei der Ryanair DAC, die ihren Sitz in Irland hat, als Pilot in der Position eines „Captain Boeing 737-800“ beschäftigt und am Flughafen Nürnberg stationiert. Sein Arbeitsverhältnis ging zum 1. Januar 2020 im Wege des Betriebsübergangs auf die Beklagte, eine Fluggesellschaft mit Sitz in Malta, über. In dem Arbeitsvertrag wurde die Geltung irischen Rechts und die ausschließliche Zuständigkeit irischer Gerichte vereinbart. Zum „Standort“ heißt es dort unter Nr. 6.1 in der vom Kläger vorgelegten deutschen Übersetzung:          „Die Flugzeuge von Ryanair sind in der Republik Irland registriert, und da Sie Ihre Aufgaben mit diesen irischen Flugzeugen wahrnehmen werden, hat Ihr Arbeitsplatz seinen Sitz im Gebiet der Republik Irland. Sie befinden sich hauptsächlich am Nürnberger Airport und an einem anderen Ort oder anderen Orten, die das Unternehmen zur ordnungsgemäßen Erfüllung Ihrer Pflichten und Verantwortlichkeiten im Rahmen dieser Vereinbarung benötigt. Es ist eine Voraussetzung für Ihre Anstellung, dass Sie diese Anforderung erfüllen. Dies würde zur Vermeidung von Zweifeln eine entschädigungslose Übertragung auf einen der Standorte der Gesellschaft beinhalten. Es muss verstanden werden, dass Sie, wenn Sie auf eine andere Basis transferiert werden, in Übereinstimmung mit dem geltenden Gehaltssystem und der Bezahlung pro Flug dieser Basis bezahlt werden.“ 3 Arbeitsvertraglich ist ein Jahresgehalt von 75.325,00 Euro brutto vereinbart, das jährlich im April überprüft werden soll. Aufgrund eines von Ryanair, der beklagten Malta Air und der Vereinigung Cockpit e.V. (VC), deren Mitglied der Kläger ist, abgeschlossenen Vergütungstarifvertrags (VTV Nr. 1), der mit Wirkung zum 1. Dezember 2018 in Kraft getreten und bis zum 31. März 2023 befristet ist, verdiente der Kläger zuletzt 11.726,22 Euro brutto monatlich. Im VTV Nr. 1 ist auch bestimmt, dass ab dem 1. Februar 2019 auf alle bei Ryanair direkt angestellten Piloten, die an deutschen Basen stationiert sind, deutsches Recht Anwendung finden soll mit Ausnahme des deutschen Steuerrechts und des Rechts der betrieblichen Altersversorgung. 4 Anfang November 2019 vereinbarten Ryanair, die Beklagte und die Gewerkschaft VC einen Tarifsozialplan (Sozialplan-TV). Dieser regelt ua. die Vorgehensweise bei der Stilllegung oder Einschränkung von Stationierungsorten und räumt dabei – als letzte Stufe vor einer Beendigungskündigung – Ryanair und der Beklagten das Recht ein, den Piloten einen anderen Stationierungsort innerhalb Deutschlands oder in EU-Ländern (einschließlich Großbritannien, Norwegen und Schweiz) zuweisen zu können. Bei einer Verlegung an einen ausländischen Stationierungsort soll nach § 3 Nr. 4 Sozialplan-TV die Weiterbeschäftigung „zu den dort geltenden Arbeitsbedingungen, insbesondere den Gehältern gemäß dem an dem neuen Stationierungsort geltenden Tarifvertrag“ erfolgen. 5 Ende November 2019 beschloss Ryanair, den Stationierungsort Nürnberg, an dem damals 24 Piloten angesiedelt waren, Ende März 2020 aufzugeben. Dies eröffnete sie den dortigen Piloten auf einer Versammlung Anfang Dezember 2019. Mit Memorandum vom 18. Dezember 2019 erinnerte Ryanair die Piloten daran, entsprechend den Regelungen im Sozialplan-TV ihre Base-Präferenzen mitzuteilen. Der Kläger äußerte sich hierzu nicht. 6 Nach dem Übergang des Arbeitsverhältnisses des Klägers auf die Beklagte hielt diese an der Entscheidung, den Stationierungsort Nürnberg aufzugeben, fest und versetzte den Kläger mit Schreiben vom 20. Januar 2020, diesem zugegangen am 27. Januar 2020, mit Wirkung zum 1. Mai 2020 an die Homebase am Flughafen Bologna. Hilfsweise sprach sie eine entsprechende Änderungskündigung aus, die der Kläger unter dem Vorbehalt ihrer sozialen Rechtfertigung angenommen hat. Wegen der Corona-Pandemie verschob sich der tatsächliche Beginn der Maßnahme auf den 1. Juli 2020. 7 Mit seiner am 17. Februar 2020 anhängig gemachten Klage hat der Kläger im Wesentlichen geltend gemacht, das Weisungsrecht des Arbeitgebers umfasse nicht eine Versetzung ins Ausland. Zumindest sei eine solche unbillig, weil ihm sein tariflicher Vergütungsanspruch entzogen werde und ihm auch ansonsten erhebliche finanzielle Nachteile entstünden. Die vorsorglich ausgesprochene Änderungskündigung sei sozial nicht gerechtfertigt. 8 Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt          1.     festzustellen, dass seine Versetzung nach Bologna gemäß dem Schreiben der Beklagten vom 20. Januar 2020 unwirksam ist;          2.     hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1.:                   festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 20. Januar 2020 sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. 9 Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, das ihr als Arbeitgeberin zustehende Weisungsrecht umfasse auch eine Versetzung ins Ausland, zumal als Alternative nur eine betriebsbedingte Beendigungskündigung in Betracht gekommen wäre. Ihre Entscheidung wahre billiges Ermessen, es seien alle an der Homebase Nürnberg stationierten Piloten ins Ausland versetzt worden, ein freier Arbeitsplatz an einem inländischen Stationierungsort sei nicht vorhanden gewesen. Zudem habe sie das im Sozialplan-TV vorgesehene Verfahren eingehalten. 10 Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und angenommen, die Versetzung des Klägers an den Stationierungsort Bologna sei wirksam. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt. Entscheidungsgründe 11 Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die Versetzung des Klägers an den Stationierungsort Bologna ist vom Weisungsrecht der Beklagten gedeckt und rechtswirksam. Infolgedessen ist der gegen die vorsorgliche Änderungskündigung gerichtete Hilfsantrag nicht zur Entscheidung angefallen. 12 I. Der gegen die im Wege des Weisungsrechts verfügte Versetzung des Klägers an den Stationierungsort Bologna gerichtete Hauptantrag ist zulässig, insbesondere sind die deutschen Gerichte trotz der arbeitsvertraglich vereinbarten ausschließlichen Zuständigkeit irischer Gerichte international zuständig. 13 1. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte steht zwar zwischen den Parteien außer Streit, ist aber gleichwohl eine in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfende Sachurteilsvoraussetzung (st. Rspr., zuletzt BAG 31. März 2022 – 8 AZR 207/21 – Rn. 15 mwN). Sie ergibt sich wegen des Auslandsbezugs des Arbeitsverhältnisses (zu dieser Voraussetzung EuGH 3. Juni 2021 – C-280/20 – [Generalno konsulstvo na Republika Bulgaria] Rn. 30 ff. mwN) aus Art. 21 Abs. 1 Buchst. b i) Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel Ia-VO), weil der Kläger seine Arbeit vor der streitgegenständlichen Versetzung gewöhnlich vom Flughafen Nürnberg aus verrichtet hat (zum Begriff des gewöhnlichen Arbeitsorts vgl. – fliegendes Personal der Ryanair auf dem Flughafen Bergamo betreffend – EuGH 19. Mai 2022 – C-33/21 – [INAIL und INPS] Rn. 56 mwN). Die arbeitsvertragliche Gerichtsstandsvereinbarung, nach der ausschließlich die irischen Gerichte zuständig sein sollen, genügt nicht den Anforderungen des Art. 23 Brüssel Ia-VO. Sie wurde nicht gemäß Art. 23 Nr. 1 Brüssel Ia-VO nach der Entstehung der Streitigkeit getroffen und erfüllt auch nicht die Voraussetzungen des Art. 23 Nr. 2 Brüssel Ia-VO. Dieser erfasst nur solche Gerichtsstandsvereinbarungen, die im Vergleich zu Art. 20 ff. Brüssel Ia-VO zusätzliche Gerichtsstände schaffen. Daran fehlt es bei der Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstands (EuGH 19. Juli 2012 – C-154/11 – [Mahamdia] Rn. 63, zum wortlautgleichen Art. 21 Brüssel I-VO; 14. September 2017 – C-168/16, C-169/16 – [Nogueira ua.] Rn. 52 ff., eine Gerichtsstandsvereinbarung der Ryanair DAC betreffend; ebenso zB EuArbRK/Krebber 4. Aufl. VO (EU) 1215/2012 Art. 25 Rn. 8; GMP/Schlewing/Dickerhof-Borello 10. Aufl. § 1 Rn. 26, jeweils mwN; dahingestellt gelassen in BAG 31. März 2022 – 8 AZR 207/21 – Rn. 36). 14 2. Unabhängig davon hat sich die Beklagte auf die Klage rügelos eingelassen, so dass die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte auch nach Art. 26 Abs. 1 Satz 1 Brüssel Ia-VO eingetreten ist. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann die Einlassung der Beklagten als stillschweigende Anerkennung des angerufenen Gerichts und somit als Vereinbarung von dessen Zuständigkeit betrachtet werden (vgl. – in einem Rechtsstreit zwischen einem Fluggast und der Ryanair DAC ergangen – EuGH 11. April 2019 – C-464/18 – Rn. 38 mwN). Einer Belehrung der Beklagten über die Folgen rügeloser Einlassung bedurfte es nicht, Art. 26 Abs. 2 Brüssel Ia-VO. 15 II. Die Klage ist im Hauptantrag unbegründet. Die Beklagte konnte den Kläger aufgrund ihres arbeitsvertraglichen Weisungsrechts an einen Stationierungsort im Ausland versetzen. § 106 GewO begrenzt das Weisungsrecht des Arbeitgebers nicht auf das Territorium der Bundesrepublik Deutschland. Die Ausübung des Weisungsrechts im Streitfall hält auch der gesetzlich vorgesehenen Billigkeitskontrolle stand. 16 1. Die Wirksamkeit der streitgegenständlichen Versetzung beurteilt sich – wovon die Parteien übereinstimmend im Ergebnis zu Recht ausgehen – nach deutschem Recht. 17 Dabei braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Tarifvertrag das für die Arbeitsverhältnisse der Tarifunterworfenen anwendbare Recht wählen kann (vgl. zum Streitstand etwa EuArbRK/Krebber 4. Aufl. VO (EG) 593/2008 Art. 8 Rn. 9; Staudinger/Magnus [2021] Art. 8 Rom I-VO Rn. 63 f.; ErfK/Schlachter 23. Aufl. VO (EG) 593/2008 Art. 9 Rn. 7; Löwisch/Rieble TVG 4. Aufl. § 1 Rn. 324; Wiedemann/Thüsing TVG 8. Aufl. § 1 Rn. 95, jeweils mwN). Die Anwendung deutschen Rechts auf das Arbeitsverhältnis der Parteien folgt schon aus Art. 8 Abs. 1 Satz 2 iVm. Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-VO). Denn das Arbeitsverhältnis wurde nicht vor dem 17. Dezember 2009 begründet (zum zeitlichen Anwendungsbereich der Rom I-VO sh. EuGH 18. Oktober 2016 – C-135/15 – [Nikiforidis] Rn. 34 ff.) und der Kläger hat bis zur streitgegenständlichen Versetzung gewöhnlich seine Arbeit in bzw. von Deutschland aus verrichtet (zu diesem Kriterium EuGH 15. März 2011 – C-29/10 – [Koelzsch] Rn. 31 ff.; BAG 19. März 2014 – 5 AZR 252/12 (B) – Rn. 25, BAGE 147, 342; 26. April 2022 – 9 AZR 228/21 – Rn. 38; zur Berücksichtigung der Heimatbasis bei der Ermittlung des gewöhnlichen Arbeitsorts von Flugpersonal sh. auch EuGH 14. September 2017 – C-168/16, C-169/16 – [Nogueira ua.] Rn. 67 ff.; BAG 7. Mai 2020 – 2 AZR 692/19 – Rn. 26 ff.). Damit unterläge das Arbeitsverhältnis ohne Rechtswahl deutschem Recht, dessen Schutz – insbesondere dem des deutschen Arbeitsrechts – dem Kläger durch die Rechtswahl nicht entzogen werden darf. Das Landesarbeitsgericht hat die Voraussetzungen des Art. 8 Rom I-VO geprüft und die Anwendbarkeit deutschen Rechts nach dieser Norm bejaht. Hiergegen sind in der Revision keine Verfahrensrügen erhoben worden und revisible Rechtsfehler nicht ersichtlich. 18 2. Nach § 106 Satz 1 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzlicher Vorschriften festgelegt sind. Dabei entsprach es schon vor der am 1. Januar 2003 in Kraft getretenen gesetzlichen Regelung des Weisungsrechts ständiger Rechtsprechung, dass das Weisungsrecht des Arbeitgebers als Wesensmerkmal eines jeden Arbeitsverhältnisses – nunmehr ausdrücklich als solches in § 611a Abs. 1 Satz 1 BGB normiert – es dem Arbeitgeber ermöglicht, die im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht im Einzelnen nach Zeit, Art und Ort näher zu bestimmen (BAG 11. Oktober 1995 – 5 AZR 1009/94 – zu I 1 der Gründe; 23. September 2004 – 6 AZR 567/03 – zu IV 1 der Gründe mwN, BAGE 112, 80; 18. Oktober 2017 – 10 AZR 330/16 – Rn. 60 f., BAGE 160, 296; sh. dazu auch – pars pro toto – ErfK/Preis 23. Aufl. GewO § 106 Rn. 1 ff.; AR/Kolbe 10. Aufl. § 106 GewO Rn. 1 und 3; MHdB ArbR/Fischinger 5. Aufl. § 11 Rn. 4 ff.; HWK/Thüsing 10. Aufl. Vor § 611a BGB Rn. 28 und HWK/Lembke § 106 GewO Rn. 1 ff.; zu dem Aspekt der Kodifizierung bisheriger Rechtsprechung durch § 106 GewO sh. auch BT-Drs. 14/8796 S. 16, 24). Dementsprechend bestimmt nunmehr § 611a Abs. 1 Satz 2 BGB, dass das arbeitsvertragliche Weisungsrecht Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen kann (vgl. BAG 1. Dezember 2020 – 9 AZR 102/20 – Rn. 31, BAGE 173, 111). § 106 Satz 1 GewO hat damit kein neues gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht geschaffen, sondern setzt das vertragliche voraus (Staudinger/Rieble [2020] § 315 Rn. 220). Diese Regelung ist deshalb rein deklaratorisch zu verstehen. Sie knüpft daran an, dass das Weisungsrecht das Kriterium darstellt, das den Arbeitsvertrag von allen anderen Verträgen über Dienstleistungen unterscheidet und als dessen wesentlicher Inhalt nicht eigens vereinbart zu werden braucht, sondern untrennbar mit ihm verbunden ist (BeckOGK/Maschmann Stand 1. August 2022 GewO § 106 Rn. 2; ebenso BAG 13. Oktober 2009 – 9 AZR 722/08 – Rn. 18, BAGE 132, 210; AR/Kolbe aaO Rn. 4; HWK/Lembke § 106 GewO Rn. 4; aA BeckOK ArbR/Tillmanns Stand 1. Juni 2022 GewO § 106 Rn. 3). 19 a) Der Arbeitsort des Klägers ist vertraglich weder ausdrücklich noch konkludent fest vereinbart. Das ergibt die Auslegung des Arbeitsvertrags. 20 aa) Nach Nr. 6.1 Arbeitsvertrag ist der Kläger zwar „hauptsächlich“, aber nicht ausschließlich und für die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses am Flughafen Nürnberg eingesetzt. Die Vereinbarung sieht ausdrücklich eine unternehmensweite und damit auch außerhalb Deutschlands liegende Stationierungsmöglichkeit vor. Folglich enthält der Arbeitsvertrag – wie die Vorinstanzen zutreffend angenommen haben – keine abschließende Festlegung des Arbeitsorts des Klägers. Anhaltspunkte für eine konkludente Beschränkung auf ausschließlich in Deutschland gelegene Stationierungsorte sind weder dargetan noch ersichtlich, zumal sowohl die ursprüngliche Arbeitgeberin Ryanair als auch die Beklagte international tätige Luftfahrtunternehmen mit Sitz im europäischen Ausland sind. 21 bb) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den im Bereich der Luftfahrt geltenden Regelungen über Flug-, Dienst- und Ruhezeiten. Nach § 20 ArbZG iVm. § 5 Abs. 1 der Zweiten Durchführungsverordnung zur Betriebsordnung für Luftfahrtgerät (2. DV LuftBO) bzw. nach Art. 1 iVm. Ziff. 3.1 OPS 1.1090 Abschnitt Q des Anhangs III der Verordnung (EG) Nr. 859/2008 vom 20. August 2008 (ABl. EU L 254 vom 20. September 2008 S. 1, 223) ist die Beklagte verpflichtet, für jedes Besatzungsmitglied eine Heimatbasis anzugeben. Dem ist die Beklagte nachgekommen. Aus diesen Vorschriften ergibt sich aber nicht die Verpflichtung, die Heimatbasis arbeitsvertraglich so festzuschreiben, dass eine Änderung nur im Wege einer Änderungskündigung erfolgen könnte. Vielmehr schließen auch diese Vorschriften nicht aus, dass der Arbeitgeber im Rahmen der vertraglichen Regelungen im Wege des Direktionsrechts diese Heimatbasis verändert und gegenüber dem Besatzungsmitglied neu benennt (BAG 26. September 2012 – 10 AZR 415/11 – Rn. 27). 22 cc) Der Arbeitsort des Klägers hat sich auch nicht auf den Stationierungsort Nürnberg oder zumindest einen nur inländischen Stationierungsort konkretisiert. Die Nichtausübung des Direktionsrechts über einen längeren Zeitraum hat keinen Erklärungswert und schafft keinen Vertrauenstatbestand dahingehend, der Arbeitgeber wolle von seinem Recht in Zukunft nicht mehr Gebrauch machen. Nur wenn besondere Umstände hinzutreten, kann es durch konkludentes Verhalten zu einer vertraglichen Beschränkung der Ausübung des Direktionsrechts kommen (BAG 24. Oktober 2018 – 10 AZR 69/18 – Rn. 37; 30. November 2016 – 10 AZR 11/16 – Rn. 26; BeckOGK/Maschmann Stand 1. August 2022 GewO § 106 Rn. 47; ErfK/Preis 23. Aufl. GewO § 106 Rn. 7 mwN). Derartige Umstände sind weder dargelegt noch ersichtlich. 23 dd) Der Arbeitsort des Klägers ist auch nicht durch Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung oder eines auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrags festgelegt iSd. § 106 Satz 1 GewO. Das steht zwischen den Parteien außer Streit. 24 ee) Fehlt es aber an einer abschließenden Festlegung des Arbeitsorts, kann diesen der Arbeitgeber grundsätzlich aufgrund seines Weisungsrechts nach § 106 Satz 1 GewO (neu) bestimmen. Dabei kommt es auf die Zulässigkeit eines darüber hinaus vereinbarten Versetzungsvorbehalts nicht an (vgl. BAG 30. November 2016 – 10 AZR 11/16 – Rn. 19; 18. Oktober 2017 – 10 AZR 330/16 – Rn. 27, BAGE 160, 296). 25 b) Sofern die möglichen Arbeitsorte durch Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag oder gesetzliche Vorschriften nicht auf das Inland begrenzt sind, kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auch einen Arbeitsplatz in einer Betriebsstätte im Ausland zuweisen (dahin tendierend schon LAG Düsseldorf 17. Dezember 2010 – 10 Sa 972/10 – Rn. 84). 26 aa) Dem Arbeitsvertrag als solchem ist eine Begrenzung des Weisungsrechts auf Arbeitsorte in der Bundesrepublik Deutschland nicht immanent (so wohl auch AR/Kolbe 10. Aufl. § 106 GewO Rn. 28; HWK/Lembke 10. Aufl. § 106 GewO Rn. 29 „in örtl. Hinsicht nicht beschränkt“; sh. auch Deinert Anm. AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 202). § 106 Satz 1 GewO sind – unabhängig von seiner rein deklaratorischen Bedeutung – für eine Einschränkung des Weisungsrechts in Bezug auf den Ort der Arbeitsleistung gleichfalls keine Anhaltspunkte zu entnehmen. Das vernachlässigen diejenigen, die – meist ohne nähere Begründung – das Weisungsrecht auf Versetzungen im Inland begrenzen wollen (vgl. etwa LAG Baden-Württemberg 6. September 2017 – 4 Sa 3/17 – Rn. 49 f., mit einer Ausnahme für „gelegentliche Auslandsdienstreisen“; ErfK/Preis 23. Aufl. GewO § 106 Rn. 27 und 29; MHdB ArbR/Reichold 5. Aufl. § 40 Rn. 56; HWK/Thüsing § 611a BGB Rn. 489; KR/Kreft 13. Aufl. § 2 KSchG Rn. 66; LKB/Krause 16. Aufl. KSchG § 2 Rn. 48 ff.; Hromadka NZA 2012, 233, 238; offen Staudinger/Fischinger [2022] § 611a Rn. 973 und Staudinger/Rieble [2020] § 315 Rn. 230). 27 bb) Eine Beschränkung des Weisungsrechts dem Grunde nach – dem „Ob“ – kann sich allerdings ausdrücklich oder konkludent aus den getroffenen vertraglichen Vereinbarungen oder den auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren kollektivrechtlichen Regelungen ergeben. Insoweit bedarf es der Auslegung der einschlägigen Regelungen (hierzu BAG 25. August 2010 – 10 AZR 275/09 – Rn. 36 f., BAGE 135, 239). Fehlt es an solchen Einschränkungen dem Grunde nach, unterliegt die konkrete Ausübung des Weisungsrechts – das „Wie“ – der Ausübungskontrolle, sie muss daher billigem Ermessen entsprechen (HWK/Lembke 10. Aufl. § 106 GewO Rn. 29; im Grundsatz auch BAG 13. Juni 2012 – 10 AZR 296/11 – Rn. 26). 28 cc) Ein solches Verständnis des Weisungsrechts ist auch interessengerecht. Es ermöglicht eine einzelfallbezogene Prüfung und vermeidet grobe, holzschnittartige Kategorisierungen. Es gibt – vorbehaltlich abweichender Regelungen im Einzelfall – vertragsrechtlich keinen Anhaltspunkt dafür, eine Versetzung in einen im nahen Ausland gelegenen Betrieb eines Unternehmens (zB von Berchtesgaden nach Salzburg) im Wege des Weisungsrechts von vornherein auszuschließen und den Arbeitgeber zur Durchführung einer solchen Maßnahme stets auf die das Vertragsverhältnis gefährdende Änderungskündigung zu verweisen, während für eine den Arbeitnehmer weit mehr belastende Versetzung (zB von Berchtesgaden nach Greifswald) dem Arbeitgeber das Weisungsrecht dem Grunde nach eröffnet und sodann im Rahmen der Ausübungskontrolle zu prüfen ist, ob die konkrete Weisung billigem Ermessen entspricht. 29 c) Mit diesem Verständnis des Weisungsrechts weicht der Senat nicht von der Rechtsprechung des Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts zum Kündigungsschutzrecht ab. Der Einleitung eines Vorlageverfahrens an den Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts nach § 45 Abs. 3 ArbGG bedarf es deshalb nicht. 30 aa) Dass das arbeitsvertragliche Weisungsrecht die Festlegung eines Arbeitsorts im Ausland zulässt, kollidiert nicht mit einer Entscheidung des Zweiten Senats vom 29. August 2013 (- 2 AZR 809/12 – Rn. 28 ff., BAGE 146, 37), wonach sich die Verpflichtung des Arbeitgebers aus § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b, Satz 3 KSchG, den Arbeitnehmer an einem anderen freien Arbeitsplatz im selben oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens zu beschäftigen, grundsätzlich nicht auf einen Arbeitsplatz in einem im Ausland gelegenen Betrieb oder Betriebsteil des Unternehmens erstreckt (so aber ErfK/Preis 23. Aufl. GewO § 106 Rn. 29). Diese Annahme beruht nicht auf einer entsprechenden Beschränkung des Weisungsrechts des Arbeitgebers. Vielmehr hat der Zweite Senat dies damit begründet, dass der Erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes nur auf in Deutschland gelegene Betriebe Anwendung finde und die sich daraus ergebenden Beschränkungen des Bestandsschutzes auch im Rahmen von § 1 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 KSchG zu berücksichtigen seien (vgl. Deinert Anm. AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 202). Zudem lässt der Zweite Senat ausdrücklich offen, ob das auch dann gelte, „wenn der Arbeitgeber ganze Betriebe oder doch Betriebsteile ins Ausland verlagert“. 31 bb) Soweit der Zweite Senat in einer von der Revision angezogenen älteren Entscheidung zu einer betriebsbedingten Kündigung (BAG 20. April 1989 – 2 AZR 431/88 – zu II 2 der Gründe, BAGE 61, 369) ausgeführt hat, bei einer Betriebsverlagerung von Berlin nach Lyon könne der Arbeitgeber im Wege des Direktionsrechts die Leistungserfüllung an diesem anderen Ort nicht verlangen, handelt es sich um ein den Senat bei der Bestimmung der Reichweite des Weisungsrechts nicht bindendes obiter dictum. Kündigungsrechtlich maßgeblich für die Wirksamkeit der ausgesprochenen Beendigungskündigung war für den Zweiten Senat nämlich, dass am ursprünglichen Arbeitsort keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr bestand und der Kläger sich auf eine „faktische Unmöglichkeit“, am neuen Betriebssitz in Frankreich zu arbeiten, berufen hatte. 32 3. Die Zuweisung eines Arbeitsorts im Ausland scheitert im Streitfall nicht daran, dass die Beklagte damit einseitig in einen „Kernbereich des Arbeitsverhältnisses“ eingriffe. Mit ihrer Weisung ändert die Beklagte nur den Ort der Arbeitsleistung, lässt aber den Inhalt des Arbeitsvertrags der Parteien unberührt. 33 a) Das Verdikt, der Arbeitgeber dürfe einseitig nicht in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses eingreifen, hat die Rechtsprechung für Widerrufsvorbehalte entwickelt, mit denen der Arbeitgeber sich die Befugnis zur einseitigen Änderung oder gänzlichen Streichung bestimmter Leistungen vorbehalten möchte (vgl. dazu und zur nunmehrigen AGB-Kontrolle entsprechender Klauseln ausführlich KR/Kreft 13. Aufl. § 2 KSchG Rn. 74 ff. mit zahlreichen weiteren Nachw.; sh. auch APS/Künzl 6. Aufl. KSchG § 2 Rn. 79 f.; LKB/Krause 16. Aufl. KSchG § 2 Rn. 59 ff.; MüKoBGB/Hergenröder 8. Aufl. KSchG § 2 Rn. 44; ErfK/Preis 23. Aufl. BGB §§ 305-310 Rn. 51, jeweils mwN). Unbeschadet der Frage, inwieweit nach der Schuldrechtsreform und der von ihr eröffneten Kontrolle entsprechender Klauseln nach den Maßstäben der §§ 305 ff. BGB überhaupt noch Raum für einen Rückgriff auf einen „Kernbereich des Arbeitsverhältnisses“ bleibt (vgl. zB KR/Kreft aaO Rn. 77; MüKoBGB/Spinner 8. Aufl. § 611a Rn. 359), sollte damit eine Umgehung des § 2 KSchG verhindert werden. Eine solche kommt aber nur dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber durch die einseitige Maßnahme (auch) den Inhalt des Arbeitsverhältnisses ändert. 34 b) Das ist vorliegend nicht der Fall. Vereinbarter Ort der Arbeitsleistung des Klägers war gerade nicht ausschließlich der Stationierungsort Nürnberg. Mit der arbeitsvertraglich eröffneten Möglichkeit, den Arbeitsort des Klägers einseitig zu ändern, tastet die Beklagte aber auch die weiteren arbeitsvertraglichen Vereinbarungen und damit den Inhalt des Arbeitsverhältnisses nicht an. Dieser erfährt durch die vorgenommene Versetzung keine Änderung. 35 aa) Die vom Kläger beanstandete Gehaltseinbuße resultiert nicht aus einer Änderung des Inhalts des Arbeitsvertrags, vielmehr bleibt der vertragliche Vergütungsanspruch dem Kläger ungeschmälert erhalten. Dass er bei einer Versetzung nach Bologna fürderhin den auf der beiderseitigen Tarifgebundenheit beruhenden tariflichen Anspruch (§ 3 Abs. 2, § 4 Abs. 1 TVG) auf die höhere Vergütung nach dem VTV Nr. 1 verliert, ist Folge des nach § 1 Ziff. 2 VTV Nr. 1 auf die in Deutschland beschäftigten Piloten beschränkten Geltungsbereichs dieses Tarifvertrags. Der Verlust rein tariflicher Ansprüche berührt den arbeitsvertraglichen Inhalt des Arbeitsverhältnisses nicht und ist grundsätzlich auch bei einer Versetzung im Inland möglich, wenn der Arbeitnehmer an einen Arbeitsort in einem anderen Tarifgebiet versetzt wird. Die Rechtsnormen eines Tarifvertrags gestalten das Arbeitsverhältnis „von außen“ und werden nicht Bestandteil der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen (HWK/Henssler 10. Aufl. § 4 TVG Rn. 3; Schaub ArbR-HdB/Treber 19. Aufl. § 207 Rn. 4). Diese werden für die Dauer der Tarifgeltung lediglich verdrängt und leben danach wieder auf (ErfK/Franzen 23. Aufl. TVG § 4 Rn. 3). Dem Tarifvertrag kommt keine gestaltende Wirkung auf den Inhalt des Arbeitsvertrags zu (BAG 12. Dezember 2007 – 4 AZR 998/06 – Rn. 42, BAGE 125, 179). Im Übrigen haben die Tarifvertragsparteien in § 3 Nr. 4 Sozialplan-TV bestimmt, dass Piloten, die an einen ausländischen Stationierungsort verlegt werden, Gehälter „gemäß dem an dem neuen Stationierungsort geltenden Tarifvertrag“ erhalten. Sollten, wozu der Sachvortag der Parteien schweigt, die Tarifgehälter am Standort Bologna höher sein als der vertragliche Entgeltanspruch, kann der Kläger nach dem Sozialplan-TV die höhere tarifliche Vergütung beanspruchen. 36 bb) Soweit der Kläger in seiner Revisionsbegründung pauschal auf sonstige mögliche Nachteile, etwa bei Arbeitslosigkeit und bezüglich der Rentenversicherung, hinweist, sind das vom Willen der Beklagten unabhängige Rechtsfolgen, die sich aufgrund des auf das Inland beschränkten Geltungsbereichs deutscher Gesetze und den unionsrechtlich zwingenden Vorgaben des auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren Rechts (Art. 3, Art. 8 f. Rom I-VO) ergeben. Ob die Beklagte verpflichtet sein kann, diese Folgen über den Schutz hinaus, den etwa die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit gewährt, abzumildern, ist eine im Rahmen der nach § 106 Satz 1 GewO vorzunehmenden Ausübungskontrolle zu klärende Frage. Dasselbe gilt für einen eventuellen Ausgleich der vom Kläger monierten Reisekosten für An- und Abreise von seinem in Nürnberg beibehaltenen Wohnort zum neuen Stationierungsort. 37 4. Die mangels entgegenstehender vertraglicher oder kollektivrechtlicher Regelungen dem Grunde nach mögliche Versetzung des Klägers an die Homebase der Beklagten am Flughafen Bologna hält der Ausübungskontrolle nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB stand. Das hat das Landesarbeitsgericht ohne revisible Rechtsfehler angenommen. 38 a) Dem Arbeitgeber als Inhaber des Weisungsrechts verbleibt im Falle einer Versetzung grundsätzlich ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum, für dessen Einhaltung er die Darlegungs- und Beweislast trägt. Erforderlich ist – wovon das Landesarbeitsgericht bei seiner Prüfung zutreffend ausgegangen ist – eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen (st. Rspr., zu Versetzungen zB BAG 30. November 2016 – 10 AZR 11/16 – Rn. 29; 18. Oktober 2017 – 10 AZR 330/16 – Rn. 45, BAGE 160, 296; 24. Oktober 2018 – 10 AZR 19/18 – Rn. 26; sh. auch allg. BAG 10. August 2022 – 5 AZR 154/22 – Rn. 44 mwN). 39 Ob die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind, unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle, wobei es nicht auf die vom Arbeitgeber angestellten Erwägungen, sondern darauf ankommt, ob das Ergebnis der getroffenen Entscheidung den gesetzlichen Anforderungen genügt. Weil der Begriff des billigen Ermessens bei der Ausübung des Weisungsrechts ein unbestimmter Rechtsbegriff ist, steht den Tatsacheninstanzen bei der Ausübungskontrolle ein Beurteilungsspielraum zu, der vom Revisionsgericht nur darauf zu überprüfen ist, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob das Urteil in sich widerspruchsfrei ist (grundlegend zur Ausübungskontrolle bei Versetzungen BAG 18. Oktober 2017 – 10 AZR 330/16 – Rn. 46 ff. mwN, BAGE 160, 296; sh. allg. auch BAG 1. Juni 2022 – 5 AZR 28/22 – Rn. 27; 10. August 2022 – 5 AZR 154/22 – Rn. 44). 40 b) Nach diesen Grundsätzen hält die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe bei der Versetzung des Klägers an die Homebase am Flughafen Bologna billiges Ermessen gewahrt, der revisionsrechtlichen Überprüfung stand. 41 aa) Beruht die Weisung des Arbeitgebers auf einer unternehmerischen Entscheidung – im Streitfall der unstreitig geplanten und durchgeführten Aufgabe des Stationierungsorts am Flughafen Nürnberg -, kommt dieser besonderes Gewicht zu, ohne dass das unternehmerische Konzept auf seine Zweckmäßigkeit zu überprüfen wäre. Maßgeblich ist, ob das Interesse des Arbeitgebers an der Durchsetzung seiner Organisationsentscheidung im konkreten Einzelfall die Weisung trotz der dem Arbeitnehmer entstehenden Nachteile rechtfertigt (vgl. BAG 30. November 2016 – 10 AZR 11/16 – Rn. 30). 42 bb) Das ist vorliegend der Fall, zumal die Beklagte das für die Aufgabe eines Stationierungsorts in dem mit der Gewerkschaft VC geschlossenen Sozialplan-TV vereinbarte Verfahren zum Abbau eines Personalüberhangs, das als letzte Stufe vor der Beendigungskündigung eine Versetzung der Piloten auch an einen Stationierungsort in EU-Länder vorsieht, eingehalten hat. 43 (1) Unstreitig hatte die ursprüngliche Arbeitgeberin des Klägers, die Ryanair DAC, vor der streitgegenständlichen Versetzung die unternehmerische Entscheidung getroffen, ihre Homebase am Flughafen Nürnberg aufzugeben. Die zum 1. Januar 2020 nach § 613a Abs. 1 BGB das Arbeitsverhältnis übernehmende Beklagte hat daran festgehalten. In Vollzug dieser Entscheidung ist die Möglichkeit, den Kläger dort zu stationieren, entfallen. Nach ihrem unwidersprochen gebliebenen Sachvortrag hat die Beklagte alle 21 am Stationierungsort Nürnberg angesiedelten Piloten, die nicht durch Eigenkündigung ausgeschieden sind, an einen Standort in Italien versetzt. Damit schied eine Auswahl unter den „Nürnberger Piloten“ dahingehend, wen eine Versetzung nach Italien weniger hart treffen würde als den Kläger, aus. 44 (2) Freie Arbeitsplätze für Piloten an im Inland gelegenen Stationierungsorten gab es zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Versetzung nicht, ein Einsatz des Klägers als „Mobile Pilot“ war nicht möglich. Den diesbezüglichen Sachvortrag der Beklagten hat der Kläger – wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat – in der Berufungsinstanz nicht mehr im Einzelnen bestritten, so dass er als zugestanden gilt (§ 138 Abs. 3 ZPO). Verfahrensrügen dagegen hat die Revision nicht erhoben. 45 (3) Die Beklagte war unter dem Gesichtspunkt des billigen Ermessens nicht gehalten, zu ermitteln, ob sie zum Zeitpunkt der Versetzung an anderen im Inland gelegenen Stationierungsorten vergleichbare Piloten beschäftigte, die eine Versetzung an einen italienischen Stationierungsort weniger hart getroffen hätte als den Kläger. Nach nicht angegriffener Feststellung des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger entgegen einer Aufforderung der Beklagten keine Base-Präferenzen mitgeteilt und damit nicht kundgetan, an welcher anderen inländischen Homebase er sich eine Stationierung vorstellen könnte. Deshalb ist es nicht ermessensfehlerhaft, wenn die Beklagte bei ihrer Versetzungsentscheidung einen „Austausch“ mit Piloten anderer inländischer Stationierungsorte nicht in Erwägung gezogen hat. Insoweit dürfen an die Ermessensausübung nach § 106 Satz 1 GewO keine strengeren Anforderungen gestellt werden, als sie für die Sozialauswahl bei einer betriebsbedingten Kündigung gelten. Bei einer solchen ist es gemäß § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG Sache des gekündigten Arbeitnehmers, die Sozialauswahl zu rügen und die seiner Auffassung nach weniger schutzbedürftigen Arbeitnehmer zu benennen (vgl. dazu im Einzelnen zB LKB/Krause 16. Aufl. KSchG § 1 Rn. 980 ff.; ErfK/Oetker 23. Aufl. KSchG § 1 Rn. 369 ff., jeweils mwN). Es kann deshalb dahinstehen, ob es an den verbliebenen inländischen Stationierungsorten überhaupt vergleichbare Piloten gab, die eine Versetzung nach Bologna weniger hart getroffen hätte als den Kläger. 46 (4) Anhaltspunkte, die die Versetzung des Klägers trotz der sie auslösenden Aufgabe des Stationierungsorts Nürnberg und der Einhaltung des mit der Gewerkschaft VC für die Stilllegung und Einschränkung eines Stationierungsorts im Sozialplan-TV vereinbarten Procedere als willkürlich oder missbräuchlich erscheinen lassen könnte, hat der Kläger nicht vorgebracht. 47 cc) Zu den mit einer Versetzung an einen ausländischen Stationierungsort in der Regel verbundenen finanziellen Belastungen haben die Tarifvertragsparteien in § 3 Nr. 4 Sozialplan-TV bestimmt, dass die Weiterbeschäftigung zu den am ausländischen Stationierungsort geltenden Arbeitsbedingungen, insbesondere den Gehältern nach dem am neuen Stationierungsort geltenden Tarifvertrag erfolgt. Außerdem erhält der Pilot, der umzieht, Umzugsleistungen nach § 8 Nr. 2 Sozialplan-TV. Es ist nicht unbillig iSv. § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB, wenn die Beklagte die mit einer Änderung des Arbeitsorts verbundenen finanziellen Nachteile nicht stärker ausgleicht, als dies in einem Sozialplan-TV vorgesehen ist. 48 dd) Soweit der Kläger auf seine auf den Wohnort Nürnberg zugeschnittene persönliche und familiäre Situation verweist, bedingt diese nicht die Unbilligkeit der streitgegenständlichen Versetzung. Wenn arbeitsvertraglich eine ausschließliche Stationierung an einem bestimmten Standort in Deutschland nicht vereinbart ist, kann ein Pilot bei einer international tätigen Fluggesellschaft mit Sitz im EU-Ausland nicht die berechtigte Erwartung haben, die sozialen und sonstigen Vorteile eines dauerhaft ortsfesten Arbeitseinsatzes in Anspruch nehmen zu können, sondern muss damit rechnen, unter Umständen auch im EU-Ausland stationiert zu werden. Die zweifellos auftretenden Belastungen und zusätzlich entstehenden Kosten – soweit sie nicht durch den Sozialplan-TV gemildert werden – muss der Kläger hinnehmen. Solche können auch bei einer Versetzung im Inland entstehen (und bei einem weit entfernten neuen inländischen Arbeitsort höher sein als bei einem grenznahen ausländischen Arbeitsort) und gehen im Grundsatz nicht über das hinaus, was Arbeitnehmern regelmäßig zugemutet wird, nämlich die Belastungen des Wegs zur und von der Arbeit zu tragen. Ihnen kann notfalls durch einen Umzug begegnet werden (vgl. BAG 30. November 2016 – 10 AZR 11/16 – Rn. 53). 49 III. Weil die Versetzung des Klägers bereits aufgrund des Weisungsrechts der Beklagten wirksam ist, kommt es auf die von ihr vorsorglich ausgesprochene Änderungskündigung nicht mehr an. Der gegen deren Wirksamkeit gerichtete Hilfsantrag des Klägers ist dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen. 50 IV. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.              Linck                  Volk                  Biebl                                    Mattausch                  Rosenberg" bag_47-22,20.12.2022,"20.12.2022 47/22 - Verfall von Urlaub aus gesundheitlichen Gründen Der Anspruch auf gesetzlichen Mindesturlaub aus einem Urlaubsjahr, in dem der Arbeitnehmer tatsächlich gearbeitet hat, bevor er aus gesundheitlichen Gründen an der Inanspruchnahme seines Urlaubs gehindert war, erlischt regelmäßig nur dann nach Ablauf eines Übertragungszeitraums von 15 Monaten, wenn der Arbeitgeber ihn rechtzeitig in die Lage versetzt hat, seinen Urlaub in Anspruch zu nehmen. Dies folgt aus einer richtlinienkonformen Auslegung des § 7 Abs. 1 und Abs. 3 BUrlG. Der als schwerbehinderter Mensch anerkannte Kläger ist bei der beklagten Flughafengesellschaft als Frachtfahrer im Geschäftsbereich Bodenverkehrsdienste beschäftigt. In der Zeit vom 1. Dezember 2014 bis mindestens August 2019 konnte er wegen voller Erwerbsminderung aus gesundheitlichen Gründen seine Arbeitsleistung nicht erbringen und deshalb seinen Urlaub nicht nehmen. Mit seiner Klage hat er ua. geltend gemacht, ihm stehe noch Resturlaub aus dem Jahr 2014 zu. Dieser sei nicht verfallen, weil die Beklagte ihren Obliegenheiten, an der Gewährung und Inanspruchnahme von Urlaub mitzuwirken, nicht nachgekommen sei. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers, die wegen streitiger Urlaubsansprüche aus weiteren Jahren aus prozessualen Gründen zurückzuweisen war, hatte hinsichtlich des Resturlaubs aus dem Jahr 2014 überwiegend Erfolg. Entgegen der Auffassung der Beklagten verfiel der im Jahr 2014 nicht genommene Urlaub des Klägers nicht allein aus gesundheitlichen Gründen. Grundsätzlich erlöschen Urlaubsansprüche nur dann am Ende des Kalenderjahres (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG) oder eines zulässigen Übertragungszeitraums (§ 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG), wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor durch Erfüllung sog. Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen, und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Besonderheiten bestehen, wenn der Arbeitnehmer seinen Urlaub aus gesundheitlichen Gründen nicht nehmen konnte. Nach bisheriger Senatsrechtsprechung gingen die gesetzlichen Urlaubsansprüche in einem solchen Fall – bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit – ohne weiteres mit Ablauf des 31. März des zweiten Folgejahres unter („15-Monatsfrist“). Diese Rechtsprechung hat der Senat in Umsetzung der Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs aufgrund der Vorabentscheidung vom 22. September 2022 (- C-518/20 und C-727/20 – [Fraport]), um die ihn der Senat durch Beschluss vom 7. Juli 2020 (- 9 AZR 401/19 (A) -) ersucht hat, weiterentwickelt. Danach verfällt weiterhin der Urlaubsanspruch mit Ablauf der 15-Monatsfrist, wenn der Arbeitnehmer seit Beginn des Urlaubsjahres durchgehend bis zum 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres aus gesundheitlichen Gründen daran gehindert war, seinen Urlaub anzutreten. Für diesen Fall kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nachgekommen ist, weil diese nicht zur Inanspruchnahme des Urlaubs hätten beitragen können. Anders verhält es sich jedoch, wenn der Arbeitnehmer – wie vorliegend der Kläger – im Urlaubsjahr tatsächlich gearbeitet hat, bevor er voll erwerbsgemindert oder krankheitsbedingt arbeitsunfähig geworden ist. In dieser Fallkonstellation setzt die Befristung des Urlaubsanspruchs regelmäßig voraus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitig vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit in die Lage zu versetzt hat, seinen Urlaub auch tatsächlich zu nehmen. Der für das Jahr 2014 im Umfang von 24 Arbeitstagen noch nicht erfüllte Urlaubsanspruch konnte danach nicht allein deshalb mit Ablauf des 31. März 2016 erlöschen, weil der Kläger nach Eintritt seiner vollen Erwerbsminderung mindestens bis August 2019 aus gesundheitlichen Gründen außerstande war, seinen Urlaub anzutreten. Der Resturlaub blieb ihm für dieses Jahr vielmehr erhalten, weil die Beklagte ihren Mitwirkungsobliegenheiten bis zum 1. Dezember 2014 nicht nachgekommen ist, obwohl ihr dies möglich war. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. Dezember 2022 – 9 AZR 245/19 – Vorinstanz: Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 7. März 2019 – 9 Sa 145/17 – Hinweis: Der Senat hat am 20. Dezember 2022 unter Zugrundelegung der entsprechenden Rechtsgrundsätze die Rechtsache – 9 AZR 401/19 – entschieden, die auf Ersuchen des Senats vom 7. Juli 2020 (- 9 AZR 401/19 (A) -) ebenfalls Gegenstand der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 22. September 2022 (- C-518/20 und C-727/20 – [Fraport]) war (siehe auch Pressemitteilung Nr. 20/20 vom 7. Juli 2020).","Tenor I. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 7. März 2019 – 9 Sa 145/17 – unter Zurückweisung der Revision im Übrigen teilweise aufgehoben und zur Klarstellung neu gefasst: 1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 13. Dezember 2016 – 3 Ca 8481/15 – wird als unzulässig verworfen, soweit das Arbeitsgericht die Klage auf Feststellung, dass dem Kläger aus dem Jahr 2010 noch 15 Urlaubstage und aus dem Jahr 2011 noch sechs Urlaubstage zustehen, abgewiesen hat. 2. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 13. Dezember 2016 – 3 Ca 8481/15 – teilweise abgeändert und festgestellt, dass dem Kläger aus dem Jahr 2014 24 Tage Urlaub zustehen. 3. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. II. Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz hat der Kläger 74 vH und die Beklagte 26 vH und von den Kosten der Revision der Kläger 56 vH und die Beklagte 44 vH zu tragen. Tatbestand 1 Die Parteien streiten – soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung – darüber, ob dem Kläger noch Urlaub aus den Jahren 2010, 2011 und 2014 zusteht. 2 Die Beklagte ist die Betreibergesellschaft des Flughafens in F. Der als schwerbehinderter Mensch anerkannte Kläger ist bei ihr seit dem 10. April 2000 als Frachtfahrer im Geschäftsbereich Bodenverkehrsdienste beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft einzelvertraglicher Vereinbarung die Regelungen des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst für den Dienstleistungsbereich Flughäfen im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände vom 7. Februar 2006 (im Folgenden: TVöD-F) Anwendung. Der TVöD-F sieht in seiner ab dem 1. Januar 2014 geltenden Fassung ua. folgende Regelungen vor:          „§ 26 Erholungsurlaub          (1)      Beschäftigte haben in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts … Bei Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage in der Kalenderwoche beträgt der Urlaubsanspruch in jedem Kalenderjahr 30 Arbeitstage …          (2)      Im Übrigen gilt das Bundesurlaubsgesetz mit folgenden Maßgaben:                            a)     Im Falle der Übertragung muss der Erholungsurlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres angetreten werden. Kann der Erholungsurlaub wegen Arbeitsunfähigkeit oder aus betrieblichen/dienstlichen Gründen nicht bis zum 31. März angetreten werden, ist er bis zum 31. Mai anzutreten.                            …                                            c)     Ruht das Arbeitsverhältnis, so vermindert sich die Dauer des Erholungsurlaubs einschließlich eines etwaigen Zusatzurlaubs für jeden vollen Kalendermonat um ein Zwölftel …                   § 33 Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung                   (1)      …                          (2)      Das Arbeitsverhältnis endet … mit Ablauf des Monats, in dem der Bescheid eines Rentenversicherungsträgers (Rentenbescheid) zugestellt wird, wonach die/der Beschäftigte voll oder teilweise erwerbsgemindert ist. … Das Arbeitsverhältnis endet nicht, wenn nach dem Bescheid des Rentenversicherungsträgers eine Rente auf Zeit gewährt wird. In diesem Fall ruht das Arbeitsverhältnis für den Zeitraum, für den eine Rente auf Zeit gewährt wird; beginnt die Rente rückwirkend, ruht das Arbeitsverhältnis ab dem ersten Tag des Monats, der auf den Monat der Zustellung des Rentenbescheids folgt …“          3 Im Betrieb der Beklagten galt seit dem 1. Januar 2004 eine Betriebsvereinbarung „Lebensarbeitszeitkonto“ (im Folgenden: BV Lebensarbeitszeitkonto). In dieser finden sich ua. folgende Regelungen:          „Präambel          Die Einrichtung des Lebensarbeitszeitkontos ist Bestandteil der betrieblichen Arbeitszeitregelungen …          § 2 Ziel der Vereinbarung          (1)      Den Beschäftigten wird Gelegenheit gegeben, die in dieser Vereinbarung definierten Zeitkontingente anzusparen und im Rahmen der folgenden Verfahren in Freizeit auszugleichen …          § 3 Zeitkontingente des Lebensarbeitszeitkontos          (1)      Folgende Stundenkontingente können in das Lebensarbeitszeitkonto übertragen werden:                   a)     Resturlaub aus dem laufenden Jahr                                     Maximal können in Abstimmung mit dem Vorgesetzten fünf Tage Resturlaub aus dem laufenden Jahr übertragen werden (5-Tage-Woche).                                     Der gesetzlich vorgegebene Jahresurlaub von 24 Werktagen nach § 3 Abs. 1 Bundesurlaubsgesetz (= 20 Arbeitstage bei der Fünftagewoche) darf durch Überträge in das Lebensarbeitszeitkonto nicht unterschritten werden.                                     Zusatzurlaub nach § 125 SGB IX … (darf) nicht in das Lebensarbeitszeitkonto übertragen werden.“          4 Auf seinen Antrag vom 19. März 2014 bewilligte die Deutsche Rentenversicherung Hessen dem Kläger mit Bescheid vom 22. September 2015 Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Dezember 2014. Die zunächst bis zum 31. August 2016 befristete Rente wurde bis August 2019 verlängert. 5 Mit Schreiben vom 2. Oktober 2015 forderte der Kläger die Beklagte auf, 32 Arbeitstage Resturlaub aus dem Jahr 2014 auf sein Lebensarbeitszeitkonto zu buchen. Mit Email vom 28. Oktober 2015 teilte die Beklagte dem Kläger Folgendes mit:          „Hallo Herr M,          wenn ich das richtig sehe wurde der Urlaub aus 2011 komplett abgebaut (wie in der Übersicht Urlaubsabtragung ersichtlich). Warum die Übertragung nicht erfolgt ist, werde ich morgen mit dem Betriebsbüro nochmal klären. Den LAZ-Antrag von 2014 werde ich noch bearbeiten und Frau H wird diese 5 Tage dann noch ausbezahlen.          Der Resturlaub für 2014 (nach Neuberechnung 13 Tage (18 Tage – 5 Tage LAZ) + 5 Tage Schwerbehindertenurlaub + 2 Tage Zusatzurlaub Schicht) bleiben so bestehen und werden nicht ausgezahlt. Für 2015 besteht kein Urlaubsanspruch, da die Rente ab dem 01.11.14 gewährt wurde.          Den LAZ-Antrag, den uns Ihr Anwalt (mit Schreiben vom 02.10.15) hat zukommen lassen kann ich so nicht bearbeiten, da lt. BV nur 5 Tage Urlaub ins LAZ-Konto übertragen werden können (wie bereits oben erwähnt werde ich das umsetzen).          Mit freundlichen Grüßen“ 6 Der Kläger hat im Umfang von insgesamt 54 Arbeitstagen Resturlaub für die Kalenderjahre 2010 (15 Tage), 2011 (fünf Tage) und 2014 (34 Tage) geltend gemacht. Von den 39 Arbeitstagen, die ihm für das Jahr 2014 Urlaub zugestanden hätten, habe die Beklagte fünf Arbeitstage Schwerbehindertenurlaub und einen Arbeitstag Tarifurlaub gewährt. Der Kläger hat den Standpunkt eingenommen, der nicht in Anspruch genommene Urlaub sei nicht verfallen, weil die Beklagte ihren Obliegenheiten, an der Gewährung und Inanspruchnahme von Urlaub mitzuwirken, nicht nachgekommen sei. 7 Der Kläger hat – soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung – beantragt          festzustellen, dass ihm für das Jahr 2010 noch 15 Urlaubstage, für das Jahr 2011 sechs Urlaubstage und für das Jahr 2014 34 Urlaubstage zustehen. 8 Der Beklagte hat Abweisung der Klage beantragt. 9 In den Vorinstanzen hatte die Klage keinen Erfolg. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. 10 Der Senat hat mit Beschluss vom 7. Juli 2020 (- 9 AZR 245/21 (A) -) das Revisionsverfahren ausgesetzt und den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) um eine Vorabentscheidung ersucht, ob Art. 7 Richtlinie 88/2003/EG und Art. 31 Abs. 2 GRC der Auslegung einer nationalen Regelung wie § 7 Abs. 3 BUrlG entgegenstehen, der zufolge der bisher nicht erfüllte Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub eines Arbeitnehmers, bei dem im Verlauf des Urlaubsjahres aus gesundheitlichen Gründen eine volle Erwerbsminderung eintritt, der den Urlaub aber vor Beginn seiner Erwerbsminderung im Urlaubsjahr – zumindest teilweise – noch hätte nehmen können, bei ununterbrochen fortbestehender Erwerbsminderung 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres auch in dem Fall erlischt, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht durch entsprechende Aufforderung und Hinweise tatsächlich in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch auszuüben. Hierzu ist das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 22. September 2022 (- C-518/20 und C-727/20 – [Fraport]) ergangen. Entscheidungsgründe 11 A. Die Revision ist teilweise begründet. Hinsichtlich der Urlaubsansprüche aus den Kalenderjahren 2010 und 2011 war die Revision bereits deshalb zurückzuweisen, weil die Berufung des Klägers gegen die Abweisung der Klage durch das Arbeitsgericht unzulässig war. Soweit der Kläger in den Vorinstanzen ohne Erfolg die Feststellung der Urlaubsansprüche aus dem Jahr 2014 begehrt hat, ist die Revision gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts im Umfang von 24 Arbeitstagen begründet und im Übrigen unbegründet. 12 I. Die Berufung des Klägers gegen das klageweisende Urteil des Arbeitsgerichts war, soweit sie sich auf die Urlaubsansprüche aus den Jahren 2010 und 2011 bezog, unzulässig. 13 1. Die Zulässigkeit der Berufung ist Prozessvoraussetzung für das gesamte weitere Verfahren nach der Berufungseinlegung und deshalb vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen. Das gilt auch dann, wenn das Berufungsgericht das Rechtsmittel für zulässig gehalten hat (BAG 14. Mai 2019 – 3 AZR 274/18 – Rn. 17; 20. März 2018 – 3 AZR 861/16 – Rn. 37). 14 a) Eine Berufungsbegründung muss gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergeben. Die Berufungsbegründung muss auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will. Eine schlüssige, rechtlich haltbare Begründung kann zwar nicht verlangt werden. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es aber nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (BAG 14. Mai 2019 – 3 AZR 274/18 – Rn. 18; 26. April 2017 – 10 AZR 275/16 – Rn. 12 f. mwN). 15 b) Hat das erstinstanzliche Gericht seine Entscheidung hinsichtlich eines Streitgegenstands auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, muss der Berufungskläger für jede der rechtlichen oder tatsächlichen Erwägungen darlegen, warum diese seiner Auffassung nach die Entscheidung nicht rechtfertigen. Andernfalls ist das Rechtsmittel insgesamt unzulässig. Der Angriff gegen eine der Begründungen reicht nicht aus, um die Entscheidung insgesamt in Frage zu stellen (BAG 14. Mai 2019 – 3 AZR 274/18 – Rn. 19; 26. April 2017 – 10 AZR 275/16 – Rn. 14 mwN). 16 2. Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung des Klägers im Hinblick auf die Urlaubsansprüche aus den Jahren 2010 und 2011 nicht. Hierbei handelt es sich um zwei separate Streitgegenstände. 17 a) Streitgegenstand des Urteils des Landesarbeitsgerichts und Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Frage, ob dem Kläger gegen die Beklagte ein Urlaubsanspruch aus den im Klageantrag genannten Jahren in der seitens des Klägers geltend gemachten Höhe zusteht. Begehrt ein Arbeitnehmer – wie der Kläger im Streitfall – die Feststellung von Urlaub, der aus mehreren Kalenderjahren stammt, bildet das Feststellungsverlangen hinsichtlich eines jeden einzelnen Urlaubsjahres einen eigenen Streitgegenstand (vgl. BAG 23. Januar 2018 – 9 AZR 200/17 – Rn. 26 ff., BAGE 161, 347 zur Abgeltung von Urlaub aus mehreren Kalenderjahren). 18 aa) Nach dem für das arbeitsgerichtliche Urteilsverfahren geltenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff wird der Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens durch den gestellten Antrag (Klageantrag) und den ihm zugrunde liegenden Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem die begehrte Rechtsfolge hergeleitet wird, bestimmt (vgl. BAG 28. März 2017 – 1 ABR 1/16 – Rn. 19). Zum Anspruchsgrund sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden und den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtung zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, den der Kläger zur Stützung seines Rechtsschutzbegehrens dem Gericht vorträgt (BAG 19. November 2019 – 3 AZR 281/18 – Rn. 46, BAGE 168, 345). 19 bb) Der Klageantrag, den der Kläger zur Entscheidung des Gerichts gestellt hat, zielt auf Feststellung von Urlaubsansprüchen. Der Lebenssachverhalt, auf den der Kläger sein Begehren stützt, sind die Urlaubsjahre 2010, 2011 und 2014, zu deren jeweiligem Beginn er Urlaubsansprüche erwarb. Anknüpfungspunkt für den Anspruch auf Erholungsurlaub ist gemäß § 1 BUrlG das Kalenderjahr. § 7 Abs. 3 BUrlG unterwirft den Urlaub einem Fristenregime, dem das Kalenderjahr als Referenzzeitraum zugrunde liegt. Der durch das Gericht zu beurteilende Lebenssachverhalt ist demnach das jeweilige Kalenderjahr, aus dem der Arbeitnehmer einen Urlaubsanspruch gegen den Arbeitgeber herleitet (vgl. BAG 23. Januar 2018 – 9 AZR 200/17 – Rn. 26 ff., BAGE 161, 347 zur Abgeltung von Urlaub aus mehreren Kalenderjahren). 20 b) Die Berufungsbegründung genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO nicht, soweit der Kläger die Feststellung von Urlaub aus den Jahren 2010 und 2011 begehrt. Der Kläger hat sich jedenfalls mit einer der beiden tragenden Begründungen, auf denen das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts beruht, nicht auseinandergesetzt. 21 aa) Das Arbeitsgericht hat die Klage zum einen mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe die Urlaubsansprüche aus den Jahren 2010 und 2011 weder dem Grunde noch der Höhe nach substantiiert dargelegt. Zum anderen ist das Arbeitsgericht – selbständig tragend – davon ausgegangen, dass die Urlaubsansprüche verfallen seien. Der Kläger habe nicht vorgetragen, aus welchen Gründen der aus den Jahren 2010 und 2011 stammende Urlaub in die folgenden Urlaubsjahre übertragen worden sei, und damit unterstellt, nicht beantragter Urlaub verfalle mit Ablauf des Urlaubsjahres automatisch, ohne dass es eines Tätigwerdens des Arbeitgebers bedürfe. 22 bb) Auf diese rechtlichen Erwägungen ist der Kläger in der Berufungsbegründung nicht eingegangen. Es ist schon zweifelhaft, ob er sich mit der ersten Begründung hinreichend auseinandergesetzt hat, indem er – wortwörtlich – den in seinem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 22. April 2016 gehaltenen und vom Arbeitsgericht für unzureichend erachteten Vortrag wiederholt, er habe von 37 Urlaubstagen für das Jahr 2010 neun Arbeitstage Erholungsurlaub, fünf Arbeitstage Schwerbehindertenzusatzurlaub, zwei Arbeitstage Zusatzurlaub und zwei Arbeitstage Tarifurlaub genommen sowie vier Arbeitstage Urlaub auf das Lebensarbeitszeitkonto buchen lassen. Somit stünden ihm noch 15 Urlaubstage zu. Der Urlaubsanspruch für das Jahr 2011 habe 37 Tage betragen, von denen er 26 Tage genommen habe. Von dem Resturlaub mache er im vorliegenden Verfahren sechs Arbeitstage Urlaub geltend. Mit dem zweiten tragenden – zentralen – Argument des Arbeitsgerichts, es sei nicht ersichtlich, aufgrund welcher Tatsachen oder rechtlichen Erwägungen der Kläger davon ausgehe, dass der Urlaub aus den Jahren 2010 und 2011 über den jeweiligen Bezugszeitraum hinaus bis zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am 10. November 2018 fortbestanden habe, hat sich der Kläger überhaupt nicht befasst. 23 II. Die Revision ist teilweise begründet, soweit sie Urlaubsansprüche des Klägers aus dem Jahr 2014 betrifft. Der Kläger kann von der Beklagten 24 Arbeitstage Urlaub Resturlaub aus dem Jahr 2014 verlangen. Die weitergehende Klage ist unbegründet. 24 1. Zu Beginn des Jahres 2014 erwarb der Kläger einen Urlaubsanspruch im Umfang von 35 Arbeitstagen. 25 a) Zu dem gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch im Umfang von 20 Arbeitstagen (§§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG) traten der dem Kläger als schwerbehindertem Menschen zustehende Zusatzurlaub im Umfang von fünf Arbeitstagen (§ 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX aF; seit dem 1. Januar 2018 § 208 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) und der tarifliche Mehrurlaub im Umfang von zehn Arbeitstagen (§ 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD-F) hinzu. 26 b) Die genannten Ansprüche waren nicht deshalb zu kürzen, weil die Deutsche Rentenversicherung Hessen dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Dezember 2014 befristet bis zum 31. August 2016 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligte, den sie bis August 2019 verlängerte. 27 aa) Die vom Senat entwickelten Grundsätze, denen zufolge Urlaubsansprüche zu kürzen sind, wenn der Arbeitnehmer nicht das ganze Kalenderjahr über zur Arbeitsleistung verpflichtet ist (vgl. grundlegend BAG 19. März 2019 – 9 AZR 315/17 – Rn. 17), finden auf den Streitfall, soweit der gesetzliche Mindesturlaub betroffen ist, bereits deshalb keine Anwendung, weil eine Verminderung gesetzlicher Urlaubsansprüche von Arbeitnehmern und schwerbehinderten Menschen ausgeschlossen ist, wenn sie aus gesundheitlichen Gründen keine Arbeitsleistung erbracht haben (BAG 7. August 2012 – 9 AZR 353/10 – Rn. 9, BAGE 142, 371). 28 bb) Eine Reduzierung des Urlaubsanspruchs aus dem Jahr 2014 folgt auch nicht aus § 26 Abs. 2 Buchst. c TVöD-F. Danach vermindert sich die Dauer des Erholungsurlaubs für jeden vollen Kalendermonat um ein Zwölftel, wenn das Arbeitsverhältnis ruht. Die Tarifbestimmung stellt nicht auf den Zeitpunkt des Rentenbezugs, sondern auf den Zeitpunkt ab, ab dem die Bewilligung der Rente das Ruhen des Arbeitsverhältnisses nach § 33 Abs. 2 Satz 6 TVöD-F zur Folge hat. Wird die Rente – wie im Streitfall – rückwirkend bewilligt, ruht das Arbeitsverhältnis ab dem ersten Tag des Monats, der auf den Monat der Zustellung des Rentenbescheids folgt (§ 33 Abs. 2 Satz 6 Halbs. 2 TVöD-F). Der Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Hessen vom 22. September 2015 wurde dem Kläger erst frühestens im Laufe des September 2015 zugestellt. Das Arbeitsverhältnis ruhte somit erst ab dem 1. Oktober 2015, sodass der (tarifvertragliche) Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2014 nicht der Minderung unterlag. 29 c) Für die vier weiteren vom Feststellungsantrag umfassten Urlaubstage hat der Kläger weder eine Rechtsgrundlage angegeben noch die einen weitergehenden Urlaubsanspruch begründenden Tatsachen dargelegt. Im Übrigen hat sich der Kläger verrechnet. Zieht man von den geltend gemachten 39 Urlaubstagen die gewährten sechs Urlaubstage ab, verbleiben lediglich 33 und nicht 34 Urlaubstage. 30 2. Der Anspruch des Klägers auf fünf Arbeitstage Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen sowie auf tariflichen Mehrurlaub iHv. einem Arbeitstag sind durch Erfüllung erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB). Der Kläger hat vorgetragen, seinen Urlaub aus dem Jahr 2014 in diesem Umfang „genommen“ zu haben. 31 3. Über weitere fünf Urlaubstage hat der Kläger mit der in seinem Schreiben vom 2. Oktober 2015 formulierten Aufforderung an die Beklagte, einen Resturlaub von 32 Arbeitstagen aus dem Jahr 2014 auf seinem Lebensarbeitszeitkonto gutzuschreiben, anderweitig disponiert. Die BV Lebensarbeitszeitkonto gestattet einen Übertrag von höchsten fünf Arbeitstagen Resturlaub auf das Lebensarbeitszeitkonto. Zudem darf der gesetzliche Mindesturlaub nicht unterschritten werden. Der Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen darf per se nicht als Stundenkontingent in Lebensarbeitszeitkonto übertragen werden (vgl. § 3 Abs. 1 Buchst. a BV Lebensarbeitszeitkonto). Der Kläger konnte sich damit nur fünf und nicht die verlangten 32 Arbeitstage Urlaub gutschreiben lassen. In diesem Umfang hat die Beklagte – ohne dass der Kläger dem widersprochen hat – mit Email vom 28. Oktober 2015 einer entsprechenden Gutschrift zugestimmt. Damit hat sich der (tarifliche) Urlaubsanspruch des Klägers auf einen – vorliegend nicht streitgegenständlichen – Anspruch auf Zeitgutschrift auf dem Lebensarbeitszeitkonto gewandelt. 32 4. Der verbleibende Anspruch des Klägers auf bezahlten Jahresurlaub aus dem Jahr 2014 iHv. 24 Arbeitstagen ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht mit Ablauf des einschlägigen Übertragungszeitraums erloschen. 33 a) Das Landesarbeitsgericht hat – unter Zugrundelegung der bisherigen Rechtsprechung des Senats zum Verfall von Urlaubsansprüchen bei einer Langzeiterkrankung des Arbeitnehmers (vgl. grundlegend BAG 7. August 2012 – 9 AZR 353/10 – Rn. 32, BAGE 142, 371) – angenommen, die zu Beginn des Kalenderjahres 2014 entstandenen Ansprüche des Klägers auf den gesetzlichen Mindesturlaub und den Zusatzurlaub für schwerbehinderte Arbeitnehmer seien in unionsrechtkonformer Auslegung des § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres verfallen. Aufgrund der andauernden Arbeitsunfähigkeit sei der Verfall unabhängig davon eingetreten, dass die Beklagte den Kläger zuvor nicht durch die Erfüllung ihrer Mitwirkungsobliegenheiten bei der Gewährung und Inanspruchnahme des Urlaubs in die Lage versetzt hat, seinen Anspruch auszuüben. Der tarifliche Mehrurlaub des Klägers aus dem Jahr 2014 sei mangels Gleichlaufs zur gesetzlichen Fristenregelung bereits am 31. Mai 2015 erloschen. 34 b) Diese Annahmen des Landesarbeitsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf den gesetzlichen Mindesturlaub, den er in einem Bezugszeitraum erworben hat, in dessen Verlauf er tatsächlich gearbeitet hat, bevor er voll erwerbsgemindert oder aufgrund einer seitdem fortbestehenden Krankheit arbeitsunfähig geworden ist, kann bei einer richtlinienkonformen Auslegung des § 7 Abs. 1 und Abs. 3 BUrlG grundsätzlich nur dann nach Ablauf eines Übertragungszeitraums von 15 Monaten erlöschen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer durch Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheiten rechtzeitig in die Lage versetzt hat, diesen Anspruch auszuüben. Diese Grundsätze gelten vorliegend auch für den tarifvertraglichen Mehrurlaub. 35 aa) Im Anschluss an die Entscheidung des Gerichtshofs vom 6. November 2018 (- C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften]) zu Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG sowie zu Art. 31 Abs. 2 GRC hat das Bundesarbeitsgericht erkannt, dass bei einer mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG konformen Auslegung von § 7 BUrlG der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub grundsätzlich nur dann am Ende des Kalenderjahres (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG) oder eines zulässigen Übertragungszeitraums (§ 7 Abs. 3 Satz 2 und Satz 4 BUrlG) erlischt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen, und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Bei einem richtlinienkonformen Verständnis von § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG trifft den Arbeitgeber die Initiativlast bei der Verwirklichung des Urlaubsanspruchs. Die Erfüllung der hieraus in richtlinienkonformer Auslegung abgeleiteten Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers ist grundsätzlich Voraussetzung für das Eingreifen des urlaubsrechtlichen Fristenregimes des § 7 Abs. 3 BUrlG (vgl. im Einzelnen BAG 19. Februar 2019 – 9 AZR 423/16 – Rn. 21 ff., BAGE 165, 376, zu den inhaltlichen Anforderungen an die Mitwirkungsobliegenheiten vgl. Rn. 39 ff.). 36 (1) Hat der Arbeitgeber durch Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheiten den Urlaubsanspruch an das Urlaubsjahr gebunden und verlangt der Arbeitnehmer dennoch nicht, ihm Urlaub zu gewähren, verfällt sein Anspruch nach Maßgabe von § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG mit Ablauf des Urlaubsjahres. Liegen die Voraussetzungen einer Übertragung des Urlaubs nach § 7 Abs. 3 Satz 2 oder Satz 4 BUrlG vor, wird der Urlaub „von selbst“ auf die ersten drei Monate des Folgejahres übertragen (vgl. BAG 24. März 2009 – 9 AZR 983/07 – Rn. 52, BAGE 130, 119). Der Urlaubsanspruch kann in diesem Fall grundsätzlich nur dann mit Ablauf des Übertragungszeitraums untergehen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitig auffordert, seinen Urlaub noch innerhalb des Übertragungszeitraums zu nehmen, und ihn darauf hinweist, dass der Urlaubsanspruch anderenfalls erlischt (vgl. BAG 19. Februar 2019 – 9 AZR 423/16 – Rn. 43, BAGE 165, 376). 37 (2) Hat der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nicht entsprochen, tritt der am 31. Dezember des Urlaubsjahres nicht verfallene Urlaub zu dem Urlaubsanspruch hinzu, der am 1. Januar des Folgejahres entsteht. Für ihn gelten, wie für den neu entstandenen Urlaubsanspruch, die Regelungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 BUrlG. Der Arbeitgeber kann deshalb das uneingeschränkte Kumulieren von Urlaubsansprüchen aus mehreren Jahren dadurch vermeiden, dass er seine Mitwirkungsobliegenheiten für den Urlaub aus zurückliegenden Urlaubsjahren im aktuellen Urlaubsjahr nachholt. Nimmt der Arbeitnehmer in einem solchen Fall den kumulierten Urlaubsanspruch im laufenden Urlaubsjahr nicht wahr, obwohl es ihm möglich gewesen wäre, verfällt der Urlaub am Ende des Kalenderjahres bzw. eines (zulässigen) Übertragungszeitraums (BAG 19. Februar 2019 – 9 AZR 423/16 – Rn. 44, BAGE 165, 376). 38 bb) Ist der Arbeitnehmer infolge krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit oder voller Erwerbsminderung daran gehindert, seinen Urlaub bis zum Ende des Urlaubsjahres zu nehmen, ergeben sich aus Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG Besonderheiten. 39 (1) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs können die vom Arbeitnehmer erworbenen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub am Ende eines Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums grundsätzlich nur unter der Voraussetzung verloren gehen, dass der betreffende Arbeitnehmer tatsächlich die Möglichkeit hatte, diesen Anspruch rechtzeitig auszuüben (EuGH 22. September 2022 – C-120/21 – Rn. 25, 45; 6. November 2018 – C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften] Rn. 61). Dementsprechend verfällt der Urlaubsanspruch nach Ablauf des Bezugszeitraums und/oder eines im nationalen Recht festgelegten Übertragungszeitraums grundsätzlich nicht, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums oder eines Teils davon arbeitsunfähig erkrankt und es ihm deshalb tatsächlich nicht möglich war, diesen Anspruch wahrzunehmen (EuGH 30. Juni 2016 – C-178/15 – [Sobczyszyn] Rn. 24 mwN; 20. Januar 2009 – C-350/06 und C-520/06 – [Schultz-Hoff] Rn. 49). 40 (2) Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG ist jedoch nicht dahin auszulegen, dass dem Arbeitnehmer der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub völlig unabhängig von den Umständen erhalten bleiben müsste, derentwegen er den bezahlten Jahresurlaub nicht genommen hat (EuGH 6. November 2018 – C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften] Rn. 30). So kann das Vorliegen „besonderer Umstände“ eine Ausnahme von der Regel, dass Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub nicht erlöschen können, rechtfertigen, um die negativen Folgen einer unbegrenzten Ansammlung von Ansprüchen auf bezahlten Jahresurlaub, die während eines Zeitraums der Abwesenheit wegen einer Langzeiterkrankung erworben wurden, zu vermeiden (EuGH 22. September 2022 – C-518/20 und C-727/20 – [Fraport] Rn. 35; 29. November 2017 – C-214/16 – [King] Rn. 53 f. mwN). Unter den besonderen Umständen, dass ein Arbeitnehmer während mehrerer aufeinanderfolgender Bezugszeiträume arbeitsunfähig ist, hat der Gerichtshof – mit Blick nicht nur auf den Schutz des Arbeitnehmers, den die Richtlinie 2003/88/EG bezweckt, sondern auch auf den des Arbeitgebers, der sich der Gefahr der Ansammlung von zu langen Abwesenheitszeiten des Arbeitnehmers und den Schwierigkeiten, die sich daraus für die Arbeitsorganisation ergeben können, ausgesetzt sieht – entschieden, dass ein Übertragungszeitraum von 15 Monaten zulässig ist, nach dessen Ablauf der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub erlischt (vgl. EuGH 29. November 2017 – C-214/16 – [King] Rn. 53 ff.; 22. November 2011 – C-214/10 – [KHS] Rn. 29 f., 38 ff.). 41 (3) Besondere Umstände im vorstehenden Sinne liegen jedoch idR nicht vor, wenn der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub im Laufe eines Bezugszeitraums erworben wurde, in dem der Arbeitnehmer tatsächlich gearbeitet hat, bevor er voll erwerbsgemindert oder arbeitsunfähig wurde. In einem solchen Fall sind nicht allein gesundheitliche Gründe für die Kumulation von Urlaubsansprüchen und deren negativen Folgen für die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers ursächlich. Das Erlöschen des Urlaubsanspruchs nach Ablauf des 15-monatigen Übertragungszeitraums setzt deshalb auch in dieser Konstellation grundsätzlich voraus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer durch Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten rechtzeitig in die Lage versetzt hat, seinen Anspruch geltend zu machen (EuGH 22. September 2022 – C-518/20 und C-727/20 – [Fraport] Rn. 45). 42 cc) Unter Berücksichtigung der sich aus der Entscheidung des Gerichtshofs vom 22. November 2011 (- C-214/10 – [KHS]) ergebenden Grundsätze hat der Senat § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG bisher dahingehend ausgelegt, dass gesetzliche Urlaubsansprüche zwar vor Ablauf eines Zeitraums von 15 Monaten nach dem Ende des Urlaubsjahres nicht erlöschen, wenn der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen an seiner Arbeitsleistung gehindert war. Sie sollten jedoch – bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit – mit Ablauf des 31. März des zweiten Folgejahres untergehen, ohne dass es darauf ankam, ob der Arbeitgeber die Mitwirkungsobliegenheiten bei der Gewährung und Inanspruchnahme des Urlaubs beachtet hat (vgl. BAG 7. August 2012 – 9 AZR 353/10 – Rn. 32, BAGE 142, 371). Diese Grundsätze, von denen auch das Landesarbeitsgericht bei seiner klageabweisenden Entscheidung ausgegangen ist, sind aufgrund der oben dargestellten Vorgaben des Gerichtshofs in der Entscheidung vom 22. September 2022 (- C-518/20 und C-727/20 – [Fraport] Rn. 38 ff.) weiterzuentwickeln. 43 (1) War der Arbeitnehmer seit Beginn des Urlaubsjahres durchgehend bis zum 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres arbeitsunfähig bzw. voll erwerbsgemindert, verfällt der Urlaubsanspruch weiterhin nach Ablauf der 15 Monatsfrist unabhängig davon, ob der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nachgekommen ist. In diesem Fall sind nicht Handlungen oder Unterlassungen des Arbeitgebers, sondern allein die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers für den Verfall des Urlaubs kausal. Der Urlaubsanspruch ist auf eine bezahlte Befreiung von der Arbeitspflicht gerichtet. Kann der Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung aus gesundheitlichen Gründen nicht erbringen, wird ihm die Arbeitsleistung unmöglich. Er wird nach § 275 Abs. 1 BGB von der Pflicht zur Arbeitsleistung frei. Eine Befreiung von der Arbeitspflicht durch Urlaubsgewährung ist deshalb rechtlich unmöglich (BAG 7. Juli 2020 – 9 AZR 401/19 (A) – Rn. 26 mwN, BAGE 171, 231). Eine freie Entscheidung über die Verwirklichung des Anspruchs ist – ohne dass es auf die Aufforderungen und Hinweise des Arbeitgebers ankäme – von vornherein ausgeschlossen, weil die Arbeitsunfähigkeit auf psychischen oder physischen Beschwerden beruht und vom Willen des Arbeitnehmers unabhängig ist (st. Rspr., vgl. EuGH 25. Juni 2020 – C-762/18 und C-37/19 – [Varhoven kasatsionen sad na Republika Bulgaria] Rn. 66; 4. Oktober 2018 – C-12/17 – [Dicu] Rn. 32, 33 mwN). 44 (2) Demgegenüber ist § 7 Abs. 1 und Abs. 3 BUrlG dahingehend richtlinienkonform auszulegen, dass der Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Erholungsurlaub, den er in einem Bezugszeitraum erworben hat, in dessen Verlauf er tatsächlich gearbeitet hat, bevor er voll erwerbsgemindert oder aufgrund einer seitdem fortbestehenden Krankheit arbeitsunfähig geworden ist, grundsätzlich nur dann gemäß § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG nach Ablauf eines Übertragungszeitraums von 15 Monaten erlöschen kann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer durch Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheiten rechtzeitig in die Lage versetzt hat, diesen Anspruch auszuüben. In dieser Fallkonstellation trifft den Arbeitgeber grundsätzlich die Initiativlast bei der Verwirklichung des Urlaubsanspruchs gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG. In der Regel führt erst die Erfüllung der daraus abgeleiteten Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, seinen Urlaub auch tatsächlich zu nehmen, zur Befristung des Urlaubsanspruchs nach § 7 Abs. 3 BUrlG (vgl. grundlegend BAG 19. Februar 2019 – 9 AZR 423/16 – Rn. 21 ff., BAGE 165, 376). 45 dd) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die Ansprüche des Klägers auf den gesetzlichen Mindesturlaub aus dem Jahr 2014 nicht nach § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen. Dazu hätte sie den ihr obliegenden Mitwirkungshandlungen nachkommen müssen. Die Erwerbsminderung des Klägers ist am 1. Dezember 2014 und damit erst im laufenden Urlaubsjahr eingetreten. Obwohl die Beklagte bis zum Eintritt der vollen Erwerbsminderung ausreichend Zeit hatte, den Kläger in die Lage zu versetzen, seinen Urlaubsanspruch auszuüben, hat sie nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ihre Mitwirkungsobliegenheiten im Jahr 2014 nicht erfüllt. 46 ee) Der Anspruch des Klägers auf den tariflichen Mehrurlaub aus dem Jahr 2014 verfiel nicht mit Ablauf des 31. Mai 2015. Die dargestellten Grundsätze zum Verfall des gesetzlichen Urlaubs gelten vorliegend auch für den tariflichen Mehrurlaub. Die Tarifvertragsparteien des TVöD-F haben die Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers bei der Gewährung und Inanspruchnahme von tariflichem Mehrurlaub nicht abweichend von den gesetzlichen Vorgaben geregelt. Abweichungen bestehen lediglich zur Dauer des Übertragungszeitraums, nicht jedoch hinsichtlich der Voraussetzungen, unter denen das Fristenregime aktiviert wird. 47 (1) Die unionsrechtlichen Vorgaben betreffen ausschließlich den gesetzlichen Urlaubsanspruch von vier Wochen. Die Tarifvertragsparteien können Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche, die den von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG gewährleisteten und von §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Anspruch auf Mindestjahresurlaub von vier Wochen übersteigen, frei regeln. Ihre Regelungsmacht ist nicht durch die für gesetzliche Urlaubsansprüche erforderliche richtlinienkonforme Auslegung der §§ 1, 7 BUrlG beschränkt (BAG 19. Februar 2019 – 9 AZR 541/15 – Rn. 35; vgl. auch EuGH 19. November 2019 – C-609/17 und C-610/17 – [TSN, AKT] Rn. 33 ff.; 3. Mai 2012 – C-337/10 – [Neidel] Rn. 34 ff. mwN). 48 (2) Für einen Regelungswillen der Tarifvertragsparteien, den tariflichen Mehrurlaub abweichend von den gesetzlichen Bestimmungen zu regeln, müssen deutliche Anhaltspunkte vorliegen. Fehlen solche, ist von einem Gleichlauf des gesetzlichen Urlaubsanspruchs und des Anspruchs auf tariflichen Mehrurlaub auszugehen (vgl. zum sog. Fristenregime BAG 14. Februar 2017 – 9 AZR 386/16 – Rn. 15; zu den Mitwirkungsobliegenheiten BAG 29. September 2020 – 9 AZR 113/19 – Rn. 12; 19. Februar 2019 – 9 AZR 541/15 – Rn. 35). Den Tarifvertragsparteien steht es frei, den tariflichen Mehrurlaub nur teilweise mit dem gesetzlichen Mindesturlaub zu synchronisieren und teilweise abweichend zu regeln. Der eigenständige, dem Gleichlauf von Mindest- und Mehrurlaub entgegenstehende Regelungswille muss sich deshalb auf den jeweils in Rede stehenden Regelungsgegenstand beziehen (hier das Erlöschen des Anspruchs auf zusätzlichen bezahlten Jahresurlaub bzw. die Rechtsfolgen der Nichtbeachtung der Mitwirkungsobliegenheiten bei langanhaltender Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers). Es genügt nicht, wenn in einem Tarifvertrag von Regelungen des Bundesurlaubsgesetzes abgewichen wird, die mit den im Streit stehenden Regelungen nicht in einem inneren Zusammenhang stehen (vgl. BAG 29. September 2020 – 9 AZR 113/19 – aaO; 22. Januar 2019 – 9 AZR 45/16 – Rn. 27, BAGE 165, 90). 49 (3) § 26 TVöD-F bestimmt gegenüber § 7 Abs. 3 BUrlG eigenständige Verfallfristen (vgl. BAG 22. Mai 2012 – 9 AZR 575/10 – Rn. 11), enthält aber keine vom Gesetz abweichende eigenständige Obliegenheit des Arbeitgebers über die Gewährung und Inanspruchnahme von Urlaub (BAG 19. Februar 2019 – 9 AZR 541/15 – Rn. 37). Dies hat zur Folge, dass dessen Verfallfristen – ebenso wie bei dem gesetzlichen Mindesturlaub – bei einer langandauernden Arbeitsunfähigkeit ohne Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten grundsätzlich nur dann eintreten kann, wenn der Arbeitnehmer das gesamte Urlaubsjahr aus gesundheitlichen Gründen an der Wahrnehmung des Urlaubs gehindert war. 50 (4) Danach wurde auch der tarifliche Mehrurlaub des Klägers aus dem Jahr 2014 mangels Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten nicht an das Urlaubsjahr gebunden. 51 III. Die Kostenentscheidung beruht § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO und entspricht dem wechselseitigen Obsiegen und Unterliegen der Parteien in den Instanzen.              Kiel                  Suckow                  Zimmermann                                    Heilmann                  Thau                       Hinweis Berichtigungsbeschluss vom 5. Juni 2023: Der Tenor des Urteils des Senats vom 20. Dezember 2022  – 9 AZR 245/19 –  wird wegen offenbarer Unrichtigkeit gemäß § 319 Abs. 1 ZPO dahingehend berichtigt, dass die Kostenquotelung richtig lauten muss: von den Kosten der Revision hat der Kläger 56 vH und die Beklagte 44 vH zu tragen.             Kiel                Suckow                Zimmermann" bag_6-23,31.01.2023,"31.01.2023 6/23 - Urlaubsabgeltung - Tarifvertragliche Ausschlussfrist Der gesetzliche Anspruch eines Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, nicht genommenen Urlaub nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten, kann nach Maßgabe einer tarifvertraglichen Ausschlussfrist verfallen. Endete das Arbeitsverhältnis vor der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 6. November 2018* und oblag es dem Arbeitnehmer aufgrund der gegenläufigen Senatsrechtsprechung nicht, den Anspruch innerhalb der tarifvertraglichen Ausschlussfrist geltend zu machen, begann die Ausschlussfrist erst mit der Bekanntgabe des Urteils. Die Beklagte, ein Zeitungsverlag, beschäftigte den Kläger seit dem 1. April 2007 zunächst auf der Grundlage eines sog. Vertrags für Pauschalisten, sodann als angestellten Online-Redakteur. Nach § 18 Nr. 1 Satz 1 des Manteltarifvertrags für Redakteurinnen und Redakteure an Tageszeitungen (MTV) sind nicht erfüllte Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit geltend zu machen. Während seiner Tätigkeit als Pauschalist vom 1. April 2007 bis zum 30. Juni 2010 erhielt er keinen Urlaub. Das Arbeitsverhältnis endete am 30. September 2014. Im August 2018 forderte der Kläger die Beklagte auf, insgesamt 65 Arbeitstage Urlaub aus den Jahren 2007 bis 2010 abzugelten. Die Forderung in Höhe von 14.391,50 Euro brutto wies die Beklagte mit der Begründung zurück, ein etwaiger Anspruch des Klägers aus der Zeit seiner Tätigkeit als Pauschalist sei verfallen und verjährt. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte beim Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Sie führt zur Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kann der Anspruch auf Abgeltung nicht genommenen Urlaubs als reiner Geldanspruch tariflichen Ausschlussfristen unterfallen. Daran hält der Senat fest. Die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses bildet eine Zäsur. Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist anders als der Urlaubsanspruch nicht auf Freistellung von der Arbeitsverpflichtung zu Erholungszwecken unter Fortzahlung der Vergütung gerichtet, sondern auf dessen finanzielle Kompensation beschränkt. Die strukturell schwächere Stellung des Arbeitnehmers, aus der der EuGH die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers bei der Inanspruchnahme von Urlaub ableitet, endet mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der Kläger war bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30. September 2014 nicht gehalten, seinen Anspruch auf Abgeltung des bis dahin nicht gewährten Urlaubs aus den Jahren 2007 bis 2010 der Beklagten gegenüber iSd. Ausschlussfristenregelung geltend zu machen. Der Senat ging zu diesem Zeitpunkt noch davon aus, dass Urlaubsansprüche mit Ablauf des Urlaubsjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums unabhängig von der Erfüllung von Mitwirkungsobliegenheiten automatisch verfielen. Erst nachdem der EuGH mit Urteil vom 6. November 2018* neue Regeln für den Verfall von Urlaub vorgegeben hatte, oblag es dem Kläger, Urlaubsabgeltung zu verlangen. Der von dem Kläger erhobene Abgeltungsanspruch ist vor diesem Zeitpunkt auch nicht verjährt. Zwar steht der Anwendung der Verjährungsvorschriften der unabdingbare Schutz, den der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub genießt, nicht entgegen. Nach den vom Senat mit Urteil vom heutigen Tage (- 9 AZR 456/20 -Pressemitteilung Nr. 5/23) entwickelten Grundsätzen lief die Verjährungsfrist nicht vor dem Ende 2018. Der Kläger wahrte die gesetzliche Verjährungsfrist, indem er die Beklagte im Jahr 2018 auf Zahlung von Urlaubsabgeltung gerichtlich in Anspruch nahm. Dennoch kann der Senat nach den vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen nicht abschließend darüber befinden, ob die Beklagte Urlaubsabgeltung schuldet. Das Landesarbeitsgericht wird nach der Zurückverweisung aufzuklären haben, ob der Kläger in den Jahren 2007 bis 2010, in denen er als Pauschalist redaktionelle Aufgaben für die Beklagte wahrnahm, im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses tätig war. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 31. Januar 2023 – 9 AZR 244/20 – Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 21. Januar 2020 – 5 Sa 463/19 – *EuGH vom 6. November 2018 – C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften]","Tenor 1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 21. Januar 2020 – 5 Sa 463/19 – aufgehoben. 2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Leitsatz 1. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs (§ 7 Abs. 4 BUrlG) kann als reiner Geldanspruch tarifvertraglichen Ausschlussfristen unterliegen. 2. Endete das Arbeitsverhältnis vor der Verkündung der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 6. November 2018 (- C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften]) und war es dem Arbeitnehmer im Hinblick auf die vormalige Rechtsprechung des Senats zum Verfall von Urlaubsansprüchen zuvor nicht zumutbar, den Arbeitgeber auf Urlaubsabgeltung in Anspruch zu nehmen, begann die Ausschlussfrist im Hinblick auf den unabdingbaren Schutz, den der Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs genießt, frühestens am 7. November 2018. Tatbestand 1 Der Kläger nimmt die Beklagte auf Abgeltung von Urlaub aus den Jahren 2007 bis 2010 in Anspruch. 2 Die Beklagte ist Inhaberin eines Verlagshauses, das mehrere Zeitungen herausgibt. Der Kläger war auf der Grundlage eines vom 8. Februar 2007 datierenden „Vertrag über freie Mitarbeit“ vom 1. April 2007 bis zum 30. Juni 2010 als sog. Pauschalist in der Online-Redaktion tätig. An fünf Tagen in der Woche schrieb er aktuelle Nachrichten und bereitete Texte anderer Mitarbeiter für die Veröffentlichung auf. Zunächst übte der Kläger seine Tätigkeit in den Redaktionsräumen der Beklagten in K arbeitstäglich von 10:00 Uhr bis mindestens 18:30 Uhr gegen einen Tagessatz iHv. 130,00 Euro zuzüglich Umsatzsteuer aus. Im Jahr 2008 wechselte er in die Online-Redaktion der Beklagten in D, in der er Schichtdienst leistete, der jeweils acht Stunden umfasste. Die Beklagte erwartete, dass der Kläger die dortige Redaktion, die neben ihm lediglich aus einer Mitarbeiterin in Teilzeit bestand, im Tagesgeschäft leitete. Zudem oblag ihm die Teilnahme an Konferenzen der Redaktion und die Urlaubsvertretung seiner Redaktionskollegin. Für seine Tätigkeit in D stellte der Kläger der Beklagten arbeitstäglich einen Betrag iHv. 230,00 Euro zuzüglich Umsatzsteuer in Rechnung. Die Beklagte gewährte dem Kläger während seiner Tätigkeit als Pauschalist keinen Urlaub. 3 Unter dem 16. April 2010 schlossen die Parteien einen „Anstellungsvertrag“, der ua. folgende Bestimmungen vorsieht:          „§ 1 Beginn des Arbeitsverhältnisses          Das Arbeitsverhältnis beginnt am 01.07.2010.          …                 § 5 Gehalt          …                 Für das Vertragsverhältnis gelten im Übrigen die jeweiligen Tarifverträge für Redakteure an Tageszeitungen.          …                 § 7 Urlaub          Der Redakteur erhält einen Urlaub, dessen Dauer sich nach den Bestimmungen des Manteltarifvertrages richtet.“ 4 Der Manteltarifvertrag für Redakteurinnen und Redakteure an Tageszeitungen (MTV) enthält ua. folgende Regelungen:          „§ 9 Urlaub …          5.     Der Urlaub muss innerhalb des laufenden Urlaubsjahres, spätestens bis zum 31. März des folgenden Jahres gewährt und genommen werden, und zwar grundsätzlich zusammenhängend. Er kann aus betrieblichen Gründen in höchstens zwei Abschnitte geteilt werden, auch auf Wunsch der Redakteurin/des Redakteurs ist eine Teilung möglich, sofern betriebliche Gründe nicht entgegenstehen.          …                 § 18 Anspruchsverfolgung …          1.     Mit Ausnahme der Regelung für den Urlaub (§ 9 Abs. 5) … sind nicht erfüllte Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb dreier Monate nach Fälligkeit geltend zu machen. Lehnt eine Partei die Erfüllung des geltend gemachten Anspruchs schriftlich ab, so muss dieser innerhalb eines halben Jahres nach Fälligkeit gerichtlich geltend gemacht werden. Bei späterer Geltendmachung als nach Satz 1 und Satz 2 kann die Erfüllung verweigert werden.“ 5 Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete am 30. September 2014. Mit Schreiben vom 1. August 2018 forderte der Kläger die Beklagte erfolglos auf, Urlaub aus den Jahren 2007 bis 2010 abzugelten. 6 Mit seiner der Beklagten am 14. Januar 2019 zugestellten Klage hat der Kläger die Auffassung vertreten, die Beklagte sei gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG zur Abgeltung von insgesamt 65 Arbeitstagen Urlaub (15 Arbeitstage Urlaub aus dem Jahr 2007, je 20 Arbeitstage Urlaub aus den Jahren 2008 und 2009 und zehn Arbeitstage Urlaub aus dem Jahr 2010) verpflichtet. Das Rechtsverhältnis, das die Parteien vom 1. April 2007 bis zum 30. Juni 2010 verbunden habe, sei ein Arbeitsverhältnis. Als in den Betrieb der Beklagten eingebundener Redakteur habe er den Weisungen der Beklagten unterstanden. Die Urlaubsansprüche bestünden über die in § 7 Abs. 3 BUrlG bezeichneten zeitlichen Grenzen fort, da die Beklagte ihren Mitwirkungsobliegenheiten bei der Gewährung von Urlaub nicht nachgekommen sei. 7 Der Kläger hat beantragt,          die Beklagte zu verurteilen, an ihn 14.391,50 Euro brutto Urlaubsabgeltung nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 16. August 2018 zu zahlen. 8 Die Beklagte hat die Abweisung der Klage mit der Begründung beantragt, der Abgeltungsanspruch sei – selbst wenn man zugunsten des Klägers von einem durchgängigen Arbeitsverhältnis ausgehe – gemäß § 18 Nr. 1 MTV verfallen, jedenfalls verjährt. 9 Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter. Entscheidungsgründe 10 Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts durfte seine Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts nicht zurückgewiesen werden. Auf Grundlage der getroffenen Feststellungen kann der Senat nicht abschließend darüber befinden, ob dem Kläger gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Abgeltung von Urlaub zusteht. Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). 11 I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger sei in den Jahren 2007 bis 2010 Arbeitnehmer der Beklagten gewesen. Als solcher habe er einen Anspruch auf mindestens 65 Arbeitstage Urlaub erworben, der weder durch Erfüllung (§ 362 Abs. 1 BGB) noch durch Fristablauf (§ 7 Abs. 3 BUrlG) erloschen sei. Der Anspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG auf Abgeltung dieses bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht in Anspruch genommenen Urlaubs sei allerdings nach Ablauf der dreijährigen Frist des § 195 BGB am 31. Dezember 2017 verjährt. Der Kläger habe mit dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis sowohl Kenntnis von der Beklagten als Schuldnerin des Abgeltungsanspruchs als auch von allen tatsächlichen Umständen gehabt, die den Anspruch begründeten (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Ihm sei es deshalb zuzumuten gewesen, die Beklagte im Klagewege in Anspruch zu nehmen. 12 II. Diese Begründung hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand. 13 1. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, zwischen den Parteien habe im Zeitraum vom 1. April 2007 bis zum 30. Juni 2010 ein Arbeitsverhältnis bestanden, ist nicht frei von Rechtsfehlern. Das Landesarbeitsgericht hat versäumt, im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung aller Umstände zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass diese als Verlagshaus Trägerin des in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verbürgten Grundrechts der Pressefreiheit ist. 14 a) Nach § 1 BUrlG hat ein Arbeitnehmer iSd. § 2 Satz 1 BUrlG in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub, der gemäß § 3 Abs. 1 BUrlG 24 Werktage beträgt. Der volle Urlaubsanspruch wird erstmalig nach sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses erworben (§ 4 BUrlG). Urlaub, der wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann, ist nach § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten. 15 b) Für die rechtliche Einordnung des Rechtsverhältnisses der Parteien im Zeitraum vom 1. April 2007 bis zum 30. Juni 2010 sind die rechtlichen Grundsätze maßgebend, die das Bundesarbeitsgericht zur Abgrenzung eines Arbeitsverhältnisses von dem Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters entwickelt hat, bevor die gesetzliche Regelung in § 611a Abs. 1 BGB am 1. April 2017 in Kraft getreten ist. 16 aa) Ein Arbeitsverhältnis unterscheidet sich danach von dem Rechtsverhältnis eines freien Dienstnehmers durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete befindet. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (vgl. § 84 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 HGB, nunmehr § 611a Abs. 1 BGB). Letztlich kommt es für die Beantwortung der Frage, welches Rechtsverhältnis im konkreten Fall vorliegt, auf eine Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls an, wobei nicht die Bezeichnung der Parteien, sondern der wirkliche Geschäftsinhalt maßgebend ist. Der objektive Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist letztere maßgeblich (vgl. BAG 17. Oktober 2017 – 9 AZR 792/16 – Rn. 12). 17 bb) Die Tatsacheninstanzen haben bei der Prüfung des Arbeitnehmerstatus einen weiten Beurteilungsspielraum. Ihre Würdigung ist in der Revisionsinstanz nur daraufhin zu überprüfen, ob sie den Rechtsbegriff des Arbeitnehmers selbst verkannt, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt, bei der Subsumtion den Rechtsbegriff wieder aufgegeben oder wesentliche Umstände außer Betracht gelassen haben (vgl. BAG 21. Mai 2019 – 9 AZR 295/18 – Rn. 14). 18 c) Das Landesarbeitsgericht ist im Wesentlichen von den rechtlichen Grundsätzen ausgegangen, anhand deren der Senat ein Arbeitsverhältnis von dem Rechtsverhältnis eines selbständigen Unternehmers abgrenzt (vgl. im Einzelnen BAG 1. Dezember 2020 – 9 AZR 102/20 – Rn. 31 ff., BAGE 173, 111). Zutreffend hat es angenommen, dass der Kläger im Zeitraum vom 1. April 2007 bis zum 30. Juni 2010 dem Weisungsrecht der Beklagten unterlag. Der Kläger hatte in den Redaktionsräumen der Beklagten tätig zu sein. Zeitlich war er spätestens mit Eintritt in die D Redaktion in das von der Beklagten vorgegebene Schichtsystem eingebunden. Er war dem Chefredakteur unterstellt und war verpflichtet, an Konferenzen der Redaktion teilzunehmen und im Urlaubsfalle seine Redaktionskollegin zu vertreten. 19 d) Allerdings hat das Landesarbeitsgericht wesentliche Umstände des Streitfalls nicht in die Gesamtabwägung eingestellt und im Rahmen der Statusbestimmung gewürdigt. So hat es nicht berücksichtigt, dass die Beklagte als Verlagshaus Trägerin des in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verbürgten Grundrechts der Pressefreiheit ist. 20 aa) Die Gerichte für Arbeitssachen sind von Verfassungs wegen gehalten, Grundrechte interpretationsleitend zu berücksichtigen, damit deren wertsetzender Gehalt auch auf der Rechtsanwendungsebene gewahrt bleibt. Für den Bereich des Zeitungswesens verlangt Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG in der Regel eine fallbezogene Abwägung zwischen der Bedeutung der Pressefreiheit auf der einen und dem Rang der von den Normen des Arbeitsrechts geschützten Rechtsgüter auf der anderen Seite. Die Pressefreiheit erstreckt sich auf das Recht des Zeitungsverlags, der Freiheit der redaktionellen Berichterstattung bei der Auswahl, Einstellung und Beschäftigung derjenigen Mitarbeiter Rechnung zu tragen, die in nicht unwesentlichem Umfang auf den redaktionellen Inhalt der Zeitung Einfluss nehmen. Die durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Pressefreiheit ist im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung zur Feststellung des Vertragsstatus zu berücksichtigen (vgl. BAG 30. November 2021 – 9 AZR 145/21 – Rn. 36). 21 bb) Aufgrund dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben kann ein grundsätzlicher Bedarf an Beschäftigung in freier Mitarbeit bei redaktionell verantwortlichen Mitarbeitern bestehen. 22 (1) Als „redaktionell verantwortlich“ ist der Kreis derjenigen Mitarbeiter anzusehen, die in nicht unwesentlichem Umfang am Inhalt des redaktionellen Teils der Zeitung gestaltend mitwirken. Das gilt namentlich, wenn sie typischerweise ihre eigene Auffassung zu politischen, wirtschaftlichen, künstlerischen oder anderen Sachfragen, ihre Fachkenntnisse und Informationen, ihre individuelle künstlerische Befähigung und Aussagekraft einbringen. Auch bei diesen Mitarbeitern kann allerdings ein Arbeitsverhältnis vorliegen, wenn sie weitgehenden inhaltlichen Weisungen unterliegen, ihnen also nur ein geringes Maß an Gestaltungsfreiheit, Eigeninitiative und Selbstständigkeit verbleibt, und der Zeitungsverlag innerhalb eines zeitlichen Rahmens über ihre Arbeitsleistung verfügen kann. Letzteres ist der Fall, wenn ständige Dienstbereitschaft erwartet wird oder wenn der Mitarbeiter in nicht unerheblichem Umfang auch ohne entsprechende Vereinbarung durch Dienstpläne herangezogen wird, ihm also die Arbeiten letztlich zugewiesen werden (vgl. BAG 30. November 2021 – 9 AZR 145/21 – Rn. 39). 23 (2) Nicht zu den redaktionell verantwortlichen Mitarbeitern gehören das betriebstechnische und das Verwaltungspersonal sowie diejenigen, die zwar bei der Erstellung der Zeitung mitwirken, aber keinen inhaltlichen Einfluss darauf haben. Zu dieser Gruppe zählen beispielsweise Übersetzer von Nachrichten- und Kommentartexten und Archivare. Diese Mitarbeiter, bei denen die Arbeitnehmereigenschaft anhand der allgemeinen Kriterien zu prüfen ist, werden im Regelfall häufiger die Kriterien eines Arbeitnehmers erfüllen, als es bei redaktionell verantwortlichen Mitarbeitern zu erwarten ist (vgl. BAG 30. November 2021 – 9 AZR 145/21 – Rn. 40). 24 cc) Das Landesarbeitsgericht hat außer Acht gelassen, dass der Kläger – zumindest während seiner Tätigkeit in der Online-Redaktion in D – „die Redaktion im Tagesgeschäft leitete“. Abhängig von seinem konkreten Aufgabenbereich, zu dem das Landesarbeitsgericht keine hinreichenden Feststellungen getroffen hat, spricht einiges dafür, dass der Kläger zu den redaktionell verantwortlichen Mitarbeitern der Beklagten zählte. Im Rahmen der erforderlichen Gesamtbetrachtung aller entscheidungserheblichen Umstände hätte in diesem Fall die durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Pressefreiheit zugunsten der Beklagten Berücksichtigung finden müssen. 25 2. Die Feststellung, ob der Kläger als Arbeitnehmer dem persönlichen Geltungsbereich des § 2 Satz 1 BUrlG unterfällt, ist nicht entbehrlich. Sollte der Kläger im Zeitraum vom 1. April 2007 bis zum 30. Juni 2010 als Arbeitnehmer iSd. § 2 Satz 1 BUrlG Ansprüche auf den gesetzlichen Mindesturlaub erworben haben (§§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG), wäre sein Anspruch auf Abgeltung dieses Urlaubs (§ 7 Abs. 4 BUrlG) zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Jahr 2019 nicht verjährt gewesen. Die dreijährige Verjährungsfrist (§ 195 BGB) hätte entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts nicht bereits Ende des Jahres 2014, in dem das Arbeitsverhältnis der Parteien endete, sondern erst Ende des Jahres 2018 begonnen. Zuvor wäre dem Kläger die Erhebung einer Klage nicht zumutbar gewesen. Der Senat ging zu dieser Zeit noch davon aus, dass Urlaubsansprüche mit Ablauf des Urlaubsjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraumes unabhängig von der Erfüllung von Mitwirkungsobliegenheiten verfielen. Erst nachdem der Gerichtshof der Europäischen Union (Gerichtshof) mit Urteil vom 6. November 2018 (- C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften]) neue Regeln für den Verfall von Urlaub vorgegeben hatte, hätte es dem Kläger oblegen, die Abgeltung der Urlaubsansprüche aus den Jahren 2007 bis 2010 gerichtlich geltend zu machen. 26 a) Gemäß § 194 Abs. 1 BGB unterliegt das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen, der Verjährung. Die regelmäßige Verjährungsfrist, die nach § 195 BGB drei Jahre beträgt, beginnt dem Grundsatz nach mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB) und der Gläubiger von den Umständen, die den Anspruch begründen, und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB). 27 b) Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung unterliege als reiner Geldanspruch der Verjährung (§ 194 Abs. 1 BGB). Die Verpflichtung des Arbeitgebers aus § 7 Abs. 4 BUrlG zur Abgeltung des Urlaubs, der wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann, begründet einen Zahlungsanspruch. Dieses Recht ist auf ein Tun des Arbeitgebers als Schuldner gerichtet und damit Anspruch iSd. § 194 Abs. 1 BGB. Die dreijährige Verjährungsfrist (§ 195 BGB) beginnt in der Regel mit dem Ende des Jahres, in dem der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet (§ 199 Abs. 1 BGB). Die Frist ist allerdings gehemmt, solange der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) und der Anspruch des Arbeitnehmers auf effektiven Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG iVm. Art. 20 Abs. 3 GG) die Erhebung einer Klage als unzumutbar erscheinen lassen. 28 aa) § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB knüpft den Beginn der Verjährungsfrist an die Entstehung des Anspruchs. Ein Anspruch ist entstanden, wenn er erstmals geltend gemacht und notfalls klageweise durchgesetzt werden kann. Regelmäßig entsteht ein Anspruch im verjährungsrechtlichen Sinne mit dessen Fälligkeit. Sie tritt nach § 271 Abs. 2 BGB im Zweifel ein, wenn der Gläubiger die Leistung mit Erfolg fordern und den Ablauf der Verjährungsfrist durch Klageerhebung verhindern kann (vgl. BAG 29. September 2020 – 9 AZR 266/20 (A) – Rn. 30, BAGE 172, 337). Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Abgeltung nicht gewährten Urlaubs entsteht als solcher mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und wird grundsätzlich zu diesem Zeitpunkt fällig (vgl. BAG 22. Januar 2019 – 9 AZR 45/16 – Rn. 30 mwN, BAGE 165, 90). 29 bb) Für den Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist kommt es darauf an, dass der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Die danach geforderte Kenntnis des Gläubigers ist vorhanden, wenn er aufgrund der ihm bekannten Tatsachen gegen eine bestimmte Person eine Klage, sei es auch nur eine Feststellungsklage, erheben kann, die bei verständiger Würdigung so viel Erfolgsaussicht hat, dass sie dem Gläubiger zumutbar ist. Der Verjährungsbeginn setzt aus Gründen der Rechtssicherheit und Billigkeit grundsätzlich nur die Kenntnis der den Anspruch begründenden Umstände voraus. Nicht erforderlich ist es in der Regel, dass der Gläubiger aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht (vgl. BAG 29. September 2020 – 9 AZR 266/20 (A) – Rn. 31, BAGE 172, 337). 30 cc) Erhebt ein Gläubiger gegen den Schuldner Klage, sind die Zivilgerichte gehalten, bei der Bestimmung des Verjährungsbeginns das Eigentumsrecht des Gläubigers und dessen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz gegen das Interesse an Rechtssicherheit und Rechtsfrieden abzuwägen. Dies gilt auch in Fällen, in denen ein Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung geltend macht. 31 (1) Die Zivilgerichte haben bei der Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts die durch die Grundrechte gezogenen Grenzen zu beachten. Sie müssen die im Gesetz zum Ausdruck kommende Interessenabwägung in einer Weise nachvollziehen, die die konkurrierenden Grundrechte der verschiedenen Grundrechtsträger beachtet und unverhältnismäßige Grundrechtsbeschränkungen vermeidet. Sind bei der gerichtlichen Auslegung und Anwendung einfachrechtlicher Normen mehrere Deutungen möglich, verdient diejenige den Vorzug, die den Wertentscheidungen der Verfassung entspricht und die Grundrechte der Beteiligten möglichst weitgehend in praktischer Konkordanz zur Geltung bringt. Der Einfluss der Grundrechte auf die Auslegung und Anwendung der zivilrechtlichen Normen ist nicht auf Generalklauseln beschränkt, sondern erstreckt sich auf alle auslegungsfähigen und -bedürftigen Tatbestandsmerkmale der zivilrechtlichen Vorschriften (BAG 25. Januar 2022 – 9 AZR 146/21 – Rn. 13). 32 (2) Begehrt ein Arbeitnehmer von dem Arbeitgeber, nicht genommenen Urlaub abzugelten, ist bei der Beurteilung, zu welchem Zeitpunkt die Verjährungsfrist beginnt, auf Seiten des Arbeitnehmers sowohl die grundrechtliche Gewährleistung des Eigentums als auch der grundrechtsgleiche Anspruch auf effektiven Rechtsschutz betroffen. 33 (a) Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Abgeltung des Urlaubs, den der Arbeitgeber im laufenden Arbeitsverhältnis nicht gewährt hat, genießt als obligatorisches Recht den verfassungsrechtlichen Schutz des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 GG (vgl. BAG 29. September 2020 – 9 AZR 266/20 (A) – Rn. 31, BAGE 172, 337). In den Schutzbereich des Grundrechts auf Eigentum fallen neben absoluten auch relative Rechte wie die schuldrechtliche Forderung eines Gläubigers gegen einen Schuldner (vgl. hierzu Dürig/Herzog/Scholz/Papier/Shirvani 99. EL September 2022 GG Art. 14 Rn. 322). Der auf Zahlung gerichtete Abgeltungsanspruch aus § 7 Abs. 4 BUrlG ist eine „geldwerte Forderung“ (vgl. BVerfG 8. Juli 1976 – 1 BvL 19/75, 1 BvL 20/75, 1 BvR 148/75 – zu D II 3 der Gründe, BVerfGE 42, 263) und als solcher dem Arbeitnehmer als Anspruchsinhaber ebenso ausschließlich zugewiesen wie das Eigentum an einer Sache (vgl. zum Schutz schuldrechtlicher Positionen BVerfG 8. Juni 1977 – 2 BvR 499/74, 2 BvR 1042/75 – zu B II 2 der Gründe, BVerfGE 45, 142). 34 (b) Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) garantiert den Parteien im Zivilprozess effektiven Rechtsschutz (BVerfG 2. November 2020 – 1 BvR 533/20 – Rn. 12). Durch die zeitliche Begrenzung eines Anspruchs wird die Möglichkeit des Inhabers, sein Recht mit Hilfe der staatlichen Gerichte gegebenenfalls zwangsweise dem Gläubiger gegenüber durchzusetzen, eingeschränkt. Dies gilt auch für die Verjährung, die zwar nicht zum Erlöschen des Anspruchs führt, aber dem Schuldner lediglich eine Einrede gibt, die er geltend machen muss. Erhebt er die Einrede der Verjährung, wird für den Gläubiger nach Ablauf der Verjährungsfrist ein dauerhaftes Hindernis geschaffen, den bestehenden Anspruch erfolgreich durchzusetzen (vgl. BAG 29. September 2020 – 9 AZR 266/20 (A) – Rn. 32, BAGE 172, 337). 35 (3) In Fällen, in denen zwischen der Entstehung des Anspruchs und dessen Geltendmachung durch den Gläubiger ein erheblicher Zeitraum liegt, steht der grundrechtliche Schutz, den der Abgeltungsanspruch genießt, in einem Spannungsverhältnis zum Regelungsziel der Vorschriften über die Verjährung. Die §§ 194 ff. BGB sind Ausdruck des vom Gesetz verfolgten Ziels, Rechtsfrieden und Rechtssicherheit herzustellen (vgl. BAG 5. Juli 2022 – 9 AZR 341/21 – Rn. 23). Die Verjährung will nicht nur eine Inanspruchnahme aus unbekannten oder unerwarteten Forderungen vermeiden, sondern bezweckt auch den Schutz vor unbegründeten Forderungen. Die gesetzlichen Bestimmungen über die Verjährung dienen damit zugleich öffentlichen Interessen. Der Rechtsverkehr benötigt klare Verhältnisse und soll deshalb vor einer Verdunkelung der Rechtslage bewahrt bleiben, wie sie bei Geltendmachung von Ansprüchen aufgrund längst vergangener Tatsachen zu befürchten wäre. Je länger die Entstehung eines angeblichen oder tatsächlichen Anspruchs zurückliegt, desto schwieriger wird es, zuverlässige Feststellungen über jene Tatsachen zu treffen, die für die Rechtsbeziehungen der Parteien maßgebend sind. Der Gläubiger kann sich gegen derartige Beweisnöte durch rechtzeitige Geltendmachung des Anspruchs oder entsprechende Beweissicherung schützen. Der Schuldner hingegen muss regelmäßig warten, bis der Gläubiger tätig wird. Er trägt demzufolge gerade für anspruchshemmende und anspruchsvernichtende Tatsachen in höherem Maße das Risiko zeitablaufbedingter Unaufklärbarkeit als der Gläubiger für anspruchsbegründende Tatsachen (BAG 24. Juni 2015 – 5 AZR 509/13 – Rn. 23, BAGE 152, 75). 36 (4) Im Rahmen eines angemessenen Ausgleichs zwischen dem Interesse des Gläubigers, seine Rechtsposition auch nach dem Verstreichen geraumer Zeit gegenüber dem Schuldner gerichtlich durchsetzen zu können, und dem Interesse des Schuldners, ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr in Anspruch genommen zu werden, ist zu beachten, dass dem Gläubiger keine übersteigerten Obliegenheiten auferlegt werden dürfen (vgl. BAG 24. Juni 2015 – 5 AZR 509/13 – Rn. 26, BAGE 152, 75). Die Beschreitung des Rechtswegs und die Ausschöpfung prozessualer Möglichkeiten droht insbesondere in den Fällen vereitelt zu werden, in denen das Kostenrisiko zu dem mit dem Verfahren angestrebten Erfolg außer Verhältnis steht, so dass die Inanspruchnahme der Gerichte nicht mehr sinnvoll erscheint (vgl. BAG 8. September 2021 – 10 AZR 11/19 – Rn. 37 unter Hinweis auf BVerfG 1. Dezember 2010 – 1 BvR 1682/07 – Rn. 22; 19. März 2014 – 1 BvR 2169/13 ua. – Rn. 10; 12. Februar 1992 – 1 BvL 1/89 – zu C I 1 b der Gründe, BVerfGE 85, 337). Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn der Durchsetzung des Anspruchs eine gegenteilige höchstrichterliche Rechtsprechung entgegensteht (vgl. BAG 29. September 2020 – 9 AZR 266/20 (A) – Rn. 31, BAGE 172, 337). Maßgeblich für die Beurteilung, ob eine Rechtsprechung vorliegt, die eine erfolgreiche Klage aus Sicht des Gläubigers als ausgeschlossen erscheinen lässt, ist der Zeitpunkt, in dem der Anspruch entsteht (vgl. BAG 9. Februar 2022 – 5 AZR 368/21 – Rn. 27). 37 dd) Vor Verkündung der Entscheidung des Gerichtshofs vom 6. November 2018 (- C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften]) war es einem Arbeitnehmer nicht zuzumuten, Ansprüche auf Abgeltung nicht in Anspruch genommenen Urlaubs gerichtlich durchzusetzen, die nach der bis dahin geltenden höchstrichterlichen Rechtsprechung mit Ablauf der in § 7 Abs. 3 Satz 1 und Satz 3 BUrlG bezeichneten Fristen jeweils am Ende des jeweiligen Urlaubsjahres oder Übertragungszeitraumes als verfallen galten, bzw. ausnahmsweise 15 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres, wenn der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen gehindert war, seine Arbeitsleistung zu erbringen (grundlegend BAG 7. August 2012 – 9 AZR 353/10 – Rn. 32, BAGE 142, 371). 38 (1) Eine Änderung der Rechtslage zeichnete sich hinreichend konkret erst mit Verkündung der Entscheidung des Gerichtshofs vom 6. November 2018 (- C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften]) ab. Zu diesem Zeitpunkt erkannte der Gerichtshof erstmals, dass Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 GRC nationalen Regelungen wie § 7 Abs. 3 Satz 1 und Satz 3 BUrlG entgegenstehen, nach denen der dem Arbeitnehmer zustehende Mindesturlaub und entsprechend der Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für den bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommenen Urlaub am Ende des Bezugszeitraums automatisch verfällt. Angesichts der besonderen Bedeutung des Urlaubs komme ein Verfall nur in Betracht, wenn der Arbeitgeber zuvor konkret und in völliger Transparenz dafür Sorge getragen habe, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage gewesen sei, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn – erforderlichenfalls förmlich – auffordere, dies zu tun, und ihm klar und rechtzeitig mitteile, dass der Urlaub, wenn er ihn nicht nehme, am Ende des Bezugszeitraums oder eines zulässigen Übertragungszeitraums verfallen werde (EuGH vom 6. November 2018 – C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften] Rn. 45). 39 (2) Mit einer unionsrechtskonformen Umsetzung dieser Vorgaben, die der Senat am 19. Februar 2019 (- 9 AZR 423/16 – Rn. 14, BAGE 165, 376) vollzogen hat, konnten betroffene Arbeitnehmer bereits ab Verkündung des Urteils des Gerichtshofs rechnen. Zu diesem Zeitpunkt war das Hindernis einer Geltendmachung von Urlaubsansprüchen aufgrund der vormaligen Rechtsprechung des Senats beseitigt. Die Verjährungsfristen für diese Ansprüche begannen somit spätestens mit Ablauf des Jahres 2018 zu laufen. Nachdem der Gerichtshof das am gleichen Tage veröffentlichte Urteil verkündet hatte, mussten Arbeitnehmer in Erwägung ziehen, dass nicht erfüllte Ansprüche auf Urlaub nach Ablauf der Fristen des § 7 Abs. 3 Satz 1 und Satz 3 BUrlG nur dann verfallen würden, wenn der Arbeitgeber zuvor seine Obliegenheiten bei der Verwirklichung des Urlaubs erfüllt hat. Der Gerichtshof stellte zu klar, Adressaten von Art. 31 Abs. 2 GRC seien nicht allein die Mitgliedsstaaten, sondern auch Privatpersonen, soweit ihre Rechtsbeziehung unionsrechtliche Sachverhalte umfasse. In Fällen, in denen nationale Regelungen nicht im Einklang mit Art. 31 Abs. 2 GRC ausgelegt werden könnten, obliege es dem mit der Entscheidung des Rechtsstreits befassten Gericht, im Rahmen seiner Befugnisse den aus Art. 31 Abs. 2 GRC erwachsenden Rechtsschutz zu gewährleisten und für die volle Wirksamkeit der Bestimmung zu sorgen, indem es erforderlichenfalls die nationale Regelung unangewendet lasse. 40 ee) In diesem Verständnis stehen die Vorschriften über die Verjährung im Einklang auch mit dem Unionsrecht, insbesondere mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 GRC, wie sie der Gerichtshof der Europäischen Union mit für den Senat nach Art. 267 AEUV verbindlicher Wirkung ausgelegt hat. Eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV (vgl. zu den Voraussetzungen hierfür BVerfG 9. Mai 2018 – 2 BvR 37/18 – Rn. 29; BAG 23. Mai 2018 – 5 AZR 303/17 – Rn. 23 mwN) bedarf es nicht. 41 (1) Weder die Richtlinie 2003/88/EG noch Art. 31 Abs. 2 GRC enthalten Vorgaben hinsichtlich der Möglichkeit, den Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommenen Jahresurlaub (EuGH 25. Juni 2020 – C-762/18 und C-37/19 – [Varhoven kasatsionen sad na Republika Bulgaria] Rn. 83) nach nationalem Recht einer zeitlich befristeten Geltendmachung zu unterwerfen. Fehlt es an einer unionsrechtlichen Regelung des Verfahrens der Rechtsdurchsetzung, ist es nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs entsprechend dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedsstaaten Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung, die Verfahrensmodalitäten auszugestalten, die den Schutz der dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten (vgl. EuGH 19. Juni 2014 – C-501/12 bis C-506/12, C-540/12 und C-541/12 – Rn. 112; 8. Juli 2010 – C-246/09 – [Bulicke] Rn. 24 f. mwN). Die getroffenen Regelungen dürfen jedoch nicht ungünstiger sein als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln (Äquivalenzgrundsatz), und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz) (vgl. EuGH 19. Juni 2014 – C-501/12 bis C-506/12, C-540/12 und C-541/12 – Rn. 112). 42 (2) Nach dieser Rechtsprechung des Gerichtshofs ist die Anwendung der § 194 Abs. 1, §§ 195, 199 Abs. 1 BGB auf den in Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 GRC verankerten Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs mit Unionsrecht vereinbar, soweit die Verjährung ausnahmsweise erst Ende des Jahres 2018 beginnt, wenn es dem Arbeitnehmer zuvor nicht zumutbar war, seine Rechte dem Arbeitgeber gegenüber gerichtlich geltend zu machen. 43 (a) Der Grundsatz der Äquivalenz ist gewahrt. § 194 Abs. 1, §§ 195, 199 Abs. 1 BGB unterscheiden nicht zwischen Ansprüchen, die auf Unionsrecht beruhen, und solchen, die einen ähnlichen Gegenstand und Rechtsgrund haben (vgl. EuGH 8. Juli 2010 – C-246/09 – [Bulicke] Rn. 26 mwN) und aus innerstaatlichem Recht resultieren. Der streitgegenständliche, auf Abgeltung von Urlaub gerichtete Zahlungsanspruch ist mit sonstigen Zahlungsansprüchen des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber vergleichbar, insbesondere mit Ansprüchen auf Zahlung von Vergütung, für die das Verjährungsrecht in gleicher Weise gilt. 44 (b) Die Regelungen in § 194 Abs. 1, §§ 195, 199 Abs. 1 BGB verstoßen nicht gegen den unionsrechtlichen Grundsatz der Effektivität. 45 (aa) Die Festsetzung von angemessenen Fristen, binnen deren ein Anspruch geltend gemacht werden muss, ist als Anwendungsfall des grundlegenden Prinzips der Rechtssicherheit grundsätzlich mit dem Erfordernis der Effektivität vereinbar (st. Rspr. des Gerichtshofs, vgl. nur 21. Dezember 2016 – C-154/15, C-307/15 und C-308/15 – [Gutiérrez Naranjo] Rn. 69; 8. Juli 2010 – C-246/09 – [Bulicke] Rn. 36 mwN; 10. Juli 1997 – C-261/95 – [Palmisani] Rn. 28 mwN). Derartige Fristen sind nicht geeignet, die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren (vgl. EuGH 24. März 2009 – C-445/06 – [Danske Slagterier] Rn. 48), soweit die Festlegung des Zeitpunkts, mit dem der Lauf dieser Frist beginnt, die Ausübung der von der Richtlinie verliehenen Rechte nicht unmöglich macht oder übermäßig erschwert (vgl. EuGH 8. Juli 2010 – C-246/09 – [Bulicke] Rn. 41). 46 (bb) Das Verjährungsrecht schränkt die Effektivität der Durchsetzung des unionsrechtlich gewährleisteten Anspruchs auf Urlaubsabgeltung nicht unzulässig ein. Es ist nicht ersichtlich, dass die in § 195 BGB bestimmte Frist von drei Jahren nach Schluss des Jahres, in dem das Arbeitsverhältnis rechtlich beendet ist, als solche die Ausübung der vom Unionsrecht verliehenen Rechte unmöglich machen oder übermäßig erschweren könnte (vgl. für eine Frist von zwei Monaten [zu § 15 Abs. 4 AGG] EuGH 8. Juli 2010 – C-246/09 – [Bulicke] Rn. 39; 6. Oktober 2009 – C-40/08 – [Asturcom Telecomunicaciones] Rn. 42 ff.). Der ausscheidende Arbeitnehmer ist grundsätzlich in der Lage, seinen Abgeltungsanspruch anhand des Bundesurlaubsgesetzes und der übrigen einschlägigen Vorschriften selbst zu berechnen und geltend zu machen. Er ist regelmäßig nicht auf weitere Auskünfte angewiesen, deren Einholung zusätzliche Zeit beanspruchen würde (vgl. BAG 7. Juli 2020 – 9 AZR 323/19 – Rn. 33 mwN). In Fällen, in denen der Durchsetzung des Abgeltungsanspruchs die gegenteilige Rechtsprechung des Senats zum Verfall von Urlaubsansprüchen entgegenstand, begann die Verjährungsfrist ausnahmsweise jedoch erst mit dem Ende des Jahres 2018. Erst ab dem 6. November 2018 konnte und musste ein Arbeitnehmer in Anbetracht der Entscheidung des Gerichtshofs vom selben Tage (- C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften]) erkennen, dass der Urlaub entgegen der überkommenen Rechtsprechung des Senats nicht ohne Weiteres mit Ablauf der in § 7 Abs. 3 Satz 1 und Satz 3 BUrlG bestimmten Fristen erlischt. 47 (c) Die Entscheidung des Gerichtshofs vom 22. September 2022 (- C-120/21 -) steht dem nicht entgegen. Sie hat die Verjährung von Urlaub im laufenden Arbeitsverhältnis zum Gegenstand und betrifft nicht Fristen, die der Arbeitnehmer nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei der Geltendmachung von Abgeltungsansprüchen zu beachten hat. 48 (aa) Auf das Vorabentscheidungsersuchen des Senats vom 29. September 2020 (- 9 AZR 266/20 (A) – BAGE 172, 337) hat der EuGH durch Urteil vom 22. September 2022 (- C-120/21 -) entschieden, dass Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 GRC einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, den ein Arbeitnehmer für einen Bezugszeitraum erworben hat, nach Ablauf einer Frist von drei Jahren verjährt, deren Lauf mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem dieser Anspruch entstanden ist, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht tatsächlich in die Lage versetzt hat, diesen Anspruch wahrzunehmen. Da der Arbeitnehmer als die schwächere Partei des Arbeitsvertrags anzusehen sei, dürfe die Aufgabe, für die tatsächliche Wahrnehmung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub zu sorgen, nicht vollständig auf den Arbeitnehmer verlagert werden. Der Zweck der Verjährungsvorschriften, die Gewährleistung von Rechtssicherheit, dürfe nicht dazu führen, dass dem Arbeitgeber aus seinem Versäumnis, seinen Mitwirkungsobliegenheiten zu genügen, ein Vorteil erwachse, der darin bestehe, dass die Erfüllung des Urlaubsanspruchs in sein Belieben gestellt sei. Wollte man anders entscheiden, führte dies zu einer unrechtmäßigen Bereicherung des Arbeitgebers und liefe dem Ziel von Art. 31 Abs. 2 GRC, die Gesundheit des Arbeitnehmers zu schützen, zuwider. 49 (bb) Diese Erwägungen lassen sich nicht auf den Streitfall übertragen. 50 (aaa) Zwar wandelt sich nach der neueren Senatsrechtsprechung mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses der aus Freistellung von der Arbeitspflicht und Bezahlung zusammengesetzte Urlaubsanspruch nach § 1 BUrlG in einen Anspruch auf Abgeltung des noch nicht erfüllten Urlaubs gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG um, ohne dass der finanzielle Aspekt des originären Urlaubsanspruchs zunächst erlischt (vgl. BAG 22. Januar 2019 – 9 AZR 45/16 – Rn. 23, BAGE 165, 90). 51 (bbb) Trotz des gemeinsamen Ursprungs besteht jedoch zwischen dem Urlaubs- und dem Urlaubsabgeltungsanspruch keine Zweckidentität, die es erforderte, den Urlaubsanspruch, der eine bezahlte Freistellung zum Inhalt hat, und den Abgeltungsanspruch, der einen reinen Geldanspruch darstellt (vgl. BAG 5. Juli 2022 – 9 AZR 341/21 – Rn. 15), gleich zu behandeln. Der Beendigungszeitpunkt bildet eine Zäsur, die nicht nur die gegenseitigen Hauptleistungspflichten, sondern auch den Anspruch auf den bezahlten Jahresurlaub betrifft. Ab der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann der Arbeitnehmer nicht mehr zu Erholungszwecken unter Fortzahlung seines Arbeitsentgelts von der Arbeitspflicht freigestellt werden (vgl. zuletzt BAG 16. August 2022 – 9 AZR 76/22 (A) – Rn. 15). Zudem können weder neue Urlaubsansprüche entstehen noch bestehende nach § 7 Abs. 3 BUrlG erlöschen. Der innere Zusammenhang zwischen der auf der Grundlage des Arbeitsvertrags tatsächlich geleisteten bzw. zu leistenden Arbeit und dem Urlaub wird durch die Ablösung des Freistellungsanspruchs von der Vergütungskomponente und deren Umwandlung in einen Abgeltungsanspruch aufgelöst (vgl. zum Kürzungsrecht des Arbeitgebers gemäß § 17 Abs. 1 BEEG BAG 19. März 2019 – 9 AZR 495/17 – Rn. 34, BAGE 166, 189). 52 (ccc) Ist das Arbeitsverhältnis beendet, trifft den Arbeitgeber nicht mehr die Obliegenheit, daran mitzuwirken, dass der Arbeitnehmer seinen Urlaub tatsächlich in Anspruch nimmt. Die Erfüllung der Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten ist davon abhängig, dass es dem Arbeitgeber objektiv möglich ist, den Arbeitnehmer durch Mitwirkung in die Lage zu versetzen, den Urlaubsanspruch zu realisieren (BAG 7. September 2021 – 9 AZR 3/21 (A) – Rn. 28). Da die Verpflichtung zur Arbeitsleistung mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erlischt, ist es dem Arbeitgeber nicht nur unmöglich, den Arbeitnehmer zu Urlaubszwecken von der Arbeitspflicht zu befreien, sondern auch, ihm mitzuteilen, welcher Urlaub zu welchem Zeitpunkt zu verfallen droht, und ihn aufzufordern, den Urlaub rechtzeitig vor diesem Zeitpunkt zu nehmen. 53 (ddd) Die strukturell schwächere Stellung des Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber, aus der der Gerichtshof die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers bei der Inanspruchnahme von Urlaub ableitet (vgl. EuGH 6. November 2018 – C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften] Rn. 41), endet mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Spätestens ab diesem Zeitpunkt besteht nicht mehr die Gefahr, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer „eine Beschränkung seiner Rechte auferlegen kann“. Der Arbeitnehmer kann dann nicht mehr „aufgrund dieser schwächeren Position … davon abgeschreckt werden, seine Rechte gegenüber seinem Arbeitgeber ausdrücklich geltend zu machen, da insbesondere die Einforderung dieser Rechte ihn Maßnahmen des Arbeitgebers aussetzen könnte, die sich zu seinem Nachteil auf das Arbeitsverhältnis auswirken können.“ 54 ff) Danach war es dem Kläger bis zur Verkündung der Entscheidung des Gerichtshof vom 6. November 2018 (- C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften]) nicht zuzumuten, seine Ansprüche auf Abgeltung des Urlaubs aus den Jahren 2010 bis 2014 gerichtlich durchzusetzen. Hätte der Kläger die Beklagte zu 1. nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis im Jahr 2015 auf Abgeltung seines Urlaubs aus den Jahren 2010 bis 2014 in Anspruch genommen, wäre seine Klage auf der Grundlage der damaligen höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewiesen worden. 55 c) Die Verjährung ist im Streitfall durch Klageerhebung gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 27. Dezember 2018, der der Beklagten am 14. Januar 2019 zugestellt worden ist, Klage erhoben. 56 III. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). 57 1. Sollte der Kläger in den Jahren 2007 bis 2010 Ansprüche auf den gesetzlichen Mindesturlaub erworben haben, wären diese nicht gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 und Satz 3 BUrlG verfallen. Da die Beklagte ihren Mitwirkungsobliegenheiten bei der Verwirklichung des Urlaubs nicht nachgekommen ist, wäre der Urlaub bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht befristet gewesen. 58 a) Die Befristung des Urlaubsanspruchs nach § 7 Abs. 3 BUrlG setzt bei einer mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG konformen Auslegung von § 7 BUrlG grundsätzlich voraus, dass der Arbeitgeber konkret und in völliger Transparenz dafür Sorge trägt, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Dazu muss er den Arbeitnehmer – erforderlichenfalls förmlich – auffordern, seinen Urlaub zu nehmen, und ihm klar und rechtzeitig mitteilen, dass der Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder Übertragungszeitraumes verfällt, wenn er ihn nicht beantragt. In richtlinienkonformer Auslegung von § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG trifft den Arbeitgeber die Initiativlast bei der Verwirklichung des Urlaubsanspruchs. Die Erfüllung der hieraus abgeleiteten Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers ist grundsätzlich Voraussetzung für das Eingreifen des urlaubsrechtlichen Fristenregimes (vgl. BAG 26. April 2022 – 9 AZR 367/21 – Rn. 11). Hat der Arbeitgeber diesen Mitwirkungsobliegenheiten nicht entsprochen, tritt der am 31. Dezember des Urlaubsjahres nicht verfallene Urlaub zu dem Urlaubsanspruch hinzu, der am 1. Januar des Folgejahres entsteht. Für ihn gelten, wie für den neu entstandenen Urlaubsanspruch, die Regelungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 BUrlG (vgl. BAG 26. April 2022 – 9 AZR 367/21 – Rn. 12). 59 b) Die Beklagte hat dem Kläger weder mitgeteilt, auf wie viele Arbeitstage Urlaub er Anspruch hat, noch, dass dieser Urlaubsanspruch am Ende des Kalenderjahres verfällt, wenn er nicht rechtzeitig genommen wird, noch hat sie ihn aufgefordert, den Urlaub rechtzeitig zu nehmen. 60 2. Der Abgeltungsanspruch, der dem Kläger für den Fall, dass er in den Jahren 2007 bis 2010 Arbeitnehmer iSd. § 2 Satz 1 BUrlG war, nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zugestanden hätte, wäre nicht mit dem Ablauf des 31. Dezember 2014 gemäß der tarifvertraglichen Regelung in § 18 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 MTV verfallen. Mit Schreiben vom 1. August 2018 hätte der Kläger die dreimonatige Geltendmachungsfrist gewahrt. 61 a) Mit Ausnahme der Regelung für den Urlaub (§ 9 Abs. 5 MTV) sind nicht erfüllte Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 MTV innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit geltend zu machen. Nach § 9 Abs. 5 Satz 1 MTV muss der Urlaub innerhalb des laufenden Urlaubsjahres, spätestens bis zum 31. März des folgenden Jahres gewährt und genommen werden. 62 b) Der Abgeltungsanspruch – einen solchen zugunsten des Klägers zu unterstellt – wird von der Fristenregelung in § 18 Abs. 1 Satz 1 MTV erfasst. 63 aa) Die Bestimmungen des MTV fanden gemäß § 5 Satz 3 des Anstellungsvertrages der Parteien vom 16. April 2010 auf das Vertragsverhältnis Anwendung. Dass die Parteien die Geltung des MTV zu einem Zeitpunkt vereinbarten, der nach der Entstehung der Urlaubsansprüche liegt, deren Abgeltung der Kläger verlangt, steht einer Anwendung der Fristenregelung in § 18 Abs. 1 Satz 1 MTV nicht entgegen. Der Kläger macht nicht Urlaubs-, sondern Urlaubsabgeltungsansprüche geltend. Während der Arbeitnehmer erstere nach Ablauf der Wartezeit (§ 4 BUrlG) zu Beginn eines jeden Urlaubsjahres erwirbt (vgl. BAG 21. Februar 2012 – 9 AZR 486/10 – Rn. 14), entstehen letztere erst mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses (vgl. BAG 6. August 2013 – 9 AZR 956/11 – Rn. 22). Das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund des Anstellungsvertrags vom 16. April 2010 endete mit Ablauf des 30. September 2014 zu einem Zeitpunkt, zu dem die Parteien die Geltung des MTV bereits vereinbart hatten. 64 bb) § 18 Abs. 1 Satz 1 MTV erfasst „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ und damit auch den Anspruch auf Urlaubsabgeltung gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG. Finden sich keine sachlichen Einschränkungen, so fallen unter den Begriff „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ alle gesetzlichen, tariflichen und vertraglichen Ansprüche, die die Arbeitsvertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsstellung gegeneinander haben (vgl. BAG 27. Oktober 2020 – 9 AZR 531/19 – Rn. 12). Soweit § 18 Abs. 1 Satz 1 MTV die „Regelung für den Urlaub (§ 9 Abs. 5)“ aus ihrem Anwendungsbereich ausnimmt, betrifft dies nicht den Anspruch eines Arbeitnehmers auf Abgeltung nicht erfüllter Urlaubsansprüche. Dies ergibt die Auslegung der Tarifbestimmung (vgl. zu den für Tarifverträge maßgeblichen Auslegungsgrundsätzen BAG 19. Juni 2018 – 9 AZR 564/17 – Rn. 17). 65 (1) Seinem Wortlaut nach obliegt es den Arbeitsvertragsparteien nicht, Ansprüche innerhalb der in § 18 Abs. 1 MTV bezeichneten Fristen geltend zu machen, soweit es sich um die „Regelung für den Urlaub (§ 9 Abs. 5)“ handelt. Die in Bezug genommene Vorschrift regelt in ihrem Satz 1 – ähnlich wie § 7 Abs. 3 Satz 1 und Satz 3 BUrlG – die zeitlichen Grenzen, in denen der Arbeitgeber Urlaub zu gewähren und der Arbeitnehmer Urlaub zu nehmen hat. Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist nicht Teil der Regelungen in § 9 Abs. 5 MTV. 66 (2) Das im Wortlaut angelegte Verständnis wird durch Sinn und Zweck der in § 18 Abs. 1 Satz 1 MTV enthaltenen Einschränkung bestätigt. Indem die Tarifnorm die „Regelung für den Urlaub (§ 9 Abs. 5 MTV)“ aus ihrem Anwendungsbereich ausnimmt, stellt sie klar, dass der Arbeitnehmer nicht gehalten ist, seinen nach Ablauf der Wartezeit Anfang des Kalenderjahres entstehenden und fälligen Urlaubsanspruch innerhalb einer Frist von drei Monaten, dh. bis zum 31. März eines jeden Urlaubsjahres, dem Arbeitgeber gegenüber geltend zu machen. Damit werden Auslegungsschwierigkeiten vermieden, wie sie bei umfassenden Fristenregelungen, die sich ihrem Wortlaut nach auf Urlaubsansprüche erstrecken, denkbar sind (vgl. zu einer arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist BAG 24. Mai 2022 – 9 AZR 461/21 – Rn. 42). 67 c) Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Abgeltung gesetzlichen Mindesturlaubs kann nach §§ 1, 3 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG als reiner Geldanspruch tariflichen Geltendmachungsfristen unterliegen (st. Rspr., vgl. zu tarifvertraglichen Ausschlussfristen BAG 27. Oktober 2020 – 9 AZR 531/19 – Rn. 17 ff.; 7. Juli 2020 – 9 AZR 323/19 – Rn. 25; 22. Januar 2019 – 9 AZR 149/17 – Rn. 33 mwN; zu arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen BAG 9. März 2021 – 9 AZR 323/20 – Rn. 10; 18. September 2018 – 9 AZR 162/18 – Rn. 29, BAGE 163, 282). Daran hält der Senat auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Gerichtshofs vom 22. September 2022 (- C-120/21 -) aus den unter Rn. 47 ff. genannten Gründen fest. 68 d) Die dreimonatige Ausschlussfrist beginnt in der Regel mit der Fälligkeit des Anspruchs (§ 18 Abs. 1 Satz 1 MTV). Soweit es dem Arbeitnehmer im Hinblick auf die vormalige Rechtsprechung des Senats zum Verfall von Urlaubsansprüchen im laufenden Arbeitsverhältnis nicht zumutbar war, Ansprüche auf Abgeltung gegenüber dem Arbeitgeber geltend zu machen, lief die Ausschlussfrist bei gesetzeskonformer Auslegung der Tarifnorm ausnahmsweise erst nach dem Tag der Verkündung der Entscheidung des Gerichtshofs vom 6. November 2018 (- C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften]). 69 aa) Tarifnormen sind möglichst so auszulegen, dass sie nicht im Widerspruch zu höherrangigem Recht stehen und damit Bestand haben (BAG 15. Juni 2021 – 9 AZR 413/19 – Rn. 32). Gesetze, die der Umsetzung von Unionsrecht dienen, sind ihrerseits unionsrechtskonform auszulegen, wenn dies möglich ist (vgl. BAG 25. August 2020 – 9 AZR 214/19 – Rn. 16, BAGE 172, 55). Die richtlinienkonforme Auslegung eines nationalen Gesetzes kann sich demnach auf die Auslegung eines Tarifvertrags auswirken (BAG 16. November 2022 – 10 AZR 210/19 – Rn. 13). 70 bb) Höherrangiges Recht sind vorliegend § 7 Abs. 4, §§ 1, 2 und 3 Abs. 1 BUrlG, von denen die Tarifvertragsparteien nicht abweichen dürfen. 71 (1) Die Tarifvertragsparteien haben auch auf dem Gebiet des Urlaubsrechts ein umfassendes Recht zur Normsetzung, das durch das Grundrecht auf Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG) geschützt ist. Die Tarifautonomie wird allerdings von § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG verfassungskonform eingeschränkt, soweit Vorschriften über den Mindesturlaub in § 1 BUrlG, den Geltungsbereich in § 2 BUrlG und die Dauer des Mindesturlaubs in § 3 Abs. 1 BUrlG einer tariflichen Regelung zu Lasten des Arbeitnehmers entzogen sind (vgl. ErfK/Gallner 23. Aufl. BUrlG § 13 Rn. 3). Auch von Vorschriften des BUrlG, die in § 13 Abs. 1 BUrlG nicht genannt sind, darf in Tarifverträgen nicht zu Lasten der Arbeitnehmer abgewichen werden, soweit sich ihr Regelungsgehalt bereits unmittelbar aus den Bestimmungen der §§ 1, 2 und 3 Abs. 1 BUrlG ergibt (vgl. BAG 5. August 2014 – 9 AZR 77/13 – Rn. 19). 72 (2) Die in § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG angeordnete Unabdingbarkeit des gesetzlichen Mindesturlaubs erstreckt sich auf den – vom Kläger im Streitfall geltend gemachten – Urlaubsabgeltungsanspruch iSv. § 7 Abs. 4 BUrlG (vgl. BAG 5. Juli 2022 – 9 AZR 341/21 – Rn. 50). Der gesetzliche Mindestschutz ist einer tariflichen Ausgestaltung zu Ungunsten der Arbeitnehmer entzogen (vgl. BAG 19. März 2019 – 9 AZR 406/17 – Rn. 19, BAGE 166, 176). Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses wandelt sich der aus Freistellung von der Arbeitspflicht und Bezahlung zusammengesetzte Urlaubsanspruch nach § 1 BUrlG (vgl. BAG 16. Februar 2021 – 9 AS 1/21 – Rn. 21, BAGE 174, 53) in einen Anspruch auf Abgeltung des noch nicht erfüllten Urlaubs gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG um, ohne dass der finanzielle Aspekt des originären Urlaubsanspruchs erlischt (vgl. BAG 22. Januar 2019 – 9 AZR 45/16 – Rn. 23, BAGE 165, 90). 73 cc) Das BUrlG setzt mit §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG, der das Recht auf einen bezahlten Jahresurlaub von vier Wochen gewährleistet, und § 7 Abs. 4 BUrlG, der die Abgeltung nicht genommenen Urlaubs regelt, die unionsrechtlichen Vorgaben in Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 GRC in deutsches Recht um. Verlangt ein Arbeitnehmer von dem Arbeitgeber die Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs, verstieße eine Auslegung von § 18 Abs. 1 Satz 1 MTV, die den Beginn der dreimonatigen Ausschlussfrist ohne Rücksicht auf die Zumutbarkeit der Geltendmachung bestimmte, gegen die gesetzlichen Vorgaben des BUrlG in ihrer unionsrechtskonformen Auslegung. 74 (1) Ähnlich wie das Recht der Verjährung begrenzt eine tarifvertragliche Ausschlussfristenregelung den Zeitraum, binnen dessen der Arbeitnehmer nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses den Arbeitgeber mit Erfolg auf Abgeltung nicht genommenen Urlaubs in Anspruch nehmen kann. Hier wie da stellte die den Arbeitnehmer treffende Obliegenheit, den Anspruch aus § 7 Abs. 4 BUrlG fristgerecht geltend zu machen, eine übermäßige Erschwerung und damit einen Verstoß gegen das unionsrechtliche Effektivitätsgebot dar, wenn die Frist zu einem Zeitpunkt begänne, zu dem der Arbeitnehmer den Anspruch respektive seinen Umfang nicht kennt und auch nicht zu kennen braucht (vgl. zu den diesbezüglichen Anforderungen des Unionsrechts Rn. 40). 75 (2) Vor Verkündung der Entscheidung des Gerichtshofs vom 6. November 2018 (- C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften]) war es dem Kläger aus den unter Rn. 37 ff. genannten Gründen nicht zuzumuten, die Beklagte auf Abgeltung seines Urlaubs aus den Jahren 2007 bis 2010, der nach der damaligen Rechtsprechung des Senats zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien am 30. September 2014 als verfallen galt, in Anspruch zu nehmen. Mit seinem Schreiben vom 1. August 2018 und der nachfolgend erhobenen Klage hat der Kläger die Ausschlussfrist des § 18 Abs. 1 MTV gewahrt. 76 IV. Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Um abschließend darüber zu befinden, ob dem Kläger Ansprüche auf Abgeltung von Urlaub aus den Jahren 2007 bis 2010 zustehen, fehlt es an Feststellungen des Landesarbeitsgerichts. 77 1. Im Rahmen des fortgesetzten Berufungsverfahrens wird das Landesarbeitsgericht zu prüfen haben, ob der Kläger im Zeitraum vom 1. April 2007 bis zum 30. Juni 2010 für die Beklagte als Arbeitnehmer iSd. § 2 Satz 1 BUrlG tätig war. Dabei wird es im Rahmen einer umfassenden Abwägung aller Umstände des Streitfalls ua. den „Vertrag über freie Mitarbeit“ und die Stellung der Beklagten als Zeitungsverlag und damit Trägerin des Grundrechts der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) zu würdigen haben. 78 2. Sollte das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangen, der Kläger habe während seiner Tätigkeit als Pauschalist und infolgedessen im gesamten Zeitraum vom 1. April 2007 bis zum 30. September 2014 ohne Unterbrechung in einem Arbeitsverhältnis gestanden (vgl. BAG 20. Oktober 2015 – 9 AZR 224/14 – Rn. 14, BAGE 153, 57), hat es die Höhe des Zahlungsanspruchs entsprechend § 11 Abs. 1 BUrlG zu berechnen. Als Geldfaktor ist – entgegen der Berechnung des Klägers – nicht die Tagespauschale anzusetzen, die der Kläger seinen Abrechnungen in den Jahren 2007 bis 2010 zugrunde legte, sondern der durchschnittliche Tagesverdienst, den der Kläger in den letzten 13 Wochen vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses beanspruchen konnte (vgl. BAG 22. Oktober 2019 – 9 AZR 98/19 – Rn. 29).              Kiel                  Zimmermann                  Suckow                                    Gell                  Sucher                       Hinweis Berichtigungsbeschluss vom 26. September 2023: Das Urteil vom 31. Januar 2023 – 9 AZR 244/20 – wird aufgrund offenbarer Unrichtigkeit gemäß § 319 Abs. 1 ZPO hinsichtlich der Randnummer 75 dahingehend berichtigt, dass die Gliederung richtig lautet (2) [statt (a)].             Kiel                Suckow                Zimmermann" bag_7-22,23.02.2022,"23.02.2022 7/22 - Tarifliche Freistellungstage und krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit Der tarifliche Anspruch auf bezahlte arbeitsfreie Tage, der an die Stelle des Anspruchs auf ein tarifliches Zusatzgeld nach dem TV T-ZUG tritt, wird nicht erfüllt, wenn der Arbeitnehmer am Freistellungstag arbeitsunfähig erkrankt ist. Die Parteien sind an den Manteltarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens vom 8. November 2018 (MTV) und den Tarifvertrag Tarifliches Zusatzgeld für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens vom 14. Februar 2018 (TV T-ZUG) gebunden. Der MTV eröffnet bestimmten Arbeitnehmergruppen die Möglichkeit, statt des Zusatzgelds nach dem TV T-ZUG bezahlte arbeitsfreie Tage zu erhalten. Der Kläger wählte für das Jahr 2019 den Anspruch auf Freistellungstage. An zwei der festgelegten freien Tage war er arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte lehnte eine Nachgewährung ab. Mit seiner Klage hat der Kläger zuletzt verlangt festzustellen, dass ihm für das Jahr 2019 noch eine bezahlte Freistellung im Umfang von zwei Arbeitstagen zusteht. Er hat gemeint, dieser Anspruch sei durch die bloße Festlegung von freien Tagen nicht erfüllt worden. Vielmehr müsse die freie Zeit tatsächlich nutzbar sein. Eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit stehe dem entgegen. Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, der Anspruch sei bereits dadurch erfüllt, dass sie die freien Tage festgelegt und den Kläger von der Verpflichtung entbunden habe, die Arbeitsleistung zu erbringen. Das Landesarbeitsgericht hat dem Feststellungsantrag stattgegeben. Die dagegen gerichtete Revision der Beklagten hatte vor dem Zehnten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Die Auslegung des MTV ergibt, dass der Anspruch auf Freistellung an Tagen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht erfüllt werden kann. Er besteht als originärer Erfüllungsanspruch fort und ist grundsätzlich nicht auf das Kalenderjahr befristet. Nur dann, wenn die Gewährung von Freistellungstagen aus personenbedingten Gründen – zB wegen einer langandauernden Erkrankung – im gesamten (restlichen) Kalenderjahr nicht möglich ist, geht der Freistellungsanspruch unter. In einem solchen Fall lebt nach § 25.3 MTV im Umfang der nicht realisierten Freistellungstage der Anspruch auf das tarifliche Zusatzgeld wieder auf. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. Februar 2022 – 10 AZR 99/21 – Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 25. November 2020 – 6 Sa 695/20 –","Tenor 1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 25. November 2020 – 6 Sa 695/20 – wird zurückgewiesen. 2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen. Leitsatz Der Anspruch auf bezahlte arbeitsfreie Tage, der an die Stelle des Anspruchs auf ein tarifliches Zusatzgeld nach dem Tarifvertrag Tarifliches Zusatzgeld (TV T-ZUG) tritt, wird nicht erfüllt, wenn der Arbeitnehmer am Freistellungstag arbeitsunfähig erkrankt ist. Tatbestand 1 Die Parteien streiten über tarifliche Freistellungstage für das Jahr 2019. 2 Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 16. Februar 2016 in Vollzeit beschäftigt. Er ist zwei minderjährigen Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Mindestens ein Kind hatte im Jahr 2019 das achte Lebensjahr nicht vollendet, lebte mit dem Kläger in häuslicher Gemeinschaft und wurde von ihm selbst betreut und erzogen. 3 Der Kläger ist Mitglied der IG Metall. Die Beklagte ist Mitglied im Unternehmerverband der Metallindustrie Ostwestfalen. 4 Am 14. Februar 2018 schlossen METALL NRW und die IG Metall – Bezirksleitung Nordrhein-Westfalen – den am 1. Januar 2019 in Kraft getretenen Tarifvertrag Tarifliches Zusatzgeld (TV T-ZUG) sowie einen Änderungstarifvertrag (ÄTV), der ua. den Einheitlichen Manteltarifvertrag vom 18. Dezember 2003 (EMTV) betraf. Nach dem neu eingefügten § 3d EMTV konnten die Beschäftigten unter bestimmten Umständen anstelle des tariflichen Zusatzgeldes die Gewährung von Freistellungstagen verlangen. Anträge für das Jahr 2019 mussten bereits im Jahr 2018 gestellt werden. 5 Dieselben Tarifvertragsparteien vereinbarten am 8. November 2018 einen Manteltarifvertrag (MTV), der am 1. Januar 2019 in Kraft trat und den EMTV ersetzte. In § 25 MTV heißt es ua.:          „§ 25 Freistellungstage statt T-ZUG (A)          Beschäftigte können nach Maßgabe nachfolgender Bestimmungen verlangen, statt des tariflichen Zusatzgeldes nach § 2 Nr. 2 a) TV T-ZUG eine Freistellung in Anspruch zu nehmen.          25.1    Anspruchsberechtigte                   Die Möglichkeit eine bezahlte Freistellung in Anspruch zu nehmen, besteht für folgende Beschäftigtengruppen:                   a)     Beschäftigte mit einer individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von mindestens 35 Stunden, die                            –        in drei oder mehr als drei Schichten oder nur in der Nachtschicht arbeiten                                     (nach einer Betriebszugehörigkeit von mindestens 5 Jahren und nachdem sie mindestens 3 Jahre beim derzeitigen Arbeitgeber üblicherweise in Schicht gearbeitet haben),                            –        in Wechselschicht arbeiten                                     (ab dem 1. Januar 2019 nach einer Betriebszugehörigkeit von mindestens 15 Jahren und nachdem sie 10 Jahre beim derzeitigen Arbeitgeber üblicherweise in Schicht gearbeitet haben,                                     ab dem 1. Januar 2020 nach einer Betriebszugehörigkeit von mindestens 7 Jahren und nachdem sie 5 Jahre beim derzeitigen Arbeitgeber üblicherweise in Schicht gearbeitet haben)                            und voraussichtlich im Folgejahr in einem der vorgenannten Schichtmodelle beschäftigt sein werden.                   b)     Beschäftigte mit einer individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von mindestens 35 Stunden und/oder Vollzeitbeschäftigte, die nach dem 1. Januar 2019 ihre individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit reduzieren oder in verkürzte Vollzeit wechseln, und                            –        die einen Angehörigen ersten Grades (Eltern und Kinder), einen Ehegatten, Lebenspartner, Partner einer eheähnlichen oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft oder Schwiegereltern in häuslicher Umgebung pflegen, der mindestens den Pflegegrad 1 aufweist,                                     oder                               –        die ihr in häuslicher Gemeinschaft lebendes Kind bis zur Vollendung des achten Lebensjahres selbst betreuen und erziehen.                            Der Anspruch besteht erstmalig nach einer mindestens zweijährigen ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit zum Zeitpunkt der Antragstellung.          25.2    Geltendmachung                   Beschäftigte können bis zum 31. Oktober eines Jahres den Anspruch für das Folgejahr geltend machen.                   …                 25.3    Freistellungsumfang                   Der Freistellungsanspruch beträgt acht Tage für Beschäftigte, bei denen sich die Arbeitszeit regelmäßig auf fünf Tage pro Woche verteilt.                   Grundsätzlich erfolgt die Inanspruchnahme in Form von ganzen freien Tagen, vergleichbar dem Verfahren bei der Urlaubsnahme. Arbeitgeber und Beschäftigter können sich einvernehmlich auch auf eine hiervon abweichende Inanspruchnahme verständigen.                   Bei der zeitlichen Festlegung der Freistellung sind die Wünsche des Beschäftigten im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten zu berücksichtigen.                   Kann der Freistellungsanspruch aus personenbedingten Gründen nicht oder nicht vollständig im Kalenderjahr genommen werden, geht der Freistellungsanspruch unter. Im Umfang der nicht realisierten Freistellungstage besteht der Anspruch auf das tarifliche Zusatzgeld nach § 2 Nr. 2 a) TV T-ZUG.                   Endet das Arbeitsverhältnis nach Realisierung der Freistellungstage vor dem 31. Juli eines Kalenderjahres, ist die Differenz im Arbeitsentgelt zu verrechnen.                   Die Ausübung einer Nebenbeschäftigung während der Freistellungszeit ist nicht zulässig.          25.4    Anspruchserweiterung                   Der Anspruch, statt tariflichem Zusatzgeld nach § 2 Nr. 2 a) TV T-ZUG freie Tage zu gewähren, kann durch freiwillige Betriebsvereinbarung auf den ganzen Betrieb, bestimmte Beschäftigtengruppen oder Abteilungen/Bereiche, z. B. auch auf Vollkonti-Schicht-Beschäftigte, erweitert werden.          25.5    Kompensation des entfallenden Arbeitsvolumens                   Betriebsrat und Arbeitgeber haben bis zum 31. Dezember eines Kalenderjahres anhand der vorliegenden Anträge zu erörtern, wie das entfallende Arbeitsvolumen betriebsintern ausgeglichen werden kann. Dabei ist die Nutzung der vorhandenen betrieblichen und tariflichen Instrumente zu erörtern, insbesondere:                   –        Vereinbarung von Mehrarbeit                   –        Anwendung des Volumenmodells nach § 12                   –        Nutzung von Arbeitszeitkonten                   –        Anwendung von § 13                   Stellen die Betriebsparteien fest, dass der Anspruch nicht für alle Antragsteller realisiert werden kann, können sie eine Reihenfolge festlegen. Dabei sollen folgende Kriterien berücksichtigt werden:                   –        Dauer und Intensität der Belastung                   –        Betriebszugehörigkeit                   Die Betriebsparteien können darüber hinaus weitere Kriterien festlegen.                   Kommt keine Einigung zustande und kann das entfallende Arbeitsvolumen nicht mit der entsprechenden Qualifikation betriebsintern kompensiert werden, kann der Arbeitgeber solche Anträge ablehnen.                   …“     6 Der Kläger machte bis zum 31. Oktober 2018 gegenüber der Beklagten eine Umwandlung des tariflichen Zusatzgeldes für das Kalenderjahr 2019 in Freistellungstage geltend. Im April 2019 legten die Parteien einvernehmlich ua. den 11. und 12. Juni 2019 als Freistellungstage fest. 7 Vom 5. bis einschließlich 12. Juni 2019 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Noch im Jahr 2019 verlangte er von der Beklagten, ihm die beiden in diesem Zeitraum liegenden Freistellungstage im laufenden Kalenderjahr „nachzugewähren“. Die Beklagte lehnte dies ab. 8 Der Kläger hat gemeint, ihm stehe noch ein Anspruch auf zwei Freistellungstage aus dem Jahr 2019 zu. Sein Anspruch sei durch die bloße Festlegung von freien Tagen nicht erfüllt worden. Vielmehr müsse die freie Zeit tatsächlich nutzbar sein. Eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit stehe dem entgegen. 9 Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt          festzustellen, dass ihm aus dem Jahr 2019 ein Anspruch auf Freistellung von der Arbeitsleistung im Umfang von zwei Arbeitstagen zusteht,          hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn 229,37 Euro brutto zu zahlen. 10 Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, der Freistellungsanspruch sei bereits dadurch erfüllt, dass sie die freien Tage festgelegt und den Kläger von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung entbunden habe. Das Risiko, die arbeitsfreie Zeit tatsächlich nutzen zu können, liege beim Kläger. 11 Das Arbeitsgericht hat der Klage im erstinstanzlich zuletzt zur Entscheidung gestellten Zahlungsantrag stattgegeben. Unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten und auf die Anschlussberufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht dem Feststellungsantrag entsprochen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin die vollständige Abweisung der Klage. Entscheidungsgründe 12 Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis die Berufung der Beklagten zu Recht zurückgewiesen und auf die Anschlussberufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert (§ 561 ZPO). Die zulässige Klage ist begründet. Dem Kläger steht aus dem Jahr 2019 noch ein tariflicher Anspruch auf bezahlte Freistellung von der Arbeitsleistung im Umfang von zwei Arbeitstagen zu. 13 I. Die Klage ist zulässig. 14 1. In der gebotenen Auslegung ist der Feststellungsantrag hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. 15 a) Der Kläger will mit diesem Antrag festgestellt wissen, dass ihm auf der Grundlage des geltenden Tarifvertrags noch zwei Freistellungstage aus dem Jahr 2019 zustehen. Nach dem letzten Wortlaut des Antrags macht der Kläger zwar einen Anspruch aus dem EMTV geltend. Nach dem Inhalt seiner schriftsätzlichen Ausführungen geht er aber davon aus, es sei für den Anspruch ohne Bedeutung, ob der EMTV oder der MTV die maßgebliche tarifliche Bestimmung enthalte. Der Sache nach hat der Kläger damit klargestellt, dass er den Streitgegenstand nicht auf einen speziellen Tarifvertrag beschränkt, sondern einen tariflichen Anspruch, unabhängig von der konkreten Anspruchsgrundlage, verfolgt. Bei dem Zusatz im Antrag handelt es sich daher lediglich um ein Begründungselement, dem keine gesonderte Bedeutung zukommt (vgl. zB BAG 12. Dezember 2018 – 4 AZR 123/18 – Rn. 16, BAGE 164, 345). 16 b) Aus dem Vorbringen des Klägers ergibt sich zudem, dass er in erster Linie sein Feststellungsbegehren verfolgt und nur hilfsweise den Zahlungsanspruch. 17 2. Der Hauptantrag genügt den Erfordernissen des § 256 Abs. 1 ZPO. Der Kläger kann seinen Freistellungsanspruch im Weg der Feststellungsklage verfolgen (BAG 11. November 2020 – 4 AZR 210/20 – Rn. 15). Für die zukunftsgerichtete Feststellung, dass dem Kläger aus dem Jahr 2019 weiterhin zwei Freistellungstage zustehen, besteht das erforderliche rechtliche Interesse, da die Beklagte einen solchen Anspruch bestreitet. 18 II. Die Klage ist begründet. Dem Kläger steht aus dem Jahr 2019 ein Anspruch auf bezahlte Freistellung von der Arbeitsleistung im Umfang von zwei Arbeitstagen zu. Dieser Anspruch besteht – insoweit anders als das Landesarbeitsgericht annimmt – als originärer Erfüllungsanspruch fort und ergibt sich aus § 25 MTV, § 2 Nr. 1, Nr. 2 Buchst. a TV T-ZUG. Er ist nicht durch Erfüllung erloschen oder anderweitig untergegangen. 19 1. Der MTV und der TV T-ZUG gelten im Arbeitsverhältnis der Parteien kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG unmittelbar und zwingend. Nach diesen Bestimmungen stand dem Kläger für das Jahr 2019 ein Anspruch auf das tarifliche Zusatzgeld zu, der sich aufgrund des ausgeübten Wahlrechts nach § 25 MTV in einen Anspruch auf Freistellungstage umwandelte. Dies steht zwischen den Parteien nicht im Streit. Auf den durch den MTV ersetzten EMTV kommt es mit Blick auf Nr. VIII ÄTV nur noch insoweit an, als Anträge im Zusammenhang mit tariflichen Ansprüchen bereits im Jahr 2018 zu stellen waren, was durch den Kläger erfolgt ist. 20 2. Der Anspruch ist nicht dadurch erloschen, dass die Beklagte den Kläger am 11. und 12. Juni 2019 freistellte, um ihm zwei Freistellungstage nach § 25 MTV zu gewähren. Davon geht zutreffend auch das Landesarbeitsgericht aus. Da der Kläger an diesen beiden Tagen arbeitsunfähig erkrankt war, war es der Beklagten nicht möglich, den Anspruch des Klägers zu erfüllen. Das ergibt die Auslegung des MTV (zu den Auslegungsgrundsätzen vgl. die st. Rspr., zB BAG 1. Dezember 2020 – 9 AZR 104/20 – Rn. 24; 11. November 2020 – 4 AZR 210/20 – Rn. 20). 21 a) Der Wortlaut von § 25.3 MTV sieht nicht ausdrücklich vor, auf welche Weise der Anspruch auf Freistellungstage erfüllt wird. Die Formulierungen deuten aber darauf hin, dass der Anspruch nicht bereits erfüllt ist, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht freistellt, indem er die arbeitsfreien Tage zeitlich fixiert, sondern erst dann, wenn der Arbeitnehmer die Möglichkeit hat, die freien Tage tatsächlich zu nutzen. Dies ist während einer Arbeitsunfähigkeit nicht der Fall. 22 aa) § 25.3 Abs. 2 Satz 1 MTV bestimmt, dass eine „Inanspruchnahme“ der Freistellung erfolgt. Unter Inanspruchnahme ist das Gebrauchmachen, Nutzen von etwas, was jemandem als Recht zusteht, als Möglichkeit angeboten wird, zu verstehen (www.duden.de Stichwort „Inanspruchnahme“, zuletzt abgerufen am 22. Februar 2022). Von der Freistellung Gebrauch machen, sie nutzen, ist mehr als die arbeitsfreien Tage nur zeitlich festzulegen und den Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht zu befreien. Die Unterscheidung zwischen „Inanspruchnahme“ und „Festlegung“ haben die Tarifvertragsparteien auch erkannt und die zeitliche Bestimmung der Freistellung durch den Arbeitgeber in § 25.3 Abs. 2 Satz 3 MTV mit „Festlegung“ bezeichnet. 23 bb) Auch die Formulierung von § 25.3 Abs. 3 MTV deutet in diese Richtung. Satz 1 der Bestimmung sieht vor, dass der Freistellungsanspruch untergeht, wenn er im Kalenderjahr nicht oder nicht vollständig „genommen“ werden kann. Im Umfang der nicht „realisierten“ Freistellungstage besteht der Anspruch auf das Zusatzgeld nach dem TV T-ZUG (§ 25.3 Abs. 3 Satz 2 MTV). Die Formulierung „genommen“ ist zwar ihrerseits nicht eindeutig. Ein Anspruch auf Freistellung kann genommen sein, wenn die arbeitsfreien Tage festgelegt sind. Ebenso gut kann dahinter das Verständnis stehen, dass die Tage erst genommen sind, wenn die Freizeit auch tatsächlich nutzbar ist. Allerdings haben die Tarifvertragsparteien den Begriff „Nehmen des Freistellungsanspruchs“ in demselben Absatz als Synonym für den Begriff „Realisierung der Freistellungstage“ verwendet. Realisieren steht für „etwas ausführen, durchführen, (in die Tat) umsetzen, verwirklichen“ (www.duden.de Stichwort „realisieren“, zuletzt abgerufen am 22. Februar 2022). Dies spricht dafür, dass Freistellungstage erst genommen sind, wenn sie realisiert, dh. tatsächlich genutzt werden konnten. 24 b) Die Systematik der Regelung und der tarifliche Gesamtzusammenhang sprechen ebenfalls für ein solches Verständnis. 25 aa) Dass § 25.3 Abs. 2 Satz 1 MTV vorsieht, die Inanspruchnahme erfolge „vergleichbar dem Verfahren der Urlaubsnahme“, lässt allerdings nicht bereits den Schluss zu, die fehlende Erfüllungswirkung bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers ergebe sich aus § 9 BUrlG oder der entsprechenden Bestimmung des § 37.3 Abs. 1 MTV. 26 (1) Sowohl § 9 BUrlG als auch § 37.3 Abs. 1 Satz 1 MTV sehen vor, dass Tage nachgewiesener Arbeitsunfähigkeit während des Urlaubs nicht auf den Urlaub angerechnet werden. Nach dem MTV besteht in diesem Fall ein Anspruch auf Nachgewährung (§ 37.3 Abs. 1 Satz 2 MTV). 27 (2) § 25.3 Abs. 2 Satz 1 MTV verweist jedoch nicht pauschal auf das gesamte gesetzliche oder tarifliche Urlaubsrecht. Vielmehr bezieht sich die Tarifnorm nur auf eine Modalität, wie der Freistellungsanspruch umzusetzen ist. Es geht darum, dass die Freistellungstage wie im Urlaubsrecht grundsätzlich in vollen Tagen einzubringen sind (vgl. zum Urlaubsrecht BAG 19. Juni 2018 – 9 AZR 615/17 – Rn. 33 mwN, BAGE 163, 72). Auf andere urlaubsrechtliche Bestimmungen – wie zB § 9 BUrlG – bezieht sich die Tarifnorm hingegen nicht; die Tarifvertragsparteien haben vielmehr hinsichtlich der Freistellungstage ein eigenes Regelungsregime geschaffen. 28 bb) Zentral für das Verständnis der Norm ist die Struktur des Anspruchs. Bei den Freistellungstagen nach § 25 MTV handelt es sich um den nach (einmaliger) Ausübung des Wahlrechts umgewandelten Anspruch auf ein tarifliches Zusatzgeld nach dem TV T-ZUG. Soweit dieser monetäre Anspruch bei Vorliegen der tariflichen Tatbestandsvoraussetzungen entstanden ist und in den Freistellungsanspruch umgewandelt wurde, scheidet eine Verlagerung des Risikos der tatsächlichen Realisierung auf den Arbeitnehmer aus. Für den Freistellungsanspruch gilt insoweit nichts anderes als für den ursprünglichen Zahlungsanspruch. 29 (1) Nach § 2 Nr. 1 TV T-ZUG setzt der Anspruch auf das Zusatzgeld grundsätzlich nur voraus, dass der Arbeitnehmer am 31. Juli des Kalenderjahres in einem Arbeitsverhältnis steht und eine ununterbrochene Betriebszugehörigkeit von sechs Monaten vorzuweisen hat. Es ist nicht ersichtlich, dass die Tarifvertragsparteien mit der Möglichkeit, den monetären Anspruch in einen Anspruch auf bezahlte Freistellung umzuwandeln (§ 25 MTV), eine Risikoverlagerung zulasten der Arbeitnehmer vornehmen wollten, wenn dieser Anspruch einmal entstanden ist. Sie kann auch nicht damit begründet werden, dass der Anspruch auf bezahlte Freistellung im Ergebnis werthaltiger ist als der Anspruch auf das tarifliche Zusatzgeld. Während der Freistellungsanspruch nach § 25.3 Abs. 1 MTV acht Tage bei einer Fünf-Tage-Woche ausmacht, beläuft sich der Anspruch auf das tarifliche Zusatzgeld nach § 2 Nr. 2 Buchst. a TV T-ZUG auf 27,5 % des monatlichen regelmäßigen Arbeitsentgelts. Das entspricht der Vergütung für knapp sechs Arbeitstage. Gerade der Umstand, dass der werthaltigere Freistellungsanspruch nach dem Willen der Tarifvertragsparteien nur einem begrenzten, besonders schutzbedürftigen Personenkreis zukommt, spricht dafür, dass der Freistellungsanspruch jedenfalls nicht höheren Risiken ausgesetzt ist als der entstandene ursprüngliche Zahlungsanspruch. Vielmehr unterstreicht die werthaltigere Ausgestaltung des Freistellungsanspruchs das besondere Schutzbedürfnis des anspruchsberechtigten Personenkreises und verlangt, um Wertungswidersprüche zu vermeiden, nach einer adäquaten Absicherung des Freistellungsanspruchs. 30 (2) Aus § 25.3 Abs. 3 MTV ergibt sich nichts anderes. Vielmehr wird deutlich, dass der Freistellungsanspruch nach dem Gesamtbild der tariflichen Bestimmungen nur untergehen soll, wenn er aus personenbedingten Gründen im gesamten Kalenderjahr nicht oder nicht vollständig genommen werden kann (so bereits BAG 20. Januar 2021 – 4 AZR 283/20 – Rn. 49; 11. November 2020 – 4 AZR 210/20 – Rn. 46). In einem solchen Fall lebt der Anspruch auf das tarifliche Zusatzgeld wieder auf. Es handelt sich um eine Ausnahmebestimmung, die den Untergang des Freistellungsanspruchs gerade nur in einer bestimmten Konstellation regelt. In anderen Konstellationen ist der Anspruch hingegen grundsätzlich vor einem (ersatzlosen) Untergang geschützt. 31 cc) Auch § 25.3 Abs. 4 MTV spricht für dieses Verständnis. Die Bestimmung regelt, wie „realisierte Freistellungstage“ abzuwickeln sind, wenn das Arbeitsverhältnis nach Gewährung der Freistellungstage vor dem 31. Juli eines Kalenderjahres endet. Wie schon in § 25.3 Abs. 3 Satz 2 MTV haben die Tarifvertragsparteien den Begriff „realisieren“ verwendet (Rn. 23). Sie haben damit zum Ausdruck gebracht, dass Freistellungstage nur dann zu verrechnen sind, wenn sie als arbeitsfreie Tage tatsächlich verfügbar waren und nicht bereits, wenn sie nur festgelegt, aber zB aus krankheitsbedingten Gründen nicht genutzt werden konnten. 32 dd) Der Charakter als zusätzliche Leistung, die erst erfüllt wird, wenn der Leistungserfolg beim Arbeitnehmer eingetreten ist, steht ferner im Einklang mit der Kompensationsregel nach § 25.5 MTV. 33 (1) Mit der Pflicht des Arbeitgebers, Arbeitnehmer unter Fortzahlung der Vergütung freizustellen, wenn diese ihr tarifliches Zusatzgeld umwandeln, geht eine zusätzliche Belastung des Arbeitgebers einher, die nicht den monetären Aspekt betrifft. Vielmehr steht dem Arbeitgeber die Arbeitskraft des Arbeitnehmers während der Freistellung nicht zur Verfügung. Die Tarifvertragsparteien haben insoweit Regelungen getroffen, die diese Belastung kompensieren sollen und – wenn betrieblich keine qualifikationsentsprechende Kompensation möglich ist – dem Arbeitgeber das Recht zur Ablehnung von Freistellungsanträgen zuerkannt (vgl. dazu im Einzelnen BAG 20. Januar 2021 – 4 AZR 283/20 – Rn. 35 ff.). 34 (2) Entgegen der Ansicht der Revision gibt es keine durch die Freistellung nach § 25 MTV hervorgerufene Zusatzbelastung, die zu kompensieren wäre, wenn der Freistellungsanspruch bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers nicht erfüllt werden kann. Arbeitgeber müssen damit rechnen, dass ein Arbeitnehmer wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit ausfällt und seine Arbeitsleistung nicht erbringen kann. Der Umfang des durch die Freistellungstage auszugleichenden Arbeitsausfalls wird in diesem Fall nicht verändert. Ein Kompensationsbedarf ergibt sich daraus, dass die Arbeitsleistung eines Arbeitnehmers wegen dessen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit zusätzlich entfällt, nicht aufgrund des nicht erfüllten Freistellungsanspruchs. Dies gilt auch für den Fall, dass aufgrund der Arbeitsunfähigkeit im Einzelfall die Freistellung erst im Folgejahr möglich ist. Die Kompensationsregel des § 25.5 MTV betrifft nach ihrer Konzeption den sog. Normalfall. Ihr liegt zwar die Annahme zugrunde, dass die anspruchsberechtigten Arbeitnehmer ihre Freistellungstage grundsätzlich im Bezugszeitraum des Kalenderjahres einbringen und die dadurch entfallende Arbeitsleistung in diesem Zeitraum betriebsintern ausgeglichen werden muss. Dass krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeiten aber zu einem zusätzlichen Koordinierungsaufwand führen und Freistellungsansprüche unter Umständen auf das Folgejahr übertragen werden, hebt den Zweck des Kompensationsverfahren nach § 25.5 MTV nicht auf. 35 c) Schließlich sprechen Sinn und Zweck des Anspruchs auf Freistellungstage dafür, dass der Anspruch auf bezahlte arbeitsfreie Tage nach § 25 MTV erst dann iSv. § 362 Abs. 1 BGB erfüllt ist, wenn der Arbeitnehmer die Möglichkeit hatte, die Freistellungstage tatsächlich zu nutzen. 36 aa) Mit dem Freistellungsanspruch nach § 25 MTV, der an die Stelle des tariflichen Zusatzgeldes tritt, wollten die Tarifvertragsparteien einen eigenständigen Tatbestand regeln, der eine Ausnahme von dem im Arbeitsverhältnis geltenden Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ darstellt (vgl. dazu die st. Rspr., zB BAG 11. Dezember 2019 – 5 AZR 579/18 – Rn. 12 mwN, BAGE 169, 126). Sie wollten einem bestimmten Kreis von Arbeitnehmern einen Anspruch auf zusätzliche bezahlte freie Zeit verschaffen. Damit wurde ein vom Urlaubsrecht unabhängiger Anspruch auf bezahlte Freistellung von der Arbeit geschaffen (Rn. 27). 37 bb) Der Zweck, Arbeitnehmern zusätzliche bezahlte Freizeit, die tatsächlich nutzbar ist, zukommen zu lassen, wird mit Blick auf den anspruchsberechtigten Personenkreis deutlich. 38 (1) Nach § 25.1 MTV können zum einen Arbeitnehmer, die in Nacht- und Wechselschichtarbeit tätig sind, das Wahlrecht zugunsten der Freistellungstage ausüben. Zum anderen steht es Arbeitnehmern zu, die pflegerische oder erzieherische Leistungen im häuslichen Umfeld erbringen. Beiden Arbeitnehmergruppen ist gemein, dass es sich um Personen handelt, die ein gesteigertes Bedürfnis nach zusätzlicher freier Zeit haben. Während bei den in Nacht- und Wechselschicht Tätigen das Erholungsbedürfnis im Vordergrund steht, geht es bei den Arbeitnehmern, die pflegerisch oder erzieherisch aktiv sind, darum, den zeitlichen Aufwand für diese Aufgaben etwas auszugleichen. In beiden Fällen kann der mit der Freistellung verfolgte Zweck nur erreicht werden, wenn den Anspruchsberechtigten die arbeitsfreie Zeit tatsächlich zukommt. 39 (2) Die Öffnungsklausel in § 25.4 MTV führt zu keiner anderen Bewertung. Die Bestimmung ermöglicht den Betriebsparteien, das Wahlrecht zwischen dem Zusatzgeld und dem Freistellungsanspruch auf bestimmte Beschäftigtengruppen, Abteilungen und Bereiche oder den gesamten Betrieb zu erweitern. Auf diese Weise kann Besonderheiten auf betrieblicher Ebene Rechnung getragen werden. Dass die Betriebsparteien auch Arbeitnehmer einbeziehen können, bei denen ein Bedürfnis nach zusätzlicher freier Zeit nicht festzustellen ist, nimmt dem tariflichen Freistellungsanspruch nicht seinen spezifischen Zweck. Es handelt sich in jedem Fall um eine zusätzliche Leistung, die den Arbeitnehmern zugutekommen soll. 40 cc) Das Verbot nach § 25.3 Abs. 5 MTV, während der Freistellungstage einer Nebentätigkeit nachzugehen, spricht ebenfalls für die oben genannten Zwecke. Mit dem Verbot soll sichergestellt werden, dass sich die freigestellten Arbeitnehmer erholen können (§ 25.1 Buchst. a MTV) oder über zusätzliche Zeit verfügen, um die Belastungen im Zusammenhang mit der Pflege oder Erziehung von Angehörigen etwas auszugleichen (§ 25.1 Buchst. b MTV). Diesen Zwecken liefe eine Nebentätigkeit während der freien Tage zuwider. 41 dd) Wie das Landesarbeitsgericht zu Recht annimmt, geht es bei den Freistellungstagen deshalb nicht darum, eine vorweggenommene Arbeitsleistung auszugleichen, indem die spätere Freistellung lediglich der zweite zur Arbeitszeitverlegung erforderliche Akt ist. Damit ist die Situation – anders als die Revision meint – auch nicht mit der Risikoverteilung beim Zusammentreffen eines Arbeitszeit- oder Überstundenausgleichs mit einer Arbeitsunfähigkeit vergleichbar. Auf die dazu ergangene Rechtsprechung (vgl. zum Freizeitausgleich zB BAG 15. Februar 2012 – 7 AZR 774/10 – Rn. 37 mwN; 11. September 2003 – 6 AZR 374/02 – zu 2 der Gründe, BAGE 107, 278) kann daher nicht zurückgegriffen werden. 42 ee) Diese mit den Freistellungstagen verfolgten Zwecke können nicht erreicht werden, wenn der Arbeitnehmer krankheitsbedingt arbeitsunfähig ist. Dass der Arbeitnehmer sowohl bei einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit als auch im Fall der Freistellung nach § 25 MTV nicht verpflichtet ist, die Arbeitsleistung zu erbringen, aber seinen Anspruch auf die Vergütung behält, rechtfertigt nicht die Annahme, dass die mit der tariflichen Freistellung verfolgten Zwecke auch während einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit erreicht werden können. Mit der Fortzahlung der Vergütung im Fall krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz verfolgt der Gesetzgeber ein anderes Ziel als die Tarifvertragsparteien mit dem Anspruch auf bezahlte Freistellung nach § 25 MTV. 43 (1) Ist ein Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt, entfällt nach § 275 BGB seine Pflicht, die Arbeitsleistung zu erbringen. Durch § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG behält der Arbeitnehmer seinen Vergütungsanspruch. Die Bestimmung dient in Abweichung von der allgemeinen Regelung des § 326 Abs. 1 BGB dem sozialen Schutz der Arbeitnehmer und sichert zeitlich begrenzt den Arbeitsverdienst bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit (BAG 29. September 2004 – 5 AZR 558/03 – zu I 2 c der Gründe). Mit der Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG wird kein Freistellungstatbestand geschaffen. Vielmehr werden die Folgen verändert, die sich aus einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit für den Entgeltanspruch des Arbeitnehmers ergeben. Demgegenüber wird mit dem Anspruch nach § 25 MTV ein Anspruch auf bezahlte arbeitsfreie Zeit für bestimmte Arbeitnehmergruppen geschaffen. 44 (2) Entgegen der Auffassung der Revision ist das Erfüllungshindernis der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit nicht der Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien entzogen. Bei der Verknüpfung des Freistellungsanspruchs mit der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit geht es nicht um die dem persönlichen Bereich zuzurechnende inhaltliche Ausgestaltung der freien Tage, sondern um den Schutz der tatsächlichen Nutzungsmöglichkeit. 45 d) Führt die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit demnach dazu, dass der Anspruch auf bezahlte Freistellung nach § 25 MTV nicht erfüllt werden kann, bleibt der originäre Erfüllungsanspruch erhalten. Es kann daher nicht dazu kommen, dass der ursprüngliche Anspruch auf das tarifliche Zusatzgeld unterjährig wiederauflebt. Diese Folge tritt nur unter den Voraussetzungen des § 25.3 Abs. 3 MTV und erst mit Ablauf des Kalenderjahres ein. 46 3. Der Anspruch ist – anders als das Landesarbeitsgericht annimmt – nicht nach § 25.3 Abs. 3 MTV untergegangen. Dem Kläger war es nicht aus personenbedingten Gründen bis zum Ablauf des Kalenderjahres 2019 unmöglich, die zwei streitigen Freistellungstage zu realisieren. 47 a) Nach Satz 1 dieser Bestimmung geht der Freistellungsanspruch unter, wenn er aus personenbedingten Gründen nicht oder nicht vollständig im Kalenderjahr genommen werden kann. Im Umfang der nicht realisierten Freistellungstage besteht dann nach Satz 2 (wieder) der Anspruch auf das tarifliche Zusatzgeld nach § 2 Nr. 2 Buchst. a TV T-ZUG. 48 b) Die Bestimmung ist nach ihrem Wortlaut und der bereits dargelegten Tarifsystematik nur einschlägig, wenn es dem Arbeitnehmer bis zum Ende des Kalenderjahres aus personenbedingten Gründen unmöglich ist, den Anspruch auf Freistellungstage ganz oder teilweise einzubringen. Sie setzt demnach voraus, dass dem noch bestehenden Freistellungsanspruch lückenlos bis zum Jahresende personenbedingte Gründe entgegenstanden, zB eine durchgehende krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers. War bis zum Ablauf des Kalenderjahres die Erfüllung des Freistellungsanspruchs möglich, weil Tage ohne ein personenbedingtes Erfüllungshindernis gegeben waren, ist der Tatbestand des § 25.3 Abs. 3 Satz 1 MTV im Umfang dieser Tage nicht erfüllt und der Freistellungsanspruch besteht fort. Dies gilt auch, wenn der Arbeitgeber ablehnt, Freistellungstage, die aus personenbedingten Gründen vorübergehend nicht eingebracht werden konnten, „nachzugewähren“. Mit der Ablehnung des Arbeitgebers ist kein in der Person des Arbeitnehmers liegender Grund gegeben. 49 c) Auch in allen anderen, von § 25.3 Abs. 3 Satz 1 MTV nicht erfassten Fällen, in denen der Freistellungsanspruch im Kalenderjahr nicht realisiert wird, besteht der Anspruch auf die Gewährung von Freistellungstagen entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts über das Kalenderjahr hinaus fort (so bereits BAG 11. November 2020 – 4 AZR 210/20 – Rn. 46). Dabei kommt es nicht darauf an, aus welchen Gründen am Ende des Kalenderjahres offene Freistellungsansprüche bestehen. Es ist daher unerheblich, ob der Arbeitgeber ablehnte, Freistellungstage zu gewähren, oder ob es die Arbeitsvertragsparteien unterlassen haben, Freistellungstage festzulegen. 50 aa) Das Berufungsgericht hat insoweit angenommen, § 25.3 Abs. 3 MTV liege die Annahme der Tarifvertragsparteien zugrunde, der Anspruch auf Freistellung gehe mit dem Ablauf des Kalenderjahres unter und wandle sich nur im Fall personenbedingter Gründe in einen Anspruch auf Zahlung des Zusatzgeldes. In anderen Fällen gehe er – abgesehen von möglichen Schadensersatzansprüchen – ersatzlos unter. Aus der Formulierung „für das Folgejahr“ in § 25.2 Abs. 1 MTV hat es geschlossen, der Anspruch sei grundsätzlich nur bis zum 31. Dezember realisierbar. Dem stimmt der Senat nicht zu. 51 bb) Aus § 25.2 Abs. 1 MTV ergibt sich nicht, dass der Freistellungsanspruch auf das Kalenderjahr befristet ist. Die Formulierung „für das Folgejahr“ definiert den Zeitraum, in dem der Anspruch entsteht. Ihr kann aber keine Aussage entnommen werden, dass der Anspruch mit Ablauf des Bezugszeitraums untergeht. 52 cc) § 25.3 MTV lässt sich auch nicht die grundlegende Annahme der Tarifvertragsparteien entnehmen, der Freistellungsanspruch erlösche – unter Umständen ersatzlos – mit Ablauf des Kalenderjahres. Das Gegenteil ist der Fall. Bei der Bestimmung handelt es sich um eine Sonderregelung, die dazu dient, das Ansammeln von Freistellungsansprüchen zu vermeiden, die aus personenbedingten Gründen nicht erfüllt werden konnten. Nur wenn der Freistellungsanspruch aus personenbedingten Gründen nicht oder nicht vollständig im Kalenderjahr genommen werden kann, soll er untergehen. Im Umkehrschluss muss davon ausgegangen werden, dass die Tarifvertragsparteien in allen anderen Fällen von einem Fortbestand des Anspruchs über das Kalenderjahr hinaus ausgegangen sind (BAG 20. Januar 2021 – 4 AZR 283/20 – Rn. 49; 11. November 2020 – 4 AZR 210/20 – Rn. 46). 53 d) Aus den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ergibt sich nicht, dass der Kläger über den 12. Juni 2019 hinaus bis zum 31. Dezember 2019 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt war oder dass andere personenbedingte Gründe einer Erfüllung des Freistellungsanspruchs entgegenstanden. Dies hat die Beklagte auch nicht geltend gemacht. 54 e) Der Anspruch ist auch nicht wegen objektiver oder subjektiver Unmöglichkeit iSv. § 275 BGB ausgeschlossen. Freistellungstage, deren Anspruch aus einem früheren Kalenderjahr stammt, können im fortbestehenden Arbeitsverhältnis regelmäßig ohne Weiteres noch gewährt werden (BAG 20. Januar 2021 – 4 AZR 283/20 – Rn. 49; 11. November 2020 – 4 AZR 210/20 – Rn. 46). 55 III. Über den Hilfsantrag des Klägers hatte der Senat aufgrund der Erfolglosigkeit der Revision der Beklagten hinsichtlich des Hauptantrags nicht mehr zu entscheiden. 56 IV. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.              W. Reinfelder                  Günther-Gräff                  Pessinger                                    H. Schurkus                  S. Viehl" bag_8-22,24.02.2022,"24.02.2022 8/22 - Aufhebungsvertrag - Gebot fairen Verhandelns Ein Aufhebungsvertrag kann unter Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns zustande gekommen sein. Ob das der Fall ist, ist anhand der Gesamtumstände der konkreten Verhandlungssituation im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden. Allein der Umstand, dass der Arbeitgeber den Abschluss eines Aufhebungsvertrags von der sofortigen Annahme seines Angebots abhängig macht, stellt für sich genommen keine Pflichtverletzung gemäß § 311 Abs. 2 Nr. 1 iVm. § 241 Abs. 2 BGB dar, auch wenn dies dazu führt, dass dem Arbeitnehmer weder eine Bedenkzeit verbleibt noch der Arbeitnehmer erbetenen Rechtsrat einholen kann. Die Parteien streiten über den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses nach Abschluss eines Aufhebungsvertrags. Am 22. November 2019 führten der Geschäftsführer und der spätere Prozessbevollmächtigte der Beklagten, der sich als Rechtsanwalt für Arbeitsrecht vorstellte, im Büro des Geschäftsführers ein Gespräch mit der als Teamkoordinatorin Verkauf im Bereich Haustechnik beschäftigten Klägerin. Sie erhoben gegenüber der Klägerin den Vorwurf, diese habe unberechtigt Einkaufspreise in der EDV der Beklagten abgeändert bzw. reduziert, um so einen höheren Verkaufsgewinn vorzuspiegeln. Die Klägerin unterzeichnete nach einer etwa zehnminütigen Pause, in der die drei anwesenden Personen schweigend am Tisch saßen, den von der Beklagten vorbereiteten Aufhebungsvertrag. Dieser sah ua. eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. November 2019 vor. Die weiteren Einzelheiten des Gesprächsverlaufs sind streitig geblieben. Die Klägerin focht den Aufhebungsvertrag mit Erklärung vom 29. November 2019 wegen widerrechtlicher Drohung an. Mit ihrer Klage hat die Klägerin ua. den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den 30. November 2019 hinaus geltend gemacht. Sie hat behauptet, ihr sei für den Fall der Nichtunterzeichnung des Aufhebungsvertrags die Erklärung einer außerordentlichen Kündigung sowie die Erstattung einer Strafanzeige in Aussicht gestellt worden. Ihrer Bitte, eine längere Bedenkzeit zu erhalten und Rechtsrat einholen zu können, sei nicht entsprochen worden. Damit habe die Beklagte gegen das Gebot fairen Verhandelns verstoßen. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Auch wenn der von der Klägerin geschilderte Gesprächsverlauf zu ihren Gunsten unterstellt wird, fehlt es an der Widerrechtlichkeit der behaupteten Drohung. Ein verständiger Arbeitgeber durfte im vorliegenden Fall sowohl die Erklärung einer außerordentlichen Kündigung als auch die Erstattung einer Strafanzeige ernsthaft in Erwägung ziehen. Ebenso ist das Landesarbeitsgericht auf der Grundlage der vom Senat in der Entscheidung vom 7. Februar 2019 (- 6 AZR 75/18 -) entwickelten Maßstäbe unter Berücksichtigung des in der Revisionsinstanz nur eingeschränkten Prüfungsumfangs zutreffend zu dem Schluss gekommen, dass die Beklagte nicht unfair verhandelt und dadurch gegen ihre Pflichten aus § 311 Abs. 2 Nr. 1 iVm. § 241 Abs. 2 BGB verstoßen hat. Die Entscheidungsfreiheit der Klägerin wurde nicht dadurch verletzt, dass die Beklagte den Aufhebungsvertrag entsprechend § 147 Abs. 1 Satz 1 BGB nur zur sofortigen Annahme unterbreitet hat und die Klägerin über die Annahme deswegen sofort entscheiden musste. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. Februar 2022 – 6 AZR 333/21 – Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 17. Mai 2021 – 18 Sa 1124/20 –","Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 17. Mai 2021 – 18 Sa 1124/20 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. Leitsatz Der Arbeitgeber verhandelt nicht entgegen § 311 Abs. 2 Nr. 1 iVm. § 241 Abs. 2 BGB deswegen unfair, weil er den von ihm angebotenen Aufhebungsvertrag nur zur sofortigen Annahme unterbreitet und der Arbeitnehmer diesen nur sofort annehmen kann (§ 147 Abs. 1 Satz 1 BGB). Tatbestand 1 Die Parteien streiten über den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses nach Abschluss eines Aufhebungsvertrags. 2 Am 22. November 2019 führten der Geschäftsführer und der spätere Prozessbevollmächtigte der Beklagten, der sich als Rechtsanwalt für Arbeitsrecht vorstellte, im Büro des Geschäftsführers ein Gespräch mit der seit 1. Juni 2015 als Teamkoordinatorin des Verkaufs im Bereich Haustechnik beschäftigten Klägerin. Sie erhoben ihr gegenüber den Vorwurf, in der Vergangenheit unberechtigt Einkaufspreise für Waren in der EDV der Beklagten reduziert zu haben, um so einen höheren Verkaufsgewinn vorzuspiegeln. Der Klägerin war zuvor nicht mitgeteilt worden, dass dieser Vorwurf Gegenstand des Gesprächs sein würde. 3 In dem Gespräch legten die Vertreter der Beklagten der Klägerin einen vorbereiteten Aufhebungsvertrag vor, der ein einvernehmliches Ausscheiden der Klägerin aus betrieblichen Gründen mit Ablauf des 30. November 2019 vorsah. Darüber hinaus enthielt er neben einer Abgeltungsklausel für wechselseitige finanzielle Ansprüche ua. die Verpflichtung der Beklagten, bis zum Vertragsende die vereinbarte Vergütung zu zahlen und ein qualifiziertes Arbeitszeugnis zu erteilen. Nach einer etwa zehnminütigen Pause, in der die drei anwesenden Personen schweigend am Tisch saßen, unterzeichnete die Klägerin den angebotenen Aufhebungsvertrag. Die weiteren Einzelheiten zum Verlauf des Gesprächs sind streitig geblieben. 4 Die Klägerin focht den Aufhebungsvertrag mit Schreiben vom 29. November 2019 wegen widerrechtlicher Drohung an. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis vorsorglich mit Schreiben vom 4. Dezember 2019 außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum nächstzulässigen Termin. 5 Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis sei durch den Aufhebungsvertrag nicht beendet worden. Sie hat behauptet, in dem Gespräch am 22. November 2019 sei ihr für den Fall der Nichtunterzeichnung des Aufhebungsvertrags die Erklärung einer außerordentlichen Kündigung sowie die Erstattung einer Strafanzeige angedroht worden. Ihrer Bitte, eine längere Bedenkzeit zu erhalten und Rechtsrat einholen zu können, habe die Beklagte nicht entsprochen. Vielmehr habe der spätere Prozessbevollmächtigte der Beklagten erklärt, dass dann, wenn sie durch die Tür gehe, auch wenn sie nur die Toilette aufsuchen wolle, der Abschluss des Aufhebungsvertrags nicht mehr in Betracht komme. Vor diesem Hintergrund habe sie sich dazu bestimmen lassen, den Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen. Die ihr gegenüber erhobenen Vorwürfe seien unzutreffend. Sie habe keine unzulässigen Eingriffe in das EDV-System der Beklagten vorgenommen. 6 Die Klägerin hat beantragt,          1.     festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis über den 30. November 2019 hinaus fortbesteht;          2.     hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 4. Dezember 2019, zugegangen am 7. Dezember 2019, weder fristlos noch ordentlich beendet worden ist oder beendet wird. 7 Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. 8 Sie hat die Auffassung vertreten, der Aufhebungsvertrag habe das Arbeitsverhältnis zum 30. November 2019 beendet. Die Klägerin habe unberechtigt Einkaufspreise in der EDV der Beklagten verändert, um so einen Deckungsbeitrag vorzutäuschen, den sie tatsächlich durch ihre Vertriebsaktivitäten nicht erzielt habe. Im Gespräch am 22. November 2019 sei der Klägerin nicht mit einer Strafanzeige oder Kündigung gedroht worden. Sie habe auch nicht nach einem Rechtsanwalt verlangt. 9 Das Arbeitsgericht hat den Klageanträgen stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts auf die Berufung der Beklagten abgeändert und den Klageantrag zu 1. abgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Entscheidungsgründe 10 Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat aufgrund des Aufhebungsvertrags vom 22. November 2019 mit dem Ablauf des 30. November 2019 einvernehmlich sein Ende gefunden und besteht folglich nicht darüber hinaus fort. Der Aufhebungsvertrag ist weder gemäß § 142 Abs. 1 iVm. § 123 Abs. 1 Alt. 2 BGB von Anfang an nichtig noch ist er gemäß § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2 Nr. 1 iVm. § 241 Abs. 2, § 249 Abs. 1 BGB unter Verletzung des Gebots fairen Verhandelns zustande gekommen und deshalb unwirksam. Das hat das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler erkannt. 11 I. Die Klägerin hat ihre auf den Abschluss des Aufhebungsvertrags gerichtete Willenserklärung nicht wirksam wegen widerrechtlicher Drohung nach § 123 Abs. 1 Alt. 2 BGB mit Wirkung ex tunc (§ 142 Abs. 1 BGB) angefochten. Dabei kann zu Gunsten der Klägerin unterstellt werden, dass die Vertreter der Beklagten ihr in dem Gespräch am 22. November 2019 mit der Erklärung einer außerordentlichen Kündigung und der Erstattung einer Strafanzeige gedroht haben. Diese Drohungen wären jedenfalls nicht widerrechtlich gewesen. 12 1. Gemäß § 123 Abs. 1 BGB kann derjenige, der widerrechtlich durch Drohung zur Abgabe einer Willenserklärung bestimmt worden ist, die Willenserklärung mit der Nichtigkeitsfolge des § 142 Abs. 1 BGB anfechten. 13 a) Eine Drohung iSd. § 123 Abs. 1 BGB setzt die Ankündigung eines zukünftigen Übels voraus, dessen Zufügung in irgendeiner Weise als von der Macht des Ankündigenden abhängig dargestellt wird. Der Bedrohte muss einer Zwangslage ausgesetzt sein, die ihm subjektiv das Gefühl gibt, sich nur noch zwischen zwei Übeln entscheiden zu können. Die Widerrechtlichkeit der Drohung kann sich aus der Widerrechtlichkeit des eingesetzten Mittels oder des verfolgten Zwecks ergeben. Bedient sich der Drohende zwar an sich erlaubter Mittel zur Verfolgung eines an sich nicht verbotenen Zwecks, kann sich die Widerrechtlichkeit aus der Inadäquanz, dh. der Unangemessenheit des gewählten Mittels im Verhältnis zum verfolgten Zweck ergeben. Hat der Drohende an der Erreichung des verfolgten Zwecks kein berechtigtes Interesse oder ist die Drohung nach Treu und Glauben nicht mehr als angemessenes Mittel zur Erreichung dieses Zwecks anzusehen, ist die Drohung ebenfalls rechtswidrig (vgl. etwa BAG 21. April 2016 – 8 AZR 474/14 – Rn. 52 mwN; 13. Dezember 2007 – 6 AZR 200/07 – Rn. 18 mwN). 14 b) Die Drohung mit einer (außerordentlichen) Kündigung ist dann widerrechtlich, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte (vgl. etwa BAG 21. April 2016 – 8 AZR 474/14 – Rn. 54 mwN). Nicht erforderlich ist allerdings, dass die angedrohte Kündigung, wenn sie erklärt worden wäre, sich in einem Kündigungsschutzprozess als rechtsbeständig erwiesen hätte. Von einem verständigen Arbeitgeber kann nicht generell verlangt werden, dass er bei seiner Abwägung die Beurteilung des Tatsachengerichts „trifft“ (BAG 28. November 2007 – 6 AZR 1108/06 – Rn. 48, BAGE 125, 70). Nur wenn er unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls davon ausgehen muss, die angedrohte Kündigung werde im Falle ihrer Erklärung einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht standhalten, darf er sie nicht in Aussicht stellen, um damit den Arbeitnehmer zum Abschluss einer Beendigungsvereinbarung zu veranlassen (vgl. BAG 21. April 2016 – 8 AZR 474/14 – Rn. 54 mwN; 28. November 2007 – 6 AZR 1108/06 – Rn. 48, aaO). Dem entspricht im Ergebnis die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Danach ist die Drohung mit einer Kündigung widerrechtlich, wenn der Drohende selbst nicht an seine Berechtigung glaubt oder sein Rechtsstandpunkt nicht mehr vertretbar ist (vgl. BGH 19. April 2005 – X ZR 15/04 – zu II 6 a der Gründe). 15 c) Die Drohung mit einer Strafanzeige ist rechtmäßig, wenn sie nur dazu dient, den Täter zur Wiedergutmachung des Schadens zu veranlassen. Eine solche Drohung ist nicht widerrechtlich, da das Mittel, also das angedrohte Verhalten und der Zweck, die Schadenswiedergutmachung, nicht, auch nicht in der Mittel-Zweck-Relation, widerrechtlich sind (BAG 21. April 2016 – 8 AZR 474/14 – Rn. 53). Auch hier ist darauf abzustellen, ob ein verständiger Arbeitgeber die Erstattung einer Strafanzeige ernsthaft in Erwägung gezogen hätte (vgl. BAG 30. Januar 1986 – 2 AZR 196/85 – zu B I 4 b bb der Gründe). 16 2. Diese Grundsätze gelten entgegen der Annahme der Revision auch dann, wenn die Drohung mit einer Kündigung durch den Arbeitgeber in Gegenwart seines Rechtsanwalts oder durch diesen Rechtsanwalt selbst erfolgt. Auch in diesem Fall ist auf die Sicht eines verständigen Arbeitgebers abzustellen. 17 a) Da ein Anfechtungsprozess nicht wie ein fiktiver Kündigungsschutzprozess behandelt werden darf, braucht die Rechtsgewissheit, die sich erst mit dem Abschluss eines Rechtsstreits über die Wirksamkeit der Kündigung ergibt, zur Zeit der Drohung noch nicht vorgelegen zu haben. Es ist daher nicht erforderlich, dass die angedrohte Kündigung, wenn sie tatsächlich vorgenommen worden wäre, nach der objektiven Rechtslage wirksam gewesen wäre (BAG 24. Januar 1985 – 2 AZR 317/84 – zu III 1 der Gründe; vgl. schon BAG 20. November 1969 – 2 AZR 51/69 – zu I der Gründe). Die Widerrechtlichkeit der Mittel-Zweck-Relation liegt darum erst dann vor, wenn der – objektiviert gesehene – verständige Arbeitgeber die Verknüpfung von Drohung und Ziel missbilligt (so bereits BAG 20. November 1969 – 2 AZR 51/69 – zu I der Gründe). 18 b) Das gilt auch im Falle der Beteiligung eines Rechtsanwalts auf Seiten des Arbeitgebers. Dessen Beauftragung ermöglicht nur eine fachkundigere Beurteilung der Rechtslage durch den Arbeitgeber, sie verändert aber nicht den Prüfungsmaßstab. Dementsprechend hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts in einem Fall, in dem der Arbeitnehmer eine „Kündigungsschutzklageverzichtserklärung“ im Beisein des Prozessbevollmächtigten des Arbeitgebers abgegeben und diese im Nachgang angefochten hat, die Widerrechtlichkeit der Drohung am Maßstab des verständigen Arbeitgebers geprüft (vgl. BAG 27. November 2003 – 2 AZR 135/03 – zu B I 2 a der Gründe, BAGE 109, 22). Ebenso ist der erkennende Senat in einem Fall vorgegangen, in dem ein angestellter Rechtsanwalt einen Aufhebungsvertrag mit der anstellenden Rechtsanwaltsgesellschaft geschlossen und diesen angefochten hat (BAG 28. November 2007 – 6 AZR 1108/06 – Rn. 2, 47 ff., BAGE 125, 70). 19 3. Dem Tatsachengericht steht bei der Würdigung des festgestellten Sachverhalts unter dem Gesichtspunkt der von einem verständigen Arbeitgeber anzustellenden Erwägungen ebenso wie bei der Anwendung der unbestimmten Rechtsbegriffe „wichtiger Grund“ (§ 626 Abs. 1 BGB) und „sozial gerechtfertigt“ (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG) ein Beurteilungsspielraum zu. Das Revisionsgericht kann nur prüfen, ob das Tatsachengericht ohne Verstoß gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze alle wesentlichen Umstände des Einzelfalls berücksichtigt hat (BAG 28. November 2007 – 6 AZR 1108/06 – Rn. 49, BAGE 125, 70). Der Beurteilungsspielraum des Tatsachengerichts umfasst insbesondere die Frage, ob eine Kündigung unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls die mildeste angemessene Reaktion auf ein pflichtwidriges Verhalten des Arbeitnehmers gewesen wäre oder ob zum Beispiel unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit auch eine Abmahnung noch ausreichend gewesen wäre (BAG 15. Dezember 2005 – 6 AZR 197/05 – Rn. 25). 20 4. Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die angefochtene Entscheidung stand. Das Landesarbeitsgericht hat seiner Entscheidung die dargestellten Grundsätze der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Widerrechtlichkeit einer Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung bzw. einer Strafanzeige zugrunde gelegt. Dabei hat es seinen Beurteilungsspielraum nicht überschritten, indem es angenommen hat, ein verständiger Arbeitgeber hätte solche Maßnahmen in Betracht gezogen. Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts habe die Beklagte davon ausgehen können, dass die Klägerin Vertragspflichten dadurch in schwerwiegender Weise verletzt habe, dass sie Verkäufe zu einem unangemessen niedrigen Preis durch Herabsetzung des im EDV-System hinterlegten Einkaufspreises zu vertuschen versucht habe. Angesichts der Schwere der Pflichtverletzung hätte ein verständiger Arbeitgeber nicht zunächst eine Abmahnung in Betracht gezogen. Die Beklagte habe von der Einhaltung der Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB ausgehen dürfen. Auch die Annahme, ein verständiger Arbeitgeber habe von dem Vorliegen von im unmittelbaren inneren Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis begangenen Straftaten ausgehen dürfen, hält sich im Rahmen des dem Landesarbeitsgericht zustehenden Beurteilungsspielraums. Dass das Landesarbeitsgericht bei seiner Sachverhaltswürdigung gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen bzw. nicht alle wesentlichen Umstände des Einzelfalls berücksichtigt hat, ist nach alledem nicht ersichtlich und rügt die Revision selbst nicht. Die von ihr erhobenen Verfahrensrügen rechtfertigen keine abweichende Beurteilung. Diese setzen voraus, dass die Widerrechtlichkeit der Drohung nicht am Maßstab des verständigen Arbeitgebers, sondern nur anhand der objektiven Rechtslage zu prüfen ist. Sie sind daher nicht entscheidungserheblich. 21 II. Der Aufhebungsvertrag ist nicht wegen eines Verstoßes gegen das Gebot fairen Verhandelns gemäß § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2 Nr. 1 iVm. § 241 Abs. 2, § 249 Abs. 1 BGB unwirksam. 22 1. Das Gebot fairen Verhandelns ist eine durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen begründete Nebenpflicht iSd. § 311 Abs. 2 Nr. 1 iVm. § 241 Abs. 2 BGB (BAG 7. Februar 2019 – 6 AZR 75/18 – Rn. 31, BAGE 165, 315). § 241 Abs. 2 BGB schützt mit den „Interessen“ nach dem Willen des Gesetzgebers ausdrücklich auch die Entscheidungsfreiheit des Vertragspartners (BT-Drs. 14/6040 S. 126). Die Bestimmung trägt so dem Gebot Rechnung, unzulässiger Fremdbestimmung bei der Willensbildung in der vorkonsensualen Phase wirksam zu begegnen. Das Gebot fairen Verhandelns wird missachtet, wenn die Entscheidungsfreiheit des Vertragspartners in zu missbilligender Weise beeinflusst wird. Bei Verhandlungen über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags kann eine Seite gegen ihre Verpflichtungen aus § 241 Abs. 2 BGB verstoßen, wenn sie eine Verhandlungssituation herbeiführt oder ausnutzt, die eine unfaire Behandlung des Vertragspartners darstellt. Dabei geht es nicht um das Erfordernis der Schaffung einer für den Vertragspartner besonders angenehmen Verhandlungssituation, sondern um das Gebot eines Mindestmaßes an Fairness im Vorfeld des Vertragsschlusses (BAG 7. Februar 2019 – 6 AZR 75/18 – Rn. 34, aaO). § 241 Abs. 2 BGB zwingt nicht zu einer Verleugnung der eigenen Interessen, sondern nur zu einer angemessenen Berücksichtigung der Interessen der Gegenseite, indem er unfaire Verhandlungen missbilligt (BAG 7. Februar 2019 – 6 AZR 75/18 – Rn. 33, aaO; im Schrifttum wird deswegen teilweise der Begriff des Verbots unfairen Verhandelns bevorzugt, vgl. Fischinger Anm. NZA-RR 2021, 531, 537; so bereits Reinecke FS Düwell 2011 S. 410). 23 2. Im Ergebnis schützt das Gebot fairen Verhandelns nicht den Inhalt des Vertrags, sondern den Weg zum Vertragsschluss (BAG 7. Februar 2019 – 6 AZR 75/18 – Rn. 42, BAGE 165, 315) und unterscheidet sich dadurch von der Sittenwidrigkeitskontrolle des § 138 BGB. Nach dieser Norm ist ein Rechtsgeschäft zwar auch dann nichtig, wenn es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden (inhaltlichen) Gesamtcharakter mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren ist (BGH 11. September 2018 – XI ZR 380/16 – Rn. 10; vgl. zur sog. Umstandssittenwidrigkeit BGH 2. Februar 2012 – III ZR 60/11 – Rn. 20). Das Gebot fairen Verhandelns bezieht sich demgegenüber unabhängig vom Inhalt des Aufhebungsvertrags, zum Beispiel der Frage, ob eine Abfindungszahlung vereinbart ist, nur auf die den Vertragsschluss vorbereitenden Verhandlungen. § 138 BGB verdrängt daher einen Anspruch wegen Verletzung des Gebots fairen Verhandelns nicht im Sinne einer Spezialität und ist auch nicht vorrangig zu prüfen. Beide stehen vielmehr selbstständig nebeneinander (vgl. Plum MDR 2020, 69, 70; Schmidt Anm. AP BGB § 620 Aufhebungsvertrag Nr. 50; insoweit zustimmend auch Kamanabrou RdA 2020, 201, 206; kritisch: Fischinger NZA 2019, 729, 730; Holler NJW 2019, 2206, 2210; Bauer/Romero ZfA 2019, 609, 614; Adam Anm. EzA BGB 2002 § 312 Nr. 4). 24 3. Der Senat hat ausgehend von diesem Ansatz eine Verhandlungssituation erst dann als unfair bewertet, wenn eine psychische Drucksituation geschaffen oder ausgenutzt wird, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners erheblich erschwert oder sogar unmöglich macht. 25 a) Ob ein solcher Ausnahmefall vorliegt, ist stets anhand der Gesamtumstände der konkreten Verhandlungssituation im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden und von einer bloßen Vertragsreue abzugrenzen (BAG 7. Februar 2019 – 6 AZR 75/18 – Rn. 34, BAGE 165, 315). Dem Berufungsgericht kommt bei der Prüfung, ob eine Vertragspartei ihre Pflichten aus § 311 Abs. 2 Nr. 1 iVm. § 241 Abs. 2 BGB verletzt hat, ein Beurteilungsspielraum zu. Seine Würdigung wird in der Revisionsinstanz lediglich daraufhin geprüft, ob es von den zutreffenden Rechtssätzen ausgegangen ist, bei der Unterordnung des Sachverhalts unter diese keine Denkgesetze oder allgemeinen Erfahrungssätze verletzt und alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (vgl. BAG 16. Dezember 2021 – 2 AZR 356/21 – Rn. 13). 26 b) Als tatsächliche Umstände, die das Gebot fairen Verhandelns verletzen, kommen jedenfalls besonders unangenehme Rahmenbedingungen in Betracht (BAG 7. Februar 2019 – 6 AZR 75/18 – Rn. 34, BAGE 165, 315). So verhält es sich beispielsweise, wenn der Arbeitnehmer unter einem anderen Vorwand in das Zimmer des Vorgesetzten gebeten wird, um ihn dort mehrere Stunden in einer kreuzverhörähnlichen und von Außenkontakten isolierten Situation so lange festzuhalten, bis er den Aufhebungsvertrag unterzeichnet (vgl. die Konstellation bei Thüringer LAG 10. September 1998 – 5 Sa 104/97 -). Vom Arbeitgeber an dem Verhalten des Arbeitnehmers geäußerte Kritik und eine daraufhin eintretende Betroffenheit des Arbeitnehmers genügen jedoch für sich genommen noch nicht, um von einer rechtlich zu missbilligenden Einschränkung der Entscheidungsfreiheit des Arbeitnehmers auszugehen (aA LAG Mecklenburg-Vorpommern 19. Mai 2020 – 5 Sa 173/19 – juris-Rn. 34). Anders verhält es sich bei der Ausnutzung einer objektiv erkennbaren körperlichen oder psychischen Schwäche oder unzureichender Sprachkenntnisse. Der Arbeitgeber ist allerdings nicht gehalten, ohne Vorliegen objektiver Anhaltspunkte von sich aus besondere Vorkehrungen im Hinblick auf die freie Entscheidungsfähigkeit des Arbeitnehmers zu treffen und diesen bspw. nach einer etwaigen Medikamenteneinnahme zu befragen. Dies auch dann nicht, wenn die Verhandlungen über einen Aufhebungsvertrag während einer längeren Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers erfolgen (so zutreffend Hessisches LAG 11. Juni 2021 – 10 Sa 1221/20 – zu II 2 b der Gründe). Die Nutzung eines Überraschungsmoments kann zu berücksichtigen sein (Überrumpelung). Eine rechtlich zu missbilligende Einschränkung der Entscheidungsfreiheit ist jedoch nicht allein deswegen gegeben, weil der eine Auflösungsvereinbarung anstrebende Arbeitgeber dem Arbeitnehmer kein Rücktritts- oder Widerrufsrecht einräumt. Auch eine Ankündigung des Unterbreitens einer Aufhebungsvereinbarung ist nicht erforderlich (BAG 7. Februar 2019 – 6 AZR 75/18 – Rn. 34, aaO). 27 4. Der Arbeitgeber verletzt seine Pflichten aus § 311 Abs. 2 Nr. 1 iVm. § 241 Abs. 2 BGB entgegen der Auffassung der Revision auch nicht dadurch, dass er sein Aufhebungsvertragsangebot entsprechend § 147 Abs. 1 Satz 1 BGB nur zur sofortigen Annahme unterbreitet und der Arbeitnehmer über die Annahme deswegen sofort entscheiden muss (vgl. BAG 7. Februar 2019 – 6 AZR 75/18 – Rn. 34, BAGE 165, 315; 14. Februar 1996 – 2 AZR 234/95 – zu II 2 der Gründe). 28 a) Für den Inhalt des Gebots fairen Verhandelns ist entscheidend, dass diese Nebenpflicht – wie dargelegt – die Entscheidungsfreiheit des Vertragspartners als Interesse iSd. § 241 Abs. 2 BGB schützt. Dieser soll „Herr“ über seine Entscheidung sein und bleiben. Erst wenn dies nicht mehr gegeben ist, kann eine Verhandlungssituation als unfair bezeichnet werden. Muss der Arbeitnehmer bei objektivierter Betrachtung davon ausgehen, dass ihm nur noch eine Option – nämlich die der Unterschrift unter den Aufhebungsvertrag – verbleibt, um sich der Verhandlungssituation zu entziehen, ist seine Entscheidungsfreiheit unfair beeinträchtigt. Führt der Arbeitgeber eine solche Situation herbei oder nutzt er eine solche von ihm vorgefundene Situation aus, verletzt er die Entscheidungsfreiheit des Arbeitnehmers zurechenbar und schuldhaft (§ 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 276 BGB). 29 b) Eine solche Konstellation ist abzugrenzen von der Situation, in der der Arbeitgeber ein nur „Jetzt und Heute“ anzunehmendes Angebot (vgl. BAG 27. November 2003 – 2 AZR 135/03 – zu B II 3 b cc (4) der Gründe, BAGE 109, 22) unterbreitet. Damit entspricht er dem gesetzlichen Leitbild, wonach ein unter Anwesenden unterbreitetes Angebot grundsätzlich nur sofort angenommen werden kann (§ 147 Abs. 1 Satz 1 BGB). Hier verbleibt dem Arbeitnehmer die Freiheit zu entscheiden, dieses Angebot nicht anzunehmen und die Situation durch ein schlichtes „Nein“ zu beenden. Dass dies nur um den Preis des Verlustes des Aufhebungsvertragsangebots möglich ist, stellt sich dann nicht als unfair dar, sondern ist ein im Rahmen von Vertragsverhandlungen zulässiger Druck, mit dem der Arbeitgeber auf legitime Weise versucht, sein Verhandlungsziel zu erreichen. Ausgehend von diesen Überlegungen stellt es auch kein unfaires Verhandeln dar, wenn der Arbeitgeber der Bitte des Arbeitnehmers nach Einräumung einer (weiteren) Bedenkzeit (vgl. BAG 7. Februar 2019 – 6 AZR 75/18 – Rn. 34, BAGE 165, 315; 14. Februar 1996 – 2 AZR 234/95 – zu II 2 der Gründe) und/oder Einholung eines Rechtsrates nicht nachkommt, sondern sein Aufhebungsvertragsangebot nur zur sofortigen Annahme unterbreitet und dem Arbeitnehmer zu verstehen gibt, dass er es nicht mehr aufrechterhält, wenn der Arbeitnehmer den Raum verlässt. Einer solchen Situation kann sich der Arbeitnehmer ebenfalls durch ein schlichtes „Nein“ entziehen. Insofern unterscheidet sich die Situation auch von der einer einseitig vom Arbeitgeber erklärbaren Verdachtskündigung, zu deren Voraussetzungen die Anhörung des Arbeitnehmers gehört. Bittet der Arbeitnehmer im Rahmen einer solchen Anhörung um Hinzuziehung eines Rechtsanwalts, so hat der Arbeitgeber dem nachzukommen (vgl. BAG 12. Februar 2015 – 6 AZR 845/13 – Rn. 62, BAGE 151, 1; 24. Mai 2012 – 2 AZR 206/11 – Rn. 36; 13. März 2008 – 2 AZR 961/06 – Rn. 18). 30 5. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen, dass die Beklagte, den Sachvortrag der Klägerin als zutreffend unterstellt, den Aufhebungsvertrag am 22. November 2019 nicht unfair verhandelt hat. Ein Verstoß gegen § 311 Abs. 2 Nr. 1 iVm. § 241 Abs. 2 BGB liegt nicht vor. 31 a) Nach den Behauptungen der Klägerin ist ihr zu Beginn des Gesprächs mitgeteilt worden, dass sie zwischen zwei Optionen – außerordentliche Kündigung oder Aufhebungsvertrag – wählen könne. Sie sei bemüht gewesen, zu den Vorhaltungen Stellung zu nehmen. Ihrer Bitte nach weiterer Bedenkzeit – eine etwa zehnminütige Gesprächspause vor Vertragsunterzeichnung ist nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts unstreitig – und Rechtsbeistand sei nicht entsprochen worden. Der Rechtsanwalt der Beklagten habe erklärt, wenn sie durch die Tür gehe, sei der Aufhebungsvertrag „vom Tisch“. Damit ist der Klägerin nicht seitens der Beklagten bedeutet worden, dass nur der Abschluss des Aufhebungsvertrags in Betracht komme. Die Beklagte hat keine Situation geschaffen oder ausgenutzt, derer sich die Klägerin nur durch Unterzeichnung des Aufhebungsvertrags entziehen konnte. Die Klägerin hätte ohne Beeinträchtigung ihrer Willensfreiheit das Gespräch auch beenden und den Raum verlassen können. Dass dann der Abschluss des Aufhebungsvertrags ausgeschlossen gewesen wäre, ist gesetzliche Folge des § 147 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Beklagte durfte ihr Angebot zur sofortigen Annahme unterbreiten. Der dadurch auf die Klägerin aufgebaute Druck ist nicht unfair, sondern hält sich im Rahmen des nach § 241 Abs. 2 BGB Zulässigen. Eine Leugnung der eigenen Interessen um der Durchsetzung der Interessen der Klägerin willen verlangt diese Norm von der Beklagten nicht. Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass der Rechtsanwalt der Beklagten, das diesbezügliche Vorbringen der Klägerin als wahr unterstellt, das Aufhebungsvertragsangebot auch für den Fall nicht länger aufrecht erhielt, dass die Klägerin zur Toilette ginge. Die Klägerin hat selbst nicht behauptet, einen solchen Wunsch geäußert zu haben. 32 b) Die Beklagte hat § 311 Abs. 2 Nr. 1 iVm. § 241 Abs. 2 BGB auch nicht dadurch verletzt, dass sie nach dem als zutreffend unterstellten Vorbringen der Klägerin als Alternative für den Fall des Nichtabschlusses des Aufhebungsvertrags die Erklärung einer außerordentlichen Kündigung bzw. die Erstattung einer Strafanzeige in Aussicht gestellt hat. Das Landesarbeitsgericht geht zutreffend davon aus, dass eine Drohung iSv. § 123 Abs. 1 Alt. 2 BGB, die mangels Widerrechtlichkeit nicht zur Anfechtbarkeit des Vertrags führt, bei der im Rahmen des Gebots fairen Verhandelns vorzunehmenden Bewertung der konkreten Situation nicht als Pflichtverletzung angesehen werden kann (so auch Fischinger Anm. NZA-RR 2021, 531, 538; Gaul/Breuer NZA-Beilage 2021, 29, 30 f.). Fehlt einer Drohung das Merkmal der Widerrechtlichkeit, wird sie von der Rechtsordnung im Rahmen des § 123 Abs. 1 Alt. 2 BGB als zulässig erachtet. Das Gleiche gilt zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen im Hinblick auf das Vorliegen einer Pflichtverletzung iSd. § 311 Abs. 2 Nr. 1 iVm. § 241 Abs. 2 BGB. 33 III. Der nur für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu 1. gestellte Kündigungsschutzantrag fiel dem Senat mangels Bedingungseintritt nicht zur Entscheidung an. 34 IV. Die Klägerin hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.              Krumbiegel                  Wemheuer                  Heinkel                                    Der ehrenamtliche Richter Knauß ist an der Unterschriftsleistung verhindert.Krumbiegel                  Augat" bag_9-22,24.02.2022,"24.02.2022 9/22 - Persönliche Assistenz für Menschen mit Behinderungen - Diskriminierung wegen des Alters? Die Parteien streiten über die Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG*. Die Beklagte ist ein Assistenzdienst. Sie bietet Menschen mit Behinderungen Beratung, Unterstützung sowie Assistenzleistungen in verschiedenen Bereichen des Lebens (sog. Persönliche Assistenz) an. Assistenzleistungen nach § 78 SGB IX werden für Menschen mit Behinderungen zur selbstbestimmten und eigenständigen Bewältigung des Alltags einschließlich der Tagesstrukturierung erbracht. Sie umfassen insbesondere Leistungen für die allgemeinen Erledigungen des Alltags wie die Haushaltsführung, die Gestaltung sozialer Beziehungen, die persönliche Lebensplanung, die Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben, die Freizeitgestaltung einschließlich sportlicher Aktivitäten sowie die Sicherstellung der Wirksamkeit der ärztlichen und ärztlich verordneten Leistungen. Sie beinhalten die Verständigung mit der Umwelt in diesen Bereichen. Assistenzleistungen, die oft von mehreren Personen in Schichten, teilweise rund um die Uhr, geleistet werden, können von einem Assistenz- oder Pflegedienst erbracht oder durch die leistungsberechtigte assistenznehmende Person – im sog. Arbeitgebermodell – selbst organisiert werden. Die Kosten werden in beiden Fällen vom zuständigen öffentlich-rechtlichen Leistungs-/Kostenträger getragen. Ausweislich des von der Beklagten im Juli 2018 veröffentlichten Stellenangebots suchte eine 28jährige Studentin „weibliche Assistentinnen“ in allen Lebensbereichen des Alltags, die „am besten zwischen 18 und 30 Jahre alt sein“ sollten. Die im März 1968 geborene Klägerin bewarb sich am 5. August 2018 ohne Erfolg auf diese Stellenausschreibung. Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Beklagte auf Zahlung einer Entschädigung in Anspruch genommen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe sie im Bewerbungsverfahren entgegen den Vorgaben des AGG wegen ihres Alters benachteiligt und sei ihr deshalb nach § 15 Abs. 2 AGG zur Zahlung einer Entschädigung verpflichtet. Die ausdrücklich an Assistentinnen im Alter „zwischen 18 und 30“ Jahren gerichtete Stellenausschreibung der Beklagten begründe die Vermutung, dass sie, die Klägerin bei der Stellenbesetzung wegen ihres – höheren – Alters nicht berücksichtigt und damit wegen ihres Alters diskriminiert worden sei. Die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters sei bei Leistungen der Assistenz nach § 78 SGB IX unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gerechtfertigt. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, die Ungleichbehandlung wegen des Alters sei nach dem AGG gerechtfertigt. Bei der Beurteilung einer etwaigen Rechtfertigung seien nicht nur die Bestimmungen des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK), sondern auch zu berücksichtigen, dass die eine persönliche Assistenz in Anspruch nehmenden Leistungsberechtigten nach § 8 Abs. 1 SGB IX** ein Wunsch- und Wahlrecht auch im Hinblick auf das Alter der Assistenten/innen hätten. Nur so sei eine selbstbestimmte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zu erreichen. Das Arbeitsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage vollständig abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Zahlung einer Entschädigung weiter. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision. Da die Entscheidung des Rechtsstreits davon abhängt, ob die durch die Stellenausschreibung bewirkte unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters nach den Bestimmungen des AGG gerechtfertigt ist und sich im Hinblick auf die Auslegung dieser Bestimmungen in Übereinstimmung mit den Vorgaben der Richtlinie 2000/78/EG Fragen der Auslegung von Unionsrecht stellen, ersucht der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts den Gerichtshof der Europäischen Union, die folgende Frage zu beantworten: Können Art. 4 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 7 und/oder Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie 2000/78/EG – im Licht der Vorgaben der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Charta) sowie im Licht von Art. 19 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK) – dahin ausgelegt werden, dass in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters gerechtfertigt werden kann? Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 24. Februar 2022 – 8 AZR 208/21 (A) – Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 27. Mai 2020 – 11 Sa 284/19 – *§ 15 AGG (1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. … (2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. **§ 8 Abs. 1 SGB IX Bei der Entscheidung über die Leistungen und bei der Ausführung der Leistungen zur Teilhabe wird berechtigten Wünschen des Leistungsberechtigten entsprochen. Dabei wird auch auf die persönliche Lebenssituation, das Alter, das Geschlecht, die Familie sowie die religiösen und weltanschaulichen Bedürfnisse der Leistungsberechtigten Rücksicht genommen; …","Tenor I. Der Gerichtshof der Europäischen Union wird gemäß Art. 267 AEUV um Vorabentscheidung über die Frage ersucht: Können Art. 4 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 7 und/oder Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie 2000/78/EG – im Licht der Vorgaben der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Charta) sowie im Licht von Art. 19 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK) – dahin ausgelegt werden, dass in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters gerechtfertigt werden kann? II. Das Revisionsverfahren wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über das Vorabentscheidungsersuchen ausgesetzt. Leitsatz Der Gerichtshof der Europäischen Union wird gemäß Art. 267 AEUV um Vorabentscheidung über die Frage ersucht: Können Art. 4 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 7 und/oder Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie 2000/78/EG – im Licht der Vorgaben der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Charta) sowie im Licht von Art. 19 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK) – dahin ausgelegt werden, dass in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters gerechtfertigt werden kann? Entscheidungsgründe 1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 7 und Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie 2000/78/EG im Licht von Art. 19 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (im Folgenden UN-BRK) sowie im Licht der Vorgaben der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden Charta). 2 Das Vorabentscheidungsersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Klägerin und einem Assistenzdienst, der Menschen mit Behinderung Beratung, Unterstützung und Leistungserbringung anbietet (im Folgenden Beklagte). Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin wegen einer Benachteiligung wegen ihres Alters im Rahmen eines Stellenbesetzungsverfahrens eine Entschädigung zu zahlen. A. Rechtlicher Rahmen I. Völkerrecht 3 In der UN-BRK heißt es auszugsweise:          „Präambel          Die Vertragsstaaten dieses Übereinkommens –          …                 c) bekräftigend, dass alle Menschenrechte und Grundfreiheiten allgemein gültig und unteilbar sind, einander bedingen und miteinander verknüpft sind und dass Menschen mit Behinderungen der volle Genuss dieser Rechte und Freiheiten ohne Diskriminierung garantiert werden muss,          …                 h) ebenso in der Erkenntnis, dass jede Diskriminierung aufgrund von Behinderung eine Verletzung der Würde und des Wertes darstellt, die jedem Menschen innewohnen,          …                 j) in Anerkennung der Notwendigkeit, die Menschenrechte aller Menschen mit Behinderungen, einschließlich derjenigen, die intensivere Unterstützung benötigen, zu fördern und zu schützen,          …                 n) in der Erkenntnis, wie wichtig die individuelle Autonomie und Unabhängigkeit für Menschen mit Behinderungen ist, einschließlich der Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen,          …                                   haben Folgendes vereinbart:                            Artikel 1          Zweck           Zweck dieses Übereinkommens ist es, den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten und die Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu fördern.                            …                                   Artikel 3          Allgemeine Grundsätze          Die Grundsätze dieses Übereinkommens sind:          a)     die Achtung der dem Menschen innewohnenden Würde, seiner individuellen Autonomie, einschließlich der Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen, sowie seiner Unabhängigkeit;          b)     die Nichtdiskriminierung;          c)     die volle und wirksame Teilhabe an der Gesellschaft und Einbeziehung in die Gesellschaft;          d)     die Achtung vor der Unterschiedlichkeit von Menschen mit Behinderungen und die Akzeptanz dieser Menschen als Teil der menschlichen Vielfalt und der Menschheit;          …                                   Artikel 5          Gleichberechtigung und Nichtdiskriminierung          (1) Die Vertragsstaaten anerkennen, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, vom Gesetz gleich zu behandeln sind und ohne Diskriminierung Anspruch auf gleichen Schutz durch das Gesetz und gleiche Vorteile durch das Gesetz haben.          …                 (4) Besondere Maßnahmen, die zur Beschleunigung oder Herbeiführung der tatsächlichen Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderungen erforderlich sind, gelten nicht als Diskriminierung im Sinne dieses Übereinkommens.          …                                   Artikel 12          Gleiche Anerkennung vor dem Recht          …                 (2) Die Vertragsstaaten anerkennen, dass Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen gleichberechtigt mit anderen Rechts- und Handlungsfähigkeit genießen.          …                                   Artikel 19          Unabhängige Lebensführung und Einbeziehung in die Gemeinschaft          Die Vertragsstaaten dieses Übereinkommens anerkennen das gleiche Recht aller Menschen mit Behinderungen, mit gleichen Wahlmöglichkeiten wie andere Menschen in der Gemeinschaft zu leben, und treffen wirksame und geeignete Maßnahmen, um Menschen mit Behinderungen den vollen Genuss dieses Rechts und ihre volle Einbeziehung in die Gemeinschaft und Teilhabe an der Gemeinschaft zu erleichtern, indem sie unter anderem gewährleisten, dass          a)     Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt die Möglichkeit haben, ihren Aufenthaltsort zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben, und nicht verpflichtet sind, in besonderen Wohnformen zu leben;          b)     Menschen mit Behinderungen Zugang zu einer Reihe von gemeindenahen Unterstützungsdiensten zu Hause und in Einrichtungen sowie zu sonstigen gemeindenahen Unterstützungsdiensten haben, einschließlich der persönlichen Assistenz, die zur Unterstützung des Lebens in der Gemeinschaft und der Einbeziehung in die Gemeinschaft sowie zur Verhinderung von Isolation und Absonderung von der Gemeinschaft notwendig ist;          c)     gemeindenahe Dienstleistungen und Einrichtungen für die Allgemeinheit Menschen mit Behinderungen auf der Grundlage der Gleichberechtigung zur Verfügung stehen und ihren Bedürfnissen Rechnung tragen.“ II. Unionsrecht 4 In der Charta ist unter anderem bestimmt:          „Artikel 1          Würde des Menschen          Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie ist zu achten und zu schützen.                            …                                   Artikel 7          Achtung des Privat- und Familienlebens          Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihrer Kommunikation.          …                                   Artikel 21          Nichtdiskriminierung          (1) Diskriminierungen insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung sind verboten.          …                                   Artikel 26          Integration von Menschen mit Behinderung          Die Union anerkennt und achtet den Anspruch von Menschen mit Behinderung auf Maßnahmen zur Gewährleistung ihrer Eigenständigkeit, ihrer sozialen und beruflichen Eingliederung und ihrer Teilnahme am Leben der Gemeinschaft.“ 5 In der Richtlinie 2000/78/EG heißt es auszugsweise:          „Artikel 1                   Zweck                    Zweck dieser Richtlinie ist die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten.                                     Artikel 2          Der Begriff ‚Diskriminierung‘          …                 (5) Diese Richtlinie berührt nicht die im einzelstaatlichen Recht vorgesehenen Maßnahmen, die in einer demokratischen Gesellschaft für die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit, die Verteidigung der Ordnung und die Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit und zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind.                   …                                                     Artikel 4          Berufliche Anforderungen          (1) Ungeachtet des Artikels 2 Absätze 1 und 2 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass eine Ungleichbehandlung wegen eines Merkmals, das im Zusammenhang mit einem der in Artikel 1 genannten Diskriminierungsgründe steht, keine Diskriminierung darstellt, wenn das betreffende Merkmal aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt.                   …                                                     Artikel 5          Angemessene Vorkehrungen für Menschen mit Behinderung          Um die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Menschen mit Behinderung zu gewährleisten, sind angemessene Vorkehrungen zu treffen. …                                              Artikel 6                   Gerechtfertigte Ungleichbehandlung wegen des Alters                   (1) Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 2 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.                   Derartige Ungleichbehandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:                   a)     die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlassung und Entlohnung, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Arbeitnehmern und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen;          b)     die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile;          c)     die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung aufgrund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder aufgrund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand.          …                                                     Artikel 7                   Positive und spezifische Maßnahmen                   (1) Der Gleichbehandlungsgrundsatz hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, zur Gewährleistung der völligen Gleichstellung im Berufsleben spezifische Maßnahmen beizubehalten oder einzuführen, mit denen Benachteiligungen wegen eines in Artikel 1 genannten Diskriminierungsgrunds verhindert oder ausgeglichen werden.                   (2) Im Falle von Menschen mit Behinderung steht der Gleichbehandlungsgrundsatz weder dem Recht der Mitgliedstaaten entgegen, Bestimmungen zum Schutz der Gesundheit und der Sicherheit am Arbeitsplatz beizubehalten oder zu erlassen, noch steht er Maßnahmen entgegen, mit denen Bestimmungen oder Vorkehrungen eingeführt oder beibehalten werden sollen, die einer Eingliederung von Menschen mit Behinderung in die Arbeitswelt dienen oder diese Eingliederung fördern.“          III. Nationales Recht 6 Im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (im Folgenden GG) ist unter anderem bestimmt:          „Artikel 1          (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.          (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.          …                                   Artikel 2          (1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.          …“     7 Die einschlägigen Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (im Folgenden AGG) lauten:          „§ 1             Ziel des Gesetzes          Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.          …                 § 3               Begriffsbestimmungen          (1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. …                            § 5               Positive Maßnahmen          Ungeachtet der in den §§ 8 bis 10 … benannten Gründe ist eine unterschiedliche Behandlung auch zulässig, wenn durch geeignete und angemessene Maßnahmen bestehende Nachteile wegen eines in § 1 genannten Grundes verhindert oder ausgeglichen werden sollen.          …                 § 7               Benachteiligungsverbot          (1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; …          § 8               Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen          (1) Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 genannten Grundes ist zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist.          …                 § 10             Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters          Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein. Derartige unterschiedliche Behandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:                   1.     die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlohnung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Beschäftigten und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen,          2.     die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile,          3.     die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung auf Grund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder auf Grund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand,          …                          § 15             Entschädigung und Schadensersatz          (1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. …          (2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. …“ 8 Im Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil – (im Folgenden SGB I) heißt es auszugsweise:          „§ 33           Ausgestaltung von Rechten und Pflichten          Ist der Inhalt von Rechten oder Pflichten nach Art oder Umfang nicht im einzelnen bestimmt, sind bei ihrer Ausgestaltung die persönlichen Verhältnisse des Berechtigten oder Verpflichteten, sein Bedarf und seine Leistungsfähigkeit sowie die örtlichen Verhältnisse zu berücksichtigen, soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Dabei soll den Wünschen des Berechtigten oder Verpflichteten entsprochen werden, soweit sie angemessen sind.“ 9 Im Sozialgesetzbuch Neuntes Buch – Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen – (im Folgenden SGB IX) ist unter anderem bestimmt:          „§ 8             Wunsch- und Wahlrecht der Leistungsberechtigten          (1) Bei der Entscheidung über die Leistungen und bei der Ausführung der Leistungen zur Teilhabe wird berechtigten Wünschen der Leistungsberechtigten entsprochen. Dabei wird auch auf die persönliche Lebenssituation, das Alter, das Geschlecht, die Familie sowie die religiösen und weltanschaulichen Bedürfnisse der Leistungsberechtigten Rücksicht genommen; im Übrigen gilt § 33 des Ersten Buches. …          § 78             Assistenzleistungen          (1) Zur selbstbestimmten und eigenständigen Bewältigung des Alltages einschließlich der Tagesstrukturierung werden Leistungen für Assistenz erbracht. Sie umfassen insbesondere Leistungen für die allgemeinen Erledigungen des Alltags wie die Haushaltsführung, die Gestaltung sozialer Beziehungen, die persönliche Lebensplanung, die Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben, die Freizeitgestaltung einschließlich sportlicher Aktivitäten sowie die Sicherstellung der Wirksamkeit der ärztlichen und ärztlich verordneten Leistungen. Sie beinhalten die Verständigung mit der Umwelt in diesen Bereichen.          …“     B. Das Ausgangsverfahren 10 Die Beklagte bietet Menschen mit Behinderung unter anderem Assistenzleistungen in verschiedenen Bereichen des Lebens (sog. Persönliche Assistenz) an. Diese Leistungen werden gemäß § 78 Abs. 1 SGB IX zur selbstbestimmten und eigenständigen Bewältigung des Alltags einschließlich der Tagesstrukturierung erbracht und umfassen insbesondere Leistungen für die allgemeinen Erledigungen des Alltags wie die Haushaltsführung, die Gestaltung sozialer Beziehungen, die persönliche Lebensplanung, die Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben, die Freizeitgestaltung einschließlich sportlicher Aktivitäten. Sie beinhalten die Verständigung mit der Umwelt in diesen Bereichen. Im Einklang mit Art. 19 UN-BRK ist mit diesen Assistenzleistungen das gleiche Recht aller Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten, mit gleichen Wahlmöglichkeiten wie andere Menschen in der Gemeinschaft zu leben und dabei unter anderem die Entscheidungsmöglichkeit zu haben, wo und mit wem sie leben. Im Rahmen der Persönlichen Assistenz ist sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderung in den vollen Genuss dieses Rechts kommen und dabei ihre volle Einbeziehung in die Gemeinschaft und Teilhabe an der Gemeinschaft erleichtert wird. 11 Die Beklagte veröffentlichte im Juli 2018 ein Stellenangebot, wonach die 28-jährige Studentin A. weibliche Assistentinnen in allen Lebensbereichen des Alltags suchte, die „am besten zwischen 18 und 30 Jahre alt sein“ sollten. 12 Die im März 1968 geborene Klägerin bewarb sich auf diese Stellenausschreibung und erhielt von der Beklagten eine Absage. Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung hat die Klägerin die Beklagte mit ihrer Klage auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG in Anspruch genommen. 13 Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe sie im Bewerbungsverfahren entgegen den Vorgaben des AGG wegen ihres Alters benachteiligt und sei ihr deshalb nach § 15 Abs. 2 AGG zur Zahlung einer Entschädigung verpflichtet. Die ausdrücklich an Assistentinnen im Alter „zwischen 18 und 30 Jahren“ gerichtete Stellenausschreibung der Beklagten begründe die Vermutung, dass sie, die Klägerin, im Bewerbungsverfahren wegen ihres – höheren – Alters nicht berücksichtigt und damit diskriminiert worden sei. Die Beklagte habe diese Vermutung auch nicht widerlegt. Die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters sei im Assistenzdienst unter keinem Gesichtspunkt gerechtfertigt. Sie sei weder nach § 8 Abs. 1 AGG noch nach § 10 AGG zulässig. Ein bestimmtes Alter sei für das Vertrauensverhältnis im Assistenzdienst nicht von Relevanz; im Gegenteil, in einem Fall wie hier könne die Persönliche Assistenz durch einen Menschen mittleren Alters aufgrund größerer Lebenserfahrung erhebliche Vorteile für den behinderten Menschen haben. Bei benachteiligungsfreier Auswahlentscheidung hätte sie, die Klägerin, die Stelle erhalten müssen. Sie habe Erfahrung und sei für die ausgeschriebene Stelle bestens geeignet gewesen. 14 Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, eine etwaige Ungleichbehandlung wegen des Alters sei nach § 8 Abs. 1 AGG bzw. nach § 10 AGG gerechtfertigt. Die Assistenztätigkeit betreffe eine höchstpersönliche, allumfassende Alltagsbegleitung mit einer in der Regel ständigen und vollkommenen Abhängigkeit der assistenznehmenden Person von der Assistenzperson und ein ständiges Zusammensein. Im vorliegenden Fall sei ein bestimmtes Alter eine höchstpersönliche Voraussetzung zur Befriedigung der höchstpersönlichen Bedürfnisse der Assistenznehmerin A., damit diese adäquat am sozialen Leben als Studentin an einer Universität teilnehmen könne. 15 Beim Zugang von Menschen mit Behinderung zur Persönlichen Assistenz müsse – wie § 8 Abs. 1 SGB IX dies vorsehe – den berechtigten Wünschen und subjektiven Bedürfnissen der jeweiligen assistenznehmenden Person Rechnung getragen werden, da diese durch die Persönliche Assistenz ständig in ihrer Privat- und Intimsphäre betroffen werde. Vor diesem Hintergrund sei der berechtigte Wunsch der assistenznehmenden Person nach einem bestimmten Alter der Persönlichen Assistenz als wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung im Sinne von § 8 Abs. 1 AGG anzusehen. Nur so könne der in § 78 Abs. 1 SGB IX angeführte Zweck der Assistenzleistungen, der Ausfluss des durch das Grundgesetz geschützten Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 GG) sei, erreicht werden. Die Anforderung sei auch angemessen. Eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters sei hier auch nach § 10 AGG zulässig, da sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sei und die Mittel zur Erreichung des Ziels der Persönlichen Assistenz im Sinne von § 78 SGB IX angemessen und erforderlich seien. C. Vorbemerkungen I. Zum Ausgangspunkt des Vorabentscheidungsersuchens 16 Der Senat geht davon aus, dass eine Situation wie die des Ausgangsverfahrens grundsätzlich in den Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG fällt, da sie Auswahlkriterien für den Zugang zu Erwerbstätigkeit im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchstabe a der Richtlinie 2000/78/EG betrifft. Die Charta findet auf einen Rechtsstreit wie den des Ausgangsverfahrens Anwendung, da mit dem AGG die Richtlinie 2000/78/EG im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta im deutschen Recht durchgeführt wird und da der Rechtsstreit eine Person betrifft, die im Rahmen des Zugangs zu einer Beschäftigung eine Ungleichbehandlung wegen ihres Alters erfahren hat (vgl. auch EuGH 17. April 2018 – C-414/16, EU:C:2018:257 – [Egenberger] Rn. 49). 17 Die Klägerin ist durch die Absage der Beklagten unmittelbar benachteiligt worden im Sinne von § 3 Abs. 1 AGG sowie im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchstabe a der Richtlinie 2000/78/EG. Auch hat sie diese unmittelbare Benachteiligung wegen ihres Alters erfahren. Die Stellenausschreibung der Beklagten, mit der eine Person im Alter zwischen ungefähr 18 und 30 Jahren gesucht wurde, begründet die Vermutung, dass das Alter der Klägerin (mit)ursächlich für die Ablehnung war. Diese Vermutung hat die Beklagte nicht widerlegt. 18 Dabei geht der Senat mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs davon aus, dass sich sowohl aus dem Titel und den Erwägungsgründen als auch aus dem Inhalt und der Zielsetzung der Richtlinie 2000/78/EG ergibt, dass diese einen allgemeinen Rahmen schaffen soll, der gewährleistet, dass jeder „in Beschäftigung und Beruf“ gleichbehandelt wird, indem sie dem Betroffenen einen wirksamen Schutz vor Diskriminierungen aus einem der in ihrem Art. 1 genannten Gründe bietet (vgl. etwa EuGH 10. Februar 2022 – C-485/20, EU:C:2022:85 – [HR Rail] Rn. 26 mwN; 21. Oktober 2021 – C-824/19, EU:C:2021:862 – [Komisia za zashtita ot diskriminatsia] Rn. 35; 12. Oktober 2010 – C-499/08, EU:C:2010:600 – [Ingeniørforeningen i Danmark] Rn. 19), zu denen unter anderem das Alter zählt. Die Richtlinie 2000/78/EG konkretisiert in dem von ihr erfassten Bereich das nunmehr in Art. 21 der Charta niedergelegte allgemeine Diskriminierungsverbot (vgl. etwa EuGH 10. Februar 2022 – C-485/20, EU:C:2022:85 – [HR Rail] Rn. 27 mwN; 17. April 2018 – C-414/16, EU:C:2018:257 – [Egenberger] Rn. 47). 19 Nach den Bestimmungen der Richtlinie 2000/78/EG sowie nach Art. 21 der Charta kann die Klägerin, die Beschäftigung sucht, einen wirksamen Schutz vor Diskriminierung wegen ihres Alters beanspruchen. Menschen mit Behinderung, die – wie die 28-jährige Studentin A. – eine Persönliche Assistenz suchen, können nach Art. 21 der Charta einen wirksamen Schutz vor Diskriminierung wegen ihrer Behinderung beanspruchen. Zudem greift zu ihren Gunsten Art. 26 der Charta ein. 20 In diesem Spannungsfeld, in dem sowohl die Klägerin als auch die betroffene Person mit Behinderung Schutz vor Diskriminierung beanspruchen können, hat der Senat zu prüfen, ob im Ausgangsrechtsstreit eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters gerechtfertigt ist. Wie in der strukturell besonderen Situation der Persönlichen Assistenz das Recht des Menschen mit Behinderung, der Persönliche Assistenz benötigt und eine solche mit einer Stellenausschreibung sucht, und das Recht des Menschen, der – wie die Klägerin des Ausgangsverfahrens – Beschäftigung sucht und dabei nicht diskriminiert werden darf, zum Ausgleich zu bringen sind, kann ohne Vorabentscheidungsersuchen nicht beurteilt werden. Falls die unmittelbare Benachteiligung der Klägerin wegen ihres Alters nicht gerechtfertigt sein sollte, hätte sie einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. 21 Soweit der Senat seinen Ausführungen eine bestimmte Auslegung der Bestimmungen der Richtlinie 2000/78/EG zugrunde legt, wird der Gerichtshof, sofern diese Auslegung unzutreffend sein sollte, über die Beantwortung der Vorlagefrage hinaus um einen entsprechenden Hinweis gebeten. II. Zur Situation bei Persönlicher Assistenz 22 Aus der Sicht des Senats ist es zur rechtlichen Beurteilung bedeutsam, sich zunächst die besondere Situation Persönlicher Assistenz vor Augen zu führen, die im Folgenden unter Berücksichtigung einschlägiger Bestimmungen des nationalen Sozialrechts dargestellt wird. 23 In Deutschland werden Leistungen der Persönlichen Assistenz im Sinne von unter anderem § 78 SGB IX nach verschiedenen rechtlichen Vorgaben in Abhängigkeit von dem individuellen Assistenzbedarf von unterschiedlichen Leistungsträgern (unter anderem gesetzliche Rehabilitationsträger – wie die gesetzlichen Krankenkassen, die Bundesagentur für Arbeit, die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung -, Pflegekassen, Integrationsämter, staatliche Kinder- und Jugendhilfe, staatliche Sozialhilfe) bewilligt und finanziert. Dabei können die durch die oben genannten Leistungsträger bewilligten Leistungen der Persönlichen Assistenz organisatorisch in unterschiedlichen Modellen erbracht werden: Teilweise werden sie von den assistenznehmenden Menschen mit Behinderung im sogenannten Arbeitgebermodell selbst organisiert und abgerechnet, teilweise bedienen sich die assistenznehmenden Personen der organisatorischen Hilfe einer Assistenzgenossenschaft bzw. von Assistenz- oder Pflegediensten, die die Personalsuche und Arbeitgebereigenschaft in Abstimmung mit ihnen für sie übernehmen. Konkret wird die Persönliche Assistenz häufig durch Teams im Schichtdienst erbracht. 24 Die Persönliche Assistenz betrifft sämtliche Lebensbereiche und reicht – zwangsläufig – tief in die Privat- und Intimsphäre der assistenzbedürftigen/-nehmenden Person hinein. Dies gilt unabhängig davon, ob Persönliche Assistenz „rund um die Uhr“ oder in einem geringeren Umfang erbracht wird. Je nach den Umständen des Einzelfalls kann Bedarf an Persönlicher Assistenz in der Wohnung, im Familienhaushalt, bei der Arbeit, in der Ausbildung oder Schule, bei Arztbesuchen und Behördengängen, in der Freizeit, bei Treffen im Familien- und Freundeskreis, bei Besuchen von etwa Theater, Kino, Restaurants, Clubs, beim Sport, auch im Urlaub und auf Reisen bestehen. Konkret geht es unter anderem um Mobilität in allen Bereichen, Begleitung im Straßenverkehr, Assistenz im Haushalt und beim Einkauf, Assistenz bei der Körperpflege und -hygiene einschließlich der Begleitung bei Toilettengängen und Unterstützung beim An- und Ausziehen. Die Assistentinnen und Assistenten haben regelmäßig Einblick in alle Lebensbereiche der betroffenen Person, teilweise auch in solche, die ansonsten weder engen Freunden noch Angehörigen zugänglich sind (vgl. Köpcke Soziale Arbeit 2016, 289, 290). In einer Situation wie der des Ausgangsfalls kann sich Assistenz in der Universität auf die Aufnahme und Verarbeitung der Studieninhalte beziehen und konkret beispielsweise das Anfertigen von Mitschriften einschließen. Bei jedem Zusammentreffen mit anderen Studierenden ist – je nach den Umständen des Einzelfalls – zwangsläufig Persönliche Assistenz erforderlich, die damit integraler Bestandteil des universitären Lebens des betroffenen Menschen mit Behinderung, hier der 28-jährigen Studentin A. ist. 25 Persönliche Assistenz für Menschen mit Behinderung ist eine Dienstleistung, die Selbstbestimmung (vgl. oben Rn. 9 zu § 78 SGB IX), Teilhabe und Inklusion ermöglicht (vgl. Müller Persönliche Assistenz S. 15 f., 22 ff.). Das Konzept der Persönlichen Assistenz basiert auf dem Leitbild der Selbstbestimmung und unterscheidet sich grundlegend von einer Versorgung durch institutionalisierte stationäre oder ambulante Einrichtungen und Pflegedienste. Persönliche Assistenz ist darauf gerichtet, Menschen mit Behinderung zu befähigen, ihr eigenes Leben selbstbestimmt zu gestalten und zu organisieren; soweit dabei Anspruch auf staatliche Leistungen besteht, sollen die erforderlichen Ressourcen für ein selbstbestimmtes Leben zur Verfügung gestellt werden (Müller Persönliche Assistenz S. 53 f.). In diesem Zusammenhang werden im Schrifttum auf Seiten der assistenznehmenden Person die Personalkompetenz (selbstbestimmte Personalauswahl), die Anleitungskompetenz (Kompetenz, das ausgewählte Personal – abgestimmt auf die je eigenen Erfahrungen mit der Beeinträchtigung – selbst anzuleiten) und die Organisationskompetenz (Kompetenz, die Einsatzorte und -zeiten und den Umfang der Dienstleistung selbst zu bestimmen) als einige der zentralen Elemente des Konzepts der Persönlichen Assistenz genannt (vgl. etwa Müller Persönliche Assistenz S. 21 f.; Köpcke Soziale Arbeit 2016, 289, 290, jeweils mwN). III. Zu § 8 Abs. 1 SGB IX in Verbindung mit § 33 SGB I – Wunsch- und Wahlrecht des Menschen mit Behinderung 26 In Deutschland ist bei der Entscheidung über die Leistungen und bei der Ausführung der Leistungen zur Teilhabe nach § 8 Abs. 1 SGB IX in Verbindung mit § 33 SGB I berechtigten Wünschen der Leistungsberechtigten zu entsprechen, soweit sie angemessen sind. Nach § 8 Abs. 1 SGB IX in Verbindung mit § 33 SGB I ist unter anderem auf die persönliche Lebenssituation, das Alter, das Geschlecht, die Familie sowie die religiösen und weltanschaulichen Bedürfnisse der Leistungsberechtigten Rücksicht zu nehmen. Nach der Gesetzesbegründung zu § 78 Abs. 2 SGB IX (BT-Drs. 18/9522 S. 262) sind bei der Gestaltung der Leistungen der Persönlichen Assistenz die Wünsche der Leistungsberechtigten zu berücksichtigen, soweit sie angemessen sind. In diesem Rahmen kann die leistungsberechtigte Person über den Leistungsanbieter sowie in Absprache mit ihm über die Person des Assistenten oder der Assistentin, über Art, Zeiten, Ort und Ablauf der Assistenzleistungen entscheiden. 27 Mit dem Wunsch- und Wahlrecht der Leistungsberechtigten soll dem Anspruch behinderter Menschen auf eine möglichst weitgehend selbstbestimmte und eigenverantwortliche Gestaltung ihrer Lebensumstände Rechnung getragen und die Eigenverantwortlichkeit der Betroffenen sowie ihre Motivation zur Teilhabe gestärkt werden (BT-Drs. 14/5074 S. 94, 100). 28 Als berechtigt werden Wünsche angesehen, die sich an den vom Leistungsrecht vorgegebenen Rahmen und die mit der Leistung verfolgten Zielsetzungen sowie an sonstige Vorgaben halten, etwa an das für die Rehabilitationsträger geltende Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sowie die Pflicht, Leistungen nur in geeigneten Einrichtungen zu erbringen. Entscheidend ist demnach, dass den Wünschen keine derartigen Vorgaben entgegenstehen (Joussen in LPK-SGB IX 6. Aufl. § 8 Rn. 6 mwN). IV. Zur Einbindung Persönlicher Assistenz im Rahmen der Bestimmungen der UN-BRK, der Charta und im einschlägigen nationalen Recht 1. Einbindung Persönlicher Assistenz in der UN-BRK 29 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist die Richtlinie 2000/78/EG nach Möglichkeit in Übereinstimmung mit der UN-BRK, die Bestandteil der Unionsrechtsordnung ist, auszulegen (EuGH 11. September 2019 – C-397/18, EU:C:2019:703 – [Nobel Plastiques Ibérica] Rn. 39 f. mwN). 30 Nach Art. 19 UN-BRK („Unabhängige Lebensführung und Einbeziehung in die Gemeinschaft“) anerkennen die Vertragsstaaten der UN-BRK das gleiche Recht aller Menschen mit Behinderungen, mit gleichen Wahlmöglichkeiten wie andere Menschen in der Gemeinschaft zu leben. Die Vertragsstaaten treffen wirksame und geeignete Maßnahmen, um Menschen mit Behinderungen den vollen Genuss dieses Rechts und ihre volle Einbeziehung in die Gemeinschaft und Teilhabe an der Gemeinschaft zu erleichtern. Dies schließt wirksame und geeignete Maßnahmen ein, damit Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt die Möglichkeit haben unter anderem zu entscheiden, mit wem sie leben. In diesem Kontext wird gewährleistet, dass Menschen mit Behinderungen Zugang zu einer Reihe von Unterstützungsdiensten haben, einschließlich der Persönlichen Assistenz, die zur Unterstützung des Lebens in der Gemeinschaft und der Einbeziehung in die Gemeinschaft sowie zur Verhinderung von Isolation und Absonderung von der Gemeinschaft notwendig ist. Art. 19 UN-BRK enthält nach Auffassung des Senats konkrete Vorgaben zur Verwirklichung der in der Präambel der UN-BRK aufgezeigten grundlegenden Vorgaben der Menschenrechte einschließlich der Menschenwürde, für deren vollen Genuss nach der Präambel die individuelle Autonomie und Unabhängigkeit der Menschen mit Behinderungen notwendig ist. Hierzu gehört auch die Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen. 31 In den zu Art. 19 UN-BRK vom UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen unter der Überschrift „Zum selbstbestimmten Leben und Inklusion in die Gemeinschaft“ verabschiedeten Allgemeinen Bemerkungen ist definiert, dass „Selbstbestimmt Leben“ bedeutet, dass „Menschen mit Behinderungen alle notwendigen Mittel gewährt werden, die es ihnen ermöglichen, Wahlfreiheit und Kontrolle über ihr Leben auszuüben und alle Entscheidungen, die ihr Leben betreffen, zu treffen. Persönliche Autonomie und Selbstbestimmung sind von grundlegender Bedeutung für ein selbstbestimmtes Leben; dies umfasst auch Zugang zu Beförderung, Informationen, Kommunikation und persönlicher Assistenz, Wohnort, Tagesablauf, Gewohnheiten, menschenwürdige Beschäftigung, persönliche Beziehungen, Kleidung, Ernährung, Körperpflege und Gesundheitsversorgung, religiöse Aktivitäten, kulturelle Aktivitäten sowie sexuelle und reproduktive Rechte. Diese Aktivitäten stehen im Zusammenhang mit der Identitäts- und Persönlichkeitsentwicklung: Es geht darum, wo wir leben und mit wem, was wir essen, ob wir gerne ausschlafen oder abends gerne spät ins Bett gehen, ob wir lieber drinnen oder draußen sind, eine Tischdecke und Kerzen auf dem Tisch mögen, Haustiere halten oder Musik hören. Diese Handlungen und Entscheidungen machen uns aus. Selbstbestimmt Leben ist ein wesentlicher Bestandteil der individuellen Autonomie und Freiheit und bedeutet nicht automatisch, alleine zu leben. Selbstbestimmt Leben sollte auch nicht ausschließlich als die Fähigkeit interpretiert werden, alltägliche Tätigkeiten selbst auszuführen. Stattdessen sollte selbstbestimmtes Leben im Einklang mit Artikel 3 (a) des Übereinkommens, in dem die Achtung der dem Menschen innewohnenden Würde und seiner individuellen Autonomie verankert ist, als Freiheit zur Wahlfreiheit und Kontrolle verstanden werden. Selbstbestimmung als eine Form der persönlichen Autonomie bedeutet, dass Menschen mit Behinderungen nicht ihrer Wahl- und Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich ihres persönlichen Lebensstils und ihres Alltags beraubt werden“ (vgl. Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen Allgemeine Bemerkung Nr. 5 zu Art. 19 UN-BRK – CRPD/C/GC/5 – veröffentlicht am 27. Oktober 2017 Abschnitt II Nr. 16 Buchstabe a). 32 Durch die gleiche Anerkennung vor dem Recht (Art. 12 UN-BRK) wird sichergestellt, „dass alle Menschen mit Behinderungen das Recht haben, ihre Rechts- und Handlungsfähigkeit uneingeschränkt auszuüben und so das gleiche Recht auf Wahlfreiheit und Kontrolle über ihr eigenes Leben haben, indem sie entscheiden, wo, mit wem und wie sie leben wollen, sowie das Recht auf Unterstützung im Einklang mit ihrem Willen und ihren Präferenzen. Für die vollständige Verwirklichung des Übergangs zu unterstützter Entscheidungsfindung und für die Umsetzung der in Artikel 12 [UN-BRK] verankerten Rechte ist es unerlässlich, dass Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit haben, ihre Wünsche und ihre Präferenzen zu entwickeln und auszudrücken, damit sie ihre Rechts- und Handlungsfähigkeit gleichberechtigt ausüben können. Damit dies erreicht werden kann, müssen sie ein Teil der Gemeinschaft sein. Darüber hinaus sollte bei der Ausübung der Rechts- und Handlungsfähigkeit Unterstützung mittels eines gemeindenahen Ansatzes, der die Wünsche und Präferenzen von Menschen mit Behinderungen respektiert, geleistet werden“ (vgl. Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen Allgemeine Bemerkung Nr. 5 zu Art. 19 UN-BRK – CRPD/C/GC/5 – veröffentlicht am 27. Oktober 2017 Abschnitt IV Nr. 80). 33 Zudem spricht nach Auffassung des Senats viel dafür, dass bei der Ausgestaltung der Persönlichen Assistenz im Sinne von § 78 SGB IX auch die in Art. 3 UN-BRK niedergelegten allgemeinen Grundsätze zu beachten sind, nämlich die Achtung der dem Menschen innewohnenden Würde und seiner individuellen Autonomie, sowie der in Art. 1 UN-BRK beschriebene Zweck des Übereinkommens, den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten und die Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu fördern. 2. Zu den einschlägigen Vorgaben der Charta 34 Auf der Ebene des Unionsrechts wirkt sich aus Sicht des Senats aus, dass die Richtlinie 2000/78/EG, die in dem von ihr erfassten Bereich das nunmehr in Art. 21 der Charta niedergelegte allgemeine Diskriminierungsverbot konkretisiert (vgl. Rn. 18), nicht nur im Licht von Art. 21 der Charta, sondern auch von Art. 26 der Charta auszulegen ist, wonach die Union den Anspruch von Menschen mit Behinderung auf Maßnahmen zur Gewährleistung ihrer Eigenständigkeit, ihrer sozialen und beruflichen Eingliederung und ihrer Teilnahme am Leben der Gemeinschaft anerkennt und achtet (vgl. etwa EuGH 21. Oktober 2021 – C-824/19, EU:C:2021:862 – [Komisia za zashtita ot diskriminatsia] Rn. 33). Zudem kann sich in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens auch Art. 7 der Charta auswirken, wonach jede Person das Recht auf Achtung ihres Privatlebens sowie ihrer Wohnung hat. Auch insoweit geht es – wie bereits unter Rn. 4 ausgeführt – um die Gewährleistung der Menschenwürde im Sinne von unter anderem Art. 1 der Charta. 3. Zu Vorgaben im nationalen Recht der Bundesrepublik Deutschland 35 Nach § 78 Abs. 1 SGB IX (vgl. oben Rn. 9) werden Leistungen für Assistenz zur selbstbestimmten und eigenständigen Bewältigung des Alltags einschließlich der Tagesstrukturierung erbracht. Sie umfassen insbesondere Leistungen für die allgemeinen Erledigungen des Alltags wie die Haushaltsführung, die Gestaltung sozialer Beziehungen, die persönliche Lebensplanung, die Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben, die Freizeitgestaltung einschließlich sportlicher Aktivitäten sowie die Sicherstellung der Wirksamkeit der ärztlichen und ärztlich verordneten Leistungen. Sie beinhalten die Verständigung mit der Umwelt in diesen Bereichen. Dabei ist nach § 8 Abs. 1 SGB IX in Verbindung mit § 33 SGB I unter anderem auf die persönliche Lebenssituation, das Alter, das Geschlecht, die Familie sowie die religiösen und weltanschaulichen Bedürfnisse der Leistungsberechtigten Rücksicht zu nehmen (vgl. oben Rn. 8 f.). Diese Bestimmungen sind im Licht von Art. 19 UN-BRK und dem hinter dieser Bestimmung stehenden menschenrechtlichen Ansatz der UN-BRK zu verstehen. Zudem sind, soweit der Anwendungsbereich des Unionsrechts betroffen ist, die oben genannten Bestimmungen der Charta zu berücksichtigen. D. Zur Vorlagefrage 36 Für die Frage, ob die für eine etwaige Rechtfertigung der Benachteiligung der Klägerin wegen des Alters relevanten Regelungen über das Wunsch- und Wahlrecht der Leistungsberechtigten – hier der assistenznehmenden Person – im deutschen Sozialgesetzbuch (§ 8 Abs. 1 SGB IX in Verbindung mit § 33 SGB I) mit der Richtlinie 2000/78/EG vereinbar sind oder nicht, kommt es nach Auffassung des Senats auf das Ziel an, das mit diesen Regelungen bei der Erbringung von Leistungen der Persönlichen Assistenz verfolgt wird. Anhand dieses Ziels ist festzustellen, unter welchen Richtlinienbestimmungen diese Maßnahme zu prüfen ist (vgl. EuGH 12. Januar 2010 – C-341/08, EU:C:2010:4 – [Petersen] Rn. 36 f.). 37 Mit dem Wunsch- und Wahlrecht der Leistungsberechtigten soll dem Anspruch behinderter Menschen auf eine möglichst weitgehend selbstbestimmte und eigenverantwortliche Gestaltung ihrer Lebensumstände Rechnung getragen und die Eigenverantwortlichkeit der Betroffenen sowie ihre Motivation zur Teilhabe gestärkt werden (vgl. oben Rn. 27). Da die Persönliche Assistenz sämtliche Lebensbereiche betrifft und zwangsläufig tief in die Privat- und Intimsphäre der assistenzbedürftigen/-nehmenden Person hineinreicht (vgl. Rn. 24), ist es nach Auffassung des Senats zur Gewährleistung der Menschenwürde (Art. 1 der Charta, Art. 1 GG) erforderlich, die Wünsche des jeweiligen Menschen mit Behinderung für die eigene Lebensgestaltung bei Persönlichen Assistenzleistungen zu respektieren und in den Mittelpunkt zu stellen. Deshalb benötigen Menschen mit Behinderung aus Sicht des Senats weitgehende Freiheit in der Auswahl der sie begleitenden Menschen. Wie auch Menschen ohne Behinderung müssen sie die Wahl haben, mit wem sie ihr Leben teilen wollen. Der Senat ist deshalb der Auffassung, dass die Wünsche des jeweiligen Menschen mit Behinderung bei Persönlichen Assistenzleistungen nach einem bestimmten Alter und einem bestimmten Geschlecht der Assistenzperson – soweit im Einzelfall angemessen – zu respektieren sind. 38 Dabei macht es aus Sicht des Senats für die hier zu beurteilende Frage der Rechtfertigung der von der Klägerin erfahrenen unmittelbaren Benachteiligung wegen ihres Alters keinen Unterschied, ob die assistenznehmende Person mit Behinderung im sogenannten Arbeitgebermodell selbst ihre Persönliche Assistenz organisiert oder ob – wie hier – eine Assistenzgenossenschaft bzw. ein Assistenz- oder Pflegedienst (vgl. oben Rn. 23) dies in Abstimmung mit ihr für sie organisiert. 39 Nach allem stellt sich für den Senat die Frage, ob es mit den Vorgaben der Richtlinie 2000/78/EG vereinbar ist, wenn Menschen mit Behinderung im Verfahren der Stellenbesetzung für eine Persönliche Assistenz eine altersbezogene Präferenz zum Auswahlkriterium erheben, obwohl nach Art. 2 Abs. 2 Buchstabe a der Richtlinie 2000/78/EG (bzw. § 3 Abs. 1 AGG) eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters verboten ist. Dabei beschränkt der Senat seine Frage zur Auslegung des Unionsrechts nicht auf die in der Vorlagefrage genannten Bestimmungen. Soweit aus der Sicht des Gerichtshofs für einen Fall, wie er dem Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens zugrunde liegt, eine andere Bestimmung des Unionsrechts von Bedeutung sein sollte, sind ausdrücklich alle Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts erwünscht, die bei der Entscheidung des beim Senat anhängigen Verfahrens von Bedeutung sein können. I. Zu Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG 40 Nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG kann eine Ungleichbehandlung wegen eines Merkmals, das im Zusammenhang mit einem der in Art. 1 der Richtlinie 2000/78/EG genannten Diskriminierungsgründe – darunter unter anderem das Alter – steht, keine Diskriminierung darstellen, wenn das betreffende Merkmal aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt. Nach der im 23. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/78/EG zum Ausdruck gebrachten Anforderung kann eine solche Rechtfertigung nur unter sehr begrenzten Bedingungen gegeben sein. Der Umsetzung von unter anderem Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG in das nationale Recht dient § 8 Abs. 1 AGG. Nach § 8 Abs. 1 AGG ist die unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes – darunter unter anderem das Alter – zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt. 41 In unionsrechtskonformer enger Auslegung von § 8 Abs. 1 AGG kann nicht der Grund im Sinne von § 1 AGG, auf den die Ungleichbehandlung gestützt ist, sondern nur ein mit diesem Grund im Zusammenhang stehendes Merkmal eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellen (vgl. etwa EuGH 15. Juli 2021 – C-795/19, EU:C:2021:606 – [Tartu Vangla] Rn. 32 mwN; 14. März 2017 – C-188/15, EU:C:2017:204 – [Bougnaoui und ADDH] Rn. 37 mwN; 12. Januar 2010 – C-229/08, EU:C:2010:3 – [Wolf] Rn. 35). Dabei kann das betreffende Merkmal nach dem Wortlaut von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG selbst eine solche Anforderung nur „aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung“ darstellen. Der Begriff „wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung“ im Sinne dieser Bestimmung verweist auf eine Anforderung, die von der Art der betreffenden beruflichen Tätigkeit oder den Bedingungen ihrer Ausübung objektiv vorgegeben ist. Er kann sich hingegen nicht auf subjektive Erwägungen – wie etwa den Willen des Arbeitgebers, besonderen Kundenwünschen zu entsprechen – erstrecken (vgl. EuGH 14. März 2017 – C-188/15, EU:C:2017:204 – [Bougnaoui und ADDH] Rn. 39 f.). Die Rechtmäßigkeit einer Ungleichbehandlung nach Maßgabe dieser Vorschrift hängt – soweit ersichtlich – vom objektiv überprüfbaren Vorliegen eines direkten Zusammenhangs zwischen der aufgestellten beruflichen Anforderung und der fraglichen Tätigkeit ab (vgl. insoweit vermutlich übertragbar EuGH 17. April 2018 – C-414/16, EU:C:2018:257 – [Egenberger] Rn. 63 zu Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG). 42 Zwar spricht aus Sicht des Senats einiges dafür, dass die Gewährleistung des Rechts auf ein selbstbestimmtes Leben nach den eigenen Präferenzen, auf individuelle Autonomie und Freiheit zur Wahlfreiheit und Kontrolle ein „rechtmäßiger Zweck“ im Sinne von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG und damit im Sinne von § 8 Abs. 1 AGG ist. Der Senat kann allerdings nicht beurteilen, ob der von einem Menschen mit Behinderung im Rahmen seines Selbstbestimmungsrechts geäußerte Wunsch, die Person, die die benötigte und mit einer Stellenausschreibung gesuchte Persönliche Assistenz leistet, solle ein wunschgemäßes Alter haben, ein Merkmal im Sinne von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG ist und ob eine Alterspräferenz eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung sein kann. Dies könnte fraglich sein, denn der jeweilige konkrete Wunsch ist nicht verallgemeinerbar und als solcher nicht von der Art der beruflichen Tätigkeit der Persönlichen Assistenz oder den Bedingungen ihrer Ausübung objektiv vorgegeben. Bei der Personalauswahl für Persönliche Assistenz kann sich der Wunsch eines jungen Menschen mit Behinderung zwar – wie hier – auf eine etwa gleichaltrige Person richten, der Wunsch eines anderen jungen Menschen mit Behinderung mag sich aber eher auf eine Person im Alter der Eltern richten. Der jeweilige Wunsch beruht auf subjektiven Prioritäten für die eigene, selbstbestimmte Lebensgestaltung des jeweiligen Menschen. Dieses Selbstbestimmungsrecht zu achten und ihm bei der Personalauswahl für Persönliche Assistenz zu entsprechen, soweit die Wünsche berechtigt und angemessen sind (vgl. Rn. 8 f. zu § 8 Abs. 1 SGB IX und § 33 SGB I), ist aus Sicht des Senats unerlässlich. Ob dies allerdings im Rahmen von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG möglich ist und welche Vorgaben in solch einem Fall für die Prüfung der Angemessenheit zu berücksichtigen sind, ist bisher – soweit ersichtlich – nicht geklärt. II Zu Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG 43 Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2000/78/EG können die Mitgliedstaaten ungeachtet des Art. 2 Abs. 2 dieser Richtlinie vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG in das nationale Recht dient § 10 AGG. Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Nach § 10 Satz 2 AGG müssen die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sein. Sowohl in Art. 6 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2000/78/EG als auch in § 10 Satz 3 AGG sind dazu mögliche „derartige“ zulässige „Ungleichbehandlungen“ bzw. „unterschiedliche Behandlungen“ mit dem Zusatz „insbesondere“ aufgeführt. 44 Zu Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass die Mitgliedstaaten nicht nur bei der Entscheidung darüber, welches konkrete Ziel von mehreren sie im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik verfolgen wollen, sondern auch bei der Festlegung der zu seiner Erreichung geeigneten Maßnahmen über ein weites Ermessen verfügen, wobei Haushaltserwägungen zwar den sozialpolitischen Entscheidungen eines Mitgliedstaats zugrunde liegen können, sie aber nicht als solche das mit der jeweiligen Arbeits- und Sozialpolitik verfolgte Ziel darstellen dürfen (vgl. etwa EuGH 15. April 2021 – C-511/19, EU:C:2021:274 – [Olympiako Athlitiko Kentro Athinon] Rn. 30, 34 mwN). Allerdings darf das den Mitgliedstaaten offenstehende weite Ermessen bei der Entscheidung, welches konkrete Ziel von mehreren im Bereich der Sozial- und Arbeitspolitik verfolgt werden soll und welche Maßnahmen zu dessen Erreichung geeignet sind, nicht dazu führen, dass der Grundsatz des Verbots der Diskriminierung aus Gründen des Alters ausgehöhlt wird (vgl. etwa EuGH 3. Juni 2021 – C-914/19, EU:C:2021:430 – [Ministero della Giustizia (Notaires)] Rn. 30; 12. Oktober 2010 – C–499/08, EU:C:2010:600 – [Ingeniørforeningen i Danmark] Rn. 33 mwN). 45 Der Senat kann nicht beurteilen, ob in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens, in der es um eine kombinierte Mindest- und Höchstaltersgrenze geht („am besten zwischen 18 und 30 Jahre alt“), Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2000/78/EG eingreifen kann. Insoweit könnte zu erwägen sein, dass es ein „legitimes Ziel“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2000/78/EG sein kann, wenn der nationale Gesetzgeber mit dem Wunsch- und Wahlrecht von Menschen mit Behinderungen bei der Erbringung von Leistungen der Persönlichen Assistenz das Ziel verfolgt, dem Anspruch behinderter Menschen auf eine möglichst weitgehend selbstbestimmte und eigenverantwortliche Gestaltung ihrer Lebensumstände Rechnung zu tragen und die Eigenverantwortlichkeit der Betroffenen sowie ihre Motivation zur Teilhabe zu stärken (vgl. oben Rn. 27). Zudem stellt sich die Frage, welche Vorgaben gegebenenfalls im Hinblick auf die Prüfung der Angemessenheit und Erforderlichkeit zu beachten sind. 46 Im Übrigen wird – auch wenn hier nach den Umständen des Falls nicht von unmittelbarer Bedeutung – nur der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen, dass in der strukturell besonderen Situation der Persönlichen Assistenz subjektive Wünsche nicht nur im Hinblick auf das Alter der Assistenzperson eine Rolle spielen können, sondern dass auch andere der in Art. 1 der Richtlinie 2000/78/EG sowie § 1 AGG genannten Diskriminierungsgründe betroffen sein können. § 8 Abs. 1 SGB IX nennt insofern neben dem Alter das Geschlecht sowie die religiösen und weltanschaulichen Bedürfnisse. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG, der ausschließlich das Alter betrifft, könnte eine Diskriminierung wegen anderer Gründe allerdings nicht rechtfertigen. III. Zu Art. 7 der Richtlinie 2000/78/EG 47 Nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG hindert der Gleichbehandlungsgrundsatz die Mitgliedstaaten nicht daran, zur Gewährleistung der völligen Gleichstellung im Berufsleben spezifische Maßnahmen beizubehalten oder einzuführen, mit denen Benachteiligungen wegen eines in Art. 1 der Richtlinie 2000/78/EG genannten Diskriminierungsgrundes verhindert oder ausgeglichen werden. Der Umsetzung von Art. 7 der Richtlinie 2000/78/EG in das nationale Recht dient § 5 AGG. Nach § 5 AGG ist ungeachtet der in den §§ 8 bis 10 AGG benannten Gründe eine unterschiedliche Behandlung auch zulässig, wenn durch geeignete und angemessene Maßnahmen bestehende Nachteile wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes verhindert oder ausgeglichen werden sollen. Allerdings geht es nach Art. 7 der Richtlinie 2000/78/EG um die Gleichstellung im Berufsleben, was in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens nicht Ziel der Persönlichen Assistenz für die hier betroffene Assistenznehmerin ist. 48 Vor diesem Hintergrund möchte der Senat wissen, ob Art. 7 der Richtlinie 2000/78/EG gleichwohl, soweit die Bestimmung im Licht von Art. 19 UN-BRK und dem dahinter stehenden menschenrechtlichen Ansatz der UN-BRK (vgl. hierzu Rn. 35) sowie im Licht der Garantien der Art. 1, Art. 7, Art. 21 und Art. 26 der Charta (vgl. hierzu Rn. 4, 18, 34) zu verstehen ist, für eine Rechtfertigung der Benachteiligung wegen des Alters in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens von Bedeutung sein kann. Insoweit könnte sich nach Auffassung des Senats zudem auswirken, dass die Vertragsstaaten der UN-BRK nach Art. 5 Abs. 1 UN-BRK anerkennen, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, vom Gesetz gleich zu behandeln sind und ohne Diskriminierung Anspruch auf gleichen Schutz durch das Gesetz und gleiche Vorteile durch das Gesetz haben, wobei Art. 5 Abs. 4 UN-BRK ausdrücklich zu besonderen Maßnahmen ermächtigt, die zur Beschleunigung oder Herbeiführung der tatsächlichen Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderungen erforderlich sind (EuGH 9. März 2017 – C-406/15, EU:C:2017:198 – [Milkova] Rn. 48 ff.). IV. Zu Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie 2000/78/EG 49 Nach Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie 2000/78/EG berührt diese Richtlinie nicht die im einzelstaatlichen Recht vorgesehenen Maßnahmen, die in einer demokratischen Gesellschaft unter anderem zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind. Der Rechtsprechung des Gerichtshofs kann insoweit entnommen werden, dass die in Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie 2000/78/EG genannten Gründe – wie der Schutz der Rechte und Freiheiten anderer – als Möglichkeiten der „Rechtfertigung“ betrachtet werden können (vgl. EuGH 22. Januar 2019 – C-193/17, EU:C:2019:43 – [Cresco Investigation] Rn. 52: „susceptible d’être justifiée sur le fondement de l’article 2, paragraphe 5, de la directive 2000/78“ bzw. „auf der Grundlage des Art. 2 Abs. 5 … der Richtlinie 2000/78 gerechtfertigt sein kann“). 50 Vor diesem Hintergrund möchte der Senat wissen, ob sich aus Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie 2000/78/EG in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens eine Rechtfertigung der Benachteiligung der Klägerin wegen des Alters ergeben kann. 51 Auch insoweit könnte sich auswirken, dass Persönliche Assistenzleistungen dem in Art. 19 UN-BRK und dem im nationalen Recht im SGB IX enthaltenen Recht von Menschen mit Behinderung auf Selbständigkeit und Autonomie (vgl. oben Rn. 3, 30 f., 33, 42) gerecht werden müssen. Da es einem Menschen ohne Behinderung im Alter der 28-jährigen Studentin A. unzweifelhaft freisteht, autonom darüber zu entscheiden, mit Menschen welchen Alters das tägliche Leben geteilt werden soll, spricht aus Sicht des Senats viel dafür, dass Menschen mit Behinderung ein solches freies Bestimmungsrecht auch im Hinblick auf die Persönliche Assistenz gewährleistet sein muss. Menschen mit Behinderung wird nach der Präambel der UN-BRK der volle Genuss der Menschenrechte und Grundfreiheiten ohne Diskriminierung garantiert. Zudem ist nach Art. 1 UN-BRK der volle und gleichberechtigte Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle Menschen mit Behinderung zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten. Auch ist die Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu fördern. Vor diesem Hintergrund möchte der Senat wissen, ob insoweit auch ein Wunsch- und Wahlrecht – wie in § 8 Abs. 1 SGB IX – im Hinblick auf das Alter bei der Besetzung der Stelle zur Persönlichen Assistenz eingeschlossen ist. Besondere Bedeutung könnte dabei auch hier den Garantien in Art. 1, Art. 7, Art. 21 und Art. 26 der Charta (vgl. Rn. 4, 18, 34) zukommen.              Schlewing                  Winter                  Berger                                    F. Rojahn                  Schirp"